Vergiss mein nicht von reuab_art (Willkommen im düstersten Kapitel des 19. Jahrhunderts /Otayuri /Victuuri) ================================================================================ Kapitel 18: Nur ein Spiel ------------------------- Huhu ~~~ Entschuldigt die Verspätung, aber ich hatte vor Kurzem wieder ein Interieurshooting in unserem Zuhause (wer schauen mag findet mich unter villa_minze_industrial bei Instagram oder FB) und es war irre viel Stress. Die Reportagen erscheinen immer in verschiedenen Wohnmagazinen. Also sooorryyyyyyyyyyy! Nun wünsche ich aber ganz viel Spaß mit dem Kapitel! Kapitel 19 Nur ein Spiel         Victors Hände zitterten, während sie das noch halb gefüllte Bleiglas umklammerten. Die alkoholgeschwängerten Wangen glühten fast schmerzhaft heiß. Seine Unterlippe bebte, während der Blick starr auf die Theke gerichtet war. Nichts, was vor wenigen Stunden geschehen war, würde mehr aus seinem Gedächtnis verschwinden können. Es hatte sich eingebrannt wie das unbarmherzige Blei in Yuras Haut. Die ersten morgendlichen Strahlen mussten draußen bereits die Welt erhellen, doch hier, an diesem unglückseligen Ort, würde kein Licht mehr scheinen. Victor hatte Yuri nach Hause geschickt. Er musste jetzt alleine sein. Es war Zeit!   Nur wenige Augenblicke später knarrte das Portal beinahe kläglich und Jean samt Mantel und Tasche betrat den düsteren Saal. Sein Blick fiel auf den Barkeeper, der wohl auf ihn zu warten schien, doch er übte sich in Ignoranz. Sorgsam verschloss er die Tür wieder und setzte seinen Weg zur Treppe fort. „Bleib stehen!“, hielt ihn die merklich raue Stimme seines Angestellten auf. Ohne sich umzublicken, ruhte er am Fuße der Treppe. „Warum!?“ Er wusste, dass Victor ihm diese Frage stellen würde. Lange hatte Jean überlegt, wie er sie beantworten würde. Seine Augen schlossen sich kurz nachdenklich. „Er ist selber Schuld. Als würde ich ihn nach all dem mit offenen Armen empfangen. Zugegeben, ich hätte mir zumindest eine Nacht nehmen sollen!“ Die eiskalte Stimme des Geschäftsmannes brachte Victors Blut zum Kochen. Ohne Nachzudenken stürmte er auf ihn zu, packte ihn am Kragen und schlug ihn schmerzhaft gegen das Treppengeländer. Was er jedoch im Gesicht seines Gegenübers sah, ließ ihn erschaudern. Tränen? Langsam ließ er seine Hand sinken, hielt ihn jedoch weiterhin fest. Was passierte da gerade vor seinen Augen? Warum um Himmels Willen sah Jean ihm nicht einmal ins Gesicht? Wo war nun seine Arroganz hin? „Du würdest es nicht verstehen!“, entwich es dem Anderen erstickt. Victor ließ nun auch den Kragen los. Er musste wissen, was es damit auf sich hatte. „Erklär es mir, vielleicht verschone ich dich dann!“ Dabei hatte er sich fest vorgenommen, nicht länger zu dulden, was unter diesem Dach geschah. Ein hämisches Lächeln flog über Jeans Lippen, doch wieder glitzerten seine Augen voll heißer Tränen. „Du wirst geliebt.“ Victor verstand die Welt nicht mehr. Was sollte diese Aussage denn nun? Sein Blick musste schrecklich verwirrt ausgesehen haben, denn er bekam tatsächlich eine Erklärung. „Als ich ihn damals sah... in diesem Waisenhaus, alleine und schwach...da wollte ich ihn beschützen. Sie haben viel Geld verlangt und mir war es egal. Ich hat so, als wäre er nur einer der anderen. Aber das war er nie für mich!“ Jeans Worte hallten in Victors Gedanken nach und er begann langsam zu begreifen. „Sein Haar war wie ein Fluss aus Gold. Die Augen... oh, diese Augen! So schön und gleichzeitig so kalt. Er hat mich niemals wirklich angesehen. Jede Nacht sehe ich im Traum diese Blicke. Ich wollte ihm ein Zuhause geben.... einen Platz bei mir... an meiner Seite!“ Jean ging ein paar Schritte zur Seite, zog einen Stuhl heran und setzte sich kraftlos. „Ich habe verstanden, dass er mich auf Distanz hielt. Er hatte nie jemanden an sich heran gelassen. Ich dachte, er würde mich verstehen... mein Handeln... irgendwann würde er an meiner Seite sein. Ich dachte... hoffte... er würde auch etwas für mich empfinden... aber nein!!! Alles, was ich... ICH mir gewünscht hatte, das bekam ER!“ Wütend stieß der Dunkelhaarige mit dem Fuß einen Tisch um, der krachend zur Seite kippte. Erschrocken beobachtete Victor, wie weitere Tränen die Wangen des ewig unantastbaren Mannes hinunter liefen. „Er hatte nur Augen für ihn. Seine Blicke.... mich würde er nie so ansehen. Mir wurde klar, dass er nie etwas für mich empfinden würde. Er würde... mich nie lieben...“ Ein bitteres Lachen verklang noch in der Kehle des Mannes, der auf einmal so gebrochen wirkte, dass der Barkeeper fast Mitleid empfand. Victor stellte den Tisch wieder auf, zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm. Zu seiner Überraschung zog Jean seine Steinschlosspistole, die er stets mit sich trug, aus seiner Manteltasche, legte sie auf den Tisch und schob sie seinem Angestellten zu. „Das wolltest du doch oder? Nun hast du deine Antwort, also beende dein Werk! Sieh es als Genugtuung an.“ Perplex legte der Barkeeper seine langen Finger auf die Waffe, strich vorsichtig über den Lauf, besann sich dann aber und schob sie dem anderen wieder entgegen. „Nein! Du hast dir selber deine Hölle geschaffen. Das ist ausreichend Genugtuung!“ Damit stand der Silberhaarige auf, schob den Stuhl heran und wandte sich ab. Leise, kaum noch hörbar, vernahm er die Stimme hinter sich. „Ich liebe ihn noch immer.“ Das kratzende Geräusch der Waffe über dem Holz verriet Victor, was der nächste Moment bringen würde. Reflexartig wandte er sich um, ergriff eilig und gerade rechtzeitig das Handgelenk, sodass der Schuss lediglich die Raumdecke traf. Jeans zitternde Hand hielt der Umklammerung nicht lange stand und ließ die Pistole zurück auf den Tisch sinken. „Du wirst dich nicht einfach von dieser Last befreien! Dein Leben soll mit aller Schwere weiter auf dir lasten!“ Victors Worte klangen kalt, unbarmherzig. Doch er hatte nun, was er wollte. Jean war gebrochen, schwach, verletzt. Warum nur sorgte es in ihm nicht für Genugtuung? Wieso empfand er Mitleid nach all dem, was Jean seinen Freunden angetan hatte? Er musste mit Yuri sprechen. Dieser wusste immer Rat, wenn er selber verzweifelt über seinen Gedanken brütete.   Otabek verlor langsam jedes Gefühl für Zeit. Wie viele Tage starrte Yura jetzt schon die Wand an? Mittlerweile war er immer stundenweise wieder im Waisenhaus bei seiner Arbeit gewesen, auch wenn Dr. Lee ihm sicher noch länger frei gegeben hätte. Aber er ertrug diese Stille in der kleinen Wohnung nicht mehr. Er musste hinaus, arbeiten, das Lachen der Kinder hören, die ihn schon schmerzlich vermisst hatten. Wenn er wieder nach Hause kam, setzte er sich auf den Boden vor Yuras Füße, legte seinen Kopf auf den schmalen Schoß und erzählte. Erzählte vom Alltag im Krankenhaus, von den Kindern im Waisenhaus, den Ausflügen, die er mit ihnen machte, den Spielen, die er mit ihnen spielte und den Büchern, die er ihnen  vorlas. Manchmal las er Yura auch vor. Gedichte, Kurzgeschichten oder aus Bilderbüchern. Dann zeigte er auf die schwarz illustrierten Bilder, die zu den Texten gehörten, doch Yura sah in die Ferne. Er starrte nur immer mit leeren Augen ins Nichts. An einem Tag versuchte Otabek ihn mit auf den Markt zu nehmen. Er half ihm aufstehen, kleidete ihn an, führte ihn am Arm durch die Gassen und zeigte ihm allerhand Schönes an den Ständen. Doch der Blick blieb leer, die Lippen stumm. Als Otabek wieder einmal fast an der Stille erstickte, suchte er Rat in der Kirche. Chris entzündete gerade die Kerzen und beobachtete erstaunt, wie Otabek Yura auf eine der hinteren Bänke lotste und ihn dort verweilen ließ. Langsam und mit traurigem Blick näherte sich der Arbeiter dem Geistlichen. „Mein Sohn, wie geht es dir? Ich habe dich lange nicht gesehen!“ Erfreut umarmte der Blonde seinen Schützling. Doch sein Blick lag noch auf dem Jungen. „Ist er noch...?“, begann er zögerlich. Otabeks Augen schimmerten verdächtig. „Ich glaube... Dr. Lee hatte recht!“ Seufzend bat der Priester ihn, sich zu setzen. „Mein Sohn, es ist nicht deine Schuld! Nimm dir diese Bürde nicht an. Ja, es wäre möglich, dass er recht hat. Aber es liegt nicht in deiner Hand. Du hast es versucht!“ Doch Otabek rieb sich die schmerzende Stirn und schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht aufgeben! Er hat es nicht verdient, in irgendeinem Zimmer in dieser Anstalt einzugehen. Er ist nicht schwachsinnig!“ Zu seinem Erschrecken lag wenig Überzeugung in seiner Stimme. Dabei war er sich so sicher. Als die Bank ein knarrendes Geräusch von sich gab, erschraken beide in der Stille. Yura hatte sich erhoben, war langsam ein paar Schritte durch den Kirchenraum auf eine Kerze zugegangen und streckte nun scheinbar neugierig die Hand danach aus. Panisch sprang Otabek auf, rannte ihm entgegen und ergriff hastig seine zarten Finger. „Nein habe ich dir gesagt! Das ist heiß!“ Yura war zu Chris völliger Überraschung wirklich fasziniert von den kleinen Flammen. „Passiert das öfter?“, fragte er neugierig und Otabek nickte. „Aber sollte er nicht gerade davor Angst haben? Es hat ihm so viele Schmerzen zugefügt.“ Der Priester löschte vorsorglich die Kerzen in der direkten Umgebung. „Dr. Lee sagt, dass es vielleicht die einzige Erinnerung ist, die er gerade hat. Den Schmerz und das Leid scheint er dabei völlig vergessen zu haben.“, erklärte Otabek mit gereizter Stimme. „Ausgerechnet auf solche Dummheiten kommt er!“ Yura starrte auf die Hand, die seine Finger hielt, zog jedoch nicht weg. „Yura, du sollst das lassen, ok? Du tust dir noch weh!“, versuchte Otabek es noch einmal mit Erklärungen, war sich aber fast sicher, dass es nicht ankam. Seine Finger lösten den Griff. Langsam tapste Yura weiter durch den Gang zum Altar hin. Dabei schien sein Blick an etwas zu haften. Überrascht beobachteten die beiden Männer, wie er ausgerechnet dort auf den Stufen einen Platz suchte und die große, fast heruntergebrannte Osterkerze des letzten Jahres betrachtete. Ihre Flamme war besonders groß und hell. Der Schein spiegelte sich in den wunderschönen Augen wider und gab ihnen für einen Moment neues Leben.   Während Otabek sich noch immer mit dem Priester beriet, was nun zu entscheiden sei, verharrte der Junge ergeben auf den Stufen. Hin und wieder sah er sogar zu den beiden hinüber und entlockte seinem Liebsten damit einen kleinen Hoffnungsschimmer. „Sag, mein Sohn, warum nimmst du ihn nicht häufiger mit? Das scheint ihm gutzutun?“ Besorgt legte Chris dem jungen Arbeiter eine Hand auf die Schulter. „Nimm ihn doch mit in das Waisenhaus, dort kann ihm ja nichts passieren.“ Otabek dachte eine Weile nach. Die Kinder könnten ihn sicher leicht überfordern, aber zu Hause wäre es nicht sicher genug auf Dauer. „Ihr mögt recht haben, Father! Ich werde es ausprobieren, wenn ich zu meiner Schicht gehen werde.“ Langsam erhob er sich, lächelte schüchtern und ergriff seinen Schatz an der Hand. „Komm, wir gehen!“ Yura erhob sich vorsichtig, sah den Priester an und folgte brav seinem Liebsten. Chris wusste nicht, ob sein Rat von großem Wert war, aber er spürte eine tiefe Zufriedenheit in sich.   Dr. Lee war nicht leicht zu überzeugen, wenn es um medizinisch nicht fundierte Versuche ging. Er wollte Otabek keine Hoffnung nehmen, sah es jedoch auch als absolut inakzeptabel an, den Jungen diesem Stress auszusetzen. Während sie noch diskutierten, sah Yura gespannt in den Garten des Waisenhauses. Immer mehr grünte die Welt der wärmeren Tage entgegen und die Kinder testeten mit Holzreifen Sprungspielchen. Neugierig weiteten die stechend grünen Augen sich, als ein Mädchen rücklings den kleinen Hügel hinunterkullerte und lachte, als wäre gerade ein weiterer Weihnachtstag. Welch Freude musste sie doch einmal empfinden in den dunklen Tagen der Einsamkeit des Waisenhauses. Nur ein paar Schritte traute der Blonde sich näher in den Garten, da erschrak er kaum merklich. Eine kleine Hand ergriff seine und schaute ihn fragend an. „Spielst du mit mir?“ Der Junge hatte fast genauso solche Smaragde als Augen wie er selber, doch sein Haar war dunkel und zerzaust. Yuras Blick schien ihn keineswegs zu irritieren, auch, dass er nicht sprach, war ihm egal. Schulterzuckend hielt er weiter die Hand fest. „Musst nichts sagen, ich erkläre es dir!“ Dann zog er ihn einfach mit sich in den Garten. Fast zeitgleich wandte Otabek den Blick zu Yura. Zumindest zu der Stelle, an der er noch vor wenigen Minuten stand. Panisch sah er sich um, entdeckte ihn jedoch nirgends. Dr. Lee zog eine Augenbraue hoch, beließ es jedoch dabei. Zu interessant war die Beobachtung der jetzigen Situation unter psychologischen Aspekten. Gestresst tigerte der junge Arbeiter durch den Garten, mit wüstem Blick wie ein Tier an den Gitterstäben entlang. „Yura? Yura!?“ Wie konnte er nur eine Antwort erwarten. „Suchst du wen?“, fragte eine neugierige Stimme neben ihm. Der Junge mit den stechenden Augen hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. „Lio! Ich kann jetzt leider nicht mit dir spielen! Hast du einen Jungen gesehen? Blonde Haare und grüne Augen?“ Das Kind dachte auffällig gestikulierend nach. „Schon! Aber wir spielen verstecken! Du musst schon suchen!“ Otabek bekam den Mund kaum zu. „Ihr... was!?“ Verwirrt blickte er sich um. Nirgends konnte er seinen Liebsten erspähen. Lio grinste immer breiter neben ihm und zeigte dann mit dem Finger nach oben. Dort, weit in den Ästen des alten Apfelbaumes, saß Yura wie eine grazile Katze und legte den Kopf schief. „Herr im Himmel, kommst du da runter!“ Otabeks Herz blieb für einen Moment stehen. Dr. Lee, der jetzt neben ihm stand und die Situation nur mit „Faszinierend!“ kommentierte, schien wahrlich beeindruckt. Ehe die beiden Erwachsenen sich versahen, kletterte auch Lio den Baum hinauf und gesellte sich zu seinem neuen Freund. „Na, los, jetzt spielen wir fangen! Ihr müsst uns fangen!“, rief er lachend und lehnte sich an den Blonden. Langsam aber sicher verließ jede Farbe das Gesicht des Arbeiters. Er kannte Lio nur zu gut und wusste, was für ein schlauer und schneller Junge er war. „Lio, komm herunter! Ihr könnt hier unten spielen, in Ordnung?“, fragte er vorsichtig, doch das Kind lachte nur. Dr. Lee rieb sich abwartend das Kinn, sehr zum Unverständnis des Dunkelhaarigen. „Nun sagen sie doch etwas!“, flehte er verzweifelt. Ein Seufzer entwich dem Arzt. „Lio, mein Junge, komm hinunter und bring deinen Freund mit! Ich glaube, ich habe noch etwas Pudding vom Mittagessen!“ Schneller als ein Windhund standen beide hungrig dreinblickend vor dem Arzt. Lio hatte wieder Yuras Hand gegriffen und nun warteten sie gespannt auf das Essen. Otabek legte Yura sanft die Hand auf die Schulter. „Möchtest du etwas essen?“, fragte er vorsichtig und erntete prompt ein heftiges Nicken. Um seine Freudentränen zu unterdrücken, biss der Arbeiter sich kurz auf die Unterlippe. „Na gut, ihr Beiden!“, lobte der Arzt indes das gute Benehmen. „Wir gehen hinein und sehen, was sich auftreiben lässt!“ Stolz zog der Kleine seinen Freund an der Hand mit sich und hinterließ bei Otabek noch immer ein ungläubiges Lächeln. Yura verstand also sehr wohl!   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)