Star Trek - Icicle - 07 von ulimann644 (Operation Christkind) ================================================================================ Kapitel 5: Vorbereitungen ------------------------- 5. Vorbereitungen STRATEGICAL STARBASE 71 Sternenzeit: 58974.2 Im Forlan-System Etwa zu derselben Zeit verließen drei andorianische Wesen das Flaggschiff des andorianischen Kampfverbandes und wurden von Commander Tan´Loran Dharas in Empfang genommen. Der hagere Erste Offizier der LIGHTSPEED führte die Gruppe unauffällig, durch weniger frequentierte Nebengänge der Station, zu einem der etwas abseits gelegenen Turbolifts. In der Kabine des Turbolifts nahm sich Dharas die Zeit, die vier angehörigen seiner Spezies eingehend zu mustern. Das Geheimkommando, wie Tar´Kyren Dheran es, ihm gegenüber, genannt hatte, bestand aus einem Andorianer, der etwa sechzig irdische Jahre alt war, einer Andorianerin, in etwa demselben Alter, und einer noch sehr jungen Andorianerin, die kaum älter sein konnte, als vier irdische Jahre. Unverkennbar war ihre noch helle, grünblaue Hautfarbe. Dharas lächelte bei dem Gedanken daran, dass Torias Tarun in diesem Moment durch den Besuch von General Tar´Veron Talev, in der Begleitung von Captain Tar´Kyren Dherans Vater, daran gehindert wurde, ihnen zufällig auf der Station zu begegnen. Die Wahrscheinlichkeit dafür hätte zwar ohnehin nicht sehr hoch gelegen, aber Commander Sheralan hatte darauf bestanden, nichts dem Zufall zu überlassen. Tia´Vareni Sheralan selbst würde, laut Plan, in diesem Moment Commodore Carey in ihrem Büro binden, damit auch sie ihnen nicht in die Quere kommen konnte. Der Plan war wasserdicht, wie manche Menschen so gerne zu sagen pflegten. Die Andorianerin hatte auf der U.S.S. ARIES gedient, bis das Raumschiff, bei der Schlacht um Qo´noS, vor rund einem Jahr, irreparabel beschädigt worden war. Danach war sie zur Sicherheit des Flaggschiffs ENDEAVOUR gewechselt. Doch es gab Gerüchte, dass Enrom Tolaron zum Jahresende seinen Posten aufgeben, und nach Romulus zurückkehren würde, und dass dann Tia´Vareni Sheralan an seine Stelle treten sollte. Im Zuge dessen hatten Commodore Carey und sie zweifellos im Vorfeld genug zu besprechen, so dass ihre heutige, etwas längere Sitzung bei dem Commodore nicht weiter auffallen würde. Tan´Loran Dharas gefiel seine Rolle bei dieser streng geheimen Operation. Einerseits hielt er es für geraten, seine Kenntnisse und Fähigkeiten, hin und wieder, ernsthaft unter Beweis zu stellen, und andererseits hatte es ein Unternehmen, wie das bevorstehende, bestimmt seit über einhundert Jahren nicht mehr gegeben, innerhalb der Föderation. Zweifellos gehörte es zur militärischen Königsdisziplin, unbemerkt einige Schlüsselfiguren, die normalerweise nichts auf dieser Station zu suchen hatten, unbemerkt an Bord zu bringen und, falls der Plan funktionierte, obendrein den Kommandeur der Fünften Taktischen Flotte, unter den Augen seines Sicherheitschefs, unbemerkt zu entführen. Dabei war Commander Dharas weit davon entfernt, die Fähigkeiten eines Sub-Commanders Enrom Tolaron zu unterschätzen. Doch andererseits kannte er die Teilnehmer an der Operation Christkind, und er vertraute auf deren Fähigkeiten noch um Einiges mehr. Unangefochten, ganz so, wie es Dharas erhofft hatte, erreichten er, und seine drei Begleiter das Quartier, dass einer seiner Mitverschwörer bei Lieutenant Carmelita Morales reserviert hatte – angeblich für einen der hochrangigen andorianischen Offiziere des kürzlich eingetroffenen Kampfverbandes. Dharas lächelte flüchtig und sagte mit unterdrückter Stimme zu dem männlichen Andorianer: „Ich bin nur froh, dass die Reservierung des Quartiers, bei Lieutenant Lita Morales, keine Probleme bereitet hat.“ Der angesprochene Andorianer sah fragend zum Commander. „Warum? Könnte diese Frau etwas ahnen und Schwierigkeiten heraufbeschwören?“ Dharas lächelte, beinahe versonnen. „Nein, das denke ich nicht. Aber ich habe diese Frau mal, mit einem Entlausungsmittel-Zerstäuber, hinter einem Pakled her rennen sehen. Der hatte es mit den Hygienevorschriften der Station wohl nicht allzu genau genommen. Das war ein Bild, das man nicht so schnell wieder vergisst, und wenn man solchen Menschen um sich hat, dann kann einfach Alles passieren. Selbst das schier Unmögliche.“ Dharas´ zwei erwachsene Begleiter schmunzelten bei der Vorstellung, während das Andorianer-Mädchen keine Reaktion zeigte. Sie hielt ein Stofftier in ihren kleinen Händen und war offensichtlich in ihrer eigenen Welt versunken. In der Welt der Kinder. Für einen kurzen Moment kam Dharas, beim Anblick des kleinen Mädchens, der schwermütige Gedanke, dass er vielleicht etwas Kostbares verloren hatte – irgendwann, an der Schwelle, zwischen Kindheit und Erwachsensein. Dieser Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war, als der Commander seinem Begleiter bedeutete, seine Hand auf den Schwingungstaster zu legen, und dabei gleichzeitig den Öffnungscode eintippte. Als sich das Schott vor ihnen teilte, deutete Dharas ins Innere und sagte: „Im Quartier finden Sie alles, was Sie benötigen werden, in den nächsten sechsunddreißig Stunden. Commander Sheralan wird Sie abholen, wenn es soweit ist – bis dahin hat sie noch sehr viel vorzubereiten. Leider wird es ihr nicht möglich sein, sie vorher zu besuchen, doch ich soll Ihnen ausrichten, dass ihr Herz bei Ihnen ist.“ Dharas und die beiden erwachsenen Andorianer nickten ihm zu, und der Commander lächelte flüchtig, als das Mädchen ihm zum Abschied zuwinkte. Nachdem sich das Schott wieder geschlossen hatte, und Tan´Loran Dharas sich auf den Rückweg machte, wirkte er nachdenklich. Er hatte sich bisher kaum Gedanken gemacht um Ehe oder Familienplanung. Der Dienst nahm ihn in Anspruch. Doch nun fragte sich Dharas überlegend, ob das nicht vielleicht ein Fehler gewesen war. Doch sehr schnell schüttelte der Andorianer diese Gedanken ab und aktivierte seinen Kommunikator, um an Commander Sheralan die fingierte Meldung abzusetzen, dass ihre Anwesenheit, an Bord der ENDEAVOUR, benötigt wurde. Tia´Vareni Sheralan würde in demselben Moment wissen, dass das andorianische Geheimkommando nun sicher an Bord der Station war. Dabei fragte sich Dharas, wie das Gespräch, zwischen den beiden andorianischen Generalen und Admiral Torias Tarun wohl verlaufen sein mochte. * * * Admiral Torias Tarun lachte schallend, nachdem Den´Lyran Dheran ihm die Anekdote vom Auffinden und anschließenden Verschwinden des Eisbrandy-Jahrgangs 2373 erzählte hatte. Als er sich wieder beruhigte, meinte er: „Schade, dass ich das nicht miterleben durfte. Ich kann mir lebhaft vorstellen, welche Überraschung das war, General Dheran.“ Vor einer halben Stunde waren General außer Dienst, Den´Lyran Dheran und General Vierter Verbandsgröße, Tar´Veron Talev, von einer Ordonanz in das Büro des Kommandierenden Admirals der Fünften Taktischen Flotte geleitet worden. Dheran Senior hatte dabei dem Admiral ein Päckchen überreicht, und seit einigen Momenten ahnte der Trill, was sich darin befand: Eine hochprozentige Kostbarkeit. Tar´Kyren Dherans Vater bestätigte die Vermutung des Admirals, indem er bedeutungsvoll auf das Päckchen zeigte und erklärte: „Es wird Sie vielleicht freuen, zu erfahren, dass einige Flaschen dieses Jahrgangs immer noch vorhanden sind.“ Das Gesicht des Trill sprach Bände. Tar´Veron Talev, der sich bisher weitgehend zurückgehalten hatte, beugte sich in seinem Sessel etwas vor und warf ein: „Leider war der anschließende Bodenkampf gegen die Jem´Hadar nicht ganz so amüsant. Die Sternenflotte war weitgehend gebunden und ich war seinerzeit froh, dass der Andorianische Botschafter Shras, bei der Gründung der Föderation auf den Militärischen Sonderstatus von Andoria bestanden hat. Ohne unsere kleine, aber schlagkräftige Flotte, und ohne unsere Garde, und die Kommandoeinheiten, hätte es damals sehr böse ausgesehen, für unsere Heimat. Durch sie konnten wir eine Besetzung, wie die von Betazed, verhindern.“ Der Admiral nickte in Gedanken. „Ja, das waren schwere Zeiten, General. Ich hoffe, dass der unselige Krieg gegen die Außenwelten-Allianz bald beendet sein wird, und dass wir danach solche Zeiten nie wieder erleben müssen.“ „Das könnte sich als schwieriger erweisen, als wir bisher dachten, Admiral.“ Torias Tarun sah überrascht zu Den´Lyran Dheran. „Was meinen Sie damit?“ Das Gesicht des Generals außer Dienst wurde eine Spur ernster. „Mehrere Leichte Kreuzer der Andorianischen Garde haben, auf meine Empfehlung hin, in den letzten Monaten verschiedene geheime Aufklärungseinsätze geflogen. Bis an die Grenzen der Föderation. Dabei haben die Scanner dieser Raumschiffe mehrere unerklärliche Phänomene angemessen, die wir uns zunächst nicht erklären konnten. Doch nach dem Studium einiger alter Einsatzberichte der Crew von DEEP SPACE NINE und dem Vergleich verschiedener Scannerprotokolle die diesen Einsatzberichten zugeordnet waren, ist das Oberkommando der Andorianischen Imperialen Garde zu der Erkenntnis gelangt, dass es noch eine weitere Macht gibt, in diesem Krieg. Eine Macht, die sich uns bisher nicht offenbart hat. Aus einem guten Grund, würde ich sagen, denn die Scannerprotokolle stammten von interdimensionalen Transfers. Zwischen unserem Universum und dem berüchtigten Spiegeluniversum.“ Das Gesicht des Trill wirkte versteinert, bei Dherans Worten, doch er wirkte weniger überrascht, als der Andorianer es zuvor vermutet hätte. Nach einem Moment fragte Dheran deshalb: „Sie sind nicht überrascht wegen dieser Erkenntnis, wie mir scheint?“ Tarun verschränkte unbewusst die Finger seine Hände. „Ihr Eindruck trügt nicht, General. Vor etwas mehr als einem halben Jahr war ihr Sohn an zwei Einsätzen beteiligt, die einen Verdacht in diese Richtung in mir wachgerufen haben. Im Sommer kam es im Farrolan-System, nur fünfzig Lichtjahre von hier, zur Havarie eines unserer Forschungsschiffe. Die VALKYRIE, ein Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE war von Admiral Sherman höchst selbst in diesen Sektor beordert worden. Bis heute ist unklar, was der Admiral dort zu finden hoffte. Ich schickte seinerzeit, nach der Rettung der VALKYRIE vor angreifenden Tzenkethi-Kriegsschiffen, die ICICLE hin, um weitere Nachforschungen dort anstellen zu lassen. Dabei fand ein Außenteam eine verborgene Basis mit riesigen Anlagen, von denen der Wissenschaftsoffizier der ICICLE in seinem Bericht behauptet, sie könne zum interdimensionalen Übergang größerer Objekte gedient haben.“ „Sie sprechen von Raumschiffen?“, erkundigte sich Talev. Tarun nickte in Richtung des Verbandskommandeurs. „Das ist richtig, General Talev. Der besagte Wissenschaftsoffizier ist zwar ein ziemlich schräger Vogel, aber seine fachliche Kompetenz ist unbestritten. Ich vertraue dessen Expertise. Es wäre also nicht undenkbar, dass das Terranische Imperium die Fäden dieses Krieges zieht. Je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher wird diese Theorie, und wenn sie sich als wahr entpuppt, dann haben wir es in diesem Konflikt mit einer Macht zu tun, die wesentlich gefährlicher ist, als es die gesamte Außenwelt-Allianz, bestehend aus Gorn, Tzenkethi, Shelliak, Talarianern und Tholians, je sein könnte. Das ist der Hauptgrund dafür, warum ich im letzten Monat auf der Erde war, und beim Oberkommando der Sternenflotte darauf gedrängt habe, dass der ursprüngliche Allianzvertrag für die Taktischen Flotten von Ihrem Volk, den Romulanern und den Klingonen erfüllt wird. Zumindest für diesen Sektor. Darum habe ich auch alle Schiffe der Fünften Taktischen Flotte, die bisher zu Unterstützungsaufgaben abgestellt waren, in das Forlan-System zurück beordert.“ „Rechnen Sie mit einem unmittelbaren Angriff?“, warf Tar´Veron Talev ein. „Nein, General.“ Tarun lehnte sich etwas entspannter, als bisher, in seinem Sessel zurück. „Ich rechne gegenwärtig noch nicht mit einer groß angelegten Invasion aus dem Spiegeluniversum. Doch ich will vorbereitet sein, und unsere Kräfte konzentriert und aufeinander eingespielt wissen, wenn es soweit ist. Darum strukturiere ich die Fünfte zur Zeit um, und lasse die Flotte, von meiner Stellvertreterin in Teilverbände splitten. Aus diesem Grund werde ich fünf meiner besten Captains in den Rang eines Commodore befördern.“ Der Trill lächelte bei den aufmerksamen Blicken von Den´Lyran Dheran hintergründig und meinte, ihm zugewandt: „Ihr Sohn ist übrigens unter diesen fünf Captains.“ „Das wird Ihr Kommando nicht leichter machen, fürchte ich.“ Den Lyran Dherans Antennen bewegten sich bei diesen Worten schnell zur Seite und richteten sich gleich darauf wieder auf. Torias Tarun wusste um die Bedeutung dieser Antennenbewegung. Außerdem erkannte er, trotz der humorigen Worte des Andorianers, den Stolz auf seinen Sohn. „Das ist es jetzt schon nicht“, gab Tarun trocken zurück. Dann veränderte sich der Tonfall des Trills, als er bat: „Bitte sagen Sie ihrem Sohn nichts davon, ich will ihn damit selbst überraschen, wenn es soweit ist.“ Während Dheran eine zustimmende Geste machte, kam Talev wieder auf die militärischen Aspekte des Treffens zu sprechen. „wollen Sie die alliierten Verbände ebenfalls zu einem Teilverband zusammenfassen, oder sollen sie getrennt operieren?“ Der Admiral beugte sich wieder im Sessel vor. „Ich halte es für sinnvoll, den Klingon-Verband autark operieren zu lassen. Er ist sicherlich eingespielt, und das ist ein größerer Vorteil, als ihn in die Hierarchie der Sternenflotte zu pressen. Außerdem gibt es auf diese Weise kein Gerangel wegen der Kommandostruktur. Denn ich glaube nicht, dass ein klingonischer Brigadegeneral, adeliger Abstammung, sich etwas von einem Sternenflotten-Commodore befehlen lässt. Dafür werde ich Ihren Verband mit den Romulanern zusammen spannen. Mal abwarten, wie gut oder schlecht das klappt.“ Tar´Veron Talev wirkte bei diesen Worten wenig begeistert, wie Tarun feststellte. Doch das war nebensächlich. Bei einem Blick auf den Wandchronograph erhob sich der Trill. „Das wäre soweit alles, meine Herren. Wir sehen uns später noch. In einigen Minuten erwarte ich den Befehlshaber des klingonischen Verbandes.“ Die beiden Andorianer verstanden den Wink und erhoben sich ebenfalls. Nachdem sie sich von Torias Tarun verabschiedet, und sein Büro verlassen hatte, schritt der Trill hinter seinen Arbeitstisch und ließ sich schwer in den Arbeitssessel fallen. Dabei murmelte er, zu sich selbst: „Das war der leichtere Teil, fürchte ich.“ * * * Pünktlich zur festgelegten Zeit erschien Brigadier Karenn von Ademak aus dem Haus Kran´Talrak, im Büro von Admiral Tarun. Der Trill sah an dem hochgewachsenen Klingon vorbei zum efrosianischen Commander No´Leen Ra Taragenar, dem XO der Station, und gab dem Weißhaarigen durch eine knappe Geste zu verstehen, sich zurückzuziehen. Dabei erhob sich Tarun aus seinem Sessel, wobei er feststellte, dass ihn der finster dreinblickende Klingon um gut eine Kopfeslänge überragte. In den Schultern mochte er ebenfalls ein gutes Stück breiter sein. Karenn von Ademak, in seiner gesamten Haltung den Stolz ausdrückend, der seinem Volk zu eigen war, stapfte, hoch aufgerichtet auf den Arbeitstisch des Admirals zu. Admiral Tarun wollte bereits seine rechte Hand zur Faust ballen, und sich gegen die Brust schlagen, doch er kam nicht dazu. Denn kaum hatte sich der Klingon vor dem Arbeitstisch des Admirals aufgebaut schlug er mit beiden Fäusten so fest auf die Platte des Arbeitstisches, dass alle Dinge darauf einen kleinen Hüpfer in die Luft machten und klirrend wieder zurück fielen. Im nächsten Augenblick brüllte er Tarun an: „Was fällt Ihnen ein, mich gleich bei meiner Ankunft zweimal tödlich zu beleidigen, Sie Vach´kroltan! Zuerst unterstellen Sie mir, dass ich zur Schreckhaftigkeit neige, und dann lassen Sie nur elf, statt der mir, als Sonderbotschafter, zustehenden neunzehn Salutschüsse feuern! Wären wir nicht Alliierte, Admiral, dann würde ich Ihnen jetzt, mit bloßen Händen, die Bauchdecke durchstoßen, Ihre Wirbelsäule packen, und mal kräftig daran rütteln!“ Nur für einen kurzen Augenblick war Tarun schockiert. Dann fand er zu seiner inneren Gelassenheit zurück. Die Arme vor der Brust verschränkend, statt die typisch klingonische Begrüßung durchführend, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, entgegnete er seelenruhig: „Ich freue mich auch darüber, Sie zu begrüßen, Brigadier Karenn von Ademak. Der Salut erklärt sich aus der Tatsache, dass Ihr Status, als Sonderbotschafter, bisher noch nicht bestätigt wurde. Für den verbalen Fauxpas meinerseits bitte ich Sie um Entschuldigung, Brigadier. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie, oder das Volk der Klingonen, zu beleidigen.“ „Da haben wir es doch schon wieder!“, grollte der schwarzhaarige Hüne erneut. „Wie ich bereits beim Anflug sagte, ist für mein Volk offiziell wieder der alt-klingonische Begriff Klingons in Umlauf. Und da wagen Sie es, den Unwissenden zu spielen!“ Damit zog der Klingon ein Daten-PADD aus der Innentasche seiner Uniform und warf es wütend auf die Platte des Arbeitstisches. „Das bereits erwähnte Manifest!“ Ein Funkeln lag im Blick des Trills, als das PADD schlitternd an der Tischkante zum halten kam, bevor es hinunter auf den Boden fallen konnte. Nur einen Moment später stützte sich der Trill, mit beiden Händen auf der Tischplatte ab, beugte sich zu dem Klingon vor und brüllte in derselben Lautstärke, wie er zuvor: „Jetzt hören Sie mir mal zu, Brigadier! Das war das erste und das letzte Mal, dass Sie sich in diesem Büro, und in meiner Gegenwart, derart barbarisch aufgeführt haben! Andernfalls lasse ich sie hochkant von der Station werfen, und bei Kanzler Martok einen anderen Verbands-Kommandeur anfordern, damit Sie im Bilde sind! Außerdem weise ich Sie darauf hin, dass Sie ab sofort unter meinem Kommando stehen, und ich werde weder Disziplinlosigkeit, noch Insubordination tolerieren! Und jetzt machen Sie, dass Sie aus meinem Büro verschwinden, oder ich lasse Sie in die Brig werfen, egal welchen Titel Sie bekleiden, Brigadier!“ Der starren Miene des Klingons war nicht zu entnehmen, ob ihn dieser Auftritt des Admirals beeindruckt hatte. Er erwiderte jedoch nichts, sondern wandte sich von dem Trill ab, dessen Gesicht krebsrot geworden war. Mit raumgreifenden Schritten durchquerte er das weite Rund des Kommandozentrums der Strategischen Sternenbasis. Er ignorierte dabei die fassungslosen Blicke der Anwesenden, die den gebrüllten Teil der Unterhaltung mitbekommen hatten, stieg in die Kabine des nächsten Turbolifts und fuhr zu dem Deck hinunter, auf dem das Quartier lag, dass man ihm zugewiesen hatte. Als Karenn von Ademak die Kabine des Turbolifts verließ und eilig durch die weiten, weißen Gänge der Station schritt, stellte er mit Befriedigung fest, dass ihm die Anwesenden, teils respektvoll, teils aus gesunder Vorsicht, aus dem Weg gingen, sobald er herankam. Ohne zu zögern betrat er sein Quartier auf dieser Station, als er es erreicht hatte. Er hatte darauf verzichtet sich einzurichten, bevor er zu Tarun gegangen war, und das gedachte Karenn von Ademak nun nachzuholen. Er verteilte seine Habseligkeiten, die er von seinem Flaggschiff mit her gebracht hatte. Zuletzt förderte er, im Gegensatz zu den anderen Gegenständen, die er im Wohnraum des Quartiers verteilt hatte, beinahe übervorsichtig, einen dreieckigen Gegenstand zutage, der sich als sehr kostbares Klin-Zha Spielfeld entpuppte. Das Klin-Zha war ein klingonisches Strategiespiel - in seiner Grundkonzeption ähnlich wie Schach. Es gab dabei nicht nur vielerlei Arten von Brettern und Spielsteinen, sondern auch elektronische Spielsets. Dabei kam dem Klin-Zha Kinta, ein Spiel mit lebendigen Spielfiguren - das bei den Jahresspielen Anwendung fand - eine besondere Bedeutung zu. Das Spielen mit lebendigen Figuren zu den Jahresspielen benötigte allerdings ein etwas modifiziertes Regelwerk, da es auf einem dreidimensionalen Spielfeld mit neun Ebenen gespielt wurde, welches die Form einer dreiseitigen Pyramide besaß. Mit insgesamt 285 Spielfeldern, statt der traditionellen 81 Spielfelder für die Offenen Varianten. Die Farbgebung der Figuren war, seit der Erfindung dieses Spiels, traditionell grün bzw. Gold. Das galt auch für die Uniformen der lebenden Figuren des Klin-Zha Kinta bei den Jahresspielen. Die Spielzüge der Teams beim Klin-Zha Kinta wurden üblicherweise von besonders befähigten Spielern, deren Spielkünste mit dem eines Großmeisters im Schach gleichgesetzt werden konnten, durchgeführt. Klingons, die ein Team bei den Jahresspielen lenken, trugen zumeist den Ehrentitel: Gedankenadmiral. Das Ziel des Spiels war es, dem Gegner die Flagge wegzunehmen, oder es dem gegnerischen Spieler unmöglich zu machen, einen weiteren erlaubten Zug durchzuführen. Karenn blickte beinahe andächtig auf das Klin-Zha Brett, aus einem schwarzen Edelholz seiner Heimatwelt Qo´noS. Im Gegensatz zu den Spielfeldern eines Schachbretts waren hier alle Felder in derselben Farbe gehalten. Nur ein feines, goldenes Gitter unterteilte das Brett in neun Dreiecke pro Seite, was in der Summe eben zu einer Anzahl von 81 Spielfeldern für die zweidimensionalen Varianten führt. Nachdem Karenn von Ademak das Spielfeld auf dem niedrigen Couchtisch der Sitzecke positioniert hatte, holte er die Spielfiguren, gefertigt aus goldenem und grünem Metall, zum Vorschein und baute sie vor sich auf. Jede Seite besaß bei diesem Spiel neun Spielfiguren und eine Flagge. Ein komplettes Set besaß dabei 27 Spielfiguren und 3 Flaggen. Neun in Grün, neun in Gold und neun mit gemischten Farben für das reflektive Spiel, plus 3 Flaggen der entsprechenden Farben. Karenn begann, nach einer geraumen Weile, während der er die Figuren nur nacheinander angesehen hatte, die kostbaren Spielfiguren auf das Feld zu verteilen, jede Farbe in ihrer eigenen Ecke. Die Flaggen zuerst, danach für jede Farbe einen Blockierer, drei Wächter, zwei Flieger, einen Läufer, einen Lanzenträger, und die wichtigste Spielfigur von allen – den Fechter. Dabei entspannte sich das Gesicht des Klingon für einen kurzen Moment, denn er selbst hatte, vor vielen Jahren, als Fechter, an den Jahresspielen teilgenommen. Der kurze Moment verging, und Karenn von Ademak sah auf die Aufstellung. Die Ursprünge und Charakteristika der Figuren stammen beim Klin-Zha, gleichfalls wie beim Schach, eindeutig von den verschiedenen Truppengattungen der Soldaten auf dem Schlachtfeld vergangener Generationen ab, als noch kein Klingon zu den nackten Sternen gereist war. Karenn von Ademak sah, wie viele Klingons seiner Generation, wesentlich mehr im Klin-Zha, als einen aristokratischen Zeitvertreib. Nach seiner Auffassung lehrte Klin-Zha einen Klingon strategisch zu denken. Es war im 24. Jahrhundert nicht mehr, wie in früherer Zeit, auf die oberen Klassen beschränkt. Sogar die Kinder in Häusern die keiner Linie angehören spielen das Spiel gegenwärtig. Es bliebt dabei taktisch und berechnend - und doch voll vom Geist und der Sitte jener Leute, die es erfunden hatten. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte es seinen ehrenvollen Stellenwert in der klingonischen Kultur nicht halten können, da Klingons Triumph und Sieg nur dann schätzten, wenn sie aus persönlichem Mut, aus Ehre und Initiative hervor gingen. Jedoch glaubten, anders als zu früheren Zeiten, nur noch sehr wenige Klingons an das Komerex-Zha – an das Ewige Spiel. Menschen bezeichneten das Komerex-Zha als Vorhersehung oder auch als Schicksal. Manche nannten es schlicht Kismet. Er, Karenn von Ademak, gehörte zu diesen Wenigen. Er war fest davon überzeugt, dass das Komerex-Zha den Weg jedes einzelnen Klingon bereits zu seiner Geburt kannte, und dass es lediglich in der Macht des Einzelnen stand, das Spiel anzunehmen, oder sich ihm zu verweigern. Wobei Letzteres das Endergebnis nicht beeinflusste, wie Karenn befand. Denn vor dem, was das Komerex-Zha einem Klingon zugedacht hatte, konnte er nicht fliehen. Für Karenn von Ademak war es dabei keine Frage, dass dieses Prinzip auch für alle anderen Spezies galt, selbst für den anmaßenden Trill-Admiral. Heute hatte der Admiral eine gewisse Stärke an den Tag gelegt, die ihn etwas überrascht hatte. Doch was war morgen? Karenn von Ademak hoffte, auf diese Frage schnell eine Antwort zu finden, denn nur einem starken Anführer würde er ehrenvoll folgen können, Befehle des Kanzlers hin oder her. Für ihn, dem Angehörigen eines starken, adeligen Hauses, gab es eine höhere Verpflichtung, als blinder Gehorsam gegenüber dem Hohen Kanzler. Nachdenklich betrachtete Karenn von Ademak wieder das Klin-Zha Brett. Schließlich griff er zum goldenen Fechter und setzte ihn grollend vor - auf ein benachbartes Feld. Dann lehnte er sich im Sessel zurück, dachte zurück an sein Treffen mit Admiral Torias Tarun, und begann, nach einem kurzen Moment, dröhnend zu lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)