Einmal und nie wieder! von Voidwalker ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war der Tag der Tage. Und man hätte meinen können, Garwinn Eisenhand wäre schon wieder gegen eine Wand geschleudert oder zu hart auf den Kopf getroffen worden. Er maulte wie es einem Eisenhand gebürtig war – und dann noch ein gutes Stück mehr. Lauter, wuchtiger, zorniger. Er war Schmied, um der Ahnen Willen, Schmied! Enerviert zupfte er an diesem lächerlichen Kleidchen herum. Es war hübsch bestickt worden, sah sehr prächtig aus. Nur die feinsten Stoffe, wirklich. Gute, teure Farben, selten und kostbar. Exzellent verarbeitet, auch wenn das Material – schrecklich teuer – schrecklich dünn war. Empfindlich. Als könnte man aus Versehen hindurchgreifen, wenn man sich nur Mühe gab. Natürlich war das Unsinn, er wusste es. Das Textil würde einem Flammenstoß und einem Schwerthieb gleichermaßen trotzen können, feinste Spuren von Mithril waren eingewebt worden, aber nichtsdestotrotz fühlte es sich einfach falsch an. Er vermisste das nicht unerhebliche Gewicht seiner Rüstung, die trügerische Sicherheit, die das Schwitzen unter einer gepolsterten Vollplatte vermittelte. Er vermisste das Klirren und Klappern und Scheppern und Rattern bei jedem Schritt. Einen gut gerüsteten Zwerg, oh, den hörte man kommen! Er hielt keine Sekunde lang inne, um sich zu fragen, warum er überhaupt das Bedürfnis hatte, sich zu rüsten. Wozu auch? Das hier war Krieg. Ein Kampf. Eine drohende Schlacht! Es galt bereit zu sein. Gewappnet zu sein! „Wetten, er versucht nochmal, die Axt mitzunehmen?“, raunte Thorin am anderen Ende des Raumes amüsiert das Treiben des Schmiedes verfolgend. „Ich denke, inzwischen hat er’s begriffen“, gab Myron seufzend zurück und sah sich das Elend weit weniger grinsend an als sein Kumpane, „… dann wiederum dachte ich das auch die letzten zwölf Mal. Worum wetten wir überhaupt?“ „Die Runde heute Abend“, gab der Kahlkopf zurück. „Die Runde? Die Erste?“, erkundigte sich der Adelsmann hoffend. „Natürlich nicht. Alle Runden.“ Nun, einen Versuch war’s wert gewesen. Dennoch nickte er – es war nicht so, als würde die Familie Vernon neuerdings am Hungertuch nagen. „Garwinn zahlt für sich selbst.“ „Ich bezweifle, dass er trinken wird. Aber falls ich da widerlegt werde – natürlich tut er das. Er’s reich. Anders als wir arme Schlucker. Außerdem würde ich dich ungern ruinieren wollen.“ Ein breites, wölfisches Grinsen huschte kurz über Thorins Züge, ehe er sich wieder dem Elend dort drüben vor dem Spiegel zuwandte und kopfschüttelnd sich von der Wand abstieß. Er trat an den Schmied heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Genug jetzt. Komm, wir sollten los – es ist Zeit“, meinte er ruhig. Garwinn dagegen seufzte und stoppte für einen Moment, an der Tunika herum zu zupfen. Sie war Tradition. Althergebracht. Gehörte dazu. Es war… wie ein fester Bestandteil eines Rituals. Und genau das war es doch auch, oder nicht? Warum also verachtete er diesen verdammten Fetzen so sehr? Bis zu dem Punkt, an dem er die Handwerksarbeit nicht mal mehr zu schätzen wusste. Nicht mal die Handwerksarbeit, gute Ahnen! Sein Blick senkte sich und schweifte unwillkürlich zur Seite ab. „Kann ich vielleicht dann wenigstens… ein kleines Symbol meines Hauses mitnehmen?“ Thorin folgte seinem Blick zum Waffentisch. Garwinns Zweig von Haus Eisenhand trug Fernglas und Handaxt gekreuzt auf dem Schild. Aber Ferngläser lagen auf jenem Tisch natürlich nicht herum. Entsprechend triumphierend wandte er sich Myron zu. „Du zahlst.“ Der Adlige seufzte lediglich gedehnt und öffnete die Tür. Es war Zeit, zu beginnen.   Es war der Tag aller Tage. Und man hätte meinen können, Luzula Kupferschlag könne nicht ruhiger sein. Völlig entspannt saß sie auf ihrem Stuhl, die Beine zum Schneidersitz eingeschlagen – was mit den Stuhllehnen ein klein wenig problematisch war – und lächelte leicht dem Spiegel entgegen, obwohl sie die Augen geschlossen hatte. Ein Sammelsurium an Utensilien lag vor ihr ausgebreitet. Puder und Farben und andere Schminken, von denen sie selbst wenig verstand. Sierra und Merril, die dann und wann beileidige Blicke miteinander tauschend das Schauspiel im Blick behielten, wagten keineswegs, sich einzumischen – sie hatten schließlich genauso wenig Ahnung davon. Lubra dagegen, oh, die hatte wahre Freude und tobte sich aus. Immerhin ging es um die Tradition! Die Diskussionen im Vorfeld der aktuell gelösten Stille waren nervenaufreibend gewesen und hätten vielleicht den Tag in seiner Grundstimmung bereits kippen können. Um Haaresbreite wäre das sogar geschehen, bis Sierra und Merril, kurze Blicke tauschend, rettend eingriffen. Das war ja irgendwie auch ihre Aufgabe, nicht? Stand gewissermaßen in der Stellenbeschreibung drin. Also hatten sie Luzula vorgeschlagen, sie könne ja stattdessen Lubras Arbeit über sich ergehen lassen, während sie einen klitzekleinen Blick riskieren würde. Nur einen Kleinen. Immerhin sollte sie es nicht übertreiben und sich selbst die Vorfreude nehmen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ceteuspriester auftauchen und alles ruinieren wird, beträgt 0,0000241 Prozent.“ Etwas irritiert starrten Sierra und Merril einander an, ehe sie näher tragen und Lubra und Luzula am Tisch flankierten. „Und du grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd, weil… das was Gutes ist?“, erkundigte sich Merril verwirrt. „Aber natürlich!“, gab Luzula postwendend zurück, „Es heißt, dass es nahezu ausgeschlossen ist. Natürlich kann man sowas nie ganz ausschließen und für den Fall der Fälle ist ja auch sicherlich vorgesorgt worden, nur ist es dennoch beruhigend, wie unglaublich unwahrscheinlich das Eintreten dieses Szenarios ist!“ Haben wir für sowas vorgesorgt?, erkundigte sich Merril mit einem von Luzula unbemerkten Seitenblick bei Sierra. 0,0000241 Prozent. Natürlich nicht!, gab Sierra ebenso wortlos zurück. „Beruhigend, klar“, erwiderte Merril entsprechend und kratzte sich etwas verlegen an der Nasenwurzel. „Ja. Außerdem liegt die Möglichkeit eines unpassenden Meteoriteneinschlags bei 0,0000000051 Prozent, was ja noch viel weniger ist. Und damit umso besser“, führte Luzula weiter aus und signalisierte damit unbewusst sowohl Merril, als auch Sierra und Lubra – die des kurzen Gesprächs wegen ihre Arbeiten eingestellt hatte -, dass die Einarmige drauf und dran war, in einen weiteren Monolog inklusive Zahlenrechnerei und neuster Erkenntnisse überzugehen. Sie hatten sie verloren. Und das war auch wirklich nicht schlimm, für den Moment. Als Lubra ihre Arbeiten jedoch beendet hatte, nahm sie vorsichtig Ober- und Unterlippe der noch immer schwatzenden Einarmigen zwischen Daumen und Zeige- sowie Mittelfinger und drückte ihr den Mund zu. Das hatte sich in der Vergangenheit bereits als überaus effektiv erwiesen. „Mund zu, Ohren auf. Ich bin fertig und es geht los.“ Jetzt kam die Panik. Mit Anlauf. Kalter Schweiß, fliehender Blick, zittrige Hände, weiche Knie, Zweifel, Bedenken, Horror- „Hey“, meinten Sierra und Merril fast zeitgleich, während beide je eine Hand auf Luzulas Schultern legten, „Wir sind da.“ Vier kleine Worte – doch sie schienen Wunder zu wirken. Noch immer etwas benommen von der Plötzlichkeit des Chaos‘ in ihrem Kopf nickte die Versehrte und erhob sich langsam von ihrem Platz. Lubra brachte die Prothese an ihren richtigen Platz und damit… war sie fertig.   Schwere Trommelschläge warfen ein perfekt orchestriertes Echo von den Wänden der Steinhalle, als die Zeremonie begann. Auf das Signal hin begannen Silas, Mortimer, Nashatal und Layl ihre Instrumente anzusetzen und seichte Melodien in den Raum fluten zu lassen, die traditionellen Trommeln um ein paar freundliche, wenn auch ungewöhnliche Elemente ergänzend. Ninafer und Ishara hatten sich bereits ein Stück abseits platziert, warteten auf das zweite Signal und begannen dann, ihre bereits vorbereitend eingestimmten Stimmen zu erheben. Üblicherweise erfolgte der Gesang durch die vereinte Gästeschar nach der Zeremonie – direkt danach, sogar. Doch der Tag war besonders. Einzigartig. Und hatte eine entsprechend unikate Mischung aus traditionellen Elementen, benötigter Improvisation und beigesteuerter Innovation geschaffen. Jeder hatte an irgendeiner Stelle Abstriche machen müssen. Lubra musste auf ihre vollständig traditionelle Zeremonie verzichten, Myron auf die Gepflogenheiten seiner Kultur. Garwinn durfte keine Axt mitnehmen – nein, durfte er wirklich nicht! – und Luzula durfte nicht einfach die Mehrheit der Leute ausladen.   Schließlich war Garwinn der Erste, der eintrat. Von Thorin und Myron flankiert, die ein paar Schritte hinter ihm liefen, bewegte er sich zwischen den Gästen hindurch. Auch die Aufteilung der Halle hatte leiden müssen. Es gab keinen Mittelweg, mit einer linken und einer rechten Fraktion für die Gäste der jeweiligen Häuser. Stattdessen gab es zwei Pfade, die zum Hallenende und zum Podest hin zusammengeführt wurden. Das erlaubte, drei Fraktionen zu öffnen: Die Geladenen der jeweiligen Häuser und eine dritte Partei – die Freunde, die sich eben nicht den Häusern zuordnen ließen, aber dennoch eingeladen waren. Nach sorgfältiger Prüfung der Einladungen und Antworten hatte man rasch entschieden, diese letzte, neue Fraktion in die Mitte zu setzen und dort am meisten Platz zu lassen. Von Garwinns Seite aus kamen viele Eisenhände, sicherlich – seine sieben Brüder, allem voran. Aber mit den wenigsten davon hatte Garwinn wirklich enge Bande, nicht zuletzt früherer, lange Jahre zurückliegender Schikanen und Neckereien wegen. Auf Luzulas Seite dagegen kamen zwar diverse Kupferschläge, aber auch sie hatte nicht allzu stark ausgeprägte Bande zu jenen und die Hauptgäste auf jener Seite waren eigentlich ihre Mutter Lubra und ihr Vater Mortosch. Garwinn erreichte das Podest, nahm seine Aufstellung und auch Thorin und Myron fielen aus ihrem Geleitschutz ab, um sich etwas Seitlich mit Blick zum Publikum zu drapieren. Man nannte ihre Funktion nicht umsonst Trauzeugen. Sie hatten Dinge zu bezeugen. Und böse Blicke zu werfen, sollte jemand einschlafen. Schließlich wurden die Tore auf der anderen Seite aufgezogen. Instrumente und Gesang wurden ein wenig gedämpft, viele Köpfe rückten herum und Luzula, hochrot unter ihrem Schleier, schlich herein, von Sierra und Merril flankiert wie Garwinn von Thorin und Myron zuvor – und von Mortosch am Arm geführt. Ein wenig Unbill zog dagegen Pfeifer auf sich, auf dessen Präsenz Luzula auf Gedeih und Verderb nicht hatte verzichten wollen, egal wer etwas dagegen vorzubringen versuchte. Zischend, hissend, klackernd und, nun, pfeifend, tänzelte die merkwürdige Kreatur auf seinen krabbenartigen Beinen voran, diverse Blumenkörbe mit den auf den Rückensegmenten befindlichen Armen haltend und herumwedelnd, um die zahllosen Blütenblätter überall zu verteilen und damit zum Alptraum der späteren Reinigungskräfte zu werden. Die Eskorte wurde nach und nach ebenso entmantelt. Pfeifer zog sich in die mittlere Sektion zurück, als seine Aufgabe als Blumenmädchen erfüllt war. Sierra und Merril, als Brautjungfern, nahmen parallele Positionen zu Thorin und Myron ein und schließlich löste Mortosch sich, wenn auch nach wie vor etwas zögerlich, als sie die richtige Position vorne am Podest erreicht hatten. „Brich ihr das Herz und ich brech‘ dir das Rückgrat“, raunte Mortosch mit einem halbernsten Lächeln in Garwinns Richtung. Erst als der verständig nickte, gab Mortosch seine Tochter tatsächlich frei und trat zurück, um sich neben Lubra zu setzen. Damit trat Ragnar hervor. König von Nothrend und des Lumiélschen Zwergenreiches oder nicht – er war nervös gewesen und hatte seine letzten Minuten hinter dem Sichtschutz gut genutzt, um die Rede nochmals durchzugehen und wenigstens den Versuch zu wagen, seine eigenen Nerven ein wenig zu beruhigen. Die erste Hochzeitszeremonie, die er leitete – da durfte einfach kein Fehler passieren, das würde man ihm ewig nachsagen! Ragnar Donnerbart, jüngster König des Reiches, wandelndes Hochzeitsdesaster! An das Pult getreten, warf er einen kurzen Blick zu Luzula und Garwinn. „Ihr seid soweit?“ Von beiden ein zögerliches Nicken, das er mit einem eigenen Nicken bekräftigte. „Gut, gut… dann…“ Ein letztes Mal nachdenken, gedanklich rezitieren, dann räusperte er sich und packte seine öffentlichkeitswirksame Stimme aus. „Ihr Ahnen und Götter, hört und seht! Jeder einzelne hier bezeugt die Liebe dieser Beiden, wider Unbill und Gefahr, vereint in Kummer und Leid wie in Freude und Glückseligkeit. Hört ihre Schwüre und wisset, das ein Bund geschlossen wird!“ Das… war ein brauchbarer Anfang. Soweit, so gut. Er nickte Garwinn zu. „Luzula Kupferschlag, ich…“ Garwinn stockte. Und es blieb nicht unbemerkt. Fast augenblicklich kam leises Gemurmel hier und da auf. Wollte er zurücktreten? Hatte er kalte Füße bekommen? Seine Rede  vergessen? „Haltet verdammt nochmal die Schnauze, so kann man ja nicht denken!“, fuhr der Schmied herum – und mit einem Schlag war es wieder still. Er nickte zufrieden. „Danke.“ Und wandte sich daraufhin wieder Luzula zu. „Ich habe zwei oder drei Wochen an dieser Rede gearbeitet. Nein, ich habe sie nicht vergessen. Ich glaube, ich werde sie nie wieder vergessen können – selbst wenn ich es wollen würde.“ Er schüttelte den Kopf. In die Tiefe mit der verdammten Rede! „Luzula, du bist das chaotischste, energischste Weib, das mir je unterkam. Du hast eine Faszination für die Oberfläche, den Himmel, die Ferne und Weite, die mir stets unbegreiflich waren und wohl immer sein werden. Aber jedes Mal, wenn du mir von all den Dingen erzählst, die mich nicht im Geringsten interessieren, weiß ich dieses strahlende Leuchten in deinen Augen zu lieben. Ich weiß nicht, was diese Dinge dir geben und bin doch dankbar, dass sie es tun – weil es mir erlaubt, dieses Leuchten immer wieder aufs Neue zu sehen. Du hast mich an meinen besten Tagen erlebt, und an meinen Schlechtesten. In meinen stärksten Momenten und meinen Schwächsten. Du warst da. Verständig und geduldig. Und ich konnte auf deine Hilfe vertrauen wie diese Halle auf ihre tragenden Säulen. An manchen Tagen verstehe ich nicht mal die Hälfte von dem, was du plapperst – und selbst das ist in Ordnung. Denn du hörst mir ebenso zu, wenn ich dir vom Schmiedehandwerk erzähle. Und inzwischen weiß ich mehr über Wolkenformen und Wetterbildung, als ich je für möglich gehalten hätte. Kurzum: Ich liebe dich, verrücktes Huhn – willst du mich zum Mann?“ Verzogene Gesichter bei einigen, unweigerlich. Er wich vom Plan ab. Verwarf seine Rede. Aber die Tradition!, schrie es aus vielen stummen Blicken und Gesichtern. Gekicher und amüsiertes Glucksen bei so vielen anderen. Und ein paar Freudentränen und ein halb ersticktes Lachen bei der Braut selbst. „Natürlich, du Sturkopf!“, gab sie leise zurück. Ragnar lächelte zufrieden und nickte Luzula zu. „Garwinn Eisenhand, d-du bist nicht der großzügigste Mann, der mir je begegnete. A-Auch nicht der Freundlichste.“ Ein kurzes, schiefes Grinsen in Ragnars Richtung. „Nicht e-einmal der Einflussreichste oder W-Wohlhabendste.“ Ragnar bemühte sich sehr, nicht amüsiert zu grinsen. Fassung wahren, ernst bleiben…! „A-Aber du bist so zwergisch, wie ein Zwerg nur s-sein kann. Du bist stur wie das Metall, dass du bearbeitest. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt h-hast, dann kämpfst du, bohrst du, drückst und drängst du, bis du es erreicht hast. U-Und irgendwann hast du dir offenbar in den Kopf gesetzt, für mich d-da zu sein. Ich fand immer Rückhalt bei dir. Sicherheit. Ein offenes Ohr und eine helfende Hand. Sogar zwei davon.“ Kurzes Glucksen aus dem Publikum und ein Lächeln der Einarmigen. „Mein Leben ohne dich weiterzuführen, meinen Alltag ohne dich zu bestreiten, ist alles andere als unmöglich. Aber es erscheint mir um so viel ärmer, die Farben trister. U-Und das will ich nicht. Ich will bei dir sein, dich bei mir wissen, heute und für noch viele Tage, Monate und Jahre. Was ich an Leben habe, wenig wie es sein mag, möchte ich mit dir teilen. Selten genug lächelst du – und ich will mich bemühen, es häufiger aus dir herauszukitzeln. A-Also f-frage ich d-dich: W-Willst du mich z-zu deinem W-Weib?“ Kurz erwog Ragnar, zu fragen, ob ihre Beine noch ein paar Momente länger standhaft bleiben würden, oder ob es klüger wäre, sie sich setzen zu lassen. Dann wiederum: Ein Fauxpas wäre es so oder so. Und mit etwas Glück würde sie ja tatsächlich ihre Nerven unter Kontrolle bringen können. Also setzte er die Zeremonie schlicht fort. Nickte auf ihren Schwur hin. Obwohl beide einander nicht wirklich etwas geschworen hatten, nicht wahr? Es waren vielmehr Reden. Erklärungen. Und ein paar eingestreute Sticheleien. Die Traditionalisten im Publikum tobten vermutlich innerlich. Wo waren die Schwüre, die tatsächlichen, richtigen Schwüre?! Man musste einander die Treue schwören, Beistand und Verbundenheit, Sicherheit, Rückhalt…! Dann wiederum: Wozu? Wozu aussprechen, was ohnehin gegeben war? Ragnar kannte die Antwort, die unweigerlich käme: weil es Tradition war. Aber diese zwei? Die waren ein derartig untraditionelles Paar… da konnten die Ahnen ja wohl sicherlich ein Auge zudrücken. „Kraft der mir verliehenen Krone und unter all diesen Zeugen, den Ahnen und Göttern selbst, erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau! Ihr dürft die Braut nun küssen.“ Wie erwartet, zögerte Garwinn nicht lange. Und was für ein Kuss das war. Diesmal konnte wirklich selbst ein Blinder sehen, wie kurz davor Luzulas Beine waren, den Geist aufzugeben, als er wieder von ihr abließ. Gelächter und Gejubel füllte den Raum. Ninafer und Ishara begannen wieder zu singen, die Musikanten wieder zu spielen, Pfeifer jagte die Reste der Blütenblätter in seinen Körben in hohem Wurfbogen durch den ganzen Raum und generell machte die Halle nun den Eindruck, als hätte man einen Knoten geöffnet. Alles wirkte so viel weniger angespannt, so viel… gelöster. Natürlich nur, bis der unweigerliche, nächste Teil der Zeremonie anstand. Denn bevor sich alle zum Essen zusammenfinden konnten – und bei zwergischen Hochzeiten wurde reichlich gegessen -, gab es die Geschenke und Glückwünsche der Gäste. Und sie hatten mehr Gäste denn je. Vermutlich war das auch der Grund, warum gerade die nahestehenden Familienmitglieder – Garwinns und Luzulas Sippe – von ihrem Recht Gebrauch machten, diesen Teil der Tradition später in einem kleineren, privateren Rahmen nachzuholen. Das ließ immer noch eine lange, lange Schlange an Leuten übrig. Und bedeutete damit unweigerlich, das Luzulas Knie noch länger durchhalten, standhaft bleiben mussten. Und unweigerlich auch Garwinns, der sich nichts anmerken ließ und natürlich niemals zugegeben hätte, dass irgendetwas ihn beeinflussen oder beeinträchtigen könnte. Hochzeiten waren schließlich auch nur Tage mit viel Rumstehen und das konnte er ganz prima, er war schließlich Schmied! Thorin und Ninafer machten den Anfang. Der Hüne überreichte Garwinn eine handtellergroße Dose. „Das beste Schmierfett Siddermarks – für’s Handwerk. Theoretisch.“ Ninafer dagegen reichte Luzula, ehe die den äußerst subtilen Hinweis verstehen und vor Scham im Boden versinken konnte, einen kleinen Lederbeutel, der verdächtig nach Kräutern und der Süße von Obst roch. „Getrockneter Tee. Gut aufgegossen eignet er sich zum Inhalieren, Trinken, Einreiben – und wirkt als äußerst potentes Aphrodisiakum. Ich würde nicht mehr als eine Tasse empfehlen. Außer, ihr habt mehr als einen Tag Zeit.“ Einen Moment verschluckte sich Luzula an der eigenen Spucke, hustete und keuchte kurz, der Kopf hochrot – von dem kleinen Malheur natürlich, ausschließlich, wirklich -, ehe sie nickend ein „Danke“ hervorwürgte und dennoch irgendwie breit grinsend zur Seite schielen musste. Denn… nun, ja. Es gab eine Hochzeitsnacht. Theoretisch. Falls einer von ihnen sich dann noch bewegen könnte. „Möge euer Band so stark bleiben, durch alle Jahre, die da kommen“, wünschte Myron, während er ihnen einen bemerkenswert großen und fein geschliffenen Mondstein übergab. Garwinn war… überrascht. Er verstand und nickte sogar dankbar – auch wenn das Ding natürlich trotzdem nur ein Staubfänger war, der auf irgendeinem Regel stehend in Vergessenheit geraten würde. Doch es musste den Adligen einiges an Mühe gekostet haben, sich so tief in die zwergische Kultur einzugraben, dass er um die Bedeutung eines solchen Geschenkes wusste. Etwas Aufsehen erregte Lúthien, als sie herantrat – gekleidet in ein traditionelles elbisches Gewand in kühlen Blautönen, durchsetzt von Silber und nahezu wortwörtlich gekrönt in Anbetracht des prächtigen Kopfschmuckes. Sie wirkte plötzlich ungewohnt… erhaben? „Ich wünsche euch beiden eine glückliche gemeinsame Zukunft und ein langes, erfülltes Leben. Mögen die Götter immer auf eurer Seite sein und euch auf eurem Weg begleiten!“ Mit ausgerechnet jenen Worten überreichte sie ihre Gaben – eine prächtig gearbeitete Haarnadel, die Garwinn zunächst für ein kleines Stilett hielt, und einen Dolch. Beides ziemlich offensichtlich elbischer Machart. Er hatte bereits erwogen, ihr etwas dafür zu husten, dass sie die Götter auf seine Braut und ihn ansetzte – und sei es nur der geäußerte Wunsch. Man wusste schließlich nie, wer wann wo zuhören würde. Doch Luzula wusste den Gedanken dahinter zu schätzen, die Intention, und verpasste ihrem Gemahl einen kleinen, dezenten Seitenhieb, bevor er in altgewohnter Manier lospoltern konnte. „Vielen Dank!“, erwiderte die Einarmige stattdessen und wartete, bis die Elbe sich entfernt hatte. „Götter“, meinte Garwinn lediglich leicht kopfschüttelnd. „Ach halt den Mund. Sie meinte es gut.“ „Ich weiß, nur… Götter…“ Alistair und Ishara traten als nächste heran und gewannen damit rasch ihrer beider Aufmerksamkeit. „Vielen Dank für den Gesang, es klang wundervoll!“, meinte Luzula rasch, ehe beide ansetzen konnten. Die Halbelbe errötete sichtlich und nickte leicht, ehe sie ebenfalls irgendein seltsames Grünzeug hervorzog. „Das ist eine Steineiche. Im Moment macht sie noch nicht viel her, ich weiß. Aber sie werden sehr hart, groß und alt. Ich kann euch helfen, ihn dort einzupflanzen und wachsen zu lassen, wo immer ihr leben wollt. Ich hoffe, ihr findet ineinander und… und in eurem Bund, was euch jeweils fehlt. Und das ihr gemeinsam vergesst, was es heißt, einsam zu sein.“ Lächelnd nahm Luzula ihr den Topf ab, umrundete den Tisch und umarmte Ishara einen Moment. Garwinn dagegen sah sich Alistair gegenüber, der ihn angrinsend anhob. „Zwerge mögen Steine und ich habe mich extra beraten lassen, was da Sinn macht!“ Oh bei den Ahnen… „Ich wünsche euch, dass es nie langweilig wird. Das ist wichtig, weißt du? Die meisten seltsamen Gedanken resultieren aus Langeweile. Weiß ich aus erster Hand.“ Garwinn bemühte sich um ein höfliches Nicken, während Alistair seine kleine, empfohlene Steinsammlung vor ihm ausbreitete. Ein Rauchquarz, Aquamarin und Obsidian. Wer um alles in der Welt hat ihn beraten?! Garwinn biss sich auf die Zunge und stellte die Frage nicht, nein, nein würde er nicht. Wirklich nicht. Stattdessen hörte er auf, zu zählen, wie viele Fehltritte sich Alistair geleistet hatte. Denn da hörte er ja nicht auf – er plapperte. So lange, bis Ishara ihn am Ärmel griff und mit entschuldigendem Blick und der Bemerkung wegzog, dass auch andere dem Paar noch gratulieren wollen würden. „Ich bringe ihn um. Irgendwann. Ich erschlage ihn einfach. Fällt auch nur auf, weil er nicht mehr redet“, nuschelte Garwinn leise. Luzula sah beiden verträumt lächelnd nach. „Ich weiß einen guten Stollen, wo wir ihn verbuddeln könnten.“ Ihre Bemerkung riss ihn aus seinen Gedanken und ihr Grinsen hellte seine frisch eingebrochene Laune ein klein wenig auf. Es tat gut, zu wissen, dass sie dabei war. Selbst wenn er einen Freund umbringen und die Leiche vergraben wollen würde. Vermutlich wäre sie tatsächlich mit dabei – selbst dabei. „Möge keiner von euch je herausfinden, was es bedeutet, zu hungern oder das Herz gebrochen zu bekommen“, raunte Mardugh und brachte die Aufmerksamkeit beider rasch auf den Empfang zurück. Nicht zuletzt, weil etwas Feuchtes einen dumpfen Laut beim Aufprall auf dem Tisch erzeugt hatte. Da lag ein Fisch. Sehr frisch. „Sorgt gut füreinander“, erklärte der Tümpelkönig, nickte ihnen zu und trat ab. Etwas irritiert sah das Paar der behäbigen Gestalt nach. Sie… hatten sich nicht einmal bedanken können…?! „Hey“, meinte Aestyn leise. Abermals schwankte die Aufmerksamkeit abrupt herum. „Ich… habe mir ein paar Gedanken gemacht. War mir lange nicht sicher, was es werden soll – ich muss gestehen, ich habe von Zwergen nicht viel Ahnung. Bei uns Menschen sind Ringe üblich. Also…“ Er zog aus einer kleinen Schatulle zwei fein gearbeitete Silberringe hervor. „Normalerweise nimmt man Silber für Verlobung und Gold für die Ehe, aber ganz so viel Geld hatte ich dann doch nicht. Sie sind graviert!“ Die Inschrift beider Ringe las sich ‚Gebunden und doch frei‘. „Ich hoffe, du bist nun angekommen“, wandte er sich an Luzula, „Dass du jemanden hast, an dessen Seite du dich sicher fühlst und mit dem du viele glückliche Jahre verbringen kannst.“ Die Einarmige lächelte leicht verlegen. „Vielen Dank.“ Garwinn dagegen nickte. Danach trat Vhrengal heran. Der Schmied bemühte sich sehr – erfolgreich, obendrein – sich nichts anmerken zu lassen. Die Grünhaut hatte seine Loyalität und Verlässlichkeit immerhin bewiesen. Aber es war schwer, alte, tief eingegrabene Vorurteile zu überkommen. „Ich… ich wünsche euch alles Gute und… uhm… ein langes Leben! Ein glückliches, langes Leben!“, brachte er sichtlich unsicher hervor und überreichte Garwinn einen dicken Lederband. Garwinn besah sich den Titel kurz und reichte es an Luzula weiter. Natürlich nur, damit die den Titel ebenfalls lesen konnte. Nicht etwa, weil es irgendein Sammelband romantisch-kitschiger Liebesliteratur war, mit dem er so überhaupt nichts anfangen konnte, nein. Völlig ausgeschlossen. Er verzog auch weiterhin keine Miene, nickte lediglich und dankte Vhrengal sogar… aufrichtig. Immerhin hatte er sich sehr bemüht, die Traditionen des zwergischen Volkes zu ehren. Was jedoch Vorurteile anbelangte, wurde es zumindest für den Moment einfach nicht besser – als Aris herantrat. Zentauren waren im Grunde halbe Pferde und die Beziehungen zwischen dem zwergischen Volk und den diversen Pferderassen war seit alters her… angespannt. Von seiner menschlichen Hälfte mal ganz zu schweigen. „Alles Gute“, meinte Aris knapp und reichte Garwinn – warum ausgerechnet immer ihm?! – eine hölzerne Schnitzfigur, die… vermutlich das Paar darstellen sollte? Handwerklich war da noch einiges an Übung aufzuholen, befand Garwinn, aber er bemühte sich abermals um Höflichkeit. Die wirkliche Bedeutung wurde ihm erst klar, als Luzula dem nachrückenden Gregor kurz Einhalt gebot und sich zu Garwinn lehnend leise erklärte, was es unter dem Wüstenvolk bedeutete, etwas aus Holz zu verschenken – einem der rarsten und kostbarsten Rohstoffe der Wüste. Als hätte Aris ihnen eine Darstellung des Paares aus Diamant geschenkt. Erst mit dieser gezogenen Parallele wusste Garwinn das Geschenk tatsächlich zu schätzen. Und sah sogar den mürrischen, oftmals maulfaulen Zentauren auf andere Art. Dann winkte Luzula Gregor heran, der ihr – warum ausgerechnet ihr?! – eine rote Rose überreichte. Garwinn war mit menschlichen Gebräuchen vertraut genug, das er am liebsten über den Tisch gelangt und seins verteidigt hätte, aber zu seinem eigenen Glück begann der Nekromant rasch genug zu sprechen, das sich der Impuls wieder verflüchtigte. „Alles Gute und eine glückliche Zeit und all das. Wichtiger ist: Eine glückliche Ehe ist eine, in der sie ein bisschen blind und er ein bisschen taub ist.“ Andererseits… vielleicht war in diesem Stollen genug Platz für zwei…? „Sie sollte einige Jahre halten – Ninny und Reva haben sich an ihr ausgetobt“, setzte Gregor mit Bezug auf die Rose lächelnd nach, zwinkerte beiden nochmals zu und stolzierte davon. Denn die Ersten hatten angefangen, sich über das Buffet herzumachen. Zugegeben, da waren Berge zu bewältigen. Aber die Speerspitze wurde schließlich von Thorin und Mardugh geführt – vielleicht sollten sie sich ja doch ein wenig beeilen? Zumindest ein klein wenig? Dann wiederum… sie hatten da einen Fisch direkt vor der Nase liegen. „Eine ergiebige Ehe wünsche ich euch allem voran.“ „Bitte was…?“, kam unisono von Luzula und Garwinn, wenngleich auch aus verschiedenen Gründen. Garwinn war noch kurz Mordfantasien nachgejagt, während Luzula sichtlich errötend ein kleines Fläschchen der Alchemistin entgegennahm. „Ich sagte: Ich wünsche euch allem voran eine ergiebige Ehe. Die Rezeptur ist eine Eigenkreation, sie sollte auf die zwergische Physiologie angepasst sein und Potenz und Fruchtbarkeit maßgeblich erhöhen – und damit dabei helfen, den Wunsch umzusetzen“, erklärte Herrin Tanveer begleitet von ihrem charmantesten gewinnenden Lächeln. Hochrot bis in die Ohrenspitzen nickte Luzula und sorgte dafür, dass diesem kleinen, zarten, zerbrechlich wirkenden Fläschchen auf keinen Fall irgendwas passieren konnte… Während Luzula mit der Sicherung des Geschenks beschäftigt war und Reva ihren ganz eigenen Charme versprühend sich dem Buffet anschloss, trat Emrhién heran. „Eine wirklich schöne Zeremonie“, merkte sie freundlich an und zog ihre Geschenke hervor. Garwinn… staunte tatsächlich nicht schlecht. Elbische Schmiedearbeit kannte er und auch wenn er die Zwergische ganz grundsätzlich vorzog, war es ein großer Qualitätssprung von der Menschlichen. Er führte die wuchtigere, offenbar aus Mondsilber und Mithril gefertigte Einhandaxt einen Moment und war sehr zufrieden damit. Auch die deutlich kleinere Handaxt, aus ähnlichem Metall und mit artgleichen Verzierungen versehen, lag gut in der Hand – war aber offenbar für eine kleinere Hand gedacht.  Ein Zwillingsset an Waffen also, für sie beide. Interessante Idee. „Ich wünsche euch Glück für euren weiteren Weg. Möge diese Verbindung euch nie verloren gehen. Und Tapferkeit für all die kommenden Schlachten, in denen Äxte keine Lösung sind.“ Nun, seiner Ansicht nach konnte so ziemlich jede Problematik an irgendeinem Punkt unter Zuhilfenahme einer Axt gelöst werden – aber er würde sicherlich nicht hier und jetzt zu streiten anfangen! „Gute Entscheidung“, meinte Emrhién leise und erinnerte ihn an diese Fähigkeit ihrerseits. Seufzend schüttelte er den Kopf und dankte ihr auch entsprechend mental, sich die Mühe der gesprochenen Worte nicht einmal machend. Sie nickte und machte Platz für den nächsten. Seine Lordschaft Kren-Duar’den Adamah vom Volk der Sidhe… kündigte sich glücklicherweise nicht als solcher an, sondern ließ sich einfach von Jecir herantragen, bis er aufgrund der Nähe zum Tisch fast aus dem Sichtfeld verschwand. Entsprechend flatterte er dann herauf. Inzwischen hatte sich Luzula auch mit der Flasche arrangiert, weshalb sie seine Aufmerksamkeit mehrheitlich einfing. Sie hörte zu. Sehr genau und sehr aufmerksam. Und sehr stirnrunzelnd. Arden gab Worte von sich. Bestimmt. Sicherlich. Vielleicht. Nur in keiner Sprache, die irgendeiner der Anwesenden verstehen konnte. „Und natürlich mein Geschenk“, erklärte er und deutete herab. Jetzt erst wurde Garwinn wirklich bewusst, dass es sich nicht um Jecir gehandelt hatte. Der Stein war dunkler. Aber gut – was wusste er schon, ob Steinelementare ihre Farbe ändern konnten?! Etwas sprachlos blickten sie der Fee nach, die Richtung Tisch flatterte. Offenbar… hatten sie jetzt einen Steinelementar. Offenbar. „Hat er einen Namen?“, hakte Garwinn bei Luzula nach, als wüsste die die Antwort. Stirnrunzelnd blickte sie über den Tisch hinweg. „Dugnae“, taufte Luzula ihn zufrieden. Kluger Stein. „Komm her.“ Und unter Garwinns fassungslosem Blick gehorchte das Gerumpel aus Kieseln und fand sich an Luzulas Seite ein. „Da können w-wir schon mal üben…“, setzte sie leise mit verschmitztem Lächeln nach und ließ die Implikationen dessen offen. Wie viel Erziehung Stein brauchte, war eine Frage, der sich Garwinn glücklicherweise nicht zu lange widmen konnte. Immerhin trat Daeri heran, nickte beiden grüßend zu und reichte ihnen ein… Dings. Garwinn war klug. Glaubte er jedenfalls selbst. Zumindest hatte er ein gutes Grundverständnis für Mechanik. Oft genug musste er selbst welche herstellen oder reparieren, Teile dafür produzieren. Aber das, was Daeri da als Multifunktionsküchengerät bezeichnete, das entzog sich völlig seinem Verständnis. Vielleicht, wenn er das Ding sorgfältig auseinandernehmen und in monatelanger Kleinstarbeit wieder zusammensetzen würde, könnte er seine Funktionsweise begreifen. Und, wozu es eigentlich diente. Daeris diesbezügliche Erklärungen waren lang und voller seltsamer Worte. „… nicht nach links drehen. Was den traditionell üblichen Glückwunsch anbelangt, erachte ich Wünsche grundlegend als ineffizient. Sinnvoller ist es, Mittel und Wege zur Problembewältigung zur Verfügung zu stellen – was ich hiermit getan habe.“ Garwinn nickte. Luzula nickte. Daeri nickte. Daeri ging. Irgendwie nickte er immer noch. Er musste sich regelrecht zwingen, damit aufzuhören. Fühlte sich irgendwie seltsam… benommen. Und Luzula schien es nicht viel anders zu gehen, auch wenn sie als Mitglied einer Familie von Feinmechanikern vermutlich vom Gebrabbel des Tieflings sehr viel mehr verstanden hatte als er selbst. Nach einem Moment trat Falk heran und zumindest für den Moment hoffte Garwinn sehr, dass das die Rückkehr zur Normalität signalisierte. Was nicht enttäuscht werden sollte. „Für euer gemeinsames Leben wünsche ich euch die Kraft, mit der die Sonne am Morgen ihren Lauf beginnt. Die Heiterkeit, mit der sie am Tag ihr Licht verströmt und die Gelassenheit, mit der sie am Abend untergeht.“ Nun, das war ein sehr… menschlicher Wunsch. Aber zumindest Luzula schien ihn in seiner vollen Bandbreite zu schätzen zu wissen und lächelte breit. Mehr noch, als er ihnen etwas überreichte: Einen Haussegen. Zwei etwa fünf Zentimeter breite und jeweils fünfzig Zentimeter lange Stoffbänder, bestickt mit einer Inschrift. ‚Luzula und Garwinn Eisenhand - möge euer gemeinsamer Weg lang und segensreich sein. Und unter eurem Dach Lachen und Freude.‘ Garwinn nickte und ließ sich von Luzula erklären, dass das Ding auf einen Menschenbrauch während Hochzeiten zurückführte. Bänder, die um die Hände der zu Trauenden gewickelt wurden und die man später an der Innenseite der Haustür aufhing, um Schutz und Segen zu bringen. Nun das war zumindest etwas, womit er sich arrangieren konnte. Als Sierra kurz darauf herantrat, seufzte Garwinn zufrieden. Immerhin jemand mit etwas mehr- Oh nein. „Ich hoffe, du wurdest besser beraten als das dürre Bleichgesicht“, maulte Garwinn leise, als Sierra ebenfalls mit Steinen ankam. Es zeigte sich jedoch rasch, dass – ja – sie einfach mehr Ahnung hatte, was sie tat. Ein kurzer Blick auf die von Alistair zuvor dargebotenen Steine ließ den Tiefling sichtlich die Miene verziehen. „Autsch.“ Garwinn nickte. „Mhm.“ „Na keine Sorge, das Problem werdet ihr mit mir nicht haben“, begann sie und packte ihre kleine Gabe aus. „Magnetit für Glück und Unbeschwertheit – das könnt ihr beide gut gebrauchen. Turmalin für die Kreativität – auch wenn mancher meinen mag, das ihr zwei davon schon mehr als genug habt, wirklich. Achat für die Fruchtbarkeit – mehr schadet nie, hm?“ Sie zwinkerte Luzula zu, die abermals hochrot anlief. „Bergkristall für die Liebe – möge sie euch lange begleiten und erhalten bleiben. Und Topas für den Mut – denn ich kann mir nicht vorstellen, das ihr zwei immer nur die bekannten Wege gehen werdet.“ Garwinn nickte anerkennend. Anerkennend und zufrieden. „Und der Granitblock da?“ „Ein Grundstein“, erklärte Sierra lächelnd, „Für euer gemeinsames, neues Heim. Der erste Stein von vielen, mit denen ihr eure Zukunft aufbauen werdet.“ Abermals umrundete Luzula den Tisch und klebte kurz an Sierra, die ihrerseits natürlich lächelnd die Umarmung erwiderte, dabei jedoch zu Garwinn schielte. „Willst du auch?“ „Bleib mir bloß fern“, schoss der Schmied zurück. „Aw, das bricht mir das Herz. Hast du Angst, du könntest ein paar Freudentränen verlieren?“, stichelte Sierra weiter. „Nein, ich ertrage nur den Schwefelgeruch nicht“, schoss Garwinn zurück. „Und dabei meintest du das eine Mal doch, du wüsstest wirklich alles an mir zu schätzen…!“, neckte sie grinsend. Garwinn dagegen rollte seufzend mit den Augen. „Wie lange muss ich mir das denn noch vorhalten lassen…?!“ „Ach keine Sorge, ist halb so wild – nur, bis Luzula sagt, dass ich aufhören soll.“ Die Blicke beider hefteten sich an die Einarmige, die kurz zwischen ihnen umher sah und dann sehr zu Garwinns Horror zu grinsen begann. "Mach ihn fertig!“, gluckste sie, „Aber… heute hat er Schonzeit. Ab morgen wieder, hm?“ Sierra verneigte sich tief. „Aber natürlich, wie soll man der frisch gebackenen Braut schon was abschlagen? Nun gut. Ich sehe mal zu, dass ich vom Buffet noch etwas für euch retten kann, bevor Thorin, Mardugh, Aris und Vhrengal es völlig vernichtet haben. Bis nachher!“ Garwinn nickte frustriert und war froh, sich dem nächsten zuwenden zu können – und die Schlange war inzwischen signifikant zusammengeschmolzen. Nahezu alle hatten es inzwischen zum Buffet geschafft und der Eisenhand-Schmied konnte selbst nicht beurteilen, ob sein Magen nun aus tatsächlichem Hunger, übertriebenem Appetit oder schlichtem Neid heraus grummelte. Numath trat sicheren Schrittes und ernster Miene heran. Waren Hochzeiten unter Menschen ganz grundsätzlich eine ernste Angelegenheit oder versuchte sie nur, einen Punkt vorbereitend zu unterstreichen? „Ich wünsche euch den Segen der Götter. Dass ihr euch in schweren und guten Tagen an sie erinnert. Und viele Jahre unter ihren Wohlwollen verweilen könnt. Schutz und Gesundheit für euch und eure Familie.“ Garwinn verschluckte sich kurz. Wie oft waren ihnen heute schon die Götter nachgejagt worden? Er wollte gerade abermals zu zetern ansetzen – eine Diskussion über die Unmöglichkeit der Existenz der menschlichen Götter vielleicht – und Luzula machte sich bereits bereit, ihn auszubremsen, als Numath ihr Geschenk hob. Ein Teppich? Eine Decke? Ein-…? „Ein Webbild…“, flüsterte Luzula leise, den Blick auf das Rund geheftet. Einem Kalender nicht unähnlich, waren die zwölf Monate darin verarbeitet, mitsamt den Farben, die den Göttern zugeordnet wurden – und den entsprechend korrelierenden Edelsteinen eingearbeitet. Luzula dachte schlicht nicht darüber nach und Garwinn, der noch immer mit sich zu kämpfen hatte, Lord Adamahs bloße Existenz und ein paar im Scherz hier und da gesprochene Witze zu Tode zu ignorieren, würde ganz sicher nicht nachfragen, wie Numath zu genug Vermögen gelangt war, sich diese Edelsteine zu leisten. Er konnte es sich denken. Es war nur unmöglich und er wollte es sich nicht denken, wirklich nicht. Also bedankten sie sich artig bei Numath, Luzula bettete das Webbild vorsichtig auf dem inzwischen recht beeindruckenden Stapel und sie empfinden Tanea an ihrem kleinen Tisch – die Letzte in der Reihe. „Jede Ehe benötigt Kompromissbereitschaft und Zusammenarbeit - und das in genau dem richtigen Maß. Genauso wie Neugier und Vertrauen in den jeweils anderen.“ Was sie ihnen mit jenen Worten übergab, war… ein Würfel. Ein Dodekaeder, wie Luzula rasch begeistert anmerkte. Zugegeben, es war ein seltsamer Würfel – zwölf Seiten, statt sechs. Aber Garwinn wäre nicht gleich so weit gegangen, sich der Benennung wegen die Zunge brechen zu wollen. Das Ding war so groß wie ein Ball, wog ein klein wenig und machte den Eindruck, aus dunklem, gemasertem Marmor zu bestehen. Eigentlich recht hübsch, nur… war das ein weiterer Staubfänger? Irgendeine Magiertradition? Hatten alle Magier-Ehepaare irgendwo schwarze Dodekaeder rumstehen, lächelten ihn alle paar Jahrhunderte mal versonnen an und erinnerten sich an ihren Hochzeitstag? Es waren immerhin Magier – zuzutrauen war’s ihnen vermutlich. Tanea gab auch schlicht und ergreifend keine weiterführende Erklärung ab, sondern nickte ihnen zu und wandte sich ab. Was die zwei mit dem Ding zurückließ. Luzula hatte sich natürlich längst den Würfel geschnappt und begonnen, daran herumzuspielen. Schöne Geschenke waren eine Sache. Dekoration, Nutzen, Symbolik – aber ein verflixter Rätselwürfel? Was hatte sich Tanea dabei gedacht?! Sie hätte wissen müssen-… vielleicht hatte sie es gewusst? Neugier – eindeutig Luzulas Seite. Vertrauen in den anderen – darin, dass er sie von dem Ding fortzubringen fähig wäre? Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft, um… um… Ach in die Tiefen mit dem Würfel! Garwinn war drauf und dran, Luzula das Ding wegzunehmen, mit einem schweren Seufzen schon in der Kehle geladen – weil das ganz gewiss nicht leicht werden und sie den ganzen restlichen Abend über seine Bedeutung rätseln würde – als sich etwas tat. Der Versuch, ihn ihr zu nehmen, schien ihn zu aktivieren. Irgendwie. Natürlich zog er hastig die Hand zurück, als sich etwas tat. Was Luzula mit einem unzufriedenen Laut dazu veranlasste, seine Hand zu packen und wieder an den Dodekaeder zu klatschen. Er… war weise genug, nicht direkt wieder die Hand wegzuziehen. Stattdessen beobachtete er, wie sich der Würfel auffaltete, als hätte er eine spontane Identitätskrise entwickelt und würde sich für eine Blumenblüte handeln. Magie. Darin… war natürlich noch mehr Magie. Ein kleines, hell leuchtendes Flämmchen, das ohne jegliche Substanz zu brennen schien. Eine… Lampe. Garwinn gaffte das Schauspiel einen Moment lang regelrecht an, ehe er seufzend kurz nach Tanea schaute, die – wie erwartet – lächelnd am Buffet stand und zu ihnen blickte. Immerhin: So ergab ihr Wunsch auch irgendwie viel mehr Sinn…   Der Tag wurde immer länger. Endlich, endlich, endlich waren sie mit den Gratulationen und Geschenken durch und konnten sich setzen. Es hatte sich nie so gut angefühlt, einfach nur zu sitzen. Teller und Schüsseln klapperten, Schalen wurden herumgereicht und Garwinn griff nach ein paar wenigen Minuten des Entspannens – Seite an Seite mit seiner Braut – beherzt zu. Luzula hatte sich ebenfalls einen Moment genommen, die simplen Dinge zu genießen. Aber beiden wurde schnell klar: Die Anstrengungen des Tages waren alles andere als überlebt. Denn die Schalen und Teller rotierten. Weiter und weiter und weiter und schienen einfach nicht leerer zu werden. Irgendwann war selbst essen anstrengend. Und dabei hatten sie sich schon darauf verlagert, mehr zu reden, Geschichten und Anekdoten zu teilen, Scherze und Witze zu reißen, als zu essen. Viele davon auf Kosten, zugunsten oder über das Brautpaar. Besteck klirrte an Gläsern, weitere Reden wurden Geschwungen, Lobpreisungen und gemeinschaftliche Glückwünsche. Bis zum späten Abend dauerte die gesellige Runde an, ehe ihnen endlich erlaubt war, sich zurückzuziehen. Als Garwinn die Türen ihres Zimmers hinter sich schloss, lehnte er mit dem Rücken dagegen. Die Klinke im Rücken, den Schlüssel im Rücken, nichts davon tat weh oder störte genug, zu verhindern, dass er einfach nur den Kopf gegen das kühle Holz sinken ließ, die Augen schloss und durchatmete. Es war vorbei. Es war endlich vorbei. Der Tag der Tage. Er hatte ihn überlebt. Und war sich jetzt, hier, heute, einer Sache sehr, sehr sicher: Er würde sowas nicht nochmal mitmachen. Nie wieder. Dieses eine Mal. Einmal und nie wieder! Die Augen langsam wieder öffnend, als Luzula seinen Namen nannte, fiel sein Blick auf die Einarmige. Sie hatte ihre Prothese abgelegt, die Schleppe, den Schleier, sich die Schminke vom Gesicht gewischt. Sie saß auf dem Bettrand, sah in seine Richtung und mit dem unschuldigsten Lächeln, das er je auf ihren Lippen gesehen zu haben glaubte, zugleich aber den Kopf hochrot… spreizte sie langsam ihre Schenkel. Garwinn verschluckte sich fast, doch mit einem Mal war da sehr viel mehr Energie übrig und so schlimm war der Tag ja nun auch wieder nicht gewesen. Er stieß sich von der Tür ab und näherte sich grinsend Luzula, seiner Luzula. Einmal und nie wieder? Solange sie der Preis war… würde er dieses Theater jeden Tag wieder mitmachen…! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)