Nightfall - Körperlos von Hinata-95 ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel zwei ----------------------- Zwei Tage später treffe ich mich mit meinen Freunden. Unsere fünfköpfige Clique ist für jeden von uns eine Art zweite Familie, jeder kann jedem zu hundert Prozent vertrauen. Ich hatte June am Telefon nicht alles erzählt, und ich freue mich nicht gerade darauf, ihnen meine Abreise zu beichten. Gestern hatte ich die ganze Zeit überlegt, wie ich das am besten über die Bühne bringen konnte, war aber zu keinem annehmbaren Schluss gekommen. Also trotte ich unter der warmen Junisonne mit hängendem Kopf zum Hyde Park. Auf den Straßen ist viel los und ich begegne einer Menge Leute. Keiner bemerkt mich. So ist das immer, wenn ich durch Londons Gassen laufe. Mir ist das nur Recht. Von meinem Zuhause bis zum Park brauche ich eine Viertelstunde. Wie zu erwarten, ist der Park zum Bersten voll. Jeder verbringt seine Ferien gerne hier. Ich schlängele mich durch die Spaziergänger, Mütter mit Kinderwagen, Radfahrer und Rentner mit Rollator zu unserem Treffpunkt am Serpentine Lake. Auch dort ist es voll, aber ich sehe meine Freunde etwas abseits von der ganzen Menge unter einem Baum sitzen. June winkt mir, als sie mich erkennt. Beim Näherkommen fällt mir ihr angespanntes Gesicht auf, und der Rest strahlt auch eine gewisse Nervosität aus. »Da bist du ja!« ruft Blaire. Sie ist ebenfalls eine gute Freundin von mir. Liam, ihr Freund, steht zusammen mit Aaron auf, um mich zu begrüßen. Während Aaron mich umarmt, streicht er mir mit der Hand übers Haar. »Du siehst gequält aus, Süße«, flüstert er mir ins Ohr. Als sein Atem meinen Hals berührt, läuft mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Ich schöpfe neuen Mut. In seinen muskulösen Armen fühle ich mich sicher und geborgen, als ob nichts und niemand mir etwas anhaben könnte. Er lässt von mir ab, und etwas enttäuscht setze ich mich hin. Die anderen folgen meinem Beispiel. »So, warum hast du uns herbestellt?«, fragt Liam. Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. »Komm, Avy, wir beißen nicht«, versucht Blaire mit einem Zwinkern die Stimmung zu lockern. Also beginne ich zu erzählen. Davon, dass ich nicht wirklich die Tochter meiner Eltern bin, und von Gabby´s rücksichtslosen Vorwürfen. Dass ich zeitweise durchsichtig werde, erwähne ich gar nicht erst. Wer weiß schon, wie sie darauf reagieren würden, wenn ich es ja selbst noch nicht verarbeitet habe. Ehe ich ihnen erzählen kann, was mir am nächsten Tag noch bevorstand, werde ich von June unterbrochen. Sie fällt mir ungestüm um den Hals. »Oh mein Gott, Süße, das tut mir so leid.« Ich sehe in die Gesichter meiner Freunde und finde in jedem Mitleid und Anteilnahme. Dadurch fühle ich mich etwas besser. Geteiltes Leid ist eben halbes Leid. Ich schiebe June sanft von mir weg. »Ich bin noch nicht fertig«, erwidere ich seufzend. Aaron zieht eine Augenbraue nach oben. »Sag bloß, du willst dich jetzt auf die Suche nach deinen richtigen Eltern machen.« Es soll wohl eine Art Scherz sein, aber er kommt der Sache näher als er ahnen mag. »Nicht ganz.« Ich verziehe mein Gesicht. »Ich hab euch doch mal von Auldmound erzählt, dem Internat in Schottland, das Gabriela besucht.« Vier entsetzte Gesichter blicken mir entgegen. Sie sind alle erstarrt und rühren sich nicht. Die bedrückende Stille zwischen uns wird von fröhlichem Kreischen und Lachen ausgefüllt, über unseren Köpfen fliegen singende Vögel, und von irgendwo hört man heitere Musik, die uns zu verhöhnen scheint. June findet als erste ihre Sprache wieder. »Nein. Nein! Du darfst nicht gehen!« Atemlos springt meine kleine Freundin auf und tigert hin und her. Ähnlich außer sich rauft Liam sich die Haare. »Wann? Und für wie lange?« »Morgen.« Wenn es irgendwie möglich ist, steigert sich das Entsetzen noch. Aber dann wird Aarons Miene undurchdringlich und er sieht mich forsch, fast wütend, an. »Mensch, Mädchen, du bist achtzehn! Sag ihnen einfach, dass du hier bleibst und die Sache ist gegessen.« Er sagt es, als wäre ich so dumm, nicht selbst darauf zu kommen. Ich versuche, ihn zu beruhigen. »Meinst du nicht, das hätte ich versucht? Aber ich werde so oder so dorthin gehen müssen. Mir wurde selbst noch nicht gesagt, warum genau. Wenigstens kann ich entscheiden, ob ich dort bleiben möchte oder nicht, wenn mir alles erzählt wurde.« Hoffnung schimmert in Blaires Augen, und June hört auf, hin und her zu laufen. »Dann kommst du also wieder? Versprich es uns, ja?« Ich würde ihnen jedes Versprechen geben. »Natürlich komme ich zurück. Ich weiß nur nicht, wie lange es dauern wird.« Erleichtert stößt June Luft aus. »Das macht nichts, solange du zu uns zurück kommst.« Damit ist die größte Aufregung vorbei. Meine Freunde sehen einigermaßen zufrieden aus, sofern sie es eben sein können. Abgesehen von Aaron. Er ist immer noch abwesend und stiert vor sich hin. Ich nehme mir vor, später noch einmal mit ihm allein zu reden. Eine Weile beobachte ich ihn aus den Augenwinkeln, während Liam, Blaire und June herumalbern. Der leichte Wind bläst ihm seine dunkelblonden Haare in die Augen und lässt ihn verwegen aussehen. Seine braunen Augen werden von der Sonne angestrahlt, sodass sie einen goldenen Ton bekommen. Er gefällt mir. Für mich ist er der bestaussehende Junge Londons. Als er seinen Kopf zu mir dreht, lächele ich ihn schüchtern an. Der Tag nimmt also seinen Lauf. Wir haben noch über einige belanglosere Dinge geredet. Schule zum Beispiel. Nicht mehr lange, dann sind wir alle fertig mit unserem Abitur. Ich weiß noch nicht, was ich dann tun werde. Studieren will ich nicht unbedingt, aber direkt eine Ausbildung zu starten erscheint mir auch nicht besonders erstrebenswert. Am liebsten wäre mir ein Auslandsjahr. Vielleicht in den Staaten, vielleicht auch in Australien. Im Gegensatz zu mir wissen Blaire und June schon ganz genau, was sie machen wollen. Blaire wird Medizin studieren, und June will Lehrerin werden. Für mich ist weder das eine noch das andere geeignet. Den Jungs geht es ähnlich wie mir. Keiner von beiden hat sich schon festgelegt. Nach und nach wird der Park leerer. Ich halte es für eine gute Idee, ebenfalls zu gehen, denn ich will vor Einbruch der Dunkelheit zuhause sein. Die anderen stimmen mir zu. Schweigend laufen wir den Weg entlang. Ich bleibe etwas zurück, mit Aaron an meiner Seite. »Wir müssen reden«, sagt er. Ich nicke nur. In diesem Moment dreht June sich um. »Wo bleibt ihr beiden?«, will sie wissen. »Komm June, lass die zwei. Wir gehen schon mal«, antwortet Liam an meiner statt und packt sie am Arm. Er scheint zu wissen, was Aaron mit mir zu bereden hat. Ich werde nervös, spiele an meinen Haaren. June dreht sich noch ein letztes Mal um. In ihrem Blick liegt Skepsis, aber auch etwas anderes. Ich kann es nicht zuordnen. Langsam verschwinden Liam, Blaire und June aus meinem Sichtfeld. Abwesend starre ich auf die Stelle, an der wir vorhin noch gesessen haben. Unterschwellig spüre ich, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte. Plötzlich greift mich etwas am Arm. Es ist nur Aaron, aber ich erschrecke trotzdem. »Was ist nur los mit dir?« Alle Härte ist aus seinem Gesicht gewichen. Er zieht mich in seine Arme und drückt mich an seine Brust. Ich glaube, keine Luft mehr zu bekommen. Dann schiebt er mich auf Armeslänge von sich und sieht mir tief in die Augen. Immer noch kriege ich keinen Ton aus meinem Mund. »Avy, oh Avy. Du...Ich möchte nicht, dass du gehst.« »Aber...ich muss. Ich will doch auch nicht weg. Ich habe keine Wahl«, flüstere ich niedergeschlagen. Jetzt nimmt er mein Gesicht zwischen seine Hände. Seine warmen Handflächen glühen an meinen Wangen, und ich bin unfähig, mich zu rühren. »Man hat immer eine Wahl, Haven.« Er küsst mich. Der Strudel aus Unglauben, Freude und Hoffnung lässt mein Innerstes bersten. Ich verliere mich in diesem Kuss. So lange habe ich darauf gewartet. Mein Herz hämmert in unablässigem Stakkato gegen meine Brust, und ich spüre das Seine ebenfalls. Es ist, als würden wir miteinander verschmelzen. Wo sein Kuss erst zögernd und zärtlich war, wird er jetzt tiefer, fordernd. Zu schnell ist alles vorbei. Außer Atem sehe ich ihm in die Augen. »Kommst du mich besuchen? Ich kann nicht so lang ohne dich sein, egal, wie lange ich dort sein muss.« Seine Antwort kommt langsam, aber bestimmt. »Ich würde dich überall besuchen kommen.« Dann, als würde er für und wider abwägen, fügt er noch etwas hinzu. »Ich liebe dich. Sei meine Freundin.« Ich bin überwältigt. Obwohl das Wort nicht annähernd mein Befinden in diesem Moment beschreibt. Ich schwebe auf Wolke sieben und weiß nicht mehr, wie man wieder herunterkommt. Will ich auch gar nicht. Das muss ein Traum sein. Ich spüre ein Grinsen, dass sich von Ohr zu Ohr auf meinem Gesicht breit macht. Mir schmerzen schon fast die Wangen, solange stehe ich einfach nur grinsend da. Aaron zieht die Augenbrauen zusammen. Ich Idiot. Er erwartet eine Reaktion, und ich habe nichts Besseres zu tun als ihn anzustarren wie ein Honigkuchenpferd. »Aaron...entschuldige bitte. Ich bin glücklich. Und...ich liebe dich auch.« Die letzten Worte sind nicht mehr als ein sanftes Flüstern. Jetzt sieht er genauso aus, wie ich mich fühle. Lachend hebt er mich hoch und dreht sich mit mir im Kreis, bevor er mich wieder absetzt. Dieser Moment könnte schöner nicht sein. Ein lautes Knacken lässt mich zusammenzucken und macht unsere Zweisamkeit zunichte. Plötzlich wird mir bewusst, wie dunkel es schon geworden ist. Ängstlich sehe ich mich um, kann aber nichts entdecken. »Was ist denn los?« fragt Aaron vorsichtig. »Ich dachte, da wäre etwas. Und es ist schon ziemlich dunkel. Ich sollte nach Hause gehen.« Enttäuschung flackert in seinem Blick, aber schnell wirkt er wieder fröhlich. »Na schön. Ich bringe dich heim.« Es klingt verlockend, nicht allein gehen zu müssen. Allerdings wohnt Aaron in die entgegengesetzte Richtung, und er müsste einen langen Umweg machen. Mir ist unwohl bei dem Gedanken, ihn so lange im Dunkeln zu wissen. Ich schüttele den Kopf. »Nein, ist schon in Ordnung.« Als er zu widersprechen ansetzt, werfe ich ihm einen bösen Blick zu. Diese Diskussion hatten wir schon häufig. Er seufzt und gibt sich damit geschlagen. Seltsam. Müsste er nicht eigentlich darauf beharren, jetzt wo wir ein Paar sind? Immerhin habe ich meinen Willen bekommen, obwohl ich mich schon auf einen kleinen Streit eingestellt hatte. Aaron zieht mich noch einmal in seine Arme und küsst mich auf die Stirn. »Sagst du mir, wann du fährst?« bittet er mich. »Ich möchte dich gerne verabschieden.« Traurig nicke ich, für kurze Zeit habe ich meine Abfahrt verdrängen können. Aber nun ist sie mir nur allzu präsent. Sacht lege ich Aaron die Hände auf die Wangen und küsse ihn. Der Kuss ist kurz, dennoch laufen die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder Amok. Seufzend lasse ich von ihm ab und trete einen Schritt zurück. »Bis morgen dann.« »Ja. Pass auf dich auf, Haven.« Ich wende mich von ihm ab. Als ich ein paar Schritte gegangen bin, drehe ich mich um. Mein Freund hat sich nicht von der Stelle bewegt und starrt mich an. Seine Mundwinkel heben sich zu einem schiefen Lächeln, und er winkt kurz. Bevor ich meinen Weg fortsetze, winke ich zurück. Ich fühle mich beobachtet. Schnell husche ich um die nächste Ecke, wo ich mit Schrecken feststellen muss, dass die Laternen ausgefallen sind. Eine Einzige flackert hin und wieder. Eilend versuche ich fort zu kommen. Plötzlich sehe ich jemanden unter der flackernden Laterne stehen. Mein Herz rast. Bestimmt nur ein Fußgänger, versuche ich mich zu beruhigen. Vergebens. Denn in diesem Moment glotzen mich jene rotglühenden Augen wieder an. Alles in mir schreit nach Flucht. So schnell ich kann renne ich wieder zurück, doch am Ende der Gasse steht eine weitere Kreatur mit grässlich roten Augen. Ich bin eingeschlossen. Gefangen. Vor Angst schnürt sich meine Kehle zu, und fieberhaft suche ich nach einer Möglichkeit zu fliehen. Während ich mich umsehe, kommen beide Gestalten näher auf mich zu. Ich beginne zu zittern. Und nicht nur das. Ich löse mich auf. Blitzschnell ändert sich mein Körper von fest zu durchsichtig und bleibt schließlich durchsichtig. Panisch versuche ich mich zu bewegen, aber meine Arme und Beine gehorchen mir nicht. Was passiert mit mir?! Beide Kreaturen sind schon so nah, dass ich ihren rasselnden Atem hören kann. Immer noch bin ich bewegungsunfähig. Ein erstickter Schrei dringt aus meiner Kehle. Meine Augen wollen sich mit Tränen füllen, bleiben jedoch staubtrocken. Scheiße, verdammt! Fassungslos starre ich die eine Schreckgestalt an, während ich die Blicke der anderen in meinem Rücken spüre. Mein Gegenüber grinst hämisch und entblößt dabei zwei Reihen spitzer Zähne. »Jetzt haben wir dich.« Ich bin völlig entsetzt. Würde mein Körper mir noch gehorchen, wäre ich jetzt nur noch ein Häufchen Elend auf dem Boden. So lange verfolgen sie mich nun schon, und durch meine eigene Dummheit haben sie mich doch noch erwischt. Zu meiner Angst mischt sich Wut über mich selbst. Da beginnt mein Körper erneut zu flackern. Ich hoffe inständig er möge jetzt fest bleiben. Aber bevor ich das testen kann, sehe ich an der Ecke der Gasse die Umrisse eines Mannes stehen. Dieser scheint eindeutig menschlich zu sein, jedenfalls leuchten seine Augen nicht rot. Schon im Begriff, nach Hilfe zu rufen, zischt etwas langes, dünnes knapp an meinem Kopf vorbei. Ein schwarzer Pfeil bohrt sich mit einem dumpfen Geräusch in die Stirn der sprechenden Kreatur, begleitet von seinem schmerzvollen Aufschrei. Ich traue meinen Augen nicht, als die Gestalt zu Staub verfällt und vom Wind davongetragen wird. Die andere Kreatur reagiert mit einem wütenden Knurren, das sofort von einem weiteren dumpfen Geräusch unterbunden wird. Mehr als verwirrt und verängstigt suche ich die Quelle des Geschosses und finde eine zweite Person hinter der flackernden Laterne. Sie steht breitbeinig da, einen Bogen in den Händen haltend. Ich merke, dass ich mich wieder bewegen kann, aber trotzdem rühre ich mich nicht vom Fleck, denn weitere Kreaturen tauchen hinter dem Mann auf. »Na los, lauf!« Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich sprinte los, vorbei an dem Bogenschützen. Im Dunkeln kann ich nichts erkennen, allerdings ist mir im Moment egal, wer mir das Leben gerettet hat. Außer Atem öffne ich die Haustür und sinke von innen dagegen. Mein Kopf erscheint mir viel zu schwer, also lege ich ihn auf meinen Knien ab. »Haven, da bist du ja!« Ich hebe den Kopf wieder und sehe meine Mutter vor mir stehen. Sie zieht mich hoch. »Ich hab mir solche Sorgen gemacht.« Woher soll sie denn wissen, dass etwas passiert ist? Es kommt vor, dass ich nicht immer pünktlich bin, und sonst macht sie auch kein Drama daraus. Zu schwach zum Antworten nicke ich nur. Da kommt auch mein Vater in den Flur. »Geh packen.« »John!« Wie erstarrt sehe ich zwischen Mutter und Vater hin und her. »Wie, packen?« Erwartet er ernsthaft von mir, jetzt noch meine Sachen zusammen zu räumen? Auch meine Mutter scheint nicht begeistert. »Sie ist eben erst die Tür rein gestürzt. Ich bin froh, dass nichts schlimmeres passiert ist. Lass ihr doch noch etwas Zeit.« »Zeit? Wir haben keine Zeit, Addison. Sollen sie jetzt auch noch ins Haus kommen?! Wir brechen heute Nacht noch auf«, gibt mein Vater wütend zurück. Oh mein Gott. Heute Nacht! Ich will meinem Vater etwas gemeines entgegenschleudern, aber er hat uns bereits den Rücken zugekehrt und geht. Meine Kinnlade muss irgendwo auf Bodenhöhe sein, als meine Mutter mich an den Schultern packt. »Es tut mir Leid, Süße. Aber er hat recht.« Damit geht auch sie und ich bin wieder alleine im Flur. Das ist unglaublich. Ich fühle mich wie eine richtige Waise. Scheinbar können sie mich nicht schnell genug wieder loswerden, jetzt, da ja alles aufgeklärt ist. Jedenfalls in dieser Hinsicht. Was das alles zum Teufel soll weiß ich immer noch nicht. Ich bekomme das Gefühl nicht los, einfach abgeschoben zu werden wie ein schwererziehbarer Teenager. Zwar werden Addison und John immer meine Eltern sein, dennoch kann ich ihnen wahrscheinlich nicht verzeihen, dass sie mich all die Jahre belogen haben. Vielleicht hat sich Gabby genauso gefühlt, als sie die Wahrheit über mich erfuhr und aufs Internat musste. Mechanisch gehe ich zu meinem Zimmer. Dort steht bereits ein großer brauner Koffer. Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, daher fällt es mir schwer, den Koffer zu füllen. Schneller als mir lieb ist, ist er voll. Es tut weh, all meine Bücher hier zu lassen, obwohl ich ja versprochen habe, bald zurück zu kommen. Für drei ist aber noch Platz und behutsam lege ich sie in den Koffer. Schweren Herzens schließe ich das Gepäckstück. Ich lasse den Blick durch mein Zimmer schweifen und frage mich, wann ich es wieder sehen werde. Dann nehme ich meine rote Sweatshirt Jacke vom Stuhl, ziehe den Koffer in den Flur und schließe leise die Tür. Mein Vater wartet bereits an der Haustür. Stumm nimmt er mir den Koffer ab, um ihn ans Auto zu bringen. Draußen hat es zu regnen begonnen. Ein Blitz zuckt über den Himmel, und in der Ferne hört man Donnergrollen. Ironischerweise scheint diese Nacht keine gute Nacht für eine überstürzte Abreise zu sein. Ganz meiner Meinung entsprechend. »Komm schon, willst du Wurzeln schlagen?« fragt meine Mutter und scheucht mich aus dem Haus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)