Es ist was es ist von dattelpalme94 ================================================================================ Kapitel 4: Du und Ich --------------------- „Mimi, jetzt beruhig dich doch bitte“, sanft tätschelte Sora den Rücken ihrer besten Freundin, mit der sie im Wohnzimmer der Tachikawas saß. Mimi schluchzte nur noch mehr und griff nach der Taschentuchpackung, die auf dem kleinen Wohnzimmertisch stand. „Verdammt, schon wieder leer“, sagte sie zwischen zwei Schluchzern und schmiss den Karton in die Ecke. Langsam schob sie die rosa Decke, in die sie sich eingemummelt hatte, von sich und stand auf. Vor Sora erstreckte sich ein Bild des Elends und sie hatte Mimi noch nie so fertig gesehen: Mimis Augen waren von dem ganzen Weinen nicht nur komplett rot, sondern mittlerweile auch schon angeschwollen. Kleidungstechnisch sah man ihr auch an, dass es der jungen Frau überhaupt nicht gut ging: ganz untypisch für sie trug sie ein paar ausgeleierte, schwarze Jogginghosen, die ihr viel zu groß waren und vermutlich Tai gehörten. Dazu noch ein Sweatpullover und ihre Haare hatte sie zu einem unordentlichen Dutt nach oben gesteckt. Sonst war Mimi eher der Typ, der viel Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legte. Doch gerade war ihr das egal. Sie war der Meinung, dass sie ihren Grund verloren hatte, sich zurecht zu machen. „Hat er sich noch mal gemeldet?“, fragte Sora vorsichtig nach. Sie wollte ihre Freundin nicht verletzen indem sie das Thema ansprach, doch wollte sie ihr auch helfen. „Nein. Wir hatten ausgemacht, dass wir bis Montag erstmal keinen Kontakt haben“, antwortete Mimi und kam mit einer neuen Packung Taschentücher zurück auf das Sofa. „Also noch zwei Tage“, murmelte Sora leise. „Ich war gestern nur kurz in unserer Wohnung und hab noch ein paar Klamotten und meine Post geholt“, erklärte Mimi weiter und holte zwischen ihren Ausführungen ein neues Taschentuch aus der Packung und schniefte in dieses. „Und weißt du was?“, mit einem undefinierten Blick schaute sie Sora an, „er hat es nicht kapiert.“ Sora schaute sie lediglich fragend an. Als sie vorhin von Mimi eine SMS bekam, dass sie bitte zum Haus von Mimis Eltern kommen sollte, wusste Sora bereits, dass etwas Schlimmes vorgefallen war. Doch als sie ankam, konnte sie keine Informationen aus Mimi rausbekommen. Zu sehr war sie am Weinen oder ihr kamen die Tränen sobald sie versuchte, Sora etwas zu sagen. Sie verstand lediglich, dass es um Tai ging. Weshalb auch sonst sollte ihre beste Freundin so aufgelöst sein? „Was hat er denn nicht kapiert“, mit ruhiger Stimme versuchte sie sich an Mimi heranzutasten. Sora fühlte sich mies, dass sie nicht eher für ihre beste Freundin da sein konnte. Doch sie war erst heute Morgen wieder in Tokyo angekommen. Die ganze Woche über hatte sie in Kyoto bei ihrem Vater verbracht und in dieser Zeit war ihr Handy ausgeschalten, damit sie die Zeit genießen konnte. Daher hatte sie auch nichts von dem Streit zwischen Tai und Mimi mitbekommen. Ihr Gegenüber hatte wieder die Decke über ihre angewinkelten Beine gelegt. Ihre Augen waren zwar immer noch traurig, aber hatten jetzt auch einen Hauch Unverständnis in sich. „Alles“, erwiderte Mimi kryptisch und fing wie wild an zu gestikulieren. „Ständig lässt er seinen Kram rumliegen, räumt nichts weg und macht nichts. Wenn er vom Sport heimkommt, schmeißt er seine Tasche wie selbstverständlich in den Flur. Mimi wird es ja wegräumen. Sein Geschirr stellt er auch einfach nur auf die Spüle statt es in die Spülmaschine zu räumen. Mimi wird es ja spülen. Wirklich, wenn er das immer gleich machen würde, wären das vielleicht zehn Sekunden mehr Aufwand. Aber Mister Tai muss das ja nicht machen. Der Herr muss sich auch nicht an den Putzplan halten“, Mimis Gestik wurde immer ausladender und Sora wich vorsichtshalber lieber mal ein Stück zurück. „Staubsaugen ist auch zu viel Arbeit. Würde ich mich dann nicht erbarmen, mal zu putzen und mich um das Geschirr und die Wäsche kümmern, würde unsere Wohnung im Müll versinken. Den kann er übrigens auch nicht runterbringen. Wir haben uns deswegen gestritten und dann ist es eskaliert“, erklärte Mimi und wurde gegen Ende ihrer Ausführungen leiser und die Trauer kam in ihre Stimme und in ihren Gesichtsausdruck zurück. „Habt ihr mal darüber geredet?“, Sora kam sich dumm vor, diese Frage zu stellen. Doch war sie leicht überfordert mit der Situation. Sie wusste nicht, wie es ist, mit jemandem zusammen zu wohnen, außer mit ihrer Mutter. Die Orangehaarige hatte sich ein kleines Ein-Zimmer-Appartment in der Nähe ihrer Uni gemietet, das sie alleine bewohnte. Aber sie kannte Tai und wusste, dass er ein absoluter Chaot sein konnte, der oftmals leider wirklich viel zu faul war, seine Sachen wegzuräumen. Wenn sie bei den Yagamis zu Besuch war, hatte sie oft mitbekommen, wie Kari ihm fluchend sein Zeug hinterhergetragen hatte. Allerdings wusste sie auch, dass Tai Mimi über alles liebte und sie sonst immer auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Augen abließ. Die beiden waren trotz ihrer kleinen Streitereien immer ein Herz und eine Seele. Es war für Sora daher unmöglich, sich vorzustellen, dass Mimis und Tais Beziehung Geschichte sein sollte. „Natürlich haben wir darüber geredet. So oft“, seufzte Mimi melancholisch. „Jedes Mal hat er versprochen, dass er sich bessern wird. Und dann habe ich die Sachen eben mal eine Zeitlang in der Küche stehen lassen. Weißt du was war? Nach drei Tagen stand das Geschirr immer noch ungewaschen dort. Er hat zwar dann eingelenkt, als ich vorgeschlagen hab, dass wir gemeinsam aufräumen, aber von ihm kam einfach null Initiative. Und ganz ehrlich, ich bin seine Freundin, nicht sein Hausmädchen“, verständnislos für Tais Verhalten schaute Mimi Sora an. „Oder eher, war seine Freundin“, fügte sie leise hinzu. Momentan hatte sie ihre Gefühle wirklich nicht im Griff. Zu sehr wühlte sie die ganze Geschichte emotional auf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie solchen Liebeskummer. Sie wollte Tai nicht verlieren, aber so wie es gerade war, konnte sie nicht weitermachen. „Hey“, Sora legte ihre Hand auf Mimis Knie, in der Hoffnung, sie so beruhigen zu können. „Ihr seid immer noch zusammen. Eine Pause kommt in den besten Beziehungen vor und durch die räumliche Trennung könnt ihr eure Gedanken erst mal neu sortieren. Das mit euch ist noch lange nicht Geschichte“, zuversichtlich lächelte sie die Brünette an. Diese konnte es aber nicht erwidern. „Ich glaube, da steckt mehr dahinter als nur Tais Faulheit. Die bin ich ja schon gewohnt und weiß, wie ich ihn dazu bekommen, seinen Allerwertesten mal zu erheben“, begann Mimi weiterzuerzählen mit einer Unsicherheit in der Stimme, die Soras Angst, dass es zwischen ihren besten Freunden aus sein könnte, größer werden ließ. „Wie meinst du das?“, sie hoffte, dass es nur Mimis Einbildung war, die ihr dieses Gefühl gab. „Naja“, begann die Brünette, „wo soll ich anfangen?“ Während sie einen Moment überlegte, spielte sie mit einer Strähne, die aus ihrem Dutt hing, herum. Schließlich fand sie einen Anfangspunkt und fing an, die Gründe für ihre Sorge zu nennen. „Wir waren vor zwei Wochen mit Kari und TK in der Stadt einkaufen. Es war echt schön, wir haben uns alle gut verstanden. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Tai auf Distanz zu mir geht. Er wollte zum Beispiel nicht Händchenhalten. Das klingt jetzt vielleicht blöd, weil das ja mal vorkommen kann, aber sonst macht er das nie.“ Da musste Sora ihr Recht geben: Normalerweise konnte Tai nicht genug von Mimi bekommen. „Und dann will er abends auch lieber mit seinen Freunden Playstation spielen statt mit mir einen Film zu schauen. Oder statt abends einfach nur ein bisschen zu kuscheln, geht er lieber ins Bett“, erläuterte Mimi mit schwacher Stimme. „Aber Tai spielt doch häufiger mit den Jungs Playstation“, versuchte Sora Mimi ihre Bedenken zu nehmen. „Ja, schon“, erwiderte die Braunhaarige, „aber jetzt hängt er ständig an dieser blöden Konsole. Und, naja, im Bett lief auch schon länger nichts.. Vielleicht hat er ja einfach nur genug von mir“, schlussfolgerte Mimi und vergrub ihren Kopf zwischen ihren Knien. Sora setzte sich direkt neben Mimi und nahm diese in den Arm. Es tat ihr weh, ihre Freundin so leiden zu sehen. Ob sie Tai mal schreiben sollte? Bevor sie aber handeln konnte, legte Mimi ihren Kopf in Soras Schoss und erzählte weiter. „Wenn ich ihn darauf angesprochen habe, dann hat er immer abgeblockt und gemeint, es sei nichts. Irgendwie konnten wir nicht mehr so miteinander reden und miteinander umgehen wie früher. Ich hatte ihn dann am Donnerstag gebeten, die Spülmaschine einzuschalten bevor er an die Uni geht. Ich war sowieso schon spät dran und hatte keine Zeit mehr. Als ich dann heimgekommen bin und gesehen hab, dass er tatsächlich das getan hatte, was ich ihm aufgetragen hatte, war ich richtig glücklich. Aber dann“, sie machte eine kurze Pause und lachte traurig, „dann hab ich das Ding aufgemacht und mich gewundert, warum das Geschirr noch dreckig ist. Ich hab ihn drauf angesprochen, ob er einen Tab reingelegt hat, und er hat nur gemeint, dass er dachte, ich hätte das schon gemacht. Irgendwie ist dann alles hochgekocht und wir haben uns nur noch angeschrien. Er hat mir vorgeworfen, ich würde ihn behandeln als wäre er ein kleines Kind, dass ich einen Ordnungstick hätte und er machen könne, was er wolle, er könnte es mir eh nicht Recht machen. Dass ich immer mehr zum Hausmütterchen werden würde. Ich hab ihm dann an den Kopf geworfen, dass er sich ja auch wie ein Kleinkind verhalte und ich nicht in einem Saustall wohnen möchte. Das ging hin und her und dann hab ich gesagt, ich geh zu meinen Eltern. Später kam dann eine Nachricht von ihm, dass er gerne Zeit hätte zum Nachdenken.“ Bei Mimi rollten wieder Tränen. Für Sora war es nun einfacher, nachzuvollziehen, was passiert war und warum Mimi so Angst hatte, Tai zu verlieren. Für sie war es auch ein Rätsel – so kannte sie Tai gar nicht und sie konnte sich nicht erklären, was ihn dazu bewegen könnte, so mit Mimi umzugehen. Sanft streichelte Sora Mimi durch das Haar, was schon immer sehr beruhigend auf Mimi wirkte. Es zeigte auch Wirkung, denn bald schlief die Braunhaarige ein. Hoffentlich konnte sie sich in ihren Träumen von den Strapazen der letzten Tage erholen und neue Kraft schöpfen.   Vorsichtig, darauf bedacht, die Brünette nicht zu wecken, schob Sora diese von ihrem Schoss und legte sie auf die Couch. Zusätzlich deckte sie sie noch zu. Dann ging sie in die Küche um zu telefonieren. Mimis Eltern waren beide bereits ins Bett gegangen, weshalb sie hier telefonieren konnte, ohne jemanden zu stören. Die Rothaarige holte ihr Handy hervor und scrollte in den Kontakten zu Tais Nummer. Doch dann zögerte sie einen Moment. Ob er überhaupt mit ihr reden würde? Wenn Tai schlechte Laune hatte, dann bekam das jeder zu spüren und wenn er so drauf sein würde, würde Sora nur mehr Schaden anrichten. Daher entschied sie sich, eine andere Nummer zu wählen, von der sie sich sicher war, dass die dazugehörige Person sich um Tai gekümmert hatte. „Hey Sora“, meldete sich die tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hey Matt“, begrüßte sie den Blondhaarigen, „wie geht es dir?“ „Mir geht’s gut. Aber rufst du echt um Viertel nach zehn an, um dich nach meinem Wohlbefinden zu erkunden?“, lachte er. Ertappt, dachte Sora. „Ich vermute eher, du bist bei Mimi und verstehst die ganze Geschichte auch nicht so ganz?“, mutmaßte ihr Gesprächspartner. „Ja, ich hatte gehofft, du wüsstest vielleicht mehr.“ „Naja, Tai ist seit ein paar Tagen bei mir, weil er es nicht in der Wohnung aushält ohne Mimi. Er meinte, sie wäre zu ihren Eltern gegangen nachdem sie sich gestritten hatten und er bräuchte eine Pause“, erklärte Matt mit ruhiger Stimme, wie man sie von ihm gewohnt war. Es brauchte viel, bis er mal Gefühle in seine Stimme legte. Diese Situation schien ihn allerdings auch zu belasten, denn er sprach mit Sarkasmus in seiner Stimme weiter: „War echt die beste Entscheidung seines Lebens. Den ganzen Abend hat er mir dann erklärt, dass er Mimi vermisse und sie das Beste in seinem Leben sei. Warum er sie dann so angeschnauzt hat und sich so bescheuert verhalten hat, hat er aber nicht gesagt.“ „Dann bist du wohl genauso schlau wie ich“, seufzte Sora auf. „Hey, mach dir mal nicht allzu große Gedanken“, versuchte Matt sie aufzumuntern. „Ich trete Tai mal kräftig in den Po und du kümmerst dich um Mimi. Dann renkt sich das alles wieder ein.“ „Ich glaube nicht, dass es damit getan ist, wenn er sich jetzt eine Woche bessert, weil du ihm ins Gewissen geredet hast und er dann wieder anfängt, in alte Muster zu verfallen“, Sora hatte ihre Zweifel an Matts Gutgläubigkeit. „Ich weiß. Aber ich glaube ernsthaft, dass es Tai verstanden hat. Ein Tag Pause und er ist total verzweifelt, weil er Angst hat, Mimi zu verlieren.“ „Mimi geht es ähnlich. Sie ist gerade voll fertig eingeschlafen.“ „Na siehst du. Die beiden können nicht ohne einander“, dieses Mal schaffte es Matt, ihr Mut zu machen. „Ich will mit Tai morgen die Wohnung putzen. Sollte eine gute Basis für ein klärendes Gespräch sein. Den Rest müssen sie selbst hinbekommen.“ „Pass aber auf, dass Tai dich nicht die ganze Arbeit alleine machen lässt“, lachte sie in das Telefon. „Nein nein, ich bin noch geübt von meinem Vater; den musste ich auch als zum Putzen zwingen“, konterte er. „Du Sora“, fügte er noch hinzu, „wenn du möchtest könnten wir uns Montag ja in dem Restaurant bei Tai und Mimi um die Ecke treffen? Also während die sich aussprechen. Falls dann was wäre, wären wir beide gleich dort und könnten Vermittler und Tröster spielen“, schlug er vor und man hörte Nervosität aus seiner Stimme heraus. Hatte er sie gerade nach einem Date gefragt? „Oh, das klingt nach einer guten Idee“, nahm sie den Vorschlag freudig an. „Dann bis Montag?“ „Bis Montag. Schlaf gut“, verabschiedete sich Matt und beendete das Gespräch. Am liebsten würde Sora ja quietschend auf und ab springen, doch das würde nur Mimi wecken. Daher führte sie still und leise einen Freudentanz durch. Sie hatte schon länger Gefühle für den blonden Musiker, doch dieser wirkte so unnahbar und war charakterlich komplett anders als sie, weshalb sie sich nie viele Hoffnungen gemacht hatte. Aber vielleicht würde sich das ja jetzt ändern?   Aufgeregt lief Tai durch die Wohnung und schaute sich nochmal um. Es musste einfach perfekt aufgeräumt sein. Matt hatte ihm zwar beim Putzen geholfen und ihm ins Gewissen geredet, dass es nicht so schlimm und viel ist, wenn man immer ein bisschen Ordnung hält. Den nächsten Schritt, Mimi zurückgewinnen, musste er aber alleine gehen. Und er wollte seinen brünetten Wirbelwind wirklich zurück und wenn das bedeutete, dass er putzen musste, dann würde er es fortan tun. Nie hätte er gedacht, dass sie sich deswegen derart streiten könnten und sie ihn deswegen verlassen würde. Aber er hatte auch eingesehen, dass er seine Launen nicht an Mimi auslassen konnte. Diese Einsicht wollte er ihr heute zeigen und sich bei ihr entschuldigen. Matt war bereits gegangen als Tai sich auf den Weg zu Mimi machte. Ein letztes Mal schaute Tai in den Spiegel, fuhr sich noch einmal durch die Haare um sie richtig zu legen und griff dann nach seinem Schlüssel. Er zog sich seine Schuhe an, öffnete die Haustür und blickte ein letztes Mal noch nach hinten um zu schauen, ob wirklich alles aufgeräumt war. Dann lief er los um Mimi bei ihren Eltern abzuholen. Hoffentlich sind sie nicht da, dachte der junge Mann und hatte Angst, ihren Eltern unter die Augen zu treten. Immerhin hatte er ihr kleines Mädchen verletzt. Aber selbst diesen Weg würde er gehen, denn er wollte nicht, dass ihre Geschichte wegen so eines dämlichen Streites endet. Er war sich sicher, dass ihre Liebe noch mehr Kapitel bereithalten würde. Auf dem Weg kam er noch an einem Blumenladen vorbei und kaufte einen großen Strauß roter Rosen. Auch wenn er nicht wollte, dass Mimi denkt, er würde sie zurückkaufen wollen, so wollte er ihr doch signalisieren, wie sehr er sie liebte.   Nervös stand er vor der Haustür der Tachikawas. Das große Haus hatte ihn schon immer beeindruckt und er fühlte sich gerade wie der siebzehnjährige Tai, der Mimi zu ihrem ersten Date abholt, von ihrem Vater gemustert und ins Kreuzverhör genommen wird. Mimi war das furchtbar peinlich, aber ihr Vater meinte es nur gut. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln – damals erfuhr er am eigenen Leibe, was er jedem Jungen antat, den Kari mit nach Hause brachte. Und war es nur um ein Referat vorzubereiten. Schließlich nahm Tai all seinen Mut zusammen und drückte den Klingelkopf. Er atmete tief durch und hörte dann auch schon Schritte, die sich der Tür näherten, die sich schließlich öffnete. Vor ihm stand Mimi in einem grünen Jumpsuit mit Blumenmuster. So etwas Ähnliches hatte sie auch bei ihrem Date getragen, kam es Tai in den Sinn. Ob sich Geschichte wiederholen kann? „Hey“, er wirkte unbeholfen und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. „Hey, komm kurz rein. Ich bin gleich so weit“, Mimi ging einen Schritt zur Seite um ihm Platz zu machen und wirkte ebenso verloren wie Tai. „Ich hab dir was mitgebracht.“ Tai streckte ihr die Blumen entgegen, die Mimi dankend mit einem Lächeln annahm. „Ich stelle sie schnell in eine Vase.“ Sie streckte ihre Nase noch einmal an die Blumen um an diesen riechen zu können bevor sie in die Küche ging. Doch diesen kurzen Augenblick nutzte Tai um Mimi genauer anzuschauen. Sie sah blass aus und auch wenn sie ihre Augenringe durch Makeup zu verdecken versuchte, sah man, dass sie die letzten Tage wohl kaum geschlafen hatte. Der Brünette fand auch, dass sie abgenommen hatte. Sofort überkam ihn ein schlechtes Gewissen. Sie litt nur seinetwegen so. Er musste es wiedergutmachen. Unter allen Umständen. „Ich brauch nur noch meine Tasche“, machte Mimi auf sich aufmerksam als sie mit der Blumenvase in der Hand zurückkam. Diese stellte sie auf den großen Esszimmertisch, griff nach ihrer Handtasche, die auf einem der Stühle lag und verließ mit Mimi das Haus.   „Wo gehen wir denn eigentlich hin“, unterbrach sie die Stille. Sie liefen nun schon eine Weile nebeneinander her. Keiner wusste so recht, wo er zu einem Gespräch ansetzen sollte. Sie schauten auch beide verlegen in andere Richtungen. „Lass dich überraschen.“ Tai hatte lange überlegt, wohin er mit Mimi gehen sollte. Er wollte das Gespräch an einem neutralen Ort halten. Und als er sich alleine in der Wohnung eines der Fotoalben anschaute und in alten Erinnerungen schwelgte, war ihm die Idee gekommen. „Es ist nicht mehr weit“, war seine Antwort auf Mimis Frage, bei deren Beantwortung er die Brünette ansah und merkte, dass sie sich unwohl fühlte. Sollte er ihre Hand nehmen? Bei ihrem ersten Date hatte er das auch gemacht. Entschlossen griff er daher nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Aus den Augenwinkeln sah er erst Mimis überraschten Blick, der sich dann in ein Lächeln wandelte. Dennoch konnten sie sich nicht ansehen.   „Hier sind wir“, kündigte Tai an. Er führte sie in ein kleines Eiscafé, das in einem Park lag. Es befand sich neben einem Teich und hatte eine schöne Veranda, die einen wunderschönen Ausblick auf den See erlaubte. Hier waren sie auch schon gewesen als sie zum ersten Mal miteinander ausgegangen sind. Hier hat ihre Geschichte begonnen und hier wollte Tai sie weiterschreiben. „Hier waren wir schon lange nicht mehr“, murmelte Mimi und ließ sich von Tai zu einem der Tische auf der Veranda führen. Dieser zog ihr sogar den Stuhl nach hinten. Sie schaute sich um und blieb schließlich bei Tai hängen, der ihr gegenüber saß. Er schien es wirklich zu bereuen, dass er sich so mies verhalten hatte. Dann nahm sie sich jedoch eine Karte und schaute in diese hinein, genau wie Tai auch. „Ähm, also.. ich..“, stotterte Tai vor sich hin nachdem er die Menükarte beiseitegelegt hatte. Die Kellnerin kam zwischen einem seiner ähms an den Tisch der beiden und nahm deren Bestellung auf. „Mimi, ich muss mich entschuldigen“, formulierte er schließlich einen kompletten Satz und fühlte, wie ein Stein von seinem Herzen fiel, weil er es endlich ausgesprochen hatte. Aber das war erst der Anfang seiner Entschuldigung. „Wofür genau? Dass du mich nicht unterstützt? Dass ich dir nicht mehr reiche? Für dein Verhalten?“, mit tränenden Augen schaute Mimi Tai an und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Die letzten Tage sind nicht spurlos an ihr vorbeigegangen und auch wenn Tai bisher den Anschein erweckte, er wolle sie zurück, so blieb doch ein Hauch Angst, dass es vorbeisein könnte. Dennoch war sie wütend und das sollte er auch merken. „Für alles. Nur dass du mir nicht genügen würdest, streich schnell aus deinem Kopf. Du bist alles, was ich brauche“, er wollte nach ihrer Hand greifen, die sie auf dem Tisch abgelegt hatte, doch sie zog sie weg. „Und warum gehst du mir dann aus dem Weg und möchtest keine Zeit mit mir verbringen?“ „Ach Mimi. Es tut mir so unendlich leid, dass ich dir dieses Gefühl vermittelt habe. Das wollte ich nicht, ich war nur so..“ „Was wolltest du dann, Tai?“, fragte Mimi verständnislos. Warum konnte er nicht einfach auf den Punkt kommen und sagen, was los war? „Mensch, ich hab das Examen bald fertig und geh dann ins Referendariat, mache meine Fachanwaltausbildung, heirate dich, wir bauen ein Haus und werden mit unseren Kindern glücklich bis ans Ende unserer Tage. So ist der Plan, aber ich hatte Angst, dass mein Leben zu verplant ist und ich irgendwo auf diesem Weg etwas verpassen könnte oder er nicht aufgeht“, er stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab und legte seinen Kopf in seine Hände. Ein Moment blieb er so und Mimi schaute ihn an. Bevor Mimi etwas sagen konnte, brachte die Kellnerin das Eis an den Tisch und machte sich schnell wieder weg. Sie spürte die angespannte Atmosphäre und wollte nicht stören. „Und ich bin der Grund, dass du etwas verpassen könntest?“, fragte Mimi mit schwacher Stimme nach. Ruckartig ging Tais Kopf nach oben als er hörte, was Mimi da gerade gesagt hatte. „Nein, auf keinen Fall. Ich muss so viele wichtige Entscheidungen bezüglich meiner Zukunft treffen, dass ich Angst hatte, ich verbaue mit eine Option, wenn ich einen Weg einschlage. Aber Mimi, auch wenn ich länger gebraucht habe, um es zu verstehen, glaube mir bitte“, flehte er sie an und umschloss mit seinen Hände ihre, so dass sie diese nicht wegziehen konnte, „wenn ich eines weiß, dann das du die Konstante in meinem Leben bist. Egal, welchen Weg ich wähle, für welche Geschichte ich mich entscheide, ich weiß, dass du an meiner Seite stehen willst und bis ans Ende bei mir bist. Du warst schon immer da und sollst immer bei mir bleiben. Du und ich, Für immer. Es tut mir so leid, dass ich nicht mit dir darüber reden konnte, aber ich musste meine Gedanken erstmal sammeln“, er schaute sie an und wartete auf eine Reaktion. Doch Mimi musste das noch einen Moment verdauen. „Du Trottel, du hättest doch einfach mit mir reden können. Ich hätte dir geholfen, deine Gedanken zu ordnen. Wir haben doch so vieles bereits geschafft“, sie versuchte sein Handeln nachvollziehen, doch sie konnte es noch nicht so ganz. „Nein, ich musste das mit mir ausmachen. Musste mir klar darüber werden, was ich noch im Leben erreichen möchte und wohin die Reise führt. Aber egal wohin ich gehe, ich will nicht ohne dich sein. Komm bitte nach Hause zurück“, bittend sah er sie an und sprach dann noch den nächsten Streitpunkt an. „Ich weiß, dass ich ein furchtbarer Partner bin, wenn es ums Putzen geht, aber ich verspreche hoch und heilig, dass ich mich bessern werde. Wir können einen Putzplan machen, ein Strafsystem einführen, egal was, ich mache es.“ Bei seinem bettelnden Blick konnte Mimi nicht anders als zu kichern. „Meinst du es ernst, dass du mich immer an deiner Seite willst?“, hakte sie nach um die letzten Zweifel zu beseitigen. „Absolut“, antwortete Tai wie aus der Pistole geschossen und mit einer Zuversicht, die Mimis letzten Zweifel beseitigten. „Dann überlege ich mir mal ein Bestrafungssystem“, zwinkerte sie ihm zu und griff nach ihrem Eislöffel. „Aber lass uns erst unser Eis essen, das ist ja schon fast ganz geschmolzen“, lachte sie und sie und Tai hielten sich immer noch mit ihren freien Händen.   „Wow, das ist ja wunderbar sauber hier“, klatschte Mimi erfreut in die Hände als sie ihre Wohnung betreten hatte. „Jetzt warst du wohl der Putzteufel“, grinste sie und legte ihre Arme um seinen Nacken. „Das hab ich vermisst“, schmunzelte er und zog Mimi eng an sich um sie in einen tiefen Kuss zu ziehen. Nie wieder würde er es zulassen, dass sich etwas zwischen sie stellen würde und nie wieder würde er an ihrer Beziehung zweifeln. Da war Tai sich sicher.       „Wenn sie sich bis jetzt nicht gemeldet haben, wird alles gut gegangen sein, oder?“, unsicher blickte Sora zu Matt. Sie hatten sich tatsächlich in dem kleinen Restaurant getroffen und den Abend gemeinsam verbracht. Sie hatten über Gott und die Welt geredet, viel gelacht und die Zeit genossen. Matt schaute auf die Uhr. Schon halb elf. Er hatte nicht bemerkt, dass die Zeit so schnell vorbeiging. Doch bei guten Geschichten merkt man wohl nicht, wie schnell sie vorüber sind. „Nein, ich glaube nicht. Sollen wir zahlen und dann noch einen Spaziergang machen?“, schlug er vor und rief den Kellner herbei als Sora als Zeichen ihrer Zustimmung nickte. Er wollte noch nicht, dass der Abend vorüber war. Vielleicht war er das erste Kapitel einer tollen Geschichte.   Man kann Pläne schmieden so viel man möchte, aber wer sagt, dass das Leben sie eintreten lässt? Manchmal hat es andere Pläne für einen vorgesehen. Doch solange man Personen an seiner Seite hat, die einen unterstützen und lieben, schreibt das Leben immer noch die schönsten Geschichten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)