Freundschaftsdienste von Arianrhod- ([Stingue]) ================================================================================ ʕ •ᴥ•ʔっ由 -------- „Warum kann Yukino das eigentlich nicht selber machen?”, wiederholte Rogue die rhetorische Frage, die er heute schon mehr als einmal gestellt hatte und auf die er noch keine klare Antwort bekommen hatte. Natürlich wusste er, was dahinter steckte, aber er konnte doch ein wenig rummaulen, wenn er schon solche Mühen auf sich nahm, oder? Kurz blickte er sich um, ehe er die geschäftige Straße überquerte. Sie war nicht mehr ganz in der Stadtmitte, aber noch nah genug an der Uni, dass viele der billigen Apartments hier an Studenten vermietet wurden. Die teilweise historischen Backsteingebäude waren hübsch anzusehen, aber die Sanierung kostete Unmengen Geld, weswegen sie nur langsam voranschritt, was veraltete Wohnungen bedeutete. Kleine Geschäfte, Cafés und Second-Hand-Läden reihten sich aneinander zu einem adretten Straßenbild, das in dem Künstlerviertel vorherrschte. Er kam sogar an einem gut besuchten Diner vorbei, dessen Hinweisschild Heute hausgemachter Schokolade-Erdbeer-Kuchen! verkündete und über dessen Tür in verschnörkelten Buchstaben Phantom’s Diner stand. Der späte Nachmittag brachte es mit sich, dass eine ganze Menge Leute unterwegs waren, die sich gegenseitig im Weg herumgingen. Unter die Einheimischen mischten sich eindeutig eine Menge Touristen, die die Stadt natürlich nicht verlassen konnten, ohne einmal das berühmte Saberviertel betreten zu haben. Auch Rogue hatte es erst jetzt geschafft, her zu fahren, da er mit Uni und Arbeit beschäftigt gewesen war. Was tat man nicht alles für seine Freunde… Dummerweise schuldete er Yukino einen Gefallen, der hiermit ganz sicher abgegolten war! Nicht nur, dass das das andere Ende der Stadt war, es war wirklich eine Plage von all diesen Menschen herumgeschoben zu werden. Wie konnte man nur freiwillig in dieser Touristenfalle wohnen? „Du kennst sie doch.“, durchbrach Minerva über sein Handy seine Gedanken und dann wurde ihre Stimme leiser und dumpf, als sie die Genannte direkt ansprach: „Hier, erklär du es mal genau, warum du dein Handy nicht selber holen kannst. Rogue ist eine Nervensäge.“ Dumpf konnte er Yukinos Stimme hören, doch er verstand die Worte nicht. Da es sich eh verdächtig nach zusammenhangslosem Gestammel anhörte, war es auch nicht weiter wichtig. Er konnte sich ganz genau vorstellen, wie die kleine Weißhaarige im Moment aussah, vermutlich so rot im Gesicht, dass man befürchtete, sie würde gleich explodieren, beide Hände auf die heißen Wangen gepresst und jeden Blickkontakt verschämt vermeidend. Minerva kicherte gehässig und für jemanden, der sie nicht kannte, würde es sich ganz sicher bösartig anhören. Zum Glück kannte Yukino sie beinahe so gut wie Rogue und würde das nicht in den falschen Hals kriegen. „Sie stammelt und ist knallrot im Gesicht. Jetzt hat sie sich einmal flachlegen lassen“ – im Hintergrund war ein entsetzt-beschämtes „Minerva!“ zu hören, doch die ließ sich davon nicht stören, sondern sprach einfach weiter „und dann steht sie nicht einmal dazu.“ Sie schnalzte nachsichtig mit der Zunge und erklärte: „Du hast noch viel zu lernen, meine Liebe.“ Der Satz war wieder an Yukino gerichtet. Von deren Antwort drang nur undeutliches Genuschel durch das Handy, so leise, dass nicht einmal der Tonfall auszumachen war. Rogue seufzte tief und warf nochmal einen Blick auf den Zettel, auf den er die Adresse gekritzelt hatte, und dann auf die Nummer an dem alten, vielstöckigen Backsteinhaus, vor dem er stand. Hier war er richtig. Hoffentlich. Yukino hatte nicht sonderlich zuversichtlich geklungen, als sie ihm die Adresse mitgeteilt hatte. „Ich hoffe für sie, dass sie sich wenigstens die richtige Adresse gemerkt hat, ansonsten hat sie Pech gehabt.“, erklärte er missmutig. „Ich bin jetzt da und melde mich nach erfolgreicher Rückholaktion wieder.“ Damit legte er auf und ließ sein Handy in der Tasche verschwinden, während er den Blick schon über die Namensschilder neben den zahlreichen Klingeln gleiten ließ. Und hoffentlich war das auch der richtige Name, er konnte nicht alle Wohnungen hier abklappern. Mikazuchi / Eucliffe fand er einen Moment später und atmete er leichtert auf. Zum Glück hatte die junge Miss Mikazuchi Eindruck auf Yukino gemacht, genug, dass diese von ihr geschwärmt hatte. Wenn sie sich allerdings weiterhin so anstellte wie bisher, würde es ganz sicher nicht zu einem zweiten Date kommen. Nachsichtig schüttelte er den Kopf und betätigte kurzerhand die Klingel und trat einen Schritt zurück um zu warten. Hoffentlich war überhaupt jemand zuhause, noch einmal wollte er nicht nochmal herko- Der Lautsprecher knackte und eine dunkle, männliche und sehr angenehme Stimme ertönte: „Hi, falls du Natsu bist, hast du hoffentlich ein angemessenes Mittel dabei, um diesen grausigen Anblick von gestern wieder aus meinem Gedächtnis zu löschen, wie ein Schokoladenkuchen oder eine Geschenkkarte vom Phantom’s Diner.“ „Äh“, machte Rogue und für einen Moment suchte er nach Worten. Das war die seltsamste Begrüßung, die er jemals erlebt hatte, aber er fasste sich rasch wieder. „Sorry, ich kenne keinen Natsu und ich suche Kagura?“ „Sorry, die ist grad nicht hier, soll ich ihr etwas ausrichten?“ Für einen Moment schwankte Rogue – er hatte echt keine Lust, nochmal herzukommen –, dann erklärte er: „Es geht eigentlich nur darum, dass ich etwas abholen soll, kann ich kurz hochkommen?“ Für einen Moment blieb es still, dann antwortete sein unsichtbares Gegenüber in neckendem Tonfall: „Warte, du verlangst, dass ich völlig fremde Männer einfach so in meine Wohnung lasse?“ „Ich bin ganz bestimmt kein Axtmörder oder sowas, versprochen.“, versuchte es Rogue und erntete ein Lachen, dessen Klang ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. „Das ist genau das, was ein echter Axtmörder auch sa- LECTOR, LASS DAS!“ Rogue zuckte bei dem plötzlichen Ausruf zusammen und einen Moment später ertönte der Buzzer. Für einen Augenblick starrte er die aufgesprungene Tür nur dumpf an, dann stieß er sie hastig auf und schlüpfte hinein, ehe sie irgendwie wieder ins Schloss fiel. Immerhin hatte er noch ein Handy zurückzuholen. Ein verknittertes Blatt Papier, nachlässig angebracht, teilte ihm mit, dass der Aufzug defekt war, der sowieso aussah, als wäre er noch ein Originalstück von vor hundert Jahren, also wandte er sich den Stufen zu. In den sechsten Stock zu steigen war anstrengender, als er gedacht hatte, aber wenigstens war es kühl im Treppenhaus, wenn auch etwas muffig. Nachdem er in der richtigen Etage jedes einzelne Namensschild studiert hatte, stand er endlich vor der gewünschten Tür, natürlich ganz hinten im Flur, und klopfte entschlossen an. Er wollte das hinter sich bringen und wieder verschwinden, auch wenn er sich eigentlich für gar nichts zu schämen brauchte. Warum konnte Yukino ihre Stelldichein eigentlich nicht beenden wie normale Menschen? Das letzte Mal war er wegen einer gebrochenen Nase im Krankenhaus gelandet und davor von ihrem Verehrer Hassbriefe bekommen. Das Mädel hatte ein echt verkorkstes Liebesleben… Einen Moment später wurde die Tür aufgerissen, doch ehe irgendwer etwas tun konnte, huschte ein weicher Schatten an Rogue vorbei, was ihm bizarrer Weise vertraut war. Reflexartig bückte er sich und erwischte das stiften gehende Tier im letzten Moment, um es aufzunehmen. Seine Katze Frosch, obwohl sie es hasste, nach draußen zu gehen, versuchte trotzdem jedes Mal aufs Neue, durch die Tür davonzuwitschen, also hatte er Übung darin, entfleuchende Katzen einzufangen. Trotzdem hätte er den Stubentiger beinahe wieder fallen lassen, denn er war mindestens dreimal so groß und viermal so schwer wie sein eigenes, zierliches Kätzchen und damit hatte er absolut nicht gerechnet. Der rotgetigerte Fluffball in seinen Armen starrte ihn empört an, zutiefst gekränkt über diese Unterbrechung seiner Flucht, und der buschige Schwanz zuckte. Sein langes Fell war seidenweich unter Rogues Händen und seine Halskrause wirkte beinahe wie die Mähne eines Löwen. „Was kriegt die zu fressen, Wachstumshormone?“, entschlüpfte es Rogue. „Nein, kleine Kinder.“, war die joviale Antwort und Rogue blieben die Worte im Hals stecken, als er sein Gegenüber endlich zu Gesicht bekam. Warum hatte Yukino verdammt noch mal nicht erwähnt, dass Kaguras Mitbewohner zum auf die Knie gehen hinreißend aussah?! Sie waren etwa beide etwa im selben Alter und ziemlich fit, aber da hörte jegliche Ähnlichkeit auf. Der junge Mann im Türrahmen war ein Stück kleiner als Rogue und hatte wildes, blondes Haar. Zwei strahlend blaue Katzenaugen blickten ihn aus dem schönsten Gesicht an, das er je gesehen hatte. Ein paar vereinzelte Sommersprossen hoben sich von der sonnengebräunten Haut ab und das sollte nicht so niedlich sein, wie es das nun mal war, vor allem nicht bei einem erwachsenen Mann. Absolut küssenswerte Lippen zogen sich zu einem unwillkürlichen Lächeln nach oben und dann ertönte wieder die dunkle Stimme, die jetzt noch etwa tausend Mal ansprechender war als durch die Gegensprechanlage: „Ich nehm ihn wieder, ich bin übrigens Sting, willst du nicht reinkommen, was auch immer du hier suchst?“ „Rogue.“, antwortete dieser automatisch und ließ zu, dass der Blonde ihm den Monsterkater abnahm. Der ließ sich das gern gefallen und stieß ein seltsam gurrendes Geräusch aus, während er auf die breite Schultern seines Besitzers kletterte. Dass er dazu viel zu groß wirkte, schien keinen der beiden zu stören. Sting, der nur eine schäbige Jogginghose und ein labbriges T-Shirt mit Bandaufdruck trug, trat zurück und öffnete einladend die Tür, so dass Rogue hereinkommen konnte. Er hatte nicht einmal Socken an und sein T-Shirt hatte ein ziemlich großes Loch am unteren Saum. Als er sich seiner schäbigen Aufmachung bewusst wurde, färbte er sich leicht rot und versuchte, das Beste draus zu machen, das Loch hinter seiner Hand versteckend. Rogue wandte den Blick ab und tat, als hätte er nichts bemerkt, um sich neugierig umzusehen. Seinetwegen konnte Sting tragen, was er wollte, - oder gar nichts, flüsterte eine böse, böse Stimme unartig in seinem Hinterkopf – er würde trotzdem unerhört gut aussehen. Die Wohnung war nur ein kleines Drei-Zimmer-Apartment, aber erstaunlich geräumig. Die Haustür führte direkt in das Wohnzimmer, das mit zusammengewürfelten Möbelstücken geschmackvoll eingerichtet war. Eine Wand war so mit Bücherregalen bedeckt, dass man sie gar nicht mehr sehen konnten, nur die Türen bildeten Löcher. An einer anderen hing ein Katana von solch offensichtlicher Qualität, dass Rogue der pure Neid überkam. Auf dem Balkon grüne und blühte es und auch auf den Fensterbrettern standen diverse Töpfe, größtenteils mit Küchenkräutern. Rechts führte eine offenstehende Tür in die Küche, die andere auf dieser Seite der Wohnung war geschlossen. Gegenüber konnte man einen Blick in das dunkle Bad werfen und in ein Schlafzimmer, in dem es aussah, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Diese Unordnung hatte sich auch in das Wohnzimmer eingeschlichen, Bücher, Zeitschriften, Arbeitsmaterial, eine Klappkiste voller Nudeln, Kissen und diverser anderer Kram lag auf dem alten Dielenboden verteilt, der unter ihren Schritten knarrte. Zwischen der Balkontür und dem nächsten Fenster stand ein schwarzes Klavier, das offensichtlich a) bessere Tage gesehen hatte und b) trotzdem geliebt wurde. Sting warf den empörten Kater auf das durchgesessene Sofa, das abscheulich türkisviolett gestreift war, und erklärte: „Und sorry für die Begrüßung vorher, aber ich hab auf Natsu gehofft mit einer vergiss, was du gestern gesehen hast-Entschuldigung.“ Die Natsu, wer auch immer er war und was auch immer er angestellt hatte, mehr kosten würde als nur ein paar Worte, wenn Rogue sich an die ersten Worte vorhin erinnerte. „Er scheint dafür einiges auffahren zu müssen.“, antwortete Rogue, obwohl er eigentlich nur hier war, um Yukinos Handy zu holen. Aber irgendwie verspürte er das Bedürfnis, doch noch etwas länger zu bleiben. „Das will ich ja wohl hoffen!“ Theatralisch warf Sting die Hände in die Luft. „Meine armen Augen! Sie werden sich nie wieder von diesem Anblick erholen! Ich frage mich sowieso, wieso ich davon nicht schlagartig blind geworden bin!“ Mit dramatischer Gestik ließ Sting sich auf die Couch fallen. Der Kater spähte von seinem Platz auf der Lehne des Sofas auf ihn hinunter und maunzte mit erstaunlich leiser Stimme. „Keine Sorge, Lector, irgendwie habe ich es geschafft, diese Tortur zu überleben.“, versicherte Sting ihm. „So schnell musst du nicht auf mich verzichten.“ Auf der einen Seite war Rogue jetzt wirklich neugierig, was Natsu so angestellt hatte. Auf der anderen kannte er weder ihn noch Sting, also wäre es ziemlich unhöflich, nachzufragen, so amüsant Stings Possen auch waren und sogar ihm ein leises Lachen entlockten. Stattdessen räusperte er sich und rief sich streng in Erinnerung, warum er eigentlich hier war. Leider nicht, um diesen hinreißenden jungen Mann für ein Date abzuholen, flüsterte die ungebetene Stimme in seinem Hinterkopf, die er hastig niederkämpfte. „Also, die Sache ist die, meine… ah… Freundin, Yukino, hatte gestern wohl einen One-Night-Stand mit deiner Mitbewohnerin und-“ „Ich weiß“, unterbrach Sting und grinste plötzlich. „Darum durfte ich gestern nicht herkommen.“ Dann verzog er nachdenklich das Gesicht und starrte sein Gegenüber durchdringend an. „Kann deine Freundin backen?“ „Hä?“ Der abrupte Themenwechsel brachte Rogue jetzt komplett durcheinander. Backen? Was hatte das mit all dem zu tun? „Naja, sie und Kagura können sich mit Natsu absprechen, wie sie mich entschädigen.“, erklärte Sting wie selbstverständlich. Allerdings verrieten ihn seine zuckenden Lippen, die sich zu einem Lächeln formen wollten. Darum war Rogue sich ziemlich sicher, dass Sting das alles nicht ernst meinte. Auf der anderen Seite… „Ist das nicht etwas übertrieben?“, wagte er einzuwenden. „Was hat Yukino mit deinem, äh, Zwischenfall zu tun?“ Sting zeigte mit dem Finger triumphierend auf ihn. „Zwischenfall ist gut, ha!“ Er setzte sich auf und machte eine wedelnde Handbewegung auf den ebenso grässlichen Sessel, der direkt unter dem Fenster stand. Rogue ließ sich nach kurzem Zögern hineinfallen, aber im Grunde war ihm jegliche Sekunde recht, die er länger hierbleiben konnte. Noch nie hatte eine andere Person eine solche Wirkung auf ihn gehabt und er wusste wirklich nicht, was er damit anfangen sollte. Aber verlangte Yukino nicht ständig, dass er lockerer werden und nicht alles so ernst nehmen sollte? Jetzt war es ihre Schuld, dass er überhaupt hier war, und… Naja, man konnte ja mal sehen, wo das alles hinführte, oder nicht? Lector starrte ihn von der Lehne des Sofas einen Moment an, dann sprang er desinteressiert auf den Boden und wanderte davon. Sting beachtete ihn kaum. „Ich bin ein guter Mitbewohner, also hab ich mir eine alternative Schlafgelegenheit gesucht, als Kagura mir erklärt hat, dass sie Damenbesuch hat.“, erklärte er hoheitsvoll und mit weit ausholenden Gesten. „Die da wäre das Haus meiner Eltern. Dummerweise sind die gerade auf Reisen, also gab’s nicht mal Abendessen.“ Das klang, als würde er verkünden, dass seine Großmutter gestorben war – eine absolut tragische Begebenheit. „Und dann…“ Sting hielt inne und erschauderte allein bei dem Gedanken an die folgenden Ereignisse. Rogue erwischte sich dabei, wie er sich gespannt vorbeugte. „Und dann“, wiederholte Sting „bin ich reingelaufen, als Natsu gerade dabei war, meine Schwester zu vögeln.“ Verdutzt blinzelte Rogue ihn an. Irgendwie hatte er etwas Schlimmeres erwartet. Allerdings hatte er keine Geschwister und allein die Vorstellung, zum Beispiel Minerva beim Sex zu überraschen ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken rinnen, dabei waren sie nur alte Freunde. Doch wenn er genauer darüber nachdachte, kam der Schauder wohl eher davon, dass Minerva ihn ohne weitere Worte einen Kopf kürzer machen und vermutlich damit davonkommen würde. Sting hielt jetzt nichts mehr auf seinem Sofa; er sprang auf und ging ein paar Schritte, nur um wieder zurückzukommen und in großer Geste die Arme nach oben zu werfen, als könnte ein Gott ihm eine Antwort darauf geben, warum sein Schicksal so fürchterlich war. „Im Wohnzimmer unserer Eltern! Ich kann niemals mehr auf diesem Sessel sitzen.“ Er würgte übertrieben laut bei der Erinnerung. „Warum! Warum muss mich dieses Schicksal ereilen?!“ Rogue konnte nicht anders; er lachte laut los. Er wollte ehrlich nicht unhöflich sein, aber der Blonde war die größte Dramaqueen, der er je begegnet war, und zum Glück nicht auf eine nervtötende Weise. Vielleicht war es, weil er sich selbst und sein Anliegen absolut nicht ernst nahm. Vielleicht war es, weil er so anziehend, unterhaltsam und dabei geradezu niedlich war. Du kennst ihn gar nicht!, versuchte Rogue sich streng in Erinnerung zu rufen, während er sich beruhigte. Aber du würdest ihn gerne kennen lernen, belehrte ihn die verräterische Stimme in seinem Hinterkopf, die er jetzt nicht mehr ganz so erfolgreich niederrang. Sting verschränkte derweil die Arme und warf ihm einen tödlich beleidigten Blick zu. Das hatte er besser drauf als sein Kater. „Natsu schuldet mir mehr als nur einen Schokoladenkuchen oder einen Dinergutschein.“, entschied er überzeugt und starrte stirnrunzelnd auf seine Füße. Offensichtlich dachte er angestrengt nach. Dann hellte sich sein Gesicht auf und er grinste seinen Besucher an, als hätte er die beste Idee der Welt. „Einen Schokoladenkuchen und einen Dinergutschein!“ Rogue schnaubte und schüttelte nachsichtig den Kopf. Das Lächeln konnte er allerdings nicht unterdrücken. „Denkst du auch manchmal an etwas Anderes als an Essen?“ Oder kann ich dich zumindest zum Essen einladen?, entschlüpfte es ihm beinahe, aber er biss sich im letzten Moment auf die Zunge. Die wenigsten jungen Männer reagierten positiv auf ein solches Angebot, dass a) so plötzlich und ohne Vorwarnung kam und b) von einem anderen jungen Mann. Auf der anderen Seite wohnte Sting offensichtlich mit einer Lesbe zusammen, also würde er ihm deswegen schon mal nicht den Kopf abreißen. Vielleicht war es ein Versuch wert? Es war ja nicht so, als ob sie sich je wiedersehen würden, wenn sie es nicht darauf anlegten… „Nicht, wenn ich Hunger habe.“, gab Sting vorwitzig zu und ließ sich wieder auf seine scheußliche Couch fallen. „Leider bin ich auch komplett pleite.“ Er warf dem Kater einen finsteren Blick zu, als wäre der daran schuld. Wenn Rogue daran dachte, wie viel Frosch so kosten konnte, dann war da durchaus etwas dran. Lector, der es sich inzwischen auf dem Klavier bequem gemacht hatte, beachtete ihn nicht einmal, sondern starrte weiterhin aus dem Fenster, als würde sich dort etwas Faszinierendes abspielen. „Wenigstens kann ich Lucy mit dieser pikanten Info zu diversen Dingen ‚überreden‘, falls ich mal was brauche.“, gab Sting zu und die Anführungszeichen in dem Satz waren beinahe zu sehen. Mit überreden würde das nicht viel zu tun haben, sondern eher glatte Erpressung sein. Aber anscheinend war so etwas unter Geschwistern gut und gerne erlaubt… Dann richtete er seinen Blick dann wieder auf Rogue. Für einen Moment schien er zu überlegen, wie er ihn einordnen sollte, dann stützte er sich mit dem Ellbogen auf der Lehne ab. „Wolltest du nicht etwas abholen oder so?“ „Ja, Yukinos Handy.“, erklärte Rogue und sah das Ende ihres Gesprächs schon näherkommen. Aber eigentlich hatte er gar keine Lust darauf, wieder zu gehen, sondern würde sich am liebsten noch eine Weile mit Sting unterhalten. Aber der hatte sicher besseres zu tun. „Sie hat es wohl hier vergessen und schämt sich jetzt zu sehr, als dass sie es selbst holen könnte.“ „Oh ja!“ Sting sprang von seinem Platz auf, als stünde er unter Strom. Er stolperte fast über ein am Boden liegendes Kissen in seiner Hast, als er in die Küche stürmte. „Kagura hat es schon erwähnt!“, drang es aus den Nebenraum herüber und dann krachte etwas. Irritiert folgte Rogue dem Blonden in die kleine Küche, die genauso vollgestopft war, wie er es erwartet hatte. Ein Tisch mit drei Stühlen, gegenüber die lange Reihe der Küchenschränke, Geräte und Arbeitsplatten. Eine Glastür führte auf einen weiteren Balkon hinaus, der allerdings so winzig war, dass nur ein Blumentopf mit Gurken dort Platz hatte. Aus irgendeinem Grund hatte die Tapete ein absolut grässliches Pissgrün, das sich fürchterlich mit dem Violett der Schränke biss. Vermutlich war sie darum hinter großen Postern verborgen – ein Plakat von einem Kendoturnier, bei dem Rogue sogar teilgenommen hatte, ein Chat Noir-Poster und zwei von verschiedenen philharmonischen Orchestern. Sting stellte gerade wieder einige Flaschen auf, die er in seiner Hast offensichtlich umgeworfen hatte, und sah auf, als Rogue in seinem Blickwinkel erschien. „Kagura ist deswegen gerade auf der Suche nach deiner Freundin.“, erklärte er grinsend und holte ein vertraut aussehendes, weißes Handy mit Glitzersteinen neben der Kaffeemaschine hervor. „Sie hat es angeblich hier vergessen, als sie heute Morgen Hals über Kopf rausgerannt ist.“ Er zuckte mit den Schultern und grinste verschmitzt. „Wenn du mich fragst, war das eine Ausrede das Mädel nochmal zu treffen.“ Sein Grinsen wurde noch breiter. „Aus welchem Grund auch immer, deine Yukino hat einen tieferen Eindruck hinterlassen. Äh… Hier.“ Zögerlich überreichte Sting es ihm und Rogue nahm es ebenso zögerlich entgegen. Auf der Rückseite war ein Post-it-Zettel mit einer Nummer geklebt worden und er zog fragend die Augenbraue hoch. „Kaguras Nummer, falls sie es doch persönlich abholen kommt.“ Sting zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, Kagura würde sie wirklich gerne noch einmal sehen.“ Rogue schmunzelte. „Ich werde es Yukino ausrichten. Sobald sie bereit ist, sich wieder wie eine erwachsene Person zu benehmen und nicht wie ein verschämter Teenager, wird sie vermutlich mit Freuden zustimmen.“ „Das ist gut, dann muss ich mir nicht noch einen Morgen Kaguras Geschmachte anhören.“ Sting stellte sich in Pose und ahmte die Stimme seiner Mitbewohnerin nach. „Sie ist so süß, Sting, das kannst du dir nicht vorstellen. Sie ist so nett und niedlich und hach, und sie hat so zarte, weiße Haut und ist so toll und perfekt und…“ Er endete mit einem dramatischen Seufzen und entlockte mit der Vorstellung selbst Rogue ein Schmunzeln, obwohl der Kagura noch nie gesehen hatte. „Also ob ich das beurteilen könnte“, grummelte Sting. „Mit Frauen kenn ich mich auf dem Gebiet absolut nicht aus.“ Er warf Rogue einen vielsagenden Blick unter langen Wimpern hervor zu und deutlicher konnte er kaum mit dem Zaunpfahl wedeln… Sting sah aus, als wollte er Rogue am liebsten an Ort und Stelle gegen die Wand pressen und einige sehr unanständige Dinge mit ihm anstellen. Rogue schluckte und plötzlich war ihm viel zu warm. „J-jah, ich werde Yukino ein wenig ermutigen…“ Shit, warum war er nur so schlecht beim Flirten? Sein Blick irrte durch die Küche, als würde ihm dadurch eine passende Antwort einfallen, die sagte ja, ich würde dich gerne zum Essen ausführen und es danach darauf ankommen lassen, ob unsere Chemie wirklich so gut ist. Stattdessen fiel ihm etwas anderes auf und er stutzte. „Gibt es einen Grund, warum euer Kühlschrank besser abgesichert ist als meine Spardose?“ „Lector.“, erklärte Sting und machte eine Was soll man tun?-Armbewegung, aber sie wirkte nicht ganz so enthusiastisch wie seine vorherigen Gesten. „Nachdem wir ihn das dritte Mal im Kühlschrank erwischt haben, hatten wir keine Lust mehr.“ „Oh… Meine Katze kann das zum Glück nicht.“, gab Rogue zu und war mit einem Mal ungeheuer froh darum, dass Frosch einen kleinen Dachschaden hatte. Vielleicht verschätzte sie sich dadurch immer in ihren Sprüngen und lief regelmäßig gegen Möbel und Gegenstände, aber wenigstens musste er dadurch nicht sein Essen verschließen wie in einem Tresor. Beinahe ließ er das Handy fallen, als besagter Kater ihm mit einem Mal um die Beine strich. Lector maunzte und blickte zu Sting hoch, der sich bückte und ihn aufhob. „Nein, jetzt gibt’s noch nichts zu essen für dich.“, belehrte er das Tier, das den Kopf an seiner Wange rieb. „Du frisst mir noch alle Haare vom Kopf.“ Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung Richtung Haustür und Rogue hatte wirklich noch keine Lust zu gehen. Dabei hatte er alles, was er hier eigentlich wollte. Das einzige… Du kannst das!, redete er sich selber Mut zu und warf Sting einen Seitenblick zu. Die Abendsonne, die durch das Fenster fiel, ließ Stings Haare und Haut wie Gold wirken und die langen Wimpern warfen tiefe Schatten auf sein hübsches Gesicht. Rogue war beileibe kein Künstler und auch kein Poet, aber dieses Bild brannte sich in sein Gedächtnis ein und er wollte die Gelegenheit haben, mehr Facetten von Sting kennen zu lernen, mehr solcher atemberaubenden Anblicke zu Gesicht bekommen und einfach mehr von… mehr von Sting. Du hast keine Signale falsch gelesen und mehr als eine Absage würde das trotzdem nicht werden! Er hat ja schon so gut wie erklärt, dass er vom anderen Ufer ist. Das war allerdings leichter gesagt als getan und als sie an der Tür kamen, waren ihm noch keine Worte eingefallen. Er war ein absoluter Versager. Geschlagen griff er nach der Klinke und drehte sich noch einmal um, um sich von Sting zu verabschieden. Der hatte die Augenbrauen zusammengezogen und wirkte plötzlich seltsam ernst. Dann zwang er ein Grinsen auf sein Gesicht. „Irgendwie will ich dich jetzt nicht weglaufen lassen, weil du die hei- attraktivste Person ist, die je durch diese Tür gekommen ist.“ Rogue fühlte, wie das Blut ihm in die Wangen schoss, aber gleichzeitig durchfuhr ihn ein warmes Gefühl. Eigentlich war er nicht der Typ für spontane Unternehmungen. Eigentlich ließ er sich nicht so leicht auf fremde Menschen ein. Eigentlich sollte er zurück und Yukino ihr Handy wiederbringen. Aber wenn sie es nicht selbst holen konnte, dann konnte sie auch noch etwas länger darauf warten! Und jemanden wie Sting traf er nicht alle Tage. Rogue bemerkte kaum, wie er den Mund öffnete und zu sprechen begann: „A-auf dem Herweg bin ich an einem kleinen Diner vorbeigekommen, das heute Erdbeerschokokuchen zum Nachtisch serviert. Ha-hast du Lust, äh, ich meine…“ Sting rettete ihn zum Glück vor weiterem Gestammel, indem das etwas schiefe Lächeln auf seinem Gesicht sich in ein begeistertes Strahlen verwandelte. „Aber sowas von!“ Er warf vermutlich nur aus dem Grund nicht die Arme in Siegespose hoch, weil er Lector noch hielt. Dann senkte sich seine Stimmung allerdings wieder und er fügte hoffnungsvoll-bedauernd hinzu: „Du musst mich allerdings einladen, ich hab nämlich im Moment wirklich gar kein Geld.“ Da das nicht das erste Mal zur Sprache kam, hatte Rogue damit gerechnet, also zuckte er mit den Schultern. Außerdem hatte er das eh nicht vorgehabt. „Das ist in Ordnung, das sollte eine Einladung sein.“ Er versuchte sich an einem Grinsen, das erstaunlich gut funktionierte, und Sting starrte ihn einen Moment stumm und mit großen Augen an. Dann beugte er sich unvermittelt vor und presste ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Das kurze Gefühl der weichen Lippen auf seiner Haut jagte wie ein Blitz durch seinen Körper, doch es war viel zu schnell wieder vorbei. Am liebsten hätte er einen richtigen Kuss daraus gemacht, aber das würde wohl noch früh genug kommen… Sting strahlte ihn über den Kopf seines wenig begeistert dreinblickenden Katers an, während er sich rückwärts entfernte. „Warte einen Moment, ich zieh mir nur Präsentables an.“ Damit drehte er sich um und stürmte davon. Er ließ den überraschten Lector auf das Sofa fallen und verschwand dann in dem Zimmer mit der offen stehenden Tür. Rogue blickte ihm wie erstarrt nach, bis sich die Tür schloss, und öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte. Aber außer Lector war niemand mehr hier, mit dem er sprechen konnte. Nach einem weiteren kurzen Moment, in dem er sich sammeln konnte, angelte dann sein Handy aus der Tasche. Er konnte das breite Lächeln nicht von den Lippen halten, aber das störte ihn nicht. Mit einem guten Gefühl im Bauch schickte er Minerva eine kurze Nachricht, immerhin hatte er ein Date, das hoffentlich etwas länger dauern würde. Ansonsten würde sie ihn vermutlich suchen kommen und das würde nur stören. Absolut stören! Außerdem verdiente Yukino es zu wissen, dass ihr Handy tatsächlich nicht auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Hab das Handy, komme aber erst später. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)