Blutsbande von Cedar ================================================================================ Kapitel 7: Teil 1. Verschwörung. Verrat. Fünfter Akt (1/3). Schachmatt. ----------------------------------------------------------------------- Teil 1. Verschwörung. Verrat. Fünfter Akt (1/3). Schachmatt. XXI Listen up, listen up There's a devil in the church Got a bullet in the chamber And this is gonna hurt [This is gonna hurt – Sixx: A.M.] „Informationen extrahieren“ lautete die offizielle Bezeichnung für Inoichis Tätigkeit bei der Konoha Gakure Jōhōbu; inoffiziell sprach man von „Gehirnen auspressen“. In Shikakus Augen spotteten beide Umschreibungen dem Verhörstil des Yamanaka Inoichi, denn der hatte Grobheiten wie extrahieren oder auspressen nicht nötig, sondern kitzelte sich an die Substanz seiner Objekte heran. Objekte, weil die Einheit für Informationsbeschaffung den Status Mensch nicht kannte, sondern in einem Ninja nur eine Informationsquelle mit Puls sah. Eine Informationsquelle mit Puls hatte allerdings nicht sehr viel mehr zu verlieren als diesen; wohingegen ein Mensch um so viel mehr bangen konnte als das eigene Leben. Und man brauchte nur in Fugakus Gesicht zu sehen, um zu erkennen wie viel effektiver das war. Niemand ist wirklich kompliziert oder undurchschaubar, wie Inoichi vor einigen Jahren mal gesagt hatte. Lallend, wenn Shikaku sich recht erinnerte. An der Oberfläche scheint es nur so. In dieser... Wolke aus Willen, Moral und Pflichtbewusstsein. Ja, definitiv lallend. Und mit fuchtelnden Händen. Dabei gibt es im Grunde nur zwei Dinge, die einen Menschen wirklich bewegen: Liebe oder Angst – manchmal beides, selten mehr. Das gilt auch für einen Shinobi. Die meisten von uns stecken nur so tief in ihrer Wolke, dass sie den Himmel dahinter nicht mehr sehen und ihn vergessen. Aber am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen. Wir reagieren alle auf dieselben Druckpunkte. Und für die hatte Inoichi ein Händchen! Er suchte immer nach dem Menschen im Shinobi. In Fugakus Fall nach dem Mann, der irgendwann zum ersten Mal die Lippen der Frau geküsst hatte, in deren Bauch einige Zeit später sein Kind herangewachsen war; nach dem Mann, der sich immer daran erinnern würde, wie die winzige Hand dieses Kindes zum ersten Mal seinen Zeigefinger umgriff – eine Berührung ohne Kraft, aber voller Leben... Doch nach all den Grausamkeiten, die der Uchiha an diesem Abend schon enthüllt hatte, hatte Shikaku diesem Mistkerl einfach nicht mehr zugetraut, dass er im eigenen Kind mehr sah als wandelndes Erbgut. Inoichi schon. Wie blöd, was? Als hätte er dir vor versammelter Mannschaft die Hose runter gezogen, um allen zu zeigen, dass du in Wahrheit Damenunterwäsche trägst. Jetzt erkannte es auch Shikaku: Fugaku bedrohte Konoha mit dem schlimmsten, was ihm selbst widerfahren könnte! Der Nukleus seiner Strategie war aus seiner eigenen Angst geboren! Vielleicht können wir diese Krise ja doch noch unbeschadet überstehen. Denn nun hatte Shikaku einen Anhaltspunkt: wenn Fugaku den letzten Schritt wegen seiner Familie nicht gehen konnte, würde er für sie vielleicht einen zurückweichen. Bist du bereit, aufzugeben und die Konsequenzen für alles zu tragen, was bis hier geschehen ist, wenn ich dir hier und jetzt Immunität verspreche? Für deine Frau zum Beispiel. Oder deinen Sohn; den, der in dieselbe Klasse wie Shikamaru geht – Sasuke. Vielleicht können wir sogar einen Deal aushandeln, der beide einschließt... Doch bevor Shikaku auch nur den Mund öffnen konnte, stand Fugaku plötzlich auf. „Schluss mit den Illusionen!“, sagte er und sprang wie ein wilder Tiger auf die gefesselten Clan-Oberhäupter zu – direkt auf Amaya zu, um genau zu sein. Als sich seine Finger einen Wimpernschlag später in ihrem Haar festkrallten und er sie mit einem heftigen Ruck auf die Beine zerrte, dachte Shikaku nur eins: Jetzt bringt er sie um! Er dachte es jedoch ohne Schrecken, sondern mit derselben Klarheit, mit der sich ihm sonst in einer Partie Shōgi ein gewagter Zug seines Gegners erschloss. Inoichi hatte den Mistkerl bloßgestellt und das konnte der unmöglich auf sich sitzen lassen: oh ja, auch wenn seine Stirn glatt wie Marmor war, innerlich kochte Fugaku! Und wie ein kleines Kind, das nicht bekam, was es wollte, würde er erst einsehen, dass alles Toben vergebens war, wenn irgendetwas zu Bruch gegangen war. In diesem Fall wohl Amayas Schädel... Aber sobald die Kleine erst mal blutüberströmt und mit starrem Blick zu seinen Füßen lag, würde Fugaku erkennen, wie aussichtslos seine Lage war, so lange er den letzten Schritt fürchtete. Erst dann würde er für Shikakus Angebot empfänglich sein... Es ist wirklich wie beim Schach. Manchmal muss man eine Figur opfern, um das Spiel zu gewinnen. „Sieh mich an“, raunte Fugaku Amaya gerade zu und Shikaku bekam eine Gänsehaut, denn der Blick des Uchiha ergänzte: Damit ich es sehen kann, wenn das Leben in deinen Augen erlischt. Shikaku hörte den Schädel des Mädchens schon knacken und spürte fast ihr warmes Blut auf seine Haut spritzen, als Fugakus Lippen plötzlich Amayas berührten. So unerwartet und kurz, dass Shikaku einen gnädigen Augenblick lang glaubte, seine Wahrnehmung würde ihm einen Streich spielen – zumindest bis der Mistkerl die Kleine ein zweites Mal küsste; küsste wie eine Geliebte... Shikaku versuchte wegzuschauen, konnte es aber nicht. Ihm war, als erlebte er in diesem Augenblick, wie die Realität zu ihrer eigenen Metaebene verkam. Und das fühlte sich genauso paradox an wie es klang: Shikaku spürte, dass es Fugaku nicht um den Akt des Küssens ging, nicht um die Handlung, sondern nur um ihre Bedeutung. Doch die entzog sich jeder Interpretation. Bring' sie um!, hörte Shikaku sich denken. Worauf wartest du?! Bring' sie um! Halt' dich wenigstens an die verdammten Spielregeln! Mit Brutalität konnte der Nara umgehen; Gewalt war er als Shinobi gewöhnt. Aber – ein Kuss?! Das offenbarte Verwundbarkeit auf einer ganz anderen Ebene. Einer Ebene, die außerhalb der Reichweite des Verstandes von Nara Shikaku lag, sodass nun nicht mal er noch vorausberechnen konnte, wie es weitergehen oder wo die Geschichte enden würde. Endgültig. Zumindest wünschte er sich das. Aber in Wahrheit... Als Fugaku endlich von Amaya abließ, einen Schritt von ihr zurücktrat und sie schluchzend zu Boden sank, fühlte Shikaku sich schmutzig. Als wären es seine Lippen gewesen, die an ihren geklebt, oder seine Hände, die ihre entblößte Haut gestreichelt hätten. Vor allem aber, weil ihn nicht überraschte, was Fugaku als nächstes sagte; weil er es auf eine verstörende Weise sogar verstand: „Tekka, bring' Sasuke her.“ Noch bevor er den Satz beendete, drehte Fugaku sich um und ging zurück zu dem großen, rechteckigen Eichentisch mit den abgerundeten Kanten. Mit kantigen Bewegungen versenkte er nacheinander die abgetrennten Köpfe der Ältesten wieder im Papierkorb. „Was hast du jetzt wieder vor?“, fragte Chōza, aber am Klang seiner Stimme erkannte Shikaku, dass der Akimichi die Antwort bereits kannte. Fugaku stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen. Mit beiden Händen stützte er sich auf der Tischkante ab. „Worauf wartest du, Tekka?“ „Ich- ähm... Ich... Was?“ Fragend sah Tekka zu Inabi, der hob jedoch nur die Schultern. „Du hast mich schon verstanden: hol' meinen Sohn her!“ Tekka rührte sich nicht. „Sollte ich nicht eher Itachi...?“ „Nein“, unterbrach Fugaku. „Für Itachi wäre es nur eine Strafe. Bei Sasuke allerdings... Er hat hiermit nichts zu tun.“ „Und...“ Tekka räusperte sich. „Mikoto?“ „Tu', was nötig ist.“ Wenn Shikaku bisher auch noch einen Funken Zweifel gehabt hatte, so stand eines spätestens jetzt fest: er hatte es hier mit einem erstklassigen Wahnsinnigen zu tun. Tekka und Inabi tauschten einen weiteren Blick. In ihren Augen lag jedoch kein Schreck, sondern- Sie bewundern ihn mehr denn je, dachte Shikaku. Sie sind stolz darauf, einem Anführer zu folgen, der bereit ist für ihre Sache ein solch gewaltiges Opfer zu bringen. Und er schämte sich, weil er diesen Stolz ganz tief im Innern sogar nachempfinden konnte. Wir haben dieses Spiel schon viel zu weit getrieben... „Genug!“, sagte er deshalb, als Tekkas Hand schon an der Türklinke lag. „Du hast gewonnen, Fugaku. Was immer du forderst, ich akzeptiere. Verschon' deinen Sohn. Wir verzichten auf dieses Opfer.“ „Das tun wir natürlich nicht, Shikaku!“, zischte Hiashi dazwischen. „Wer sagt denn, dass er nicht nur blufft?“ Shikaku deutete mit dem Kopf neben sich. „Ich denke, das kann Amaya dir am besten beantworten.“ Hiashi schnaubte. „Pah! Das hat damit doch nichts zu tun!“ „Und ob“, entgegnete Shikaku. „Denn jetzt geht es nur noch um Tabus und wer eher bereit ist, sie zu brechen. Ich meine, könntest du's tun? Sie küssen? Jenseits aller Unschuld gegen ihren Willen, während wir alle zusehen?“ Hiashi wurde erst blass und lief dann rot an, als er einen raschen Blick in Amayas junges Gesicht warf. Er schüttelte den Kopf. „Und wenn schon! Ich weiß nun mal wo die Grenzen des Anstandes verlaufen.“ Shikaku schmunzelte. Oh, Fugaku weiß das auch. Und genau da liegt Problem: er hat sich getraut sie zu überschreiten. „Wenn dieses perverse Schwein die Kontrolle über Konoha will“, beharrte Hiashi dennoch, „muss es dafür bezahlen. Und ich werde keinen geringeren Preis akzeptieren als das Blut seines Kindes.“ „Jawoll!“, bekräftigte Tsume und einige weitere Stimmen pflichteten ihr bei. „Wirklich?“, fragte Shikaku nur und sah Hiashi dabei über Amayas Kopf hinweg in die Augen. Seine eigenen füllten sich mit Tränen. Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren. „Ihr wollt einen Vater dazu drängen, sein eigenes Kind umzubringen und ihm danach die Kontrolle über euer gesamtes Leben und eurer Familien überlassen? Wirklich?!“ Shikaku ließ den Kopf an die Wand sinken. Es ist vorbei. Wie können nichts mehr tun. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)