Die Erben von NiOniOn (Buch Eins: ANBU) ================================================================================ Kapitel 17: Uchiha Shisui II ---------------------------- Makani stand bereits seit einigen Minuten vor dem Eingang des Dōjō und blickte auf die Szenerie vor sich, ohne wirklich etwas zu sehen. In ihren Ohren rauschte es und ihr Puls ging deutlich schneller als normal. Fast so, als hätte sie gerade gekämpft, als wäre der Kampf noch nicht vorbei… Sie zwang sich einmal tief durchzuatmen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Ratssitzung war vorbei. Die Uchihas hatten das Gebäude verlassen und standen nun wieder in Gruppen auf dem Uchi-niwa, der zunehmend von den Schatten des späten Abends verschluckt wurde. Einige unterhielten sich angespannt flüsternd, warfen ihr verstohlene Blicke zu, andere traten bereits den Heimweg an. Makani hatte den Dōjō als eine der letzten verlassen, gemeinsam mit Izumi, die sich wie eine Ertrinkende an ihrem Arm festklammerte. „Wir müssen zu Itachi! Er muss etwas unternehmen... Bitte, hilf mir ihn zu suchen“, flüsterte sie. Ja, zu Itachi gehen… Das war auch Makanis erster Impuls gewesen. Sollte sie in der ANBU-Zentrale nach ihm suchen? - Und dann? Was erwartete sie von ihrem Team-Leader? Er hatte schließlich eine ganz bewusste Entscheidung getroffen und musste mit den Konsequenzen gerechnet haben. Ja, es war wohl sogar sinnlos, ihm nur die ungeheuerlichen Neuigkeiten überbringen zu wollen. Er wusste doch vermutlich ohnehin Bescheid... Oder bildete sie sich etwa ein, dass er eine Lösung für ihr dringendstes Problem hatte? Sie sah zu ihrem anderen Team-Kollegen hinüber, der am Rande des Platzes bei seinen Eltern stand. Kein Wort hatten sie miteinander gesprochen, noch nicht einmal Blickkontakt hatten sie gehabt. Und auch jetzt stand Shisui mit dem Rücken zu ihr, doch Makani glaubte, die quälenden Gedanken und Empfindungen in ihm spüren zu können. Oder waren es nur ihre eigenen? Umso verstörender wirkten auf sie jene Emotionen, welche sich in den Gesichtern von Shisuis Eltern spiegelten: Makani glaubte nie zuvor zwei Menschen so voller Stolz gesehen zu haben. Der Vater hatte feuchte Augen, ihm schienen vor Glück die Worte zu fehlen. Die Mutter dagegen redete ohne Unterlass auf Shisui ein und lächelte das für ihren Sohn typische breite Lächeln, welches sie schon so lange nicht mehr an ihrem Kameraden gesehen hatte. In diesem Moment begegnete Makani dem Blick der älteren Frau. Sie sagte noch etwas zu ihrem Mann und kam dann noch breiter lächelnd auf die Kunoichi zu. Augenblicklich spürte sie nackte Panik in sich aufsteigen… Verschwinden! Jetzt! Sie wollte nur noch weg. Doch mit aller Macht unterdrückte sie den Reflex. Dies war kein Kampf! Doch was in aller Welt war es dann? Politik? Das ganz normale Tagesgeschäft in einem durchgedrehten Clan? Shisuis Mutter kam unaufhaltsam näher und Makani zwang sich sie anzusehen – Ihr Ausdruck schnitt ihr direkt ins Herz. So sah man keine entfernte Verwandte an, sondern eine lang ersehnte geliebte Tochter. Das war doch vollkommen absurd! Sie kannte Makani doch überhaupt nicht… Plötzlich trat jemand vor sie und schnitt Shisuis Mutter auf diese Weise den Weg ab. Sofort überkam sie eine wundervolle Welle der Erleichterung. Aber nur für den Moment, nur bis sie begriff, wer da vor ihr stand... Fugaku lächelte. Makani konnte sich nicht erinnern, dies jemals zuvor beim Oberhaupt des Clans gesehen zu haben. Eines war jedoch sicher: dieses Lächeln sah dem seines Sohnes überhaupt nicht ähnlich. „Das ist ein großer Tag für doch, liebe Schwester“, sagte er und fixierte Makani und ihr Anhängsel. Izumi zuckte beim Klang seiner Stimme merklich zusammen und klammerte sich noch fester an sie. Auch Makani drängte sich intuitiv näher an die jüngere Kunoichi. Sie war froh, Fugaku diesmal nicht allein gegenüberzustehen. „Sicher wünschst du dir, wir hätten dich besser darauf vorbereitet“, fuhr er fort. „Glaub mir, ich wünsche mir das auch. Aber die gegebenen Umstände haben es leider nicht zugelassen.“ Makani fühlte eine Mischung aus Wut und Verblüffung. Er kam anscheinend noch nicht einmal auf die Idee, dass man sie vorher hätte fragen müssen, was sie wollte, wie sie sich ihr Leben mit dem Clan vorstellte… Stattdessen gestand er ihr gerade einmal das Recht auf eine bessere Vorbereitung auf seine Entscheidungen über ihr Leben zu? „Trotzdem müssen wir dich nun umso besser darauf vorbereiten, was dich in Zukunft erwartet. Es bringt ein großes Maß an Verantwortung mit sich, ein Teil unserer Gemeinschaft zu sein. Ich bin zwar überzeugt, dass du alles ganz wunderbar meistern wirst. Dennoch werden wir einiges nachholen müssen, was du in deiner … Abwesenheit versäumt hast.“ Was denn? Hatte sie etwa versäumt zu lernen, wie man eine gute Ehefrau wurde? Die gute Ehefrau eines oder vielmehr des einen Clanerben? Also zumindest damit mochte er wohl recht haben… „Deshalb möchte ich, dass du morgen vor mir und den Ältesten erscheinst. Dann werden wir alles weitere besprechen.“ „Ich muss arbeiten“, entfuhr es Makani prompt. Ihre Stimme klang scharf... kampfbereit. Erschrocken biss sie sich auf die Unterlippe. Es war bitter, aber sie musste sich eingestehen, dass sie sich einem offenen Konflikt mit diesem Mann nicht gewachsen fühlte. Einem Mann, der Autorität und Macht derart kompromisslos verkörperte. Kurz glaubte sie, ein gefährliches Funkeln in Fugakus Augen zu sehen. „Natürlich musst du deinen täglichen Pflichten nachkommen. Deswegen werden wir uns auch abends treffen. Es sei denn -“ Er machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Es sei denn, du planst wieder ein nächtliches Treffen mit meinem Ältesten auf seinem Zimmer… Allerdings solltest du dich in diesem Fall schon fragen, ob heimliche Rendezvous wirklich noch angemessen für jemanden in deiner Position sind. Was meinen Sohn betrifft, so scheinen solche Verantwortungslosigkeiten dagegen leider zunehmend zur Gewohnheit zu werden. Ich fürchte, er hat mittlerweile völlig den Sinn für Anstand verloren… Dass er nun gleich zwei unerfahrenen jungen Mädchen Versprechungen macht, ist allerdings ein neuer trauriger Höhepunkt. Ich muss mich für ihn entschuldigen. Er ist sehr stolz und fast krankhaft von sich überzeugt. Er erträgt es nicht, dass ich ihm Grenzen aufgezeigt habe. Leider scheint er auch nicht davor zurückzuschrecken, andere für seine Rebellion gegen mich zu instrumentalisieren. Lass dich bitte nicht von ihm in dieses Spielchen mit hineinziehen, Makani!“ Während Fugaku gesprochen hatte, hatte sie ganz deutlich gespürt, wie sich Izumi neben ihr immer mehr versteifte. Mit vor Entsetzen offenem Mund drehte sich Makani nun zu der Kunoichi. Im selben Moment ließ diese so ruckartig ihren Arm los, als hätte sie sich verbrannt, wich zurück und starrte sie mit einem Gesichtsausdruck an, der kaum zu ertragen war. Makani wollte etwas sagen – sie musste! Das war doch alles gar nicht wahr ... oder anders … aber sie blieb sprachlos. Denn sie hatte Itachi heimlich in seinem Zimmer besucht, um mit ihm über ihre gemeinsame Arbeit bei der ANBU zu sprechen. Er hatte ihr anvertraut, dass er in der Tat gegen seinen Vater rebellierte – mehr noch – er hatte ihn, den Clan und damit auch seine Verlobte verraten … Nichts davon konnte sie sagen. Stumm wie ein Fisch stand sie mit offenem Mund da und sah ganz deutlich in Izumis Augen, dass ihr Zögern jeden weiteren Erklärungsversuch vergeblich machen würde. Die jüngere Uchiha glaubte dem Clan-Oberhaupt. „Ich...“ Izumis Stimme zitterte. „Ich muss nach Hause. Es ist spät.“ Sie drehte sich um und verließ den Uchiniwa eine Spur zu eilig. Makani starrte ihr fassungslos hinterher. Dann sah sie wieder zu Fugaku und sie hatte auf einmal das Gefühl, einen anderen Mann vor sich zu sehen. Als hätte sie nun begriffen, was für ein Mensch Uchiha Fugaku wirklich war. „Gute Nacht, Makani“, sagte er, lächelte noch einmal sein seltsames Lächeln und ging davon.     *   Sie hatte noch nicht einmal mehr den Blick erhoben, um zu sehen, ob Shisuis Mutter immer noch mit ihr sprechen wollte. Sie war einfach mit den tiefen Schatten der Kirschbäume, die den Uchi-niwa säumten, verschmolzen und irgendwo zwischen ihnen verschwunden. Wie in Trance war sie gelaufen, ohne Ziel, ohne einen konkreten Gedanken im Kopf. Viel zu unlösbar schienen die Probleme, mit denen sie jede Form des Denkens unweigerlich konfrontieren würde. Irgendwann blieb sie schließlich doch stehen und erschrak, als ihr bewusst wurde, wohin sie ihre Füße getragen hatten: Sie stand vor dem Haus Mokuren, vor ihrem Zuhause… Es war Akanes Haus gewesen und bis vor zwei Jahren hatte Makani gemeinsam mit ihrer Ziehmutter hier gelebt. Seitdem stand die kleine Noka am südlichen Rand des Viertels leer und der Garten war mittlerweile derart überwuchert, dass man den schmalen Kiesweg, der vom Gartentor zum Eingang führte, nur noch erahnen konnte. Auf halber Strecke führte er an jenem großen Magnolienbaum vorbei, von dem das Haus seinen Namen hatte. Seine weit ausladenden Äste wirkten im Dunkeln beinah bedrohlich. Makanis Brust wurde schmerzhaft eng. Was für ein perfider Zug es doch war, Shisui und ihr ausgerechnet dieses Haus anzubieten… Peinigend lebhaft erinnerte sie sich daran, wie man sie keine zwei Tage nach dem Morgen, an dem Akane nicht mehr aufgewacht war, hier abgeholt hatte, um sie zu Tekka zu bringen. Für sie war damals vollkommen klar gewesen, dass sie im Haus Mokuren wohnen bleiben wollte. Doch sie war beinah noch ein Kind gewesen und natürlich hatte das Haus nicht wirklich Akane gehört. Nichts in diesem Viertel gehörte wirklich irgendwem… Der Clan verfügte über alles. Mit aller Macht schob Makani den Gedanken beiseite, weil sie fürchtete, daran zu ersticken. Sie musste sich unbedingt beruhigen und die Geschehnisse des Abends so nüchtern wie möglich betrachten, um dann zu entscheiden, was sie tun konnte. Doch ihr blieben nur wenige Minuten, sich zu sammeln, denn plötzlich spürte sie, wie sich eine menschliche Präsens näherte – tastend, zögerlich und ihr sehr vertraut. Sofort begann ihr Fluchtinstinkt von neuem an ihr zu zerren, aber sie ignorierte ihn. Es war vollkommen logisch und richtig, dass Shisui nach ihr suchte. Und er tat es ganz offen, verbarg sein Chakra nicht und gab ihr so die Möglichkeit, sich rechtzeitig zurückzuziehen, wenn sie wollte. Aber sie durfte jetzt nicht wieder weglaufen. Sie mussten diese völlig absurde Situation klären! Langsam trat ihr Team-Kamerad aus den Schatten und blieb dann ein paar Meter von ihr entfernt stehen. Es fiel Makani extrem schwer, ihm in die Augen zu sehen, doch sie zwang sich dazu. Es gab doch eigentlich gar keinen Grund, sich zu fürchten. Shisui war immer freundlich zu ihr gewesen. Und für ihn selbst war dieser ganze Schlamassel wahrscheinlich sogar noch schlimmer als für sie. Sie verringerte den Abstand zwischen ihnen um ein paar Schritte und versuchte es mit einem zaghaften Lächeln. Doch es erstarb sofort wieder. Shusui sah furchtbar aus. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen und seine Wangen sahen seltsam hohl aus. Die große, schlanke Gestalt des jungen Uchiha wirkte nun eher hager und gebeugt. Es bestand kein Zweifel: Es war schlimm für ihn, vielleicht noch um einiges schlimmer, als sie sich hätte vorstellen können. „Hey“, sagte sie unsicher und räusperte sich dann in dem Versuch, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. „Tut mir leid. Es war eine bescheuerte Idee, hierher zu kommen.“ Sie schielte zum Haus. „Ich weiß auch nicht… Ich bin irgendwie wie von selbst hier gelandet. Alte Gewohnheit, nehm‘ ich an.“ Shisui nickte fast unmerklich und sah nun seinerseits zu Makanis früherem Zuhause hinüber. „Es ist ein sehr schönes Haus“, erwiderte er mit belegter Stimme. Makani sah ihn verwundert an. Selbst wenn man von dem momentan ziemlich verwahrlosten Zustand absah, gehörte das Haus Mokuren eindeutig zu den unscheinbareren Gebäuden im Viertel. Etwas versteckt hinter dem mehr als doppelt so großen Anwesen eines Clanältesten fiel es eigentlich kaum jemandem auf, bis vielleicht auf die wenigen Wochen im Frühjahr, wenn die Magnolie in voller Blüte stand. „Nein, wirklich“, versicherte Shisui, als er ihren skeptischen Blick bemerkte, „mir hat das beschaulich Einfache daran schon als Kind gefallen! Unser Haus ist eigentlich viel zu groß für uns drei. Meine Mutter käme ohne Haushaltshilfen gar nicht mit der ganzen Arbeit hinterher...“ Und dabei war sie noch nicht einmal aktive Kunoichi, dachte Makani. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, traf dies eigentlich auf so gut wie alle verheirateten weiblichen Uchihas zu. „Oh, lass dich nicht von der Größe täuschen! Akane hat ständig geschimpft, wie viel Arbeit das Haus macht… Na ja, eigentlich hat sie erst in den letzten Jahren angefangen sich richtig darum zu kümmern. Aber es ist eben ein altes Haus; es gab ständig irgendwo Probleme. Und schau es dir jetzt an…“ Shusui schüttelte langsam den Kopf und hob dann den nachdenklichen Blick unvermittelt zur Krone der Magnolie. „Trotzdem. Es wirkte irgendwie immer… wie ein richtiges Zuhause. Weißt du noch? Wir waren früher öfter zum Spielen hier. Als du noch sehr klein warst, hast du dich oft auf diesem Baum versteckt. Wir wussten, dass du da oben irgendwo warst. Gefunden haben wir dich trotzdem nicht. Dann hast du Blüten auf unsere Köpfe regnen lassen, als Hinweis. Trotzdem haben wir immer sehr lange gebraucht, bis wir dich hatten. Das hat uns fürchterlich geärgert… Wir haben ewig gegrübelt, wie du das machst.“ Wir … Es war offensichtlich, dass er Itachis Namen mit Absicht nicht ausgesprochen hatte. Und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen schien die Präsens ihres Team-Leaders in diesem Moment so greifbar, als stünde er direkt neben ihnen. Nichts zwischen Shisui und ihr würde sich wirklich klären lassen ohne ihn. Aber er war nun einmal nicht da – wie üblich. „Wir haben auch keine Zeit, uns um ein Haus zu kümmern“, murmelte sie und spürte wie die Hitze, die zunächst nur ihre Ohren erfasst hatte, sich nun in ihrem ganzen Körper ausbreitete und ihr Gesicht zum Glühen brachte. Shisui warf ihr einen schnellen, scharfen Blick zu und sie war über alle Maßen dankbar dafür, dass es dunkel war. „Willst du für immer das Leben eines Ninja führen?“, fragte er nach kurzem Zögern. Diese Frage verwirrte Makani. Solche Gedanken waren für sie immer undenkbar weit weg gewesen. Ihre Laufbahn als Kunoichi hatte doch gerade erst richtig begonnen und sie war, seit sie sich erinnern konnte, viel zu vereinnahmt davon gewesen, um sich zu überlegen, was danach kam oder wann dieses ‚danach‘ sein würde. Und nun musste sie feststellen, dass ihr offenbar völlig die Fantasie fehlte, um sich vorzustellen, was das Leben im Dorf dann noch für sie bereithalten könnte. Ein Haushalt, Kinder, Ehe? Nichts. Ihr Geist schien unfähig diese Wörter mit Inhalt zu füllen. „Willst du das denn?“, fragte sie schließlich zurück. Shisui sah sie wieder an, diesmal länger und etwas irritiert. „Aber ich bin Ninja!“ Makani zog die Stirn kraus, sagte aber nichts, sondern erwiderte nur seinen Blick. Dann schien der Uchiha selbst zu merken, in welches Licht diese spontane Aussage seine zuvor an sie gerichtete Frage rückte. Er ließ ein kurzes erstauntes Lachen vernehmen. „Entschuldige, ich dachte nur … Nein, ich hatte manchmal den Eindruck, du würdest dich nicht sonderlich wohl in dieser Rolle fühlen …“ War das wirklich so?, fragte sie sich gekränkt. Doch für die letzte Zeit mochte dieser Eindruck vielleicht sogar zutreffen. Sie hatte ja tatsächlich sehr mit ihrer plötzlichen Berufung in die ANBU gehadert und mit all den Problemen, vor die sie diese Entscheidung anderer gestellt hatte und weiterhin stellte. Aber was war vorher? War sie glücklich mit ihrem Leben gewesen? Hatte sie das getan, was sie wollte? Oder hatte Itachi am Ende recht und es gehörte einfach zum Leben einer Kunoichi dazu, dass andere über ihr Leben entschieden … Makani spürte, wie sie die Fragen, die dieses seltsame Gespräch aufwarf, zunehmend überforderten. Was taten sie hier? Worüber redeten sie da? „Na ja“, Shisui räusperte sich und sah weg, „es gibt ja zum Glück Haushaltshilfen und … Kindermädchen … und das Haus ist ja wirklich nicht sehr groß ...“ Makani erstarrte und wusste nicht mehr, ob es Hitze oder Kälte war, die sich in ihre Eingeweide fraß. Es konnte einfach nicht wahr sein, was sie glaubte, das er da andeutete. Waren denn alle vollkommen verrückt geworden?! „Shisui, ich … bitte!“, stammelte sie. „Das da vorhin war doch das reinste Theater. Das kannst du doch nicht ernst nehmen … oder?“, fügte sie kleinlaut hinzu, denn sein Gesichtsausdruck erschreckte sie fast noch mehr als das, was er zuvor gesagt hatte. „Natürlich nehme ich das ernst“, entgegnete er mit Nachdruck. „Es ist der Wunsch unseres Clans. Und es sind momentan alles andere als einfache Entscheidungen, die wir treffen müssen. Niemand macht es sich leicht und niemand spielt Theater! Dafür ist nun wirklich nicht die Zeit ...“ Nach diesem kurzen Ausbruch verfiel er in Schweigen und sah grimmig in die Ferne. „Hältst du es wirklich für so eine schlechte Idee?“, fragte er schließlich unvermittelt und entwaffnete Makani damit vollkommen. Was in aller Götter nahmen sollte sie darauf sagen? Doch er half ihr nicht aus dieser misslichen Lage und schien tatsächlich eine Antwort von ihr zu erwarten. „Ich… keine Ahnung … ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll. Hältst du es denn für keine schlechte Idee? Wir kennen uns doch kaum…“, sprudelte es schließlich aus ihr heraus. „Es ist doch irgendwie irre, sich von seiner Familie vorschreiben zu lassen, wen man heiraten soll. Und wieso gerade wir beide? Ich kapier das alles nicht...“ Makani biss sich auf die Lippe, um den Wortschwall zu bremsen. Nun hatte sie es ausgesprochen und sie bildete sich ein, dass es nicht nur entrüstet, sondern sogar etwas abweisend und geringschätzig geklungen hatte. Aber was sollte es bringen, ewig drum herum zu reden? Doch zu ihrem Erstaunen lachte Shisui leise. Dann kam er plötzlich auf sie zu, blieb direkt vor ihr stehen und sah sie mit einer Direktheit an, die Makani erneut innerlich straucheln ließ. „Ja, ich dachte auch lange, dass so etwas ziemlich rückständig wäre. Aber tatsächlich kommt die überwältigende Mehrheit aller Ehen in Konoha immer noch auf diese Weise zustande. Ich glaube langsam, die Leute reden zwar viel davon, wie anders heute alles ist, aber in Wahrheit sind es die alten Traditionen, die alles zusammenhalten.“ Er lächelte sie an, tief traurig und zugleich irgendwie zärtlich. Makani bekam eine Gänsehaut. „Nein, ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass es eine schlechte Idee ist. Es ist vermutlich sogar die einzig sinnvolle. Hätte ich entscheiden müssen, hätte ich es vermutlich genauso gemacht.“ Nun sah Makani ihren Team-Kamerad vollends entgeistert an, woraufhin dieser erneut lachte. „Na, denk doch mal nach. Das Nachwuchsproblem im Clan ist mittlerweile so drastisch, dass wir uns ernsthaft Sorgen um unser Überleben machen müssen. Du, Izumi und ich sind so gut wie die einzigen jungen unverheirateten Mitglieder. Wir alle drei sind gute Ninja, aber du und ich verfügen darüber hinaus über verschiedene sehr machtvolle Fähigkeiten, die wir mit großer Wahrscheinlichkeit an unsere Nachkommen weitergeben werden.“ Makani spürte, wie das Blut, welches eben noch ihren ganzen Körper mit pulsierender Hitze geflutet hatte, fast augenblicklich irgendwohin zu entweichen schien und sie blass und erstarrt zurückließ. Noch vor wenigen Sekunden hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass die ganze Angelegenheit noch verrückter werden könnte. „Es geht … es geht um unsere Kekkei Genkai?!, stammelte sie. „Wir sollen Nachwuchs mit besonderen Ninja-Fähigkeiten züchten?!“ Ihre Stimme zitterte und klang durchdringend und schrill. Shisui, der nicht mit einer derart heftigen Reaktion auf seine Schlussfolgerung gerechnet zu haben schien, schaute erschrocken. „Hey!“, sagte er alarmiert und überbrückte den letzten Meter Abstand zwischen ihnen. Vorsichtig und offenbar in der Absicht, Makani zu beruhigen, legte er einen Arm um sie. Doch es wirkte nicht im Mindesten beruhigend auf sie. Augenblick erstarrte ihr Äußeres zu einer Salzsäule, während sich innen alles schmerzhaft ineinander verkrampfte und verknäulte. „Tut mir leid, wenn dich verletzt hat, was ich gesagt habe“, beschwichtigte Shisui. „Ja, ich gebe zu, es klingt hart, aber so läuft das nun einmal in den Clans – immer schon. Wenn wir nicht zusehen, dass unser Fortbestand gesichert ist, warten zahllose andere Familien nur darauf, unseren Platz einzunehmen. Und leider scheinen ihre Chancen momentan besser zu stehen als jemals zuvor. Auf die meisten Ursachen dafür haben wir wohl kaum Einfluss, aber auf diese eine schon. Ich möchte meine Familie nicht im Stich lassen, sie verlassen sich auf uns ...“ Durch seine Worte schimmerte nun Verzweiflung hindurch und er hatte das letzte so eigenartig betont, als wolle er sich selbst davon überzeugen, dass es ein solches ‚uns‘ gab. Makani fühlte ihr Inneres noch tiefer aufgewühlt. Es war schwer erträglich, ihren sonst so selbstsicheren und leichtmütigen Kameraden auf diese Weise sprechen zu hören. Aber konnte es stimmen, was er da sagte? Hing die Zukunft des Clans, die Zukunft all dieser Menschen wirklich von ihnen ab? Verlies sich etwa auch Tekka auf sie? Auf einmal war sie sich ziemlich sicher, dass es so war. Und diese Erkenntnis löste in ihr Freude und Angst zugleich aus. „Aber...“, entgegnete Makani schließlich leise, „wieso behandeln sie uns dann so wie unartige Kinder oder wie ihre Untergebenen? Fugaku ist… ich finde Fugaku ist ein schrecklicher Anführer!“ Auf einmal verspürte sie das drängende Bedürfnis, sich umzudrehen und sicherzustellen, dass sie nicht belauscht wurden. Doch bevor sie diesem nachgeben konnte, erstarrte sie abermals vor Schreck, als Shisui sie vorsichtig, aber bestimmt in eine Umarmung zog. Ihr Gesicht ruhte nun an seiner Brust, die sich in schweren Atemzügen hob uns senkte. Sie war völlig unfähig sich zu bewegen. „Ja, ich kann verstehen, dass du so denkst. Er tut wirklich manchmal Dinge, die … schwierig sind. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es wohl vor allem ihm zu verdanken ist, dass wir nicht schon längst untergegangen sind. Er führt uns und mit harter Hand durch eine harte Zeit.“ Er quittierte seinen eigenen Wortwitz mit einem abschätzigen Schnauben. „Wir Uchihas sind es halt nicht anders gewöhnt… vielleicht geht es auch gar nicht anders, aber ...“ Plötzlich spürte sie Shisuis Hand an ihrer Wange, die leichten Druck ausübte. Er wollte, dass sie ihm ins Gesicht sah. Doch er nötigte sie nicht, sondern wartete ihre Reaktion auf die Geste ab. Endlich löste sie sich aus ihrer Starre und tat ihm den Gefallen. „ - aber, wenn wir die Anführer dieses Clans werden, könnten wir doch immerhin versuchen es besser zu machen, oder?“ Erneut stolperte Makani über das ‚wir‘ von dem Shisui da sprach. Er und sie, die zukünftigen Anführer der Uchihas? Sie war sich ziemlich sicher, dass Fugaku dies nicht im Sinn gehabt hatte. Dennoch erfüllte sie die völlig abwegige Vorstellung mit einer irritierend starken Erregung. Shisui sah sie an, als wünsche er sich ihre Zustimmung, doch sie konnte nichts weiter tun, als ihn wie ein verschrecktes Reh anzustarren. Was war sie bloß für ein jämmerliches Ding?! Als keine Antwort von ihr kam, fuhr er fort: „Aber natürlich hast du recht, es klingt heute schon ziemlich seltsam, sich von einem Clanrat vorschlagen zu lassen, wen man heiraten und wo man einziehen soll. Aber weißt du, ich hatte ein paar Freundinnen in den letzten Jahren und ich habe sie auch wirklich gern gehabt, doch irgendwie war es immer … ich weiß auch nicht … sie konnten nie richtig verstehen, was es bedeutet, zum Uchiha-Clan zu gehören und warum das Ninjatum so dermaßen viel für mich bedeutet. Mit einer von ihnen mein Leben zu teilen, wäre wohl nicht gut gegangen. Aber du verstehst das alles, du bist ein Teil davon geworden. Und ich schätze dich sehr, als Kunoichi und als Kameradin. Ich glaube, mehr kann man nicht verlangen. Ich finde, es spricht nichts dagegen, dass wir es nicht versuchen könnten – was immer das bedeuten mag.“ Er grinste etwas verlegen und verschmitzt zugleich, ein blasser Schatten seines früher so bereitwillig verschenkten Lächelns. „Aber das ist natürlich alles absolut irrelevant, wenn du es nicht möchtest, was natürlich vollkommen verständlich wäre...“ Was ich möchte? Beinah hätte Makani gelacht. Wurde sie nicht seit Wochen täglich vor vollendete Tatsachen gestellt und mit für sie getroffene Entscheidungen konfrontiert? Eine Entwicklung, welche ausgerechnet an diesem Abend ihren unbestrittenen Höhepunkt erreicht hatte. Und sie mühte sich verzweifelt, dies alles zu begreifen und die Führung über ihr Leben zurückzugewinnen, nur um in der nächsten Kurve wieder aus der Spur geschleudert zu werden. Und jetzt fragte er sie ernsthaft, was sie wollte? … Sie war erschöpft. Shisuis Umarmung war einerseits nur schwer zu ertragen, fühlte sich aber gleichzeitig seltsam gut an. Sein Körper strömte eine angenehme Wärme aus und er roch ... verheißungsvoll? Etwas lang Vergrabenes schien in ihr zu erwachen und sich unter Qualen zu winden … ein verzweifelter Hunger, von dem sie bisher kaum etwas gewusst hatte. Wie unendlich lang war es her, dass sie umarmt worden war, dass sie den Körper eines anderen Menschen gespürt hatte? Shisuis Gesicht näherte sich ihrem, seine Hand ruhte weiterhin auf ihrer Wange und er sah sie fragend an. Doch anstelle einer Antwort schloss sie die Augen. Ihr war klar, dass es absolut irrational und lächerlich war, aber sie wusste auch, dass sie bei jedem Versuch, der Situation mithilfe ihres Verstandes Herr zu werden, kläglich scheitern würde … und mit ziemlicher Sicherheit würde es dazu führen, dass sie wieder allein in der kalten Dunkelheit stand, ohne einen warmen Körper, der sie umarmte… Als Shisui sie küsste, glaubte sie für einen Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren. Fast panisch schlang sie die Arme um seinen Hals und konnte dann nichts weiter tun, als ihren Körper gewähren zu lassen, der sich fast gewaltsam an dem anderen festklammerte. Zunächst schien Shisui überrascht von der Vehemenz ihrer Reaktion, doch nach kurzem Zögern begann er darauf einzugehen, hielt sie so fest, dass es wehtat, und zog mit seinen Fingen tiefe Spuren über die Haut ihres Rückens. Als er versuchte mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen, zuckte sie zunächst zurück, ließ es dann aber zu und hörte sich selbst wie von fern seufzen, als sie ihre Lippen öffnete. Und im nächsten Moment verlor sie tatsächlich den Boden unter den Füßen, denn Shisui hatte sie ein Stück hochgehoben und, während er sie weiterhin fiel zu fest hielt, legte er sie auf die kühle Erde. Auf die Matte geschickt … besiegt!, ging es Makani durch den Kopf, ohne dass sie wirklich begriff, wieso. Doch sie war unfähig weiter darüber nachzudenken. Shisui beugte sich über sie und begann sie zu streicheln. Seine Bewegungen wirkten fieberhaft, fast ein wenig gehetzt. Makani hielt weiterhin die Arme um seinen Hals geschlungen und ließ es geschehen. Doch dann erstarrte ihr Team-Kamerad plötzlich in der Bewegung. Seine Lippen verließen ihre, sie öffnete sie die Augen und irgendein verwirrter Teil von ihr war tatsächlich überrascht, Shisuis Gesicht vor sich zu sehen … sah es nicht irgendwie fremd und verändert aus? Als sie realisierte, dass sie in das stechende Rot seines Sharingans blickte, kam sie endgültig wieder in der Gegenwart an, nahm nicht mehr nur ihren Körper, sondern auch ihre Umgebung wahr – und augenblicklich verließ sie alle Wärme und ihr wurde eiskalt … sie waren nicht allein. „Es tut mir leid, euch unterbrechen zu müssen“, ertönte Fugakus Stimme und Makani schloss erneut die Augen, diesmal allerdings in einer Art ungläubigem Schock. Sie wünschte sich so sehr, nicht da zu sein, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn die Erde erbarmen mit ihr gehabt und sie einfach an Ort und Stelle verschluckt hätte. Stattdessen versuchte sie verzweifelt, sich in die nächtlichen Schatten zu hüllen, aber ihr hoffnungslos aufgewühltes Chakra wollte ihre Schwingungen einfach nicht aufnehmen. Dann lugte sie doch an Shisuis glühendem Blick vorbei und da stand das Oberhaupt der Uchihas mit einer Gaslampe in der Hand, die bedrohliche Schatten auf sein Gesicht und die seiner Begleiter warf. Die Mienen der Clanältesten schienen ein ganzes unerträgliches Spektrum an Emotionen widerzuspiegeln: von Ärger über peinliche Berührtheit bis hin zu leichter Belustigung. Sie spürte, wie ihre Blicke den Händen Shisuis folgten, eine unter den Stoff ihres leichten Hemdes geglitten, die andere fest um ihren Oberschenkel gefasst, ihr Bein beim umschlingen seiner Hüfte unterstützend. Berührungen, die sie eben noch genossen hatte und die sie nun plötzlich abstießen. „Auch wenn es mich freut, zu sehen, wie sehr ihr einander bereits ...“ Er machte eine, wie es Makani vorkam, süffisante Pause. „… ins Herz geschlossen habt, erstaunt es mich doch, wie schnell sich insbesondere unser jüngstes Ratsmitglied … umorientiert hat.“ Makani drohte an der Wut und der Scham, welche sich gleichzeitig in ihrer Kehle stauten, zu ersticken. Sie stieß Shisuis immer noch erstarrte Hände weg. Da löste er sich endlich von ihr, stand hektisch auf und stellte sich zwischen sie und die Uchihas. Makani blieb liegen und kauerte sich Schutz suchend im spärlichen Gras zusammen. „Ja, auf dieses Mädchen musst du gut aufpassen, Shisui“, bemerkte einer der Ältesten in widerwärtig anzüglichen Tonfall. „Ich denke, das reicht“, wies ihn das Clan-Oberhaupt milde zurecht. Dann wandte er sich an Shisui: „Also, wann dürfen wir das Haus für euch herrichten lassen?“ „Ich … ich denke bald“, antwortete dieser mit kleiner Stimme und verbeugte sich. „Das freut mich. Gut, da das geklärt ist, können wir nun zum eigentlich Grund kommen, weswegen wir dich gesucht haben. Du bist vorhin nach der Sitzung so schnell verschwunden, dabei gibt es noch einige sehr wichtige Dinge zu besprechen. Dir ist heute schließlich eine der wichtigsten Positionen in unserer Gemeinschaft überantwortet worden… Also würdest du jetzt bitte mit uns kommen?“ Shusui zögerte und drehte seinen Kopf ein kaum wahrnehmbares Stück zu Makani. „Aber natürlich, wenn du zuerst deine Verlobte nach Hause bringen möchtest ...“ Folgsam beugte er sich über sie und hielt ihr eine zitternde Hand hin. „Nein, ich will nicht!“, zischte sie mit erstickter Stimme. „Ist in Ordnung. Sie kommt zurecht“, sagte Shisui daraufhin laut und wie mechanisch.     *     Kurz darauf lag sie allein in der Dunkelheit. Sie spürte einzelne feine Regentropfen auf ihrem immer noch entblößten Bauch und einen kühlen Wind, der ihr die kleinen Härchen auf der Haut aufrichtete. Irgendwann, sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, hörte sie von Ferne Donnergrollen. Das half ihr, sich endlich aufzurichten. Es fühlte sich an, als würde sie sich schwer verwundet von einem Schlachtfeld erheben, auf dem sie gerade die Niederlage ihres Lebens erlitten hatte… Dabei war ihr an diesem Abend ein Wunsch erfüllt worden, der, so erkannte sie plötzlich, einen großen Teil ihres bisherigen Lebens bestimmt hatte, ohne dass sie sich es hätte eingestehen können: Die Uchihas hatten sie als wahre Clan-Tochter anerkannt und sie noch dazu prompt auf die höchste Position gesetzt, die man als solche wohl je erreichen konnte. Und der verlorene und schmerzlich vermisste Freund aus Kindertagen hatte ihr nicht weniger als das Versprechen einer lebenslangen Bindung angeboten – zumindest einer von ihnen… Und was blieb von diesem Wunsch nach seiner Erfüllung übrig? Makani sah ein letztes Mal zum Haus Mokuren, dessen Fensteröffnungen sie wie finstere Schlünde stumm anzuschreien schienen. Sie schrien Einsamkeit. Makani hielt sich die Ohren zu und weinte.         * * *       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)