Dämonenkind von Miana ================================================================================ Kapitel 1: Die Stadt des Wassers -------------------------------- Ich spüre den Wind auf meiner Haut. Ich spüre, wie er mir sanft über die Haare weht. Ich höre das Rauschen der Wellen, schmecke das Salz auf meinen Lippen. Ein unangenehmes Brennen in meiner Lunge lässt mich husten. Ich spucke Salzwasser. Langsam komme ich wieder zu Bewusstsein und öffne blinzelnd meine Augen.   Ich lebe.   Meine Glieder fühlen sich schwer an – kraftlos. Dennoch rapple ich mich auf und blicke mich um. Wo bin ich hier? Um mich herum liegen haufenweise Holz- und Metallteile. Es sieht aus, als wären hier hunderte von Schiffen zu Bruch gegangen. Es ist ein wahrer Schiffsfriedhof.   Die Wellen, die zuvor noch so gewütet und mich beinahe das Leben gekostet haben, schlagen nun sanft gegen das felsige Ufer der kleinen Insel. Das Meer ist wieder ruhig. Ganz friedlich, so als könne es niemandem etwas Böses. Sein Anblick beruhigt mich irgendwie.   Wieder einmal habe ich Glück gehabt. Glück? Bestimmt nicht, denke ich grimmig.   Ich versuche aufzustehen und wanke ein Stück, bevor ich festen Fußes auf einem großen Holzbrett stehe. Weiter hinter den Schiffswrackteilen erhebt sich eine riesige Stadt, an deren erhöht liegenden Mittelpunkt ein großer Brunnen entspringt und deren Flanken von gewaltigen Wasserfällen geziert werden. Gigantische Tore scheinen die Stadtgebiete zu begrenzen. Trotz ihrer Größe und ihrer beeindruckenden Erscheinung wirkt diese Stadt irgendwie einladend. Langsam setzen sich meine Füße in Bewegung.   Offensichtlich hat diese Riesenwelle, die mein kleines Boot hat kentern lassen, auch dieser Stadt gewaltige Schäden zugefügt. Die riesige Steintreppe, die vor mir emporragt, ist zerstört worden und nur noch der obere Teil hängt unsicher in der Luft. An ihrer Seite befindet sich eine schmale Leiter – das einzige Verbindungsstück zwischen der Stadt und der kleinen Insel auf der ich gestrandet bin. Offenbar haben es die Bewohner dieser Stadt häufiger mit Wellen dieses Ausmaßes zu tun, wenn sie an derartige Sofortmaßnahmen denken.   Oben angekommen weht mir sofort ein starker Wind entgegen und ich fröstle. Meine schwarzen, langen Haare und meine Kleidung sind noch komplett durchnässt. Ich drücke meine Haare etwas aus und binde sie mir wieder nach oben. Ich hasse offene Haare. Sie stören. Schon oft habe ich darüber nachgedacht meine lange Mähne einfach abzuschneiden. Allerdings würde ich mit kurzen Haaren wieder aussehen wie früher und könnte so unerwünschte Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Das wäre zu riskant.   Ich ziehe mein schwarzes Top aus und wringe es aus. Ein ganzer Wasserfall plätschert zu Boden. Immer noch feucht ziehe ich es wieder an, um nicht nur in Unterwäsche die Stadt zu erkunden.   Die Straßen sind leer. Keine Menschenseele weit und breit. Ich gehe weiter Richtung Zentrum der Stadt und passiere eines der großen Metalltore. Sie sind durchnummeriert und jedes Tor scheint in einen eigenen Stadtbereich zu führen. In den inneren Bezirken befinden sich die Einkaufspassagen, sowie kleine Cafés und Wohngebäude. Es gibt schmale Fußgängerwege, aber die Hauptverkehrswege sind Kanäle, die durch die ganze Stadt führen. Doch ich sehe keine Boote. Und auch hier sind die Straßen noch unbelebt. Seltsam, wundere ich mich.   Ich bleibe stehen und sehe mich aufmerksam um. Leises Gemurmel ist zu hören. Ich halte meine Hand an mein Ohr, um herauszufinden, aus welcher Richtung die Geräusche kommen. Das Gemurmel kommt von weiter oben. Anscheinend gibt es noch einen Bezirk im Zentrum. Ich laufe weiter, in der Hoffnung eine Treppe oder derartiges zu finden, doch vergeblich. Kurzerhand entscheide ich mich für den direkten Weg.   Ich nehme Anlauf und springe gegen eine Hauswand. Ich stoße mich mit aller Kraft ab und hüpfe so von Wand zu Wand nach oben, bis ich auf den Dächern lande. Von dort aus kann ich den inneren Ring schon fast sehen. Ich arbeite mich auf das höchste der Dächer vor. Es ist ein weiter Sprung bis über die Mauer, doch ich bin zuversichtlich. Ich laufe bis zum Ende des Daches, drehe mich zu meinem Ziel, atme einmal tief durch und nehme Anlauf, so schnell ich nur kann. Mit einem großen Satz springe ich vom Rand des Daches und kann mich geradeso mit den Händen am oberen Ende der Mauer festhalten. Mit einem Ruck ziehe ich mich das letzte Stück nach oben und schwinge leichtfüßig über die Mauer.   Wie erwartet sind die Straßen hier voll von Menschen. Kinder mit ihren Eltern schlendern auf den Wegen, ältere Herrschaften, die sich vergnügt unterhalten und in den Kanälen fahren die Menschen auf seltsamen, farbenfrohen Tieren über das Wasser. Solche Tiere habe ich noch nie gesehen, aber offensichtlich sind sie hier das Hauptverkehrsmittel.   „Wah!“, schreit eine Frau mittleren Alters, als ich über die Mauer gesprungen bin.   „W-Wo kommst du denn her?“, fragt sie und hält einen großen Sicherheitsabstand zu mir. Verwirrt blicke ich zurück zur Mauer, die ich gerade überwunden habe. Das sieht höher aus, als es sich angefühlt hat.   „Ich bin über die Mauer gekommen“, antworte ich knapp.   „Ja, das habe ich gesehen! Aber wie hast du das geschafft?!“, keift sie mich an.   Ich gehe nicht weiter auf ihre Frage ein und stelle im Gegenzug selbst eine.   „Sagen Sie, wieso sind denn alle Leute hier im inneren Ring?“   „Das wissen Sie nicht? Waren Sie etwa die ganze Zeit da draußen?“   Sie sieht mich ungläubig und mit Entsetzen an.   „Wir haben uns in den inneren Ring zurückgezogen bis die Aqua Laguna vorbei ist. Sie kommt einmal im Jahr und überflutet die äußeren Stadtbezirke“, antwortet die Frau.   „Aqua Laguna?“, plappere ich nach. Das muss die Riesenwelle gewesen sein, die mich erwischt hat, denke ich.   Die Frau schüttelt nur ungläubig ihren Kopf, zuckt kurz mit den Schultern und geht dann wieder ihrer Wege. Ich sehe mich weiter um. Alle wirken so beschäftigt und aufgeregt. Viele tragen schwere Koffer mit sich. Da sich das Meer wieder beruhigt hat, werden sie sich wohl langsam wieder zurück in ihre Häuser begeben, denke ich.   Just in diesem Moment öffnet sich ein großes Tor zu einer Schleuse, die das Verbindungsstück zwischen dem inneren Bereich und der äußeren Stadtbezirke darstellt.   Na super, denke ich, da war ich mal wieder zu ungeduldig und bin einfach mal die Mauer hochgesprungen.   Ich schließe mich der großen Masse an, da ich nicht weiß wo ich hingehen soll. Vielleicht erfahre ich so etwas Interessantes. Ich beginne, die Gespräche anderer Leute mitzuhören. Bei den meisten geht es jedoch darum, wie sehr sie sich darüber freuen, in ihre alten Wohnungen zurückzukehren, über die Reparaturen der Schäden oder was sie heute zu Abend essen. Die Einkaufspassagen füllen sich wieder mit Menschen und die Kanäle mit den Tieren, die sich Yagaras nennen, wie ich in den Gesprächen der Leute mitbekommen habe.   Viele Häuser sind zerstört worden, doch die Menschen sind weder großartig betrübt noch besorgt. Für sie ist das wohl Normalität. Die Frau erwähnte ja, dass die Aqua Laguna jedes Jahr kommt. Sie sind einfach glücklich darüber, dass alle wohlauf sind. Man spürt die Verbundenheit der Stadtbewohner geradezu. Den Zusammenhalt in schweren Zeiten wie diesen. Trotzdem sind sie frohen Mutes und halten zusammen – wie eine große Familie.   Eine Familie, hallt es in meinen Gedanken nach und schmerzhaft verziehe ich mein Gesicht bei diesem Wort.   Es dämmert langsam und in den Fenstern der Häuser erstrahlen die ersten Lichter. Die Sonne verschwindet und somit auch ihre Wärme. Ich reibe mir die Arme, um mich warm zu halten. Mein Magen meldet sich zu Wort. Seit zwei Tagen habe ich nichts Essbares mehr zu mir genommen. Meine Vorräte auf meinem Boot waren zu knapp berechnet. Doch mein gesamtes Geld liegt nun mit ihm auf dem Meeresboden. Es war nicht viel, aber für eine Mahlzeit und ein Bett hätte es gereicht.   Ich schlendere weiter durch die dunklen Gassen, ziellos. Auf der Suche nach einem windgeschützten Ort verschlägt es mich in eine Sackgasse, in der ein paar Mülltonnen und Kartons liegen. Ich seufze. Besser als nichts, denke ich und reiße ein paar Kartons klein, mit denen ich mir eine kleine Unterlage für die Nacht zurechtlege. Mit dem Rest versuche ich mich zuzudecken und meinen Körper gegen die kalte Nachtluft zu schützen. Ich kauere mich in meine Pappkartons und schlafe schnell ein, erschöpft von den Strapazen der Aqua Laguna.       Am nächsten Morgen weckt mich Geschrei.   „Sie sind zurück! Sie haben es geschafft!“, brüllt ein Mann durch die Gassen. Verwunderte und bewundernde Schreie anderer Stadtbewohner folgen und sie drängen zu Scharen Richtung Hafen. Verschlafen reibe ich mir die Augen und krabble unter meinen Kartons hervor. Neugierig komme ich aus meiner Gasse gekrochen.   „Habt ihr schon gehört? Die Strohhüte sind zurück! Sie haben es tatsächlich geschafft, ihre Freundin aus Enies Lobby zu befreien!“, erzählt ein Mann begeistert seinem Bekannten. Auch sie rennen der Meute hinterher Richtung Hafen.   Strohhüte? Enies Lobby? Was ist hier eigentlich los? Ich habe schon einmal von einer Piratenbande gehört, die sich die Strohhüte nennen. Ob die gemeint sind? Und haben sie tatsächlich jemanden aus Enies Lobby zurückgeholt? Das kann doch nicht stimmen. Das ist der Sitz der Weltregierung. Niemand, der angeklagt wurde, kann von dort entkommen!   Neugierig schließe ich mich der breiten Masse an und begebe mich zum Hafen. Dort angekommen, sehe ich ein riesiges Schiff vor Anker liegen, dessen Segel die Aufschrift „Galeera“ ziert. Das ist kein Piratenschiff, denke ich.   Von Bord steigen viele Menschen, doch drei von ihnen kommen mir tatsächlich von Steckbriefen der Marine bekannt vor: Nico Robin, Lorenor Zorro und Monkey D. Ruffy. Also ist es wahr. Monkey D. Ruffy ist der Kopf der Strohhutpiraten. Doch anders als normale Piraten, die vor normalen Menschen gefürchtet werden, wenn sie deren Insel betreten, werden diese Piraten von den Stadtbewohnern jubelnd in Empfang genommen.   Die Crew des Strohhuts, die gerade von Bord geht, sieht angeschlagen und müde aus. Sie alle haben einen harten Kampf hinter sich. Das sieht man ihnen an. Ich habe genug von ihnen gesehen. Ich weiß nicht, was das alles soll. Obwohl sie Piraten sind, werden sie wie Helden gefeiert. Warum? Sie haben sich mit der Weltregierung angelegt? Wieso werden sie dann so bejubelt?   Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken wieder auf Wichtigeres zu lenken. Was kümmern mich ein paar Piraten? Ich sollte lieber zusehen, wo ich etwas Geld und etwas zu Essen auftreiben kann, um mir ein neues Boot zu kaufen. Ich kann schließlich nicht ewig auf dieser Insel bleiben, sage ich mir.   Entschlossen gehe ich Richtung Einkaufpassage und klappere Laden für Laden ab, auf der Suche nach Arbeit. Viele weisen mich ab. Manche ohne Begründung. Manche schlagen mir schon die Tür vor der Nase zu, bevor ich nur etwas sagen kann. So ging es mir schon oft in meinem Leben. Menschen haben Angst vor mir. Es ist ihr innerer Instinkt, der ihnen das sagt. Und er hat Recht damit. Ich bin gefährlich. Und meine Aura scheint das auszustrahlen. Selbst wenn ich versuche freundlich zu sein, ein Lächeln bringe ich nicht zu Stande. Es ist schon Ewigkeiten her, dass ich gelächelt habe. Vielleicht habe ich es inzwischen auch verlernt, überlege ich.   Ich versuche es weiter. Ich klopfe an Türen. Ich frage nach Arbeit. Und schließlich zahlt sich mein Bemühen aus. Eine ältere Frau, die mich dabei beobachtet hat, tippt mich von hinten an. Sie ist sehr klein und reicht mir gerade mal bis zur Hüfte.   „Junges Mädel, ich habe gehört, du suchst nach Arbeit?“, krächzt sie mit ihrer rabenähnlichen Stimme.   „Ich könnte Hilfe im Haushalt benötigen und jemand, der für mich Einkäufe erledigt. Meine alten Knochen machen mir zu schaffen.“   Hoffnung macht sich in meinem Gesicht breit.   „Ich kann dich leider nicht bezahlen, aber ich kann dir ein Bett und warme Mahlzeiten anbieten“, krächzt sie weiter.   Damit kann ich mir zwar kein Boot kaufen, aber zumindest bekomme ich was in den Magen und muss die Nacht nicht wieder in meinen Kartons schlafen.   Dankbar nicke ich der alten Frau zu und folge ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)