Star Trek - Icicle - 07 von ulimann644 (Operation Christkind) ================================================================================ Kapitel 11: Die Begegnung alter Freunde --------------------------------------- 11. Die Begegnung alter Freunde STRATEGICAL STARBASE 71 Sternenzeit: 58999.9 Im Festsaal der Station Konteradmiral Valand Kuehn stand mit Enrom Tolaron, dem scheidenden Chef der Stationssicherheit etwas abseits und ließ seinen Blick über die annähernd zehntausend Anwesenden schweifen. So, wie hier fanden, aber in deutlich kleinerem Rahmen, überall Silvester-Partys auf der Station statt. Immerhin hielten sich in diesem riesigen Hauptquartier der 5. Taktischen Flotte annähernd 100.000 Personen auf. Inklusive des Fliegenden Personals natürlich. Das Crew-Kontingent der Station selbst umfasste dabei etwa 25.000 Personen. Etwa ein Zehntel der hier anwesenden waren von Tarun, via Federation-Skynet, eingeladen worden, so wie jedes Jahr. Die restlichen Gäste sollten reihum jedes Jahr durchwechseln, damit jeder auf dieser Station mal die Gelegenheit haben würde, an dieser Großveranstaltung teilzunehmen, die auf dieser Station erst zum zweiten Mal stattfand. Valand Kuehn hatte die Nähe des Romulaners ganz bewusst gesucht, denn er konnte sich, nach allem, was er wusste, ungefähr vorstellen, wer seinen Freund am Ende, in Bezug auf ihn, auf die entscheidende Fährte gesetzt hatte. Sie hatten zuvor verschiedene militärische Ereignisse der letzten Monate erörtert, bevor Kuehn schließlich darauf zu sprechen kam, was ihm auf der Seele lag: „Sub-Commander, ich würde sagen, sie haben meine Bitte etwas zu wenig subtil an den Andorianer weitergegeben. Er sollte zwar erfahren, in welcher Funktion ich tätig bin, aber Dheran hat dann etwas zu intensiv nachgeforscht, für meinen Geschmack.“ Der Romulaner hob nachsichtig seine Augenbrauen. „Aber genau das hatte ich Ihnen doch prophezeit, Admiral. Sie waren es, der darauf drängte, dass ich dennoch mit ihm reden soll – und nicht mehr habe ich getan.“ „Schon gut“, beruhigte Kuehn sein Gegenüber schnell. „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Sub-Commander. Nur haben sich die Dinge um mich herum dadurch nochmal um eine Stufe verkompliziert, und das hätte ich gerne noch etwas verzögert.“ „Das glaube ich Ihnen“, nickte Tolaron und trank einen Schluck Kali-fal. Die Atemweg befreiende Wirkung war selbst für Valand Kuehn, der einen Schritt von Tolaron entfernt stand, noch schwach zu spüren. Enrom Tolaron nahm den Faden wieder auf. „Im Übrigen danke ich Ihnen für ihre Einflussnahme bei gewissen romulanischen Senatsmitgliedern. Meine Rückkehr nach Romulus wurde höchste Zeit. Es gibt dort ein paar Dinge von höchstem Interesse, um die ich mich besser persönlich kümmere. So gerne ich auch weiterhin meinen Dienst auf dieser Station verrichten würde.“ Tolaron ließ offen, worin diese Dinge bestanden, und Valand Kuehn fragte nicht danach, denn er wusste, dass der Romulaner nicht darüber reden würde. Stattdessen erkundigte er sich leise: „Weiß Torias Tarun davon, dass sie, die gesamte Zeit über, permanent mit dem Tal´Shiar in Verbindung standen?“ Nur ein unmerkliches Weiten seiner Augen zeugte von Tolarons Überraschung, bei den Worten des Konteradmirals. „Sie sind erstaunlich gut informiert, Admiral.“ „Das gehört zum Geschäft, aber das wissen Sie ja“, gab Kuehn ungerührt zurück und deutete dabei zu der Bühne, an der Stirnwand hinüber. „Es ist gleich Mitternacht, Sub-Commander, und Admiral Tarun wird Sie sicherlich formell verabschieden wollen.“ Enrom Tolaron machte eine zustimmende Geste. Sie erreichten gemeinsam die Bühne, als im Saal bereits die letzten Sekunden herunter gezählt wurden. Bei Null hob Valand Kuehn sein Glas mit Andorianischem Ale, prostete dem Romulaner zu und leerte sein Glas dann in einem Zug. Der Romulaner tat es ihm mit seinem Glas Kali-fal nach. Er reichte Kuehn sein Glas und begab sich dann zu Admiral Torias Tarun auf die Bühne. Jene fünf Captains, die Tarun zu befördern gedachte, befanden sich ebenfalls dort. Gespannt beobachtete Valand Kuehn, wie der Admiral, am Ende seiner Rede die Arme hob und um die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden bat. Die Stimme des Admirals klang klar und sicher auf, durch kaum sichtbare Holomikrofone verstärkt, als er sagte: „Verehrte Anwesende: Ich habe beschlossen, die Fünfte Taktische Flotte umzustrukturieren. Die Details dazu werden den Captains der Raumschiffe schon morgen zu gehen. Ich bitte also besonders die Kommandanten der Raumschiffe, die Crews, innerhalb der nächsten zwei Tage, mit den Einzelheiten vertraut zu machen. Jetzt habe ich zunächst das besondere Vergnügen, im Zuge dieser Umstellungen, meine Stellvertreterin in den Rang eines Konteradmirals, und fünf meiner Captains in den Rang eines Commodore, zu befördern.“ Damit gab er den im Hintergrund wartenden ein Zeichen. Ein besonderes Raunen ging durch die Menge der Anwesenden, als die fünf Captains, die nun bereits die Uniformen von Flaggoffizieren trugen, zu ihm schritten und nebeneinander hinter Tarun Aufstellung nahmen. Von der linken Seite näherte sich der Stellvertretende Kommandant der Station, Commander No´Leen Ra Taragenar. In seinen Händen hielt er sechs kleine Kästchen, von denen er nun das Erste an den Admiral übergab. Admiral Tarun bedeutete Christina Carey vorzutreten. Er nahm die beiden Rangsymbole eines Commodore vom Kragen ihres Uniformpullis, öffnete das Kästchen und entnahm die beiden Rangsymbole eines Konteradmirals. Dem Efrosianer das Kästchen zurückgebend befestigte er die neuen Rangsymbole an der Uniform der Irin. Mit tragender Stimme sagte Tarun feierlich: „Commodore Christina Carey: Sie haben sich, seit Sie unter meinem direkten Kommando stehen, nicht nur meinen Respekt, sondern gleichfalls meine aufrichtige Anerkennung, erworben. Darüber hinaus auch den Respekt der Ihnen Untergebenen. Dabei haben Sie über weite Strecken mehr persönlichen Einsatz gezeigt, als es der Dienst von Ihnen verlangt hätte. Deshalb ist es mir eine besondere Ehre und auch Freude, Sie hiermit in den Rang eines Konteradmirals zu befördern. Mit allen sich für Sie daraus ergebenden Rechten und Privilegien, Konteradmiral Carey.“ Irgendwer im Saal stimmte ein dreifachen Hipp-Hipp-Hurra an, das von den Gästen dieser Feier begeistert aufgenommen wurde. Der Lärm war beinahe ohrenbetäubend. Nach der Beförderung seiner Stellvertreterin wiederholte er die Zeremonie für die fünf Captains, wobei ihm nun Christina Carey beim abnehmen der alten Rangsymbole und dem Befestigen der Neuen half. Auch hier hielt Admiral Tarun eine kurze Dankesrede und gratulierte den frisch Beförderten. Nachdem auch den fünf frischgebackenen Commodores ein dreifach donnerndes Hipp-Hipp-Hurra zuteil geworden war erhob sich begeisterter Applaus, der erst nach geraumer Weile endete. Zu Valand Kuehns Bedauern führte Christina Carey die fünf Beförderten zur anderen Seite der Bühne hinunter, so dass er seinen Freund Tar´Kyren und auch Linara Enari bald aus den Augen verloren hatte. Er begab sich zu einem der Bartresen, entlang der Wände, stellte die beiden leeren Gläser ab und bahnte sich dann einen Weg zur anderen Seite des Saales, während Tarun inzwischen offiziell Enrom Tolaron verabschiedete und im Anschluss Lieutenant-Commander Sheralan als neuen Chef der Stationssicherheit vorstellte. Dabei hoffte der Konteradmiral, endlich einige Worte mit Enari wechseln zu können. * * * Als sie gemeinsam die Bühne verließen, drängte sich Linara Enari an Tar´Kyren Dherans Seite und fragte unvermittelt: „Was, bei den roten Augen der Pah-Geister, ist eigentlich heute mit dir los, Großer Blauer? Der Admiral befördert dich zum Commodore und du machst ein solches Saure-Gurken-Gesicht, als hätte dir dein bester Freund gestanden, dass er für Sektion-31 arbeitet. Die Bajoranerin hatte das im Scherz gesagt, doch die Reaktion, die sie nun bei dem Andorianer beobachtete, mit dem sie seit ihrem Besuch auf der Erde, im Sommer des gerade abgelaufenen Jahres, befreundet war, war mehr als erstaunlich. Mit einer Mischung aus Unglauben und Panik sah er sie an, nicht in der Lage etwas zu erwidern. Schnell wandte sich der Andorianer von ihr ab und wollte sich entfernen, doch die Bajoranerin dachte gar nicht daran, ihn entkommen zu lassen. Mit erstaunlich festem Griff packte sie seinen linken Arm, hakte sich nachdrücklich bei ihm ein und zog ihn mit sich, ohne sich dabei um seinen aufbrandenden Protest zu kümmern. Erst nachdem sie durch eines der Seitenschotts den Saal verlassen hatten, und Linara Enari den Freund einige Meter den Gang hinunter gezerrt hatte, blieb sie abrupt stehen und funkelte ihn, mit ihren unergründlichen, sphinxhaften Augen an, die mal mehr grau, mal mehr grün und mal mehr blau zu sein schienen. Dabei fauchte sie ihn mit warnendem Tonfall an: „Jetzt wirst du mir keinen Mist mehr erzählen, Tar´Kyren Dheran, sondern nur Fakten. Das, was ich über deinen Freund, Konteradmiral Valand Kuehn, gesagt habe, das war nur so dahin gesagt. Aber das gibt dir nicht das Recht, dir mit mir einen derart schlechten Scherz zu erlauben. Auch ich kenne deinen Freund. Länger als du ihn kennst. Das, was du da eben angedeutet hast, das kann nicht sein, Tar´Kyren.“ Statt auf die Worte der Bajoranerin zu antworten sah Tar´Kyren Dheran sie zunächst nur ungläubig an. „Dann bist du jene Bajoranerin, die Valand das Herz brach? Er hat das mal vor vielen Jahren angedeutet, aber nie einen Namen genannt.“ „Ja, stell dir vor – das war ich. Aber jetzt bist du dran!“ Dheran erinnerte sich an die warnenden Worte des Norwegers, bevor er ihn aus seinem Quartier gejagt hatte. Eingedenk dessen erwiderte er: „Ich kann mit dir nicht darüber reden, Enari. Und du darfst auch nicht weiter nachhaken, in dieser Angelegenheit.“ Widerspruch loderte in den Augen der Bajoranerin. „Ach, das darf ich nicht? Na, das wollen wir doch erst einmal sehen, Freund Tar´Kyren. Ich werde jetzt den Admiral aufspüren und empfindlich auf die Zehen treten – egal ob Tarun mich daraufhin sofort wieder degradiert, oder nicht.“ Damit wollte die Bajoranerin an Dheran vorbei stürmen, doch Tar´Kyren Dheran packte sie am Oberarm und zwang sie zu sich herum. Sie beschwörend ansehend fuhr er die Frau an: „Nein! Das wirst du gefälligst lassen, Enari! Valand hat mir gegenüber eine klare Warnung ausgesprochen, und zwar, dass er Alles und Jeden aus dem Weg räumen wird, der seinen Namen, in Bezug darauf, was ich eben unfreiwillig andeutete, auch nur flüstert! Und eins weiß ich, Enari: Das war keine leere Drohung!“ „Na schön, aber dafür wirst du jetzt reden, Großer Blauer. Ich will wissen, was du von ihm erfahren hast, und zwar restlos Alles.“ Tar´Kyren Dheran musterte die Freundin und beschloss, hin und her gerissen, sich ihr anzuvertrauen. Er berichtete davon, was sich an Bord der ICICLE, zwischen Valand Kuehn und ihm, ereignet hatte. Das Gesicht der bajoranischen Frau wurde blass. Sich langsam von dem festen Griff ihres Kameraden lösend erwiderte sie endlich: „Aber das kann doch Alles nicht wahr sein. Kann er sich denn wirklich so sehr geändert haben, seit ich ihn das letzte Mal sah?“ In das deprimierte Gesicht der Freundin sehend antwortete Dheran: „Ich kann es auch noch nicht fassen, Enari. Aber das Eine sage ich dir: Mit dem bin ich fertig.“ Ein unstetes Flackern lag in Linara Enaris Blick, bevor sie dem Andorianer versicherte: „Zu deiner Beruhigung: Ich werde mit Valand nicht über das sprechen, was ich von dir erfahren habe. Aber dafür werde ich ihm etwas ganz Anderes um die Ohren hauen. Etwas, das ich ihm wohl viel früher hätte sagen sollen. Vielleicht wäre er dann heute ein Anderer. Aber vielleicht ist es ja noch nicht völlig zu spät.“ Damit stiefelte sie entschlossen wieder in Richtung des Schotts. Tar´Kyren Dheran sah ihr sinnend nach und blieb für eine Weile unentschlossen im Gang stehen, bevor auch er sich auf den Rückweg zur Feier machte. * * * Konteradmiral Valand Kuehn hatte versucht Linara Enari in der Menge zu finden, doch sie schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Erst nach einer ganzen Weile entdeckte er sie und steuerte auf sie zu. Linara Enari verharrte kurz, als sie ihn näherkommen sah. Dann schritt sie ihm rasch entgegen. Bevor der Norweger etwas sagen konnte, zischte sie eindringlich: „Was immer du mir sagen willst, Valand. Spare es dir – zumindest hier und jetzt. Du kommst mit mir, auf die WINDTALKER. Dort werden wir dann ganz in Ruhe reden.“ Valand Kuehn wollte etwas darauf erwidern, doch Linara Enari kam ihm zuvor und fügte ihren Worten, mit warnendem Unterton hinzu: „Mach bloß keine Zicken, Admiral, sonst werde ich so verdammt ungemütlich, dass man die Pah-Geister, im Vergleich dazu, wegen guten Benehmens, lobend erwähnen wird.“ Der überraschte Mann versuchte es mit Ironie. „Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Enari. Meine Gratulation zur Beförderung.“ Die um einen halben Kopf kleinere Bajoranerin sah den Konteradmiral mit stechendem Seitenblick an und antwortete, nach einem Moment des Zögerns, mit vibrierender Stimme: „Danke.“ Sie schwiegen, bis sie das Quartier von Linara Enari, auf der WINDTALKER erreicht hatte. Valand Kuehn hatte einige interessante Dinge über dieses Schiff gehört, und unter anderen Umständen hätte er die Gelegenheit genutzt, einen Blick in den Haupt-Maschinenraum, und auf die Brücke dieses Raumschiffs, zu werden. Linara Enari hatte sich wieder etwas gefangen und bot Valand Kuehn mit erzwungener Höflichkeit, etwas zu trinken an. Der Norweger lehnte dankend ab. Sich kurz im Quartier umsehend fragte er: „Was gibt es so Dringendes zu besprechen, nachdem du, seit deinem Abschied von der Akademie, nichts mehr von dir hören gelassen hast, Enari?“ Die Bajoranerin wählte am Replikator einen Ginseng-Tee. Einen großen Schluck nehmend sah sie Valand über den Rand der großen Tasse hinweg an, bevor sie erwiderte: „Das zu erklären dauert eine Weile. Vielleicht solltest du dich besser hinsetzen, bevor ich zum Kern der Sache komme.“ „Ich stehe lieber“, lehnte Kuehn ab. „Ganz wie du meinst“, gab Linara Enari kühl zurück und schritt zu einem der Fenster hinüber. Auf die vertraute Umgebung des Hangar-Innenbereichs blickend nahm sie einen weiteren großen Schluck Tee, bevor sie sich zu Valand Kuehn wandte und sagte: „Ich nehme an, dass du dich noch daran erinnerst, was an dem Abend, oder besser gesagt, in der Nacht, passierte, in der wir Abschied voneinander genommen haben. Bevor ich mein erstes Bordkommando angenommen habe?“ Kuehn nickte. „Wie könnte ich das vergessen, Enari. Du warst die erste Frau in meinem Leben. So etwas vergisst man nicht. Darum war die Tatsache, dass du nach unserer gemeinsamen Nacht kein Wort mehr von dir hast hören lassen, besonders bitter.“ Die Augen der Bajoranerin weiteten sich bei seinen Worten, was Kuehn zu der Vermutung veranlasste, dass sie bisher von einer anderen Voraussetzung ausgegangen war. Sie machte wieder einige Schritte in den Raum hinein und umklammerte mit ihren Fingern die Teetasse. „Dann war es also für uns beide das Erste Mal. Das wusste ich bis heute nicht, aber es ändert auch nichts, an dem, was passiert ist.“ Valand lächelte bitter. „Ich wollte, du würdest es nicht ausgerechnet so bezeichnen.“ Abwesend meinte Enari: „Nein… äh, ja. Das heißt doch nein, denn unsere gemeinsame Nacht hatte ich nicht gemeint, mit passiert. Es ist nämlich so: Wenige Wochen, nachdem ich meinen Dienst auf der STIRLING angetreten hatte, merkte ich, dass ich schwanger war. Ich war, nach dir, mit keinem anderen Mann zusammen, Valand. Ich wollte nie derart abhängig sein, darum habe ich damals, für einige Tage, ernsthaft überlegt, ob ich das Kind abtreiben soll. Ich brachte es jedoch nicht übers Herz und so entschied ich mich dafür, es zu bekommen. Meine beste Entscheidung in meinem bisherigen Leben.“ Die Bajoranerin ließ die Worte wirken und blickte abwartend in die Miene ihres Gegenübers, in der sich endlich eine Regung abzeichnete. Ungläubig sah Valand Kuehn zu Enari und stieß schließlich hervor: „Du hast eine Tochter, und du hieltest es in all den Jahren nicht für nötig, es mir zu sagen?“ „Wir haben eine Tochter“, verbesserte die Bajoranerin bestimmt und machte einen weiteren Schritt auf Kuehn zu. „Und im Übrigen: Ich wollte es dir viel früher sagen. Doch dann warst du im Beta-Quadrant verschollen. Fast fünf Jahre lang. Zu dem Zeitpunkt war Riana in dem Alter, in dem sie begann, nach ihrem Vater zu fragen. Was hätte ich ihr denn sagen sollen, außer, dass du tot bist? Niemand in der Föderation hat damals damit gerechnet, je wieder etwas von der ALAMO und ihrer Besatzung zu hören. Als ich dann schließlich von der Rückkehr der ALAMO erfuhr, und davon, dass du unter den einhundertundzehn Überlebenden bist, da war ich wirklich erleichtert, und auch erfreut darüber. Ich war versucht, dir zu dem Zeitpunkt alles zu erzählen, doch das hätte mein Leben und das von Riana sehr viel komplizierter gemacht. Außerdem: Du warst damals pausenlos in den Tiefen des Alls unterwegs. Darum beschloss ich, dass es besser ist, meine Tochter nicht unnötig zu verwirren, mit der Tatsache, dass du noch lebst.“ „Du wolltest sie nicht verwirren?“, echote Kuehn ungläubig. „Was ist mit ihrem Recht darauf, die Wahrheit zu kennen? Ganz zu schweigen davon, dass du mir dieses Recht ebenfalls verweigert hast. Glaubst du nicht, dass du es uns beiden hättest sagen müssen?“ Normalerweise, ohne das, was sie von Tar´Kyren Dheran erfahren hatte, hätte Linara Enari diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Doch eingedenk dessen, was sie wusste, konterte sie kühl: „Du willst mir also etwas über Moral erzählen? Ausgerechnet du?“ Valand Kuehn machte einen Schritt auf sie zu. Dabei sagte er sich, dass dieser Zorn, der ihm von Enari bereits die gesamte Zeit über entgegen schlug, einen Grund haben musste. Einen jüngeren Grund, denn für eine alte Geschichte wirkten ihre Reaktionen viel zu leidenschaftlich. Und in der letzten Zeit gab es nur Eins, was sie hätte in Fahrt bringen können, doch er hatte Tar´Kyren gewarnt darüber zu reden. Hatte er der Bajoranerin trotzdem etwas verraten? Valand wusste um die Freundschaft, zwischen Tar und Enari, die sich nach ihrem Besuch der Akademie, im Sommer des abgelaufenen Jahres, entwickelt hatte. Der Andorianer hatte kürzlich erst mit ihm darüber gesprochen. Nach einem forschenden Blick in Enaris Augen, traf er eine Entscheidung. „Du hast jedes Recht darauf, zornig auf mich zu sein.“ Der Konteradmiral beobachtete die Reaktion der Bajoranerin, auf seine Worte, und ihm wurde bewusst: Sie weiß es. Darum drängte er eilig: „Enari, ich kann dir hier und jetzt nicht erzählen, warum das, was ich tat, und was ich zukünftig noch tun werde, nötig war und nötig ist. Ich bitte dich jedoch, dem Mann zu vertrauen, den du an der Akademie kennengelernt hast, und nicht den Mann in mir zu sehen, den du glaubst momentan in mir sehen zu müssen. Ich war damals kein schlechter Mensch, und ich bin es auch heute nicht. Das musst du mir einfach glauben, Enari. Es wäre sehr wichtig für mich.“ Valand Kuehn erkannte den Zweifel in den Augen der Frau, die er einst geliebt hatte. Er trat zu ihr wobei sein Blick an Eindringlichkeit zunahm. „Enari, der Krieg, den wir momentan führen hat uns noch nicht sein ganzes Gesicht offenbart. Es gibt da eine weitaus gefährlichere Komponente, als die militärische Macht der Außenwelt-Allianz. Und sie gefährdet die Föderation weitaus länger, als die Meisten ahnen. Darum, Enari, musste ich, nachdem du, fast ein Jahr nach dem Ende des Dominion-Krieges, auf der Erde auftauchtest, genau wissen, dass du es bist, und kein gefährliches Double. Alles was ich ab diesem Zeitpunkt unternahm, soll eine Bedrohung von der Föderation abwenden, die wir seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr ernst genommen haben.“ In den Augen und auf dem Gesicht der Bajoranerin zeichneten sich die Fragen ab, die ihr auf der Seele brannten. Doch Valand kam ihnen zuvor, indem er Enari bei den Schultern nahm und eindringlich erklärte: „Das war bereits mehr, als ich dir sagen darf. Also bitte keine Fragen dazu, und auch keine Nachforschungen auf eigene Faust. Ach ja, und achte bitte etwas auf Tar, der ist mir momentan nicht grün, um es vorsichtig zu formulieren. Ich will nicht, dass er Dummheiten macht.“ Linara Enari erwiderte seinen Blick, wobei sie spürte, dass ihr Zorn auf ihn sich langsam zu legen begann. Er hatte sie darum gebeten ihm zu vertrauen, und so verrückt und krank es ihr gegenwärtig schien – tief in ihrem Innern wollte sie das auch. Noch während Linara Enari über diesen Irrsinn nachgrübelte, wechselte Valand Kuehn abrupt das Thema und fragte mit sanftem Tonfall: „Du hast sie nach deiner Großmutter genannt, richtig?“ Etwas verwirrt durch den Themenwechsel erwiderte Enari: „Wie…? Ach so, Riana. Ja, das stimmt. Hör zu, Valand: Du wirst dich erst einmal von ihr fernhalten. Zumindest so lange, bis ich ihr von dir erzählt habe. Danach wird es ganz allein bei Riana liegen, ob sie dich kennenlernen will, oder ob sie dir fern bleibt. Ich werde ihr nicht davon abraten, falls dich das beruhigt. Im Gegenteil, ich wäre froh, wenn sie sich dafür entscheiden würde. Doch das wird ihre Entscheidung sein und du wirst keinesfalls den ersten Schritt machen.“ Valand Kuehn nickte, auch wenn ihm nach einer ganz anderen Antwort zumute war. „Wie du wünschst, Enari. Ich werde warten. Aber du versprichst mir, Riana zu sagen, dass ich nichts von ihr gewusst habe.“ Linara Enari nickte stumm und hielt seinen Blick mit ihrem fest. Eindringlich fragte sie: „Valand, kann ich darauf vertrauen, dass du mir eben die Wahrheit gesagt hast? Ich meine, dass dieser perfide Test meiner Loyalität, vor fünf Jahren, wirklich nötig war?“ Der Druck von Kuehns Händen wurde um eine Nuance fester. „Sieh mir einfach in die Augen, und entscheide selbst, Enari. So gut solltest du mich kennen.“ Die Bajoranerin nickte. Dabei spürte sie einen Druck in der Herzgegend. Als würden sich Bänder aus Duranium um ihr Herz legen und es zusammenpressen. Valand Kuehn merkte, zu seiner gelinden Verwunderung, dass sich ihre Hände auf seine Oberarme legten. Dabei sagte sie leise: „Ja, so gut kenne ich dich. Aber genau darum verstehe ich das, was ich über dich erfahren habe, noch weniger. Warum, Valand?“ Das Gesicht des Norwegers nahm einen entschlossenen Zug an. „Darüber darf ich nicht mit dir reden, Enari. Zu deiner eigenen Sicherheit.“ Kuehn machte eine Pause und ließ die Schultern der Frau los. „Danke, dass du mir, wenn auch spät, von Riana erzählt hast. Was macht sie denn überhaupt?“ Linara Enari nahm ihre Hände von Kuehns Armen und deutete zu einer Vitrine, die auf einer der beiden Kommoden im Raum stand. Valand folgte de Frau und entdeckte das Bild eines jungen Mädchens, in der Uniform der Sternenflotte, und mit den Abzeichen eines Junior-Lieutenant am Uniformpulli. Der Nasenkamm war deutlich zu erkennen. Die lebhaften Augen des Mädchens lagen farblich zwischen seinen und denen von Enari. Das lange Haar war so dunkel, wie das ihrer Mutter. Überwältigt von seinen Gefühlen sagte der Konteradmiral schließlich, mit feucht schimmernden Augen: „Sie sieht so lebhaft und so hübsch aus, Enari. In dieser Hinsicht kommt sie, zum Glück, ganz nach dir.“ Linara Enari versetzte Kuehn einen Schlag mit dem Handrücken gegen den Magen, so wie sie es bereits zu Akademietagen gelegentlich getan hatte. „Jetzt hör mal auf. Wenn du aussehen würdest, wie ein klingonischer Targ, dann wärst du nicht ihr Vater.“ „Wie ich sehe, hat sie sich für die Kommandolaufbahn entschieden.“ „Ha!“, machte Linara Enari. „Jetzt rate doch mal, von wem sie das wohl hat?“ „Von dir!“, erwiderte der Norweger prompt. Er blickte in das grimmige Gesicht von Enari und meinte dann: „Na komm, du hast vor mir die Akademie abgeschlossen, und zwar als Brückenoffizier, wenn ich mich da richtig erinnere. Ist doch so.“ Seine Worte zauberten den Anflug eines Schmunzelns auf das Gesicht der Bajoranerin, und sie verbesserte diplomatisch „Von uns beiden, Valand. Ansonsten hat sie so Einiges von dir. Deine innere Ruhe und dein überlegtes Vorgehen in vielen Dingen.“ „Was hat sie von dir?“ „Oh, ganz bestimmt meinen schwarzen Humor. Da macht Riana mir wirklich mächtig Konkurrenz. Ansonsten ist sie ein interessanter Mix von uns beiden, Valand.“ „So, wie sie auf dem Bild guckt, erinnert sie mich etwas an meine Schwester.“ Valand sah lange und in Gedanken versunken auf das Bild, und nach einer Weile drangen die Worte Enaris an seine Ohren. „Woran denkst du?“ „An ein anderes Leben. An ein Leben, wie es hätte sein können, aber nie war.“ Seine Augen glänzen immer noch feucht, als er seufzte: „Ich hätte sie gerne aufwachsen sehen.“ Linara Enari nickte verstehend. „Aufgewachsen ist sie zweifellos. Auf dem Bild wird das nicht richtig deutlich, aber sie ist noch eine Handbreit höher gewachsen, als ich. Nun ja, bei dem Riesenkerl von Vater wohl kein Wunder.“ Der Norweger seufzte erneut – diesmal ironisch. „Ich habe eine erwachsene Tochter bei der Sternenflotte, die gerade einmal siebzehn Jahre jünger ist, als meine Verlobte. Auf das nächste Gespräch mit Sylvie freue ich mich bereits jetzt schon.“ „Ich erinnere mich daran, dass Tar´Kyren mir mal erzählte, ihr zwei würdet zusammen sein. Diese Französin, die dir bereits, während meines letzten Jahres an der der Akademie, hinterher lief?“ Kuehn verzog die Mundwinkel. „Offensichtlich hat das seinerzeit wirklich jeder mitbekommen, nur ich nicht.“ „Natürlich nicht, du bist ein Mann“, stichelte Enari ironisch. „Es ist dir ernst mit ihr?“ Valand nickte und lächelte dabei in Gedanken. „Ja, das ist es.“ Widerstrebend wandte sich Valand Kuehn schließlich von der Vitrine ab und sah Enari bittend an. „Du musst mir bei Gelegenheit ein Bild von Riana zukommen lassen.“ Zu Kuehns Erstaunen öffnete Enari die Vitrine und reichte ihm das Bild. „Nimm dieses hier, ich habe noch genug, und Bajor ist ja nicht so weit weg von hier.“ Dankbar sah der Mann in die Augen der Bajoranerin und sagte mit belegter Stimme: „Ich weiß im Moment nicht, was ich sagen soll, Enari.“ „Glaubst du etwa ich?“, knurrte Linara Enari gespielt finster. Ihr Blick wurde wieder stechender, als sie meinte: „Gerade eben noch wollte ich dich noch so kräftig in den Hintern treten, dass du unter die Decke des Quartiers fliegst, und in diesem Moment würde ich dich am liebsten in den Arm nehmen. Aber das würde Sylvie vermutlich überhaupt nicht gefallen.“ „Würde es ganz sicher nicht.“ Im nächsten Moment nahm Linara Enari den Mann in den Arm und erklärte spitz: „Weißt du was? Das ist mir im Moment gerade ziemlich egal.“ Sie drückte ihn kurz und gab ihn wieder frei. „So, und jetzt werde ich dich von Bord begleiten, und wir kehren zurück auf die Feier.“ Valand Kuehn verstaute das Foto vorsichtig in der Innentasche seiner Uniformjacke und nickte zustimmend. „Wirst du mit mir tanzen?“ Im nächsten Moment landete der Handrücken der Bajoranerin erneut in der Magengegend des Mannes. „Ich bin hoch offiziell immer noch sauer auf dich, klar? Denn ich denke gar nicht daran, meinem Freund und Kameraden Tar´Kyren Dheran in den Rücken zu fallen, und dir so schnell zu verzeihen. Alles verstanden?“ Während sie durch die leeren Gänge der WINDTALKER schritten ging Valand Kuehn etwas auf Abstand zu Linara Enari, wobei er endlich antwortete: „Vollkommen verstanden, Commodore Linara. Bitte vergiss nicht, was ich dir vorhin über Sicherheit sagte, denn das meinte ich todernst. Du musst das ganz tief in dir unter Verschluss halten.“ Linara Enari nickte ernst. „Das habe ich verstanden. Übrigens: Dieses Gespräch hat nie stattgefunden, denn Tar´Kyren hat mich ausdrücklich davor gewarnt, das herauszufinden, was du mir dann, mehr oder weniger, freiwillig gestanden hast.“ Valand hob seine Augenbrauen. „Welches Gespräch?“ Die Bajoranerin, links neben Valand Kuehn gehend, sah ihn, beinahe amüsiert, an und zeigte dabei zustimmend, mit dem linken Zeigefinger, auf ihn. Das Band der Kameradschaft verband sie, selbst nach der langen Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, immer noch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)