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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 38 - Faces And Facades

Turn 38 – Faces And Facades

 

 

Es fühlte sich an, als wäre Anya einfach nur durch eine Tür gegangen. Kaum hatte sie einen Schritt durch das Portal genommen, stand sie schon an dessen anderem Ende. Neben ihr gesellte sich Kyon, wobei sich das schwarze Loch hinter ihm schloss.

Für einen kurzen Moment musste das Mädchen irritiert blinzeln, denn die plötzliche Dunkelheit hatte sie überrascht. Das Zimmer, in dem sie sich befand, war nicht sonderlich groß. Sofort fielen ihr zwei Sessel ins Auge, die vor einem knisternden Kaminfeuer standen. Aus edlem, weinroten Stoff gefertigt, den Anya nicht einmal benennen konnte, stellten sie sich mit all den Fransen an ihrem unteren Ende als erstaunlich kitschig heraus.

Der Blick des Mädchens wanderte nach links, wo sie eine Einbauwand mit unzählig vielen Büchern erspähte. Viele schienen ihre besten Zeiten längst hinter sich zu haben und ihr Anblick, gepaart mit dem Kaminfeuer, erklärte vermutlich den muffigen Geruch im Zimmer.

„Meister, ich bin zurück“, sagte Kyon formell.

 

Anya achtete gar nicht auf den dunkelroten Schopf, der über der linken Sessellehne hervorlugte, sondern schielte stattdessen nach rechts. Dort stand ein Schreibtisch – mit zwei seltsamen Gefäßen darauf, die sofort ihre Neugier weckten.

Ohne um Erlaubnis zu fragen, löste sich Anya von Kyon und trat an den Schreibtisch heran.

In einem der zylinderförmigen Behälter schwebte eine leuchtende Sphäre. Anya konnte sich nicht helfen, aber irgendetwas zog sie magisch zu dieser hin. Gerade wollte sie mit dem Finger gegen das Glas tippen, da rief Kyon streng: „Finger weg! Das gehört dem Meister.“

„Tch! Und was ist das, wenn man fragen darf?“, erwiderte sie mürrisch und ließ von dem Behälter ab.

Stattdessen wandte sie sich dem anderen zu, in dem ebenfalls etwas schwebte. Blau leuchtend, war es ein Symbol. Und dazu eins, das Anya verdächtig bekannt vorkam. Ein marineblauer, fünfzackiger Stern, um den zwei blaue Kreise gezogen waren. Das war ein Paktsymbol.

 

„Redfields Pakt!“, schoss die Erkenntnis aus ihr heraus.

Sofort wirbelte sie zu Kyon um, auf das Gefäß zeigend: „Was macht das denn hier!?“

„My my“, ertönte statt einer Antwort Kyons eine Stimme mit markantem, britischem Akzent von einem der beiden Sessel, „wenn das nicht das Mädchen ist, das Edens Fluch entkommen ist? Wie schön, dass du dich entschieden hast, meine Einladung anzunehmen, Anya Bauer.“

„Oh Gott …“, entfleuchte der fassungslosen Anya ein, für ihre Verhältnisse geradezu lascher Kommentar, „... nicht der. Alles nur nicht der.“

 

Denn es gab nur einen Menschen – wobei man wohl davon ausgehen konnte, dass es sich hierbei gewiss nicht um so einen handelte – mit britischem Akzent, den sie kannte.

Der Sammlerdämon!

Seines Zeichens der allwissende Donald Trump der Dämonenwelt. Immer auf sein Auftreten und gute Deals fixiert, verfügte der Collector über Mächte, die jenseits der menschlichen Vorstellungskraft lagen. Gerüchten zufolge, welche direkt vom Dämonenjäger Matt stammten, war er unter den Top 5 der mächtigsten Dämonen dieser Welt.

Und Anya, die schon in der Vergangenheit das Vergnügen mit ihm hatte, war alles andere als begeistert, ihn jetzt wieder zu sehen.

 

„Okay“, stammelte sie etwas verloren, „was sind das da für komische Behälter? Hast du Redfield was getan? Erwartest du jetzt ein Danke dafür? Kriegste aber nicht! Das ist mein Job!“

Ohne sich ihr zuzuwenden, sagte der Sammler belustigt: „Nein nein, das da ist schon eine ganze Weile in meinem Besitz. Nimm doch Platz, dann können wir gleich zum Geschäft kommen. Wir haben schließlich alle Zeit der Welt. Das heißt, -ich- habe alle Zeit der Welt, meine Liebe.“

„Quatsch keine Opern, Arschgeige“, fauchte Anya zurück, ehe sie überhaupt einen ersten Blick auf den zweifelhaften Gastgeber geworfen hatte, „wenn du nicht sofort anfängst freiwillig zu singen, werde ich dich dazu bringen. Und das Stück werde ich Symphonie der Schmerzen nennen!“
 

Bevor sie überhaupt reagieren konnte, hatte Kyon sie am Arm gepackt und dirigierte sie mit sanfter Bestimmtheit zum freien Sessel.

„Fass mich nochmal an und du bist tot, Scheißkerl!“, fauchte sie dabei, riss sich los und schritt freiwillig unfreiwillig herüber zu dem Kaminfeuer.

Dort saß er, der Sammler, in seinem gewohnten, schwarzen Designeranzug und starrte erfreut zu ihr herauf. Sein dunkelrotes Haar war perfekt nach hinten gegelt, einzig die Narbe an seiner Wange war ein Makel, den er scheinbar an sich duldete. Oder dulden musste, wer wusste das schon so genau?

 

„Nimm doch Platz“, bot er Anya mit einem Schwenk seiner Hand zu dem freien Sessel an.

Widerwillig ließ diese sich in jenen fallen und funkelte böse zu dem Briten herüber.

Dieser hingegen richtete sein höfliches, aber autoritäres Wort an seinen Bediensteten: „Kyon, wir haben einen Gast.“

„Natürlich“, erwiderte dieser mit einer formvollendeten Verbeugung und verließ augenblicklich das Zimmer durch eine Tür im hinteren Teil.

„Kann mir einer endlich sagen, was hier abgeht!?“, verlangte Anya schroff, was für ihre Verhältnisse bereits von außergewöhnlicher Selbstbeherrschung zeugte. „Wo bin ich hier, verdammt nochmal!?“

Der Sammler schmunzelte und starrte nur fasziniert in das Feuer, das vor ihnen im Kamin knisterte.

Die Arme trotzig verschränkend, schielte seine Gesprächspartnerin ihn derart böse an, dass man meinen konnte, sie beim Versuch zu ertappen, dem Sammler allein mit ihrem Blick ein Loch in die Schläfe zu bohren. Ein Unterfangen, das zu Anyas tiefstem Bedauern erfolglos blieb.

Gerade, als ihr Geduldsfaden endgültig zu reißen drohte, drehte der Sammler den Kopf in ihre Richtung und lächelte falsch. „Verzeih mir, ich war gerade etwas in Gedanken versunken. Was sagtest du doch gleich?“

Wenn man davon ausging, dass das folgende Knurren des Mädchens nicht Teil der Antwort war, konnte man unter dem imaginären Wutschaum so etwas vernehmen wie: „Wo-bin-ich!?“

„In meiner Villa in Hollow City natürlich“, antwortete der Sammler ganz lapidar, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. „Du musst entschuldigen, dass ich dich so plötzlich zu mir beordert habe. Aber wie Kyon dir bereits mitgeteilt hat, läuft die Zeit ab. Deine Zeit, um genau zu sein.“

 

Als Anya jedoch gerade diesen Wortlaut unter inflationärem Gebrauch von Drohgebärden und Schimpfwörtern noch einmal erfragen wollte, kam Kyon wieder in das kleine Arbeitszimmer. In den Händen hielt der dabei ein Silbertablett, auf dem zwei gut gefüllte Weingläser standen.

An seinen Herrn und das Mädchen herantretend, reichte er erst dem Sammler sein Glas, ehe er Anya das ihre anbot. Prompt stieß sie es mit dem Handrücken um, sodass der Inhalt sich auf dem Tablett ergoss. Wer in diesem Moment genau hinhörte, hatte das entsetzte Seufzen des Collectors vernommen.

„Von euch will ich nichts zu trinken, ist bestimmt vergiftet!“, fauchte Anya.

„Verzeihung“, bat Kyon steif, entfernte sich von den beiden und begann im Hintergrund damit, das Tablett zu balancieren, damit bloß kein Tropfen den Boden berührte.

„Wie ich sehe“, stellte der rothaarige Brite ebenfalls nicht sonderlich angetan von der Geste fest, „hat sich an deinem Benehmen nicht sonderlich viel getan, seit unserem letzten Treffen. Wie äußerst bedauerlich.“

„Hey!“, raunte Anya allerdings nur, was wohl den Versuch einer Rechtfertigung darstellen sollte. „Mir nichts, dir nichts taucht dein komischer Butler auf, schleppt mich hierher, nur damit ich ausgerechnet dich hier treffe! Und warum? Weil ich sonst angeblich in 100 Tagen hopps gehe! Meine Laune ist also nicht gerade die beste!“

Der Sammler nickte. „Das ist verständlich, aber dennoch dulde ich ein solches Benehmen nicht in meiner Gegenwart. Hättest du das Glas nicht wenigstens …“

„Nein!“, schnitt sie ihm das Wort ab.

 

Anya hatte sich richtig in Rage gesteigert, seit sie erkannt hatte, in wessen Arme sie gelaufen war. Wenn er sie schon hier haben wollte, dann sollte er jede verdammte Minute davon bereuen. Denn sie wusste bereits, dass -sie- diejenige sein würde, die am allerwenigsten von dem kommenden Gespräch begeistert sein würde. Da war es ja wohl ihr gutes Recht, ihr Umfeld daran so gut es ging teilhaben zu lassen!
 

„Okay, Laberbacke“, brummte sie, um besagtes Gespräch endlich voran zu treiben, „ich frag nicht nochmal! Was geht hier ab?“

Dabei verschränkte sie wieder abwartend die Arme.

„Du hast recht, genug Smalltalk. Ich mag es, wenn die Leute schnell zum Punkt kommen. Siehst du“, sagte der Sammler und beugte sich mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen vom Sessel aus zu ihr vor, dabei die Hände geschäftsmännisch ineinander faltend „da gibt es etwas, was ich unbedingt haben möchte. Und du bist genau die Richtige für diesen Job.“

„Wieso ich!?“, beklagte sich Anya mit ausgebreiteten Armen.

Das Kaminfeuer beleuchtete nur eine Gesichtshälfte der beiden, warf dafür tiefe Schatten in das kleine Arbeitszimmer.

„Nun, du hast den Test bestanden.“

„Welchen Test?“

Anya konnte sich nicht daran erinnern, jemals an etwas Dergleichen teilgenommen zu haben. Schon gar nicht, wenn der da involviert war.

Der Sammlerdämon lachte vergnügt, auch wenn man kein Genie sein musste, um zu erkennen, dass das lediglich gespielt war. „Na der Turm. Du hast die Herausforderung bestanden. Ein bisschen musste ich helfen, das gebe ich zu, aber du hast dich als äußerst würdig für mein Unterfangen erwiesen. Betrachte es als Ehre.“

„Was!?“, polterte Anya drauf los, die nicht glauben konnte, was sie da gerade vernommen hatte. „Was soll dass heißen, der Turm und Eden waren ein Test!?“

Unbedarft zuckte der Collector mit den Schultern. „Von deiner Warte natürlich nicht, aber von meiner schon. Wie ich schon zu deiner kleinen Freundin damals sagte, war Edens Erwachen für mich an sich völlig unbedeutend. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als ich auf dich aufmerksam wurde.“

„Du elende Ratte!“

 

Anya gefiel ganz und gar nicht, worauf das hinauslaufen könnte. Für den mag das ja nur ein Spiel gewesen sein, aber für sie war es damals ums Überleben gegangen. Was ging im kranken Hirn dieses Spinners vor sich, dass er auch nur auf die Idee kam, das Wort Test in den Mund zu nehmen?

Denn dazu sollte man wissen, dass Anya grundsätzlich alle Arten von Prüfungen hasste – umso mehr wenn Leute involviert waren, die ihr überlegen waren. Was leider viel zu oft der Fall war!

 

„Nun“, sprach der Sammler und schlug dabei ein Bein über das andere, „sagen wir, durch deinen Sieg über Edens Fluch hast du dich für meine Aufgabe qualifiziert. Noch besser: du stehst völlig außer Konkurrenz.“

„Warum sollte ich dir helfen wollen!?“, wollte Anya wissen. „Ich habe nichts mehr mit Dämonen und dem ganzen Kram zu schaffen!“

„Oh, da kommen wir zu dem Punkt, der dich letztlich hierher gelockt hat.“

„Soll heißen?“

Anya wurde mulmig zumute.

Der Sammler nahm dies mit einem Schmunzeln hin. „Kyon spricht die Wahrheit. Dein Leben wird in exakt einhundert Tagen enden. Verantwortlich dafür … bist ganz allein du. Du und deine Gier.“

Als Anya ihn nur verwirrt ansah, seufzte der Sammler künstlich.

„Hast du es schon vergessen? Unser Duell?“
 

Anya versuchte sich zurückzuerinnern. Damals hatte sie den Sammler getroffen, als sie gerade auf der Suche nach Hinweisen war, wie man Eden erwecken konnte.

Er hatte ihr Informationen über verschiedene Dinge zugespielt, allerdings in einem Duell. Mit-
 

„[Scales Of Wisdom]“, sprach der Sammler aus, was Anya dachte. „Meine Zauberkarte von damals. Du hast einen Preis gezahlt, um Wissen von mir zu erhalten.“

„Lebenspunkte“, murmelte Anya leise, „ich habe sie alle aufgegeben, weil ich durch [Scales Of Wisdom] nicht verlieren konnte …“

„Richtig. Allerdings hätte dir klar sein müssen, dass die Dinge nicht so einfach sind, wenn ich dein Gegner bin.“

Unsicher sah das Mädchen auf. „Der Schmerz, den ich nach jeder Frage in meiner Brust gespürt habe. Der immer schlimmer wurde, war das …?“

„Korrekt. [Scales Of Wisdom] verhindert den Tod eines jeden, der sich mit mir duelliert. Allerdings nimmt sie Stück für Stück Leben in sich auf, im Austausch gegen Informationen“, erklärte der Sammler schonungslos, „du hast all deine Lebenspunkte, die Repräsentanten deines Lebens, an mich abgegeben. Mit jedem einzelnen hat sich dein Leben exponentiell verkürzt. Wobei – ganz korrekt ist das nicht, du hast nicht all deine Lebenspunkte aufgegeben. 300 habe ich dir genommen, bevor ich die Karte aktiviert habe.“

„Und die sind …“

„Alles, was von deinem Leben ab dem Zeitpunkt unseres Duells noch übrig war. Der Rest befindet sich in meinem Besitz.“ Was den Sammler dazu brachte, heuchlerisch zu lächeln. „Du hättest ruhig einen Schluck trinken sollen, dann hättest du das sicher besser aufgenommen.“

„Du elender-!“, platzte es dort aus Anya heraus.

Sie sprang aus ihrem Sessel auf und holte mit der Faust zum Schlag aus, konnte sich jedoch mitten in ihrer angespannten Situation nicht mehr rühren. Es war, als hielte der bestimmende, kalte Blick des Sammlers sie fest, als sie ihm so gegenüber stand.

„Es ist wahr, fürchte ich. Genau einhundert Tage noch, bevor du stirbst“, erklärte er ihr abermals und nahm einen genüsslichen Schluck aus seinem Weinglas. „Aber ich bin kein Unmensch. Ich kann dich von deiner Schuld befreien. Wenn du etwas für mich erledigst, nämlich den Auftrag, den ich eben bereits angeschnitten habe. Nichts könnte simpler sein.“

 

Mit einem Mal lockerte sich der unsichtbare Griff um Anya, sodass sie den erhobenen Arm sinken ließ und ihn in einer Mischung aus Abscheu und verzweifelter Wut anstarrte. Die Informationen, die eben auf sie eingeprasselt waren, waren für jemand so einfach gestricktes wie sie zu überrumpelnd, als dass sie sie in ihrer vollen Tragweite und Komplexität bereits erfassen konnte.

 

„Ach ja? Einen Auftrag also?“ Das Mädchen runzelte die Stirn. „Und was hindert mich daran, dir einfach solange die Fresse zu polieren, bis ich meine Lebenskraft zurückhabe!?“

„Die Tatsache, dass ich davon nicht sterben werde?“

Anya winkte geradezu vor Hohn spritzend ab. „Pah, langweilig. Das ist eher ein Nachteil, wenn man bedenkt, mit wem du es zu tun hast!“

„Dann vielleicht die Tatsache, dass du dich in meinem Antlitz nicht einmal rühren kannst, wenn ich es so will?“
 

Was sozusagen das KO-Argument für Anya war. Mit einem Schlag kniff sie die Augen zusammen, dass jene wie kleine, böse blaue Perlen aus ihren Höhlen leuchteten. Er unterschätzte sie wohl maßlos, besonders ihr hervorragend arbeitendes Gedächtnis. Dieses war normalerweise nur für ihre nachtragende Ader gedacht, aber ab und zu speicherte es auch Informationen, die in der Zukunft noch sehr nützlich für die Blonde sein konnten. So wie in diesem Fall.

Jetzt kam sie dazu, endlich die Schwäche des Sammlers auszunutzen!

 

„Ist das alles? Stört mich nicht! Denn mit mir geht es ganz schön“, sagte sie und drückte die Lider noch etwas mehr aufeinander, betonte das nächste Wort geradezu über, „schmutzig zur Sache.“

Der Sammler setzte ein mildes Lächeln auf, wie er sie von seinem Sessel heraus ansah. „Wie süß, du willst meine Bakteriophobie ausnutzen? Das macht mir keine Angst.“

„Ahja!?“, erwiderte Anya gereizt. „Na wenn du meinst?“

Sprachs, zog kurzerhand den Rotz in ihrer Nase hoch und spuckte ihn wie eine Weltmeisterin auf den wertvollen, roten Teppich, der in dem kleinen Arbeitszimmer ausgelegt war. Und sah dann erwartungsvoll zum Sammler, den sie regelrecht erblassen spürte

 

„Kyon!“, schrie dieser nach einer Sekunde des Entsetzens geradezu herzzerreißend. „Mach das weg! Der Schmutz, die Spucke, das -Ding-!“

Er ließ sich schwach in den Sessel zurückfallen. „Oh ich ertrage das nicht … mein Teppich ist ruiniert! Die Stelle besudelt, für immer ein schwarzer Fle-fle-fleck in meinem Haus! Wir müssen umbauen!“

Derweil kam sein Diener, gerade erst zurück von seiner Tablettnummer, mit gezücktem Putzlappen und Reinigungsspray in der Hand und machte Anyas Sauerei bückend sauber. Dabei stöhnte er kaum hörbar.

Die knapp einen Meter sechzig große Blonde genoss das Bild, das sich vor ihr ergab, in allen Zügen. Dabei stemmte sie die Hände in die Hüften. „Ich hab dich gewarnt, Kumpel! Und nun her mit meiner Lebenszeit und zwar dalli!“

 

„Duuuuuuu“, entfleuchte es dem Sammler, der ruckartig aufstand und das Mädchen geradezu hasserfüllt ansah, „du kleines, dreckiges Biest.“

Als Antwort drehte sich Anya um, spuckte auf den Sessel und richtete sich erwartungsvoll an den Sammler. „Ja?“

Die Lippen des besagten Dämons bebten. Vor Zorn oder vor Ekel war dabei nicht eindeutig zu erkennen.

„Dafür zahlst du!“

„Ahja mit was? Meinem Leben? Ohhh, das hast du ja schon!“ Anya sah gar nicht ein, warum sie sich von diesem Dreckskerl einschüchtern lassen sollte. Der würde sowieso mit ihr machen was er will, wenn sie dem keinen Riegel vorschob! „Hör mal, Kumpel! Dass du mich in diesem Duell gelinkt hast ist scheiße, aber ich vergebe dir. Wenn du diesen Mist rückgängig machst!“

„Sonst?“, erfragte der Sammler kalt.

„Mach ich aus deinem Haus“, antwortete Anya und betonte den letzten Teil besonders deutlich, „die Arche Noah für Bazillen. Für jede Art ein eigenes Zimmer.“

„Du drohst mir? In deiner Lage?“

Anya nickte und verschränkte selbstbewusst die Arme. „Mit dir werde ich schon irgendwie fertig. Ach, wenn wir schon dabei sind, Redfield kannst du gleich auch aus ihrem Vertrag mit dir befreien, natürlich ohne Haken.“

Denn Anya wusste, dass Marc Butcher – Valeries Verlobter – sterben würde, wenn der Vertrag aufgelöst wurde. Denn sein Leben, was ausgerechnet Anya ihm einst genommen hatte, lag ebenfalls in den Händen des Sammlers.

 

Anya Bauer, bist du dir deiner Lage überhaupt bewusst!?

 

Levrier tauchte unverblümt neben Anya in [Gem-Knight Pearls] Form auf.

 

Er hat dich vollkommen in der Hand! Du solltest dir erstmal anhören, was er zu sagen hat, bevor du dich weigerst ihm zu helfen oder ihm gar drohst! Ich habe dich damals vor ihm gewarnt! Sei so klug und verschlimmere deine Lage nicht noch!

 

„Schnauze, Levrier!“, raunte Anya jedoch nur.

Sie dachte gar nicht daran, einen auf unterwürfig zu machen. Dieser Bastard vor ihr dachte vermutlich sowieso schon, dass sie sein Spielzeug war, aber da hatte er sich geschnitten! Anya hatte zu viel durchgemacht, um sich noch von irgendjemandem einschüchtern zu lassen.

Wenn der Typ Krieg wollte, sollte er ihn haben. Denn wenn er ihre Hilfe wollte, dann im wahrsten Sinne des Wortes nur über ihre Leiche.

 

Oh nein, ihr Verstand hat ausgesetzt …

 

„Das ist, was ich so an ihr schätze, Levrier“, richtete der Sammler sein Wort an Anyas Partner, ließ das Mädchen jedoch nicht aus den Augen. „Wie ich sehe, werde ich wohl mit Drohungen allein nicht viel ausrichten können.“

„Bingo!“

Sein schwarzes Sakko straffend, seufzte der Sammler. „Bedauerlich, eigentlich wollte ich diese Situation vermeiden. Was schlägst du vor, um sie zu lösen, Anya Bauer? Du wirst einsehen müssen, dass ich kein Interesse daran habe, dich, geschweige denn Valerie Redfield, von den Schulden zu befreien, die ihr bei mir habt.“

 

Anya fasste sich ans Kinn und grübelte.

Dieser Typ wollte für seinen komischen Job sie? Und anscheinend nur sie, sonst hätte jemand mit seiner Macht sie schon längst pulverisiert. Kam also nur sie dafür infrage?

Das war gut! Zumindest ein kleiner Strohhalm, nach dem sie greifen konnte.

Aber wie brachte sie ihn jetzt dazu, nach ihrer Pfeife zu tanzen?

Der Blick des Mädchens wanderte dabei zufällig über ihre Duel Disk.

 

Oh bitte, lass das nicht dein Ernst sein.

 

„Du hast es doch gesagt, Levrier“, erwiderte der Sammler, „ihr Verstand hat ausgesetzt.“

„Hey! Ich will eine Revanche, weil du mich gelinkt hast, klar!? Wenn ich diesmal wieder verliere, fein, dann helfe ich dir. Gewinne ich, dann tust du, was ich dir sage, klar!?“

„Nein“, lautete die knappe Antwort.

„Wie bitte!?“, überschlug sich Anyas Stimme, obwohl sie sehr wohl verstanden hatte, was der Sammler gesagt hatte.

„Nein“, erwiderte er im selben, bestimmenden Tonfall, „dieser Deal ist der Situation unangemessen. Ich habe dich bereits in- NEIN!“

Doch Anyas Finger steckte schon mitten in der Nase und wurde unter einem Grinsen der Besitzerin herausgezogen.

„Komm mir damit nicht zu nahe!“, kreischte der Sammler und wich wie ein verschrecktes Huhn zurück.

Als Anya Anstalten machte, die Bakterien stattdessen am noch unbefleckten Sessel abzuschmieren, brach die eben noch eiserne Entschlossenheit des Sammlers wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

„Okay, ich mach's, ich mach's! Kyoooooooon!“

Der Butler, der die ganze Zeit zwischen ihnen gekniet und Anyas 'Schandfleck' beseitigt hatte, richtete sich auf. „Meister?“

„Meine Duel Disk und mein Deck! Schnell, es geht um Leben und Tod!“

Mit diebischer Zufriedenheit beobachtete Anya den schwarzhaarigen Mann dabei, wie er sichtlich genervt von der Phobie seines Meisters zu einem Schrank lief, daraus einen Koffer holte und wieder zurückkehrte. Nebenbei legte der Sammler sein Sakko ab und offenbarte ein schwarzes Hemd.

Kyon derweil klappte den metallischen Koffer auf. In einer Fassung aus samtenem Polster lagen dort eine schwarze Duel Disk, anscheinend aus derselben Modelllinie wie die Battle City-Disk, und drei durchsichtige Deckboxen. Dadurch konnte Anya jeweils das erste Monster erkennen, das sich im Deck befand. Das Deck ganz links beherbergte [The Fabled Cerburrel], das mittlere [Fabled Raven] und das rechte … lag falsch herum in der Box, sodass Anya nicht erahnen konnte, was sich darin befand.

Was auch nicht weiter wichtig war, als der Sammler sich das mittlere Deck und die Duel Disk schnappte.

„Hör zu, Anya Bauer“, sagte er, während er sich die Duel Disk um den Arm schnallte, „für dich mag das lustig sein, weil du glaubst meine Schwäche zu kennen. Doch ich warne dich, treib es nicht zu weit. Du tätest besser daran, meinen Vorschlag zu akzeptieren.“

„Tch, als ob!“

„Dieses Duell ist sinnlos. Aber wenn du unbedingt wünscht, deine eigene Machtlosigkeit zu demonstrieren, werde ich dir dabei gerne behilflich sein.“

Anya zuckte nur unbedarft mit den Schultern. „Ich bin bisher mit allem fertig geworden, also hör auf Reden zu schwingen!“

„Wie du willst“, antwortete der Sammler steif, „niemand soll mir nachreden, ich wäre unfair meinen Partnern gegenüber. Aber deine Dreistigkeit wirst du noch bitter bereuen – denn egal ob du gewinnst, nachgeben werde ich deiner Forderung nicht. Deine Lebenszeit gehört mir, daran wird sich nichts ändern.“

Sein Gegenüber kniff die Augen zusammen. „Das wollen wir erstmal sehen.“

 

Kurz darauf hatten sie sich im kleinen Arbeitszimmer aufgestellt. Kyon beobachtete alles schweigend von der Seite, wobei er immer wieder interessierte Blicke auf Anya warf. Levrier wiederum war verschwunden, nachdem er erkannt hatte, dass sein Schützling im Berserkermodus leider nicht sonderlich kooperativ war.

Der Sammler seinerseits, mit dem Kamin im Nacken, schien ziemlich mit seiner Beherrschung zu ringen. Es bestand kein Zweifel, dass er diesmal Ernst machen würde.

Aber sollte er nur, dachte Anya, die vor der Tür stand, die aus dem Zimmer führte. Er hatte sie damals reingelegt und so war es nur fair, dass sie diese Chance erhielt. Sie würde nicht verlieren, nicht als jemand, der bereits einmal mit seinem bevorstehenden Tod konfrontiert war!

 

„Ich sage es dir noch einmal im Guten: dieses Duell ist sinnlos“, sprach der Sammler, als er sein ausgewähltes Deck in den passenden Schacht schob, „ich werde mich nicht erweichen lassen, weder deine Lebenszeit, noch Valeries Namen zurückzugeben. Selbst wenn du mich besiegst.“

„Tch, hast du auch andere Sprüche auf Lager?“

Anya funkelte ihn dermaßen böse an, dass ihr berühmter Todesblick wieder einmal regelrechte Löcher in seine Stirn bohrte – leider nach wie vor nur im übertragenen Sinne.

Ihr Plan, der eigentlich nur recht viel Gewalt beinhaltete und zwar mithilfe von [Gem-Knight Pearl] oder wahlweise auch [Gem-Knight Master Diamond], dem anderen Monster in ihrem Deck das realen Schaden verursachen konnte, war zugegeben recht simpel. Und Anya ahnte, dass es den Sammler nicht beeindrucken würde.

Aber was sollte sie sonst tun? Ihr Schicksal einfach hinnehmen? Beim letzten Mal hatte sie sich auch erfolgreich dagegen wehren können, einen Versuch war es also allemal wert!

„Du weichst also nicht von deiner Idee ab“, stellte der Sammler fest, mit einem erstaunlich zufriedenen Unterton, „das gefällt mir zugegebenermaßen. Was ich brauche ist jemand, der hartnäckig bleibt. Also schön, duellieren wir uns.“

„Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du nie wieder eine Karte anrühren wollen! Wohlgemerkt, selbst wenn du es wolltest, könntest du es nicht mehr!“, redete Anya sich selbst in Rage.

Der rothaarige Brite lachte aufgesetzt.

Dann riefen sie beide: „Duell!“

 

[Anya: 4000LP / Collector: 4000LP]

 

„Ich mach den ersten Zug!“, entschied Anya und riss mit einem Schlag sechs Karten von ihrem Deck.

Eine Falle aus dem Blatt nehmend, schob sie diese anschließend in einen der dafür vorgesehenen Slots ihrer alten Battle City-Duel Disk. „Die verdeckt!“

Kaum hatte sich jene Karte vor ihren Füßen in vergrößerter Form materialisiert, hielt sie schon ihre berühmt berüchtigte [Gem-Knight Fusion]-Zauberkarte zusammen mit zwei Monstern in die Höhe.

„Und jetzt verschmelze ich [Gem-Knight Garnet] und [Gem-Knight Emerald]! Emerald, du bist das Element, Garnet, du der Ursprung! Werdet jetzt zu [Gem-Knight Zirconia]!“

Vor dem Mädchen öffnete sich ein Wirbel aus Edelsteinen und verschlang die durchsichtigen Ebenbilder ihrer Ritter, ehe daraus ein breit gebauter, fast bis an die Decke reichender Krieger vor ihr erschien. Sein Markenzeichen waren die zwei gewaltigen Fäuste, die wie Dampframmen aus dem Namen gebenden Zirkon gemacht waren.

 

Gem-Knight Zirconia [ATK/2900 DEF/2500 (8)]

 

„Ich erinnere mich, die hast du letztes Mal schon eingesetzt. Das ist doch das Geschenk deines Dämonenjägerfreundes. Oder eher sein Bestechungsmittel.“

Anya schnaubte ob der Tatsache, dass der Sammler scheinbar darum wusste, dass sie diese Karte damals von Matt dafür bekommen hatte, eine Zusammenarbeit mit ihm und dem Narbengesicht Alastair einzugehen.

Egal, dieses Monster und ihre Falle würden sie schützen, solange sie selbst noch nicht angreifen konnte.

„Zug beendet“, zischte sie böswillig.
 

Wortlos nahm der Sammler seine nun sechste Karte auf, fügte sie seinem Blatt hinzu und schob mit dem Daumen eine andere daraus hervor, die er dann mit der freien Hand hinauszog.

„Ich aktiviere [Nobleman Of Extermination]“, sagte er seelenruhig und schob die Karte in seine Duel Disk, „damit verbanne ich eine gesetzte Nicht-Monster-Karte. Ist es dabei eine Falle, werden alle weiteren Exemplare von deinem Deck ebenfalls verbannt.“

Anya stieg einen nervösen Seufzer aus, als von der Decke unerwartet ein langes Schwert fiel, ihre [Negate Attack] in der Mitte durchbohrte und mit ihr verschwand.

„Das mag zwar eine Falle gewesen sein, aber weitere Kopien davon besitze ich nicht“, sagte das Mädchen unzufrieden.

Das fing ja toll an! Hoffentlich betrog der Kerl sie nicht klammheimlich!

Allerdings schien der Sammler mit seinen Gedanken ganz woanders, denn er nahm bereits die nächste Karte aus seinem Blatt hervor. „Normalbeschwörung: [Fabled Raven]. Und da ich jetzt ein Fabled-Monster besitze, kann ich [Fabled Grimro] abwerfen, um mir ein neues Fabled-Monster vom Deck zu suchen. Die Wahl fällt auf [Fabled Lurrie].“

Während er, unter einem Regen von schwarzen Federn, nach der genannten Karte in seinem Deck suchte, tauchte vor ihm ein düster wirkender, dämonischer Mann auf, der eine Maske trug, aus der seine Augen rot leuchteten. Die Schwingen an den Unterarmen ließen ihn wortwörtlich wie einen Raben in Menschengestalt wirken.

 

Fabled Raven [ATK/1300 DEF/1000 (2)]

 

Kaum hatte der Sammler seine gewählte Karte dem Blatt hinzugefügt, zeigte er sie schon zusammen mit einem anderen Monster Anya vor. Und das mit derart angewinkelter Hand, dass die Blonde schon darauf hoffte, jene abfallen zu sehen. Selbstredend vergebens.

„Effekt von [Fabled Raven]. Ich kann beliebig viele Karten abwerfen, um für jede seine Stufe und Angriffskraft um eins beziehungsweise 400 zu erhöhen.“

So trennte er sich von den vorgezeigten Monstern. [Fabled Raven] begann in roter Aura aufzuleuchten und lachte höhnisch.
 

Fabled Raven [ATK/1300 → 2100 DEF/1000 (2 → 4)]

 

Ehe Anya einen galligen Kommentar abgeben konnte, tauchte plötzlich neben dem Dämon ein kleinerer, mit ledrigen, schwarzen Flügeln beschwingter Knirps in dunkler Tunika auf. Er mutete wie das Gegenteil dieser Engelchen an, die in vielen historischen Gemälden, meist neben spärlich bekleideten Schönheiten, abgebildet waren. Was ihm immerhin ein paar lausige Sympathiepunkte bei Anya einbrachte.

 

Fabled Lurrie [ATK/200 DEF/400 (1)]
 

Trotzdem fragte die: „Was soll das? Ich dachte, du hast ihn abgeworfen!?“

Der Sammlerdämon schmunzelte vergnügt. „Aber natürlich habe ich das. Und genau deswegen ist er ja zurück.“

„Tch!“

Missmutig beobachtete das Mädchen, wie der Sammler seine verbliebenen beiden Handkarten in die Duel Disk schob und sie jeweils hinter Lurrie und Raven als gesetzte Zauber- oder Fallenkarten erschienen.

„Nun, da ich kein Blatt mehr besitze, kann ich bedenkenlos dies hier tun. Ich stimme den Stufe 4-Empfänger [Fabled Raven] auf das Stufe 1-Monster [Fabled Lurrie] ein.“

Schon zerplatzte Raven in vier grüne Lichtringe, die zusammen mit Lurrie in die Luft stiegen. Dieser verwandelte sich in eine leuchtende Kugel, die besagte Ringe durchquerte.

„Synchro Summon, Stufe 5!“, rief der Sammler ohne einen der sonst weit verbreiteten Beschwörungssprüche von sich zu geben. „Zeig dich, [Fabled Ragin]!“

Ein greller Lichtblitz erfasste den Raum, dann landete mit einem Satz ein Dämon in gold-schwarzer Rüstung und ebenfalls pechschwarzen Schwingen vor ihm. Dieser verschränkte die Arme und starrte Anya mit roten Augen hinter seiner düsteren Maske an.

 

Fabled Ragin [ATK/2300 DEF/1800 (5)]

 

Provokant gähnte Anya, um zu zeigen, was sie von diesem Monster hielt.

Der Sammler seinerseits griff nach dem Deck. „Wenn Ragin als Synchrobeschwörung gerufen wird, ziehe ich solange, bis ich zwei Karten auf meiner Hand halte.“

Da diese gerade leer war, konnte der rothaarige Brite also zweimal nachziehen, was er auch nur allzu gerne tat. Umso überraschender war dann jedoch, dass er diese gezogenen Karten, nämlich [Fabled Oltro] und eine Fallenkarte, die Anya nicht erkennen konnte, gleich auf den Friedhof schickte.

„Vom Friedhof, der Effekt von [Fabled Soulkius]: ich werfe zwei Karten ab und kann ihn aufs Feld rufen.“

Den musste er vorhin mit Ravens Effekt abgeworfen haben, erkannte Anya ärgerlich. Kurz darauf tauchte noch so ein finsterer Dämonenmacker vor ihrem Gegner auf, ebenso mit schwarzen Schwingen, dafür aber als Bonus noch mit langem, geschupptem Schweif versehen.

 

Fabled Soulkius [ATK/2200 DEF/2100 (6)]

 

„Oh toll, ruf nur einen Schwächling nach dem anderen!“, raunte Anya gallig. „Die walze ich alle mit Zirconia nieder!“

„Du unterschätzt mich“, sprach der Sammler mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme, „maßlos sogar. Verdeckte Zauberkarte aktivieren: [Monster Reborn].“

Seine linke verdeckte Karte klappte auf. „Sie reanimiert ein Monster, nämlich [Fabled Raven].“

Anya stöhnte ärgerlich, als sie kurz darauf wieder diesem unheimlichen Federvogelmenschwasauchimmer gegenüber stand, wie sie ihn insgeheim betitelte.

„Ich stimme den Stufe 2-Empfänger [Fabled Raven] auf das Stufe 6-Monster [Fabled Soulkius] ein.“

Das gleiche Spiel von vorn: Raven verwandelte sich in zwei grüne Ringe, die Soulkius durchquerte, was Anya alles andere als behagte.

„Synchro Summon, Stufe 8! Erscheine, [Fabled Valkyrus]!“

Was folgte war ein greller Lichtblitz und schon stand vor dem Sammler ein weiterer beflügelter Dämon. Dieser hier war jedoch etwas größer als seine Mitstreiter und durch seine rot-schwarze Rüstung ebenso edel wie Ragin.

 

Fabled Valkyrus [ATK/2900 DEF/1700 (8)]

 

„Oh shit!“, entfleuchte es Anya schließlich.

„Verdeckte Zauberkarte aktivieren: [Pot Of Avarice]“, rief der Sammler und schwang den Arm über seine zweite gesetzte Karte aus, die daraufhin aufsprang. „Ich mische fünf Monster von meinem Friedhof ins Deck und ziehe zwei Karten.“

Dies tat er schließlich, indem er [Fabled Oltro], [Fabled Raven], [Fabled Grimro], [Fabled Soulkius] und [Fabled Lurrie] vorzeigte, auf das Deck legte und jenes nachmischen ließ, eh er sein Blatt abermals aufstockte.

„Schmutzige kleine Kreatur“, titulierte er Anya, der mittlerweile der Schweiß auf der Stirn geschrieben stand, „bringen wir dir doch ein paar Manieren bei. [Fabled Valkyrus], greife [Gem-Knight Zirconia] an! Nights Hunger!“

Finster lachend, streckte der größere Dämonenmann seine Arme aus und erzeugte mit seinen Schwingen auf magische Weise eine Gruppe von leuchtenden Fledermäusen, die auf Anyas massiven Ritter zugeschossen kamen.

„Falle aktivieren, von meinem Friedhof“, rief der Sammler dabei und zog besagte Karte aus dem Friedhofsschlitz, „[Skill Successor]. Indem ich sie verbanne, erhält Valkyrus für diesen Zug 800 Angriffspunkte.“

Anya traute ihren Ohren kaum.

 

Fabled Valkyrus [ATK/2900 → 3700 DEF/1700 (8)]

 

Die Fledermäuse schossen wie ein Kugelhagel durch ihren Krieger und durchlöcherten ihn regelrecht. Die folgende Explosion war so stark, dass Anya zurückgeworfen wurde und gegen die Tür knallte, die sich hinter ihr befand.

„Ugh!“

 

[Anya: 4000LP → 3200LP / Collector: 4000LP]

 

„[Fabled Ragin], direkter Angriff! Legions Rage!“

Anya konnte sich noch nicht einmal vom ersten Angriff erholen, da sah sie schon einen Laserstrahl aus den Augen des Dämons kommen, der direkt auf sie abzielte. Noch eine Explosion erschütterte die Hallen des Sammlers.

Die Tür wurde aus ihren Angeln gerissen und Anya, direkt in die Brust getroffen, flog mit ihr in den quer zum Zimmer verlaufenden Gang. Auf dem Rücken landend und fast bis zur Wand des Ganges schlitternd, blieb Anya liegen und stöhnte. Sah sie schon nach dem Duell mit Kyon mitgenommen aus, vor allem aufgrund der zerfetzten Lederjacke, machte ihr mit Ruß beschmierter und Schnittwunden übersäter Körper keinen gesunden Eindruck mehr.

„Auuu …“

 

[Anya: 3200LP → 900LP / Collector: 4000LP]

 

Gerade wollte sie sich erheben, da wurde sie unter mächtigem Druck wieder zurück auf den Boden der Tatsachen gepresst.

Anya keuchte schmerzerfüllt auf, als der Schuh des Sammlers auf ihre Brust drückte.

„Was meine Besucher fühlen, suchen, so unendlich begehren“, sprach er dabei leise und sah auf sie herab, „ist mir gleich. Mein Interesse liegt darin, einen Weg zu finden, ihnen diese Dinge zu geben und dafür einen Gegenwert zu erhalten.“

„Du mieser-!“

Bevor Anya auch nur ihren Widerspruch kundtun konnte, schnitt ihr der rothaarige Mann scharf ins Wort.

„Du, die du geradezu gierig nach Antworten deine Hand ausgestreckt hast, ohne darüber nachzudenken woher sie kommen, solltest eines wissen. Als diejenige, die nie selbst nach Antworten gesucht, sondern gewartet hat, bis sie ihren Weg zu dir finden, hast du dein eigenes Schicksal besiegelt. Denn bin ich nicht gekommen und habe dir gegeben, was du begehrtest?“

Stöhnend griff Anya nach seinem Fußgelenk und wollte sich von der Last befreien. Aber ihr Rütteln und Zerren war erfolglos, wie ein tonnenschwerer Stahlträger drückte der Fuß des Sammlers sie nieder.

„Ich wusste nicht-“, presste sie daher leise hervor.

„Du wusstest es. Du hast es gespürt, als die Waagschalen dein Leben in sich aufgenommen haben.“ Es war der Sammler selbst, der den Fuß von ihr nahm. „Deinen Wunsch, noch etwas länger zu leben, Eden zu entkommen, habe ich erfüllt. Auf meine Weise. Und nun fordere ich dafür den wahren Preis ein. Deine Unterstützung gegen dein Leben.“

Sofort sprang Anya auf und wich gleichzeitig einige Schritte von dem Mann zurück, stieß an die gegenüberliegende Wand des Ganges. Sich die schmerzende Stelle haltend, erwiderte sie ungewohnt unsicher: „D-der Kampf ist noch nicht vorbei!“

„Es gab nie einen Kampf. Dieses Duell, du wirst es verlieren. Weil ich es so will. Aber gerne können wir das noch fortsetzen, wenn dich diese Kostprobe meines Könnens immer noch nicht von meiner Überlegenheit überzeugt.“

 

Anya, die in diesem Moment rot sah, wollte sich einfach auf den Sammler stürzen, der durch die zerstörte Tür schritt und dabei war, sich auf seine alte Position zurückzubegeben. Allerdings wurde Anya ein Strich durch die Rechnung gemacht, als sich Kyon ihr in den Weg stellte.

„Davon rate ich dringend ab.“

„Aus dem Weg!“

„Der Sammler hat bereits gewonnen. Du solltest deine Lage nicht noch verschlimmern, Anya Bauer.“

Zischend drängte das Mädchen den Butler mit dem Arm zur Seite, schob sich an ihm vorbei durch den Türrahmen und nahm ebenfalls ihre Duellposition wieder an.

„Mach weiter!“, forderte sie zornig. Noch war sie nicht am Ende!

„Wie du willst“, sprach der Sammler und schob eine Karte in seine Duel Disk. „Ich setze diese hier und beende meinen Zug.“

Die Falle materialisierte sich vor ihm, sodass er seinen Zug mit einer Handkarte abgab.

 

Besagte Falle war noch im Begriff eine vergrößerte Form anzunehmen, da hatte Anya schon schwungvoll gezogen. Das neue Monster ihrem Blatt hinzufügend, nahm sie aus ebenjenem eine Zauberkarte hervor und steckte sie in die Duel Disk.

„Ich aktiviere [Gem-Trade], was nur geht, wenn auf meinem Friedhof [Gem-Knight Fusion] oder etwas Vergleichbares liegt. Damit verbanne ich ein Gem-Knight-Fusionsmonster vom Friedhof und ziehe für jede drei Stufen besagten Monsters eine Karte, muss dafür aber anschließend für jede gezogene Karte auf eine Draw Phase verzichten!“

Nachdem Anya sich ihren Stufe 8-[Gem Knight Zirconia] in die Hosentasche gesteckt hatte, riss sie zwei Karten von ihrem Deck, womit sich nun vier auf ihrer Hand tummelten. Fünf, wenn man bedachte, dass Anya danach wortlos den Effekt von [Gem-Knight Fusion] aktivierte, um [Gem-Knight Emerald] vom Friedhof zu verbannen, damit besagte Zauberkarte wieder den Weg in ihr Blatt fand.

„Ich aktiviere [Gem-Knight Fusion]! Damit verschmelze ich jetzt [Gem-Knight Tourmaline] und [Gem-Knight Obsidian] von meiner Hand zu [Gem-Knight Prismaura]! Und scheiß auf den Beschwörungstext, komm einfach!“

Über der feuereifrigen Anya entstand ein Wirbel aus Edelsteinen, der die Abbilder ihrer beiden Ritter in sich aufsog und anschließend einen neuen, weißen Ritter hervorbrachte, der mit Kristalllanze und Schild bewaffnet vor ihr Stellung bezog.

 

Gem-Knight Prismaura [ATK/2450 DEF/1400 (7)]

 

Allerdings war er nicht der Einzige, der auf dem Feld erschien.

„Wenn [Gem-Knight Obsidian] von der Hand auf den Friedhof wandert, beschwört er von dort ein normales Monster! [Gem-Knight Tourmaline]!“

So geschah es, dass neben Prismaura ein Ritter in goldener Rüstung erschien, welcher zwischen seinen Handflächen Blitze erschuf.
 

Gem-Knight Tourmaline [ATK/1600 DEF/1800 (4)]

 

Derweil war Anya bereits dabei, [Gem-Knight Obsidian] vom Friedhof zu verbannen, um erneut [Gem-Knight Fusion] zu bergen. Dies getan, verfrachtete sie die Karte mit einem Rums gleich wieder auf den Ablagestapel.

„Effekt von [Gem-Knight Prismaura]! Indem ich eine Gem-Knight-Karte abwerfe, zerstöre ich eine deiner offenen Karten. Bye bye, Fucked Valkyrus!“

Ihr edler Ritter sammelte mit seiner Kristalllanze Energiepartikel, die er in Form eines Strahls auf den größeren der beiden Dämonen abfeuerte. Jener explodierte in einem gequälten Schrei.

„Nicht schlecht“, lobte der Sammler sie anerkennend.

„Keine Sorge, es wird noch viel besser“, raunte Anya.

Nun schon zum dritten Mal in diesem Zug recycelte sie [Gem-Knight Fusion], indem sie [Gem-Knight Garnet] zu seinen Kollegen in die Verbannungszone namens Hosentasche schob.

„Der Spaß fängt jetzt erst richtig an“, rief Anya und hielt die Zauberkarte zusammen mit einer ihrer anderen beiden Handkarten und den beiden Monstern auf ihrer Spielfeldseite in die Höhe. „Ich fusioniere [Gem-Knight Prismaura], [Gem-Knight Tourmaline] und [Gem-Knight Alexandrite] zu einer Einheit! Zeit, meinen Plan in die Wege zu leiten.“
 

Das nennst du einen Plan, Anya Bauer? Stupides Draufschlagen? Ich bitte dich, denk nach. Das wird nicht funktionieren, nicht bei jemandem wie ihm!

 

Levriers telepathisch vermittelte Kritik ignorierend, schrie das Mädchen förmlich: „Drei Lichter kreuzen den Weg des Lichts! Körper, Seele und Herz verschmelzen und werden zu der Macht, die in ihrer Reinheit einem Diamanten gleicht! Werdet eins! Werdet [Gem-Knight Master Diamond]!“

Über ihr öffnete sich der Edelsteinwirbel ein weiteres Mal und verschlang ihre drei Monster. Aus dem glitzernden Strom entsprang er dann auch. Der größte, prunkvollste unter den Gem-Knights.

Ein riesiges Breitschwert geschultert, in dessen Klinge sieben farbige Edelsteinen eingelassen waren, erhob sich Diamond in seinem roten Umhang vor Anya. Die freie Hand zu einer Faust geballt, reckte er den Kopf in den Nacken – und ließ besagte Faust in violetten Flammen aufgehen. Genau wie es auch mit Anyas rechter Hand geschah.

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 DEF/2500 (9)]
 

„Du gibst also alles, was du zu bieten hast. Ich bin gespannt“, sagte der Sammler gelassen.

„Mir ist es schnuppe, ob ich gewinne oder verliere“, erwiderte Anya und griff nach ihrem Friedhof, „solange ich dir mit Diamond Schmerzen zufügen kann! Und du wirst ihn von seiner besten Seite erleben, denn ich aktiviere seinen Effekt! Indem ich einen Fusionskollegen verbanne, erhält Diamond dessen Effekt bis zur End Phase!“

Ihr Krieger umfasste sein Schwert daraufhin mit beiden Händen und hob es in die Höhe, bis dessen Spitze an die Decke ragte. Mit der Klinge absorbierte er die weiße Seele von [Gem-Knight Prismaura], der in Anyas Hosentasche landete. Kurz darauf begann Diamond in violetter Aura zu glühen.

„Und jetzt pass mal schön auf.“ Anya präsentierte [Gem-Knight Fusion], die sie abermals erhielt, indem sie [Gem-Knight Alexandrite] vom Friedhof verbannte. „Ich werfe die hier ab und nutze damit Prismauras Effekt in Diamonds Gestalt erneut! Los!“

Mit seinem gewaltigen Breitschwert absorbierte ihr Ritter weiße Partikel, die er dann wie einen Laserstrahl auf [Fabled Ragin] abfeuerte. Jener konnte nur noch schreien, als ihn die drauf folgende Explosion zerfetzte. Womit das Feld des Sammlers nun von Monstern getilgt war.

„Noch was: Diamond bekommt für jeden Gem-Knight, der noch auf meinem Friedhof ist, 100 Angriffspunkte als Bonus. Leider liegt dort durch die ganzen Aktionen nur noch Tourmaline, aber das ist nicht so schlimm …“

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 → 3000 DEF/2500 (9)]

 

Anya schloss ihre kleine Erklärung schließlich mit: „... denn jetzt ist Zahltag! Los, Diamond, direkt auf die Lebenspunkte! Shining Wave Breaker!“

Zeitgleich wie ihr Monster das Schwert in einer Halbkreisbewegung schwang, schwang Anya ihre flammende, rechte Hand weit aus. Was in einer gewaltigen Schockwelle resultierte, die auf ihrem Weg den Teppich unter sich förmlich zerfraß und ungebremst auf den Sammler zusteuerte.

„Du willst mich verletzten? Lass dir etwas Besseres einfallen. Verdeckte Falle, [Reanimation Wave]!“

Seine gesetzte Karte klappte auf. Violetter Nebel bildete sich um den Sammler und errichtete ein kuppelförmiges Kraftfeld, an dem Diamonds Attacke einfach abprallte. Zumindest der größte Teil, denn einige glitzernde Lichtklingen schafften es durch die Barriere und erfassten den Sammler – und schossen einfach durch ihn durch, wie gewöhnliche Hologramme.

 

[Anya: 900LP / Collector: 4000LP → 2500LP]

 

„Diese Falle halbiert den erlittenen Schaden und ruft zusätzlich ein Synchromonster aus meinem Friedhof auf das Feld“, erklärte der Sammler. „Erscheine, [Fabled Valkyrus]!“

Anya aber hatte so weit die Augen geöffnet, dass sie drohten, aus den Höhlen zu ploppen. Nichts? Kein Schaden? Nicht ein paar Kratzer, wenigstens ein paar Risse in seinem Anzug? Ja nicht einmal ein Zucken!?

„Ich dreht durch, was soll der Scheiß!? Du hättest längst tot am Boden liegen und verwesen müssen, Dreckskerl!“

„Mitnichten“, wiegelte der aber ab, „hattest du ernsthaft etwas anderes erwartet?“

Geschockt von dem Fehlschlag, sah sich Anya nun dem edlen Dämonenmann gegenüber, der höhnisch lachend die Arme verschränkte.
 

Fabled Valkyrus [ATK/2900 DEF/1700 (8)]

 

„Ich erkenne an, dass du mir Schaden zugefügt hast. Das ist mehr, als ich erwartet hätte. Aber ultimativ ist es doch bedeutungslos“, provozierte der Sammler seine Gegnerin noch weiter.

Anya spuckte förmlich vor Wut. „Ach ja? Ich nenne es 'ein Bein im Grab', denn den nächsten Treffer wirst du nicht so gut wegstecken! Ich spiele diese Karte verdeckt und beende meinen Zug!“

Vor Anya materialisierte sich die gesetzte Falle, mit der sie vorhatte, ihren Gegner nach allen Regeln der Kunst fertig zu machen. Der würde sich wundern!

 

Mit konzentrierter Mimik zog der Collector und betrachtete seine neue Karte. Dann schwang er den Arm aus.

„Ich aktiviere den Effekt von [Fabled Valkyrus]. Für das Abwerfen eines Unterweltlers ziehe ich eine Karte.“

So geschah es, dass er sich von [Fabled Krus] trennte und anschließend von seinem Deck zog. Kaum hatte er dies getan, erklang ein mädchenhaftes, bösartiges Kichern.

„[Fabled Krus'] Effekt aktiviert sich nun. Wird sie abgeworfen, beschwört sie ein Monster aus ihren Reihen vom Friedhof“, erklärte der Sammler und zeigte zwischen Mittel- und Zeigefinger [Fabled Ragin] vor. „Erscheine!“

Aus einer schwarzen Wolke erhob sich der geflügelte Dämonenmann vor seinem Besitzer.

 

Fabled Ragin [ATK/2300 DEF/1800 (5)]

 

Womit alles wieder auf Anfang stand, seine Synchromonster waren zurück. Dieses Mal zog Anya es vor, keine dicke Lippe zu riskieren. Am Ende fiel sie damit nur wieder auf die Nase. Aber solange sie Diamond besaß, das derzeit stärkste Monster auf dem Feld, konnte sie nicht verlieren. Und selbst -wenn- er zerstört wurde, war sie deshalb noch lange nicht am Ende!

„Ich beschwöre von meiner Hand [Fabled Miztoji]“, sprach der Sammler und legte besagtes Monster auf seine schwarze Battle City-Duel Disk.

Vor ihm materialisierte sich ein kleinwüchsiger, glatzköpfiger Dämonenmann, der auf einem Krückstock ging. Aus seinem Rücken ragten verhältnismäßig kleine Schwingen und wie jedes Fabled-Monster trug auch er eine Maske, die in diesem Fall am ehesten einer Pilotenbrille ähnelte.

 

Fabled Miztoji [ATK/400 DEF/200 (2)]

 

„Ich zeige dir, wie weit ich zu gehen imstande bin“, drohte der Sammler mit Unheil verkündendem Unterton. „Ich stimme den Stufe 2-Empfänger [Fabled Miztoji] auf das Stufe 8-Monster [Fabled Valkyrus] ab!“

Der Greis zersprang in zwei grüne Ringe, die sich zur Abwechslung durch die Luft bewegten und um [Fabled Valkyrus] legten, statt wie sonst passiert werden zu müssen. Ein greller Lichtblitz schoss durch sie nach oben, Valkyrus verschwand.

Anya ihrerseits schwante Böses. So hohe Stufen für eine Synchrobeschwörung zu verwenden bedeutete nur Chaos!

„Synchro Summon, Stufe 10! Steige aus der Dunkelheit herab, [Fabled Leviathan]!“

Schwarze Partikel innerhalb der Synchroringe – Überbleibsel Valkyrus' – formten erst einen Thron aus purem Silber, dann die majestätische Gestalt, die darauf saß. Ein gewaltiger Dämonenkönig, dessen rote Schwingen doppelt so breit waren wie die seiner Diener und Generäle. Geradezu blutrot war auch das schulterlange Haar der Kreatur, die hinter der Maske aus gleichfarbigen Augen Anya anstarrte.

 

Fabled Leviathan [ATK/3000 DEF/2000 (10)]

 

„Gleichstark!?“, stammelte Anya. „Oh shit!“

Sie wusste bereits, was der Sammler vorhatte. Und der machte keinen Hehl daraus, zeigte er schließlich mit dem Finger auf ihren [Gem-Knight Master Diamond].

„Sieh zu, wie ich deine Hoffnung vernichte! [Fabled Leviathan], greife ihn an! Final Oblivion!“

Heimtückisch lachend, schlug der König jenes Dämonenstammes ein Bein über das andere, zeigte mit einem Finger auf Diamond und schoss daraus einen roten Laserstrahl ab. Anyas Krieger, der wusste, dass seine Zeit gekommen war, schwang sein Schwert in einer Halbkreisbewegung und warf es auf den Feind. So geschah es, dass sich gleichzeitig ein Loch in Diamonds Brust bohrte, als auch das Schwert Leviathan aufspießte. Doch der lachte nur weiter, als beide explodierten.

„Oh fuck!“, klagte Anya wütend.

Als der Rauch sich lichtete, waren die Monster fort – doch der Sammler hielt plötzlich drei Karten in der Hand.

„In gewisser Hinsicht ist [Fabled Leviathan] unsterblich. Wird er vernichtet, erhalte ich bis zu drei Fabled-Monster von meinem Friedhof auf die Hand. Damit kann ich auch ihn selbst bergen, wobei er sich in dem Fall logischerweise ins Extradeck zurückzieht“, erklärte der Sammler.

So schob er Leviathans Karte zurück in den Schlitz für sein Extradeck, während er [Fabled Miztoji] und [Fabled Krus] zu seiner dritten Handkarte hinzufügte.

Geradezu hasserfüllt starrte Anya den Mann an, als sich die Flamme an ihrer Hand auflöste.

„Es sieht so aus, als hättest du deine eigene Machtlosigkeit bewiesen, Anya Bauer“, sprach der Sammler und streckte den Arm aus, „wie erwartet. Was auch immer, wir sind hier fertig. [Fabled Ragin], direkter Angriff auf ihre Lebenspunkte. Legions Rage!“

Dem Befehl folgend, schoss der Dämon aus seinen Augen einen roten Laserstrahl.

„Vergiss es, so leicht mache ich's dir nicht, Dreckskerl!“, erwiderte Anya aufgebracht und schwang den Arm aus. „Verdeckte Falle aktivieren, [Return From The Different Dimension]! Für einen Zug beschwört diese Karte so viele meiner verbannten Monster wie nur möglich aufs Feld! Emerald, Garnet, Zirconia, Obsidian, Alexandrite, schützt mich!“

 

[Anya: 900LP → 450LP / Collector: 2500LP]

 

Ein breiter Dimensionsspalt öffnete sich. Hervor traten ein Ritter in blassgrüner Rüstung mit Rundschild am Arm, [Gem-Knight Emerald], einer in Bronzerüstung mit flammenden Händen, [Gem-Knight Garnet], dann natürlich der massive [Gem-Knight Zirconia], ein pechschwarzer Ritter mit riesiger Perlenkette als Waffe, [Gem-Knight Obsidian], und zuletzt ein Ritter in silberner Rüstung, die mit verschiedenen Edelsteinen gespickt war – [Gem-Knight Alexandrite].

Zusammen stellten sie sich schützend vor Anya.

 

Gem-Knight Emerald [ATK/1800 DEF/800 (4)]

Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]

Gem-Knight Zirconia [ATK/2900 DEF/2500 (8)]

Gem-Knight Obsidian [ATK/1500 DEF/1200 (3)]

Gem-Knight Alexandrite [ATK/1800 DEF/1200 (4)]

 

„Vergeblich“, denunzierte der Sammler Anyas Gegenreaktion, „selbst wenn du diesen Zug überlebst, was willst du tun? Du kannst nächste Runde keine Karte ziehen, besitzt auch keine auf der Hand oder auf dem Feld, abseits deines temporären Verteidigungswalls.“

Plötzlich schmunzelte Anya böswillig. „Sorry dich enttäuschen zu müssen. Klar, es stimmt, dass meine Ritter am Ende der Runde wieder verschwinden. Allerdings nur die, die durch meine Falle beschworen worden sind.“

Der Sammler legte ein geheimnisvolles Lächeln an den Tag. „Ich verstehe …“

„Ganz recht! Ich aktiviere jetzt [Gem-Knight Emeralds] Effekt! Wenn ich ihn und ein normales Monster wie [Gem-Knight Garnet] verbanne, kann ich ein Gem-Knight-Fusionsmonster reanimieren!“

Anyas rechte Hand ging in lodernden, violetten Flammen auf. „Komm zurück, [Gem-Knight Master Diamond]!“

Emerald warf seinen Rundschild in die Höhe, der über ihm und Garnet zu einem Dimensionsportal wurde. Noch während die beiden Krieger in jenes gezogen wurden, kam ihnen aus dem Tor [Gem-Knight Master Diamond] entgegen, zog an ihnen vorbei und nahm ihren Platz vor Anya ein. Dabei schulterte er stolz sein Breitschwert.

 

Gem-Knight Master Diamond [ATK/2900 → 3000 DEF/2500 (9)]

 

„Daran kommst du nicht vorbei!“, raunte Anya stolz.

„Muss ich auch gar nicht. Da es sich um ein Replay handelt, breche ich [Fabled Ragins] Angriff ab und wechsle in die Main Phase 2“, verkündete der Sammler. Dann schob er eine Zauberkarte in seine Duel Disk. „Ich muss dich leider enttäuschen, Anya Bauer. Ob mit oder ohne deine Schlüsselkarte, dein Schicksal war bereits besiegelt. Ich aktiviere [Thunder Short].“

Erschrocken wich Anya zurück, als sich über ihr eine seltsame Verzerrung im Raumgefüge breit machte. Blitze knisterten dort daraus bedrohlich und bewegten sich wie Schlangen in der Anomalie hin und her.

„[Thunder Short] ist ein Zauber, der dir für jedes deiner Monster Schaden zufügt.“ Der Sammler wandte sich mit einem Mal vom Duellgeschehen ab. „Genauer gesagt 400 pro Monster. Lass dir das eine Lehre sein.“

Dann begann es. Ein Blitz nach dem anderen schoss aus der Verzerrung hervor und schlug direkt im Körper des Mädchens ein. Bei jedem der vier Treffer schrie sie qualvoll, sank schon nach kurzer Zeit zu Boden, doch wurde von den elektrischen Entladungen um ihren Körper weiter gefoltert.

 

[Anya: 450LP → 0LP / Collector: 2500LP]

 

Da lag sie nun, geschlagen und gedemütigt am Boden. Selbst jetzt knisterten noch kleine Entladungen um Anya, die regelrecht dampfte von der gnadenlosen Attacke. Nur unter größten Mühen konnte sie ihr Haupt anheben. „Du-!“

Ihr Gegner, der es sich mittlerweile wieder auf seinem Sessel bequem gemacht hatte, sprach ruhig, ja geradezu beschwichtigend auf sie ein. „Keine Sorge, meine Liebe. Wenn du meinen Auftrag erfüllt hast, werde ich dir deine Lebenskraft zurückgeben, so wie du sie mir damals überlassen hast.“

„Ich werde niemals-!“

 

Du hast keine Wahl!

 

Levrier erschien als [Gem-Knight Pearl] kniend neben Anya und sah sie aus seinem emotionslosen, weißen Helm an.

 

Ich fürchte, du hast diesen Kampf endgültig verloren, Anya Bauer …

 

„Levrier hat vollkommen Recht“, sprach der Sammler, der wieder ins Feuer starrte, „so stur du auch sein magst, du wirst einsehen müssen, dass 100 Tage keine lange Zeitspanne ist. Sie wird gerade so reichen, um deine Aufgabe zu erfüllen.“

Anya, die sich mit den Händen gegen den Boden stemmte, ignorierte Kyon, der ihr aufhelfen wollte und kam wackelig auf die Beine.

Ohne ihre Antwort abzuwarten, kam der Sammler schließlich zum Punkt. „Besagte Aufgabe besteht daraus, sieben Individuen zu suchen und jedem von ihnen einen bestimmten Gegenstand abzunehmen. Wenn du das erfüllt hast, bringst du mir jene sieben Gegenstände.“

„Tch! Und was sollen das für Dinger sein, die ich für dich holen soll? Und wieso kannst du das nicht alleine!?“

„Die Gegenstände“, sprach der Sammler, „haben unterschiedliche Erscheinungsformen, du wirst selbst herausfinden müssen, um was es sich bei ihnen handelt. Um sie zu erhalten, wirst du jedoch Hilfe benötigen. Kyon, überreiche Anya bitte ihre Hilfsmittel.“

Der langhaarige Butler trat neben die Blonde und hielt einen metallischen Koffer in der Hand, der exakt dem glich, in dem schon die Decks und die Duel Disk des Sammlers gelegen hatten. Kyon klappte den Deckel auf, sodass Anya neugierig hinein spähte.

„Handschuhe!?“

Dort lagen sie. Drei paar fingerloser, weißer Handschuhe mit goldenen Nähten.

„Nur mit ihrer Hilfe wirst du die Gegenstände erhalten können. Sobald du das erste Paar anziehst, ist es mit den anderen beiden verbunden“, erklärte Kyon anstelle des Sammlers.

„Warum brauche ich drei?“

„Nun“, antwortete letztlich sein Meister wieder, „ich war so frei, etwas voraus zu planen. In erster Linie sind es Ersatzpaare, aber“, er machte eine Kunstpause, „ich bin mir sicher, dass du auch außerhalb dieses Zwecks Verwendung für sie finden wirst. Denk nur dran, dass alle drei Paare immer noch dir gehören. Mit allen Vor- und Nachteilen.“

 

Könnte das eine Art Zauber sein, für den du der Katalysator bist, Anya Bauer?
 

„Warum fragst du ausgerechnet mich das, Levrier!?“ Das Mädchen hielt sich ihren schlapp herabhängenden, tauben rechten Arm. „Als ob ich davon Ahnung habe!“

„Man kann es so ausdrücken, ja“, erklärte der Sammler, „deswegen ist es von äußerster Wichtigkeit, dass dir nichts geschieht, Anya Bauer. Denn ich will nicht lügen. Deine Aufgabe wird schwer und vor allem gefährlich werden. Also bereite dich gut darauf vor.“

Kyon, der den Koffer abstellte, schritt zu einer Kommode in der Ecke des kleinen Arbeitszimmers und holte aus der Schublade ein Pamphlet, das er anschließend Anya reichte. Die riss es ihm missmutig aus der Hand und warf nur einen kurzen Blick darauf.

„Was ist das!?“

„Wir haben einige Informationen zu den Zielobjekten zusammen getragen. Mit ihnen wird es dir leichter fallen, die sieben gesuchten Personen ausfindig zu machen“, erklärte Kyon.

Anya stemmte ihre linke Hand, welche sie noch fühlen konnte und mit der sie die Papiere hielt, missmutig in die Hüfte. „Das habt ihr euch ja alles schön ausgedacht! Könnt ihr mir wenigstens einen Helfer oder so etwas zur Seite stellen, wenn ich schon dazu gezwungen bin, eure Arbeit zu machen? Ich würde sogar die Pornozwiebel nehmen!“

Der Sammler stöhnte von seinem Sessel aus theatralisch. „Ich fürchte, das geht nicht. Orion ist nicht mehr hier und sein Ersatz, Kyon, ist bereits mit anderen Aufgaben betraut. Du wirst also alleine nach den Sieben suchen müssen.“

 

Dass diese Botschaft bei Anya nicht gerade auf Anklang stieß, ließ sich schon daran erahnen, wie trotzig sie die drei Paar fingerloser Handschuhe aus Kyons Händen riss, welcher sie ihr nun aushändigte.

„Ich glaub das alles nicht …“, murmelte sie dabei leise.

Nein, es lag nicht daran, dass sie ja nur in 100 Tagen sterben könnte. Oder daran, dass sie schon wieder in irgendwelche gefährlichen Dämonenspielchen verstrickt war. Was am allermeisten an Anya nagte war der simple Fakt, dass sie sich von einem Trottel wie dem Sammler herumkommandieren lassen musste!

Wie konnte er es wagen, sie zu linken!? Das musste der doch alles von Anfang an geplant haben, als er ihr das erste Mal über den Weg gelaufen war!

Oh, sie würde ihn-! Eines Tages!

 

„Ich denke, wir sind hier fertig“, sprach der Sammler entspannt, ohne sich Anya vom Sessel aus zuzuwenden, „Kyon wird dich jetzt nachhause begleiten. Falls du Fragen haben solltest, stell sie am besten sofort. Mit uns nachhaltig in Kontakt zu treten ist nicht gerade einfach für jemanden wie dich. Ich gebe nämlich nicht gerne meine Telefonnummer an andere weiter, musst du wissen.“

Anya, erstaunlich gefasst, stellte die einzig für sie relevante Frage. „Muss ich diese sieben Menschen töten?“

„Ha ha … nein. Das wäre sogar sehr … unvorteilhaft. Zumindest solange du noch nicht im Besitz der Gegenstände bist. Deswegen möchte ich dich bitten, behutsam mit ihnen umzugehen.“

Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, atmete Anya innerlich auf. Auf solche Killerspielchen hatte sie wirklich keinen Bock.

„Und wenn ich dir diese sieben Gegenstände bringe, wirst du mich retten? Ohne Haken?“

„Ja. Dein Restleben im Austausch für deine Unterstützung. Das ist der Handel zwischen uns.“

Anya war jedoch noch nicht zufrieden. „Wenn ich das mache, will ich wissen, wofür. Warum willst du diese Dinger haben?“

„Das geht dich nichts an“, gab ihr der Sammler mit einer Entschiedenheit genau die Antwort, mit der sie ohnehin gerechnet hatte. „Tu einfach, was ich dir auftrage, alles andere muss dich nicht kümmern. Und nun geh, du hast nur noch einhundert Tage Zeit.“

Noch während Kyon hinter sich eines dieser Portale öffnete, warf Anya einen hasserfüllten Blick herüber zum Sammler, von dem sie nur dessen rotes Haar hinter dem Sessel erblickte.

Denn wenn er glaubte, damit schon gewonnen zu haben … täuschte er sich. Niemand legte sich mit Anya Bauer an und drohte mit ihrem Leben, niemand!

 

 

Turn 39 – Identity

Entgegen ihrem Willen sieht sich Anya dazu gezwungen, Livington zu verlassen und nach der ersten der sieben Zielpersonen in einer Stadt namens Dice zu suchen. Dazu will sie eine Inszenierung starten, in der sie wegrennt, um niemandem über ihre Lage in Kenntnis setzen zu müssen. Als sie ihrem besten Freund Nick dies beichtet, will er sie unbedingt begleiten. Anya, wenig davon begeistert, wird in ein Duell mit ihm verwickelt, um genau dies zu verhindern. Und schließlich …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-07-04T19:41:29+00:00 04.07.2017 21:41
Hi
Super Kapitel, hätte mir ja denken können, dass der Collector dahinter steckt. Da hat er Anya aber ganz schön eins Reingewürgt, aber seine Bazillenphobie ist einfach zu komisch.
Ich hab mich schon gefragt wo Orion steckt, schade wäre bestimmt lustig geworden.
Was es wohl mit diesen Gegenständen auf sich hat, bin gespannt wie das weiter geht.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
07.07.2017 16:47
Hey,
klaro war's der Sammler. Und vielleicht wird Anya ihm eines Tages eins zurückwürgen.
Orion ist fort ...
Die Gegenstände sind schon mal cool, das kann ich versprechen.
Danke für dein Feedback.

LG,
-Aska-


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