Perfekt wie Du von -Zico- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich wusste, dass deine Seele brannte. Deine Augen allein haben schon gereicht, um dich vollständig lesen zu können. Mehr brauchte ich nicht, um zu verstehen, wie sehr du meine Lippen wolltest. Wie du mich anstarrtest. Ich liebte das Gefühl von dir gewollt zu werden. Ich liebte deine Lippen auf meiner Haut zu spüren, deine Finger, wenn sie mich sanft berührten, nur um im nächsten Moment Gefühle in mir zu wecken, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gab. Dein Körper war genauso, wie ich es mir immer schon von einem Mann gewünscht hatte. Deine glänzende, braun gebrannte Haut passte perfekt zu deinen glatten, schwarzen Haaren, die dir bis zu den Augen reichten. Dein athletischer, schlanker Körper machte jede Frau und so manchen Mann verrückt. Auch dein Intellekt lag überm Durchschnitt. Du wusstest über die Welt Bescheid und liebtest es, dich stundenlang mit irgendwelchen Computerprogrammen zu beschäftigten, die ich auch mit viel Anstrengung nicht verstanden hätte. Und dabei war ich nicht dumm.   Du warst einfach perfekt.   Doch ich brannte nicht für dich. Vielleicht für deinen Körper, aber definitiv nicht für dich.   Was war los mit mir? Warum konnte ich dich nicht lieben?   Vielleicht war es dein Charakter, ja, deine Einstellung zu anderen Menschen, die mir Angst machte. Du versichertest mir zwar immer wieder, wie sehr du mich liebtest, wie sehr du mich brauchtest, doch wie konnte ich mir denn so sicher sein, dass nicht auch ich einer war von den vielen Marionetten, die tagtäglich nach deiner Musik tanzten? Du spieltest Menschen nämlich nach allen Regeln der Kunst gegeneinander aus, um in jeder Situation die Oberhand zu haben. Ich brannte nicht für dich und du wusstest es. Du warst nicht blind. Und doch konntest du dich nicht von mir trennen. Als du mich damals gefragt hast, ob wir für einander gemacht seien, wie hast du dich da gefühlt? Hattest du gehofft ein „Ja“ von mir zu hören? Du kanntest doch schon die Antwort, bevor ich auch nur ein Wort zu sprechen hatte. Warum hattest du also diese dumme Frage gestellt? Ich war zwar ähnlich kalt und distanziert wie du in meiner Art, aber ich hasste es, anderen diese Seite von mir zu zeigen. Besonders dir. Mir blieb nichts Anderes übrig, als dir zu antworten. War da ein wenig Hoffnung, die ich in diesem Moment in deinen Augen aufblitzen sah? Wahrscheinlich nicht. So dumm und naiv konntest du einfach nicht sein. Ich hätte lügen können, ja, aber auf solche Spielchen ließ ich mich niemals ein und auch das wusstest du ganz genau. „Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich mit dir zusammen bin oder nicht. Es ist schön, dich da zu haben, ich würde aber nicht daran sterben, von dir getrennt zu sein. Sorry.“ Die Wochen danach meldetest du dich nicht mehr so oft bei mir, wie ich es von dir gewohnt war. Wir trafen uns weiterhin. Wir küssten einander. Wir schliefen miteinander, aber du sprachst jetzt viel weniger mit mir. Hatte ich deinen Stolz verletzt oder dir wirklich das Herz gebrochen? Ich wusste es nicht. Mir war es nicht besonders wichtig, die Antwort auf diese Frage zu kennen.   Erst als du mir an diesem verschneiten Dezemberabend einige Monate später einen Heiratsantrag machtest, verstand ich den Ernst der Lage, in die wir uns beide hineinmanövriert hatten. Ich hatte nichts von deinen Plänen vorher geahnt, denn wir hatten schon oft Dates in teuren Restaurants gehabt. Als du den Ring rausholtest aus deiner Tasche, da empfand ich nicht sehr viel. Er war schön, der Ring. Aus Weißgold und mit vielen kleinen, glänzenden Diamanten besetzt. Du hattest einen guten Geschmack was Mode und Schmuck betraf, das konnte man an deinem eigenen Kleidungsstil sehr schnell erkennen. Diese saß immer wie angegossen an dir. So auch an diesem Abend. Dem Anlass entsprechend hattest du einen dunklen Maßanzug an und dazu dunkelbraune Lederschuhe. Am linken Arm trugst du eine schwarze, teure Markenuhr, von denen du so einige Zuhause hattest. Die erwartungsvollen Gesichter der anderen Gäste ließ mich dann endlich begreifen, dass dieser Abend kein normaler sein würde. Kapitel 2: ----------- Das erste Mal aufgefallen bist du mir auf unserer Abschlussfeier. So 17, 18 Jahre alt müssten wir da gewesen sein, schätze ich. Wir besuchten die gleiche Stufe, mehr wusste ich nicht über dich. Nicht einmal deinen Namen. Du hattest dieses dunkelrote, enganliegende Kleid an, dass die Blicke unserer ehemaligen Mitschüler vollständig auf dich zog. Ja, ich gebe zu, mich miteingeschlossen. Inzwischen kenne ich deinen Körper aber sowieso besser als der Typ, den du damals gedatet hast. Er war älter als du, Student wahrscheinlich und leicht überheblich in seiner Ausstrahlung. Die Art, wie er das Sektglas in seiner Hand hielt, hat für mich schon gereicht, um das zu wissen. Die anderen Mädels waren neidisch auf dich und deine Verabredung, das habe sogar ich mitbekommen. Du hast wohl immer schon hohe Ansprüche gehabt, was? Aber ich habe immer diesen Ansprüchen genügt. Damals bin ich aber nicht auf die Idee gekommen dich um ein Date zu bitten. Vielleicht weil du vergeben warst, vielleicht aber auch, weil ich mit den anderen Mädels auf der Feier und auch danach so meinen Spaß hatte. Mit 17 ist die Liebe noch ein unbekanntes Abenteuer, dass von uns erst erlebt werden muss. Und ich habe keine Gelegenheit sausen lassen, genau das auch zu tun. Ob ich heute mehr über die Liebe weiß als damals? Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht. Ist das denn überhaupt wichtig? Nach unserem Abschluss habe ich dich eine lange Zeit nicht mehr gesehen. Nach Australien bist du gegangen, haben mir die anderen gesagt und danach in eine andere Stadt zum Studieren. Du hast mir in dieser Zeit sehr gefehlt. Obwohl ich dich noch gar nicht gekannt habe. Kapitel 3: ----------- Was genau war die Kette, die uns eigentlich zusammenhielt? Unsere Entscheidungen? Der Zufall oder vielleicht doch die Liebe? Ich verstand dich nicht. Nicht in diesem Moment. Und auch sonst nicht. Was wolltest du von mir? Ein weiteres Mal abgewiesen werden? Oder hattest du wirklich auf ein Wunder gehofft, ein Ja von mir und dann ein Happy-Ending wie im Märchenbuch?   Für die anderen Gäste wurden wir in diesem, von dir allein gewählten Moment, zum Symbol der Liebe. Wir hatten ihre klischeehaften Erwartungen an die reine Liebe zu erfüllen. Verliebte Blicke wollten sie sehen. Ein Kuss, dem meine Tränen vorauszugehen hatten. Eventuell auch noch ein Versprechen für immer füreinander da zu sein. „In guten wie in schlechten Tagen“ -  wie man immer wieder hört und nie sieht. Keiner von ihnen würde jemals im Leben den Erwartungen genügen, die sie an uns stellten. Wir waren nicht mehr wir. Wir waren das verliebte Paar. Zeitlos. Körperlos. Ohne Hintergrundgeschichte. Nicht wie sie selbst. Wir mussten keine Rechnungen bezahlen. Mit Cellulite kämpfen. Oder auf die nächste Demütigung auf der Arbeit warten. Wir existierten nur, um die Liebe zu verkörpern, dieses seltsame Konstrukt, das in ihren eigenen Leben fehlte. Ich muss gestehen, die Situation machte mich tatsächlich ein wenig nervös. Wahrscheinlich hattest du genau darauf gepokert. Du wolltest meine Schwäche sehen. Ich hatte dich also wirklich in deinem Stolz verletzt. Und dabei war mir dein Stolz egal.   „Ich habe mit dir meine fehlende Hälfte gefunden. Ich will keine Sekunde mehr ohne dich Leben. Du bist der Grund, warum ich existiere.“   Eine Floskel nach der anderen. Eine Lüge nach der anderen. Mit wenig Mühe aneinandergereiht.   „Also sag mir meine Liebste, willst du mich heiraten?“ Ein weiterer unehrlicher Blick und irgendwie hattest du dich wirklich vor mir niedergekniet.   Du würdest mich nicht einknicken sehen. Keine Chance. Wenn du wirklich glaubtest unsere Beziehung hier auf diese Art und Weise beenden zu können und mich gleichzeitig zur Hassfigur der anwesenden Blicke zu machen, dann hattest du dich vollständig geirrt. Du würdest den heutigen Abend noch lange bereuen, das hatte ich mir in diesem Moment geschworen.   „Natürlich will ich. Ich liebe dich so sehr. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“   Ich hörte nur noch lautes Klatschen. Ich spürte deine Umarmung und ich roch dein Aftershave. Du hattest einen neuen aufgetragen. Mir gefiel der Geruch nicht. Kapitel 4: ----------- Ich war betrunken. Und die Musik hallte noch lange in meinem Kopf nach. EDM-Musik war nie wirklich meine Musikrichtung gewesen. Ganz im Gegenteil, lieber hätte ich auf einem Flughafen gewohnt, als mir solche Musik auf täglicher Basis zu geben. Aber an diesem Abend fühlte es sich gut an, sich in ihrem Rhythmus zu verlieren. EDM-Musik ist laut. Sie ist generisch und trotzdem immer wieder überraschend. Ein wenig so wie das Leben selbst. Zumindest war meines immer schon sehr laut gewesen. Man hatte mir früh zu verstehen gegeben, dass wirklich Verlass nur auf eine einzige Person war und das war ich selbst. Mein Vater hatte uns verlassen, da war ich noch nicht einmal geboren. Meine Mutter flüchtete sich von einer Beziehung in die andere. Wahrscheinlich wäre ihr Leben einfacher für sie gewesen, wenn ich nicht existiert hätte. Zum Abtreiben hatte ihr der Mut gefehlt. Das hatte sie damals einer Freundin erzählt und dabei nicht bemerkt, dass ich schon nach Hause gekommen war von der Schule. Ich hatte es vorher aber schon geahnt, dass ihr nicht viel an mir lag.   Will ich mit diesen Worten Mitleid erzeugen? Ich brauche sowas nicht, denn bemitleiden tue ich nur andere. Menschen, die schwach sind und die dem Leben die Schuld darangeben. So wie meine Mutter, die sich vor einigen Jahren dann das Leben genommen hat. Eine Brücke, von der fünf Jahre zuvor bereits jemand gesprungen war, war der Todesort. Einen großen Unterschied machte ihr Ausscheiden aus dem Leben für mich jedoch nicht. Besuchen tat ich sie sowieso nie. Die Bücke aber, die überquerte ich jetzt häufiger als zuvor.   Deine rot geschminkten Lippen, ich hatte sie heute zum ersten Mal auf der Party geschmeckt. Ich wollte mehr, doch ich wusste genau, dass du mit mir zu spielen begonnen hattest. Das machte nichts, denn ich spielte für mein Leben gern mit Frauen.  Kapitel 5: ----------- 20 Tage Zeit hatte ich dir gegeben. Danach würde ich deine Nummer löschen.   Tag 1 und du riefst mich nicht an. Nicht dass ich es erwartet hätte. Es würde keinen Spaß machen, wenn das Spiel zu einfach war. Viel zu überlegen gab es da also nicht. Tag 1 war ein ganz gewöhnlicher Sonntag in meinem Leben gewesen. Den Kater vom letzten Abend auskurieren, ein bisschen aufräumen und mich danach mit Leuten treffen, meine Pläne für Sonntag waren immer sehr ähnlich, zumindest seitdem ich mich von meinem Ex getrennt hatte. Ich mochte Sonntage nicht. Sie waren zu ruhig, so als ob die Welt stehen geblieben wäre. Wenn du so viel Zeit hast, dann kannst du nicht wirklich verdrängen. Auch wenn du nichts mehr willst als das.   Tag 2 und du riefst mich nicht an. Montage waren für mich immer ein Zeichen dafür, dass die Welt sich doch drehte. Sie bedeuteten Arbeit und Flucht.   Tag 3 und du riefst mich nicht an. Ich musste zum ersten Mal nach der Party an dein Lächeln denken. Mein Ex hatte immer gelächelt, wenn er Etwas vertuschen wollte. Zum Beispiel seine gelegentlichen Abenteuer mit anderen Frauen. Erst als er mich mit meiner besten Freundin betrogen hatte, da erst habe ich dann die Notwendigkeit sehen müssen, die Reizleine zu ziehen. Es wurde gesellschaftlich so von mir erwartet und da mir der Schein immer wichtiger war als das sein, machte ich dann schließlich Schluss mit ihm. Seine Tränen hatte ich davor noch nie gesehen, ein Anblick, den ich mir gerne erspart hätte. Es hatte ihm leidgetan. Mir aber kein bisschen.   Tag 4 und du riefst mich nicht an. Die ersten anderen Typen von der Party meldeten sich. Sie wollten mich zum Essen einladen, mit mir ins Kino gehen oder einfach nur Sex, sich die Zeit vertreiben mit mir. Dieser Typ Mann war mir inzwischen am liebsten.   Tag 5 und du riefst mich nicht an. Ich hatte an diesem Tag vergessen meinen Regenschirm mitzunehmen. Nass zu werden von den fallenden Regentropfen fühlte sich gut an. Auch wenn meine verlaufende Mascara nicht unbedingt ästhetisch aussah.   Tag 6 und du riefst mich nicht an. Ich hatte viel zu tun und war gestresst von der Arbeit. Unser Team hatte ein neues, größeres Projekt gestartet und ich kam deshalb jetzt häufiger erst spät abends nach Hause. Den Überblick über meine vielen Überstunden hatte ich schon längst verloren. Aber je mehr ich zu arbeiten hatte, desto weniger musste ich über mich, über mein Leben nachdenken. Deswegen beschwerte ich mich nie und war insgesamt sogar ein wenig froh über die Situation.     Tag 8 und du riefst mich nicht an. Es war Sonntag und ich wünschte mir, du würdest mich anrufen.   Tag 9 und du riefst mich nicht an. Es regnete wieder. Diesmal hatte ich aber einen Regenschirm dabei. Ich hatte mich nach der Arbeit auf ein Date mit einem der Typen von der Party eingelassen, bereute die Entscheidung aber bereits in dem Moment, wo er mich begrüßte. Sein Lächeln gefiel mir nicht. Seine Tränen würde ich nicht sehen wollen.   Tag 12 und du riefst mich nicht an. Mein Ex hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, mich immer um Punkt neun Uhr abends anzurufen. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, damit ein Alibi zu haben, dass ihn vor allen Zweifeln bewahren würde. Wahrscheinlich hatte seine Geliebte da neben ihm gelegen, während er mir von seinem Tag berichtetet und seine unendliche Liebe bekundete. Der Typ, mit dem ich das Date hatte, rief um Punkt neun Uhr an. Er erzählte mir von seinem Tag. Bevor er zu dem Part mit der Liebe kommen konnte, hatte ich bereits aufgelegt.   Tag 14 und du riefst mich nicht an. Ich hatte Lust mich zu betrinken heute und das tat ich auch. Nicht weil es Etwas zu feiern gab, und auch nicht, weil ich Etwas zu verarbeiten hatte. Einfach nur, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte mit meiner freien Zeit, mit meinen Gedanken, mit mir selbst.   Tag 15 und du riefst mich an. Ich ging nicht ran. Kapitel 6: ----------- Alles was ich sehe bist du. Zumindest wenn ich meine Augen schließe. Wenn ich sie öffne, dann sehe ich nichts mehr. Ich bin blind im wachen Zustand und im Traum bin ich verloren.   Hatte ich dich verwirrt oder warst du es bereits gewesen, schon bevor wir uns erneut begegnet sind? Der Zufall hatte uns erst nach neun Monaten wieder zusammengeführt. Das du nicht auf meine Anrufe reagiert hattest, machte meine Begierde danach, dich wieder zu sehen nur umso größer.  Ja, ich hatte mich nach dir gesehnt. Und jetzt standst du tatsächlich vor mir, mit großen verwirrten Augen. Ein wenig schade war es schon um die Rosen, die du im Affekt hattest auf den Boden fallen lassen.   Deine Verabredung sah es nicht gerne, dass du mich so anzustarren begonnen hattest. Und noch viel weniger freute es ihn, dass ich deinen Blicken nicht auswich. Ganz im Gegenteil, insgeheim fand ich es schön eine solche Reaktion in dir auszulösen und das hatte er wahrscheinlich gespürt. Hatte er dir die Rosen geschenkt? Umso besser, dachte ich mir und begann sie einzeln vom Asphalt aufzuheben und dir dann in die Hand zu drücken. Deine Verabredung schien langsam wütend zu werden. Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass du ihm die Situation erklärtest, doch du tatst es nicht.     Du schautest mich einen weiteren Moment noch an, nur um im nächsten Moment auf mich zuzukommen und mich fest, ganz ohne jegliche scheu zu küssen. Diesmal war ich es, der überwältigt war von der Situation und dem Wunsch dir nah zu sein. Das nächste was ich spürte war die Faust deines Freundes in meinem Gesicht, der uns sofort auseinander zu reißen versucht hatte. Einen schöneren Triumph hätte er mir mit seinem Verhalten nicht schenken können.   Ich machte keinerlei Bemühungen mich zu wehren, denn auf eine Prügelei mitten in der Tiefgarage unseres Hotels hatte ich keinerlei Lust gehabt, was aber auch nicht besonders schlimm war, denn seine Schläge taten nicht wirklich weh. War er einfach nur schwach gewesen oder war ich noch so in Ektase von unserem Kuss?   Das war der Tag, an dem wir damals zusammengekommen sind. Dein Freund war schließlich in sein Auto verschwunden und hatte dich ohne deine Sachen bei mir zurückgelassen.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)