YORU - Was die Nacht verrät von Dollface-Quinn ================================================================================ Kapitel 1: YORU NO 1 -------------------- Mikey seufzte einmal tief auf, bevor er mit der Sprache rausrückte. „Ich kann einfach nicht schlafen. Seit Tagen!“, murmelte er. Raphaels Augen weiteten sich für einen Moment ungläubig, dann verengten sie sich wieder. „Dein ernst?!“, fragte er aufgebracht und Mikey beeilte sich zu erklären, bevor der muskulöse Mutant ihn noch hochkant aus dem Zimmer warf. „Diese Sache mit den Gehirnen in den Robotern. Ich muss dauernd daran denken.“ Für einen Moment war es wieder still. Dann fuhr sich Raphael mit der Hand über das Gesicht, um den letzten Rest Müdigkeit zu vertreiben und stand schließlich auf. Wortlos ging er zur Tür und betätigte den Lichtschalter daneben. In der Mitte des Zimmers flackerte eine nackte Glühbirne auf. Michelangelo bedeckte geblendet die Augen und blinzelte durch die Finger, während er sich aufsetzte. Als er wieder sehen konnte, rieb er sich den schmerzenden Nacken. Raphael ging an ihm vorbei, hob im Gehen den Sai auf, den er fallen gelassen hatte und legte beide Waffen wieder auf ihren Platz vor dem Bett zurück. Spike, die Schildkröte, schlief unbeeindruckt auf seinem Kissen. Der muskulöse Turtle betrachtete seine Hausschildkröte, während er sich auf das Bett setzte und als er sprach, wandte er die Augen nicht von dem Tier ab. „Warum gehst du damit nicht Leo oder Donnie auf den Zeiger?“, fragte er schroff. Michelangelo stupste die Enden seiner Zeigefinger aneinander und sah unstet zwischen seinen Knien, dem Teppich und Raphael hin und her. „Leo würde mir nur einen splinterhaften Vortrag über Selbstbeherrschung und so 'n Zeug halten. Und Donnie schließt mich vielleicht an irgendein Gerät an, um meine Schlaflosigkeit zu erforschen. Außerdem...“, nun sah er Raphael mit seinen berühmt-berüchtigten großen treuen Welpenaugen von unten herauf an, „Außerdem bist du immer der erste, der kommt, wenn ich in Schwierigkeiten stecke.“ „Das ist purer Zufall!“, hielt Raphael sofort dagegen. Aber Michelangelo hatte sich in den Kopf gesetzt mit Raphael über sein Problem zu reden und zog das nun auch durch. „Weißt du, immer wenn ich die Augen zu mache, sehe ich so ein Schlabbergehirn auf mein Gesicht zufliegen. Ich denke immer, sie kommen und holen mich, wenn ich einschlafe.“, erzählte er schaudernd. „Was sollen die denn mit 'nem Torfkopf wie dir anfangen?“, schnauzte Raphael, aber sein Tonfall war bereits spürbar weniger abweisend. Sie sahen Spike eine Weile beim Schlafen zu, dann fragte Michelangelo in die Stille hinein: „Also darf ich bleiben?“ Raphaels Kopf ruckte herum wie der einer gereizten Viper. „Was?!“ Dann sah er Mikeys betretenes Gesicht und ihm ging auf, dass der Kleine wirklich Angst hatte. „Dein ernst?“, fragte er und seine Stimme rutschte ein klein wenig in die Höhe. „Mann Mikey, für wie alt hältst du dich denn?“ Aber seine Worte und der strenge Blick halfen nichts. Michelangelo blieb auf dem Boden sitzen und machte ganz traurige Hundeaugen. „Bitte Raph, ich hab seit Tagen nicht geschlafen. Nur heute, ja? Bitte, bitte, bitte.“, dabei rutschte der junge Mutant auf den Knien bis vor Raphaels Füße und streckte flehend die Hände nach ihm aus. „Du warst immer mein Lieblingsbruder, weißt du das?“, versuchte er es mit Schmeichelei. Als er Raphael zu nahe kam, packte ihn dieser beim Gesicht und stieß ihn wieder ins Zimmer hinein. Aber der kleine Quälgeist kam sofort wieder angekrabbelt. „Ach komm schon Raph!“, bettelte er. „Nein!“, schnauzte der Ältere. „Biiitteeeee.“, jammerte der andere unermüdlich. „Nein!“ „Aber du bist der einzige, der mich beschützen kann! Du bist der beste Kämpfer von uns allen. Du bist sogar besser als Leo!“ Raphaels Blick wurde eine Spur weicher und ein überhebliches Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Klar bin ich besser als Leo. Der ist doch nur Anführer geworden, weil er als erster 'Hier' gerufen hat! Wenn ich der Anführer wäre, dann wärt ihr alle längst bessere Kämpfer!“, prahlte er selbstverliebt. Michelangelo sah ihn schräg an. „Jaaaa.“, meinte er gedehnt, „Also beschützt du mich? Nur heute Nacht. Damit ich schlafen kann?“, fragte er hoffnungsvoll. Raphael sah ihn eine Weile lang so eindringlich an, dass der Kleinere allmählich nervös wurde. Aber dann kniff er die Augen zusammen, und knurrte: „Aaargh, na gut!“ Michelangelo stieß die Faust in die Luft, wurde aber sofort in seinem Jubel abgewürgt. Raphael packte ihn am Kopf und starrte ihm eindringlich in die Augen. „Nur! Diese! Eine! Nacht!“, schärfte er dem Bruder ein. „Und du erzählst niemandem davon, sonst prügel' ich dir das Grün von der Haut, ist da klar?!“, drohte er und hielt Mikey dabei die Faust vors Gesicht. „Ist das klar?“, wiederholte er und setzte seinem Bruder den Zeigefinger wie eine Waffe an die Stirn. „Alles klar, du bist der Boss.“, stimmte der Mutant mit der gelben Augenbinde glücklich zu und tat so als würde er seine Lippen wie einen Reißverschluss zu ziehen. Raphael ließ ihn resignierend los und verschränkte die Arme vor dem Brustpanzer. „Ja genau. Ich bin der verfluchte Boss.“, murrte er. Der Sais-Kämpfer war wirklich müde. Erst der Kampf gegen diese komischen Alien-Roboter und dann das Dauertraining durch Splinter forderten ihren Tribut. Dass Mikey nächtelang nicht geschlafen hatte, erklärte aber dessen anhaltende Tolpatschigkeit im Kampf. Sie mussten beide dringend schlafen. „Oh ich wusste, du würdest mich nicht im Stich lassen!“, feierte Michelangelo und wollte seinem Bruder um den Hals fallen, der stemmte ihm allerdings den Fuß in den Bauch und hielt ihn so auf Abstand. „Du kannst von mir aus im Sessel schlafen, aber nur, wenn du endlich Ruhe gibst!“, dabei zeigte er auf einen alten, braunen Polstersessel, der unter seinem Bücherregal stand. Michelangelo sah entsetzt zwischen dem Sessel und seinem Bruder hin und her. „Das meinst du nicht ernst, oder? Raph? Das kannst du mir nicht antun. Ich habe Ewigkeiten nicht geschlafen und jetzt willst du, dass ich auf einem Stuhl übernachte? Warum bist du nur so herzlos zu deinem armen Brüderchen?!“, heulte er protestierend auf. „Diese Gehirne kommen und fressen mir das Gesicht weg, während du in deinem Bett liegst und gar nichts mitbekommst!“ Michelangelo wurde immer hysterischer, während Raphael, der nur mühsam seinen Zorn unterdrückte, den Kopf in die Hände sinken ließ. Schließlich sprang der grüne Mutant auf, packte seinen lamentierenden Bruder bei den Schultern und schüttelte ihn kräftig durch. „Es gibt keine Gehirn-Aliens in meinem Zimmer!“, fuhr er Mikey an, doch dieser suchte bereits ängstlich mit den Augen die Ecken des Raumes ab. Raphael fluchte. „Arrgh, du bist unerträglich Mikey!“, warf er dem Kleineren an den Kopf. Dann packte er den Arm seines Bruders und drehte ihn auf den Rücken. „Und wehe, du erzählst das weiter!“, warnte er den jüngeren noch einmal. Michelangelo nickte heftig, aber das ließ Raphael nicht gelten. „Was?“, fragte er knurrend, leckte einen Finger ab und führte ihn bedrohlich nahe an Mikeys Ohr. „Nein, Raph. Bitte nicht! Das ist gemein!“, erwiderte der Nunchaku-Kämpfer und zappelte, aber Raphaels Griff war für den übermüdeten Turtle nicht zu brechen. Ein fieses Grinsen zierte nun das Gesicht des Stärkeren, der Finger fand sein Ziel und Michelangelo erschauderte vor Ekel. „Ist ja gut, ich erzähle es nicht weiter. Hab ich doch schon gesagt! Ich geb' dir mein Ehrenwort als Ninja.“, maulte er. Raphael machte ein Geräusch als bezweifelte er, dass dieses Ehrenwort viel wert war, ließ aber los. Anschließend ließ er sich in den Sessel fallen und verschränkte mürrisch die Arme. „Hau dich schon ins Bett, du Nervensäge!“, schnauzte er. Michelangelo strahlte wieder über das ganze Gesicht. „Danke, Raph.“, sagte er seelenvoll und der muskulöse Turtle hatte plötzlich Mühe seine strenge Miene aufrecht zu erhalten. Michelangelo kroch in das Bett und zog sich die Decke über den Kopf. „Du musst aber auf mich aufpassen, damit mich keine Gehirne holen.“, kam es nach ein paar Sekunden ängstlich unter der Decke hervor. „Nicht einschlafen!“ „Ja ja.“, raunte Raphael, der bereits tiefer in die Polster des Sessels gerutscht war und die Augen geschlossen hielt. Unter der Decke seufzte es noch einmal erleichtert und kurz darauf war von beiden Turtles nur noch leises Atmen und gelegentliches Schnarchen zu hören. Aber Raphael schlief unruhig. Der Sessel war zum Lesen durchaus geeignet, aber nicht um darin die Nacht zu verbringen. Die alten Federn knarzten und die Polster waren staubig. So warf sich Raphael auf der Suche nach einer bequemen Position immer wieder herum, bis er es eine halbe Stunde vor seiner üblichen Zeit nicht mehr aushielt und die Augen aufschlug. Er stand auf, streckte seine steifen Glieder und durchquerte den Raum, um die Tür einen Spalt zu öffnen und hinaus zu sehen. An den durch die Asphaltgitter dringenden Lichtstrahlen erkannte er, wie spät es war und das seine Brüder Leonardo und Donatello auch bald aufstehen würden. Jetzt reichte es ihm allerdings. Seine Gutmütigkeit hatte sehr eng beieinander liegende Grenzen und die waren jetzt erreicht. Leise schloss er die Tür wieder und ging dann mit ausgestreckten Armen auf sein Bett zu, in dem Michelangelo selig unter der Decke schlief. Er packte den Stoff mit beiden Händen und zog ihn ruckartig herunter. Michelangelo bemerkte davon aber gar nichts. Er schlief ungestört weiter, die Beine angezogen und die Hände unter dem Gesicht gefaltet mit einem einfältigen Lächeln im Gesicht. Raphael murrte enttäuscht. Aber dann begann er wieder zu grinsen, denn nun konnte er seinen Rachegelüsten für die verdorbene Nacht freien Lauf lassen. „Oh Mikey!“, flötete er in schlecht gespielter Unschuld nahe seinem Ohr, dann packte er Michelangelo am Panzer und stemmte ihn über seinem Kopf in die Höhe mit der Absicht ihn zur Tür zu tragen und rauszuwerfen. Mikey wurde allerdings schlagartig wach, als er so schroff angepackt wurde und glaubte natürlich, dass nun die Aliens gekommen seien, um ihn zu holen. Augenblicklich fing er an wie am Spieß um Hilfe zu schreien. Und zwar nach Raphael! Spike erwachte davon und zog sich vor Schreck in seinen Panzer zurück. Als Raphael seinen Namen hörte ging ihm auf, dass er es wohl zu weit getrieben hatte und ließ Michelangelo wieder runter. Um das Krakeelen seines panischen Bruders zu stoppen, stopfte er ihm sein halbes Kissen in den Mund. „Hältst du jetzt endlich die Klappe?!“, schnauzte er den Kleineren mit gedämpfter Stimme an. Er schielte über die Schulter zur Tür, während er Michelangelo an den Schultern packte, damit dieser ihn ansah und begriff, dass ihm nichts schlimmes passierte. Michelangelo beruhigte sich rasch wieder und nahm sich selbst das Kissen aus dem Mund. „Spinnst du?!“, fuhr er seinen jähzornigen Bruder an. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt. Es war ein Fehler zu dir zu kommen.“, damit wich er Raphaels Blick aus und sah enttäuscht zur Seite. Der Schreck saß tief. Die stechend grünen Augen des Sai-Kämpfers weiteten sich, als er seinen kleinen Bruder so sah und er begriff, dass er es verbockt hatte. Michelangelo war mit seinem Problem zu ihm gekommen und hatte um Hilfe gebeten, weil er ihm vertraute und er hatte ihn rücksichtslos seinen Launen ausgesetzt. Nun standen sich die beiden Turtles gegenüber und wagten nicht sich anzusehen. Raphael hatte seine Hände immer noch an Michelangelos Armen, aber der Griff war locker. Schließlich murmelte Mikey: „Ich geh dann jetzt besser. Und keine Sorge, ich gehe dir bestimmt nicht mehr auf die Nerven.“ Damit durchbrach er Raphaels Griff und wollte an ihm vorbei. Raphaels Gedanken rasten, doch wie immer siegte sein Herz, bevor sein Kopf eine Entscheidung getroffen hatte. Er trat einen Schritt vor und griff Michelangelo erneut, diesmal bei den Schultern. „Mikey.“, begann er, aber Michelangelo war zu getroffen. „Bemüh' dich nicht. Ich habe verstanden.“ Aber der jähzornige Turtle ließ ihn nicht los. „Kannst du nicht mal einen Moment still sein und zuhören?! Ich versuche mich zu entschuldigen!“, fuhr er ihn wütend an, rief sich dann aber selbst zur Ordnung. Sein Temperament hatte ihn doch gerade in diese Situation gebracht und er machte gerade so weiter. Das musste jetzt aufhören. Raphael atmete tief durch, bevor er Michelangelo wieder ansah. „Ich hab' nicht gewusst, dass es so schlimm ist, Mikey. Hast du wirklich so 'ne Angst?“, fragte er ruhig und fast einfühlsam. Dabei sah er mit offenen Augen geradewegs in das Gesicht seines Bruders, das dieser immer noch abwandte. Diesmal allerdings vor Scham, wie er vermutete. „Diese Dinger lassen mich nicht schlafen. Ich merke doch selber wie unkonzentriert ich bin. Gestern hab' ich mich beim Training mit den Nunchakus selber ausgeknockt. Ich bin echt verzweifelt, Raph.“, beichtete er nuschelnd. Raphael verstand nun. Er ließ Michelangelo los und legte ihm brüderlich eine Hand auf die Schulter. „Wir kriegen das hin, Mikey. Wir werden deine Angst in den Griff kriegen und das nächste mal trittst du diesen Schwabbelhirnen in den Hintern!“, versprach er. Michelangelo sah in Raphs selbstsicher grinsendes Gesicht und musste lächeln. Er fuhr sich mit der Hand über die Nase und fragte: „Wie willst du das anstellen, Bro?“ Raphael trat ein paar Schritte zurück. Er fühlte sich bei zu viel Nähe nicht sehr wohl, aber jetzt konnte er seinem Bruder helfen. „Na wie schon? Wir trainieren zusammen. Wenn Splinters Training vorbei ist, machen wir beide weiter und konzentrieren uns auf diese Aliendinger. Wenn du sie im Training oft genug vermöbelst, packst du das auch im Ernstfall! Und außerdem wird dich das Extratraining richtig schön müde machen.“ Er sagte das mit so viel Überzeugung, dass der Glanz in Michelangelos Augen zurückkehrte. „Und du meinst, das haut hin?“, fragte er hoffnungsvoll. „Ganz sicher.“, versprach Raphael und stemmte die Fäuste in die Seiten. Daraufhin führte Michelangelo einen kleinen Freudentanz auf und sein muskulöser Bruder sah ihm amüsiert dabei zu. Schließlich musste er ihn aber bremsen. „Wir sollten zum trainieren in die Kanalisation gehen, sonst kriegen die anderen was mit.“, warnte er. „Aber jetzt musst du hier raus, bevor die anderen Wind davon kriegen, dass du die Nacht über hier warst.“ Damit schob er den jüngeren zur Tür. „Warum regst du dich deswegen eigentlich so auf?“, fragte der und drehte den Kopf, um den rechtmäßigen Herrscher über das Zimmer anzusehen. Dessen Augen brannten wie glühende Kohle, sodass Mikey den Kopf zwischen die Schultern zog, auf eine Antwort verzichtete und im Krebsgang das Zimmer verließ. Raphael drückte hinter ihm die Tür ins Schloss, schlurfte müde zum Bett ohne das speichelfeuchte Kopfkissen vom Boden aufzuheben und ließ sich rückwärts auf die Matratze fallen. Mit der festen Absicht Mikey nie wieder bei sich übernachten zu lassen, schloss er die Augen um wenigstens die letzte halbe Stunde noch zu schlafen, bevor Splinter sie wieder von einer Trainingseinheit in die nächste scheuchen würde. 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