Fehlgeleitete Gefühle von Nasaria ================================================================================ Prolog: -------- Prolog   Gedankenverloren saß er in seinem Bürostuhl und lehnte sich zurück. Immer mehr sank er in sich zusammen und sah auf die Monitore seines Computers. Er hatte einfach keine brauchbare Idee. Schwer seufzend strich er sich durch seine wuscheligen Haare und blickte zum Fenster hinaus. Am Himmel zeichnete sich die Abenddämmerung immer mehr ab und malte ein farbenfrohes Spiel aus rotem Licht gemischt mit weißen Wolken. An jeden anderen Abend hätte er diese Aussicht über Paris genossen, doch gerade jetzt war dies so unwichtig wie sein ganzes Leben. Er lebte einzig und allein für seine Arbeit, die nicht bei jedem auf Wohlwollen stieß, war es dennoch das Einzige was ihn ausfüllte und interessierte. Weshalb es ihn erneut ärgerte, dass es zurzeit nichts gab mit dem er sich beschäftigen konnte. Mit seinem Stuhl drehte er sich einmal herum um sich in seinem Zimmer um zu sehen, als würde ihm dass die ersehnte Inspiration bescheren. Aber er wusste, dass ihm eine neue Aufgabe nicht so einfach zufliegen würde. Bei seinem Fenster stand sein zerwühltes Bett, das nach jedem morgen so aussah und von ihm nicht gemacht wurde. Nie hatte er Lust, es jeden Morgen aufs Neue herzurichten, nur damit er am Abend tot hinein fiel. Neben der Tür standen sein dunkler Kleiderschrank und ein Bücherregal, welches schon fast durch die Last der vielen Bücher zusammenfiel. Abgesehen von seinem Schreibtisch hatte er noch nie viele Möbel besessen. Er war auch nicht so erpicht darauf gewesen, sich dekorativ einzurichten, wie seine Schwester es tat. Des Öfteren fragte er sich, wenn er ihr Zimmer sah, ob man bei der Menge an Dingen die sich dort ansammelten, wirklich leben konnte. Allerdings fragten sich dies auch Leute die sein Zimmer sahen. Überall auf dem Boden lagen Zettel und Klamotten verstreut, Bücher stapelten sich an allen möglichen Orten und ein richtiges durchkommen war kaum möglich. Das Herzstück seines gesamten Raumes war allerdings seine rechte Wand. Jeder der ihn besuchte, stand zwangsläufig irgendwann einmal davor und fragte ihn was es damit auf sich hatte. Dort hingen ein großer Fernseher, dazu noch eine großes Whiteboard und eine Pinnwand. Dies war sein Arbeitsbereich, abgesehen von seinem Computer und der Technikausrüstung. Sein Blick fiel auf die vielen Notizen und sofort dachte er wieder an seine letzte Arbeit, deren Notizen noch immer an der Wand hingen. An der Pinnwand hing eine Karte von Paris gespickt mit roten Nadeln, welche mit roten Fäden verbunden waren. Dazu hingen unzählige kleine Notizzettel daneben auf denen manchmal nicht mehr als nur ein einziges Wort stand. Auf dem Whiteboard konnte er andere wichtige Dinge lesen. Zum einen den falschen Namen, den er trug als er sich der Aufgabe gestellt hatte. Dazu noch Hinweise bezüglich Charakterzüge und wenige Stichpunkte zu einer falschen Biographie. Er wusste, dass wenn er einen neuen Auftrag annehmen würde, er die Spuren der letzten Aufgabe beseitigen musste. Doch dafür war er jetzt noch zu faul. Das Ganze konnte er ruhig noch hängen lassen bis es soweit war, dass er den Platz brauchte. Wenn er sich jetzt schon daran setze alles abzunehmen, wusste er genau wie kahl die Wand danach aussehen würde. Was nicht gerade förderlich ist, wenn man keine Ideen hat wie es weitergehen soll. Er drehte sich mit seinem Stuhl wieder zurück zu den zwei Monitoren. Auf dem einen konnte er seinen Blog erkennen. Die ganze Internetseite war in Schwarz und Rot gehalten. Er liebte diese Farbkombination einfach. Oben war ein Schriftzug welcher den Namen der Seite trug und in dessen Hintergrund konnte man ein kitschiges Anime-Bild erkennen. Manchmal fragte er sich, warum er gerade dieses Bild genommen hatte, als er die Seite erstellte und warum er es noch immer nicht geändert hatte. Mit einem leichten Schmunzeln beantwortete er sich seine Frage selbst. Das Bild war das letzte Überbleibsel seiner Anfänge. Eigentlich hatte er mal vorgehabt einen Blog über Animes zu machen, doch mit den Jahren und dem Älter werden, hatte sich seine Thematik auf etwas viel interessanteres verlegt. Sein Blick wanderte von dem Titel weiter hinunter, wo ein Einstiegsvideo die Neulinge und Besucher seiner Seite begrüßt um ihnen kurz zu erklären, was sie auf dieser Seite erwartete. Dies wurde vor gut einem Jahr von seinem Freund im Zeichenstil produziert, als er sich endgültig für diese Aufgabe entschieden hatte. Und er musste sich eingestehen, dass diese Figuren zu dem jetzigen Zeitpunkt wirklich grausam aussahen. Ein vibrieren gefolgt vom erklingen einer Melodie riss ihn von seinen Monitoren los und sagte ihm, dass gerade Jemand auf seinem Handy anrief. Nur wo hatte er es abgelegt? Suchend schaute er in Richtung seines Bettes, von wo aus dumpfe Klänge ertönten. Schnell hatte er es in der Hand und das Bild sowie der Name darunter verriet ihm, dass sein bester Kumpel gerade versuchte ihn anzurufen. Wieder ließ er sich auf seinen Stuhl nieder und überlegte ob er den Anruf überhaupt annehmen sollte. Doch wenn er es nicht tat, würde sein Freund es immer weiter versuchen, bis er selbst so genervt davon war um das Gespräch dann doch anzunehmen. »Hey, was gibts?«, meldete er sich. »Gerade beschäftigt?«, wollte sein Freund wissen. Genervt verdrehte er die Augen. Sein Freund wusste doch, dass er gerade an keiner größeren Sache arbeitete, warum fragte er ihn das dann noch. »Nicht wirklich.« »Ah ok, dann stör ich dich wenigstens net bei was wichtigem. Net, dass ich dich anrufe während du gerade mit nem Mädel rum machst.« Wie witzig, kam ihm der Gedanke. Da er gerade weder eine feste Freundin hatte, noch die Zeit dafür besaß. »Das zwar nicht, aber ich sitz vor meinem Blog. Also, was willst du?« »Schon wieder das Ding? Hattest du nicht gesagt, dass du gerade Leute verlierst?« Da war es wieder, das leidige Thema über das er nicht sprechen wollte. Seit einiger Zeit musste er immer wieder feststellen, dass er unaufhaltsam Follower verlor. Nicht, dass die Themen, die er ihnen präsentierte nicht interessant waren, es gab einfach anderes was interessanter war. Seit dem Zeitpunkt in dem in Paris auf einmal Superhelden aufgetaucht waren, waren diese das Gesprächsthema Nummer Eins. Da konnte er tun was er wollte, wenn es nicht um die Helden ging, war jedes andere Thema uninteressant. »Ja, deswegen sitze ich ja gerade davor und überlege mir was ich als nächstes Thema nehmen soll«, antwortete er genervt. »Ah das is einfach. Wie wärs mit Ladybug. Das bringt mich übrigens auch auf das zurück, weswegen ich dich anrufe. Du wirst es net glauben. Ich war in der Stadt und da sah ich sie. Wieder gegen nen Gegner kämpfen. In voller Aktion. Sie is so unglaublich cool«, schwärmte sein Freund ihm die Ohren voll. »Aha. Ist klar. Und deswegen soll ich nun einen Bericht über Ladybug schreiben, bloß weil du sie so cool findest?« »Na, net nur ich find sie cool, sondern ganz Paris und ich wüsst schon gern mal, wer hinter der Maske steckt. Und keiner ist besser darin, Geheimnisse aufzudecken als du. Immerhin bist du doch der beste Enthüllungsjournalist deines Alters.« So langsam fing das Thema ihn richtig an zu nerven. Immer wenn sein Freund anrief, ging es meist nur um Ladybug und ihre Heldentaten. Es wurde wirklich Zeit, dass sie beide sich wieder zusammen setzten, um an einer neuen Enthüllung zu arbeiten. »Na hör mal, bloß weil du wissen willst, wer sie in Wirklichkeit ist, werd ich doch nicht meine Zeit für so einen Unsinn verschwenden«, entgegnete er gereizt. »Wat, warum denn net? Is doch cool und würde dir unfassbar viele Leser bescheren.« »Vergiss es. Ich werd nicht …« Weiter kam er nicht, da er einen lauten Knall hörte. Er war sich sicher, dass es die Wohnungstür war und es gab nur eine Person die so die Türen knallen ließ. »Warte mal eben …« Keinen Augenblick später wurde seine Zimmertür aufgerissen und ein Mädchen mit langen braunen Haaren stürmte hinein. »Ich ruf dich zurück, da kam gerade meine Schwester rein.« Noch bevor sein Kumpel Widerworte geben konnte, hatte er bereits aufgelegt und das Handy auf seinen Schreibtisch abgelegt. Seine Schwester kam direkt auf ihn zu, setzte sich auf sein Bett und war am weinen. Sie war ein Jahr jünger als er und dennoch konnte er kaum etwas mit ihr anfangen. Da sie einfach das genaue Gegenteil von ihm war. Immer darauf bedacht im Mittelpunkt zu stehen und Aufmerksamkeit zu erlangen. Wo er stets darauf bedacht war, nicht aufzufallen und unsichtbar zu erscheinen. Was für seinen Job unglaublich wichtig war, besonders wenn er Leute ausspionierte um an Informationen zu gelangen. »Wie konnte … sie nur?«, sprach sie mit brüchiger Stimme. Er hatte wirklich keine Lust sich mit seiner weinenden Schwester zu beschäftigen, bloß weil bei ihr wieder was vorgefallen zu sein schien. »Was ist los? Ich hab nicht die Zeit für dein Rumgeheule.« Entsetzt sah sie ihn an. »Wie kannst du nur so gemein zu mir sein. Du bist mein Bruder.« Da war sie wieder. Die kämpferische Schwester, die bei jeder Kleinigkeit zur Mutter rennt um die Bruderkarte auszuspielen. Denn als großer Bruder, waren seine Mutter und sie der Meinung, dass er alles für seine kleine Schwester tun sollte um sie zu beschützen. Wenn er ihr also jetzt nicht seine Zeit schenkte, würde er später was von seiner Mutter zu hören bekommen. Er fuhr sich durch seine braunen Haare und verabschiedete sich schon einmal Gedanklich von seinem ruhigen Abend. »Der dennoch keine Lust auf seine jüngere Schwester hat. Entweder du sprichst oder verschwindest aus meinem Zimmer.« »Alle sind sowas von gemein zu mir. Erst die Schüler, dann Ladybug und nun auch noch du«, warf sie ihm vor. Es schien also mal wieder um das Thema Schule zu gehen und darum, dass die Leute gemein zu ihr waren. Wann waren sie das denn mal nicht? »Sprich endlich vernünftig, sonst versteh ich kein Wort«, fuhr er sie an und erschreckte sie damit so sehr, dass sie abrupt aufhörte zu weinen. Wenigstens hatte er es geschafft, dass sie mit dem heulen aufhörte. »Ladybug hat mich heute in der Schule als Lügnerin bloßgestellt. Wie kann sie nur? Sie kennt mich doch überhaupt nicht. Wie kann sie da behaupten, ich sei eine Lügnerin?« Da er seine Schwester gut genug kannte, wusste er, dass sie bei jeder Kleinigkeit log um sich aufzuspielen. Da war es nicht verwunderlich, wenn jemand anderes daher kam um ihre Lügen auffliegen zu lassen. Das der Moment einmal kommen würde, war klar, doch dass sie gerade von so Jemanden entlarvt wurde. »Warte. Willst du behaupten, dass gerade Ladybug es war die dich der Lügerei bezichtigt hat? Bist ja selbst schuld, warum musst du auch immer und überall Lügen erzählen. Aber warum war gerade sie es?«, fragte er sich. »Was soll das? Du bist mein Bruder und solltest auf meiner Seite sein. Große Brüder beschützen ihre Schwestern.« Da war sie wieder. Die Trumpfkarte, die sie immer gegen ihn ausspielte. Dabei sah sie ihn anklagend an. »Jaja, schon gut.« Er musste nun einlenken und zu seiner Schwester halten, sonst konnte er sich später was Deftiges anhören. »Was denkst du denn bitte, was ich da jetzt tun soll?«, wollte er wissen. Immerhin konnte er ja wohl kaum Wunder vollbringen und die Gedächtnisse sämtlicher Schüler auslöschen. »Kannst du sie nicht auch so bloßstellen wie sie es mit mir getan hat. So wie das da«, sie zeigte auf seine Wand. »Kannst du nicht auch sowas mit ihr machen?« »Also, zum einen ist das nicht nur sowas, sondern Enthüllungsjournalismus. Und zum anderen reden wir hier über Ladybug. Wie stellst du dir das bitte vor?«, versuchte er ihr begreiflich zu machen. Wieder sah sie ihn bittend an und er wusste, dass sie ihn so lange mit dem Thema belästigen würde, bis er nachgab. Was bedeuten würde, dass er sich nun von zwei Seiten immer wieder etwas über Ladybug anhören konnte. Er hasste dieses Thema. Reichte es nicht schon, wenn sein Kumpel ihn damit auf die Nerven ging. Plötzlich musste er an das Telefonat denken, welches sie zuvor geführt hatten. Hatte er nicht auch so etwas Ähnliches gesagt? Wie war das noch gleich gewesen? »Ich wüsst schon gern mal, wer hinter der Maske steckt.« Könnte er es wirklich wie eine seiner Enthüllungen aufziehen? Grundsätzlich war alles möglich. Ein Geheimnis hatte jeder und sie besonders. Immerhin beschützte sie mit Cat Noir nicht nur Paris, sondern musste auch noch ein Privatleben haben. Kurz dachte er an die alte Geschichte, wo er ein geheimes Doppelleben eines Promis aufgedeckt hatte. Im Grunde war dies das gleiche. sollte er es wagen sich an dieses Thema zu setzen? Sein Freund hatte ihm immerhin gesagt, dass er damit viele Leser zurückgewinnen konnte. Und er musste sich selbst auch eingestehen, dass das Superhelden-Thema ein wachsendes Interesse aufweist. Warum also nicht. »Ich denk, ich hab da eine Idee«, sprach er und stand auf. »Besser du verschwindest mal wieder aus meinem Zimmer und lässt mich mal in Ruhe nachdenken.« Stürmisch griff er sie am Arm und schob sie zur Tür hinaus. »Wenn ich was Genaueres weiß, sag ich dir Bescheid.« Mit diesen Worten schloss er seine Tür hinter ihr bevor sie noch irgendetwas sagen konnte. Endlich hatte er wieder Ruhe. Trügerische Ruhe. Denn kaum, dass er etwas durchatmen konnte, fing sein Gehirn auch schon an zu arbeiten und entwickelte ein Gedanken nach den anderen. Immer mehr nahm die anfängliche Idee Form an und er wusste, dass er ihr nicht mehr entkommen konnte. Ihm blieb nur ein einziger Ausweg. Er musste sich dieser Aufgabe annehmen. Flink angelte er sich sein Handy vom Tisch und suchte in den Anrufliste nach dem Namen seines Freundes. Es dauerte einige Minuten und ein zweiten Versuch, bis dieser endlich seinen Anruf entgegen nahm. »Jo, Kumpel, was gibts, ich bin noch immer in der Stadt«, sprach er ohne wirklich Luft zu holen. »Ich hab über deinen Vorschlag nachgedacht und finde ihn nicht schlecht.« »Vorschlag? Welchen Vorschlag?«, Verwunderung lag in seiner Stimme. »Du hast selbst gesagt, ich brauch einen neuen Aufmacher für den Blog«, versuchte er ihm ruhig zu erklären. »Deswegen hast du vorgeschlagen, dass ich etwas über Ladybug machen soll.« »Ah, das. Jo, wäre echt cool.« Man konnte die Geräusche der Stadt im Hintergrund hören. Gerade fuhr wohl etwas Lautes vorbei, weshalb das Gespräch kurz unterbrach bis der Lärm vorbeigezogen war. »Wenn du Infos und Hilfe brauchst, steh ich dir wie immer bei.« »Deine Hilfe werde ich auf jeden Fall brauchen, so wie immer.« Bei jedem seiner Aufträge hatte sein Freund ihn unterstützt. Zum einen, weil immer etwas Geld von den Medien für sie Beide abfiel und zum anderen, weil dieser es liebte von schmutzigen Geheimnissen zu hören. »Ah, heißt dass wir wieder an Biografie, Charakter und Aussehen arbeiten. Freu mich schon drauf«, seine Stimmung hellte sich mit einem mal auf. »Das Ziel wäre dann, die Enthüllung der Identität von Ladybug und gegebenenfalls auch von Cat Noir. Da dies keine einfache Aufgabe werden wird, müssen wir es diesmal richtig durch planen, ohne Improvisationen. Besonders die Identität, die ich annehme, muss lückenlos sein«, versuchte er zu erklären. Doch er wusste, dass er dies nicht genauer erklären musste, immerhin wusste sein Freund worauf es hierbei ankam. »Hier ist es zu laut. Ich komm besser gleich mal vorbei. Am Telefon geht das so schlecht. Bis gleich.« Das Gespräch war schneller beendet, als das er noch etwas sagen konnte. Doch das Wichtigste von allem hatte er ihm Mitteilen können. Nun musste er nur noch warten, bis sein Kumpel hier eintraf und dann konnten sie sich zusammen an die Planung des Ganzen machen. Bereits jetzt kam ihm der ein oder andere Gedanke, die er alle schnell auf irgendwelche Zettel schrieb, damit sie nicht verloren gingen. Um diese zu sortieren hatte er später noch Zeit. Was er aber wenigstens schon einmal Vorbereiten konnte war seine Wand. Die Notizen des alten Falls mussten ab. Während er sich an die Arbeit machte, wusste keiner der Beteiligten was sie in wenigen Wochen erwarten würde.   Niemand von ihnen konnte die Auswirkung eines solchen Vorhabens ermessen ...   … Täuschung, Intrigen, Verzweiflung, Verwirrungen, Enttarnung Kapitel 1: ----------- Kapitel 01   Tiefschwarz lag der Himmel über Paris und nicht eine einzige Wolke war in dieser klaren Nacht zu sehen. Die Lichter der Stadt leuchteten so hell, dass es kein einziger Stern schaffte sein Leuchten erkennen zu lassen. Sogar der Eiffelturm erstrahlte in seinem Glitzern heller und schöner als die Sterne selbst. Trotz aller Lichter von den Straßen und Gebäuden, konnte man kaum etwas erkennen, was daran lag, dass eine Neumondnacht kurz bevor stand. Selbst zu dieser weit fortgeschrittenen Stunde, standen noch immer zwei schattenhafte Gestalten in einem kleinen Park am Ende der Stadt. Weit abseits der Straßen, war diese Stelle noch weniger einsehbar und beleuchtet als der Rest der Stadt. Die wenigen Passanten, die sich noch auf den Straßen bewegten, hätten sie niemals erkannt, da sie selbst kaum in der Lage waren, den jeweils Anderen zu erkennen. Vollkommen außer Atem und erschöpft ließ sich eine der Zwei schwer auf den Boden fallen um wieder zu Luft zu kommen. Das, was sie gerade zusammen vollbracht hatten, war so unfassbar anstrengend gewesen, dass man nicht glauben konnte, dass Beide noch ein Fuß vor den anderen setzen konnten. Während der eine versuchte sich auszuruhen, schaffte die andere Person es gerade noch sich auf den Beinen zu halten. Zwar spürten sie beide wie ihnen die Kraft entschwand um einer fesselten Müdigkeit Platz zu machen, dennoch war es noch nicht an der Zeit sich dieser hingeben zu können. Mit letzter Kraft streckte die noch stehende Person den Arm aus und hielt diesen seinem Partner entgegen. Ein schweres Seufzen entwich der Gestalt am Boden, ein kurzer Blick nach oben und schon hatte auch er den Arm erhoben. Beide schlossen ihre Hände zur Faust zusammen und stießen diese kurz aneinander. »Gut gemacht.« Ein Ritual, dass sich bei ihrer ersten Begegnung manifestiert und bei jedem beenden ihre Aufgabe seinen Platz gefunden hatte. Langsam ließen sie ihre Arme wieder sinken. Jeder von ihnen spürte, wie die Erschöpfung in ihren Gliedern immer mehr zunahm. Selbst für ein paar Worte oder witzige Bemerkungen fehlte ihnen die Kraft. Einzig die Geräusche der Stadt drangen an ihre Ohren und so langsam fragten sie sich, wie spät es wohl war. Wie aufs Stichwort durchbrach ein leises Piepsen die sie umgebende Stille. Kurz wanderte ihr Blick zu ihrem Ohr, obwohl sie genau wusste, dass es unmöglich war ihre Ohrringe sehen zu können. Schwer seufzte sie, dabei hatte sie sich gewünscht, sich noch ein bisschen länger ausruhen zu können. Doch so viel Zeit war ihr einfach nicht vergönnt. Da es bereits das zweite Piepsen ihre Ohrringe war, wurde ihr sofort klar, dass sie nur noch drei Minuten hatte um sich ein Versteck suchen zu können. Denn den Weg bis nach Hause würde sie niemals in dieser Zeit schaffen. »Wir sollten dann wohl mal wieder los.« Müde blickte er zu ihr auf. In ihren blauen Augen konnte er genau erkennen, wie erschöpft sie war und das, obwohl sie immer so tat als wäre sie die Stärkere von ihnen. Doch er wusste, dass auch sie nicht unendliche Kraftreserven hatte. An diesen Abend war er es gewesen, der die meiste Anstrengung hinter sich hatte. Nicht nur, dass er ihre Gegnerin ablenken musste, er war auch noch in ihre Fänge geraten. Dadurch hatte er nicht nur seine letzten Kraftreserven verbraucht, sondern auch den ein oder anderen Kratzer davon getragen, was man noch immer an einigen zerrissenen Stellen seines Anzuges erkennen konnte. Besonders seinen rechten Arm hatte es dabei erwischt. Zwar hatte er danach gescherzt, dass er dies gerne für seine Lady auf sich nahm, doch jetzt konnte man genau sehen, wie fertig er wirklich war. Zumal er sich sonst keine Gelegenheit entgehen ließ um mit ihr zu flirten. Schwerfällig kam er nun auf die Beine und schaute in ihre strahlenden blauen Augen. Fast hätte er es sich gewagt in diesen zu versinken oder gar mehr zu tun als sie nur zu betrachten, da riss ihn ein erneutes Piepsen zurück in die Gegenwart. Diesmal war es sein Ring der zum zweiten Mal ein Piepsen von sich gab. Es war wohl wirklich an der Zeit den Heimweg an zu treten. Besonders wenn sie beide noch etwas Schlaf in dieser Nacht finden wollten. Zwar wusste keiner von ihnen, was der Andere im privaten so tat, dennoch war Schlaf nicht nur fürs Privatleben wichtig, sondern auch um neue Kräfte für noch anstehende Kämpfe zu bekommen. »Da hast du wohl recht, MyLady«, entgegnete er ihr und nahm ihre Hand in seine. »Ich wünschte, wir könnten noch mehr Zeit miteinander verbringen, doch ich befürchte, dass du das nicht zulassen wirst.« »Ganz recht«, sprach sie und entzog ihre Hand der Seinen. »Es ist besser, wenn wir uns auf den Weg machen, bevor wir uns noch zurückverwandeln. Wir sehen uns.« Kaum, dass sie das letzte Wort gesprochen hat, hatte sie ihr Jo-Jo bereits in der Hand und warf es zu einem Gebäude in ihrer Nähe. Kurz blickte sie noch einmal über ihre Schulter in seine smaragdgrünen Augen und warf ihm ein Lächeln zu, bevor sie von seiner Seite verschwand. Sein Blick folgte ihrer Gestalt und er sah ihr noch zu, wie sie sich grazil zum Dach des Hauses hinauf schwang. Bis sie hinter einem der Schornsteine verschwunden war und er somit allein zurück blieb. Noch immer fragte er sich, warum sie nicht wollte, dass wenigstens sie beide wussten, wer der Andere war. Sie dazu zu zwingen wagte er nicht. Zu groß war das Vertrauen welches sie beide verband. Er wusste genau, wenn er ihr nachlaufen würde, um ihr Geheimnis zu erfahren, würde er dieses Vertrauen zerstören. Dies konnte er einfach nicht riskieren, egal wie groß seine Neugier war. Kurz schaute er sich um. Niemand war zu sehen und die Nacht war zu finster als das man überhaupt etwas erkennen konnte. Besonders in der abgelegenen Ecke des Parks, wo er sich gerade befand, konnte er sich sicher sein, dass ihn Niemand sehen oder erkennen konnte. »Plagg, verwandle mich zurück«, sprach er mit erschöpfter Stimme. Leuchtendes grünes Licht umhüllte ihn und er konnte spüren, wie ihm auch noch das Letzte bisschen Kraft entwich. Der bis dahin schwarze Ring färbte sich silbern, sein schwarzer Anzug löste sich auf und wich seiner alltäglichen Kleidung. Seine schwarzen Katzenohren verschwanden und seine blonden Haare sprangen wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Eine kleine schwarze Gestalt in Form einer Katze kam zum Vorschein, segelte vollkommen erschöpft hinab und wurde von seinen Händen aufgefangen. Scheinbar war dieser Kampf nicht nur für ihn anstrengend gewesen, sondern auch für sein Kwami. Schwach öffnete dieser seine grünen Augen und schaute zu seinen Partner hinauf. »Wieso hast du dich zurück verwandelt? Du hattest doch noch genug Zeit für den Heimweg.« Seine Stimme war so brüchig, was seinem Partner bestätigte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. »Selbst wenn, hätte ich nicht mehr genug Kraft übrig, um über die Dächer zu springen. Und wenn ich dich so sehe, dann war es das Richtige. Lass uns schauen wie wir nach Hause kommen.« Um sich selbst zu motivieren streckte er seinen Rücken durch und erhob seinen Arm halb in die Höhe. Augenblicklich zuckte er zusammen und verzog schmerzhaft sein Gesicht. Schmerzen durchzuckten seinen Körper und schlagartig wurde er sich seiner Verletzungen wieder bewusst. Sofort hielt er mitten in der Bewegung inne um sich nicht noch mehr schmerzen unbewusst zuzufügen. Er war sich sicher, dass er nicht nur leichte Kratzer davon getragen hatte, dennoch würde er es erst genau wissen, wenn er sich zu Hause verarztet hatte. Als seine Verwandlung noch aktiv war, hatte er seine Verletzungen nicht so sehr gespürt, wie jetzt ohne die verleihende Kraft seines Partners. »Ich hab Hunger«, begann Plagg zu quengeln. Wie ein Signal an sein Unterbewusstsein fuhr wieder Bewegung in seine Glieder und holte ihn zurück zu dem Ort an dem er sich befand. Kühler Wind wehte durch die Baumwipfel und durch seine Kleider. Ein leichtes frösteln entstand auf seiner Haut. Er war definitiv zu leicht Bekleidet für diese späte Stunde, auch wenn er dieses Mal ein langärmliges Hemd trug. Als er von der Nachricht eines neuen Gegners gehört hatte, war er zu Hause in seinem Zimmer gewesen. Natürlich hatte er sich vor seiner Verwandlung keine zusätzliche Kleidung angezogen oder etwas zu essen für seinen kleinen Freund eingepackt. »Leider hab ich nichts für dich dabei.« Bis jetzt war es ihm immer wieder gelungen, vor der Rückverwandlung zu Hause zu sein um Plagg was zu essen geben zu können. Doch in der letzten Zeit waren die Angriffe immer mehr geworden, auch dauerten sie von Mal zu Mal länger. Vielleicht sollte er sich einmal angewöhnen, eine Kleinigkeit für ihn mit zu nehmen. Mit müdem Blick sah er sich um. Noch immer stand er in dem Park wo sie ihre Gegnerin gestellt hatten und erneut fragte er sich, wie spät es wohl sein mag. Bestimmt hatte nicht ein einziges Geschäft mehr geöffnet um Plagg notdürftig etwas kaufen zu können. Mit schweren Schritten lief er dem Ausgang des Parks entgegen und noch immer konnte er nicht einen einzigen Menschen sehen. Selbst als er die Straße erreichte, schien es so als wäre die ganze Stadt wie ausgestorben. Ihm blieb nun nichts anderes übrig als den Weg zu Fuß nach Hause anzutreten. Kaum, dass er den ersten Schritt in Richtung Heimweg antrat, konnte er von weiten leise Kirchenglocken hören. Erst einmal, dann zweimal und noch ein drittes Mal erklang das helle Leuten. Nun wusste er wie spät es war. Drei Uhr morgens. Kapitel 2: ----------- Kapitel 02   Schwungvoll landete sie auf dem Dach einer der umstehenden Gebäude. Kaum, dass sie zum stehen kam, spürte sie wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Mühsam versuchte sie, ihr Gleichgewicht zu erhalten und zum stehen zu kommen. Es war kaum zu glauben, wie arg ihre Kräfte nachgelassen hatten und sie war völlig entkräftet. Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen und versuchte ein wenig zu Kräften zu kommen. Ruhig atmete sie ein und aus um nicht nur ihr Herz, sondern auch sich selbst zu beruhigen. Es war nicht nur der Kampf gewesen, der ihr inneres Gleichgewicht aus der Balance gebracht hatte, sondern auch ihr Partner. Immer wieder musste er diese zweideutigen Witze machen und mit ihr flirten. Langsam wurde es wirklich zu einer Belastung für sie, doch es war eine Eigenart von ihm und die sie auch ein kleines bisschen mochte. Das alles war Er und sie würde es vermissen, wenn er nicht mehr so war wie er nun mal war. Langsam erhob sie sich und prüfte, ob ihre Beine sie tragen konnten. Vorsichtshalber hielt sie sich an dem Schornstein fest, hinter dem sie verschwunden war, es schien, als ob es ihr etwas besser ging. Kurz schaute sie noch einmal über ihre Schultern hinunter zu dem Park, wo sie vor wenigen Sekunden selbst noch neben ihren Partner gestanden hatte. Allerdings konnte sie durch die tiefe Dunkelheit nichts außer seiner Silhouette erkennen. Der kühle Wind der durch ihr Haar ging, erinnerte sie wieder daran, dass sie sich auf den Weg machen musste, wenn sie noch einigermaßen zügig nach Hause kommen wollte. Schnell wandte sie sich von ihm ab und setzte sich in Bewegung. Ihre Schritte führten sie geschwind über einige Dächer von Paris, immer das Ziel vor Augen. Als ein weiteres Piepsen ihr mitteilte, dass sie nur noch eine Minute bis zur Rückverwandlung hatte, hielt sie abrupt inne. Schnell schaute sie sich um, ob es eine Möglichkeit gab sich sicher zu verstecken. Das Einzige was ins Auge stach, war eine verlassene Seitengasse. Sofort sprang sie zu dieser und sah hinunter. Es würde für den kurzen Moment wohl ausreichen müssen, da sie kein leer stehendes Gebäude oder so etwas in der Nähe erkennen konnte. Vorsichtig sprang sie herunter und wieder spürte sie, ihre eigene Schwäche als ihre Füße den Boden berührten. Sie musste sich an der Hauswand abstützen um nicht ins schwanken zu geraten, während sie sich wieder aufrichtete. Nun schaute sie sich geschwind um, nicht dass doch jemand in der Nähe war oder gerade an der Gasse vorbei ging. Doch selbst auf der großen Straße vor der Gasse konnte man niemanden sehen. Es musste wirklich schon sehr spät sein, wenn Niemand mehr unterwegs war. Rasch trat sie zurück in den Schein der Dunkelheit, als auch schon ein erneutes Piepsen zu hören war, was verkündete, dass die Zeit abgelaufen war. Eine Sekunde später erschien sie in einem blassen roten Licht und sie spürte, wie sich ihre Erscheinung veränderte. Ihr roter Anzug mit den schwarzen Punkten löste sich auf und wich ihrer Kleidung, die sie vor der Verwandlung getragen hatte. Zum Glück hatte sie sich an diesem Abend noch nicht bettfertig gemacht gehabt. Sonst würde sie nun mit ihrer  Schlafkleidung hier stehen. Stattdessen trug sie nun eine rosane Jeans, helles Shirt und darüber ihre dunkle Jacke. An ihrer linken Seite hing ihre kleine selbstgemachte rosa Tasche, in der sie immer ein kleines Geheimnis aufbewahrte. Als sich ihre Maske auflöste, leuchteten ihre Ohrringe noch einmal kurz auf und ein kleines rotes Wesen mit schwarzen Punkten kam aus diesen heraus geflogen. Die letzten Reserven, mit denen sie sich auf den Beinen halten konnte, verließ sie und sofort sank sie an der Hauswand entlang zu Boden. Schnell öffnete sie ihr Hände, damit das kleine rote Wesen auf diesen landen konnte. Vollkommen erschöpft blieb sie auf den Händen liegen und schaute müde zu ihrer Freundin hinauf. »Länger ging es wirklich nicht, Marinette. Tut mir leid.« Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie hinab sah. Dies tat sie, um sich selbst und ihre Partnerin zu beruhigen und die eigentliche Situation nicht so schlimm aussehen zu lassen. Es war klar, dass sie nach der Rückverwandlung erschöpft war, doch heute war es besonders schlimm. Sonst konnte sich die Kleine wenigstens noch etwas bewegen oder fliegen, diesmal allerdings blieb sie fast regungslos in ihre Hand liegen. »Schon gut, Tikki. Der Kampf war diesmal mehr als nur hart. Da wundert es mich schon, dass du es überhaupt so lange geschafft hast. Willst du gleich einen Keks oder erst etwas ausruhen?”, fragte Marinette besorgt. Tikki schaute noch immer müde zu ihr auf und schien kaum ein Wort heraus zu bekommen. Sollte dies nicht besser werden, würde sie sich wieder unendliche Sorgen um sie machen. So etwas war schon einmal geschehen. Damals als Tikki krank geworden war und so etwas wollte sie nie wieder erleben müssen. Diese endlosen Sorgen, die sie selbst an den Rand ihre Verzweiflung gebracht hatten. Seit diesem Moment hatte Marinette sich fest vorgenommen, dass sie so etwas nie wieder zulassen würde. »Mir geht es gut. Ich muss mich nur etwas ausruhen, dann würde ich gerne etwas essen. Aber wie kommen wir nun nach Hause?« Noch immer war Tikkis Stimme mehr als brüchig, weshalb Marinette sich fragte, ob das was sie sagte, der Wahrheit entsprach. Dennoch wusste sie, dass ihr Kwami sie niemals anlügen würde und so musste sie ihr einfach glauben. Sie öffnete ihre kleine Tragetasche, in der sich ihre Freundin immer verbarg und setzte sie langsam darin ab. Dort konnte sie sich am besten ausruhen und wenn sie hunger bekam, auch gleich einen der Kekse aus der Tüte essen. Vorsichtig versuchte Marinette sich aufzurichten, immerhin konnte sie wohl kaum die restliche Nacht auf diesem kalten Steinboden verbringen. Schwankend kam sie zum stehen, nun musste sie es nur noch schaffen, ein Fuß vor den anderen zu setzen um die Gasse zu verlassen. Geschwind strich sie sich ihre schwarzen Haare zur Seite, um besser sehen zu können. Sie waren so durcheinander, dass sogar einzelne Haarsträhnen in ihr Gesicht fielen. Mit jedem Schritt den sie tat, wurde sie sicherer was das Gehen anging und so wurde Marinette zuversichtlicher, dass sie den Weg nach Hause schaffen würden. Beim hinaustreten auf die große Straße, wurde sie von dem schwachen Licht der Straßenlaternen geblendet. Zwar waren diese nicht so hell, doch wegen der Dunkelheit in der Gasse war nun alles heller als die Finsternis an sich. Kaum ein Mensch war zu sehen, so ausgestorben erschien ihr die Stadt, allerdings hatte sie keine Zeit um diese unglaubliche Ruhe genießen zu können. Ein paar wenige Stadtgeräusche und Rufe drangen an ihr Ohr, verrieten ihr, dass doch nicht alles so ausgestorben war, wie sie zuvor gedacht hatte. Auch konnte sie in der Ferne das leichte Klingen von Kirchenglocken hören. Einmal, zweimal und dreimal, waren die Glocken deutlich zu hören. Damit wurde ihr bewusst, dass es Drei Uhr morgens sein musste. Hatte der Kampf wirklich so lange gedauert? Zwar wusste sie noch, dass sie sich kurz nach Zehn Uhr abends durch ihre Dachluke hinaus geschlichen hatte, doch das so viel Zeit vergangen war, war ihr nicht klar gewesen. Ihre Gegnerin war nicht nur listig und flink gewesen, sie konnte sich ihnen auch jedes Mal entziehen und flüchten. Normalerweise waren ihre Gegner immer darauf aus den offenen Kampf zu suchen oder Gebäude zu zerstören, doch diesmal war es anders gewesen. Schon in den ersten Minuten hatte sie den Verdacht gehabt, dass es diesmal anders werden würde. Es waren nicht die Miraculous, die sie in ihren Besitz bringen oder sich an einer Person rächen wollte. Allerdings blieb ihnen keine Zeit um herauszufinden, was diesen Kampf so anders machte. Das Einzige was ihr wirklich aufgefallen war, war dass ihre Gegnerin es scheinbar etwas zu oft auf sie selbst abgesehen hatte. Egal was sie tat oder sagte, es kümmerte ihre Gegnerin nicht im Geringsten. Immer wieder wollte diese auf sie einschlagen. Sie hätte wesentlich schlimmere Verletzungen davon getragen, wenn Cat Noir sie nicht immer beschützt hätte. Was ihre Gegner weiter wütend machte. Einzig die Worte des schwarzen Katers hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Und nach jedem weiteren Angriff von ihm, war sie ihm ausgewichen und geflüchtet. Am Ende war es eine reine Verfolgungsjagd durch halb Paris geworden. Ob ihr Partner der Auslöser der Akumatisierung gewesen war? Auf diese Frage hatte er nicht antworten können. Da er weder wusste, wer diese Frau war, noch was er ihr angetan haben könnte. Nach der Reinigung der Frau stellte sich heraus, dass diese ein großer Fan von Cat Noir war, was der Auslöser für ihre Verzweiflung war, konnte sie nicht mehr sagen. Sie wusste nur noch, dass sie einen Artikel im Internet gelesen hatte. Während die Schwarzhaarige noch immer am Grübeln über die ganzen Ereignisse war, führten ihre Schritte sie wie selbstverständlich in die richtige Richtung. Leichte Bewegungen, ausgehend von der kleinen Tasche, signalisierten ihr, dass Tikki schon etwas besser gehen musste. Was aber auch bedeutete, dass sie wohl länger in ihren Gedanken verbracht hatte als gewollt. Sie war auch schon ein gutes Stück vorangekommen und sah bereits einige Geschäfte, die ihr bekannt vor kamen. Nicht mehr lange dann würde sie ihre Schule und dann die Bäckerei ihrer Eltern sehen können. Immer wieder sah sie sich um. Ein junges Mädchen um diese Zeit allein auf den Straßen von Paris war nie gut. Sie mochte die Stadt zwar, doch zu so später Stunde passierten schon die ein oder anderen Sachen, weshalb sie nun ihre Schritte beschleunigte. Es würde noch etwas dauern bis sie es zu sich nach Hause geschafft hatte. Natürlich war sie in verwandelter Form schneller unterwegs, doch konnte sie dies ihrer entkräfteten Freundin nicht antun. Es war auch für sie selbst gut, wenn sie endlich zu Hause ankommen würde, denn mit jedem Schritt spürte sie ihre schmerzenden Glieder immer mehr. Morgen würden diese noch immer weh tun und im schlimmsten Fall würde sie Muskelkater dazu bekommen. Wie es wohl ihrem Partner ging, fragte sie sich. Gerade er, der so viel abbekommen hatte, würde es morgen nicht leicht haben. Erneut entwich ihr ein Seufzen, als sie an ihn dachte. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Tikki. Sie hatte sich in der Zeit nicht nur ein bisschen erholt, sondern bereits einen Keks gegessen und schaute nun besorgt aus der Tasche hinaus. »Ja, alles in Ordnung. Ich dachte nur gerade an Cat Noir. Er hat wirklich viel abbekommen und sah so erschöpft aus«, erklärte Marinette. »Dir ist es nicht besser ergangen. Deshalb solltest du schnell ins Bett.« Wieder wollten ihre Gedanken zu dem Kampf wandern, als sie sich selbst ermahnte, dass dies nicht der rechte Zeitpunkt war. Mit einem leichten Kopfschütteln versuchte sie, ihre Gedanken abzuschütteln, als ein ganz anderer Gedanke ein ungutes Gefühl in Marinette auslöste. Hab ich überhaupt einen Hausschlüssel dabei?   Schnell versuchte sie sich daran zu erinnern, ob sie daran gedacht hatte ihren Schlüssel ein zu stecken. So schusselig wie sie war, hatte sie diesen natürlich in ihrem Zimmer vergessen. Wer konnte auch schon ahnen, dass sie in normalem Zustand den Weg nach Hause antreten musste. Nun musste Marinette sich überlegen, wie sie nicht nur ins Haus kam, sondern auch wie sie es unbemerkt in ihr Zimmer schaffte. Keine so einfache Aufgabe, wenn man nicht einmal einen Schlüssel hatte um ins Haus hinein zu kommen. Kurz wanderte ihr Blick zu ihrer kleinen roten Freundin. Die Halbasiatin fragte sich, ob Tikki es vielleicht schaffen würde, die Verwandlung für ein paar Minuten aufrecht zu erhalten. Die Antwort darauf würde sie nur erhalten, wenn sie die Frage laut aussprach. »Tikki, hör mal, ich habe meinen Schlüssel nicht dabei. Was meinst du, schaffst du vielleicht noch eine Verwandlung, damit wir über meine Dachterrasse nach Hause können?«, fragte Marinette vorsichtig nach. Verwundert sah sie aus ihrer Tasche hinaus. Musste selbst erst mal erfassen, was ihre Freundin und Partnerin da gesagt hatte. Nach kurzer Bedenkzeit schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht und sie nickte. »Ich denke schon, dass das geht, aber leider nicht so lange. Dafür reichen meine Kräfte noch nicht aus«, erklärte sie daraufhin. »Gut, dann werden wir noch ein gutes Stück zu Fuß gehen und uns bei der Schule verwandeln. Dann muss ich nur noch schnell über die Dächer rüber springen und wir sind schon zu Hause.« Ein zustimmendes Nicken kam von Tikki und sie machte sich bereit noch etwas an Kräften zu sammeln, damit der Weg nach Hause auch gelang. Es dauerten nur wenige Minuten, bis sie den restlichen Weg bis zur Schule geschafft hatten. Nur noch wenige Stunden und die ersten Schüler würden sich hier für den Unterricht versammeln. Auch sie würde hier bei ihren Freunden stehen und darauf warten, dass der Unterricht losgehen würde. Sofern sie es rechtzeitig schaffte, aus dem Bett zu kommen. Ob sie den Schultag auch schaffte, ohne gleich einzuschlafen, war allerdings sehr fraglich. Immerhin war es nun schon fast halb vier Uhr morgens und sie hätte somit sehr wenige Stunden in denen sie schlafen konnte. Wie selbstverständlich flog Tikki aus der kleinen Tasche heraus und sah ihre Partnerin an. Wieder einmal war sie so in Gedanken versunken, dass diese es nicht mitbekam. Sie schaute erst auf, als Tikki ihren Namen rief. »Marinette, wir können wenn du willst.« »Ah ja. Lass uns um die Ecke gehen. Hier direkt auf der Straße ist es zu unsicher.« Schnell traten sie um die Hausecke und verbarg sich in einer Nische an der Hauswand, ehe sie sich wieder Tikki zuwandte und die drei vertrauten Worte sprach. »Tikki, verwandle mich.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)