Die Kälte der Wüste von Mondlichtkrieger ================================================================================ Kapitel 1: ----------- An einem lauen Sommerabend streckte sich ein braunhaariger junger Mann mit eisblauen Augen auf dem Balkon seiner Villa. Dieser hörte, wie in dem Zimmer hinter sich die Tür geöffnet wurde und jemand den Raum betrat. „Bruder? Ich gehe noch baden und dann ins Bett“, meinte ein kleiner Junge mit schwarzen Haaren und ebenso eisblauen Augen, wie der Ältere auf dem Balkon. Der Größere lief in das Zimmer zurück und zu seinem Schreibtisch. „Mach das“, sprach er mit tiefer Stimme. „Träum nachher etwas Schönes.“ Der Kleinere nickte nur, lief eilig zu seinem Bruder, umarmte diesen und rannte wieder zur Tür. Bevor der Schwarzhaarige diese von außen schloss, meinte er: „Arbeite nicht mehr zu lange, Seto.“ Dann war der Junge auch schon verschwunden und man hörte, wie jemand die Treppen hinab und wenige Momente später wieder hinauf rannte. Zum Schreibtisch zurückgekehrt ließ Seto sich erneut auf dem Stuhl nieder, gab das Passwort für den handlichen PC ein und sah erst einmal starr auf den Bildschirm. Verschiedene Bilder tauchten in gewissen zeitlichen Abständen auf und zeigten verschiedene Bilder, die der junge Unternehmer auf der Festplatte gespeichert hatte. Er schaute sich die Bilder lange an und dann fing er an, eines der Dokumente auf seinem PC zu bearbeiten und es weiter auszubauen. Anschließend zog er sich den Laptop auf dem Schreibtisch etwas näher. Kaiba stand wieder auf und wollte das Ladekabel holen, was er für den tragbaren Computer brauchte, und lief leicht genervt durch den Raum. Erst spät in der Nacht kam der junge Mann zur Ruhe und konnte den Computer ausschalten. Der Braunhaarige ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken und seufzte auf. Etwas müde fuhr er sich über die Augen. Es war Zeit für ihn, ins Bett zu gehen. Arbeiten konnte er am nächsten Morgen immer noch. Er stand auf und klappte den Laptop zu. Nachdem er in sein Schlafzimmer gegangen war, zog er sich aus, legte sich ins Bett und schloss die Augen. Er ließ die Bilder, die sein Bildschirmschoner zeigte, noch einmal durch seinen Kopf gehen. Unter den Bildern waren auch welche von Ägypten. Die Pyramiden, die Sphinx, der Nil, verschiedene Teile von Dörfern und Städten, aber auch von der Natur und der Tiere. Nach wenigen Minuten war der junge Mann eingeschlafen und in seinen Gedanken schweiften einige Bilder vor seinem inneren Auge umher.   * * * * *   Als er wieder erwachte, schmerzte sein Rücken und er blinzelte, als ein heller Punkt ihn durch ein Fenster blendete. Es schien der Mond zu sein. „Was?“, fragte er sich und sah sich um. Er war nicht mehr in der Villa, nicht mehr in seinem Zimmer und er schien demzufolge irgendwo anders zu sein. Aber er lag auf einem Bett. Zumindest sollte es eines darstellen. Als er sich aufrichten wollte, merkte er ein kleines Gewicht auf seinem Bauch. Er merkte, dass jemand auf ihm lag und er sah dorthin, wo die Person mit dem Kopf war. Es war eine junge Frau mit schneeweißem Haar. „Seto…“, hauchte eine männliche Stimme, aus einem entfernten Teil des Raumes. „Wer bist du?“, fragte der Angesprochene verwirrt und sah in die Richtung, aus der die Männerstimme kam. Der Klang kam ihm bekannt vor. „Endlich bist du wieder wach, Seto“, kam es aus den Lippen vom Mann, der an das Bett getreten war. „Yugi?“, fragte Seto und legte den Kopf schief. „Was geht hier vor und wo bin ich?“ „Du bist zu Hause. Du bist endlich wieder aufgewacht“, sprach der junge Mann.   Die junge Frau mit dem schneeweißen Haar wachte aus einem unruhigen Schlaf auf, als sie Stimmen hörte. Sie richtete sich müde auf und wurde von den beiden Männern angesehen. Erfreut lächelte sie und umarmte Seto stürmisch. Als sie merkte, was sie tat, rückte sie erschrocken zurück. „Es tut mir leid, Seto. Wie geht es Euch?“ Der Angesprochene sah sie verwundert an. „Ich habe Euch heute Nachmittag bewusstlos in der Wüste gefunden und Euch zum Palast zurückgebracht“, erklärte das Mädchen und stand nun endlich vom Bett auf. Der Pharao trat noch etwas näher an das Bett von Seto. „Du warst mit den Wachen aufgebrochen, um einen Dieb zu verfolgen, aber dann haben sie dich aus den Augen verloren. Was ist denn passiert?“, fragte er und sah den Priester und gleichzeitig besten Freund an.   Seto blinzelte verwirrt und drückte die Weißhaarige etwas von sich. „Wo bin ich?“, entwich es ihm und er fasste sich an den Kopf, der sich mit einem stechenden Schmerz meldete. „Beruhige dich, Seto…“, sagte der Pharao und sah zu einer Wache, die an der Tür stand. „Schickt einen A-…“ Doch Seto unterbrach ihn. „Ich… Mir geht es gut! Ich brauche keinen Arzt“, meinte er und sah zum Pharao. „Pharao?“, fragte die Wache, da er nicht wusste, was er nun machen sollte. „Kein Arzt, vorerst“, meinte der Herrscher Ägyptens ruhig. „Pharao?“, überlegte Seto laut. Er sah sich um und schluckte. Wie war er hergekommen? Wie war er nach Ägypten gekommen? Gerade war er doch noch in Domino City gewesen. „Ich war hinter einem Dieb her und dann hat man mich aus dem Auge verloren?“, wandte sich der Braunhaarige an die junge Frau. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern…“ Er entschloss sich dazu, dieses Spiel mitzumachen, bis er einen Grund gefunden hatte, wieso er hier war.   Kisara sah den jungen Mann besorgt an, blickte aber verlegen zur Seite, als er sie ebenfalls ansah. Es herrschte kurz Stille, bis der Pharao wieder das Wort ergriff. „Ruh dich etwas aus, Seto, wir sehen uns morgen bei der Versammlung. Kisara, bitte kümmere dich um ihn und informiere mich, wenn etwas sein sollte.“ Eilig nickte die junge Frau und der Mann verließ zufrieden das Zimmer, genauso wie die Wache, die aber wohl vor der Tür stehen bleiben würde. Nachdem nur noch Kisara und Seto im Raum waren, legte sie sanft eine Hand auf seine. „Wollt Ihr Euch ausruhen, Seto? Oder kann ich für Euch noch etwas tun?“   Die blauen Augen des Priesters verfolgten den fremden Vertrauten. Es schien nicht derselbe Yugi zu sein, den er kannte. Anhand des Gewands konnte man sehen, dass er eine höhere Position im Land hatte. War er ein Priester? Oder war er wirklich der Pharao? Sein Kopf begann erneut zu schmerzen und zwischen seinen Lippen entwich ein kurzes Seufzen. „Ich glaube, ich hatte dir schon einmal gesagt, dass du dieses »Euch« lassen und »du« sagen sollst.“ Er stand auf und lief in die Richtung des Balkons, der vom sanften Schein des Monds erhellt wurde. „Um was geht es in der Versammlung morgen?“   Beschämt sah Kisara auf ihre Hände. „Ja, hattest d-du… Es tut mir leid. Aber vor anderen ist es trotzdem besser.“ Als Seto aufstand folgte sie ihm, zu sehr sorgte sie sich, dass er vielleicht wieder zusammenbrechen könnte. Sie stellte sich neben ihn an das Balkongeländee. „Um was es genau morgen geht, weiß ich nicht, aber es soll wohl um Sicherheitslücken im Palast und ein paar neue Gesetze gehen. Weißt du das denn nicht mehr?“, fragte sie und sah ihn weiterhin besorgt an. Plötzlich kam ein Wind auf und wehte ihr durch das weiße Haar. Mit einer Hand hielt die junge Frau ihre Haare in Zaum, damit sie nicht wild durcheinander wirbelten. „Der Wind ist unnormal für diese Jahreszeit. Irgendetwas kommt auf uns zu… Ich kann es spüren…“, meinte sie nachdenklich und sah hinaus in die Wüste, die man trotz der Dunkelheit noch gut erkennen konnte.   Seto hatte die Haare, trotz der Kontrolle von Kisara, kurz im Gesicht. Ein sanfter Geruch stieg ihm in die Nase. Er war vertraut und doch wusste er nicht woher. „Doch… Ich erinnere mich wieder… Es ist alles nur gerade sehr verwirrend…“, sah er ebenfalls hinaus in die Wüste. Ihr Name war Kisara. Auch dies war ihm vertraut. War Domino City vielleicht nur ein Traum? Oder war das hier ein Traum? Er kniff sich in den Arm, um herauszufinden, was die Wirklichkeit war, doch es tat weh und er gab einen kleinen Schmerzenslaut von sich. „Autsch…“, verzog er etwas das Gesicht und als Kisara ihn gleich besorgt ansah, meinte er nur, das alles in Ordnung sei. Es schmerzte, also war das hier ebenso real wie Domino City. Doch sah er jetzt an seinem linken Arm eine Art Duel-Disk, die vergoldet war. Gab es hier so etwas Ähnliches wie Duel-Monsters? Es war alles verwirrend, sehr verwirrend. Vielleicht würde sich bald eine Antwort auf alle Fragen finden lassen… Seto sah auf die DiaDhank. „Oh, du hast sie ja noch um. Daran hab ich gar nicht gedacht. Komm, ich nehme sie dir ab.“ Er streckte ihr den Arm entgegen und sie nahm ihm die DiaDhank ab. Lächelnd ging sie mit ihr in sein Schlafzimmer zurück und legte sie dort auf eine Art Kommode. Scheinbar lag die Duel-Disk immer dort. Bevor sie wieder zu Seto ging, strich sie noch einmal nachdenklich darüber. Über diese DiaDhank war sie mit Seto verbunden. Kisara wünschte sich, dass mehr zwischen ihnen wäre, aber für ihn war sie nur der weiße Drache mit eiskaltem Blick. Lächelnd lief die junge Frau wieder auf den Balkon. „Du solltest schlafen. Es war wahrscheinlich ein Hitzschlag und damit ist nicht zu spaßen“, meinte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Eigentlich dürfte sie ihn nicht berühren, nicht einmal mit ihm reden oder ihm in die Augen sehen. Er war ein Wächter und Priester am Hofe des Pharaos. Normale Bürger, einfache Bürger, wie sie es war, müssten ihm auf allen Vieren die Füße küssen. Aber sie war nicht normal und er hatte noch nie etwas dagegen gesagt oder unternommen.   Ohne zu zögern hielt der Priester der Weißhaarigen den Arm entgegen und ließ sich die DiaDhank abnehmen. Als die junge Frau davonging, sah er ihr kurz hinterher. Kisara lief fast schon lautlos auf den Balkon und hätte sie ihn nicht berührt, so hätte er es nicht bemerkt. „Ich bin nicht müde, aber wenn du willst, kannst du gerne gehen“, sagte er zu ihr. „Wir werden uns mit Sicherheit morgen wiedersehen, wenn du das willst.“ Er strich ihr eine weiße Strähne aus dem Gesicht hinter das Ohr. „Ich komme schon klar.“   Die Weißhaarige wurde augenblicklich rot, als er sie berührte, nickte dann aber. „Bis morgen. Gute Nacht, Seto.“ Sie verbeugte sich noch einmal kurz und verließ dann seine Gemächer. Sollte sie jemand gesehen haben, der nicht von Setos Zusammenbruch wusste, würde er wahrscheinlich annehmen, dass sie seine Geliebte war. Was natürlich vollkommen ausgeschlossen war. Eilig lief sie die Gänge entlang und ging dann aus dem Palast in das Dorf, das nicht weit entfernt lag. Dort angekommen ging sie zielstrebig auf ein Gebäude zu, ließ aber die Tür links liegen und stieg die kleine Treppe an der Seite nach oben. Im ersten Stock angekommen ging sie in den Bereich, welcher als überdachte Terrasse diente. Er hatte keine Tür, aber sie hatte ihre Ruhe und war vor Wind und Sonne einigermaßen geschützt. Die Kälte allerdings drang in ihre Behausung und tief in ihre Glieder. Sie war in der Wüste ziemlich ausgeprägt. Tagsüber war es extrem heiß und nachts hingegen ziemlich kühl. Eilig nahm Kisara sich ein paar Decken und verkroch sich in die hinterste Ecke ihres Heims.   Der junge Priester stand weiterhin auf dem Balkon. Mittlerweile war die Kälte auch zum Palast, welcher höher lag als die Stadt, hinaufgekrochen. Die kühle Luft ließ eine Gänsehaut über Setos Körper kriechen. Wenn er hier in Ägypten war, war Mokuba dann allein in Domino City? Oder würde sich Roland um seinen Bruder kümmern? Seto fuhr sich nachdenklich durch das Haar und seufzte erneut. Nach einiger Zeit war die Müdigkeit noch immer nicht spürbar und so beschloss er, den Palast zu erkunden. Er ging zur Tür, blieb aber bei der goldenen Duel-Disk stehen und nahm sie in die Hand. „Man kann nie wissen…“, sagte er und befestigte sie wieder an seinem Arm. Langsam öffnete er die Tür und die Wachen sahen ihn nur fragend an. „Ich werde mir die Beine vertreten. Ich habe lang genug gelegen“, rechtfertigte er sich. „Sollen wir Sie begleiten?“, meinte einer der Wachen. „Nein, das wird nicht nötig sein. Ich werde nicht lang weg sein.“ Dann lief er auch schon los und ohne zu wissen, wohin ihn seine Beine trugen, ging er aus dem Palast in einen nahegelegenen Park. Warum war hier alles grün? Er konnte es durch den Mondschein sehen. Seine Füße trugen ihn über die Wiese, weiter hinter den Palast. Hier waren scheinbar die Tempel. Wenn er sich richtig erinnerte, dann war in diesen Tempeln alles, was den Priestern und dem Pharao heilig war. Hatte er auch einen Tempel oder gab es einen für alle Priester? Dann lief er einfach auf einen von ihnen zu und stieg die wenigen Treppen zum Eingang hinauf. Nachdem er hineingegangen war, wurden seine Augen immer größer und er riss sie weit auf. „Weißer Drache mit eiskaltem Blick“, hauchte er in die Stille. All die Steintafeln zeigten Monster und er kannte sie alle. Es waren die Kreaturen aus seinem Duel-Monster-Deck.   Die junge Frau war fast eingeschlafen, als sie plötzlich hochschreckte. Hatte sie jemand gerufen? Verwirrt sah sie sich um. Es war niemand hier. Die Stadt war still, fast schon etwas zu still. Kisara hatte das Gefühl, dass jemand bei der Tafel des weißen Drachen war. Eilig schälte sie sich aus den Decken, rannte die Treppen wieder hinunter und dann zu den Tempeln, wo die Steinplatten der Monster standen. Niemand durfte sich in den Tempeln aufhalten, außer den Besitzern und schon gar nicht in der Nacht. Völlig außer Atem kam die junge Frau an dem Gebäude an und lief hinein. Erleichtert atmete Kisara auf, als sie den jungen Priester sah. „Seto, was machst du denn hier?“, fragte sie ihn und stellte sich neben ihn. Als er sie ebenfalls fragend ansah, ergänzte die Weißhaarige noch: „Ich hab gespürt, dass jemand bei meiner Tafel ist und wollte nach dem Rechten sehen.“   Vollkommen in Gedanken versunken erschreckte sich der Braunhaarige, als er die Stimme Kisaras vernahm. „Bei deiner Tafel?“, sah Seto verwirrt zur jungen Frau. „Wie meinst du das?“ Er sah zum weißen Drachen. Hatte sie etwas mit der Tafel zu tun? Gehorchte der Drache ihr? War der Drache gar nicht sein Monster? „Ich konnte nicht schlafen, bin ein bisschen umhergelaufen und dann stand ich auf einmal vor diesem Tempel, vor der Steintafel des weißen Drachen… Und dann warst du auch schon hier.“ Er drehte sich zu ihr und sah ihr in die eisblauen Augen. „Was meinst du mit deiner Tafel?“   Skeptisch sah die junge Frau ihr Gegenüber an. „Was ist denn nur los mit dir, Seth?“ Besorgt ging sie auf den jungen Mann zu. „Seth, du weißt doch, dass ich der weiße Drache bin. Wenn du ihn mit deinem DiaDhank rufst, dann verschwinde ich und erscheine als weißer Drache mit eiskaltem Blick.“ Sie grinste und zeigte auf die anderen Tafeln. „Im Gegensatz zu mir wurden die anderen Monster aus den Seelen böser Menschen extrahiert. Aber meine Seele ist rein und ich hab gelernt, ihn zu kontrollieren und für gute Sachen einzusetzen. Ich bin also die einzige Person, dessen Monster benutzt wird, aber noch am Leben ist.“   Sie war der weiße Drache mit eiskaltem Blick? Irgendwie konnte Seto das nicht glauben und sah zur Steintafel des Monsters. „Ja, ich habe mir wohl in der Wüste einen Hitzschlag geholt…“, meinte er nur und sah noch einmal zur Weißhaarigen. „Und du hast gemerkt, dass ich hier war?“ Doch dann hielt er sich den Kopf und ging auf die Knie. Er hatte Schmerzen, starke Schmerzen. „Nein! Nein! Nein“, entwich es ihm und ein erstickter Laut kam ihm über die Lippen. Tausende Bilder liefen wie ein Film innerhalb von Sekunden vor seinen inneren Augen ab. Kisara, wie er sie in der Wüste gefunden und sie vor Räubern gerettet hatte. Yugi, der als Kind in der Wüste gespielt hatte, es nicht durfte und dann traurig zurück in den Palast gegangen war. Er selbst, wie er zum Priester ernannt wurde und den Millenniumsstab überreicht bekam. Ernennungen von anderen Priestern, die er nicht mit Namen kannte. Was war hier los? War sein Leben in Domino City nur ein Traum gewesen? War das hier das richtige Leben? Er merkte eine Hand auf seiner Schulter. Die junge Frau bewegte ihre Lippen, doch er verstand kein Wort. „Mokuba… Ich muss zu Mokuba…“, sagte der Braunhaarige leise. „Ich… Ich muss zu meinem… Bruder…“ Dann wurde alles um ihn herum schwarz.   * * * * *   Als er wieder zu sich kam, stand eine schwarzhaarige Person bei ihm. „Seto!“, rief der Junge aufgeweckt und umarmte ihn rasch. „Wa-Was?“, blinzelte Kaiba verwirrt. „Wo bin ich?“ Der Schwarzhaarige ließ seinen Bruder los. „Du bist im Bett… Du hast meinen Namen gerufen… Davon bin ich aufgewacht… Ist alles in Ordnung, großer Bruder?“ Seto blickte in die dunkelblauen Augen seines Bruders. Sie strahlten eine große Sorge aus. „Ich… habe wohl nur schlecht geträumt… Geh wieder ins Bett“, wuschelte er dem Jüngeren durch das Haar. „Kann ich bei dir bleiben?“, fragte Mokuba und jetzt fiel ihm auf, dass am Ende des Bettes das Kissen und die Decke von seinem Bruder lagen. „Okay… Komm her“, rutschte Kaiba soweit zur Seite, dass sich sein kleiner Bruder bequem hinlegen konnte. „Du hast lang nicht mehr mit in meinem Bett geschlafen.“ Der Braunhaarige grinste und wuschelte noch einmal durch das schwarze Haar. „Ich weiß…“, murmelte der Jüngere nur und kuschelte sich an Seto, nachdem er zu ihm ins Bett gestiegen war. Dieser legte seine Hand auf den Rücken und begann seinen jüngeren Bruder zu streicheln, bis er eingeschlafen war. Auch seine Lider senkten sich langsam wieder und er versank erneut in der Traumwelt.   * * * * *   Erneut öffneten sich seine Augen auf und wurden dieses Mal von der Sonne geblendet. Er sah neben sich und doch war er allein im Bett. „Mokuba?“, rief er durch den Raum und setzte sich auf. Sein Nacken schmerzte, der Rücken tat weh und auch sein Kopf machte sich schmerzhaft bemerkbar. Er stand auf und jetzt fiel ihm auf, dass er wieder in Ägypten war. Schnell versuchte er sich daran zu erinnern, was passiert war, und ihm fiel nur ein, dass er im Tempel und Kisara bei ihm war. Hatte sie ihn hierhergebracht? Er lief schwankend zur Tür und öffnete diese. „Wie komme ich in den Versammlungsraum? Oder eine andere Frage: Wie finde ich den Pharao?“ War es der nächste Tag? Oder waren einige Tage vergangen? Er wusste es nicht. Die Wache sah den Priester nur verwirrt an, brachte ihn dann aber unter einem strengen und fragenden Blick zum gewünschten Ort.   Aufgeregt lief Kisara durch den Palast zum Versammlungsraum, wo gerade der hohe Rat tagte. Mana, eine gute Freundin des Pharaos, hatte sie informiert, dass Seto wieder aufgewacht sei und nun an der Versammlung teilnahm. Laut Manas Aussage war der junge Priester allerdings nicht ganz bei der Sache. Und genau das bereitete Kisara Sorgen. In der letzten Nacht war er einfach mitten im Gespräch zusammengebrochen und er war auch vorher schon so seltsam gewesen. Er wusste nicht einmal mehr, dass sie der weiße Drache war. Dabei war das doch das Einzige, was sie verband. Das Einzige, was sie überhaupt am Leben erhielt. Das Gefühl, das er sie brauchte. Keiner wusste, ob der weiße Drache verschwinden würde, wenn sie starb. Als Seto zusammenbrach, hatte sie sich furchtbare Sorgen gemacht und sich in den Weißen verwandelt, um ihn zum Palast zurückzubringen. Zum Glück war der Garten groß genug, damit sie hatte landen können. Danach hatten Wachen ihn wieder in seine Gemächer gebracht, doch sie durfte nicht mit. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Pharaos durfte keiner in der Nacht den Palast betreten. Aus Sorge um ihn war sie die halbe Nacht über dem prächtigen Gebäude herumgekreist. Wäre etwas mit dem jungen Priester gewesen, hätte sie es gesehen, da es mit Sicherheit eine große Unruhe gegeben hätte. Aber nun war er wieder wach und es ging ihm so gut, dass er schon wieder an der Versammlung teilnahm, wenn auch recht geistesabwesend, wie sie bemerkte, als sie auf einem Balkon über dem Tagungsraum stand und den Pharao und seine Wächter beobachtete.   Seto stand neben dem Pharao, nickte ab und zu und doch verstand er nicht wirklich, was er hier sollte. Was sollte er nun glauben? War das hier die Wirklichkeit oder war die Welt bei und um Domino City die Realität? „Seth?“, erkundigte sich der Pharao und sah den Braunhaarigen an. „Äh, was?“, blinzelte dieser perplex. „Ich meinte gerade, dass wir fertig sind und wir uns beim nächsten Treffen über die Verbesserungsvorschläge unterhalten.“ Immer noch verwirrt sah er zum Pharao. „Ach so, ja. Ich werde mir etwas einfallen lassen.“ Dann sah er zur Tür, welche offen stand, und meinte noch zum Pharao: „Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen… Ich werde gegen Abend wieder im Palast sein…“ Doch ohne einen Luftzug gespürt zu haben, gingen die Fackeln, welche den großen Saal erhellten, aus und Seto sah sich augenblicklich um. Niemand hatte den Raum betreten. Obwohl die Fenster und Türen genug Licht bringen sollten, wurde der Saal in pure Finsternis gehüllt. Er konnte kaum noch seine eigene Hand vor den Augen sehen. „Pharao?“, hörte Seto eine Frauenstimme rufen. „Ah, hier seid Ihr. Geht es Euch gut?“ Doch Seto griff instinktiv nach seinem Millenniumsstab und hielt diesen in die Höhe. Der Kopf des Stabs begann zu leuchten und Seto versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Doch seine Augen konnten in der Umgebung nichts wahrnehmen.. „Zeig dich, dunkle Kreatur!“, meinte er und die kühle Aura umschlang und fesselte ihn. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. „Was willst du?“, meinte er an den schemenhaften Körper, der sich langsam bildete. „Du kannst mich also sehen, Priester“, knurrte das Biest und sah aus rot glühenden Augen zum jungen Mann. „Was willst du?“ „Ich will den Pharao. Er ist ein gefundenes Fressen. Sein Herz ist rein, genau wie seine Seele. Er ist das, was sich jedes Wesen der Dunkelheit wünscht.“ Doch Seto lief auf die Kreatur zu, soweit es ihm möglich war, da die Dunkelheit ihn festhielt. „Ich sage dir zum ersten und zum letzten Mal, dass du verschwinden sollst!“ Auf seiner Stirn leuchtete das Auge von den Millenniumsgegenständen auf. Seto sah das Biest an und dieses zog sich einige Schritte zurück. „Wenn du nicht verschwindest, dann garantiere ich für Nichts.“ Doch dann ertönte hinter Seto eine junge Frauenstimme und er blickte zurück. Es war Kisara. Wie war sie hergekommen? „Verschwinde von hier“, hauchte Seto zu ihr und war deswegen unachtsam, wurde von der Kreatur der Dunkelheit angegriffen und gegen eine Wand geschleudert. „Du hast bis Vollmond Zeit, deinen König zu retten, Priester“, sagte das Monster und verschwand. Seto wusste nicht, ob Kisara das Monster sehen konnte und überlegte, wann der Vollmond war. Die Kraft des Millenniumsstabes zu kontrollieren und der Kampf gegen die Kopfschmerzen hatten ihn sichtlich geschwächt. Doch dann verschwand die Dunkelheit und alles war wieder so, wie es war. Waren sie gerade in einer anderen Dimension gewesen? In der Schattenwelt? Seto stand auf und sah zu Kisara. „Wo kommst du her? Hast du das gerade gesehen?“, sah er die Weißhaarige an und lief zu ihr, nur um dabei zuzusehen, wie sie zum Pharao lief, der am Boden lag. Hatte er das wirklich gerade erlebt oder spielte sein Kopf immer noch ein Streich mit ihm?   Kisara kniete sich neben den Pharao auf den Boden, strich ihm das klamme Haar aus der Stirn. Seine Haut war kalt und feucht. Er atmete schwer und war nicht in der Lage, die Augen zu öffnen. „Ganz ruhig, mein Pharao“, hauchte sie und legte ihre Hand auf seine Stirn. Ihre Hand leuchtete kurz auf, bevor sie den Herrscher Ägyptens in einen tiefen Schlaf versetzte. Seufzend stand sie wieder auf und wandte sich an Seto. „Was ist gerade passiert?“ flüsterte sie und zog ihn mit sich in eine Ecke des Raumes.   Kurzerhand erzählte Seto ihr, was er gesehen hatte und was passiert war. Auch erzählte er ihr, was die dunkle Kreatur gesagt hatte. „Wann ist Vollmond?“, erkundigte sich der junge Priester bei der Prinzessin, denn er hatte weder Ahnung, welcher Tag war, noch welches Jahr, noch wann der Vollmond am Himmel stand. Er richtete sich auf und ging zum Pharao. Er sah aus, als wenn er innerlich mit etwas gekämpft hätte. Ja, scheinbar war es auch so gewesen, denn die Kreatur hatte mit Sicherheit versucht, ihn zu kontrollieren, so wie das Wesen es angedeutet hatte. Die Frage war jetzt nur, was er tun sollte. Er wusste es nicht und konnte es sich auch nicht denken.   „Nicht hier“, flüsterte die Weißhaarige und zog Seto mit sich aus dem Zimmer. „Wir sind bereits bei der Hälfte der Mondphase angelangt. Wir haben noch etwa zwölf Tage bis zum Vollmond.“ Zu Boden blickend strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. „Du hast den Pharao gerettet. Dafür danke ich dir, Seto“, hauchte sie leise. „Die Schatten sind mächtig zu dieser Mondphase. Und normalerweise werden sie schwächer umso voller der Mond wird. Aber uns steht eine Mondfinsternis bevor. Da erreichen die Schatten ihre volle Macht.“ Sie sah Seto in die Augen.   „Sie erreichen ihre volle Macht? Sag, gibt es eine Möglichkeit, die Schatten vorher zu besiegen?“, fragte Seto und blieb stehen, um die junge Frau an den Schultern zu fassen. „Sag, wenn es eine Möglichkeit gibt, wie kann ich es tun?“ Er schloss die Augen und atmete kurz durch. Er wartete auf ihre Antwort und verinnerlichte die Worte auch sogleich. Er überlegte, ob er dieser Frau wirklich glauben konnte. Immerhin wusste er nicht, ob diese Welt oder die Welt um Domino City die Realität war.   „Ich weiß es nicht“, murmelte Kisara und blickte weiter zu Boden. „Es läuft auf einen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit hinaus. Aber...“ Sie brach ab. Es war ihr ein Rätsel, was sie tun sollten. „Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wäre es, die Schatten zu bannen. Aber dazu ist keiner von uns allein in der Lage. Und der Pharao ist im Moment zu geschwächt“ sprach sie weiter.   „Ein Kampf zwischen Licht und Schatten? Gut gegen Böse?“, murmelte Seto gedankenverloren vor sich hin. „Heißt es nicht immer, dass das Gute immer gewinnt? Egal, wie aussichtslos die Situation ist?“ Er sah ihr dann genau in die Augen. „Egal, was nötig ist, um es zu tun, ich werde es tun. Auch wenn es bedeutet, dass ich mein Leben für das vom Pharao geben muss. Wenn es ihm hilft, dann nehme ich es in Kauf.“ Er blickte zu Boden und strich sich mit der Hand durch die Haare. „Gibt es hier eine Bibliothek oder so etwas in der Art?“   „Ja, aber es ist schon spät. Lass uns morgen nach etwas suchen, Seto“, hauchte sie und führte ihn vom Saal weg. „Die Bibliothek ist kein Ort, an dem man nachts alleine sein sollte.“ Schnell zog sie ihn mit sich, als sie Stimmen und Schritte hörte. „Davon sollten nicht allzu viele erfahren. Zumindest vorerst“, flüsterte sie. Ihn die Gänge entlang führend, bahnte sie sich den Weg. Lautlos schob sie ihn ins Schlafgemach zurück.   „Wann ich wohin gehe ist meine Sache. Sag mir wo die Bibliothek ist, Kisara“, wollte Seto wissen, als er gegen seinen Willen in das Gemach gedrängt wurde. „Du musst mich nicht einmal begleiten, aber ich will wissen, wo die Bibliothek ist! Je schneller ich etwas finde, desto besser ist es! Ich verlange nicht einmal, dass du mir hilfst! Meine Güte, wenn du es mir nicht sagst, dann werde ich sie auch alleine finden!“ Er presste diese Worte zwischen den Lippen hervor und wollte das Zimmer auch schon wieder verlassen.   Kisara stellte sich ihm in den Weg und zischte ihn fast schon an. Ihr war es egal, ob sie das Recht dazu hatte oder nicht. „Was soll das?“, fragte sie ihn schroff. „Es ist einfach zu gefährlich in der Nacht. Dort herrschen in der Nacht die Schatten.“ Dann legte sie blitzschnell eine Hand an Setos Stirn, woraufhin dieser auf das Bett sackte und augenblicklich tief und fest schlief. Sie zog ihm die Kleidung aus und deckte ihn zu. „Wenn sich einer in Gefahr bringt, dann bin ich das noch immer“, flüsterte sie und machte sich auf den Weg.   Seto schlief aber nicht lang, denn er wusste innerlich, dass er wieder erwachen musste. „Verdammt noch mal“, presste er hervor, als er die Augen aufschlug. Er stieg aus dem Bett und zog seine Sachen an. Er nahm den Millenniums-Stab in die Hand und dieser führte ihn. Kaiba wusste nicht, wie er es hinbekommen hatte, doch klappte es und der Millenniumsgegenstand führte ihn zur Bibliothek. Er öffnete die Tür, zog eine Fackel aus einer der Halterungen und ging in den Raum hinein. Er sah sich um und erblickte sie dann am Boden liegen. „Was ist passiert?“, fragte er und kniete sich zu ihr. Er legte ihren Kopf kurz in seinen Schoß. Dann erklangen merkwürdig verzerrte Stimmen, so als wenn sie nicht aus dieser Welt kommen würden. Die junge Frau schlug nach wenigen Momenten die Augen auf, noch bevor die Schattenwesen angriffen. Seto nahm den Stab in die Hand und erhob ihn. Es erschien wie ein Schutzschild um die beide herum. „Was ist passiert?“, fragte Seto erneut und sah der jungen Frau in das Gesicht.   Vorsichtig betastete sie ihre Stirn und hatte Blut an den Fingerspitzen. „Einer von ihnen hat mich wohl überrascht“ flüsterte sie. Doch dann zog sie unter sich ein Buch hervor. „Hier. Ich habe etwas gefunden“, sagte sie leicht benommen. Sie ließ sich von Kaiba aufhelfen und lehnte sich an ihn. „Wir sollten von hier verschwinden“, hauchte sie und war bereits wieder kurz davor, die Besinnung zu verlieren.   „Halt dich an mir fest“, meinte der junge Mann und nahm die junge Frau auf den Arm und richtete sich auf. Er ließ den Stab nicht los und das Schutzschild, um die beiden herum nahm nicht ab. Er ließ allerdings die Fackel fallen und lief durch die Dunkelheit. Er hatte Kisara in den paar Stunden, wo er hier war, sehr ins Herz geschlossen. Er wusste nicht, ob er nur hier war, wegen diesem Problem, was behoben werden musste, oder ob es wieder eine dieser Visionen war, die er manchmal hatte. Nachdem er die Bibliothek hinter sich gelassen hatte, lief Seto schnellen Schrittes in das Zimmer von sich und verriegelte die Tür, nachdem er die junge Frau auf das Bett gelegt hatte. Er zog an dem Bettlaken, so dass es einriss und nahm den abgerissenen Stoff, um ihr das Blut von der Stirn zu wischen. „Etwas Besseres finde ich im Moment leider nicht.“   Sanft legte sie ihre Finger auf seine Hand, die ihren Kopf langsam anhob. „Es ist okay“, murmelte sie und lächelte ihn sanft an. „Danke.“ Diese Worte kamen leise über ihre Lippen. Dann nahm sie ihm das Buch aus der Bibliothek ab und schlug eine Seite auf. „Sieh nur, Seto. So wie es hier steht. müssen wir die Kräfte der Drei vereinen. Doch was ist damit gemeint?“, fragte sie mehr sich selbst, als sie mit den Fingerspitzen über ein paar Zeichnungen fuhr. „Ich denke, wenn wir die drei gefunden haben, von denen hier die Rede ist, dann können wir es schaffen.“ Sie zitterte am ganzen Körper und strich sich das Haar erneut aus dem Gesicht. Dies war die Wirkung der Schatten.   „Die Kräfte der Drei?“, wiederholte Seto und nahm ihr das Buch aus der Hand. „Schlaf, Kisara, schlaf.“ Seine Stimme klang zu seiner eigenen Überraschung vollkommen sanft. „Wenn du morgen wieder erwachst, wird alles vielleicht schon wieder anders sein.“ Er klappte das Buch zu und legte es zur Seite. Er setzte sich neben sie und zog sie etwas an sich, auch wenn er nicht wusste, wieso er dies tat. Er zog sie auf seinen Schoß, so dass ihr Oberkörper auf seinem und ihr Kopf auf seinem Brustkorb lagen. Sein Herz begann, schneller zu schlagen. „Versuch, etwas Schönes zu träumen.“ Als er ihr dann schweigend über den Rücken strich, dachte er nach, was es mit den ‚Kräften der Drei‘ auf sich haben könnte.   „Seto?“, hauchte sie und sah ihm in die Augen. „Du brauchst deine Kräfte, Seto. Du solltest selbst etwas schlafen.“ Sanft zog sie ihn auf sich und strich ihm über die Brust. „Dir wird schon noch klar werden, was damit gemeint ist. Aber dazu sollte dein Kopf leer sein.“ Seto wusste darauf nichts zu sagen, denn er hatte keine Ahnung, was genau er von ihrer Handlung halten sollte.   „Ich…“, versuchte er es nach wenigen Momenten noch einmal, doch er brachte kein Wort heraus. „Wir sollten beide schlafen.“ Er rollte sich von ihr herunter und legte sich auf den Rücken, um schweigend an die Zimmerdecke zu starren, während Kisara neben ihm in einen tiefen Schlaf sank. Wenn diese besagten ‚Kräfte der Drei‘ wirklich so stark waren, wie es hieß, dann musste er diese schnell finden und durfte sich nichts anmerken lassen. Die ‚Kräfte der Drei‘ mussten etwas Besonderes sein. Es musste etwas sein, was mit ihm oder mit dieser Frau zu tun hatte. Zumindest, wenn man den Worten dieser Kreatur glauben konnte. Es war doch etwas komplizierter, als er es sich vorgestellt hatte. Seto schloss die Augen und schlief nach wenigen Momenten ein.   * * * * *   Mitten in der Nacht schlug er dann die Augen auf, da er gedacht hatte, er hörte die Stimme eines seiner Drachen mit eiskaltem Blick. „Mhm?“, entwich es seinen Lippen. Er drehte Kisara sanft von sich weg und stand auf. Er verließ das Zimmer, um über den Flur und den Garten hinter dem Palast zu dem Schrein zu kommen, wo die Steintafeln aufgestellt waren. In der Mitte stand die des weißen Drachens. Langsam bewegte sich der Priester auf diesen Stein zu und fuhr mit der Hand über das Material. „Weißt du einen Rat? Weißt du, wer oder was die ‚Kräfte der Drei‘ sind?“, flüsterte der Dunkelhaarige und seufzte. Er ließ sich gegen den Stein sinken und dann auf den Boden. „Wenn ich nur wüsste, was damit gemeint ist“, entwich es wieder einmal seinen Lippen. Doch dann ertönte wieder die Stimme vom weißen Drachen. Seto erschrak und dann stand er auf. „Du bist die Lösung von dem Rätsel! Du wirst mir helfen! Nicht wahr?“, doch ertönte nur wieder der Klang des Drachens. Er lief auf das Feld vor dem Schrein und rief in den Himmel: „Hey, ihr dunklen Geister der Unterwelt. Ich wurde herausgefordert und ich nehme diese an! Ich werde bei Vollmond wieder hier sein und ich werde keine Gnade walten lassen!“ Dann hielt er seine Faust mit der DiaDhank in die Höhe, um seine Entschlossenheit zu demonstrieren.   * * * * *   Am nächsten Morgen berichtete er Kisara von seiner Idee und doch verschwieg er ihr, dass er sich dazu entschlossen hatte, sich der Dunkelheit zu stellen. Er würde bis zur Vollmondnacht überlegen, wie er diese Kreatur besiegen sollte und wie ihm der weiße Drache wirklich helfen konnte.   * * * * *   Seto stellte sich in der Vollmondnacht in der Bibliothek dem Bösen. Die Kreatur baute sich vor ihm auf und sah ihm aus feuerroten Augen entgegen. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken und er war für einen kurzen Moment nicht fähig, sich zu bewegen. Doch als er sich wieder regen konnte, rief er den weißen Drachen und vertraute darauf, dass seine Vermutung richtig war und er noch zwei weitere Drachen rufen konnte. Die Erscheinung des Drachen erhellte den Raum deutlich. Ja, das Gute würde über das Böse siegen, ging es ihm durch den Kopf, doch war er selbst über diesen Gedanken überrascht. Denn er konzentrierte sich und rief noch zwei weitere Drachen. „Es ist mir egal, wie stark du bist oder wie stark du nicht bist, denn ich werde gewinnen!“ Dann erklang das Knarren der Tür, welche sich zu öffnen begann. Sein Blick glitt über die Schulter zur Tür und erblickte die junge Frau mit den weißen Haaren, Kisara. „Du solltest nicht hier sein“, sprach Kaiba besorgt und dann lief sie zu ihm und umarmte ihn von hinten. „Ich werde bei dir sein, dir zur Seite stehen. Egal, was kommt, wir stehen es gemeinsam durch.“ Dann erklang das Brüllen des Drachens und es wurde schlagartig hell, denn die Energie schien sich um den Drachen zu bündeln und die anderen zwei Drachen verschwanden, so dass eine neue Form erschien. „Der Blauäugige ultimative Drache“, entwich es Seto leise. Er blickte hinter sich und Kisara war verschwunden. Der dreiköpfige Drache sah zu ihm, gab einen ihm vertrauten Laut von sich und sah dann zur Dunkelheit, die sich vor ihnen aufbaute. Er fühlte sich mit dieser Kreatur verbunden und er hatte das Gefühl, der Drache würde ihn um jeden Preis beschützen. Sein Griff um den Millenniumsstab verfestigte sich und seine Miene verfinsterte sich. „Ich habe keine Lust, den Pharao und dieses Land aufzugeben!“, presste er hervor. „Greif an, mein Drache.“ Erneut durchdrang die tiefe Stimme des Drachen den dunklen Raum. Dann sammelte sich die Energie vor ihm und am Ende durchdrang ein heller Lichtblitz die Umgebung, um die dunkle Kreatur zu durchbohren und sie zu vernichten. Sie verschwand augenblicklich und so schnell wie sie in dieser Nacht gekommen war. Der Kampf war für seine Verhältnisse zu schnell vorbei gewesen, doch er hatte zu sehr an seinen Kräften gezehrt. Er ging auf die Knie und atmete tief durch. “Danke…”, murmelte er leise, bevor der Drache mit einem hellen Lichtblitz verschwand und seine Augen sich langsam schlossen, bevor er bewusstlos auf den Boden prallte.   * * * * *   Als er wieder zu sich kam, lag er in seinem Bett und nachdem er sich zur Seite drehte, blickte er in das schlafende Gesicht seines Bruders. „Mokuba...“, hauchte er erleichtert, dass dieser friedlich schlief. Er strich mit seinen Fingern durch das dunkle Haar des Jungen und ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. War das alles nur ein Traum gewesen? Nachdem er sich aus dem Laken, welches ihn bedeckte, geschält hatte, stand er auf und lief auf den Balkon, den er mit wenigen Schritten erreichen konnte. Als er nach oben sah, riss er die Augen weit auf und schüttelte dann den Kopf. Im ersten Moment fiel sein Blick auf den Vollmond und dann auf eine Erscheinung am Himmel, welche er nicht erwartet hatte. Er sah einen weißen Drachen am Himmel. „Das kann doch nicht sein...“, rieb er sich mit den Fingern über die Augen. Als er noch einmal hinauf blickte, war der Drache verschwunden und er atmete erleichtert durch. Er sollte endlich mal aufhören, so viel zu arbeiten und sollte sich endlich mal darum kümmern, sich etwas mehr Zeit mit seinem Bruder zu gönnen. „Vielen Dank, Seto“, hörte er neben sich eine Frauenstimme. Diese kam ihm sehr bekannt vor und er wusste nicht, wo er sie im ersten Moment einordnen sollte, doch kam ihm dann die Erkenntnis, bevor er der Frau entgegen blickte. Doch sie schien nur ein Hologramm zu sein und keinesfalls war sie echt. „Kisara...“, kam es ihm über die Lippen. „Ich möchte mich bei dir bedanken, Seto. Du hast den Pharao bewahrt, in der Dunkelheit zu versinken und ihn gerettet.“ Kisara lächelte ihm sanft entgegen. „Ich habe nur getan, was ich tun musste“, erwiderte Seto und war sich nicht sicher, ob er die Worte wirklich so meinte, wie er sie gerade ausgesprochen hatte. Immerhin hatte er nie gewusst, was die Realität war. „Du hast die Welt davor gerettet, zerstört zu werden. Ich danke dir“, sagte die Weißhaarige und verbeugte sich vor ihm. „Ich stehe für immer in deiner Schuld, mein Priester.“ Seto sagte nichts weiter dazu und ließ dieses Gespräch über sich ergehen. Nachdem er für einen Augenblick geblinzelt hatte, war er wieder allein auf dem Balkon und Kisara war verschwunden. Er schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Doch es ertönte erneut die junge Frauenstimme: „Ich werde als weißer Drache immer an deiner Seite sein.“ Er wusste nicht, wie er diese Worte auffassen sollte und entschied sich dafür, wieder zurück ins Bett zu gehen und sich am Morgen mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)