Die Erben von NiOniOn (Buch Eins: ANBU) ================================================================================ Kapitel 3: Unter die Haut ------------------------- Makani glitt lautlos ins Wasser. Sie ließ sich ein paar Meter mit der Strömung treiben bis sie die glattgewaschenen Steine des Flussbettes im Rücken spürte. An dieser flachen Stelle des Baches blieb sie einfach liegen und ließ das kalte Wasser ihren Körper umspülen, nur Mund und Nase hielt sie über der Oberfläche. Langsam synchronisierte sich ihr Chakra mit dem Strom und irgendwann spürte sie, wie auch ihre grüblerischen Gedanken nach und nach in ein unbeschwerteres Fließen übergingen und schließlich beinah vollends davonschwammen. Nicht selten verbrachte Makani Stunden so in dem Waldbach unweit der Dorfgrenze. Es trainierte die Wandlungsfähigkeit ihres Chakras und entspannte sie gleichzeitig. An diesem frühen Morgen am Tag nach ihrer Berufung zur ANBU war sie hergekommen, weil sie hoffte, hier etwas Energie sammeln zu können, denn sie hatte sich nach dem Aufstehen kraftlos und gleichzeitig merkwürdig überdreht gefühlt. Geschlafen hatte sie in der vergangenen Nacht kaum. Sofort nachdem Koguma ihr eröffnet hatte, dass sie gleich am nächsten Tag in der Spezialeinheit anfangen würde, hatte er sie auch schon ohne weitere Erklärungen entlassen. Itachi hatte sie zum Ausgang begleitet, dabei aber kein einziges Wort mit ihr gesprochen. Makani hatte sich nicht getraut, etwas zu sagen. Das Schweigen schien ihn wie eine abweisende Aura zu umgeben, sodass sie es nicht wagte, es mit einer der tausend Fragen, die ihr durch den Kopf schwirrten, zu durchbrechen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie überhaupt das letzte Mal mit dem Uchiha-Sprössling gesprochen hatte. Es musste Jahre her sein. Eigentlich, so musste sie sich eingestehen, kannte sie diesen jungen Mann überhaupt nicht. Er hatte ihre Existenz wahrscheinlich schon längst vergessen gehabt. Und da sollten sie jetzt auf einmal miteinander arbeiten? Wer war bloß auf diese Idee gekommen? Itachi bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil hatte Makani eher das sehr unangenehme Gefühl bekommen, dass er sie gar nicht in seinem Team haben wollte. Frustriert musste sie sich eingestehen, dass gerade dieser Gedanke an alten, eigentlich längstverheilt geglaubten Wunden rührte.   Plötzlich wurde sie äußerst unsanft aus ihren Gedanken gerissen, denn ein Gewicht traf sie hart auf der Brust und sie wurde unter die Wasseroberfläche gedrückt. Makani strampelte hecktisch, schluckte eine Menge Wasser und rappelte sich schließlich umständlich auf. Hustend stand sie mitten im Bach und schaute sich verwirrt um. Hinter ihr ertönte ein Lachen: „Oje, tut mir Leid. So heftig wollte ich das nicht.“ Sie fuhr herum und erblickte einen jungen Mann mitstrubbligen schwarzen Haaren, der am Ufer hockte und einen langen, dicken Ast in den Händen hielt. „Shisui? Was… machst du hier?“ Der Shinobi lächelte und bot Makani eine Hand an, um ihr aus dem Wasser zu helfen. Nicht dass das nötig gewesen wäre, aber es sollte wohl eine Art Entschuldigung sein. Auch mit diesem Nachkommen des Uchiha-Clans hatte sie in den letzten Jahren so gut wie nichts zu tun gehabt, doch wenigstens hatten sie sich manchmal gegrüßt, wenn sie sich begegnet waren, und in wenigen Fällen hatten sie sogar ein paar Worte über irgendwelche Belanglosigkeiten gewechselt. Dass er sie hier einfach so im Wald aufstöberte, war jedoch mehr als ungewöhnlich. Sie ergriff die ihr gebotene Hand und einen Augenblick später stand sie triefend und tropfend vor Shisui, der sie amüsiert musterte. Sie hätte die Kleidung vorher ausziehen sollen, dachte Makani leicht beschämt. Aber sie hatte sich darauf verlassen, dass alles in der warmen Julisonne schnell trocknen würde. Andererseits hätte sie dann in Unterwäsche oder noch besser völlig nackt vor ihm gestanden, was sicherlich auch keinen besonders würdevollen Anblick geboten hätte. „Ich wollte dich abholen“, beantwortete er schließlich ihre Frage. „Hä? Wofür denn abholen?“. „Naja, du bist ab heute in unserem Team oder? Itachi möchte etwas früher anfangen, damit wir nicht so viel Zeit mit deiner Einweisung verlieren.“ Makanis Gesichtsausdruck drückte unverhohlene Verwirrung aus. „Du bist auch bei der ANBU?“, brachte sie schließlich ungläubig hervor. „Ähm ja, seit gut einem Jahr. Itachi macht das schon etwas länger, aber wir haben es beide nicht öffentlich gemacht. Das würde ich dir übrigens auch empfehlen. Es macht vieles einfacher.“ Sie würde also zusammen mit Itachi und Shisui ein Team bilden, mit zwei der bekanntermaßen fähigsten Ninja Konohas. Was um alles in der Welt konnte ausgerechnet sie zu dieser Konstellation beisteuern? Oder hatte man einfach angenommen, dass Uchihas am besten mit Uchihas zusammenarbeiteten und sie deshalb so eingeteilt? Wer immer sich das ausgedacht haben mochte, Makani hatte immer weniger das Gefühl, dass derjenige wirklich wusste, was er tat.   „Kommst du?“, fragteShisui und setzte sich in Bewegung. Siesteuerten den Trainingsplatz an, der südwestlich des Uchiha-Viertels lag. Doch am Waldrand wurden sie bereits erwartet. Itachi stand mit verschränkten Armen gegen einen Baum gelehnt und sah ihnen entgegen. Seine Augen wanderten mit dem gleichen ernsten Ausdruck wie am vergangenen Abend über Makanis Gestalt. Als sie und ihr Begleiter näher kamen, stieß sich der Uchiha vom Stamm ab und trat ein paar Schritte auf sie zu. „Es wäre besser, wenn du in Zukunft unmittelbar vor deinen Diensten nicht einfach verschwinden würdest. Es kann immer vorkommen, dass wir dich schnell erreichen müssen.“, sagte er sehr ruhig und fuhr fort, die Kunoichi vor ihm zu mustern. Es hatte nicht direkt tadelnd geklungen. Trotzdem begann sich Makani, angesichts dieser ersten Worte von ihm als ihr Team-Leader etwas unwohl zu fühlen. Auch sein, wie ihr schien, abschätziger Blick wurde ihr zunehmend unangenehm. Versuchte er anhand ihres Auftretens auf ihre Fähigkeiten zu schließen oder gab es vielleicht irgendetwas Interessantes aus ihrer Mimik abzulesen? „Gibt es irgendeinen bestimmten Grund dafür, dass du so nass bist?“ Bei dieser unvermittelten Frage von Itachi hörte sie Shisui neben sich belustigt schnauben. „Sie war wieder am Bach, das heißt genauer gesagt war sie im Bach, wie man sieht.“, antwortete er für sie. Makani runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Was meinte er mit wieder? Die beiden wussten anscheinend, dass sie diesen Platz häufiger aufsuchte. Ein auffallend neutral klingendes „Hm“ war alles, was Itachi daraufhin von sich gab. Als nichts weiter von dem jüngeren Shinobi kam, wandte sich Shisui ihr zu und fragte: „Möchtest du dich noch schnell zuhause umziehen? Allerdings bekommst du ohnehin gleich deine Uniform.“ Abwehrend hob Makani die Hände und erwiderte etwas hastig: „Nein, ist schon gut. Wir können gehen.“ Shisui nickte und, als ob das ein Startschuss gewesen wäre, begann Itachi daraufhin sehr schnell auf die Kunoichi einzureden: „Gut. Ich ziehe es unbedingt vor, dass mein Team seine Mitgliedschaft bei der ANBU geheim hält. Das heißt, es wäre prinzipiell besser, wenn man uns auch sonst nicht zusammen sieht. Also werden wir jetzt auf verschiedenen Wegen zur Zentrale gehen. Makani, du nimmst denselben Eingang wie gestern. Du kannst den Zugang allerdings nicht selbstständig öffnen, also warte ein paar Minuten hier, bevor du dich auf den Weg machst. Wenn wir vor dir ankommen, können wir dich reinlassen.“ Oha, dachte Makani. Die Zeit des Ninja-spielens war wohl vorbei. Offensichtlich wurde das mit der Geheim-organisation – zumindest von Itachi – sehr ernst genommen. Ihr kam es zwar etwas merkwürdig vor, sich im eigenen Heimatdorf so zu verhalten, als befände sie sich auf feindlichem Gebiet, dennoch nickte sie gehorsam. Ohne ein weiteres Wort drehten die beiden Shinobi ihr den Rücken zu und gingen davon. Makani sah ihnen nach und fragte sich zum wiederholten Male, worauf sie sich da eingelassen hatte.   Zwanzig Minuten später stand das neue ANBU-Mitglied wieder in derselben Gasse, in die man sie am vergangenen Abend bestellt hatte. Auch wenn es mittlerweile helllichter Tag war, wirkte der Ort dennoch düster, denn die dichtstehenden Gebäude hüllten alles in ihre Schatten. Trotzdem war es nicht mit der Finsternis zu vergleichen, die hier in der letzten Nacht geherrscht hatte. Neugierig suchte sie die Wand nach der Stelle ab, an der sich ihrer Meinung nach der Eingang befinden musste und tatsächlich: Dort war eine unscheinbare schmale Tür. Sie hatte weder Knauf noch Klinke und war vollkommen verrostet. Makani trat darauf zu und klopfte zaghaft, aber ihre Fingerknöchel erzeugten auf dem verwitterten Metall so gut wie kein Geräusch, die Tür musste ziemlich dick sein. Sie seufzte ratlos. Sollte sie einfach wieder warten, bis irgendetwas geschah? Doch plötzlich knackte und knarrte es und der Eingang wurde einen Spalt breit geöffnet. Makani zögerte einen Moment, als jedoch nichts geschah, schlüpfte sie ohne weiter zu überlegen durch die schmale Öffnung. Im spärlich beleuchteten Gang dahinter stand Itachi, der bereits Teile seiner Uniform trug, Weste und Maske fehlten allerdings. Er nickte Makani schweigend zu und führte sie abermals die Treppe hinauf in jenen Raum mit den vielen Monitoren. Diesmal strömte Tageslicht durch die großzügigen Fenster und sie gewährten einen guten Blick auf die felsige Erhebung am nördlichen Rand Konohas und die dort eingemeißelten Köpfe der Dorfoberhäupter. Außerdem war der Raum an diesem Morgen von rund einem Dutzend Männer in ANBU-Kleidung bevölkert. Ein paar starrten auf die Geräte an den Wänden und schrieben etwas auf Klemmbretter, der Rest saß an einem Tisch in der Mitte und war in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Als Makanis Team-Captain Anstalten machte, ohne ein Wort an ihnen vorbei zu gehen, erhob sich ein großer Shinobi mit raspelkurzen dunkelblonden Haaren und stellte sich ihnen in den Weg. „Na, wen hast du denn da mitgebracht, Uchiha? Ist das eure neue Partnerin?“, warf er den beiden flapsig entgegen. Itachi lief weiter und antwortete lediglich mit einem tonlosen „Ja.“. Doch das unbekannte ANBU-Mitglied platzierte sich so, dass er Makani dazu nötigte, stehen zu bleiben. „Magst du uns nicht deinen Namen verraten?“ Die Angesprochene antwortete nach kurzem Zögern: „Uchiha Makani. Ich bin ab heute in Itachis Team.“ Bei ihren Worten schnellten die Augenbrauen des Ninja in die Höhe. Ungläubig blickte er auf sie herab, dann drehte er sich plötzlich zu Itachi und rief: „Was denn? Habt ihr die Albino bis jetzt im Wald versteckt oder hast du etwa geheiratet, ohne uns etwas zu sagen, Itachi?“ Okay, das war absolut nicht nett gewesen. Makani war sich zwar nicht sicher, ob dieser Kerl einfach nur geschmacklose Witze mochte oder ob er sie oder Itachi tatsächlich hatte beleidigen wollen, dennoch hatte ihr dieser Kommentar die Sprache verschlagen und sie spürte, wie Hitze in ihr aufstieg, ob aus Scham oder aus Wut war allerdings schwer zu sagen. Doch bevor sie sich zu einer passenden Erwiderung, die ihr wahrscheinlich ohnehin nie eingefallen wäre, durchringen konnte, meldete sich einer der am Tisch sitzenden Männer zu Wort: „Lass das Tora, wir haben keine Zeit. Wir müssen hier in zwei Stunden fertig sein.“ In diesem Moment spürte Makani eine hauchzarte Berührung an ihrer Schulter. Sie blickte zur Seite und sah, dass Itachi direkt neben ihr stand. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sich bewegt hatte. „Komm.“, sagt er nur leise, aber mit fester Stimme und führte sie an Tora vorbei, welcher nur die Schultern zuckte und sich dann wieder zu seinen Kollegen setzte. Sie durchquerten mit schnellen Schritten den Raum und auf einmal entdeckte Makani eine Tür, die hinter einem großen Schrank mit Ordnen schlecht zu erkennen gewesen war.   Itachi öffnete sie und die beiden betraten eine Art Erste-Hilfe-Zimmer. In der Mitte standen zwei mit großen Papierunterlagen versehene Liegen. Auf einem Tisch am Fenster befanden sich einige braune Fläschchen und ein Kasten mit Verbandsmaterial. Es roch leicht nach Jod und Desinfektionsmittel und Makani wurde etwas flau im Magen. Sie reagierte empfindlich auf Gerüche, besonders wenn sie noch nichts gegessen hatte. Itachi deutete auf einen blassgrünen Wandschirm neben einer weiteren Tür und sagte: „Würdest du dich bitte umziehen. Ich hoffe, es passt einigermaßen. Deine Größe war nicht vorrätig. Es ist aber nur für den Übergang, bis wir dir etwas haben anfertigen lassen.“ Sie nickte und verschwand hinter der Stoffwand. Dort lag auf einem Hocker ein Stapel Kleidung für sie bereit. Rasch schälte sie sich aus ihren noch immer feuchten Sachen und tauschte sie gegen ihre neue ANBU-Uniform. Tatsächlich war alles ein bisschen zu weit, aber damit ließ sich eine Weile leben. Nur ihre eigenen Schuhe behielt sie an, denn die, welche für sie herausgesucht worden waren, waren mindestens drei Nummern zu groß. Damit hätte sie vermutlich kaum laufen, geschweige denn kämpfen können. Als letztes nahm sie die bereitgelegte weiße Maske in die Hand und betrachtete sie eingehend. Makani konnte nicht genau sagen, welches Tier diese darstellen sollte, aber anhand der Schnauzenform und der scharf geschnittenen Augenaussparungen hätte sie auf irgendeine Raubkatzenart getippt. Als sie wieder vor dem Wandschirm hervortrat, sah sie, dass Itachi am Tisch platzgenommen hatte. Vor sich hatte er einige Sachen ausgebreitet:  ein zusammengefaltetes weißes Handtuch, ein Behältnis mit einer tiefschwarzen Flüssigkeit und in einer Metallschale konnte Makani einige auffällig spitze Instrumente ausmachen. Die Kunoichi schluckte. Was hatte er denn jetzt vor? Ihr Team-Leader deutete auf den Stuhl ihm gegenüber und erklärte: „Alle Mitglieder bekommen das Zeichen der ANBU tätowiert. Setz dich. Es dauert nicht lange.“ Ein merkwürdiges Gefühl ergriff Makani. Als wäre nun ein Punkt erreicht, von dem aus es kein Zurück mehr für sie gab. Sie dachte an ihr altes Team, von denen niemand wusste, dass sie im Begriff war, einen, wie es aussah, völlig anderen Weg in ihrer Laufbahn einzuschlagen als sie. Vielleicht würde sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, mit ihnen zu arbeiten. Sie wollte Itachi so vieles fragen. Warum sie überhaupt hier war. Was von ihr erwartet wurde und warum man ihr scheinbar überhaupt keine Wahl in dieser wichtigen Angelegenheit ließ. Und warum gerade jetzt? Sollte sie doch noch versuchen umzukehren? Doch ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Ohne einen Ton von sich zu geben, setzte sie sich dem Uchiha gegenüber. Er bedeutete ihr, ihren Arm auf das Handtuch zu legen. Makani gehorchte und starrte dann mit einem tauben Gefühl im Kopf auf ihre andere Hand, welche schlaff in ihrem Schoß lag. Der scharfe Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihr in die Nase und sie spürte, wie Itachi mit etwas Feuchtem über ihren Oberarm wischte. Sie versuchte die beunruhigenden Gedanken zu verdrängen und sich auf Itachis Finger auf ihrer Haut und die kurz darauf einsetzenden Stiche zu konzentrieren. Er ging auffallend behutsam dabei vor. Die Berührungen seiner kühlen Hände waren federleicht und er stach die Farbe sehr schnell und zielsicher unter ihre Haut. Ein paar Tropfen lösten sich auf dem Weg zu Makanis Arm von der Nadel und bildeten kleine schwarze Flecken auf dem ansonsten makellos weißen Handtuch.   Als sie nach einer Weile zur Seite schaute, waren die Umrisse des wellenartigen Symbols bereits auf ihrer nun deutlich geröteten Haut zu erkennen. Itachi hielt den Blick gesenkt und schien sehr konzentriert zu arbeiten. Unwillkürlich fiel ihr auf, dass er zierlicher gebaut war, als sie gedacht hatte. Er war definitiv schmaler als Shisui und auch ein paar Zentimeter kleiner. Und dennoch war er ihr Anführer und Gerüchten zufolge der talentierteste Ninja, den der Uchiha-Clan jemals hervorgebracht hatte – obwohl in dieser Hinsicht auch gerne mal übertrieben wurde. Dennoch, fand sie, könnte er als vorbildlicher Team-Leader ruhig etwas mehr mit ihr sprechen, selbst wenn er sie eigentlich nicht dabeihaben wollte. Sollte das so weitergehen, standen ihr sehr schweigsame Zeiten bevor. Makani gab sich schließlich einen Ruck und formulierte eine zaghafte Frage: „Ist dieser Tora immer so… taktvoll?“ Mit einem beinah überraschten Gesichtsausdruck sah er zu ihr auf. Rabenschwarze Augen. Er strich sich eine Strähne seines langen Haares zurück und antwortete dann: „Er macht nur seine Arbeit. Ich habe eine Fremde in die Zentrale gebracht, ohne alle über deine Identität zu informieren. Da sind Nachfragen angebracht.“ „Aha“, entgegnete Makani. Itachi schien zu merken, dass sie mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden war, denn er fügte hinzu: „Und nein, das mit dem Taktgefühl ist nicht seine Stärke.“ „Vielleicht sollte man so etwas auch mal in den Ninja-Kodex aufnehmen.“, murmelte die Kunoichi nach einer kleinen Pause. Der sehr vage Anflug eines Lächelns umspielte die Mundwinkel des Shinobis, doch Makani fand, dass er eher traurig dabei aussah. Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Als erneut einige Zeit vergangen war und Makani immer mehr unbewusst die Kiefer aufeinanderpresste, um die Stiche auf ihrer zunehmend wunden Haut zu ertragen, klopfte es auf einmal. „Ich bin’s.“, kam Shisuis gedämpfte Stimme von der anderen Seite der Tür. „Komm‘ rein.“, antwortete Itachi halblaut. Der ältere Uchiha-Sprössling betrat den Raum und stellte sich hinter Itachi. „Das sieht doch ganz gut aus“, stellte er fest. „Meines kommt mir immer etwas schief vor.“ „An dir musste ich ja auch erstmal üben.“, gab der Andere trocken zurück. Makani warf einen verstohlenen Blick auf Shisuis Oberarm, fand jedoch nichts an der Tätowierung dort auszusetzen. Es war nicht leicht festzustellen, wann die beiden Uchihas scherzten, dachte Makani. „Bist du fertig hier? Koguma möchte dich noch sehen, bevor wir die Übung morgen besprechen.“, sagte Shisui. Itachi legte daraufhin die Nadel weg und wischte sich die Hände am Handtuch ab. „Ja, fast. Kannst du noch schnell die Restversorgung übernehmen?“ Shisui nickte und nahm Itachis Platz ein, nachdem dieser kurzerhand aufgestanden und den Raum verlassen hatte. Noch einmal wurde die Stelle desinfiziert und schließlich noch ein großes Pflaster darüber geklebt. „So, fertig“, sagte Shisui schließlich und lächelte Makani zu. „Danke“, erwiderte diese und nach einem kurzen Zögern fragte sie plötzlich: „Ist es nicht kontraproduktiv, dass alle ANBUs so ein eindeutiges Zeichen tragen, wenn sie ihre Identität unter Umständen geheim halten wollen?“ Shisui hob die Augenbrauen. „Hmm. Ja, da hast du nicht ganz Unrecht. Aber es ist eine Tradition und es gibt außerdem verschiedene Mittel, um die Tätowierung zu verbergen. Das sollten wir dir heute nach der Besprechung noch zeigen.“ „Was ist das für eine Besprechung?“ Aus irgendeinem Grund fiel es ihr viel leichter, Shisui Fragen zu stellen. Sie sollte allerdings aufpassen, sonst würde sie heute gar nicht mehr aufhören damit. „Wir versuchen alle paar Monate eine groß angelegte Übung durchzuführen, in der wir unser Vorgehen für den Ernstfall trainieren. Morgen soll wieder so etwas stattfinden.“ Überrascht blickte sie den ihr gegenübersitzenden Ninja an. „Machen wir da etwa auch mit?“  „Natürlich“, antwortete er knapp. Dann stand er auf. „Komm, die Versammlung beginnt gleich.“ Makani erhob sich ebenfalls und folgte Shisui aus dem Zimmer. Ob der Vorstellung, dass sie anscheinend gleich am nächsten Tag  derart auf die Probe gestellt werden sollte, wurde ihr erneut flau im Magen.   Im Raum mit den Monitoren hatten sich derweil noch weitere ANBU-Mitglieder versammelt. Sie scharrten sich um die wenigen Tische oder lehnten an der Wand. Als Makani mit ihrem Team-Kollegen eintrat und sich vor einem der großen Fenster postierte, meinte die Kunoichi, dass die murmelnden Gespräche kurz innehielten und die meisten Augenpaare im Raum nun auf sie gerichtet waren. Zunächst tat sie daraufhin so, als ob es nichts Interessanteres gäbe, als den weiß gefliesten Boden unter ihren Füßen sehr eingehend zu betrachten. Nach ein paar Minuten wanderte ihr Blick dann aber doch wieder nach oben und, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie nicht mehr weiter beachtet wurde, schweifte er eine Weile neugierig durch den Raum. Nun hatte sie auch das erste Mal die Gelegenheit, sich die Geräte und insbesondere die zahlreichen Bildschirme im Raum etwas genauer anzusehen. Die meisten von ihnen waren in Betrieb und schienen samt und sonders der Überwachung zu dienen. Einer zeigte eine Art Zelle, in deren Mitte eine nicht näher erkennbare Gestalt reglos auf einem Stuhl saß. Auf ein paar weiteren waren andere Räume und Korridore zu sehen, von denen Makani nicht sagen konnte, wo sich diese befanden, es mochten vielleicht sogar Bereiche der ANBU-Zentrale sein. Doch viele zeigten auch öffentliche Orte in Konoha, wie den Marktplatz oder das Krankenhaus. Und schließlich entdeckt sie einen, auf dem ein Teil eines Trainingsgeländes und ein Stück Waldweg zu erkennen war. Makani war sich sicher, wenn man diesen Weg nur etwa hundert Meter weiterging, würde man eben jenen Bach erreichen, aus dem man sie vor wenigen Stunden aufgescheucht hatte.   Plötzlich spürte sie, wie Shisui sie leicht an der Schulter berührte. Sie drehte den Kopf und sah, dass zwei weitere Personen den Raum betreten hatten und nun für alle gut sichtbar in der Mitte standen. Es waren Itachi und das ANBU-Oberhaupt Koguma. Der letztere von beiden setzte gerade zu sprechen an: „Hallo zusammen. Wie ihr alle wisst, ist für morgen eine große Feldübung geplant. Diesmal wird es länger dauern als üblich, voraussichtlich mehrere Tage. Wir wollen dadurch insbesondere euer Durchhaltevermögen testen, wenn ihr einer langandauernden Stresssituation ausgesetzt seid. Den genauen Ablauf bekommt ihr erst morgen mitgeteilt, damit sich keiner allzu sehr vorbereiten kann. Die Übungsleitung werde ich selbst übernehmen. Denjenigen, die hier in der Zentrale die Stellung halten werden, habe ich bereits Bescheid gegeben. Also kommt morgen um zehn Uhr zum Waldfriedhof und nehmt die übliche Ausrüstung für längere Missionen mit. Ach, und ich empfehle euch, heute ausreichend zu schlafen, das werden anstrengende Tage.“ Nach diesen Worten setzte angespanntes Raunen ein, doch Koguma hob die Hand, um sich erneut Gehör zu verschaffen. „Ich habe noch etwas anzukündigen. Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, haben wir ein neues Mitglied in der ANBU.“ Alle Köpfe drehten sich in Richtung Fenster, als Koguma fortfuhr: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Uchiha Makani herzlich willkommen zu heißen.“ Er lächelte der Kunoichi zu. „Auf dass wir gemeinsam den Frieden für Konoha erhalten mögen!“       *  *  * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)