Lieben und geliebt werden von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 23: Unnachgiebig ------------------------ General Reynier de Jarjayes, ein treuer und stolzer Untertan des Königs, war zu tiefst empört und fassungslos, was er heute zu Ohren in Versailles bekommen hatte. Das gab es doch nicht! Was fiel dieser Tochter ein, das zu tun! Er musste sie unbedingt zur Rede stellen!   Aufgebracht stürmte er durch sein Anwesen und seine tiefe Stimme hallte grollend in allen Ecken: „Oscar! Oscar!“ Draußen auf dem Hof und in dem Arbeitszimmer war sie nicht zu finden. Er erreichte die Küche, wo Sophie gerade das Geschirr abwusch. „Kannst du mir sagen, wo Oscar steckt?“   Sophie drehte sich überrascht zu ihm um. „Vorhin war sie doch auf ihrem Zimmer.“   Natürlich, dort hatte er noch nicht nachgeschaut. „Oscar!“ Mit voller Wucht riss er die Tür zu ihrem Salon auf, aber auch dieser war leer. Allerdings hörte er aus ihrem Schlafzimmer raschelnde Geräusche. Also war sie vielleicht beim Umziehen. Er setzte seine Füße beherrscht in Bewegung. „Oscar, komm da raus, ich muss mit dir sofort reden!“   Im Bruchteil weniger Sekunden geschah nichts, aber dann kam sie und ordnete die Ärmel an ihrem Hemd. „Was gibt es, Vater?“   Sie blieb aufrecht vor ihm stehen und ließ sich nichts anmerken. Reynier begutachtete sie flüchtig, bevor er mit seinen Vorwürfen einsetzte: „Wieso hast du deinen Dienst beim königlichen Garderegiment quittiert?! Du wärst demnächst ein General geworden! Bedeutet dir das etwa nichts?“   „Nein, Vater.“ Oscar merkte rasch, wie die Zornesröte im hartgesottenen Gesicht ihres Vaters langsam hochstieg und setzte daher gleich zu einer Erklärung an: „Verzeiht, falls ich Eure Erwartung enttäusche, aber ich wollte selbst über mein Leben bestimmen und deswegen mache ich einen Neuanfang. Ich möchte meine Verdienste und Rang selbst erkämpfen.“   „Was sagst du?! Einen neuen Anfang? Bist du nicht mehr bei Sinnen, Oscar?“ Das war doch undenkbar! Was sollten denn die Menschen über solch eine einfältige Aktion denken?! Es würde ganz bestimmt schon bald der ganze Hof darüber reden und die Familie der de Jarjayes deshalb verspotten! Aber vielleicht lag es auch an ihm selbst... Vielleicht war ihm bei der Erziehung ein Fehler unterlaufen... „Ich denke, ich habe dir einfach zu viel durchgehen lassen!“   Auch da behielt Oscar ihre aufrechte Haltung. Sie würde auf keinen Fall klein beigeben. Egal was geschehen mochte und was auf sie zukäme! Sie hatte es bei Ihrer Majestät durchgestanden, also würde es auch bei ihrem Vater gehen – wobei sie bei der Königin anders an die Sache herangehen musste als bei ihrem Vater. Und Ihre Majestät war im Charakter wesentlich weicher und nachgiebiger... Trotzdem! Gerade deshalb würde sie nicht von ihrem Vorhaben und ihren Plänen abweichen! „Denkt was Ihr wollt, Vater, aber das ändert nichts an meiner Entscheidung.“   „Wie kannst du es nur wagen...“, knurrte Reynier schnaubend und seine Nasenflügel bebten dabei. Seine Tochter wagte auch noch ihm die Stirn zu bieten! Ihm – ihrem Erzeuger und Erzieher! Welch eine Undankbarkeit dafür, dass er sie wie einen Mann erziehen lassen und später bei dem früheren König dafür eingesetzt hatte, dass sie in das königliche Garderegiment aufgenommen wurde! Was ging nur in ihrem blondgelockten Kopf überhaupt vor?!   Oscar rührte sich nicht vom Fleck und senkte auch nicht schuldbewusst den Blick – unbeugsam wie eh und je... „Ich bitte Euch inständig, überlasst die Entscheidung über mein Leben mir selbst...“   Die Ohrfeige von ihrem Vater ließ ihren Satz unvollendet. Hart und brennend streifte die raue Handfläche ihres Vaters an ihrer Wange und brachte sie beinahe ins Straucheln. Dabei wurde ihr leicht schwindlig, aber auch da richtete sie sich gerade auf und sah dem General fest und unnachgiebig in die Augen. Reyniers Hand zwirbelte nach dem Schlag selbst und er ballte sie zur Faust. „Wie du willst...“ Er sah ihr deutlich an, dass er ihre Meinung nicht ändern würde können, egal wie oft er sie ohrfeigen würde – ihr Starrsinn war unüberwindbar. Dennoch konnte er nicht einfach so wieder gehen und sie ohne Mahnung stehen lassen. Denn das würde bedeuten, dass er nachgegeben hatte und das durfte nicht sein! „...aber beschwere dich danach nicht, wenn etwas daneben geht!“   „Das werde ich sicherlich nicht tun, Vater.“ Oscar atmete innerlich auf. Sie hatte so gut wie gewonnen. Und noch leichter fühlte sie sich, als sie nicht ohne geschwellter Brust hinzufügte: „André ist doch bei mir.“   „Gut.“ Reynier beäugte sie weiterhin mit seinem typischen, eisigen Blick und auch sein schroffer Tonfall besserte sich keinen Deut. „Wenigstens einer wird auf dich ein Auge haben. Enttäusche mich nicht!“ Mit den Worten stampfte er einfach aus Oscars Salon hinaus und knallte hinter sich die Tür zu.   In Oscar stieg die Weißglut hoch. Was fiel ihrem Vater ein, über sie immer noch zu bestimmen! Es war ihr Leben und niemand außer André durfte sich dort einmischen! Als hätte man ihn gerufen, hörte sie seine Schritte hinter sich und kurz darauf spürte sie schon seine Gegenwart. Wieder legte er um sie seine Arme und sie lehnte sich etwas entspannter an ihn. Ach, wie gut das doch tat... Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrem Scheitel und wie er dann sein Gesicht in ihrem Haar vergrub. „Es wird alles gut, Oscar...“   „Danke...“ Oscar schloss die Augen, holte tief Luft und atmete sie etwas ruhiger durch die Nase aus. „Ich weiß das zu schätzen...“   „Dennoch...“ André hob auf einmal seinen Kopf, strich ihr die Haarsträhne hinters Ohr und streichelte sanft an der leicht angeschwollenen Wange. „...mir gefällt es nicht, wie er dich immer behandelt. Warum muss er dich gleich immer schlagen?“   „Weil ich in seinen Augen es nicht besser verdient habe.“ Obwohl Oscar die Berührung ihres Geliebten angenehm war, entfernte sie trotzdem ihren Kopf von seiner Hand und entriss sich etwas aus seiner Umarmung.   André entrann einen tiefen Seufzer. Wenn es nach ihm ginge, hätte er dem General sofort Einhalt geboten und die Ohrfeige verhindert, als dieser die Hand gegen Oscar erhoben hatte. Dass er das nicht getan hatte, schmerzte ihm genauso wie Oscar die brennende Wange. Er hatte es in ihrem Schlafzimmer kaum aushalten können und war gezwungen die Tat des Generals aus seinem Versteck nur tatenlos mit ansehen zu können. Denn wenn er raus gekommen wäre, dann wäre Oscars Vater bestimmt misstrauisch geworden und unangenehme Fragen gestellt: Was er da im Schlafgemach von Oscar mache und warum er sich dort versteckte. André vermochte nicht an die Antworten zu denken und auch nicht, was danach womöglich passiert wäre... In diesem Fall war es gut, dass er in Oscars Zimmer bis zum Schluss ausgeharrt hatte. Und das war ja auch nicht das erste Mal, dass der General seine Tochter auf diese Weise bestrafte oder züchtigte. Nur waren es etliche Jahre her, dass Reynier zum letzten Mal gegen sie seine Hand erhoben hatte und damals waren es andere Zeiten gewesen. Sachte legte André Oscar die Hände auf ihre schmalen Schultern und spürte gleich sofort, wie angespannt sie wieder war - nicht seinetwegen, sondern weil sie anscheinend an ihren Vater denken musste. „Nimm es dir nicht so zu Herzen, was dein Vater zu dir gesagt hat...“, sagte er hinter ihr leise. „Ich bin doch bei dir...“   Die Anspannung wich sogleich etwas von ihr. „Ach, André...“ Sie ließ sich nach hinten fallen und lehnte sich an seine breite Brust. „Wenn ich dich nicht hätte...“ In seinen Armen fühlte sich Oscar schon wesentlich wohler.   André zog seine Liebste etwas fester an sich. „Und wenn ich dich nicht hätte, Oscar... dann wäre mein Leben sinnlos...“   Oscar runzelte sogleich die Stirn und ihre Stimme nahm einen bitteren Ton an. „Rede doch nicht immer gleich so ein Unsinn, André!“   „Ist doch aber wahr...“ murmelte André und küsste sie auf die Schläfe.   Zugegeben, er hatte gar nicht so unrecht... „Nun gut, ich will mit dir nicht streiten. Ohne dich wäre ich auch bestimmt nicht weit gekommen.“, gab Oscar anschließend zu.   André schmunzelte kaum merklich. Oscar schien in seinen Armen sich vollkommen zu entspannen und das gefiel ihm. „Wir gehören für immer zusammen und das ist das, was uns zu einem Ganzen macht.“   „Da hast du wohl recht...“ Oscar genoss noch etwas seine Umarmung und dann entfernte sie sich unwillig von ihm. „Lass uns einen längeren Ausritt machen, André.“   „Gerne, Oscar.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)