Scenery von MiyuNiagawa (Der Blick für das Besondere) ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- „Also dann bis Morgen!", rief Suki mir zu, ehe sie in den Zug auf dem gegenüberliegenden Bahngleis einstieg. „Ja, bis Morgen!", ich winkte ihr zu, dann stieg ich in meinen eigenen Zug. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Puh, ein Glück hatte ich diese Bahn noch erwischt, sonst wäre ich zu spät zu meinem Nebenjob gekommen… Nicht, dass der liebe, alte Besitzer dort dann böse auf mich gewesen wäre… es war eher… wenn ich nicht rechtzeitig da war, musste er sich überanstrengen und das wollte ich nicht, immerhin war er ja schon alt und da helfe ich ihm natürlich wo ich nur kann. „Wir erreichen nun… Ausstieg in der Fahrtrichtung links. Bitte achten Sie auf Sicherheitshinweise und die Angestellten. Lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt liegen. Danke dass Sie mit… Express gereist sind. Wir wünschen Ihnen noch eine angenehme Weiterfahrt und einen schönen Tag", erklang die Lautsprecheransage. Hier musste ich raus. Es war klasse, dass das Café nur eine Station mit der Bahn entfernt war. So konnte ich schnell nach der Schule dorthin gelangen und wenn ich tatsächlich mal einen Zug verpasste, dann war das nicht so schlimm, oder zumindest machte es keinen so großen Unterschied. Der Zug blieb stehen und ich stieg aus. Es liefen hier ziemlich viele Leute durch die Gegend und das, obwohl sicherlich viele Schüler noch Clubaktivitäten hatten und die meisten Erwachsenen noch in der Arbeit sein mussten… Naja, aber hier war eigentlich immer viel zu viel los. Ich seufzte, dann bahnte ich mir meinen Weg durch die Masse bis hin zum Ausgang, die Treppe hinauf und ab an die frische Luft. Ich hielt an, um einen Moment tief Luft zu holen und die frische Briese zu genießen. Nur noch ein bis zwei Monate und es würde sicher schrecklich kalt werden, es war ja immerhin schon fast Ende Herbst… Ich machte mich auf zum Café Ichiraku, das nur zwei Straßen weit vom Bahnhof entfernt war. Es war nach dem alten Besitzer benannt, auch wenn ich ihn nicht Ichiraku-san nennen sollte, weil er meinte, das wäre zu höflich. Er wollte, seit ich dort angefangen hatte, dass ich ihn Teuchi-san nenne, ihn also mit Vornamen anspreche. Einmal hatte er gescherzt und gesagt, ich könne ihn auch ojii-san nennen. Bei dem Gedanken daran musste ich wieder leise lachen. Ich mochte den Alten so gerne, er war tatsächlich wie mein eigener Opa für mich. Ich bog in die Straße ein, in der das Café stand und sah auch schon ein paar Leute davor an den Stühlen draußen sitzen. Scheinbar hatten wir volles Haus! Ich schlängelte mich durch die Gäste und betrat das Café. Der Alte sah mich sofort. „Ah! Sachi-chan! Ich freue mich sehr, dass du da bist!", er lächelte mich sehr freundlich an, „Wir haben viel Kundschaft heute!" „Ja, habe ich gesehen, Teuchi-san. Ich geh mich sofort umziehen", ich grinste zurück, dann verschwand ich in den Mitarbeiterbereich, wo ich meine Arbeitskleidung anlegte. Außer mir arbeitete hier nur noch ein anderer Junge aus meiner Schule, ich kannte ihn aber nicht wirklich gut. Ayame, Teuchis Tochter, hatte seinen Ramenladen übernommen, sodass er sich jetzt nicht mehr um beides kümmern musste. Mein Arbeitskollege und ich scherzten hin und wieder etwas miteinander, aber mehr sprachen wir nicht. „Ah, Kurohara-chan" – wenn man vom Teufel spricht – „Da bist du ja. Ich hab mich gefragt, wann du endlich auftauchst." Ich streckte ihm die Zunge raus. „Du musst gar nicht so tun. Ich bin direkt nach der letzten Stunde hergekommen, weil ich heute keine Clubaktivitäten habe. Und was ist mit dir? Hast du etwa ein paar Stunden geschwänzt, dass du früher als ich hier sein konntest?" „Nein, ein Freund hat mich mitgenommen", Hozuki-kun grinste breit. „Ah ja", ich band mir meine Schürze um, dann ging ich zusammen mit ihm in den Sitzbereich der Gäste. „Du bist heute für die Tische draußen zuständig", er grinste mich mit seinen unnatürlich spitzen Zähnen breit an. „Na toll… dann geh ich mir noch schnell meine Jacke holen, sonst erfriere ich draußen…", ich machte auf dem Absatz kehrt und verschwand nochmal für zehn Sekunden in den Mitarbeiterbereich, um mir noch schnell meine Strickjacke überzuwerfen. „Neue Gäste an Tisch zehn", Teuchi-san lächelte mir zu. Ich nickte, nahm dann das Tablett mit der Bestellung für Tisch dreizehn und ging nach draußen. Es war nicht frostig, aber im T-Shirt war das nicht mehr auszuhalten, wenn wieder ein kleiner Windzug wehte. Ich brachte Tisch dreizehn die Bestellung, dann wandte ich mich Tisch zehn zu. „Guten Tag, mein Name ist Kurohara. Was darf ich Ihnen bringen?", ich lächelte die beiden Mädchen an, die an dem Tisch saßen. Beide kamen mir irgendwie bekannt vor. Wahrscheinlich waren sie auch von meiner Schule. „Wir hätten gerne zwei große Kaffee Latte. Und dazu zwei Stücke Himbeerkuchen. Danke, Kurohara-san!", die Rothaarige grinste, während die Brünette sichtlich versuchte meinen Blick zu meiden. Der Rothaarigen fiel wohl auf, dass ich es bemerkt hatte. „Tut mir leid, Natsumi-chan ist ziemlich schüchtern. Mach dir nichts draus", sie zuckte mit den Schultern und lachte, ehe sie dieser Natsumi einen Klaps auf die Schulter verpasste, weswegen sie zusammenzuckte. „Ist gut", ich schmunzelte, dann zog ich ab und teilte Teuchi-san die Bestellung der beiden Mädchen mit. „Wird schon erledigt! Ich arbeite schnell wie der Blitz!", lachte er, dann begann er die beiden Kaffee zuzubereiten, während er zwei Stücke des Kuchens abschnitt. „Ach, es ist immer so erfrischend zu sehen, wie flink ihr jungen Leute seid. Ich wäre so gern noch einmal so alt wie du und Suigetsu-kun. Ayame-chans Alter wäre auch noch passabel, aber meine liebe Tochter führt meinen alten Ramenladen und heiratet ja auch schon bald… eine Hochzeit ist was Schönes, Sachi-chan, aber noch schöner ist die Zeit, in der man so unbeschwert sein kann wie du und Suigetsu-kun." Er wandte sich mir wieder zu und platzierte die beiden Kuchenstücke und die beiden Kaffee Latte auf meinem Tablett. „So unbeschwert ist das Alter auch nicht", lachte ich leise. „Unbeschwerter als meins zumindest. Ihr müsst euch noch nicht um Krankheiten oder euren körperlichen Zustand sorgen", er lächelte mich wieder an, „Und wenn doch, habt ihr immer Erwachsene, wie eure Eltern, die sich um euch sorgen und sich um euch kümmern. Und wenn nicht eure Eltern, dann bin ja immer noch ich da!" „Danke, Teuchi-san, das bedeutet mir sehr viel", ich schmunzelte, dann drehte ich mich um und begab mich zu Tisch zehn, um den beiden Mädchen ihre Bestellung zu bringen. „Gute Arbeit heute", Teuchi-san verließ nach Hozuki-kun und mir das Café und schloss die Tür zu. „Ich bin sehr froh, dass ihr beiden bei mir und nicht bei der Konkurrenz arbeitet. Sonst hätte ich gar keine Chance…", er lachte etwas. „Gute Arbeit. Bis morgen, Teuchi-san, Kurohara-chan!", Hozuki grinste, dann wandte er sich um und ging. „Warte, Suigetsu-kun, begleite Sachi-chan doch noch zum Bahnhof!", rief Teuchi-san ihm nach. „Tut mir leid, aber ich werde hier abgeholt", Hozuki zuckte mit den Schultern, dann stieg er in ein schwarzes Auto und fuhr davon. „Dann bringe eben ich dich zum Bahnhof", Teuchi-san sah mich entschlossen an. „Nein, das ist doch nicht nötig. Sie wohnen doch nur zwei Türen weiter, das wäre so ein großer Umweg für Sie…", ich verneigte mich schnell vor ihm, „Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit, Teuchi-san. Bis morgen!" Dann wandte ich mich um und ging die Straße schnell entlang, sodass er mir nicht wirklich hinterherkam. Ich wollte nicht, dass er sich überlastete… Ich gelangte zum Bahnhof und stieg in meinen Zug ein. Ich hatte wirklich Glück, gerade eben war erst der Zug angekommen. Nur noch ein paar Stationen, dann war ich zu Hause. Ich seufzte etwas. Hoffentlich waren meine Eltern zu Hause, ich musste ihnen noch ein Dokument aus der Schule zum Unterschreiben geben. Bald kam der Zug an, ich stieg aus und ging nach Hause. Die Schicht im Café heute war wirklich gut gelaufen. Wir hatten viele Gäste gehabt, niemand hatte etwas kaputt gemacht, niemand hatte sich aufgeregt, alles war schön und friedlich verlaufen. So könnte es meinetwegen immer sein. Das wäre toll… Ich stand vor meiner Haustür und kramte meinen Schlüssel hervor, dann schloss ich auf und betrat das Haus. Überall war es dunkel… Ich seufzte. Meine Eltern waren wohl beide noch in der Arbeit… Ich streifte meine Schuhe ab, legte meine Jacke ab und ging dann in die Küche. Ich nahm mir eine Box Instant-Ramen hervor, kochte etwas Wasser auf und schüttete es über die Nudeln. Ich wartete noch eine ganze Weile auf meine Eltern. Nachdem ich meine Ramen gegessen hatte, aß ich noch einen Pudding, den letzten im Kühlschrank. Meine Eltern waren immer noch nicht da… Mist. Sie mussten den Zettel bis morgen ausfüllen… Ich fischte mein Handy aus meiner Tasche, dann wählte ich die Nummer meines Papas, wartete, ließ es klingeln. Nichts. Mailbox. Mist. Ich wählte die Nummer meiner Mama, wartete, ließ es klingeln, dann, kurz bevor die Mailbox sich eingeschaltet hätte, nahm sie ab. „Sachi-chan? Was ist los?", sie klang abwesend, wahrscheinlich saß sie noch im Büro. „Ich hab einen Zettel von der Schule bekommen, den du und Papa unterschreiben müsst", ich stützte mein Kinn in meine Handfläche. „Kann sich nicht Papa drum kümmern, Liebes?", ich hörte sie im Hintergrund auf ihre Tastatur tippen. „Papa geht nicht an sein Handy…" „Wie oft hast du es bei ihm versucht?" „Einmal." „Warum nicht öfter?" „Weil ich euch immer abwechselnd anrufe. Ich kann ja nicht wissen, wer von euch grade in einem Meeting ist, wo ich dann mit mehrfachem Geklingel nur störe und wer sein Handy neben sich am Arbeitsplatz liegen hat…" „Ach, Schatz… hör mal, grade ist ganz schlecht… kannst du… ach nein, ich komme eh bald nach Hause. Geh schön brav ins Bett, ja?" „Mama, bitte, ich muss diesen Zettel morgen ausgefüllt und unterschrieben wieder in die Schule bringen…" „Ich kann jetzt nicht von meiner Arbeit weg, entschuldige, Sachi-chan. Aber wir können ihn doch morgen früh schnell ausfüllen? Dann kannst du ihn gleich danach mit in die Schule nehmen. So. Jetzt muss ich auflegen. Hast du schon gegessen? Ich hab dir etwas Geld auf dem Esszimmertisch liegen lassen. Bestell dir doch eine Pizza oder so. Und jetzt ins Bett. Bis morgen, meine Kleine." Dann tutete es nur noch an meinem Ohr. Ich seufzte, steckte mein Handy weg und stand auf. „Scheiße…", murrte ich, ehe ich ins Bett ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)