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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 72 - Dear Agony

Turn 72 – Dear Agony

 

 

Die glitzernde Schockwelle, die der weiße Sternenkrieger [Constellar Pleiades] mit seinem massiven Zweihänder auf den fliegenden, hellblauen Drachen und seine metallisch gefiederte Reiterin, [Dragunity Knight – Trident], geschleudert hatte, prallte einfach an diesem ab und krachte gegen die Decke der stillgelegten U-Bahn-Station.

 

Constellar Pleiades [ATK/2500 DEF/1500 {5} OLU: 0]

Dragunity Knight – Trident [ATK/2900 DEF/1700 (7)]

 

Exa stand da wie angewurzelt, als sich vor seinem Gegner eine Fallenkarte aus dem Nichts aufstellte. „[Skill Prisoner] ist eine weitere jener Karten, die sich auch aktivieren lassen, wenn sie auf dem Friedhof liegen. Man muss sie nur verbannen, um eine seiner Karten vor zielenden Monstereffekten zu schützen.“

Genüsslich rückte Jack seine Sonnenbrille zurecht und breitete danach die Arme aus. „Du wolltest doch hier dein Glück versuchen. Wie soll ich sagen? Du hast einfach Pech gehabt, an mich zu geraten.“

Der größere Exa funkelte ihn böse an. Sie befanden sich hier in diesem abgeschlossenen Stacheldrahtkäfig, der zu allem Überfluss auch noch Stromschläge austeilte, wenn man ihn berührte. Diese Erfahrung hatte er schon gemacht, wie die aufgerissene, blaue Strickjacke an seinem Rücken bewies. Dazu noch überall diese gaffenden Typen, die auf ihre Köpfe wetteten.

 

„Hab doch gesagt, der Junge mag arrogant wirken“, sagte Logan indes hinter Zanthe, der fassungslos zu Exa herübersah, „aber er ist und bleibt ein Profi. Kann nahezu jede seiner Karten zweimal benutzen, weshalb er sich nicht scheut, sie auch mal zu opfern.“

„Wenn du schon jemanden auf die Nerven gehen musst, dann doch bitte jemandem, der gerade nicht so blutdurstig ist wie ich“, schnarrte Zanthe, dabei böse über die Schulter blickend, „deine Organe werden's dir danken, glaub mir!“

Unbeeindruckt winkte der knapp einen Meter fünfundsechzig große Logan ab. „Witzig.“

 

Die Lage war ernst, mahnte Zanthe Exa in Gedanken und drehte sich diesem wieder zu. Jack kontrollierte ein Synchromonster, das dank der permanenten Zauberkarte [Dragon Mastery] 500 Angriffspunkte erhielt, solange es mit einer Dragunity-Karte ausgerüstet war. Und auch wenn der Schein trog, so war genau das der Fall: [Dragunity Brandistock] befand sich in Jacks Zauberkartenzone und erlaubte es Trident obendrauf noch, zweimal pro Battle Phase anzugreifen. Was im nächsten Zug reichen würde, wenn man sich die Lebenspunkte Exas genau ansah …

 

[Exa: 3000LP / Jack: 3000LP]

 

Immerhin hielt sein Freund noch zwei Karten auf der Hand, Jack nicht. Dafür kontrollierte Exa neben [Constellar Pleiades] keine anderen Karten.

Wenn er nicht schon seit geraumer Zeit welche hätte, würde diese Situation Zanthe ziemliche Kopfschmerzen bereiten. Besonders, weil Exa längst noch nicht bereit war, es mit einem Profi wie Jack aufzunehmen, wie der Werwolf inzwischen begriffen hatte. Und am schlimmsten von allem, war alles hiervon seine Schuld …

 

„Uh, das ist jetzt schlecht“, murmelte Exa vor sich hin und betrachtete seine Handkarten, ein Monster und eine Falle. Da war es wohl offensichtlich, was zu tun war. „Ich setze eine Karte verdeckt.“

Die purpur umrandete Karte erschien vergrößert mit dem Kartenrücken nach oben zu seinen Füßen und stellte damit gleichzeitig seine letzte Hoffnung dar, irgendwie aus dieser Sache heil heraus zu kommen.

 

Jack fuhr sich mit beiden Händen über das blonde, hochgegelte Haar. „Bist du endlich fertig?“

Als Exa grimmig nickte, griff der arrogante Ex-Weltmeister nach seinem Deck und zog schwungvoll. Nachdem er sich die Karte kurz zu Gemüt geführt hatte, grinste er bitterböse. „Na das passt doch perfekt. Ich aktiviere den Ausrüstungszauber [Dragunity Divine Lance].“

Auch wenn der Name der Karte verriet, dass es sich um eine Lanze handelte, erschien in der Hand der grünen Reiterin Tridents vielmehr ein Schwert. Es bestand aus verschiedenen Körperteilen des Dragunity-Stamms: Insgesamt acht verschiedene, getrimmte Schwingen bildeten die Parierstange, wohingegen die Klinge selbst aus diversen Waffenteilen bestand, die man sonst an den Köpfen der Drachen fand – allen voran eine kurze, breite Lanze.

„Dieses Prachtstück erhöht nicht nur die Angriffskraft des ausgerüsteten Monsters um das Hundertfache seiner Stufe“, erklärte Jack zufrieden, „nein, sie lässt mich auch einmal pro Zug einen Dragunity-Empfänger mit jenem Monster ausrüsten.“

Sowohl der himmelblaue Drache mit dem Dreizack-Unterkiefer, als auch seine Reiterin erstrahlten in goldener Aura.

 

Dragunity Knight – Trident [ATK/2900 → 3600 DEF/1700 (7)]

 

Anstatt einfach einen Namen zu nennen, nahm Jack sein Deck aus der Halterung des schwarzen D-Pads und fächerte es vor sich auf. Dabei grübelte er laut: „Welches nehm' ich denn? Ah, das ist gut!“

Der Kartenstapel wurde zurück in seinen Schacht gezogen und sein Besitzer präsentierte die Karte vor Exa. „[Dragunity Corsesca]! Wie gesagt, der wird jetzt auch an Trident ausgerüstet.“

Ein hautfarbener Drache mit breiten, ledrigen Schwingen und einem Mithrildreizack auf dem Kopf erschien kurz vor seinem Daddy, ehe er als geisterhafte Silhouette in ebenjenem verschwand.

„Und was soll das bringen?“, fragte Exa und verschränkte die Arme.

„Im besten Fall? Gar nichts.“ Jack setzte ein süßliches, falsches Lächeln auf. „Das kommt ganz auf dich an, mein Bester.“

Schlagartig stieß er seine Hand nach vorne. „Machen wir dem Trauerspiel ein Ende! [Dragunity Knight – Trident], greif' [Constellar Pleiades] an! Divine Trident Strike!“

Der Drache setzte sofort zum Sturzflug auf den weißen Krieger an, welcher schützend sein Schwert vor sich hielt.

„Wessen Trauerspiel?“, fragte Exa bissig und betätigte den Auslöser seiner verdeckten Karte. „Meines sicher nicht! Ich aktiviere [Stellarnova Burst], eine dauerhafte Fallenkarte! Pro Zug kann ich ein Tellar-Monster, wozu auch Pleiades gehört, vor einem Angreifer bewahren …“

Die Falle sprang auf, zeigte die Silhouette eines Kriegers, von dem in alle Richtungen flammende Wellen ausgingen. Exa fügte hinzu. „… indem er direkt zerstört wird!“

Sein Pleiades imitierte die Körperhaltung seines Vorbilds auf der Fallenkarte, streckte sich voll durch und löste eine gewaltige Flammenwelle von sich, die dem Drachen und seiner Reiterin entgegen schlug.

„... langweilig.“

Unbeschadet passierte [Dragunity Knight – Trident] den Gegenangriff. Auf dessen Rücken holte die Vogelkriegerin [Dragunity Militum] mit der heiligen Lanze ihres Stammes aus und köpfte Pleiades im Vorbeiflug.

„Aber ich habe doch-!?“, schoss es aus Exa, welcher kurz darauf selbst zum Opfer ebenjener Waffe wurde. Militum streifte damit seine Schulter, wodurch der Blonde gequält aufschrie, nach hinten geworfen wurde und gegen das Gitter des Zaunes stieß.

 

[Exa: 3000LP → 1900LP / Jack: 3000LP]

 

Einige Zuschauer jubelten, andere buhten lautstark, wobei die Verschmähung noch eher Exa galt, als seinem Gegner. Umso lauter wurden die Zurufe noch, als der junge Mann von einem Stromstoß gepeinigt wurde.

„Ahhh!“

Kraftlos fiel Exa vorne über und landete auf dem Bauch. Sein ohnehin schon geschundener Rücken dampfte regelrecht, sein Körper zitterte unkontrolliert.
 

Zanthe weitete die Augen. „Exa!“

„[Dragunity Divine Lance] macht seinen Träger vor Fallenkarteneffekten immun“, erklärte Logan hinter ihm und strich sich von seiner rechten Kotelette hin über das Kinn, „sieht übel aus.“

 

Indes schob sich eine Karte aus Jacks Deck, die dieser aufnahm und vorzeigte. Es handelte sich um ein Effektmonster namens [Dragunity Darkspear].

„Unnützes Wissen: Wenn ein mit Corsesca ausgerüstetes Monster ein anderes im Kampf besiegt, bekomme ich ein Monster mit demselben Typ und Attribut seines Trägers. Also ist es in dem Fall ein Wind-Drache.“ Kaum war das gesagt, schnippte Jack provokant mit dem Finger und zeigte damit nach unten, ganz als würde er einem Hund das Sitz-Kommando geben. „Tu uns beiden einen Gefallen und bleib gleich liegen, ja?“

„Meine Falle hätte-!“

„Deine Falle ist ganz nett, aber nutzlos gewesen im Angesicht von [Dragunity Divine Lance]“, wurde Exa dasselbe wie Zanthe erklärt, „was wiederum heißt, dass ich dich ungehindert noch einmal dank des Ausrüstungseffekts von [Dragunity Brandistock] angreifen kann. Also, bye bye!“

Jacks Drache zog im Stacheldrahtkäfig seine Bahn, umkreiste den blonden Ex-Weltmeister und visierte anschließend den liegenden Exa an, welcher sich gerade in die Hocke aufgerichtet hatte. Passend zu seinen Worten winkte Jack und drehte sich um.

Exa weitete die Augen, als der hellblaue Drache direkt auf ihn zugeflogen kam. Dann betätigte er noch einmal den Auslöser seiner Falle. „Zweiteffekt von [Stellarnova Burst]! Ich kann sie opfern, um direkten Kampfschaden zu halbieren.“

Die Karte löste sich auf und erzeugte einen weißen Schimmer um Exa, da wurde dieser auch schon vom Drachen erfasst und per Kopfnuss fortgeschleudert. Mit voller Wucht knallte er in den Zaun, stieß einen bestialischen Schrei aus, welcher jedoch verstummte, als der Stromschlag folgte.

 

[Exa: 1900LP → 100LP / Jack: 3000LP]

 

„Oh nein“, stammelte Zanthe beim Anblick seines Freundes, der sich nicht mehr vom Zaun lösen konnte und immer weiter gepeinigt wurde, „das ist alles …“

„Deine Schuld?“, beendete Logan den Satz für ihn und fasste sich an die Stirn. „Damit haste nicht ganz Unrecht.“

Sofort wirbelte der Werwolf um. „Was weißt du schon!?“

„Dass hierher zu kommen eine dumme Idee war.“

„Er hat kein Zuhause, kein Geld, gar nichts! Irgendwie muss er doch-!“

Der kleinere, aber ältere Mann schnitt ihm scharf ins Wort: „Seine Gesundheit aufs Spiel setzen? Großartiger Einfall, den du da hattest …“

 

Gleichzeitig kippte Exa leblos nach vorne und knallte auf den Marmorboden.

Jack drehte sich ihm wieder zu, beäugte den Blonden abschätzig. „Hartnäckig wie eine Kakerlake, wirklich wahr. Na ja, ob du nun eine Runde länger vor dich hinschmorst soll mir auch egal sein. Effekt von [Dragunity Knight – Trident]. Ich opfere zwei meiner Karten …“

Die aufrecht stehende Zauberkarte [Dragon Mastery] löste sich in goldene Funken auf, ebenso die ausgerüstete Monsterkarte Corsescas. Zusammen wurden die Partikel von Trident absorbiert.

„… um zwei aus deinem Extradeck zu eliminieren. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, du verstehst? Cease Existence!“

Im Maul und an den daneben befindlichen Spitzen des Drachen entstanden goldene Entladungen, die dieser als gebündelten Strahl auf den regungslosen Exa abfeuerte. Dessen Duel Disk wurde getroffen und warf die Xyz-Monster [Stellarknight Triverr] und [Stellarknight Delteros] aus, welche vor dem jungen Mann auf dem Boden liegen blieben.

„Da [Dragon Mastery] fort ist, verliert Trident die 500 Extrapunkte, die meine Zauberkarte ihm verliehen hat. Aber das ist nicht weiter schlimm …“

 

Dragunity Knight – Trident [ATK/3600 → 3100 DEF/1700 (7)]

 

„… ich weiß, wie es ist, alleine zu sein! Niemanden und nichts zu haben! Sich um sich selbst kümmern zu müssen, weil kein einziger Mensch sich um dich schert!“, brüllte Zanthe Logan regelrecht an. Seine Halsschlagader pochte wie verrückt.

Logan funkelte den Kopftuchträger böse an. „Und da ist dir nichts Besseres eingefallen, als ihn hierher zu bringen? Warum hast du nicht selbst gekämpft?“

„Was!?“ Zanthe verkrampfte.

„Du bist mit Sicherheit erfahrener als er, wenn du ihm das Spiel beigebracht hast, wie du eben sagtest. Warum bist du es nicht, der im Ring steht, wenn du schon so gute Einfälle hast?“ Es war pure Verachtung, die aus seinen Worten sprach.

Der junge Mann, welcher tatsächlich viel älter als Logan war, biss sich auf die Lippen. Und ballte beide Hände zu Fäusten …

 

Exa hielt die Augen geschlossen, hörte aber verschwommen, wie die beiden sich stritten. Sein Körper gehorchte nicht mehr, war taub. Verdammt, ausgerechnet Elektrizität, sein geschworener Erzfeind! Lebte er überhaupt noch? Musste doch so sein, wenn man Zanthes Geschrei nicht überhören konnte. Und wenn er dieses richtig deutete, würde bald ein Unglück geschehen, sofern niemand etwas unternahm. Zanthe war längst an seinem Limit …

„Du kleiner Scheißer“, murmelte Exa.

Jack schnaubte. „Meinst du mich?“

„Wen sonst? Du hast noch nie richtig geblutet, nicht wahr?“ Exa öffnete das rechte Augenlid und bewegte mit größter Mühe seine Hand zum Deck. „Solche wie du sind hier fehl am Platz. Draw.“

Während er aufzog, herrschte sein Gegner ihn ungehalten an: „Was willst du mir damit sagen? Dass ein lausiger Amateur wie du-!?“

„Es tut mir leid, Zanthe. Aber ich muss mein Versprechen brechen. Einen anderen Weg gibt es nicht für mich.“

Exas blau-weiße Duel Disk leuchtete plötzlich in ihren eigenen Farben auf. Nur für einen kurzen Moment, unbemerkt von den Anwesenden. Oder nicht als das wahrgenommen, was es bedeutete. Denn diese Sekunde war es, in der Exa sich mit einem Schlag so schnell erhob, dass Jack vollends verstummte.

Mit fester Entschlossenheit wurde der Blonde mit der Sonnenbrille angefunkelt. Dann ballte Exa eine Faust und presste sie gegen seine Brust, wobei er sein offen stehendes Augenlid wieder schloss. „The stars have decided!“

Jene Hand streckte er in die Höhe aus. Sieben Lichter stiegen aus seiner Brust auf, kreisten umeinander und positionierten sich. Um das erste schloss sich ein Energiering. Ein größerer schloss diesen ein, wobei sich an dessen Rand ein weiteres der Lichter positionierte. Das Ganze wiederholte sich noch fünfmal und Exa rief: „Witness the creation of the eternal gate!“

Die Lichter schwanden, die Kreise transformierten sich in verschiedene Schichten einer Steintafel, die sich abwechselnd im oder gegen den Uhrzeigersinn drehten. Wo die Lichter einst strahlten, hatten nun Runen ihre Position eingenommen. „Summoning contract established!“

Damit riss Exa die erhobene Hand herunter und präsentierte seinem Gegner den Handrücken, auf dem ein kompletter, türkis leuchtender Schriftzug eingraviert war. Es handelte sich um die sieben Runen in den Kreisen. „Open the eternal gate! Excel Summon!“

Ein Steinkreis nach dem anderen schoss schräg nach hinten, über Exa hinweg und öffnete damit ein Portal. Eines, das Einblick in das Weltall bot.

„Grade 7! Rule indefinitely, [Cosmic Enforcer – Event Horizon]!“

Ein Licht schoss daraus hervor und blendete insbesondere die beiden Duellanten, wobei immer mehr geschockte Ausrufe seitens der Zuschauer laut wurden.
 

Aber Zanthe bemerkte das gar nicht. Das Blut rauschte in seinen Ohren.

„Du elender Bastard, wer glaubst du eigentlich, wer du bist?“

„Kannst du die Wahrheit nicht vertragen?“, herrschte Logan ihn ungewohnt zornig an. Wütend klopfte er gegen seine Brust. Zanthe hörte das Herz, das darin heftig schlug. „Ich habe auch alles verloren, als Claire Rosenburg meine Karriere beendet hat! Meine Freunde haben sich von mir abgewendet, das Geld wurde knapp! Aber ich habe nicht rumgewinselt wie ein Baby, nur weil die Zeiten schlechter wurden!“

Dieser Duft … es war Logans Schweiß.

Etwas flackerte in Zanthes Augen auf. Er zeigte Zähne. „Das ist mir egal …“

Seine Fäuste lockerten sich. Weil seine Fingernägel sich in Krallen transformierten. Unbemerkt blieb im Dunkel der 'Temptation Lair' auch, dass sich seine Haut im Gesicht langsam schwarz verfärbte.

 

Einige der Anwesenden stießen Schreie aus, als sie sahen, was dort im Riss des Raum-Zeit-Gefüges über Exa lauerte. Ein riesiges, weißes Schlachtschiff, nicht unähnlich einem Satelliten. Das Heck bestand aus einer ausgehöhlten Sphäre, in welcher ein blauer Kern leuchtete und von der sich vier gigantische Tragflächen erstreckten, die spitz zuliefen. In regelmäßigen Abständen wurden diese fortgesetzt von spitzen Minitragflächen, die jedoch nicht mit dem Schiff verbunden waren. Wie Dornen ragten besagte Auswüchse nach vorn.

 

Cosmic Enforcer – Event Horizon [ATK/2500 DEF/2000 X7]

 

„Du willst mich verarschen, oder? Wo kommt die her?“ Jacks aufgerissene Augen hinter der Sonnenbrille waren einzig auf den Dimensionsriss über Exa gerichtet. „Was ist das für eine Karte!?“

Ebenjene nahm Exa von seiner Duel Disk und präsentierte sie. Statt eines farbigen Rands vorzuweisen, wie es alle anderen Karten taten, bestand diese vollständig aus ihrem Artwork.

„Ein Excel-Monster. So etwas hast du noch nie gesehen, nicht wahr?“

„So etwas gibt es nicht!“

„Anscheinend schon. Frag mich nicht, wie sie funktionieren, vorhin ging es nicht. Aber“, sagte Exa, legte eine Pause ein sowie ein siegessicheres Grinsen auf, „ich schätze, sie stehen in Verbindung mit der-“

 

Er wurde von lautem Geschrei diverser Zuschauer unterbrochen. Noch einen kurzen Blick über die Schulter erhaschend, konnte er verfolgen, wie sich Zanthe auf Logan stürzte und ihn zu Fall brachte. Umgeben von einer Traube Männer, die die beiden Kämpfenden anfeuerten.
 

Sofort wandte sich Exa seinem Gegner wieder zu. „Keine Zeit mehr für Spekulationen! Effekt von Event Horizon aktivieren! Black Hole Distortion!“

Die kleinen Spitzen vor den Tragflächen schwärmten aus und schossen, jede für sich, dutzende Lichtstränge ab, die aus dem Spalt drangen und den Drachen samt Reiterin fesselten. Dann leuchtete der blaue Kern des Schiffes auf, Trident verzerrte sich immer mehr zu einem einzigen Farbenbrei, wurde von den Strängen ins Loch des Raum-Zeit-Gefüges gezogen.

„Was tust du da!?“, überschlug sich Jacks plötzlich erstaunlich heisere Stimme.

Sein Drache tauchte auf 'der anderen Seite' wieder auf und wurde in den blauen Lichtkern Event Horizons geführt, in dessen Licht er endgültig verschwand.

„Mit diesem Effekt wird dein altes Monster transformiert und zwar in eines, das aus ihm entstehen könnte. White Hole Emission!“

Just in diesem Moment tauchten drei Reihen weiß umrandeter Karten vor Jack auf, in der letzten fehlte jedoch die unterste rechte. Und sie alle verschwanden wieder. Im All bei Event Horizon passierte rein gar nichts.

„Oh? Keines deiner Synchromonster könnte [Dragunity Knight – Trident] als Material gebrauchen?“ Exa lachte auf. „Das ist schlecht. Für dich. Denn unabhängig davon, erhält mein Monster die Hälfte der Angriffskraft deines absorbierten!“

Panisch wich Jack zurück, quiekte förmlich: „Du machst doch Witze!“

Während sich die Spitzen wieder vor den Tragflächen des Kampfschiffes formierten, begann der ganze Raumkreuzer weiß aufzuleuchten.

 

Cosmic Enforcer – Event Horizon [ATK/2500 → 3700 DEF/2000 X7]

 

„Für so etwas habe ich keine Zeit mehr! Beende es, Event Horizon! Direkter Angriff mit Planet Obliteration!“

Sofort verteilten sich die Mini-Tragflächen in alle Richtungen vor dem Mutterschiff, wie ein Wespenschwarm. Sie alle feuerten gleichzeitig orangefarbene Laserstrahlen ab, die dem Dimensionsriss bedrohlich näher rückten.

Der Größere wirbelte um und streckte den Arm aus. „Viel Spaß noch …“

 

Indes hockte Zanthe auf Logan und schlug wiederholt in dessen Gesicht. Seine Augen leuchteten schwach grünlich. Blut spritzte ihm an die Wange.

Der 'Zwerg' jedoch wehrte sich, obwohl er aus beiden Mundwinkeln stark blutete. So packte er kurz vor dem nächsten Treffer die Rechte des Werwolfs. Presste hervor: „Was ist los mit dir!?“

Doch es gab keine Antwort, nur ein Schnaufen. Zanthe versuchte sich loszureißen und schlug diesmal mit seiner Pranke über Logans Brust. Das schwarze Shirt riss, blutende Kratzer waren die Folge.
 

„Hör auf!“, schrie Exa, der den beiden im Käfig zugewandt stand.

Die abgerundete Duel Disk an seinem Arm ruckte ein Stück nach vorne, klappte an der Plastikverkleidung aus und offenbarte ein Sägeblatt an den Monsterkartenzonen. Dieses hob der Blonde über seinen Kopf, näherte sich noch einen Schritt dem elektrisierten Zaun.

Indes schossen über ihm dutzende, nein hunderte Lichtstrahlen aus dem Dimensionsriss und schlugen in Jacks Umfeld ein.

„Nein!“, schrie dieser panisch und wurde weggeschleudert, wobei er seine Sonnenbrille verlor.

Mit voller Wucht krachte er in den Gitterzaun und wurde dafür sofort mit Stromschlägen bestraft, die ihn entsetzlich aufschrien ließen.

 

[Exa: 100LP / Jack: 3000LP → 0LP]

 

Und während der Dimensionsriss verschwand, ließ Exa den Arm herab schnellen. Funken sprühten, als sich das Sägeblatt an seiner Duel Disk in Bewegung setzte und die Maschen mühelos durchtrennte. Überall um ihn schlugen elektrische Ladungen, ohne den jungen Mann jedoch diesmal in irgendeiner Form zu behindern.

 

Zanthe verpasste Logan einen weiteren Hieb ins Gesicht. Seine Hände waren blutverschmiert, ebenso das Gesicht seines Gegners. Überall um sie herum standen Männer, die die beiden anfeuerten. Dass Exa durch ein unbekanntes Monster gewonnen hatte, war fast völlig in den Hintergrund geraten.

Gerade wollte Zanthe wieder auf seinen inzwischen regungslosen Gegner einschlagen, da bemerkte er, wie blutig seine Klauen inzwischen waren. Fasziniert hob er sie auf Augenhöhe und drehte sie vor sich hin. Führte sie zu seinem Mund und streckte die Zunge danach aus.

 

Inzwischen hatte Exa es geschafft, ein kleines Loch in den Zaun zu sägen, welches er mit einem Fußtritt freilegte. Sich darunter hindurch duckend, eilte er auf seinen Freund zu, der gerade seine Finger ablecken wollte. Das musste er verhindern, sonst würde Zanthe nie wieder der sein, der er war!

Unerwartet stellte sich ihm jedoch der Leiter der 'Temptation Lair', Roy Gilbert, in den Weg.

„Was denkst du, tust du da!?“, fauchte er, mit Zeigefinger auf den zerstörten Käfig gerichtet, wo Jack im Hintergrund noch immer von wiederholten Stromstößen gefoltert wurde, sodass er inzwischen seine Hose 'benetzt' hatte.

Exa schwang die Sägeklinge nach ihm, sodass der Mann mit dem Cowboy-Hut erschrocken zurückwich, auf dem Hosenboden landete und dem großen, jungen Mann wie gelähmt hinterher sah.

Nur noch ein paar Zentimeter trennten Zanthe davon, ein Sklave seines Fluchs zu werden. So hatte er es einmal beschrieben, als sie sich darüber unterhalten hatten, was es bedeutete, ein Werwolf zu sein.
 

Als sie Exa näher kommen sahen, wichen die Gaffer beiseite. Der Blonde schloss die Augen und setzte zum Sprung an. Er verlagerte sein Gewicht nach vorn und versetzte Zanthe einen derartigen Stoß, dass dieser zusammen mit ihm von Logan geschleudert wurde. Der kam seinerseits zu Sinnen und rollte sich von den beiden weg.

 

Nach einem kurzen Gerangel der beiden Freunde war es Exa gelungen, die Oberhand zu gewinnen, sodass er auf Zanthe hockte und ihn am Kragen seines Hemds festhielt.

„Hör auf damit!“, schnauzte er ihn an.

Der stieß jedoch nur unmenschliche Schreie aus und holte nach dem Blonden aus, welcher eine unschöne Backpfeife verpasst bekam.

„Was ist mit ihm los!?“, fragte der unweit von ihnen am Boden liegende Logan, wobei er sich seine blutende Nase hielt.

„Drogenentzug“, log Exa, ohne den anderen Mann anzusehen. Und verpasste Zanthe kurzerhand mit seiner inzwischen wieder eingefahrenen Duel Disk einen Schlag so hart ins Gesicht, dann noch einen und einen dritten, dass der Werwolf am Ende reglos liegen blieb. Das Dunkle aus seinem Gesicht schwand, die Klauen wurden wieder zu Händen – seine unvollständige Verwandlung war mit seiner Bewusstlosigkeit beendet worden.

 

Den Berserker damit endlich zur Ruhe gebracht habend, stand Exa auf, schnappte sich Zanthe und schulterte ihn sich, als wäre der nichts weiter als eine Strohpuppe.

„Schnappt euch den Neuling und seinen Freund!“, hallte von irgendwo Roys Stimme durch die dunkle U-Bahn-Station.

Kaum einer der Männer um sie herum rührte sich jedoch bei dem Anblick des großen, jungen Mannes, der mühelos einen mindestens 70 Kilogramm schweren Burschen wie Zanthe schultern konnte.

„Ich habe keine Ahnung, was du zu ihm gesagt hast, aber … komm ihm noch einmal zu nahe und du endest wie der da“, zischte Exa hasserfüllt und deutete auf Jack, der mittlerweile im Käfig lag, ebenso bewusstlos wie Zanthe. Hinter ihm wurde gerade die Tür geöffnet.

Logan versuchte sich aufzurappeln, doch ihm fehlte im ersten Moment schlichtweg die Kraft dazu. Er erwiderte mit einem grimmigen Lachen: „Der Kleine ist ganz schön kräftig dafür, dass er so unscheinbar ist. Verträgt nur die Wahrheit nicht sehr gut.“

Wortlos führte Exa seine freie Hand zu seinem Gesicht.

„Hey, wenn du Arbeit brauchst … ich suche noch jemanden für meine Werkstatt“, bot Logan an, „ist besser, als hier wie ein Tier im Käfig behandelt zu werden.“

„Nein danke.“

Und dann war Exa einfach an Ort und Stelle verschwunden, gerade als Roy sich durch die Zuschauertraube gedrängt hatte und dazu gestoßen war. Zwei Männer, die hinter Logan standen, wurden plötzlich zur Seite geschmissen und schrien dabei erschrocken.

Das Augenmerk der Anwesenden richtete sich mangels Alternativen auf den blutverschmierten KFZ-Mechaniker, der ironisch anmerkte: „Hab' mal wieder besonders viel Glück heute, was?“

 

~-~-~

 

„Ich will eine Erklärung dafür, sofort!“, verlangte Valerie aufgebracht.

Statt den finalen Schlag auszuteilen, war ihr drei Meter großer, vierarmiger Herkuleskäfer-Krieger zu einer Eissäule gefroren. Neben ihm verharrte ebenso erstarrt der Geist von [Gishki Emilia], einer rothaarigen Magierin mit Hut auf dem Haupt und Stab in der Hand.

 

Gishki Zielgigas [ATK/3200 DEF/0 (10)]

Gishki Emilia [ATK/1600 DEF/800 (4)]

 

[Anya: 400LP / Valerie: 100LP]

 

Die Finger der Schwarzhaarigen mit dem voluminösen Pferdeschwanz klammerten sich um ihre letzte Handkarte und diese eine, wegen der sie jetzt in diese Lage geraten war. Verkrampft stand sie da, im Angesicht der auf die Knie gesunkenen Anya, die mit weit aufgerissenen Augen ihre Fähigkeit zu Sprechen eingebüßt zu haben schien.

Vor der Blonden in dem dunkelblauen Werbe-T-Shirts stand ein massiver Ritter in silberner Rüstung, dessen Arme so dick wie Pfeiler waren, an deren Enden sich pizzagroße, durchsichtige Edelsteine befanden.
 

Gem-Knight Zirconia [ATK/2900 DEF/2500 (9)]

 

Anya blinzelte.

Was war da gerade geschehen? Redfield wollte sie angreifen und … auf der Karte von [Moulinglacia The Elemental Lord] war ein Satz erschienen, der ihre Battle Phase unterbrochen hatte? Das war doch Schwachsinn!

„Du hast ihn bestimmt nur übersehen, weil du nur das Finale im Kopf hattest“, giftete Anya und erhob sich wieder. „Also erfinde keine Ausreden, Redfield!“

„Das ist keine Ausrede!“, donnerte die zurück und sah prüfend noch einmal Moulinglacias Karte in ihrer Hand an.

„Nanu?“ Mr. Cs Stimme unterbrach die beiden Streitenden. „Offenbar gibt es dort unten ein Problem?“

Das Publikum war mucksmäuschenstill. Anya verschränkte mit ihren beiden Karten in der Hand provokativ die Arme und starrte ihre Rivalin herausfordernd an.

 

Jene biss sich auf die Lippen. Da ging doch etwas nicht mit rechten Dingen zu! Aber das konnte sie unmöglich beweisen, wenn der Effekttext von Moulinglacia sofort das Gegenteil bewies. Wütend rammte sie den wieder in ihren Friedhofsschacht. Außerdem durfte sie keine Aufmerksamkeit erregen, sonst zog das am Ende nur unangenehme Fragen nach sich.

Valerie schluckte ihren Ärger hinunter. Nein … Anya war unschuldig, das wusste sie, immerhin hatte sie ihre Niederlage bereits vor Augen gehabt und war deswegen auf die Knie gesunken. Und da ihre Schauspielkünste miserabel waren, gab es auch keinen Grund, an dieser Reaktion zu zweifeln. Was aber nicht bedeutete, dass Valerie das so einfach hinnehmen würde. Dafür musste sie Anya nach dem Duell zur Rede stellen!

 

Ihre letzte Handkarte nehmend, schob sie diese in ihr rotes D-Pad. Zischend materialisierte sich die Falle zu ihren Füßen. „Diese setze ich und beende meinen Zug. Das heißt, dass [Gishki Emilia] wieder auf meine Hand zurückkehrt, da es sich bei ihr um ein Spirit-Monster handelt.“

Der tiefgekühlte Geist der rothaarigen Magierin verschwamm und löste sich in blauem Licht auf, als Valerie sie von der Monsterkartenzone nahm. Gleichzeitig platzte das Eis um [Gishki Zielgigas] weg, sodass der schwarze, vierarmige Insektenkrieger wieder zum Leben erwachte.

„So ein Scheiß“, fluchte Anya lautstark, „dann kann ich das Miststück gar nicht angreifen!“

„Damit hat Valerie Redfield gleich einer potentiellen Niederlage vorgebeugt! Ich muss sagen, liebe Zuschauer, diese beiden Damen schenken sich nichts!“

Was die Zuschauer wohlwollend und unter lautstarken Zurufen begrüßten.

 

„Ich bin so weit gekommen, da werde ich mit dir auch noch fertig!“ Anya griff nach ihrem Deck und funkelte dabei Zielgigas an, welcher ihr mehr als nur ein Dorn im Auge war. „Draw!“

Schwungvoll riss sie die Karte vom Deck und identifizierte sie als [Gem-Knight Alexandrite], den Valerie zu Beginn des Duells von ihrem Blatt ins Deck geschickt hatte. Perfekt, genau was sie brauchte.

„[Gem-Knight Turquoise] wird vom Friedhof verbannt, damit ich [Gem-Knight Fusion] von dort zurückerhalte“, erklärte Anya, steckte sich erstgenannte Karte in die Hosentasche und zückte letztere zusammen mit zwei anderen. „Jetzt zeige ich dir, wie man dein dämliches Ritualmonster noch toppen kann, Redfield!“

Voller eifriger Vorfreude nahm das Mädchen [Gem-Knight Zirconias] Karte vom D-Pad und hielt sie zusammen mit den anderen dreien in die Höhe. „Ich benutze [Gem-Knight Fusion], um Zirconia von meinem Feld mit [Gem-Knight Sardonyx] und [Gem-Knight Alexandrite] von meiner Hand zu verschmelzen.“

Über ihr entstand ein mächtiger Vortex, der dutzende Edelsteine, welche aus dem Nichts auftauchten, in sich hineinzog. Auch der massive Zirconia wurde in die Luft empor gehoben und schwebte rückwärts auf den Sog zu. Links neben ihm erschien ein Ritter in metallischer Rüstung, welcher einen Morgenstern aus rot-weißem Mineral an einer Kette schwang. Dagegen gewann zu seiner Rechten ein weißer, unbewaffneter Krieger Form, dessen ganze Rüstung mit bunten Edelsteinen besetzt war.

Zu dritt wurden sie von dem Edelsteinwirbel absorbiert. Und Anya zitierte: „Drei Lichter kreuzen den Weg des Lichts! Körper, Seele und Herz verschmelzen und werden zu der Macht, die in ihrer Reinheit einem Diamanten gleicht! Werdet eins!“

Ein grelles Licht drang aus dem Mittelpunkt des Sogs, aus welchem eine massive Klinge geflogen kam und knapp zwei Meter vor Anya im Untergrund stecken blieb. „Werdet [Gem-Knight Master Diamond]!“

In dem Moment schwang Anya ihre rechte Hand zur Seite aus, die in violetten Flammen aufging.

Die sieben Edelsteine, die in der Klinge des Schwertes befestigt waren, begannen einer nach dem anderen in den Farben des Regenbogens zu leuchten. Um die Waffe herum sammelte sich winziger, mit bloßem Auge kaum erkennbarer Diamantenstaub, der die Gestalt eines mächtigen, zwei Meter großen Ritters bildete. In silberner Rüstung, zog er das Schwert unter wehendem Umhang mit nur einer Hand aus dem Boden.

„So sieht ein richtiger Boss aus!“, flötete Anya.

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 DEF/2500 (9)]

 

„Anya Bauer hat offenbar ihr stärkstes Monster aufs Spielfeld gebracht! Was hat sie wohl dazu getrieben, gleich drei ihrer Gem-Knights zu fusionieren!? … und wieso brennt ihre Hand? Fragen, liebe Zuschauer, Fragen!“

Erschrocken schüttelte die Blonde ihre entflammte Hand, sodass das violette Feuer sich verzog wie Rauch im Wind. Mr. Cs Einwand war jedoch nicht der Grund dafür. Diese Flamme symbolisierte die Fähigkeit, anderen physisches Leid durch Master Diamond zuzufügen und das wollte Anya nicht. Auch wenn der Gedanke, dass Redfield ein paar Kratzer davontrug, durchaus verlockend war.

Andererseits, es reichte ihr schon, ihre Erzrivalin aus dem Turnier zu kicken und damit deren Name von der 'Pitchest Black'-Liste zu streichen.

„Ich hoffe, du bist bereit für ein wenig Action“, erkundigte sich Anya kampflustig. „Master Diamond kennst du ja noch von unserem letzten Duell. Für jeden Gem-Knight auf meinem Friedhof erhält er 100 Angriffspunkte. Und im Moment sind da genau acht!“

Mühelos nahm ihr strahlender Ritter das massive Breitschwert und schulterte es, seine Konturen begannen leicht zu verschwimmen.

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 → 3700 DEF/2500 (9)]

 

Erschrockene Laute aus dem Publikum, die wie Musik in Anyas Ohren waren. Ihr Zeigefinger schnellte nach vorne, deutete auf [Gishki Zielgigas]. „Dein letztes Stündlein hat geschlagen und das deiner Herrin mit den riesigen Eutern gleich mit!“

„Anya!“, fauchte Valerie peinlich berührt und hielt sich die Arme vor die Brust.

„Nicht Anya, 'aua' heißt das! [Gem-Knight Master Diamond], greif ihren hässlichen Mistkäfer an und hol' das Ding für mich!“ Anya holte tief Luft. „Shining Wave Breaker!“

Jener umfasste den Schwertgriff nun mit beiden Händen und holte zu einem geraden, horizontalen Schlag aus. Im Schwung löste sich feinster Diamantenstaub von der Klinge, der durch die Bewegung aufgewirbelt, von einer unsichtbaren Kraft aufgeladen und letztlich durch den symbolischen Schrei Diamonds in Form einer Schockwelle entfesselt wurde.

Mit hohem Tempo raste der glänzende Schwall auf Valerie zu, was dieser aber nur das Zucken eines Mundwinkels entlockte.

„Netter Versuch, aber das wird so nichts!“, konterte sie kurz darauf und ließ ihre Falle aufklappen. „[Poseidon Wave]! Sie negiert den Angriff!“

Anyas Kinnlade klappte hinunter. „Das kann nicht wahr sein! Oh, du-!“

Unter Zielgigas stieg eine mächtige Flutwelle empor, die Master Diamonds Schockwelle abfing oder besser gesagt in einem minimal abweichenden Winkel nach oben ablenkte.

Um sich vor der Attacke zu schützen, drehte Valerie sich seitwärts ab und duckte sich. Die Schockwelle fegte über ihr hinweg, wobei das Haarband, welches ihren Pferdeschwanz zusammenhielt, aufplatzte. Wie ein Regen fiel ihr das schwarze, glatte Haar um die Schultern.

„Ups“, grinste Anya frech.

Und Valerie schmunzelte, weil sie genau wusste, wie sie sich revanchieren konnte. „[Poseidon Wave] hat noch einen zweiten Effekt. Erinnerst du dich noch an damals, auf dem Schulhof?“

Die ohnehin blasse Anya schien innerhalb eines Herzschlags kreidebleich zu werden. „Oh shit!“

„Diesmal wird dich kein Stromausfall retten! [Poseidon Wave] fügt nach dem Stoppen des Angriffs 800 Schadenspunkte pro Fisch-, Aqua- oder Seeschlangenmonster zu!“

Anya ließ die Schultern hängen und wartete auf den großen Knall.

 

[Anya: 400LP / Valerie: 100LP]

 

Welcher zur Überraschung aller jedoch ausblieb.

„Ach ja“, schnippte Valerie gekünstelt mit dem Finger, als hätte sie sich gerade an etwas erinnert, „[Gishki Zielgigas] ist ja gar nicht von einem der drei Typen, er ist ein Unterweltler. Ups.“

Normalerweise müsste Anya von weißer zu roter Hautfarbe umschwenken, doch entgegen ihrem üblichen Muster, blieb die Blonde gelassen. „Keh, sieht dir ähnlich, Redfield. Nie bringst du es zu Ende. Aber glaub mir, ich werde es! Meine letzte Handkarte setze ich verdeckt!“

Jene erschien mit dem Kartenrücken nach oben zu deren Füßen.

 

„Draw!“, ließ Valerie ihr keine Zeit, noch einen Spruch zu bringen.

Als jene die aufgezogene Karte allerdings betrachtete, weitete sie erschrocken ihre Augen. „W-woher kommt die denn!?“

Denn was sie dort gezogen hatte, war definitiv nie Teil ihres Decks gewesen! Verwundert betrachtete sie die Karte, fragte sich, was sie damit anstellen sollte.

„[Unstable Evolution] …“

Es durchfuhr sie wie ein Blitz. Marc! Er musste die Karte heimlich in ihr Deck geschmuggelt haben! Sie hatten sich so oft darüber unterhalten, ob man Anya zutrauen konnte, gegen Claire anzutreten. Einmal hatte Marc gesagt, Anya hätte sich weiterentwickelt.

„Ich habe dir widersprochen und gesagt, ihr Fortschritt würde immer wieder gebremst werden“, murmelte Valerie in der Erinnerung versunken vor sich her.

Und Marc hatte erwidert, dass das manchmal auch auf die Beziehung der beiden zutraf. Diese Aussage hatte zu einem schlimmen Streit geführt, kurz bevor die anderen gekommen waren, um zusammen in der Lounge ihres Hotels das Viertelfinale zu verfolgen, aus dem Othello Nikoloudis erfolgreich hervorging.

Was wollte Marc ihr mit dieser Karte sagen? Und wie sollte diese Ausrüstungszauberkarte ihr nützen, wo sie doch die Grundstärke eines Monsters auf 2400 setzte, wenn ihre eigenen Lebenspunkte niedriger als die des Gegners waren?

„Was ist los, Redfield!?“, klagte Anya inzwischen nervös, weil es nicht weiterging. „Bist du eingeschlafen oder was?“

„Die Dinge können sich in mehr als eine Richtung entwickeln, Valerie“, wiederholte diese Marcs Worte abwesend. Und sah dann auf.

Anya verschränkte grimmig die Arme, an ihrem Mittelfinger brannte die violette Flamme, welche zwischenzeitlich wieder von selbst entfacht worden war. Stolz stand [Gem-Knight Master Diamond] vor der Blonden, hatte sein Schwert in den Boden gerammt.

„Die Dinge … können sich in mehr als eine Richtung entwickeln.“ Valeries Augen weiteten sich. Natürlich, das war die Lösung! Sofort rammte sie die Karte in ihr D-Pad. „Ich aktiviere [Unstable Evolution]! Das ausgerüstete Monster erhält eine Basisstärke von 2400, wenn meine Lebenspunkte unterhalb von deinen liegen.“

Ihre Gegnerin zog eine spöttische Fratze. „Huh!? Bist du dämlich, Redfield!? [Gishki Zielgigas] hat doch schon 3200 Angriffs-!“

Sie unterbrach sich mitten im Satz selbst, da ihr die Erkenntnis kam, dass vielleicht gar nicht Valeries Monster das Ziel war.

„[Gem-Knight Master Diamond] wird sich bestimmt über das Geschenk freuen!“, rief Valerie ehrgeizig.

Jener Krieger fasste sich plötzlich an den Kopf, als sei ihm schwindelig. Und mir nichts, dir nichts wuchsen ihm zwei braune Flügel aus dem Rücken und der Schwanz einer Echse aus … einer weniger angenehmen Stelle. Verwirrt von seiner Evolution sackte er in die Knie.

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/3700 → 3200 DEF/2500 (9)]

 

Was für eine fabelhafte Idee von Valerie Redfield! Damit hat sie die Grundstärke deines Monsters von 2900 auf 2400 herabgesetzt, wodurch sie-

 

„... ebenbürtig mit der von Zielgigas ist“, beendete Anya Levriers Satz erschüttert.

„Was für ein kluger Schachzug, den Zweck dieser Karte einfach zu entfremden, um das gegnerische Monster zu schwächen!“, lobte auch Mr. C Valeries Einfall.

Die war allerdings schon dabei, den nächsten Schritt zu gehen und überhörte die Worte schlichtweg. So rief sie: „Normalbeschwörung! Erscheine, [Gishki Emilia]!“

Erst war es ein dünner Nebel, nur halb so hoch wie der Insektenkrieger Zielgigas, der da neben diesem erschien. Doch dann gewann er Form und wurde zur durchsichtigen Gestalt der rothaarigen Hexe, die ihren Zauberstab auf Anya richtete.

 

Gishki Emilia [ATK/1600 DEF/800 (4)]

 

„Tja Anya, du wirst jetzt leider noch eine bittere Pille schlucken müssen“, verkündete Valerie und streckte bereits den Arm aus, „wenn Emilia im Beisein eines anderen Gishkis beschworen wurde, werden bis zur End Phase sämtliche Falleneffekte unwirksam. Was du da also auch liegen hast, es ist unbrauchbar!“

Die Blonde schreckte zurück. „Nicht dein Ernst, oder!?“

„Und wie es das ist! Jetzt bringe ihren [Gem-Knight Master Diamond] zu Fall, [Gishki Zielgigas]! Infestation's Solitude Beam!“

Und diesmal tat der drei Meter große, vierarmige Herkuleskäfermann, was man ihm sagte. Das rote Wappen der Gishki in seiner Brust leuchtete auf, absorbierte erst feine Lichtpartikel aus der Umgebung, ehe es einen kraftvollen, blutroten Laserstrahl abfeuerte.

Anya kniff die Augen fest zusammen und streckte die Hand aus. „Gegenangriff, Master Diamond! Shining Wave Breaker!“

Ihr Ritter zog die Klinge mit beiden Händen aus dem Boden und schwang sie in einer horizontalen Linie aus. Von ihr löste sich Kristallstaub, der sich in eine gleißende Schockwelle verwandelte, welche auf Zielgigas zu und unter dessen Angriff hinweg raste.

„Kch!“

„Nichts für ungut.“

Beide Monster wurden zeitgleich von der Attacke des jeweils anderen getroffen und explodierten lautstark, sodass die Felder beider Mädchen in dichten Rauch gehüllt wurden.

Mr. C war ganz aus dem Häuschen. „Was für eine Schlacht, verehrte Zuschauer!“

Aus Valeries Richtung hallte es: „Jetzt kann ich dich direkt angreifen und das Spiel gewinnen! [Gishki Emilia], los!“

Und aus Anyas: „Kannst du knicken, Redfield!“

Ein kochend heißer Wasserstrahl schoss von Valeries Seite auf die ihrer Gegnerin zu, wobei sich der Rauch um die Schwarzhaarige damit auflöste. Den Ursprung fand der Strahl von Emilias Zauberstab.

„Verdeckte Karte aktivieren!“, keifte Anya, die ebenfalls wieder auf der Bildfläche erschien.

Was sofort ungebetenen Widerspruch auf den Plan rief: „Du kannst keine Fallen aktivieren, solange Emilia auf dem Feld ist!“

„Von wegen, Redfield! Das ist ein Schnellzauber, [Revenge De-Fusion]! Du killst eines meiner Fusionsmonster? Dann verlieren all deine Monster ihre Angriffspunkte!“

„Ah!“

Die Karte klappte vor der Blonden auf und zeigte ein unbekanntes, entflammtes Drachenmonster, wie es sich im Sturzflug auf einen erschrockenen Duellanten befand. Eben solche Flammen schossen Emilias Angriff entgegen und fingen ihn ab, wodurch es in der Mitte des Spielfelds eine mächtige Explosion gab.

 

Gishki Emilia [ATK/1600 → 0 DEF/800 (4)]

 

Valerie schmunzelte. „Wieso überrascht mich das nicht?“

„Spuck' nicht so große Töne, Redfield“, erwiderte Anya gallig, begann dann aber dreckiger denn je zu grinsen, „das ist nur eine Hälfte des Effekts. Der zweite wird dich am Ende des Zugs Lebenspunkte kosten und zwar genau so viele, wie deine Monster auf dem Feld verloren haben! Wer gewinnt das hier, huh?“

Ihre Erzrivalin weitete die Augen, als weißer Dampf von ihrer Geistermagierin auszutreten begann. Doch ganz schnell verwandelte sich der Schrecken in Zuversicht. „Wenn das so ist, beende ich den Zug.“

Mr. C staunte: „Was für eine Wende! Dami-“

Doch gerade wollte er Anya als Siegerin erklären, da löste sich Emilia in blauen Funken auf. Und nichts geschah.

„Oh! Natürlich“, kam die Erkenntnis vom Kommentator, „[Gishki Emilia] ist ein Spirit-Monster, also kehrt sie auf die Hand Valerie Redfields zurück, bevor der Effekt von [Revenge De-Fusion] greifen kann!“

Anyas Nasenflügel bebten förmlich beim Anblick Valeries, wie sie ihr Monster vom D-Pad nahm und dabei ach so selbstherrlich in sich hineingrinste. „Oh, Redfield, du …!“

 

„Und wieder wurde Anya Bauer ein Schnippchen geschlagen! Dennoch hat sich der Vorteil [Gishki Emilias] gleichzeitig zu einem Nachteil entwickelt, denn Valerie Redfield ist jetzt vollkommen schutzlos!“

Mr. C hatte Recht, dachte Anya. Scheiß drauf, dass ihr Plan nicht funktioniert hat! Jetzt war ihre Chance! Mit Schweiß auf der Stirn griff sie nach ihrem Deck. Diese Karte könnte alles entscheiden! Bitte, wenn es einen Gott gab, dann sollte der gefälligst auf ihrer Seite sein!

„Draw!“, schrie Anya in der Hoffnung, ein Monster zu ziehen.

Doch es war keins. Schlimmer noch, es handelte sich um eine Karte, die einen verdammten Zug zu spät kam! Aber sie würde nicht aufgeben. „Eine verdeckt, Zug beendet!“

Zischend tauchte jene vor ihr auf.

 

Kaum hatte sie die Worte gesprochen, riss Valerie nicht weniger energisch ihre nächste Karte vom Deck. „Draw! Normalbeschwörung, [Gishki Emilia]!“

Der Geist der rothaarigen Magierin tauchte wieder vor ihr auf. „Direkter Angriff!“

 

Gishki Emilia [ATK/1600 DEF/800 (4)]

 

Sofort im Anschluss streckte jene ihren Zauberstab nach vorne und schoss daraus einen Strahl kochend heißen Wassers auf Anya, die den Arm über ihrer gesetzten Karte ausschwang. „Von wegen, ich aktiviere [Burial From A Different Dimension]! Damit lege ich bis zu drei meiner verbannten Monster zurück auf den Friedhof.“

Der weiße Ritter [Gem-Knight Pearl], sein türkisfarbener Kollege [Gem-Knight Turquoise] und zuletzt [Kuriboss], ein brauner Fellball mit Stummelarmen und -beinen, einer Sonnenbrille auf der Nase und einem grauen Cape über den nicht existierenden Schultern tauchten hinter Anya auf. Während die beiden Krieger sich in weiße Lichtkugeln verwandelten, die vom Ablagestapel des Mädchens absorbiert wurden, flog [Kuriboss] mit kreisenden Armen dem Strahl entgegen.

„Du weißt, dass ich den Schaden jetzt abwehren kann.“

Valerie biss sich auf die Lippe, als Anyas kleines Monster getroffen wurde und explodierte. Vor Aufregung atmete sie viel schneller als sonst. Mit angespanntem Gesichtsausdruck nahm sie ihre aufgezogene Falle und schob sie in den mittleren der dazugehörigen Slots. „Eine verdeckt!“

Zischend nahm jene Karte vor ihr Gestalt an.

„Ich gehe in die End Phase, also kehrt Emilia auf meine Hand zurück!“, rief Valerie entschieden.

„Der Krimi geht weiter!“, tönte Mr. C aufgeregt, als sich der Geist wieder auflöste und Valerie ihn von dem D-Pad nahm. „Beide sind ohne Monster unterwegs und Anya Bauer ist am Zug!“

 

„Draw!“, schrie die. Diesmal! Diesmal musste es klappen!

Genau das tat es auch, sie hatte ein Monster aufgezogen. Voller Eifer schmetterte sie dieses auf die mittlere Monsterkartenzone. „[Gem-Knight Tourmaline]!“

„Falle! [Torrential Tribute]!“, rief Valerie dazwischen, da war der Ritter in der goldenen Rüstung noch gar nicht vollkommen erschienen.

Die Karte klappte hoch und schoss einen gewaltigen Wasserstrom auf den Krieger ab, welcher ungünstigerweise gerade zwischen seinen Händen elektrische Ladungen entstehen ließ. Die Wassermassen rissen ihn mit sich, er explodierte vor Anyas Nase.

Die war einmal mehr sprachlos.

Sie hatte gewonnen. Redfield hatte … gewonnen.

Es gab nichts mehr, das Anya tun konnte, um das zu verhindern.

„Zug beendet“, flüsterte das Mädchen tonlos.

 

Valerie senkte das Haupt. „Es tut mir leid, Anya. Aber ich verspreche dir, dass ich es zu Claire schaffen werde. Und sie für dich besiege.“

Nervös sah die Schwarzhaarige wieder auf. Ihre Freundin zeigte keine Regung, starrte an ihr vorbei in die Leere.

Nachdem nichts geschah, Mr. C irgendetwas im Hintergrund sagte, griff Valerie nach ihrem Deck.

„... tritt dem Miststück in den Arsch, Redfield.“

Deren Miene hellte sich auf, nachdem Anya damit deutlich gemacht hatte, dass sie ihre Niederlage verkraften würde. Valerie nickte entschieden. Dann zog sie schwungvoll auf.

 

Ein schrilles Hupen hallte durch das Stadion. Valerie fror in ihrer Bewegung ein, den Arm mit der aufgezogenen Karte von sich gestreckt.

Einige der Zuschauer sprangen von ihren Sitzen auf, darunter auch Matt. Anya drehte sich verwirrt zu diesem um, welcher jedoch nur geradeaus zeigte – mit erstarrter Mimik. Die Blonde musste einen Moment suchen, ehe sie bemerkte, dass sein Finger auf den Bildschirm ihr gegenüber über den Zuschauertribünen gerichtet war.

Jedoch wurde sie von rotem Licht abgelenkt, das um sie herum zu strahlen begann. Es ging von den dutzenden kleinen Bildschirmen aus, die den Weg hin zur Duellplattform pflasterten.

„Huh!?“ Anya klappte die Kinnlade hinunter, als sie sah, was dort abgebildet wurde.

Wie gelähmt ließ Valerie den Arm sinken und zog ihn zu sich, um die gezogene Karte anzusehen. Ihre Augen weiteten sich.

Gleichzeitig sah ihre Gegnerin, die zur Seite auf die Bildschirme unter ihnen starrte, wie auf jedem von ihnen das Bild Valeries mit einem roten Kreuz durchgestrichen war.

 

[Anya: 400LP / Valerie: 100LP → 0LP]

 

Dasselbe wurde auf den großen Versionen über den Zuschauerrängen angezeigt. Anya wirbelte erschrocken zu ihrer Freundin herum. „Redfield, what the fuck!? Was hat das zu bedeuten!?“

„Ich … weiß es nicht …“, stammelte die zittrig und drehte die aufgezogene Karte zwischen ihrem Zeige- und Mittelfinger um, damit Anya sie sehen konnte. „Ich glaube, ich … wurde gerade disqualifiziert.“

Denn bei der Karte handelte es sich um [Change Of Heart], eine der mächtigsten Duel Monsters-Karten, die bereits seit Jahren von sämtlichen offiziellen Spielen ausgeschlossen war ob ihrer Stärke. Und Valerie hatte sie gezogen …

„Das gibt’s nicht“, kommentierte Mr. C die Szene fassungslos, „Valerie Redfield wurde aufgrund eines Betrugsversuchs disqualifiziert!“

 

Eine eisige Stille legte sich über das Duellfeld, nein, das ganze Stadion. Bis die ersten Aufschreie der Entrüstung seitens der Zuschauer laut wurden.

In all dem standen die beiden Mädchen wie gelähmt da.

Bis eine weibliche Stimme durch die Arena hallte. Es war Melindas. „Valerie Redfield, bitte folgen Sie den Aufsehern in unser Büro.“

Aus dem Gang hinter Valerie tauchten zwei Männer in Dunkelblau auf, die sich dem Mädchen eiligen Schrittes näherten.

Anya fand ihre Stimme wieder. „Redfield … was hast du getan?“

„Ich … war das nicht“, stammelte die aufgelöst. Als die Wachmänner sie erreichten und an den Schultern packten, schrie sie: „Anya, ich habe das nicht getan! Irgendjemand-“

Valerie verstummte und sah die Blonde an. Die Männer baten sie, mit ihnen zu kommen. Selbst als sie sie mit sanfter Gewalt in die andere Richtung drehten, blickte die Schwarzhaarige ihre Rivalin bis zuletzt erschüttert an. Bis sie fortgeführt wurde.

 

„Wie tragisch! Damit ist Anya Bauer die Siegerin dieses Duells und damit unsere erste Finalistin!“

Mr. C hatte in diesem Moment keine Ahnung, wie wenig Anya sich als Siegerin fühlte …

 

~-~-~

 

Einige Stunden später stand Anya vor Valeries Hotelzimmer, wollte anklopfen, doch stoppte ihre Faust kurz davor. Nachdem Valerie abgeführt und zu einem Gespräch mit der Turnierleitung geladen worden war, hatte man Anya zur Siegerin erklärt gehabt. Seitdem hatte sich die AFC nicht zu dem Vorfall geäußert, aber bereits jetzt berichteten die einschlägigen Medien von nichts anderem mehr. Es gab kaum noch Duellanten, die nicht von Valeries vermeintlichem Betrugsversuch wussten.

 

Anya biss sich auf die Lippen, wenn sie an die Hetzkampagne dachte, die im Entstehen war. Redfield war unschuldig, verdammt! Jemand wie sie hatte es nicht nötig zu betrügen! Aber egal wie oft Anya versucht hatte, diese Wahrheit gegenüber den Reportern zu äußern, die vor dem Stadion gewartet hatten, niemand schien daran interessiert zu sein.

Natürlich gab es auch andere Stimmen. Welche, die behaupteten, einer von Valeries Gegnern hätte ihr eine Falle gestellt. Womit natürlich niemand Geringeres als Anya gemeint war. Ja, auch diese Gerüchte machten die Runde. Und Valeries Blick, als sie abgeführt wurde … sie hatte dasselbe gedacht, garantiert!

Damit war auch das Interesse an Anyas Person maßgeblich gestiegen. Es war die Hölle gewesen, von dort zu entkommen. Matt hatte seine liebe Mühe gehabt, sie von dort wegzubringen, aber irgendwie war es ihm gelungen. Am liebsten wäre er hierher mitgekommen, doch Anya wollte das nicht. Es war für sie schon schwer genug gewesen, sich an den Journalisten ungesehen vorbei zu mogeln, die das Hotel belagerten. Alles was sie jetzt wollte, war mit Valerie zu reden.

 

So fasste sich die völlig für sie untypisch aufgewühlte Anya ein Herz und klopfte gegen die Zimmertür. Ohne eine Antwort zu erhalten.

„Redfield!?“, rief sie. „Ich weiß, dass du da bist! Lass mich rein, wir müssen reden!“

Nichts.

„Wenn du nicht aufmachst, trete ich die Tür ein!“

Und Gott, würde sie diese Tür eintreten, wenn diese dumme Pute nicht gleich ihren fetten Arsch her schwang und sie öffnete!

Die Drohung hatte scheinbar Wirkung, es waren Schritte zu hören. Als die Tür aufschwang, stand Anya einem blassen Marc gegenüber. Sie mussten keine Worte miteinander austauschen. Anya kam einfach herein.

 

Das weiße Hotelzimmer wirkte irgendwie befremdlich. Als wäre es irgendwie verdorben worden. Vielleicht lag es an der Stimmung, wunderte sich Anya. Valerie stand vor einem aufgerissen Vorhang am Fenster und sah hinab, beobachtete vermutlich die Reporter, die sich vor dem Eingang tummelten.

„Hey …“, rief Anya ihr im Näherkommen zu.

„Ich bin jetzt -wirklich- nicht in der Stimmung um mit irgendjemandem zu reden!“

Ihre Freundin erwiderte sofort nicht minder aufgebracht: „Redfield, ich weiß, was du denken musst! Aber ich war das nicht, ich schwör's!“

„Wen interessiert das jetzt noch?“ Sie klang so seltsam. So gebrochen. Anya sah, wie ihre Hand, die auf dem Fenster lag, regelrecht bebte.

„Mich! Weil jeder denkt, dass ich das geplant habe!“

„Anya, geh jetzt! Ich will alleine sein!“

„Mir doch latte!“ Bei jenen Worten ballte Valerie eine Faust. „Wir müssen herausfinden, wer uns da-!“

Ehe der Satz zu Ende gesprochen werden konnte, wirbelte ihre Erzrivalin um. Anya hatte vieles erwartet, eine zornige Fratze, ein breites, kämpferisches Grinsen … aber keine tränennasse Valerie Redfield.

„Wie kannst du die Nerven haben, hier von 'uns' zu reden!?“, klagte die vorwurfsvoll und schniefte. „Dir ist das doch alles egal. Was andere über dich denken! Du bist eine Runde weiter!“

Verständnislos erwiderte Anya in einem für sie ungewohnt ernstem Tonfall: „Und darüber soll ich mich freuen?“

Valerie verstummte.

„Redfield … wir sind beide Verlierer. Die einen denken jetzt, ich hätte dir die Karte untergejubelt und die anderen, dass du eine Betrügerin bist.“ Anya verschränkte die Arme. „Dass sie meine Meinung dazu nicht interessiert hat war doch abzusehen.“

Etwas gefasster nickte Valerie. „Sie haben keine Wahl, der Beweis war in meiner Hand …“

„Jemand hat uns einfach ziemlich abgefuckt.“ Anya trat einen Schritt vor. „Wir müssen herausfinden wer es war und unsere Namen wieder reinwaschen! Auch wenn das bei mir eh nichts bringt, du weißt schon, Schimpfwörter und so. Aber-!“

 

Entgegen Anyas eigentlicher Absicht aber drehte sich ihre Lieblingsrivalin weg. „Lass es gut sein, Anya …“

„Warum!?“

„Ich bin's einfach“, begann Valerie unvermittelt zu schluchzen, „leid. Erst zerstört jemand meine Hochzeit, dann meine Aussichten auf einen Platz in der Profiliga, was kommt als Nächstes? Wird jemand Marc umbringen? Damit ich gar nichts mehr … gar nichts mehr habe?“

„Valval …“, rief dieser ihr betroffen von der Tür zu, der er alles bisher still beobachtet hatte.

Die Schwarzhaarige vergrub ihr Gesicht in den Händen und begann bitterlich zu weinen. Anya stand da wie gelähmt, einerseits unfähig dem Mädchen Trost zu spenden, andererseits auch gar nicht gewillt dazu. Dass Valerie soeben indirekt zugegeben hatte, aus noch anderen Gründen am Turnier teilgenommen zu haben, abseits davon ihr zu helfen, versetzte ihr einen Stich. Redfield wollte also auch aufsteigen? Anya wurde bei diesem Gedanken übel. Als hätte man ihr plötzlich ein Stück ihres Traumes entrissen, Duel Queen zu werden. Es war irgendwie … falsch von Redfield, auch wenn Anya selbst nicht genau erklären konnte, warum sie so dachte.

 

Sich nun selbst umdrehend, murmelte sie missmutig: „Wenn du nichts unternimmst, wird nichts besser werden. Aber meinetwegen, kümmere ich mich eben alleine drum.“

Valerie sagte gar nichts, sondern schluchzte nur bemitleidenswert. Anya marschierte zur Tür mit dem Entschluss, trotz der möglichen Konsequenzen den Drahtzieher dieser Intrige zu finden und nach allen Regeln der Kunst windelweich zu prügeln. Nicht weil er ihren Namen in den Dreck gezogen hatte, sondern weil sie plötzlich das Gefühl hatte, ihr Traum wäre nichts Besonderes mehr. Wo er doch im Moment einer der wenigen Gründe war, warum sie trotz all des Drucks weiterkämpfen konnte. Und das wog tausendmal schlimmer als eine Niederlage, eine Disqualifikation oder weiß der Geier was noch.

War es ungerecht, es Valerie nicht zu gönnen, ebenfalls eine anerkannte, berühmte Duellantin zu sein? Gewiss. Aber was im Leben war schon gerecht, fragte Anya sich verbittert und knallte die Tür hinter sich zu.

 

~-~-~

 

Benommen öffnete Zanthe die Augen. Er hörte es knistern, der Geruch von brennendem Holz lag in der Luft. Unter seinem Kopf spürte er etwas Weiches, das, als er den Oberkörper erhob, wegrutschte.

„Wo bin ich?“, fragte er leise.

Exa saß ihm gegenüber an dem kleinen Lagerfeuer, das fröhlich unter dem klaren Nachthimmel einer Lichtung vor sich hin brodelte. Zwei Spieße hatte jener davor in den Boden gerammt, an dem bereits knusprig gebratene Fische steckten.

„Weit weg von dieser stinkenden Stadt.“

„Wie weit?“ Zanthe fasste sich an die pochende Stirn. „Was ist überhaupt passiert?“

„Ein paar Meilen sind es schon, schätze ich. Du wärst beinahe zum Fleischfresser mutiert. Diesen Kerl hast du ziemlich übel zugerichtet.“ Exa seufzte. „Aber ich konnte dich davon abhalten, sein Blut von deinen Fingern zu lecken.“

Der Werwolf drehte sich dem Feuer zu. Neben ihm lag Exas Strickjacke, auf der er geruht hatte. Reumütig entschuldigte Zanthe sich bei seinem Freund. „Es tut mir leid. Ich habe dich an diesen schrecklichen Ort gebracht …“

„Du hast es gut gemeint. Geld konnte ich leider keins abgreifen.“ Trotzdem strahlte der Blonde. „Aber ich habe diesen Lackaffen fertig gemacht. Ist doch auch was.“

 

Plötzlich erinnerte sich Zanthe daran, dass Exa auch während des Duells zu Schaden gekommen war. Sofort sah er besorgt auf. „Dein Rücken!“

„Ach, nur ein paar Kratzer“, wurde sein Einwand abgewinkt. Plötzlich jedoch verfinsterte sich Exas Miene. „Dein Zustand hingegen verschlechtert sich zunehmend.“

„Hast du mich deswegen hierher gebracht?“, fragte Zanthe träge.

„Natürlich. Du musst etwas jagen. So funktioniert das doch bei Werwölfen, oder?“

Ebenjener nickte knapp. Dann schloss er jedoch die Augen und presste bitterlich hervor: „Muss ich … wirklich … immer und immer wieder …“

„H-hey, jetzt fang' bloß nicht an zu weinen“, stotterte Exa, als Zanthe sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. „Hier bemerkt uns keiner, wir-“

„Du verstehst das nicht! Als ich noch alleine war, da … aber jetzt, heute, habe ich beinahe jemanden … und dann noch Logan …! Ich hab's satt, ein Monster zu sein!“

Exa senkte sein Haupt. „Du bist kein Monster, Zanthe. Ich habe schon richtige Monster gesehen, welche, deren einziger Lebenssinn es war, anderen Lebewesen zu schaden. Jeden Tag habe ich gegen sie gekämpft. Mit meinen Freunden. Bis …“
 

Eine bedrückte Stille legte sich über die beiden. Das Feuer knisterte vor sich hin. Schließlich zog Exa einen der Fisch-Spieße aus dem Boden und reichte ihn Zanthe. „Du musst was essen.“

„Kein Hunger“, schob der das lecker riechende Fleisch von sich weg.

„Trotzdem wirst du das jetzt essen.“

„Lass mich in Ruhe …“

Schmollend zog Exa den Spieß wieder zurück, bevor es noch Feuer fing, so nah wie es an der Flamme war. Er räusperte sich. „Wenn das so ist, musst du selbst jagen gehen. Hier gibt es bestimmt etwas, das deinen kulinarischen Ansprüchen gerecht wird.“

Zanthe schüttelte den Kopf. „Wenn ich das tue, wird der Kreislauf nie ein Ende finden.“

„Wenn du es nicht tust, wirst du garantiert zu dem, was nicht sein willst. Oder noch schlimmer, du stirbst. Und auch wenn du gerade sehr deprimiert bist“, sagte Exa mitfühlend, „das würdest du mir und deinen anderen Freunden nicht antun. Schlaf einfach noch die Nacht drüber. Morgen sieht die Zukunft dann schon gar nicht mehr so schlimm aus.“

Tatsächlich nahm sich Zanthe den Rat zu Herzen, drehte sich dem Feuer seitlich zu und legte sich zurück auf die zusammengerollte, weiche Strickjacke seines Freundes.

„So ging es mir auch immer, wenn ich Liebeskummer wegen einem Mädchen hatte, weißt du?“

Was dem Werwolf sogar ein Lachen abrang. Welcher da erwiderte: „Fang nicht wieder mit deinen Weibergeschichten an, davon bekommt man ja Albträume.“

Wodurch beide in friedliches Gelächter ausbrachen. Und Zanthe dachte dabei, wie froh er doch sein konnte, dass die Seele seines Bruders ausgerechnet in einem Menschen steckte, welcher ihm ähnlicher nicht hätte sein können …

 

 

Turn 73 – Unforgiven

Da Anya den Stand der Dinge nicht auf sich beruhen lassen kann, macht sie sich auf die Suche nach dem Schuldigen an Valeries Misere. Mit weitreichenden Folgen für alle Betroffenen. Gleichzeitig findet das zweite Halbfinale des Legacy Cups statt. Mit Kakyo Sangon und Othello Nikoloudis treffen zwei alte Rivalen aufeinander, die …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-10-26T18:19:45+00:00 26.10.2017 20:19
Hey
Wow, das Kapitel hatte mehr Spannung als ich erwartet hatte. Erst haut Exa diesem Ex-Champ aufs Maul, dann verprügelt Zanthe Logan und dann hat Exa auch noch Zanthe auf die Nase... Massenprügelei! Armer Zanthe, man kann sich denken, dass er von seinem Zustand genug hat... hoffentlich findet er einen Ausweg aus der Sache.
Ich fürchte Anya ist es einfach nicht vergönnt Valerie von ihrer Liste zu streichen, aber da hat doch jemand reingepfuscht und ich wette es waren entweder der Sammler oder Kali.
Bin echt gespannt wie das weiter geht und wer Anya im Finale gegenübersteht.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
29.10.2017 11:18
Hey,
danke. Das klingt doch positiv. ^^
Zanthe leidet innerlich natürlich sehr unter seinem Fluch, nicht umsonst hat er sich lange Zeit von allen abgeschottet. Wer Anya im Finale gegenübersteht? Findest du in der nächsten Folge heraus.
Danke nochmals für all deine Kommis.

LG,
-Aska-


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