Symphonie von Des-C-Kudi ================================================================================ Kapitel 7: Akt VII ------------------ Akt VII . . . Arnold sprang von seinem Stuhl auf, als er sah, wie Helga eilig den Saal verließ. „Arnold, wo-“ „Keine Zeit, Gerald.“ Er ignorierte die Rufe seines besten Freundes und machte sich eilig auf die Suche nach ihr. Er spürte zig Blicke in seinem Rücken. Mit halbem Ohr nahm er das wilde Tuscheln wahr, als er zum Ausgang eilte. Die Zuschauer im Saal waren nicht blöd und konnten eins und eins zusammenzählen. Es gab nur einen Arnold, der eine besondere Beziehung zu Helga G. Pataki hatte. Aber es war ihm egal. Diese Sache ging nur sie beide etwas an. Er verließ das Schulgebäude und sah noch, wie sie flink um die Ecke bog. Wieso war sie bloß so verdammt schnell? Er rannte an Mr. Green vorbei, der gerade vor seiner Metzgerei fegte. „Oh Arnold! Glückwunsch zum Abschluss.“ „Mr. Green, leider muss ich passen! Ein andermal.“ „Wenn du das blonde Mädel suchst, die es gerade so eilig hat- die ist gerade Richtung Stadtpark gelaufen“, rief er ihm hinterher. „Dass ich dich mal hinter einer Frau herlaufen sehe, du Casanova!“ Endlich entdeckte er Helga. Sie betrat gerade die Brücke, die zum Stadtpark führte. „Helga, warte!“ Sie beschleunigte ihre Schritte. Er würde nicht locker lassen. Nicht dieses Mal. Er nahm Anlauf zum Sprint und bekam sie am Arm zu fassen. Sie wirbelte herum und funkelte ihn mit blitzenden Augen an. „Herr Gott nochmal, was willst du denn von mir, Arnold?“, fauchte sie. Er hob beschwichtigend die Hände. „Ich wollte nur mit dir reden.“ Sie verdrehte die Augen und wandte ihm den Rücken zu. „Reicht es nicht, wenn ich mich vor der gesamten Schule zum Gespött gemacht habe? Die nächsten paar Tage kann ich mich definitiv nicht mehr unter die Leute trauen.“ Er konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. An die Brüstung gelehnt, sah er sie gelassen an. „Meinst du nicht, dass ich ein Wörtchen mitzureden habe?“ Sie drehte zu ihm um und schnaubte verächtlich: „Als ob es dich irgendetwas angeht, Footballschädel-“ Als sie seine hochgezogenen Augenbrauen bemerkte, stoppte sie und biss sich auf die Lippe. Sie starrten sekundenlang schweigend auf den Fluss. Er warf ihr unter gesenkten Lidern einen prüfenden Blick zu. Sie hielt sich krampfhaft an der Brüstung fest und schaute stur nach vorne. Er konnte sich nur grob ausmalen, was in ihr gerade vorging. „Weiß du“, begann er langsam, „ich kann mich nicht erinnern, jemals so ein dramatisches Liebesgeständnis bekommen zu haben. Als Gedicht direkt vor Hunderten von Leuten. Ich kann mich echt glücklich schätzen. Sie toppt sogar die vom FTi-Gebäude. Und die hatte mich damals schon ziemlich von den Socken gehauen.“ Sie hob den Kopf und schaute ihn skeptisch an. „Machst du dich gerade über mich lustig, Footballschädel? Dass du die Frechheit besitzt, auf meine Gefühle herumzutreten, nachdem ich nicht nur dir, sondern der ganzen Welt mein Herz offengelegt habe. Aber was kann man von einem erwarten, der-“ „Helga, wieso hast du es getan?“ Sie verstummte abrupt. Sie schaute ihm kurz in die Augen, bevor sie sich abwandte. „Weil das so mit uns beiden nicht weitergehen kann, Arnold“, sagte sie leise. Er vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und sah sie abwartend an. „Ich drehe mich schon mein Leben lang im Kreis. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dich denken muss. Verdammt, Arnold, ich- ich liebe dich, aber gleichzeitig hasse ich dich; jedes Mal schaffst du es, mich in ein Häufchen Elend zu verwandeln! Es zerreißt mich innerlich zu wissen, dass es niemals mehr werden kann. Ein Schritt weg von dir bedeutet jedes Mal zwei Schritte zurück. Dieses… Gedicht war mein erster Versuch, ehrlich zu mir selbst zu sein und endlich darüber hinwegzukommen.“ Ihre Stimme wurde von Wort zu Wort immer leiser, bis sie kaum noch zu hören war. Gleichzeitig spiegelte sich auf ihrem Gesicht Erleichterung wieder. „Über wen? Mich?“, fragte er unschuldig. Sie starrte ihn ungläubig an, bevor sie frustriert die Hände in die Luft warf. „Natürlich! Wen meine ich wohl sonst? Brainy etwa? Hörst du mir überhaupt zu, du Haarbürste?“ Sie drückte ihm den Zeigefinger in die Brust und sprach betont langsam: „Ich versuche über dich und deinen übergroßen Footballschädel hinwegzukommen. Jetzt kapiert, Arnold?“ Er griff nach ihrer Hand, bevor sie sie wegziehen konnte. Er beobachtete das Minenspiel in ihrem Gesicht, als er langsam seine Finger mit ihren verschränkte. Verwirrung, Panik und Bestürzung- ihr sonst so perfektes Pokerface war schon lange verrutscht. Er zog sie langsam näher an sich heran. „Und was tust du, wenn ich das gleiche empfinde?“, murmelte er. „Wieder weglaufen?“ „Was- was meinst du damit? Mach keine blöden Scherze, Arnoldo“, stammelte sie. „Was machst du, wenn ich dir sage, dass ich dich ziemlich hm… mag? Tatsächlich mehr als mag?“ Ihre Augen wurden groß. Verständnis flackerte in ihnen auf. „So richtig?“, hauchte sie. Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „So richtig. So wirklich, so richtig wie man nur jemanden nur mögen kann. Dass man jemanden so sehr mag und so toll findet, dass man die letzten Jahre gefühlt 24 Stunden an diese Person denken musste und wie es wäre, sie näher kennenzulernen und sie in die Arme zu schließen.“ „Oh.“ „Ja.“ Sekundenlang starrten sie sich beide an- tief versunken in den Augen des Anderen. Plötzlich zog sie ihre Augenbrauen zusammen und riss ihm ihre Hand weg. Sie verschränkte ihre Arme und hob abfällig eine Augenbraue. „Und damit kommst du erst jetzt an, Arnold? Du hättest mir einiges an Ärger erspart, wenn du einfach früher deinen Mund aufbekommen hättest.“ Er zuckte mit den Schultern. „Umso besser. Dein Gedicht hat praktisch die ganze Stadt gehört. Jetzt kannst du nicht mehr davon weglaufen. Oder es auf die schwachen Nerven schieben“, fügte er vielsagend hinzu, als er sich an ihr Geständnis auf dem FTi-Gebäude erinnerte. Anscheinend mussten sie beide an das Gleiche denken, denn plötzlich überzog ein zarter Rosaton ihre Wangen. Arnold spürte, wie sich auf seinem Gesicht ein dümmlich breites Grinsen ausbreitete, als sie ihn verlegen anlächelte. Er trat noch einen Schritt näher an sie heran. Er wusste nicht, woher dieser plötzliche Mut kam- vielleicht durch ihr Gedicht, das ihn ziemlich beflügelt hatte? „Ist das die Stelle, wo wir uns beide küssen?“ Zu seinem Leideswesen riss sie plötzlich ihre Augen aufriss. Mit der offenen Hand hielt sie ihn zurück. „Moment mal, Freundchen! Und was ist mit deiner exotischen Freundin, die auf der anderen Seite der Erdkugel auf dich wartet?“ „Meine… wer?“ „Verkauf mich nicht für dumm. Ich habe die Fotos auf deinem Schreibtisch gesehen. Besorg dir eine andere als Fußabtreter. Ich habe durchaus meinen Stolz.“ Arnold runzelte die Stirn, aber dann fiel bei ihm der Groschen. Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Du meinst die Fotos. War das der Grund, Helga, wieso du damals so überstürzt nach Hause gefahren bist? Wieso hast du mich einfach nicht gefragt?“ Sie warf schnippisch die Haare über Schulter. „Die Fotos waren ziemlich eindeutig.“ Er fuhr sich frustriert mit einer Hand durch das Haar. „Und ich habe mich schon gefragt, ob ich mich mit der Zeile Als ich dich sah mit ihr nicht verhört hätte.“ „Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Footballschädel? Ich warte.“ „Helga, es gibt keine andere. Du hast es in den falschen Hals bekommen.“ „Sicher?“, fragte sie misstrauisch. „Ganz sicher. Bei Gelegenheit stelle ich sie dir vor, wenn sie mich irgendwann mal in Amerika besuchen sollte. Du bist die Einzige. Ehrenwort.“ „Hoffe ich auch für dich, Arnold.“ Sie würde ihren Fehler nicht einsehen- dazu kannte er sie zu gut. Er schüttelte ungläubig den Kopf, als ihm die Tragweite ihres überstürzten Aufbruches bewusst wurde. „Ich kann es echt nicht glauben, dass wir wegen so einem Missverständnis an dem Abend so auseinander gegangen. Dabei fing alles so gut an…“ Seine Worte verloren sich- er musste nicht weiterreden. Dafür war beiden nur zu gut bewusst, was vor dem Missverständnis passiert war und was nachher noch hätte passieren können. Sie schauten beide überall hin- nur nicht in die Augen des Anderen. Jetzt oder nie. Er gab sich innerlich einen Ruck und trat einen Schritt auf sie zu. Bevor er den Mut verlieren konnte, beugte er den Kopf hinunter- genau in dem gleichen Moment, als sie ihren Kopf in die andere Richtung neigte. Er traf mit seinen Lippen ihr Ohr. „Tut mir Leid.“ Verlegen rieb er sich den Nacken. Von der Selbstsicherheit, mit er sie an jenem Abend geküsst hatte, fehlte jegliche Spur. Sie schaute ihn verdutzt an, bevor sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. Ihre Augen strahlten ihn mit solch einer unglaublichen Wärme und Zärtlichkeit an, dass er ihre Wirkungen bis in seine Zehenspitzen spürte. „Ich glaube, das müssen wir noch ein bisschen üben, Arnold.“ Sie schlang die Arme um seinen Nacken und lehnte sich an ihn. „Aber dafür haben wir ja jetzt auch mehr als genug Zeit“, wisperte sie, als sie sich mit ihrem Gesicht seinem näherte. „Was immer du auch sagst, Helga“, entgegnete er lächelnd, bevor sich ihre Münder trafen. . . . Sie zeichnete mit ihrem Zeigefinger Linien zwischen den blinkenden Sternen am Himmelszelt. „Und hier ist der Große Wagen. Wenn ich jetzt die äußerste Kante nach oben ziehe, treffe ich direkt auf den Polarstern.“ Sie lagen beide auf einer Liege auf dem Dach der Pension. Die Nacht war schon lange hereingebrochen. Sie kuschelte sich unter der Decke enger an seine Brust. Sein Griff um ihre Taille verstärkte sich. Sie hätte auf ewig in dieser Position verharren können. Die letzten zweieinhalb Monate erschienen ihr wie ein Traum, seit sie sich im Park geküsst hatten. In wenigen Wochen würde für sie beide ein neuer Lebensabschnitt beginnen- sie hatten beide eine Zusage am gleichen College bekommen. Was ihr vor einigen Monaten unmöglich vorgekommen war, war plötzlich Realität. Sie seufzte schwer, als sie die funkelnden Sterne betrachtete. Eine kühle Brise strich ihr einige Haarsträhnen ins Gesicht. Der Anblick der Sterne rührte etwas tief drinnen in ihr. „Oh, ihr Sterne am Himmelszelt“, flüsterte sie schwärmerisch, „verzaubert jede Nacht, lässt uns klein fühlen in dieser Welt, Leidenschaft und Liebe wird in uns entfacht.“ Ein leises Lachen hinter brachte sie zurück in die Realität. Sie biss sich verlegen auf die Lippe- ihre poetischen Ergüsse waren ihr manchmal immer noch peinlich. Sie drehte sich zu ihm und blaffte ihn an: „Machst du dich lustig über mich, Footballschädel?“ Er stützte den Kopf auf einem Arm ab und schüttelte nur grinsend den Kopf. „Ich frage mich nur, wie du das machst.“ „Was?“ „Na, dass du dir solche poetischen Verse einfach locker aus dem Ärmel schüttelst. Sie hören sich schön an. Ich bewundere dich dafür.“ Er runzelte die Stirn, als er kritisch nach oben blickte. „Für mich sind das nur Sterne.“ Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Ich habe ja auch eine wunderbare Muse.“ Sie drehte sich etwas umständlich um und verpasste ihm einen Schmatzer auf die Lippen. „Hinter jeder großartigen Frau steht großartiger Mann.“ „Hm, ist das so?“ Ehe sie sich‘s versah, hatte Arnold sie kurzerhand herumgewirbelt. Er stützte die Arme an beiden Seiten von ihrem Kopf ab und brachte seine Lippen nah an ihr Ohr. „Dann sollte ich wohl dafür sorgen, dass deine Inspirationsquelle nie versiegt.“ Helgas Bauch kribbelte vor Vorfreude, als sich seine Lippen auf ihre senkten. Er strich mit seiner Zunge über ihre Unterlippe, dass sich ihr Mund automatisch öffnete. Sie schlang die Arme um seinen Nacken, als der Kuss intensiver wurde. Ihre Zungen strichen in einem aufreizend langsamen Takt aneinander, dass sie vor Wonne fast aufgestöhnt hätte. Sekundenspäter lösten sie sich beide atemlos voneinander. „Ich glaube, wir sollten besser reingehen“, sagte er heiser. Seine Stimme war um einige Oktaven tiefer als sonst. Sie konnte nur benommen nicken. Er zog sie auf die Beine. Sie kletterten durch das Dachfenster, das in sein Zimmer führte. Auf der letzten Stufe der Sprosse rutschte sie plötzlich ab und riss ihn mit nach unten auf sein Bett. Sie landete auf ihn und stieß dabei seinen Wecker um. Sofort schrillte dieser auf und tönte: „Hey Arnold! Hey Arnold! Hey Arnold!“ Sie schauten sich beide kurz an, bevor sie in Gelächter ausbrachen. Ohne sie loszulassen, tastete er nach dem Wecker und schaltete ihn aus. Arnold zog sie näher an sich heran. Sanft löste er ihre Haarspange und vergrub das Gesicht in ihren blonden Locken. „Wirst du über heute Abend auch ein Gedicht schreiben? Über uns beide?“, murmelte er bedeutungsvoll. Sein warmer Atem strich über ihren Nacken und löste Gänsehaut aus. „Ich würde es dann zu gerne lesen.“ „Nur wenn Sie artig sind, Mr. Shortman.“ Sie setzte sich rittlings auf ihn drauf und strich ihm fordernd mit den Händen über die Brust. Seine Augen verdunkelten sich. Ohne Vorwarnung setzte er sich plötzlich auf, so dass sie auf seinen Schoß rutschte. Sie errötete, als sie spürte, wie unglaublich eng sie aneinander gepresst waren. Statt abzurücken, verschränkte sie hinter seinem Rücken ihre Beine. Sie schlang die Arme um ihn und küsste ihn voller Hingabe. Sie würde nie genug von seinen weichen Lippen bekommen- das hatte sie bereits als Kind erkannt. Er ließ seinen Mund wandern und fing an, mit offenem Mund sanfte Küsse auf ihrem Hals zu verteilen. Sie schloss die Augen, als sie spürte, wie ihr Körper wohlig auf seine Berührungen reagierte. Als seine Zunge über ihren rasenden Puls schnellte, wimmerte sie auf. In ihrem Schoß hatte sich Wärme angesammelt. Unruhig rutschte sie auf ihm hin und her. Sie fing an, an seinem T-Shirt zu ziehen. Er löste sich schweratmend von ihr und lehnte seine Stirn an ihre. Sein unregelmäßiger Atem vermischte sich mit ihrem. Arnold hob den Blick und schaute ihr tief in die Augen. „Sicher?“, raunte er. „Sicher.“ Er zog mit einer fließenden Bewegung sein T-Shirt über den Kopf und ließ es achtlos zu Boden fallen. Bewundernd strich sie über seine entblößte Brust und zeichnete die Konturen seiner Rippen nach. Sie lächelte, als sie ihn scharf einatmen hörte. Gleichermaßen ließ er seine Hände unter ihrer Bluse auf Erkundungstour gehen. Sie lösten nicht den Blick voneinander, als seine Finger langsam aufwärts strichen. Seine Berührungen waren zögernd, vorsichtig und unerfahren- aber sie ließen ihren Körper wie ein Instrument erklingen. Die Situation kam ihr fast surreal vor. Dass sie so in seinen Armen lag, nachdem sie jahrelang einer scheinbar unerreichbaren Liebe hinterher getrauert hatte. Aber er war wirklich da- warm, fest und bei ihr. Sein wilder Herzschlag unter ihren Händen war Beweis genug. Sie schloss die Augen und spürte nur noch. . . . Epilog . . . Fast reglos beobachteten sie den Anblick. Die Wellen krachten gegen die Klippen und ließen Wassertropfen in der Abenddämmerung glitzern. Der Sonnenuntergang hatte das Meer in goldenes Licht eingetaucht. Sie lehnte sich an die Brüstung der Aussichtsplattform. Obwohl sie so weit oben auf dem Leuchtturm stand, spürte sie die Naturgewalten mit aller Kraft. In einer anderen Zeit hätte sich ihr jüngeres Ich bei diesem Anblick unbedeutend, hilflos und unendlich einsam gefühlt. Aber jetzt war sie nicht mehr länger allein. Wie aufs Stichwort drehte er sich zu ihr um und streckte seine Hand aus. Sie betrachtete den goldenen Ring an seinem Finger. Das passende Pendant dazu befand sich an ihrer rechten Hand. Sie umschloss seine Hand und erwiderte sein Lächeln. . . fin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)