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Und dann hat er ja gesagt

von

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Der Sonnenaufgang

Ich stand vor dem Tor, das hinter sich Konoha verbarg. Das Tor war zu. Seltsam. Eigentlich sollten die Wachen wissen, dass ich um die Uhrzeit hier sein sollte. Bevor ich mich entschloss zurückzukommen, kontaktierte ich Kakashi um seine Erlaubnis zu bekommen. Ich weiß nicht ganz genau, warum ich das tat. Warum muss mir jemand überhaupt erlauben, nach Hause zu kommen? So eine komische Sache… jedenfalls bin ich hier. Es ist ein wahrhaft seltsames Gefühl nach dem, was vorgefallen ist — besonders nach dem Krieg — hier nicht als Feind aufzutauchen. Als ich damals Konoha zurückließ, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es jemals wieder dazu kommt. Seitdem meine Familie ausgerottet wurde, hatte ich gegenüber Konoha keine besonders warmen Gefühle. Das Einzige, was für mich damals von irgendeiner Bedeutung war, waren die Leute, denen ich tatsächlich nicht egal zu sein schien. Damit meine ich ausdrücklich Team 7. Und insbesondere meine ich damit Naruto.
 

Endlich ging das Tor auf und zwei Jounin kamen mir entgegen. Sie durchsuchten mich und sagten, ich müsste zum Hokage, damit er die Aufnahmeprozedur abschließen kann. Na gut, wenn es sein muss… nun passierte ich den Wachposten und betrat den Raum des eigentlichen Geschehens. Mein Geburtsort stand mir in all seiner Pracht gegenüber und ich wurde leicht überwältigt. Das Dorf machte wohl während meiner langen Abwesenheit eine sehr spürbare Änderung durch. Ich guckte mich um. So viel war so anders, dass ich Konoha kaum erkannte. Konoha ist definitiv kein Dorf mehr, es ist zu einer Stadt geworden.
 

Die Wachen sagten mir nicht, wohin genau ich mich begeben muss, und ich selbst war nicht schlau genug um nachzufragen. Der Menschenstrom fing mich und ich schwamm mit ihm für eine Weile hilfslos mit. Leider war Hokages Büro nicht mehr dort, wo ich es in Erinnerung hatte. Ich bleib stehen und guckte mich noch mal ganz bewusst um. Mein Blick wanderte über diese hektische Landschaft hin und her, bis ich endlich das Büro bemerkte. Mit einem Schritt gegen den Strom fing der gefühlt tausendjährige Weg zum Bürogebäude an. Beim Laufen erkämpfte ich mir mühsam den Platz durch die Menschenmasse. Kleine Kinder liefen mir buchstäblich unter die Füße, Erwachsene schubsten und wurden zurückgeschubst, Ältere standen im Weg wie eine unnötige Hindernis. Wenn es nur das wäre. Die Menschen unterhielten sich und der Strom produzierte einen fast betäubenden Klang. Die gesamte Umgebung vibrierte vor Summen. Ich filterte ungewollt ein paar Gespräche aus und mir wurde klar, dass diese Hektik eher außergewöhnlich ist. Etwas großes stand bevor. Bei der Vorstellung einer noch größeren und lauten Menschenmasse als jetzt wurde mir leicht unheimlich. Will ich wirklich ein Teil von dem ganzen hier sein? Plötzlich fing mein Ohr den Namen „Uzumaki“. In diesem Augenblick zuckte mein Herz zusammen. Und flüchtig bemerkte ich, dass diese bevorstehende Veranstaltung mir zutiefst nicht egal ist.
 

Mittlerweile erreichte ich das Bürogebäude. Es wirkte größer und massiver, als das alte. Man verstand auf Anhieb, dass hier der Oberhaupt residiert. Ich kam rein und wurde mit dem gleichen Chaos wie draußen konfrontiert, bloß dieser Chaos „von drinnen“ nahm entsprechend kleinere Ausmaße an. Ich fragte jemanden, wo sich Kakashis Büro befindet. Er zeigte mir die Richtung und meinte knapp „am Ende des Ganges“. Und tatsächlich, ganz am Ende eines langen Ganges verbarg sich hinter der einfachen hölzernen Tür Kakashis Büro.
 

„Hallo, Sasuke,“ ich wurde freundlich begrüßt.

„Hey!“ ich erwiderte. „Die Wachen am Tor meinten, du musst noch was machen, damit ich nach Hause kann. Also mach schnell.“

„Du hast dich gar nicht geändert, sehe ich.“ Seine Stimme hatte etwas sehr nostalgisches in sich. Ich schmunzelte leicht.

„Worum geht es überhaupt? Mir wurde gar nichts erklärt.“

„Es geht darum, dass wir alle neue Mitglieder registrieren müssen. Du hast es wahrscheinlich schon gemerkt, aber unser Dorf ist sehr rasch angewachsen. Ich kenne nicht mehr jeden persönlich. Außerdem gab es Vorfälle mit den Neuankömmlingen, also haben wir uns…“

„Es klingt so unspannend, also lass uns einfach mit der Bürokratie schnell fertig werden.“

„Okay,“ Kakashi willigte ein.
 

Kakashi ist einer dieser Menschen, die sich nie ändern. Weder äußerlich noch charakterlich. Er nahm sich einige Formulare aus einem großen Stapel, der vor seinem Gesicht lag, und füllte sie in aller Ruhe aus. Währenddessen kamen seine leicht aufgebrachten Angestellten herein, um irgendwas schnellstmöglich zu klären. Kakashi beantwortete die Fragen sehr konstruktiv und es schien, dass nichts auf dieser Welt Kakashi aus der Fassung bringen kann. Und ich konnte mich endgültig vergewissern, dass etwas sehr großes bevorsteht.
 

„Was ist denn hier los?“ fragte ich.

„Was meinst du?“

„Naja, auf der Straße ist Chaos, hier sind alle auch im Stress und rennen wild rum. Ist irgendwas?“

„Achso! Du weißt es ja gar nicht!“ Für seine Verhältnisse sah Kakashi auf einmal ziemlich aufgeregt aus. „Naruto hat seine Verlobung angekündigt!“
 

Bitte was?! Eine Verlobung von Naruto?! Es klingt so unglaublich, leicht widersprüchlich und so, dass es mein Herz zum wilden Pochen bringt.
 

„Bist du überrascht?“ fragte er spontan.

„Wer hat ihn denn genommen?“ Er hatte recht, ich war überrascht. Ich war mehr als nur überrascht.

„Hinata.“

„Achso,“ warf ich automatisch und wechselte das Thema, „brauchst du noch lange?“

„Nein, bin fast fertig. Soooo…“ Kakashi atmete erlöst aus, unterschrieb zwei Papiere, drückte mir eins in die Hand und legte das zweite auf den Stapel hinter dem Stapel vor seinem Gesicht. „Jetzt bist du ein Bürger von Konoha! Ganz offiziell! Ich gratuliere!“

„Danke,“ antwortete ich mit einem Hauch von Lachen. „Was ist eigentlich mit der Uchiha Residenz?“

„Sie ist bezugsbereit. Wir haben die Sperre des Uchiha-Viertels vollständig aufgehoben,“ richtete er mir aus. „Und, Sasuke…“

„Was?“ Ich stand schon in der Tür und wollte Kakashis Büro verlassen.

„Bitte gratuliere Naruto zur Verlobung. Er wird sich bestimmt drüber freuen.“

„Hn,“ warf ich statt einer anständigen Reaktion.
 

Plötzlich wurde es sehr still auf eine sehr unangenehme peinliche Weise und ich bekam den Drang diese Stille zu zerstören:
 

„Ähm…“ leitete ich ein, aber dieser sinnloser Laut war gar nicht hilfreich. Die peinliche Stille ging nicht weg. „Ähm, bis bald,“ warf ich und beeilte mich nach draußen.
 

Ich verließ das Büro, bevor es noch peinlicher wurde. Also ist diese Hektik Narutos Verlobung gewidmet. Achso… deswegen konnte ich dieses Gefühl von dringender Wichtigkeit nicht loswerden. Es macht schon irgendwo Sinn, dass seine Verlobung zum Volksfest wird. Schließlich ist er der lebende Kriegsheld. Retter der Shinobi-Welt. Und ganz speziell mein Retter… hmmm, so wie es aussieht, bin ich doch zu spät…
 

Ich kehrte nach Konoha aus verschiedenen Gründen zurück: erstens aus Bequemlichkeit. In der Wildnis muss man sich um vieles kümmern und manchmal ist es seeeehr anstrengend. Zweitens aus Einsamkeit. Mir fehlt der menschliche Kontakt und ich gebe es Tatsache sehr ungern zu. Was nichtsdestotrotz ein sehr großer Vorteil ist, ist dass das Uchiha-Viertel höchstwahrscheinlich für immer unbewohnt bleibt. Ich kann mich so viel von den Menschen zurückziehen, wie ich will, und trotzdem bin ich nicht allein. Es ist das perfekte Szenario. Dazu vermisste ich meinen Geburtsort doch insgeheim. Und drittens… dritter Grund hatte sogar einen echten Namen. Er hieß Naruto Uzumaki. Der letzte Grund ist… wie soll ich es ausdrücken… etwas heikel und er ist für mich persönlich der wichtigste. Wahrscheinlich weil ich einen sehr langen Kampf gegen mich selbst beenden konnte und begann Sachen über mich selbst zu akzeptieren, die ich auch sehr lange zutiefst abstoßend fand. Ich will nämlich, dass er endlich von meinen Gefühlen ihm gegenüber weiß. Es klingt vielleicht dumm, aber ich hoffte auf mindestens Verständnis seinerseits und idealerweise darauf, dass er diese Gefühle erwidert. Und jetzt ist dieser Schwachkopf verlobt, also… mir war schon irgendwie bewusst, dass mein idealer Verlauf zu utopisch ist.
 

Auf dem Weg nach Hause dachte ich ununterbrochen an Naruto. Dieser Schwachkopf ist einer der zwei Personen, die mich zu dem machten, was ich heute bin. Erstens wollte er unter keinen Umständen von mir loslassen. Und zweitens: er war, und ist bis heute, mir wirklich-wirklich nicht egal. Alles fing am Tag unserer Teamentstehung. Naruto, Sakura und ich. Team 7 hießen wir ab da an. Seitdem mussten wir auf einmal sehr viel Zeit miteinander verbringen, während des Trainings, auf Missionen oder sogar, mein Gott, privat. Ich fand Naruto anfangs unglaublich anstrengend. Er konnte nichts, labberte ständig davon, wie er Hokage wird, und generell war er ein hyperaktiver und unsinniger Schwachkopf. Auf den ersten Blick schien, dass wir beide komplett gegensätzlich waren, bis ich eines Tages ein sehr dunkles Racheersuchen in seinen Augen fing, den ich instinktiverweise nachvollziehen konnte. Unter diesem fröhlich Unsinnigen war er verbittert, ängstlich und sehr einsam und ich kannte diese Agonie nur zu gut. Ab diesem Tag konnte ich Naruto noch weniger leiden, weil ich seinen Umgang mit diesem Schmerz nicht tolerieren konnte. Ich stempelte ihn als nicht feinfühlig, nicht intelligent genug und schwach ab, weil ich sein kindisches Aufführen als den leichtesten Ausweg aus diesem emotionalen Zustand ansah. Nichtsdestotrotz mussten wir einander aushalten und das taten wir aus tiefster Not. Schließlich steckten wir in einem Team. Dennoch war ein kleiner Teil von mir unendlich froh zu wissen, dass noch jemand genauso allein war wie ich. Selbst wenn diese Person der dümmste Shinobi in der ganzen Welt war. Und selbst wenn ich es mir nicht eingestehen wollte.
 

Eines Tages zerstritten wir uns sehr heftig und tauschten eine ganze Woche lang kein Wort miteinander. Kakashi hatte die Nase voll davon und gab uns eine gemeinsame Aufgabe, damit wir uns wieder vertragen. Naruto machte dabei einen dummen Fehler nach dem anderen, was mich tierisch irritierte, bis ich es nicht mehr aushielt und in einer verbalen Wut ausbrach. Ich schimpfte Naruto heftig aus und er erwiderte mir böse, dass er schon wieder von seiner Familie geträumt hatte, dass es ihn sehr traurig macht, dass er sich absolut nicht konzentrieren kann und dass ich bitte dafür Verständnis aufbringen soll. Es ließ mich sprachlos. Er entschuldigte sich bockig für seine Fehler und fuhr mit der Arbeit stumm fort. Mich brachte dieses kleine Ereignis zum Nachdenken. Endlich sah ich, dass auch Naruto mit durchaus starken negativen Gefühlen zu kämpfen hatte. Und plötzlich offenbarte sich sein Wesen in einem ganz anderen Licht: er wählt stets aus, nicht verbittert zu werden und sich nicht vom Schicksal runterkriegen zu lassen. Das macht er dadurch, dass er versucht, stets positiv zu agieren. Ich fand diese kleine Entdeckung erstaunlich. Es war die erste Sache, die ich an ihm tatsächlich respektierte. Schließlich steckte ich in einer vergleichbaren Lage, aber so wie er konnte ich nicht. Nach all diesen Jahren wundere ich mich, ob sein Ausweg der tatsächlich leichteste ist, und ich vermute, dass es nicht stimmt. Wahrscheinlich ist der leichteste Ausweg genau der, den ich nahm.
 

Ab da stellte ich fest, dass wir einander nicht nur aus Not aushalten können. Die Zeit lief, wir verbrachten die Abende meist zu zweit. Der Grund für unsere Zweisamkeit war einfach und eher zufällig: Naruto und ich mussten meistens während Missionen ein Zimmer teilen und Sakura hatte eins für sich. Mittlerweile kam ich mit Narutos Art klar und er konnte meine ertragen. Wir trainierten zusammen, erledigten gemeinsame Aufgaben, er erzählte mir Sachen und ich hörte ihm zu. Wir bauten eine ziemlich kuriose Beziehung auf, manche würden sie vielleicht Freundschaft nennen. Trotzdem gab es manches an Naruto, was mich sehr irritierte. Besonders dass er sehr impulsiv handelte und ständig den Maul so weit wie möglich aufreißen musste. Er glaubte ernsthaft daran, genauso gut wie ich zu sein, und erwähnte es bei jeder passenden Gelegenheit. Er erklärte mich zu seinem Erzrivalen und ich konnte darüber nur lachen, weil er damals für nichts gut war. Dennoch beneidete ich ihn um eine Sache: im Gegensatz zu mir war er nicht komplett zerbrochen. Mir wurde erst durch Naruto bewusst, dass ich irgendwie falsch funktionierte. Zum Beispiel gab er den Glauben an das Gute in Menschen nicht auf und verschloss sich nicht von der Außenwelt. Er wendete sich den Menschen ganz natürlich zu und hatte keine Angst Bündnisse aufzubauen. Und eins davon war zu mir. Er nannte mich „Freund“ und „Bruder“ und behandelte mich so, als ob ich von Wichtigkeit wäre. Das meinte er vom ganzen Herzen und es fühlte sich gut an. Es linderte den Schmerz, den der Verlust meiner Familie zurückließ. Dieses Gefühl war einzigartig: als ob ich ein verirrter Falter war, der endlich eine Lichtquelle entdeckte und darauf zuflog. Als ob er mich aus einer endlosen stockdunklen Nacht wieder ans Tageslicht führte. Endlich fand ich etwas, was nichts mit Itachi oder der Rache zu tun hatte, und es wurde mir sehr teuer. Ich war bereit für dieses wertvolle Etwas zu kämpfen. Wenn nötig, würde ich es sogar mit meinem Leben beschützen.
 

Und so ganz unbemerkt wurde Naruto sehr besonders für mich. Er wurde zu meinem wegweisenden Licht aus der Dunkelheit, zu meiner Sonne. Seine sanfte Wärme baute mich Stück für Stück auf und reparierte mich langsam und ich hing sehr dran. Vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Für eine ganze Weile spielten wir Freundschaft miteinander und es funktionierte ganz gut, bis es sich eines Tages änderte: sobald er den Raum betrat, schlug mein Herz schneller, allein mit ihm zu sein wurde zu einer unmöglichen geistigen Aufgabe für mich und meine Augen waren nur ihm zugewandt und ich beobachtete ihn heimlich: wie sich seine Haare bewegen, wo er seinen Blick hinführt, wie er atmet… ich bekam ein dringendes Bedürfnis ihn anzufassen und seine tollpatschigen Bewegungen zogen mich an. Nachts, wenn alle schon schliefen, wollte ich mich zu ihm legen und mich an ihm ganz doll anschmiegen. Ich wollte seine Wärme spüren. Schließlich war er meine Sonne.
 

Ich muss dazu sagen, dass ich mich selbst für diese Gefühle zutiefst ächtete. In meinen Augen verkörperten sie eine echte Schwäche und sie mussten dringend beseitigt werden. Ich belehrte Naruto gedanklich darüber, dass er dumm war, weil er sich von Menschen abhängig macht, und jetzt geriet ich in dieselbe Fälle. Ich wurde von ihm abhängig. Von Naruto Uzumaki! Von dem dümmsten Shinobi, den es je gegeben hatte! Mein Geheimnis durfte nie ans Tageslicht kommen, also begann ich den Kampf gegen den eigenen Schatten. Ich tarnte mich und sagte absichtlich manches ab, wo wir nur zu zweit sein mussten. Manches aber nicht, damit es nicht zu verdächtig vorkam. Dieses Verstellen erschöpfte mich mental. Wenn wir Freundschaftskämpfe machten, fiel es mir sehr schwer, seine kurzen Berührungen zu ertragen. Besonders wenn seine Haut zufällig auf meine traf. Es fühlte sich wie ein Brand an. Die Kämpfe waren meine einzige Möglichkeit ihn wenigstens irgendwie anzufassen und eigentlich wollte ich mehr davon. Es erschöpfte mich körperlich und insgesamt machte mich das Ganze richtig wahnsinnig.
 

Während Naruto und ich in diesem tollpatschigen Beziehungstanz steckten, wurden sich Naruto und Sakura tatsächlich näher. Die beiden bauten das auf, was ich persönlich als Freundschaft bezeichnen würde. Narutos Beziehung zu Sakura war sehr ungezwungen, aufregend und vor allem nicht anstrengend. Sie genossen sich auf einer sehr natürlichen Weise und ich bekam es stumm mit. Meistens kümmerte es mich nicht sonderlich, jedoch an manchen Tagen kochte mein Blut vor Wut. An diesem Tagen sah ich Sakura als eine riesige schwarze Regenwolke, die mir meine Sonne stiehlt. Besonders weil Naruto durch Sakura stets neue Freunde gewann und im Endeffekt weniger Zeit für mich hatte. Dies bedeutete, dass wir uns jeden Tag ein wenig von einander entfernten. Als die Distanz zwischen uns groß genug war, bekam ich das Gefühl, ich wäre ihm doch nicht wichtig genug, was mich massiv ärgerte. Als ob er mich ausgetrickst hätte. Unsere Beziehung kehrte zum Anfang zurück, nur diesmal hatte sie einen sehr bitteren Nachgeschmack. Besonders weil es ihm besser als mir ging: er wirkte jeden Tag ein bisschen weniger miserabel. Und das machte mir Angst, weil das nur eins hieß: er braucht mich jeden Tag ein bisschen weniger. Außerdem wurde er besser mit seinen Jutsus. Mittlerweile stellte ich fest, dass er sich durchaus zusammenreißen kann. Und wenn sich dieser Schwachkopf zusammenreißt, kann er sich komplett auslasten und enorm viel schaffen. Ab da nahm ich unsere Rivalität ernst, weil es direkt zweitens hieß: er wird schlussendlich mindestens genauso gut sein wie ich, wenn ich es nicht ernst nehme. Diese Vorstellung machte mir noch größere Angst als die erste. Nach und nach erwachte ein Teil von mir, der ihn um seine Lage richtig schwarz beneidete und ihn genau aus diesem Grund ganz unverschämt hasste. Nichtsdestotrotz war dieser blonde Schwachkopf die Quelle meiner größten Sorgen. Ein ziemlich großer Teil von mir wünschte ihm tatsächlich alles Gute und war bereit sich dafür einzusetzen, obwohl unsere Beziehung schlechter denn je lief. Teilweise weil ich immer noch nicht wusste, was ich mit diesen einseitigen Gefühlen zu ihm mache. Diese Gedanken besetzten oft unbefugt meinen Kopf und ich drehte innerlich durch, weil es einfach unerträglich war. Währenddessen erinnerte ich mich oft an Itachi.
 

Mein älterer Bruder war die zweite Person, die mich zu dem machte, was ich heute bin. Als die Beziehung zu Naruto in die Stücke brach, beschäftigte mich der Hass gegenüber meinem Bruder öfter und ich wurde erneut von Rachegedanken konsumiert. Im Grunde war es das einzige, das meinen Verstand gesund hielt, sonst würde der gefühlsgesteuerte Wahnsinn meinen Kopf komplett überlasten. Ich versank jeden Tag ein Stück tiefer ins Schwarze und es schien keinen zu kümmern. Eines Tages kam Itachi um Naruto zu schnappen und an dem Tag wurde ich sehr harsch daran erinnert, dass ich eigentlich sehr schwach war. Die Vorstellung davon, dass Itachi Naruto das Leben nimmt, beförderte einen echten körperlichen Schmerz in mir und bewegte mich zum unüberlegten impulsiven Handeln. Dazu ließ Itachis komplette Gleichgültigkeit mir gegenüber mich die letzte Vernunft zu verlieren, die ich noch besaß. Ich griff ihn direkt an und landete im Krankenhaus für mehrere Wochen. Meine totale Machtlosigkeit stach mir direkt ins Auge und es war sehr belastend. Zudem war ich im direkten Vergleich sogar schlechter als Naruto. Er besiegte diesen einschwänzigen Monster während der Chuuninprüfung fast allein. Ich im Gegensatz dazu konnte nichts machen. Die Gedanken daran besetzten meinen Kopf und irgendwann war das das Einzige, woran ich denken konnte. Wie sollte ich denn Itachi töten, wenn ich nichtmal besser als Naruto bin?! Ich fand mich selbst abstoßend, unwürdig und sehr schwach und es fraß mich innerlich. Ich brauchte Narutos Schutz so dringend wie noch nie und er vermasselte alles. Er kam nicht zu meiner Rettung. Dabei wünschte ich mir über alles, dass ihm meine geistige Verwundbarkeit auf eine magische Art bewusst ist. Ihn um Hilfe zu bitten machte mir Angst und das war ziemlich dumm von mir. Aber seine scheinbare Unwissenheit über meine Lage tat trotzdem unfassbar weh, obwohl es so dumm war. Dann entschloss ich mich diese Abhängigkeit ernsthaft zu beenden. Ich musste dringend stärker werden, damit Itachi endlich seine rechtmäßige Vergeltung bekommt, und diese kuscheligen Freundespielchen brachten mich definitiv nicht weiter. Und somit fiel die Entscheidung Konoha und Team 7 zurückzulassen.
 

Dann kam der große Kampf im letzten Tal. Ich war der Gewinner und stand alleine da. Dieser Sieg erfüllte mich mit Zufriedenheit und es überzeugte mich, dass ich doch nicht so schwach bin. Naruto lag bewusstlos vor meinen Füßen. Seine Augen waren zu, seine Haare waren nass vor Regen, seine Lippen waren blass und sein Schicksal lag ganz allein in meinen Händen. Eine flüchtige Bewegung und die Welt ohne Naruto Uzumaki könnte wahr werden. Aber als ob ich es tatsächlich durchziehen würde. Stattdessen brach ich vor Erschöpfung zusammen und starrte in seine zugemachten ruhenden Augen für eine ganze Weile. Ich durfte ihn noch nie aus solcher Nähe anschauen. Er war so schutzlos, so verwundbar und so schön… solch eine direkte Konfrontation mit seiner Nähe überforderte mich und in mir erwachte der Teil, von dem ich mich so eifrig lösen wollte. Der Teil meines Wesens, der ihn aufrichtig liebt. Für einen kurzen Moment überlegte ich doch an seiner Seite zu bleiben, doch dafür war es jetzt zu spät. Ich ließ ihn schwersten Herzens zurück. Es fühlte sich so an, als ob die Hälfte meines Körper ausgerissen wurde. Ich hoffte, dass das der letzte Tag war, an dem ich Naruto Uzumaki sah, und natürlich war meine Hoffnung falsch. Er war die ganze Zeit hinter mir her und zum Schluss wurde es ziemlich abstrus. Warum machte er das? „Weil wir Freunde sind“ - so klang seine Begründung, die für mich absolut sinnlos erschien.
 

Als Itachi seine rechtmäßige Vergeltung bekam, dachte ich kurzzeitig, dass sein Tod endlich den seelischen Frieden über mich brachte. Aber es passierte nicht. Stattdessen fiel ich noch tiefer und schneller in den Abgrund. Dann erfuhr ich die unfassbare Wahrheit darüber, wie mein Bruder eigentlich lebte, und sie zerstörte alles, worauf meine gesamte Existenz aufbaut war. Mein Selbst wurde somit in die Stücke gerissen. Ich richtete meinen Hass auf Konoha und speziell auf Naruto, weil er jetzt plötzlich auf Konohas Seite war. Auf Seite von denen, die ihn einst so schlecht behandelten. Es fühlte sich so, als ob er mich endgültig im Stich ließ. Nichtmal der dümmste Shinobi in der ganzen Welt war jetzt so allein wie ich es war.
 

Schlussendlich unternahm ich den letzen Versuch Naruto Uzumaki aus dieser Welt loszuwerden und mein verzweifeltes Vorhaben scheiterte ziemlich miserabel. Er wurde inzwischen mindestens genauso stark wie ich und nun wurde mir diese Tatsache bewusst. Warum ließ er nicht los? Warum hasste er mich nicht?! Wie ist das überhaupt möglich?! „Weil wir Freunde sind“ - kam die Antwort zum aberhundertsten Mal. Er erklärte mir ziemlich plump, was er damit meint, und viel Sinn machten seine Worte immer noch nicht. Später im Gefängnis hatte ich die Gelegenheit darüber nachzudenken. Ich kam zum Schluss, dass er mich aus irgendeinem Grund braucht. Wozu? Könnte es eventuell sein, dass seine Gefühle mir gegenüber auch nicht nur freundschaftlich waren? Mir jagten diese Gedanken eine tierische Angst ein, weil ich fest überzeugt davon war, dass ich irgendwas falsch verstand. Ich haute so schnell wie möglich von Konoha ab, um mich damit nicht auseinandersetzen zu müssen, und nun nach zweijährigem Nachdenken will ich mit ihm offen über alles reden. Ich bin ernsthaft der Meinung, dass dieser Austausch mir endlich den lang ersehnten seelischen Frieden beschert. Und jetzt finde ich heraus, dass er verlobt ist, und jetzt wird es zum Problem. Was soll ich bloß machen? Wenn es um Naruto geht, kann ich anscheinend am Besten wegrennen. Ich muss verhindern, dass er meine Rückkehr mitbekommt. Er wird es eventuell rausfinden, aber besser später als früher. Mit einer vernünftigen Vorbereitung kann ich tatsächlich seinem überwältigenden Licht gegenüberstehen, ohne dabei gleich verbannt zu werden. Ich will nicht mehr der verirrter Falter sein, der auf der Flucht vor Dunkelheit direkt ins tödliche Feuer fliegt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-01-20T20:08:27+00:00 20.01.2018 21:08
Tolle Idee. Ein gut geschriebenes Kapitel. Sasukes Gefühle kamen richtig gut rüber. Das wird bestimmt noch richtig interessant und vor allem spannend.

LG
Antwort von:  suugakusan
21.01.2018 03:04
Danke :) die FF wird gerade überarbeitet, hoffentlich wird sie dadurch besser


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