Symphonie von Des-C-Kudi ================================================================================ Kapitel 1: Akt I ---------------- Symphonie . . Sym|pho|nie oder Sin|fo|nie (Substantiv) 1. itl. sinfonia, griech. symphōnía = zusammentönend, Einklang, harmonisch 2. Ganzes, gewaltige Fülle, worin verschiedenartige Einzelheiten eindrucksvoll zusammenwirken . Akt I . . .   Er lag auf seinem Bett, die Arme hinterm Kopf verschränkt und beobachtete die Wolken, die am Sternenhimmel an seinem Fenster vorbeizogen.   Wenn er die Augen schloss, sah er sie wieder vor sich. Mit vor Verzweiflung und Ungeduld geröteten Wangen. Wie sie frustriert die Arme in die Luft warf, als er nicht locker ließ.   Als sie schließlich mit der Sprache herausrückte.   Ja, du Haarbürste! Ich meine, was soll man denn sonst tun, wenn jemand, den man liebt, im Schlamassel sitzt?   Ihre Stimme hallte durch seinen Kopf.   Und dann das Gefühl, als sie ihre Lippen gegen seine presste…   Der Tag hatte es ihm nicht erlaubt, weiter darüber nachzudenken. Stattdessen hatte er ihre Worte in den hintersten Winkel seiner Gedanken verfrachtet und sich darauf konzentriert, die Nachbarschaft wieder in Sicherheit zu bringen. Jetzt, wo er endlich zur Ruhe kommen konnte, ließ er den Tag Revue passieren. Ihre Liebeserklärung kam ihm dabei als erstes wieder in den Sinn.   Meint sie es ernst? Helga G. Pataki. Verliebt. In mich?   Ungläubig schüttelte er leicht den Kopf. So richtig glauben konnte er es immer noch nicht. Er dachte daran, wie sie es später vehement abgestritten hatte. Schließlich hatten sie sich auf die Erklärung „im Eifer des Gefechts“ geeinigt. Eigentlich sollte die Sache damit gegessen sein. Eigentlich…   Aber eine leise Stimme flüsterte, dass dahinter mehr war als nur schwache Nerven lagen. Dass er der Sache auf den Grund gehen sollte.   Zweifel nagten an ihm. Aber Verwirrung, Unglauben und Müdigkeit plagten ihn und ließen nicht zu, dass er eine sinnvolle Schlussfolgerung ziehen konnte.   Er dachte daran, wie sie ihm und Gerald zur Hilfe geeilt war und sich als den dubiosen Informanten „Tiefe Stimme“ ausgab, nur damit er seine Nachbarschaft retten konnte.   Was auch immer auf dem Dach des FTi-Gebäudes geschehen war- er konnte nicht umhin, Dankbarkeit zu empfinden. Ihr Verhalten bestätigte wieder einmal das, was er schon lange wusste.   Helga G. Pataki war mehr als nur das widerspenstige, streitlustige und sich immer cool gebende Mädchen der P.S. 118.   Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. . . . Sie stolzierte mit Phoebe im Schlepptau den Gang in der Schulkantine entlang. Ihre beste Freundin erzählte ihr gerade überschwänglich von irgendeiner Schulanekdote – irgendetwas mit Sid und einer Band-, als sie sich in die Schlange für das Mittagessen stellten.   Sie hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie fühlte sich leicht und gelöst- als würde sie auf Wolken schweben.   Endlich hatte sie es ihm gesagt. Auch wenn sie es im Nachhinein abgestritten hatte –sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn erfolgreich abwimmeln konnte-, hatte es sich so unglaublich gut angefühlt, endlich diese langersehnten Worte auszusprechen.   Sie ärgerte sich, dass sie später den Schwanz eingezogen hatte. Aber die altbekannte Angst vor seiner Ablehnung, Verlegenheit und das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, hatten wieder die überhandgenommen.   Verdammt.   Sie drängelte sich mit Phoebe vor und ignorierte einen laut lamentierenden Stinky. Sie kam hinter Arnolds blonden Schopf zu stehen und gerade, als er nach der letzten Portion Tapioka greifen wollte, schnappte sie ihm die Schüssel unter den Augen weg.   „Aus dem Weg, Arnoldo.“   Sie wartete nicht seine Antwort ab, sondern schubste ihn zur Seite. Der Inhalt seines Tellers schwappte dabei kurz über den Rand.   Laut kichernd suchte sie sich mit Phoebe einen Sitzplatz.   Sie wusste, dass sie sich später wieder Vorwürfe machen und ihn in Gedanken um Verzeihung bitten würde- wie immer.  Gerade wollte sie sich einen Löffel von der warmen Tapioka gönnen, als Arnold mit Gerald an ihrem Tisch vorbeikam. Statt sie wie erwartet zu ignorieren, verlangsamte er seine Schritte.   „Wir gehen wohl wieder zur alten Tagesordnung über, nicht wahr, Helga?“, fragte er gedehnt.   Er verzog den Mund zu seinem typisch schiefen Grinsen.   Er wusste es. Sie sah es im Funkeln seiner Augen.   Helga starrte ihm mit offenem Mund hinterher.   Die Tapioka war vergessen. . . . Seine Nähe verunsicherte sie. Zumindest löste sie irgendwas in ihr aus, dass sie das Weite suchte, sobald er ihr zu nah kam.   Er war sich ziemlich sicher.   Als er beim ersten Mal bemerkte, dass er, Arnold Shortman, Langzeitzielscheibe von Helga G. Pataki, eine gewisse Macht über sie hatte, hatten sich ihre Hände berührt, als sie beide gleichzeitig nach ihrem heruntergefallenen Stift gegriffen hatten. Statt wie immer einen typischen Helga-Spruch von sich zu geben, hatte sie bei dem kurzen Hautkontakt verschreckt die Hand zurückgezogen und ihn mit großen Augen angesehen. Ganz untypisch.   Beim zweiten Mal sollten sie im Sportunterricht nach einer kurzen Aufwärmübung einen Kreis bilden. Wie der Zufall es so wollte, fand er sich neben Helga wieder.   Arnold, ein sensibler und sehr feinfühliger Mensch, hatte es einfach gespürt, wie sich Helga versteifte, als er neben sie trat. Als dann Mr. Packenham sie aufgefordert hatte, für die nächste Übung die Hände ihrer Nachbarn festzuhalten, hatte er nach ihrer Hand gegriffen, als sie keine Anstalt machte, den Kontakt zu initiieren. Ihre Hand hatte sich ganz kalt und klamm angefühlt. Statt ihn anzugucken, hatte sie verbissen in die Ferne geschaut. Schließlich hatte er ihre Hand aufmuntert gedrückt, dass sie ihn zögernd ansah. Er hatte sie angelächelt und hatte dabei fasziniert beobachtet, wie sich ihre Wangen hauchzart rosa färbten.   Sie piesackte ihn immer noch und ließ es nicht aus, einen Spruch rauszuhauen, sobald sie ihn sah. Aber alles aus sicheren Entfernung. Als würde sie seine Nähe meiden.   Er wusste nicht, was er davon halten sollte. . . . Sie hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und lehnte an ihren selbst gebastelten Schrein, der ihrer großen Liebe gewidmet war.   Ihr Poesiebuch lag aufgeschlagen neben ihr und lud dazu ein, dass sie ihre neusten poetischen Ergüsse schwarz auf weiß festhielt.   Aber stattdessen grübelte sie, was mit ihr nicht stimmte. Seit sie das Gefühl hatte – und sie war sich ziemlich sicher-, dass Arnold ihr ihre Liebeserklärung nicht als schlechten Scherz abgekauft hatte, ertrug sie seine Nähe nicht mehr. Sobald er ihr auch nur zu nah kam, setzte alles in ihr aus, als hätte man ihr einen Stromschlag verpasst. Das Wissen, dass er über ihr gut behütetes Geheimnis Bescheid wusste, aber gleichzeitig nicht verlauten ließ, wie es um seine Gefühle stand, verunsicherte sie.    Dabei hatte sie früher keine Hemmungen gehabt und jede Gelegenheit wahrgenommen, in seiner Nähe zu sein. Verflixt und zugenäht, sie hatte ihn sogar hemmungslos vor Hunderten von Menschen geküsste, als sie Romeo und Julia aufführen mussten.   „Oh Arnold“, murmelte sie sehnsuchtsvoll, als sie sein Bild in ihrem Anhänger liebevoll betrachtete. „Was machst du bloß mit mir?“   „Helga, hast du die Tabletten von deinem Vater gesehen? Die gegen Verstopfungen?“   Die verschlafene Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren Gedanken.   „Nein habe ich nicht, Miriam“, rief sie ungeduldig. Sie verdrehte die Augen. Dass man in diesem Haus aber auch nicht einmal seine Ruhe hatte. . . . Er verließ sie am Ende ihrer Grundschulzeit. Seine Eltern waren eines Tages auf der Matte aufgetaucht und hatten darauf bestanden, dass ihr einziger Sohn sie auf ihren weiteren Reisen begleitete. Er würde Hilwood für eine unbestimmte Zeit verlassen.   Seine Freunde veranstalteten eine große Abschiedsparty bei ihm zu Hause. Unter einem tränenreichen Abschied wurde er von jedem einzeln in den Arm genommen. Als er schließlich bei Helga ankam, sah er sie zögernd an.   Ihre Augen glänzten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Er zog sie in die Arme und drückte sie fest an sich.   „Pass auf dich auf, Footballschädel“, flüsterte sie erstickt.   Er nickte wortlos. Er spürte, dass sie noch was sagen wollte, aber nicht die richtigen Worte fand. Er ließ sie nicht sofort los. . . . Als sie die Haustür aufschloss, begrüßte sie lautes Klaviergeklimper. Das Stück endete mit einem überschwänglichen Beifall.   Sie trat ins Wohnzimmer und sah, wie ihre Eltern sich wie die Hennen um Olga scharrten, die wieder einmal ihre ausgezeichneten Pianokünste zum Besten gegeben hatte.   Statt ihre heimgekommene Tochter zu beachten, überhäuften sie Olga mit Komplimenten.   Helga sah keinen Grund, sich bemerkbar zu machen. Stattdessen schlurfte sie trübselig die Treppenstufen hoch. Olga hatte eine Refendariatsstelle an der P.S. 118 angekommen und begeistert beschlossen, dass sie während dieser Zeit unbedingt bei ihrer Familie leben musste, damit sie eine noch tiefere Verbindung zu ihren Allerliebsten aufbauen konnte. Helga wusste, dass die nächsten paar Jahre unerträglich werden würden.   Jetzt, wo Arnold nicht mehr da war, hatte sie keinen Anker mehr, an den sie sich festklammern konnte. Der Ruhe ausstrahlte und ihr das Gefühl gab, einen Platz auf dieser Welt zu haben.   Sie warf sich auf ihr Bett und vergrub das Gesicht in ihr Kissen.   Sie schloss die Augen. Sein Lächeln, ihre gemeinsamen Abenteuer und Erlebnisse- diese Erinnerungen würde sie hüten wie ein Schatz.   Sie würden ihr helfen, diese Zeit zu überstehen. . . . tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)