The Gates of Salem von rosenluchs (Astron) ================================================================================ Kapitel 2: Die Begegnung ------------------------ Für Maja hat der erste Schultag an der Nathaniel Bowditch High School angefangen. Wäre sie schon in der Schule. Sie ist spät aufgewacht. (Deborah ist daran gescheitert, sie zu wecken, und allein vorgegangen. Erst Tante Sharon konnte Maja aus den Federn jagen.) Nun jagt sie mit teils riskanten Aktionen durch die Straßen, die zur Bowditch High führen. Als sie endlich ankommt, sind alle Schüler, einschließlich Deborah, schon in den Klassenräumen. Und auch der Direktor und die Schulsekretäre scheinen über alle Berge zu sein. „Toll! Wohin jetzt?“, fragt sich Maja außer Atem, ihren Wecker verfluchend. Dann schreit sie in ihrer Verzweiflung auf: „Was soll ich denn tun, um Mrs. Peabody zu finden?!“ „Hoffen, dass sie dich hier findet, Miriam Hillary Krentz“, schlägt ihr eine Mitschülerin, vielleicht aus den oberen Klassenstufen, vor. Diese scheint auch zu spät zu sein, und hat doch die Ruhe weg. „Ich bin auch erst seit zwei Wochen hier und heiße Leona Coleman-Castillo.“ Maja kann in dem Moment nur staunen, woher Leona ihren echten Namen wusste, obwohl sich die beiden zum ersten Mal sehen. Andererseits scheint sich auch Leona selbst darüber zu wundern. ,,Freut mich... Aber nenne mich bitte nur Maja... Fagan“, bringt sie schließlich nüchtern hervor und fragt eilig nach dem Weg zum Klassenzimmer. ,,Mrs. Peabodys Klasse? Ich glaube im Raum 44. Einfach die Treppe hoch zum 2. Stock und dann rechts“, so die Antwort. Maja nickt und huscht die Treppe hoch. „Heute, als Einleitung unseres Unterrichts, machen wir mündliche Kontrolle“, verkündet Jerôme O‘Malley. Yvonne reißt ihre Augen auf. Meldet sich schnell. „Entschuldigen Sie! Sie haben gestern noch schriftliche Kurzkontrolle gesagt!“ „Einem Quebecer darf man niemals trauen, Fräulein Yvonne. Und Sie nehme ich gerne ran!“ Yvonne knirscht mit ihren Zähnen. Dafür hat sie sich nicht gemeldet! „Und ich dachte, dass nur Mathelehrer so sein können“, lächelt ihr der Russe Kay Saratow entgegen. Zwischen ihnen sitzt seine Zwillingsschwester, Gerda Saratow. In Groll versunken murmelt Yvonne vor sich hin: „Vielleicht sollte ich meinen Zauber einsetzen…“ „Was für einen Zauber?“, fragt Gerda. Fast schreiend schlägt sich Yvonne ihre Hände vor dem Mund. „Nein! Ich…“, stottert sie panisch. Die ganze Klasse dreht sich zu Yvonne. Die Blicke jedes Einzelnen sprechen Bände: Noch nie hat man die Leiterin des Cheerleaderteams und Königin der Schule stottern gehört. Ganz zu Schweigen sie panisch gesehen. Wie peinlich! Auch O‘Malley schaut mit schelmischem Lächeln in ihre Richtung. ,,Also war das doch eine ernste Meldung, Fräulein Morgensen. Warten Sie, ich suche noch das Thema heraus!“ „A… Aber… ich…“, stammelt sie erschrocken. Doch dann sieht sie ihren dunkelblonden Lehrer mit sanften Augen an. Halten Sie lieber Ihr Wort und lassen meiner Klasse schriftliche Kurzkontrolle schreiben. Ich habe mich nämlich zu heute nur darauf vorbereitet. „Teile bitte die Arbeitsblätter für die Kurzkontrolle aus. Sie beißen nicht!“ In Yvonne macht sich Freude breit. Sofort hüpft sie von ihrer Bank, schnappt sich die Blätter und teilt sie aus. Während sie jedem ihrer Mitschüler ein Arbeitsblatt gibt, sieht sie, wie Gerda sie überrascht anstarrt. ... Nach dem Unterricht ist Yvonnes Euphorie verflogen. Nicht, weil sie ein schlechtes Gefühl wegen der Kurzkontrolle hat. Sie hat ja auch gelernt, und sie ist perfekt! „Das ist dein Geheimnis, Yvonne?“, fragt Gerda vorsichtig. Sieht sie dabei mit ihren feuchten, wasserblauen Augen an. Will sie gleich heulen, oder was? Ihr sie ähnelnder Bruder Kay hat sich zu ihr gesellt. Sie hat ihn sicher „davon“ erzählt. „Das soll niemand wissen!“, knurrt Yvonne. Egal, ob vor ihr eine Neue aus dem Ausland oder ihr ebenso süßer Zwilling steht. Niemand hat das Recht, Yvonne Morgensen „darauf“ anzusprechen, geschweige „davon“ zu wissen. Die Russin mit dem herzförmigen Gesicht bleibt ruhig. Ihr Lippen (dünne Ober-, dicke Unterlippe) lächeln immer noch, als ihr Bruder meint: „Aber es ist unglaublich, was du kannst.“ „Und wisst ihr auch, was sie gemacht hat? Sie hat Mr. O'Malley mit ihrer Ausstrahlung manipuliert. Sie hat es also wieder geschafft!“, mischt sich Mooskopf vorlaut ein. Wie immer scheint sie aus einer anderen Zeit zu stammen: Mooskopf trägt ein langärmliges tannengrünes Kleid, braune Schnürschuhe und ein silbernes Herzchen-Medaillion. Ihre braunen Locken mit den moosgrünen Spitzen sind mit einer weißen Schleife verziert. „Das geht dir nichts an, Mooskopf! Kümmere dich lieber um einen neuen Kleidungsstil!“, fährt Yvonne die Rotznase an, die „Tussi...“ hervorkichert. „Guck mal, Yvy! Da kommt Leona!“, meint diese dann schadenfroh. Yvonne dreht sich um. Jetzt ist ihre Laune wirklich am Arsch. „Ach, ja! Eine der vielen Neuen seit dem Schulbeginn.“ Die da ist noch hübscher als ich! „Stimmt! Eine ganz Neue geht in meine Klasse. Sie heißt Maja Fagott, oder so… Und da kommt sie schon!“ Maja geht an Bonnie und Clyde Parker vorbei, dem mit Abstand fiesesten Zwillingspaar der Welt. Emily fragt sich, ob Maja ihre Namen kennt, und sich selbst denkt, welche Eltern ihre Kinder nach einem kriminellen Liebespaar benennen. „Hey, Neue! Wie war die erste Schulstunde?“, grinst Bonnie. In ihrer Gehässigkeit funkeln ihre dunkelgrünen Augen wie Unglück bringende Diamanten. Clyde fährt mit seiner Hand durch sein dunkelbraunes Haar und stellt sich Maja in den Weg. „Na? Wie geht’s, Miriam?“ „Ich heiße nur Maja“, gibt diese aufdringlich zurück. „Entschuldigt, Prinzessin Hillary!“, fleht Clyde heuchlerisch, und lacht mit seiner Schwester laut los. Ihr Gelächter mischt sich mit dem von Orlando Mills und seinen beiden Kumpels Lester Crimson und Keith Summana. Was auch immer gerade passiert ist, Yvonne hätte mitgelacht. Doch sie ist im Moment damit beschäftigt, Leona kaltblütig und eifersüchtig anzustarren. Ihre perfekte, ockerfarbene Haut, ihre breiten Hüften, ihre dunkelbraunen, glatten Haare und ihre ebenfalls dunkelbraunen, mandelförmigen Augen sind ein krasser Kontrast zu Yvonnes heller, rosiger Haut, ihrem Topmodelbody, ihren rotbraunen glatten Haaren mit dem glatt getrimmten Pony und ihren stahlgrauen, geschlitzten Augen. Etwas abfällig betrachtet sie auch Leonas Outfit: Ein ärmelloses, oranges Oberteil, ein blauer Bleistiftrock und braune Stiefel mit Absätzen. Dazu eine dunkelbraune Tasche, goldene Creolen und goldene Armreife. Ihre Fingernägel sind in demselben Blau wie ihr Rock lackiert. Mit einer Hand hält sie eine braune Jacke aus rauem Leder. In Yvonnes Augen ist Leonas Kleidungsstil wirr: Sie selbst trägt ein altrosa Minikleid mit einem zweilagigen Rock und Dreiviertel-Ärmeln. Passend hat sie hochhackige Schühchen, Strumpfhosen und Federohrringe in derselben Farbe. Unter ihrem Arm hält Yvonne eine hellrosa Schultasche und ihre beige Jacke. „Die Parker-Zwillinge“, seufzt Mooskopf plötzlich. „Direktor Fishers Lieblinge, warum auch immer. Ignoriere sie und Orlandos Gang einfach. Das ist das Einzige, was man mit denen da tun kann. Und mit Königin Yvonne solltest du besser auch nicht verkehren.“ Yvonne schnaubt sie an. Doch als sie das rotblonde Mädchen auf sich zukommen sieht, fängt sie sich irgendwie. „Oberste Regel: Keine kleinen Mädchen drangsalieren!“, schnauzt sie zu Ihresgleichen. Sofort verstummt die Gruppe am anderen Ende. Die Königin des Schulflures hat gesprochen! Gut! „Du hattest soeben die Ehre, einige aus der High Society kennenzulernen. Wenn wir einen neuen Mitschüler sehen, können wir uns halt nicht beherrschen.“ Die Neue ist alles andere als klein, wie Yvonne feststellt, als diese vor ihr stehen bleibt. Überragt sie sogar um gut zehn Zentimeter. Und soll in die neunte Klasse gehen? „Du gehörst zu denen, nicht wahr?“, fragt die Neue verächtlich. Yvonne erwidert erschrocken: „Na, klar! Jeder kennt mich, Yvonne Morgensen. Und normalerweise bin ich die Erste, die die Neuen begutachtet. Nicht wahr?“ Die angesprochenen Zwillinge, Orlando und seine Kumpels nicken stumm. Dann verschwinden sie alle langsam im Rückwärtsgang. Gut. Yvonnes Augen haften sich wieder an die Riesin mit den rotblonden Haaren, die ganz und gar knabenhaft gekleidet ist. Der rote Hoodie mit dem aufgedruckten, weißen „W“, die hellbraune Jeans und die grauen, leicht abgenutzten Nike-Turnschuhe machen die Cheerleaderin kirre. Und doch übt ihre Trägerin eine gewisse Faszination auf sie aus. „Ich hoffe, dass ihr heute zu uns kommt. Ihr seid herzlichst eingeladen“, mischt sich Gerda ein. Dabei hält sie mit ihrer linken Hand Yvonnes und mit ihrer rechten Leonas. „Ich auch?“, fragt die Rotblonde. „Aber klar!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)