Mondschein von Tobiz ================================================================================ Kapitel 9: Die Suche -------------------- Der Krug wird schnell weitergereicht. Anscheinend sind sich alle sicher bei der Wahl. Oder sie wollen nicht mehr begossen werden. Leider dauert die Auswertung umso länger. Ganz langsam werden die Zettel genommen und ein Strich hinter die entsprechende Person gemacht. Wie bei der ersten Wahl hörst du Klagelaute, wenn der Name eines geliebten Menschen ertönt. Auch deine Tochter erhält wieder Stimmen und bei jeder hältst du ihre Hand fester. Jedoch ist bereits nach kurzer Zeit ein Spitzenreiter erkennbar. Auch die letzten Stimmen ändern nichts mehr an dem Ergebnis. Koroka soll es sein. Du unterdrückst deinen Kommentar. Deine Augen schweifen über den Platz. Koroka siehst du nirgends. Kein Schrei, kein Flehen, kein gar nichts. Sie ist nicht da. Dem Rest scheint dies inzwischen auch aufgefallen zu sein. Ist sie abgehauen? Eine Gruppe meldet sich freiwillig um sie zu suchen. Wenn Koroka gefunden ist, soll eine neue Versammlung stattfinden. Da dies wahrscheinlich mitten in der Nacht sein wird, eilst du schnell in dein Haus zurück und legst dich schlafen, in der Hoffnung, dass dir der nächste Traum Erkenntnisse liefern wird. "Hier drinnen ist sie nicht", ruft jemand aus einem Haus zu deiner Linken. "Nicht da. Sie muss das Dorf verlassen haben, bevor wir es bemerkt haben", erwidert ein anderer. "Gut, hört zu", spricht Tasui. "Sie kann nur in den Wald gelaufen sein. Es ist Zeitverschwendung, wenn wir weiter hier suchen." Die Gruppe sammelt sich und läuft in Richtung Wald. Ihr seid insgesamt zu viert. Das sollte hoffentlich reichen, Koroka zu finden und zu töten. Notfalls auch ohne Versammlung. Als du hochsiehst, siehst du den Vollmond, der dir ein mulmiges Gefühl bringt. Er war immer am Himmel zu sehen, wenn jemand durch die Wölfe gestorben ist. Am Waldrand bleibt ihr kurz stehen. Tasui holt ein paar Messer heraus und sagt, dass ihr sofort rufen sollt, wenn euch etwas auffällt. Keine eigenen Sachen. Ihr nickt und steckt die Messer ein. In der Dunkelheit erstreckt sich der Wald wie ein Tor in die Hölle. Du glaubst nicht, dass euer Vorhaben problemlos ablaufen wird. Das glaubt keiner. Dennoch sind die anderen gewillt, Koroka zu finden. Nach den ersten Schritten im Wald fühlst du dich wie in die erste Nacht zurückgeworfen. Du bist aber nicht der Gejagte, sondern der Jäger. Plötzlich spürst du etwas an deinem Bein. Du zuckst zurück und trittst mehrmals blind die Richtung, wo du das vermutest, was eben nach dir gegriffen hat. Als du dich sicher fühlst, hörst du die letzten Geräusche von etwas, das ein Baum hochklettert. Von weitem fragt dich Tasui, ob alles in Ordnung sei. Du weißt es selbst nicht. Das von eben war mit Sicherheit ein Eichhörnchen oder so, aber du merkst, dass du mit der Situation überforder bist. Zu sehr erinnert dich das an die erste Nacht, als du vor der Bestie weg in den Wald geflüchtet bist. Tasuis Frage ignorierst du demnach. Je schneller ihr Koroka gefunden habt, desto schneller bist du aus diesem Albtraum draußen. Du gehst weiter. Das Zeitgefühl hast du verloren. Es könnten Minuten oder Stunden vergangen sein, seit ihr in den Wald gegangen seid. Der Mond scheidet als Uhr aus, da er sich nicht mehr bewegt. Das Laufen durch den Wald ist mühsam und irgendwann bilden sich Schweißperlen auf deiner Stirn. Du wischst sie mit dem Ärmel weg. Doch sie kommen immer wieder und die mehr und mehr feuchtere Kleidung bringt keine Abhilfe mehr. Einer von den anderen ruft nach euch, als du gerade durch die Baumkrone eines umgefallenen Baums läufst. Das ist schwieriger als gedacht, weil ständig Äste mit Blättern im Weg sind und du über oder unter sie klettern musst. Leider hat dich das ganz schön Zeit gekostet. Auf einmal erschrickst du. Vor dir liegt Koroka. Du rufst nach den anderen. Kurz danach noch ein zweites Mal. Du weißt nicht, ob Koroka tot oder lebendig ist. Du beschließt, nicht näher zu ihr zu gehen, bevor die anderen da sind. Das Gesicht ist zum Boden gerichtet. Ihre Kleidung ist dreckig und die weißen, nicht schmutzigen Stellen treten stark hervor. Endlich kommt Tasui mit den anderen. Er macht ein paar Schritte zu Koroka, welche ruckartig den Kopf umdreht. Zusammengekrümmt und nach Luft schnaubend schaut sie euch hilfesuchend an. "Was ist passiert?", fragt der Anführer. "Es..war hier. Die Bestie…ein Wolf. Ich hatte solche Angst", erwidert sie stotternd. "Beruhige dich. Wir werden dich ins Dorf bringen und dann weitersehen", spricht Tasui. Die anfängliche Skepsis gegenüber Koroka fängt an, sich zu verlieren. Du überlegst, ob sie doch kein Wolf ist. War sie auch ein Opfer, das überlebt hat...so wie du? Einer von den Männern nimmt Koroka hoch. Danach macht ihr euch auf den Rückweg. Du fragst dich, ob die Abstimmung wiederholt wird oder ob das Dorf auf ihren Tod bestehen wird. Ignorieren kann man das hier ja nicht. „Da vorne! Der hat mich angegriffen!“, schreit Koroka und zeigt mit ihrem Finger in die Ferne. Da steht ein Wolf. Der Mann legt Koroka auf den Boden ab und holt sein Messer raus. Der Anführer geht einen Schritt nach vorne. "Beschütze Koroka“, sagt Tasui zu dir. „Wir werden den Wolf töten.“ Während der Rest zu dem Wolf sprintet, stellst du dich schützend vor Koroka. Du bezweifelst, dass sie den Wolf bezwingen können. Wahrscheinlich unterschätzen sie ihn. „Oh, das wird nicht nötig sein“, flüstert Koroka, als vor euren Augen der Kampf beginnt. Schnell zückst du dein Messer und drehst dich zu Koroka um, welche sich in einen Wolf verwandelt und mit dem Maul auf dich zuspringt. Gemeinsam fallt ihr zu Boden. Auf dir verwandelt sich der Wolf in Koroka zurück und schreit "Lauf weg! Verschwinde von hier!". Der andere Wolf heult auf und der Kampf von den anderen wird leiser. Jetzt spürst du eine schlimme Wunde an deinem Unterkörper. Koroka muss dich mit dem Angriff genau richtig getroffen haben. Dafür ist es eine Genugtuung, als du dein Messer in ihrem Brustkorp siehst. Du wirst zwar sterben, aber immerhin war dies nicht umsonst. „Wie ist es, sein Spiegelbild zu sehen?“, flüstert Koroka breit grinsend, bevor sie ihre Augen schließt und aufhört zu atmen. Du erwachst wieder in deinem Bett. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass es mitten in der Nacht ist. Gerade kommt deine Tochter in dein Zimmer und meint, dass Koroka gefunden wurde und dass jetzt eine Versammlung stattfinden wird. Auf dem Weg zu dem Platz sagt sie dir auch, dass einer der Freiwilligen, Miss Refdleid, ziemlich stark verletzt wurde, aber wohl nicht sterben wird. Angekommen siehst du den Leichnam von einem Wolf. Es ist Koroka. Die Dorfbewohner pfeifen und äußern ihre Enttäuschung, obwohl der Wolf sie nicht mehr hören kann. Du machst dir Sorgen wegen des Nachbarsjungen. Er hat seine Mutter verloren. Was ist, wenn es vererbt wird? Darüber willst du nicht nachdenken. Nach der Erklärung, was passiert ist, kehren die Menschen rasch in ihre Häuser zurück. Es ist schließlich noch Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)