Perfect little liars von Melora (wie wir waren und wie wir immer sein werden) ================================================================================ Kapitel 1: Zweifel an sich selbst --------------------------------- Anfang des 19. Jahrhunderts war es noch immer Gang und Gebe, seine lieben Kinder mit knapp 20 Jahren zwangs zu verheiraten. Ein ähnliches Schicksal sollte auch uns ereilen. Vor allem die spanischen Frauen hatten darunter zu leiden, für sie war es ein notwendiges Übel, um ein zufriedenes, schönes Leben zu erlangen. So war ihnen kaum erlaubt, einer Arbeit nachzugehen. Entweder wurden sie Krankenschwester, oder Hebamme, wobei die Hebamme bei weitem überwiegte. Und wenn man das nicht tat, dann heiratete man, diente seinem Ehemann und zog die Kinder zusammen mit einer Gouvernante groß. Von großer Liebe sprach man nicht. Aber das war im Grunde nicht unser eigentliches Problem. Wir plagten uns mit gar scheußlichen Dingen herum, wie der spanischen Armee. All dem Ärger zum Trotz den adelige junge Menschen stets einzuholen pflegte, hatten wir Träume und Wünsche, die es galt in die Tat umzusetzen. Eine von diesen Wünschen war ein friedliches Leben. Eine glückliche Zukunft, in der wir es mit unserem Gewissen vereinbaren konnten, Kinder in diese schreckliche Welt zu setzen. Diese Welt, sie war verdorben und teils verrottet. Und dennoch, gemeinsam schafften wir es noch immer zu lachen und auch zu träumen. Nicht selten hatten wir den Tag zusammen verbracht und beobachteten den Mond, als Kinder schon. Wir sprachen über traurige Dinge, die wir schönredeten. Oft war es Diego, der noch immer in der traurigsten Geschichte etwas Schönes fand. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, als wir vom Balkon der de la Vegas den Mond betrachteten und Diego sagte, seine Mutter sei dort oben auf dem Mond, aber eines Tages würde sie zu ihm zurückkommen, du wirst schon sehen, Lolita. Es war ganz einfach, als sei er immun gegen all das Schlechte im Leben, dabei konnte er einem wirklich Leid tun. Im Gegensatz zu ihm hatte sie noch ihre beiden Elternteile. Er hingegen hatte seine Mutter als kleiner Junge bereits verloren, es war erstaunlich, wie er das alles verarbeitet hatte, wie so viele andere Dinge… Er war ein ganz und gar tapferer Junge, den man einfach bewundern musste. Umso weniger war es verständlich, wie er sich manchmal verhielt. Aber wahrscheinlich war es eine Art Eigenschutz und den hatte sie schon seit langer Zeit zu akzeptieren gelernt. Als er mit 10 Jahren ein kleines Kind zu seinem Bruder erklärt hatte, war es, als sei es nicht bloß dem Schein nach. Er hatte den rothaarigen Jungen tief in sein Herz geschlossen, ich jedoch auch. Er war ein ziemlicher Flegel, aber eigentlich nur das Abbild seines großen Bruders. Er war jetzt genauso, wie Diego es früher gewesen war. Ein Raufbold, ein richtig wilder, kleiner und tapferer Held. Eines Tages würde er in seine Fußstapfen treten, ganz sicher. Noch während ich diesen Gedanken nachging, klopfte meine Mutter an der Tür und rief mich zum Essen. Als ich sie hereinbat, sah sie sofort, dass ich meinen Gedanken nachgegangen war. „Lolita, Kind, was ist nur los mit dir? Seit Tagen hast du dein Zimmer nicht verlassen! Und blass siehst du auch aus! Willst du deiner Mama nicht erzählen, was dich bedrückt?“ Tja, was genau war die Antwort? Was bedrückte sie? Wenn sie es nur selbst so genau gewusst hätte. „Ach, es ist nichts“, log die Blondine und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. „Ich bin nur ein bisschen müde, das ist alles.“ „Doch nicht schon wieder dieser Maskierte, oder? Kind, hör auf den Rat deiner Mutter!“ Sie kam mit erhobenem Zeigefinger auf Lolita zu und ergriff sanft ihre Wangen und streichelte sie über das Gesicht. „Es gibt viele Männer in dieser Welt, Kind. Aber nicht alle davon sind gut. Und willst du dich denn wirklich einem Verbrecher hingeben, statt das zu nehmen, was direkt vor deiner Nase ist?“ Sie kam sich unendlich verspottet vor. Diese Frage, sie klang so töricht und ihre Antwort darauf… Sie wusste selbst, dass die Zeit drängte und man sie bald zu einer Heirat zwingen würde. Wenn nicht mit Diego, dann mit irgendeinem daher gelaufenen Schnösel, der außer sein Geld nichts weiter zu bieten hatte. Es sei denn sie rannte davon… Aber konnte sie ihren Eltern wirklich etwas gar so scheußliches antun? Aber der Gedanke, sie hatte ihn, nicht nur einmal. „Ich weiß es selbst, Mama!“ sagte sie doch etwas patzig und wirkte dabei ziemlich verbohrt, aber sie kannte die Wahrheit und sie wusste selbst nur zu genau, wie gut Diego als Ehemann wäre. Und sie wollte auch keinen anderen in Erwägung ziehen. Wenn diese Gefühle zu ihrem Helden nicht gewesen wären… Ja, es war dumm. „Nur weil es dir nicht gefällt, musst du ihn nicht gleich als einen Verbrecher bezeichnen, so wie die Armee das gerne tut. Als was würdest du dann Menschen wie Leutnant Gabriel und Kommandant Raymond bezeichnen? Engel vielleicht? Oh bitte, Mutter. Wenn Zorro ein Verbrecher ist, dann sind sie der Teufel schlechthin!“ Sie war wütend, denn auch ihren Eltern hatte dieser tapfere Mann so oft geholfen und was bekam er dafür? Er wurde als Verbrecher gebrandmarkt und eines Tages vielleicht würde man ihn schnappen. Was wohl niemand hoffte, aber was dann…? Sie würden ihn wahrscheinlich vor den Augen der gesamten Siedlungsbewohner hinrichten. Ihr Herz würde zerbrechen, wie das so vieler junger Mädchen. „Dieser Mann bedeutet nur Schwierigkeiten. Ich verbiete dir, dich in diese Sache dermaßen hinein zusteigern, Tochter! Schau lieber zu, dass Diego weiterhin vernünftig bleibt, sonst ergeht es dir am Ende wie mir…“ Ihre Mutter wirkte sehr theatralisch, wenn sie anfing. Sie holte ihr Taschentuch hervor, biss darauf und vergoss Tränen. Niemals, nie würde Lolita so enden. Sie würde nicht darüber weinen, wenn ihr Mann Mut bewies. Alles, was ihre werte Mutter zu interessieren schien, war Geld. Diegos Geld. Alleine deswegen sträubte sie sich noch immer. Es war doch nicht das einzig Gute an ihm… „Papa hat getan, was er für notwendig hielt und wurde dafür bestraft. Er war so tapfer und nie dankst du es ihm!“ Sie selbst hatte sehr darunter gelitten, unter dem, was man ihrer Familie angetan hatte. Man hatte ihr Land konfisziert, ihnen das Meiste an Reichtum genommen, ihnen den Adelstitel aberkennen wollen. Dennoch trugen sie ihr Haupt aufrecht, allesamt, oder? Sie hatten nicht mehr so viel Geld wie die de la Vegas, aber ihr adeliges Blut konnte ihnen niemand rauben. Sie waren eine stolze, spanische, ehrenhafte Familie. Sie besaßen adeliges Blut, das man nur durch Geburt, nicht gar durch einen Titel erwerben konnte. Deswegen erlaubte Don Alejandro seinem Sohn ja auch noch immer, an ihrer Seite zu sein, Tag für Tag. Und sein Einverständnis zu ihrer baldigen Vermählung zu geben. Sie sollte dem alten Mann dafür danken. Er könnte auch anders, wenn er gewollt hätte. Damals, als ihr Vater ihr mitteilte, er könne ihr keine teuren Kleider mehr kaufen, war das für Lolita ein Schock, ein sehr großer. Sie war im Reichtum groß geworden. Trotzdem gab es wichtigere Dinge als Geld. Werte zum Beispiel. Ihre Mutter versuchte sie immer damit zu locken, dass sie vieles von den Vegas erben würde, sobald sie sich mit Diego verheiraten ließ. Und er war der einzige blaublütige junge Mann weit und breit in dieser Stadt. All die anderen Dons konnten ihm kaum das Wasser reichen, dem Sohn von Don Alejandro de la Vega. Sie sollte stolz sein. Warum fühlte sich alles dann wie eine Farce an? Warum konnte sie nicht einfach wie ihre Mutter es von der praktischen Seite sehen? „Du wirst dich noch in dein eigenes Unglück stürzen, Lolita!“ Vielleicht, ja vielleicht würde sie das. Zusammen mit Zorro am Galgen. Das war womöglich eine etwas derbe Ansichtsweise, aber wer würde bei ihm sein, wenn dieser Tag käme? Sie hatte sich so oft Gedanken um diesen Mann gemacht. Ob er denn niemanden hatte, der ihm half? Außer ihr natürlich. So landete er doch immer wieder bei ihr, um seine Wunden behandeln zu lassen. Hätte er jemanden, dann wäre er wohl kaum dazu gezwungen, sich von ihr seine Wunden verbinden zu lassen. Sie fühlte sich bereits wie seine Komplizin. So viel war klar. Und diesen Job nahm sie sehr ernst. War das gar ihre Bestimmung? Diesem Mann auf diese Weise zu dienen? In seinen schlimmsten Stunden für ihn da zu sein? Und dafür setzte sie so viel aufs Spiel. Und Diego, er belächelte es stets nur. Dennoch wusste sie, dass tief in sich drin er sehr wohl sich anderes erhofft hätte, als eine Freundschaft mit ihr. Ihre Liebe, ihre Zuneigung. So wusste Lolita doch ganz genau, dass Diego sie liebte. Aber es ging nicht. Es ging einfach nicht, solange Zorro sie so bitter nötig hatte. Sie käme sich verlogen vor, ihn zu heiraten, wenn ihr Herz nicht Ja dazu sagte. Nicht ganz eindeutig. Aber manchmal zweifelte sie sogar daran, dass ihr Herz wahrhaft nur einem einzigen Mann gehörte. Es gab Momente da hätte sie ihn sofort geheiratet, aus einem Impuls heraus. Woher kam das nur? Wen liebte ich denn nun eigentlich wirklich? Mit Bestimmtheit konnte sie es nicht sagen. Sie war doch froh, dass Diego entschlossen hatte, sie zu wollen, und keine andere daher gelaufene Prinzessin, die ihn eines Tages nur langweilen würde. Sie glaubte auch, dass sie das einzig Richtige für ihn war. Dass er eine Frau wie sie sogar brauchte und keine Dienerin, die ihm jeden Wunsch erfüllte. Aber trotzdem wollte sie ihn nicht von morgens bis abends herumscheuchen und ihn wie ihren Fußabtreter behandeln. Trotz seiner Feigheit, so viel Schmach verdiente er nicht. Nichtsdestotrotz war Diego ihr langjähriger Freund, der ihr eine Menge bedeutete. Wahrscheinlich mehr als ihr Leben. Und mit dieser Erkenntnis war sie doch froh, wenn er die Füße still hielt und nicht den Hals in die Schlinge steckte, wie sie es früher von ihm gern verlangt hätte. Denn wenn ihm etwas passierte, das würde sie niemals ertragen… Sie war ein sehr wildes Frauenzimmer und nicht viele Männer mochten das. Leute wie Gabriel vielleicht, jedoch nur um sie dann in der Ehe zu zähmen. Wahrscheinlich mit einer ordentlichen Tracht Prügel. Wirkliche Akzeptanz erfuhr sie nur bei einem einzigen Mann, Diego. Und dafür liebte sie ihn von Herzen. Sie wollte ihm nicht so wehtun. Und zu wissen, dass er alles ertrug, hielt sie aufrecht. Es schien in Ordnung für ihn zu sein, so wie es im Augenblick war. Oder? So ganz sicher konnte man sich da nie sein, da er alles beschönigen konnte. „Essen kommen musst du trotzdem. Sei nicht so sturköpfig!“ Mit den Worten verließ ihre Mutter endlich das Zimmer. Es war als wenn eine schwere Last von ihrer Brust genommen werden würde, was sie endlich wieder dazu bemächtigte frei heraus zu atmen. Manchmal nahmen ihr diese Dinge einfach die Luft zum Atmen. „Ach, dieses Kind! Immer ist sie so launenhaft und störrisch!“ beschwerte sich Doña Catarina bei ihrem Ehegatten. „Das wird sie wohl gewiss von dir haben, Teuerste.“ Derartige Dialoge führten sie ständig und jedes Mal gaben sie sich gegenseitig die Schuld. „Sie sollte sich nach einem ruhigen Leben sehnen, so wie ich. Stattdessen will sie weiterhin diesem Zorro hinterher rennen!“ Die Hausherrin hielt sich den Kopf. „Davon bekomme ich noch Migräne… So schön dieser Mann auch ist, und so tapfer! Man muss manchmal aber der Wahrheit ins Auge sehen, Liebster. Und das will sie einfach nicht verstehen…“ Don Carlos wollte seine Tochter beim besten Willen nicht zu irgendetwas zwingen, oder ihr etwas verbieten müssen, doch genau darauf lief es hinaus… Sie wünschte das von ihm, dass er von seiner Tochter verlangte, sich endlich zu beugen. Aber er liebte seine Tochter über alles, sie war seine kleine Prinzessin, schon immer gewesen… Es war eine sehr unruhige Nacht. Stürmisch und kalt. Nicht nur, dass der Regen gegen ihr Fenster klopfte, auch ihr Innerstes war aufgewühlt. Das ungestüme Wetter passte auch perfekt zu ihrem wilden Herzen. Sie lag wach und fragte sich, ob er gerade vielleicht wieder durch die finstere, stürmische Nacht ritt. Denn selbst der schlimmste Regenguss konnte diesen Mann nicht bremsen. Wenn Gefahr drohte, dann war er unverzüglich zur Stelle. Sie riss die Decke von sich und setzte sich in ihrem Bett auf. „Ich kann an überhaupt nichts anderes denken…“ Es machte sie verrückt, all diese Gedanken, die immer wiederkehrten und sie nicht ruhig schlafen ließen… Sie war bereits wach, als Schüsse durch die bedrohliche und finstere Nacht hallten. Wie Donnergrollen. Sofort rannte sie zum Fenster. Fernab von all dem Übel der Armee stand ihr Haus. Und doch hörte sie die Schüsse so deutlich. Meilenweit entfernt wahrscheinlich… Sorge beschlich sie und sie wusste, dass sie diese Nacht ruhelos verbringen würde… Ein weiteres Mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)