Senbonzakura's Song von yezz ================================================================================ Kapitel 14: Stories and Insights -------------------------------- Die meisten von Seichis Geschichten beinhalteten irgendeine hirnverbrannte Idee, um an Essen oder Wasser zu kommen, und wenn waghalsiges Draufgängertum gefragt war, Renji in diese Rolle trat und irgendwie nicht starb oder verhaftet wurde, auch wenn nur knapp. Seichi fand diese Geschichten unglaublich amüsierend. Byakuya hingegen empfand sie als unglaublich nervenaufreibend, trotz dem Wissen, dass Renji nicht doch ein Gliedmaß oder sein Leben verloren hatte. Oder für den Rest seines Lebens im Gefängnis verrottete. Eishirō brachte einen großen Teller mit Uirō in allen möglichen Geschmacksrichtungen: Erdbeere, Yuzu, Marone, Grüner Tee und, wenn man vom Teufel sprach, roter Bohnenpaste. Der Tee wurde gegen frischen ausgetauscht und, bevor Eishirō ging, bestellte Byakuya einen zweiten Teller, da er wusste, er würde in kürzester Zeit verschlungen werden. Seichi zögerte nicht einmal, als er sich bediente. Byakuya hatte das Gefühl, dass wenn sie gleichzeitig nach derselben Süßigkeit griffen würden, Seichi seine Hand wegschlagen würde. Also wartete er, bis Seichi seinen Teller gefüllt hatte. Es war weit mehr als Unhöflich, einen Kuchiki zurückzustellen, aber woher sollte es Seichi gelernt haben? Seichi war, wie es sich angehört hatte, von Inuzuri direkt ins Gefängnis gegangen. Nicht wirklich ein Aufschwung auf der Leiter der sozialen Gesellschaft. Außerdem musste Byakuya das so nicht mehr lange durchleiden. Er war all dem müde geworden und würde sich bald entschuldigen. Überraschenderweise war Seichi ein ziemlich unterhaltender Geschichtenerzähler, mit einem angenehmen, komischen Timing, aber manchmal rutschte er so tief in Slang und Geheimsprache ab, dass Byakuya jegliches Gefühl für die Geschehnisse verlor. Außerdem waren die Geschichten nicht sonderlich erleuchtend. Renjis Leben muss ungefähr genauso gewesen sein, wie Byakuya das erwartet hatte: ein brutaler und endloser Kampf. Doch bevor Byakuya ein höfliches Geräusch von sich geben konnte, blickte Seichi von seinen Süßspeisen auf. „Süßes, huh? Sie fahren die schweren Geschütze auf. Ich denke, das bedeutet, dass es Zeit ist, um Details über Renjis Liebesleben auszuspucken, eh?“ Byakuya konnte sein überraschtes Luftholen kaum verbergen. „Aber ihr wart so jung. Sicher gibt es da nicht zu erzählen.“ Seichi warf Byakuya einen belustigten Blick zu. Er hob eine Augenbraue und fragte: „Sie sagen, ihr Adligen leben nicht so lange wie wir Straßenratten? Denn Renji ist ein bisschen älter, als er aussieht, wissen sie?“ Idiot. „Ja, dessen bin ich mir bewusst.“ „Nun ja, er war kein Mönch“, sagte Seichi. „Denken sie, er hätte die ganzen Jahre verbracht, ohne einen einzelnen Fick?“ Die Furche zwischen Byakuyas Augenbrauen wurde tiefer. Um ehrlich zu sein hatte Byakuya nicht in Erwägung gezogen, dass Renji viel Zeit für ein Sexleben gehabt hatte, wenn man bedachte, was für ein Leben er geführt hatte. Trotz dem, was Seichi sagte, waren sie nur etwas mehr als Kinder und Bykauya hätte gedacht, dass die tägliche Plagerei um Essen und einen Unterschlupf zu finden, Renji für alles andere zu sehr erschöpft hätte. „Also gut“, sagte Byakuya, schenkte sich selbst eine weitere Schale Tee ein und nahm sich einen Uirō mit Maronengeschmack. „Sei dir jedoch bewusst, dass eine Liste von Eroberungen bedeutungslos für mich ist. Ich werde wohl kaum einen der Leute kennen, falls jemand davon noch lebt.“ Er dachte an seine Interaktion mit Vizekommandant Hisagi zurück und fügte hinzu: „Viel mehr würde mich interessieren, ob Renji einen bestimmten Typ hatte. Wenn du irgendwelche Informationen darüber hast, welche Art von Beziehungen er mit seinen Liebhabern führte, wäre das ebenfalls interessant.“ Seichi hörte zu und nickte. Doch statt auf Byakuyas Frage zu antworten, sagte Seichi: „Sie sind schwer zu lesen, Kuchiki. Manchmal bin ich mir ziemlich sicher, dass sie in Renji verknallt sind und dann sagten sie so kalkulierten Mist wie das und ich denke mir, nah, er hält Renji nur als Haustierchen.“ So groß die Versuchung war, er sagte dennoch nicht: ‚Nun ja, er sieht gut mit einem Halsband aus.‘ Stattdessen hob er nur die Schultern. „Dein Bruder würde jeden Mann bekämpfen, der versucht, ihn zu unterwerfen.“ „Ich habe gehört, dass er ziemlich heftig gegen sie gekämpft hat.“ „Das hat er“, stimmte Byakuya zu, da er nicht wusste, was er neben dieser Bestätigung hätte sagen können. Seichi schielte zu Byakuya, als würde er hoffen, etwas in seinem Gesicht lesen zu können. Doch da Byakuyas Ausdruck teilnahmslos wie immer war, gab Seichi schließlich auf und schüttelte seinen Kopf. „Schauen sie, wie jetzt gerade? Ich habe keine Ahnung, wie ich das verstehen soll. Vielleicht sagen sie, er ist ihr Haustier oder sie sagen ‚ja, wir haben gekämpft, na und?‘ Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Sie erinnern mich an diesen guten Nachbarn, mit dem ich zu tun hatte, nachdem ich das letzte Mal auf freiem Fuß war. Er war gewieft wie sie, unmöglich zu enträtseln. Nur statt einer harten, leeren Maske wie sie, trug er immer ein kaltes Lächeln.“ Seichi erschauderte theatralisch. „Ja, er grinste immer dieses scheiß gruselige Grinsen.“ Byakuya schnaubte beinahe in seinen Tee. „Immer?“ „Ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass wenn man ihm erzählt hätte, dass sein Lieblingswelpe Tod getreten wurde, hätte er irgendetwas abgrundtief Seltsames gesagt und hätte weiter gegrinst.“ Das klang auffallend nach Gin. Lieber Gott, könnte es mehr von ihnen geben? „Hatte er zufällig silbernes Haar?“ „Ja, seltsame Sache. Das war auch sein Name. Silber.“ „Gin“, wiederholte Byakuya. „Du sagtest, er hat euch unterstützt?“ „Quasi“, sagte Seichi und sah plötzlich nervös aus, als wäre er sich nicht sicher, ob er noch mehr sagen sollte. „Hat vielleicht ein oder zwei Projekte finanziert.“ „Ein Projekt? Wie der Überfall auf meine Patrouille?“ „Nein“, sagte Seichi, doch er blickte Byakuya nicht mehr in die Augen. „Mehr wie, dass er ein guter Nachbar war. Hat mir aus einer kleinen, finanziellen Situation geholfen.“ „Du sagst, dass Gin nichts mit dem Überfall zu tun hatte?“, sagte Byakuya und fixierte Seichi mit seinem Blick. „Ich habe diesen Ninja-Typen alles über den Überfall erzählt.“ „Ich habe es so verstanden, dass du ihnen gar nichts gesagt hast.“ „Nun ja, richtig“, sagte Seichi und sah dabei ziemlich elendig aus. Er blickte sich um, als wolle er herausfinden, welchen Wandschirm er zur Seite schieben musste, um aus dem Raum zu gelangen. „Denn hab‘ keine Ahnung von nichts.“ Ohne jeden Zweifel sprachen Seichis grammatikalische Fehler Bände. Dennoch war Byakuya kein ausgebildeter Fragensteller. Wenn die Besten der zweiten Division es nicht geschafft haben, Seichi seine Geheimnisse zu entlocken, dann bezweifelte Byakuya, dass er es schaffen konnte. Außerdem war es weitaus interessanter zu hören, dass Gin Ichimaru sich als Yakuza-Boss maskiert hatte der, wenn man Seichi glauben konnte, offensichtlich Geld für einige heruntergekommene Leute ausgeteilt hatte. Zu welchem Zweck, fragte sich Byakuya. Doch es war auch möglich, dass Gin wahllos Geld ausgeteilt hatte, mit dem Gedanken, dass es die Distrike destabilisieren könnte, wenn man Unruhestifter im Rukongai finanzierte. Gin musste sich gefühlt haben, als hätte er den Jackpot gewonnen, als er Seichis Nachnamen gehört hatte. Nun schien es sehr offensichtlich, dass Aizen und sein Gefolge in vielen Dingen draußen im Rukongai involviert waren, doch das Rätsel um den Überfall und dem Shiba-Betrüger blieb weiter bestehen. Da er keine Antwort erwartete, entschied sich Byakuya, zu fragen: „Hast du Gerüchte darüber gehört, dass Kaien Shiba in den Rukongai zurückgekehrt sei, um eine Revolution anzuführen?“ Seichis Gesicht sagte Byakuya viel. Bei der ersten Erwähnung wurde Seichi blass, seine Augen groß und geschockt, doch nach einem Herzschlag erhärtete sich sein Gesicht und die Fäuste kräuselten sich in den Yukata der Angestellten der Kuchiki, den er trug. „Shiba sind gute Leute“, war alles, was er sagte. Byakuya sagte nichts dazu. Wie könnte er auch? Sie waren Gesetzlose und von ihren Rängen entfernt worden. Wie so viele der ersten wahren Familien, Shihōin mit eingeschlossen. Und alle erst kürzlich. Wenn Byakuya nicht vorsichtig war, würde er Aizens Hand in jeder Tragödie, jedem Unglück sehen. Stattdessen sagte er: „Wenn du Kaien Shiba gefolgt bist, bist du auf einen Betrüger oder eine Illusion hereingefallen.“ Zu Byakuays Überraschung zuckte Seichi mit den Achseln. „Interessiert mich nicht. Da gab es auch Gerüchte drum. Dass Shiba tot war und dieser Typ aus der Hölle oder sonst woher kommt. Wen interessierts? Ich hätte mich auch einem tanzenden Stück Scheiße angeschlossen, wenn es die Dinge gesagt hätte, die der Typ gesagt hat.“ Seichi blickte zu Byakuya hinauf und ihre Augen trafen sich. „Ähm, nicht dass ich irgendwem gefolgt wäre.“ „Natürlich nicht“, antwortete Byakuya, doch es war überaus offensichtlich, dass Seichi tatsächlich dem Shiba-Betrüger gefolgt ist. Und die Zweite hatte keinen Wort aus diesem Mann herausbekommen? Vielleicht sollte Byakuya Yoruichi sagen, dass ihr Schützling friedvollere Methoden ausprobieren sollte, um die gewünschten Informationen zu bekommen. „Also wollen sie jetzt von Renjis Liebhabern hören oder nicht?“, fragte Seichi und versuchte damit zweifelsohne das Thema zu wechseln.“ Byakuya hob eine Hand, deutete Seichi, dass er anfangen konnte, wenn er wollte. „Richtig, nun ja. Sie wollten hören, ob er ein bestimmtes Beuteschema hatte? So wie ich ihn damals kannte, hätte ich gesagt ‚atmend‘.“ Ein Stich von etwas – Ekel? – durchzog Byakuyas Magen für einen Moment, bevor er das breite Grinsen in Seichis Gesicht sah. Ah, Seichi ärgerte ihn absichtlich. Nun ja, er konnte dieses Spiel auch spielen. „Ah, hervorragend“, sagte Byakuya. „Das macht die Wahl eines Dritten für unsere Spiele viel einfacher.“ Seichi erschrak. Unbewusst hob er drei Finger und formte wortlos mit dem Mund ‚Drei?‘ Byakuya fuhr fort: „Machen Geschlecht und Aussehen wirklich kein Unterschied?“ „Ich…“, Seichi sah ehrlich verärgert aus, dass er so verlegen wurde. Er beugte den Kopf und gab endlich zu: „Ich habe keine Ahnung. Er hat so etwas für sich behalten.“ Doch dann schien sich Seichi gesammelt zu haben, seine Brauen zogen sich zu einem missmutigen Stirnrunzeln zusammen, als er ausspie: „Doch ich weiß mit Sicherheit, dass Renji die Allee gehasst hat. Er ging nur dorthin, wenn es uns nicht gut ging und wir wirklich verzweifelt waren. Also bin ich verdammt noch mal überrascht, dass er für sie auf die Knie geht.“ Bei dem Wort ‚Allee‘ war Byakuyas Herz beinahe stehen geblieben. Doch dann realisierte er, dass Seichi irgendeinen Ort in Inuzuri meinte. Byakuya erinnerte sich daran, dass Renji einmal etwas davon erzählt hatte, dass man sich in irgendeiner dunklen, Hintergasse selbst verkaufen konnte. Das war, wie Byakuya sich plötzlich erinnerte, Renjis Hauptgrund von seiner Ablehnung gewesen, einen Jungen aus dem Teehaus für ihren Dreier anzuheuern. „Und doch tut er es“, sagte Byakuya kühl. „Was machst du daraus? Hast du so wenig Respekt vor deinem Bruder, dass du denkst, er würde sich mir widerwillig beugen?“ Seichi schaute sein Essen an, als würde es ihn plötzlich krank machen. Dann sprang er auf die Füße. „Ich wette, sie haben es niemals tun müssen, also wissen sie nicht, wie es ist. Aber ja, natürlich tue ich das! All die Macht, alles! Manchmal hat man keine Wahl, als sich zu beugen, damit man nicht zerbricht. Ich habe Renji krabbeln und kriechen gesehen, damit der Rest von uns nicht sterben musste! Sie können nicht wissen, wie es ist mit dieser Art von Schmerz und Schande zu leben! Natürlich hat er es getan! Er hat alles getan, damit wir überleben! Hätten wir alle!“ Byakuya musste sehr mit sich kämpfen, um nicht zu sagen ‚schreie mich nicht an‘ und nicht sein Reiatsu dafür zu nutzen, Seichi zum Sitzen zu zwingen. Immerhin würde das nur Seichis Standpunkt untermauern. Und… seltsamerweise begann Byakuya etwas über Renji zu verstehen. Endlich. Vielleicht, wenn man nichts hatte, war einem manchmal noch nicht einmal Ehre und Stolz erlaubt. Das war, warum Renji oftmals so schlecht reagierte, wenn er unten gehalten wird… als wäre es eine gewohnte, ungewollte Erfahrung unter den niederen Klassen, gezwungen zu sein, so etwas Wertvolles für eine Seele wie Stolz, aufzugeben. Das war, warum Byakuya nach Erlaubnis fragen musste. Immer. Byakuya sagte leise: „Danke für deinen Einblick. Du hast etwas sehr Wichtiges erklärt.“ Seichi blinzelte, sein Ärger verschwand mit einem Schlag. „Huh? Oh. Ähm, gern geschehen?“ Würde es Seichi umbringen, ein ‚Herr‘ oder ‚mein Herr‘ hinzuzufügen? Byakuya öffnete seinen Mund, um das zu fordern… doch er hielt sich selbst auf. Vielleicht würde es ihn ein wenig umbringen. „Ich muss zu meiner Arbeit in der Division zurückkehren“, sagte Byakuya. Sein Kopf versuchte immer noch den neuen Einblick zu enträtseln, als er aufstand. „Entschuldige mich.“ Als er an Seichi vorbei ging, bemerkte er, dass Seichi sich verbeugte, wenn auch nur ein bisschen. In der Division war es während der Nachtschicht ruhiger. Byakuya musste nur ein paar Mal im Büro des Vizekommandanten vorbeischauen. Der Rest des Abends verbrachte er in seinem Büro und holte bei seiner Schreibarbeit auf. Zumindest scheinbar. Das war schon das zweite Mal, dass sich Byakuya dabei ertappte, dass er aus dem Fenster und in Richtung Mond starrte. Die Tinte an seinem Pinsel war trocken, da er bereits zu lange über dem Dokumente geschwebt hatte, während seine Gedanken zu seinem gewissen, tätowierten Rotschopf abdrifteten. Genauer gesagt hatte sich Byakuya Renjis kraftvolle Arme vorgestellt und einen dieser seltenen Momente, wenn Byakuya sich selbst erlaubt hatte, von ihnen gehalten zu werden. Byakuya wusch die verkrustete Tinte aus seinem Pinsel und trimmte die Borsten. Er dachte an Seichis Gefühlsausbruch und fragte sich, was genau passiert war, dass Renji ‚krabbelte und kroch‘ und für wen? Byakuya stellte fest, dass er denjenigen, der so etwas tat, ausfindig machen und ausweiden wollte. Doch vielleicht hatte das Renji bereits getan. Irgendwie bezweifelte Byakuya das. Vielleicht hätte sich Renji in der Elften die Zeit genommen, um alte Feinde zu jagen. Doch trotz der Weise, wie seine Vergangenheit ihn zu definieren schien, war Renji scheinbar nicht der Typ, der lebenslangen Groll hegte. Oder, falls er das tat, hatte Renji niemals diese Seite von sich Byakuya gezeigt. Wenn er niemals eine Revanche hatte, wie hatte er es meistern können? Vielleicht war es genug zu wissen, dass er dieser Welt entkommen war? War alles, was Renji wissen musste, dass er nun ohne weiteres einen Kleinkriminellen aus Inzuri besiegen konnte, wo er doch nun Zabimaru an seiner Seite hatte? Byakuya wusste, dass in Renjis Träumen manchmal seine Vergangenheit an die Oberfläche trat. Da waren einige Male gewesen, dass er rufend oder um sich schlagend aufgewacht war. Trotz all dieser Male – einer davon war direkt nach der Allee gewesen, erinnerte sich Byakuya – schien es ihn nicht konstant zu ärgern, da man Renji kaum als einen rastlosen Schläfer bezeichnen konnte. Neun von zehn Mal war er wie ein gigantisches, unbewegliches Objekt mit einer Neigung zum Schnarchen und Deckenklauen. Bei dem Gedanken legte sich ein Lächeln auf Byakuyas Lippen. Es war erstaunlich daran zu denken, dass Byakuya tatsächlich diesen heißen, sich ausbreitenden Pavian in seinem Bett vermissen würde. Dennoch war es ein Wunder, dass Renji in den meisten Nächsten so gut schlief. Wie kam es, dass er Frieden mit seiner Vergangenheit schließen konnte? Da war so vieles an Renji, das Byakuya nicht wusste. Byakuya war versucht, Kenpachi zu fragen. Kommandant zu Kommandant. Sie hatten eine seltsame Art von Frieden geschlossen, während sie gemeinsam im Dangai gewartet hatten. Byakuya schnaubte. Genauer gesagt, sie hatten es geschafft, nicht aktiv einen Kampf auszulösen, was schon so etwas wie ein ernsthaftes Friedensabkommen war. Wäre dieser Mann nur nicht so abscheulich. Es wäre interessant zu hören, was Kenpachi zu sagen hatte. Doch vielleicht war Kenpachi auch nicht so aufmerksam gewesen. Warum hätte er es sein sollen? Renji war nur der 6. Offizier. Byakuya hatte Probleme sich vorzustellen, dass Renji nicht aus der Menge herausstach, doch die ganze Elfte war so etwas wie ein mörderischer Zirkus. Also hat er vielleicht doch nicht so herausgestochen? Doch da gab es eine Person in der Elften, die Byakuya fragen konnte… Er beschwörte einen Höllenschmetterling und lud Yachiru zum Tee für den kommenden Nachmittag ein. Der Rest der Nachtschicht verging ohne viele Vorkommnisse. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Kommandant die Pflichten des Vizekommandanten übernahm. Auch wenn der 4. Offizier gesagt hatte, dass in der Nacht Raufereien und gelegentliche betrunkene Befehlsverweigerungen gemeldet werden könnten, geschah so etwas in dieser Nacht, falls überhaupt, weit außerhalb der Divisionsmauern. Niemand wagte es, nach der Ausgangssperre zurückzukehren, ob nun nüchtern oder anders. Schlau. Denn da Renji weg war, musste Byakuya die Rolle spielen, die alle von ihm erwarteten. Die Strafen würden so hart, wie das Gesetz es erlaubte, ausfallen. Keine Ausnahmen. Und trotz dem tiefliegenden Gefühl, dass es ihnen recht geschehen würde, da sie seinen Namen beschmutzten, fühlte sich Byakuya nicht danach, heute jemanden in den Arrest zu schicken. Er war einfach nur froh, dass er es durch die Schicht geschafft hatte und seine Befehle mit nur ernsten Blicken und einem einzigen „Was glaubst du, was meine Entscheidung ist, wenn das tatsächlich so ist?“ Endlich fiel Byakuya ins Bett, selbst dafür zu müde, Renji zu vermissen. Er hatte nicht erwartet, von einer Yachiru geweckt zu werden, die auf seinem Bett herumsprang. „Yay! Du bist wach“, quiekte sie, als er sich blitzschnell aufrichtete und schon nach Senbonzakura griff. „Ich konnte nicht auf den Tee warten! Lass uns jetzt spielen!“ „Wie bist du überhaupt…?“, Byakuya stoppte sich noch beim Sprechen. Er wollte nicht wirklich wissen, wie es Yachiru immer schaffte, sich unbemerkt einen Weg durch Wache und Personal zu bahnen. Schlimm genug, dass sie scheinbar den Großteil der geheimen Gänge im Anwesen entdeckt hatte. „Bitte sag mir, dass der Kenpachi nicht bei dir ist.“ „Ken-chan schläft immer noch, Dummerchen!“ Gott sei Dank. Byakuya rieb sich das Gesicht, während Yachiru um ihn herum hüpfte und sprang, dabei aus vollem Hals irgendein kindisches Lied sang. „Du weißt, wo ich meine Spielsachen aufbewahre. Warum gehst du nicht schon einmal zur Bibliothek und guckst nach etwas, das du magst? Ich lasse Eishirō Frühstück für uns dorthin bringen.“ „Yay“, damit hüpfte sie davon. Byakuya ließ sich zurück aufs Bett fallen. Er hatte nicht vor, so früh aufzustehen. Die Nachtschicht hatte erst kurz vor Morgengrauen geendet. Von der Helligkeit her vermutete er, dass es nicht später als 7 oder 8 Uhr sein konnte. Das bedeutete, dass er nur ein paar Stunden Schlaf bekommen hatte. Doch da konnte er nichts gegen tun. Yachiru würde durch das Anwesen marodieren, wenn er ihr keine Gesellschaft leisten würde. Mit einem Seufzen kroch er unter der warmen Bettdecke hervor und klingelte nach Eishirō. Yachiru versteckte sich, wie er es früher getan hatte, unter dem Kotatsu, als Byakuya eintraf. Sie war klein genug, dass sie komplett darunter passte. Er hatte sie nur gefunden, da sie immer noch dieses nervige Lied sang. Sie hatte einen Kartenstapel Hanafuda herausgezogen und ausgelegt, bewunderte die handgemalten Bilder. Als er sie sah, musste Byakuya ein ‚Fass sie nicht an!‘ und den Drang unterdrücken, sie ihr zu entreißen. Es waren diese Karten, mit denen er so oft mit Hisana gespielt hatte. Und doch hatte er Yachiru gesagt, ein Spiel auszusuchen. Außerdem, was machten sie in ihrer Lackbox, außer Staub zu sammeln? Es war besser, dass jemand Gefallen an ihnen fand. Er setzte sich unter die Decke und wärmte seine Zehen, streckte einen Fuß aus, um Yachiru verspielt anzustupsen. Sie kicherte. Also tat er es wieder. Sie quiekte vor Freude und attackierte dann seine Fußsohle, kitzelte ihn. Als er ein kleines, schnaubendes Lachen herausließ, kam von Yachiru ein begeistertes „aha!“ und sie machte schnell ein Spiel daraus zu versuchen, dass Byakuya seine Fassung verlor. Doch Byakuya war viel zu geübt bei diesem besonderen Spiel, dass er schnell verlieren würde. Als Eishirō mit dem Tee kam, lenkte er gerade alle Attacken von Yachiru mit dem Aikido, das ihn Ukitake beigebracht hatte, ab. Ein paar Bücher waren aus den Regalen gefallen, die Spielkarten verstreut und die Decke vom Kotatsu verrückt. „Komm, lass uns das schnell für Eishirō aufheben“, sagte Byakuya. Byakuya erwartete oft von Yachiru, dass sie sich Aufforderungen widersetzte, da sie ein wildes Kind der Elften war, doch das tat sie nie. Sie warf sich auf das Saubermachen mit der gleichen, intensiven Fröhlichkeit, mit der sie alles anging. In weniger als einer Minute war alles wieder gerichtet und Eishirō konnte das Tablett mit Frühstück auf dem Kotatsu ablegen. Die Köchin hatte Tamagoyaki zubereitet, das nach Krabbe und Yamswurzel roch. Neben dem gewohnten Reis gab es auch eingelegte Gurke und Suppe, die ebenfalls mit Krabben aromatisiert wurden. Alles roch so gut, dass Byakuya nur eine kurze Danksagung über das Essen sprach und danach zuschlug. Nachdem er genug Tee getrunken hatte, dass Byakuya in dem Glauben war, dass er zusammenhängende Sätze formulieren konnte, fragte er: "Was hast du von Renji gedacht, als er in der Elften war?" "Renji?", Yachiru schaufelte noch mehr von dem Eingelegten in ihren Mund und zog ihr Gesicht zusammen, als würde sie sehr angestrengt nachdenken. Dann hob sie ihren Finger und verkündete dann mit feierlichem Ernst: "Seine Schultern sind gemütlich und hoch, aber durch diese buschigen Haare kann man zu schwer durchschauen!" "Ah, ja", sagte Byakuya und fragte sich, was ihn geritten hatte, als er dachte, Yachiru könnte ihm etwas Nützliches erzählen. "Renjis Haare sind sehr dick." "Es sieht lang aber besser aus als kurz." "Oh? Ich habe nicht gewusst, dass Renji sie jemals kurz getragen hat." "Einmal. Die Barracken waren voller Läuse. Jeder musste sich die Haare abrasieren. Wir sahen alle aus wie Billardkugel! Das war lustig! Es fühlte sich so ordentlich an, als es wieder wuchs. Stachelig! Außerdem haben wir alle zusammengepasst. Außer Yumi. Er hat geweint und geweint und Zeug in seine Haare gemacht, das eklig gerochen hat.“ Ja, Byakuya konnte sich vorstellen, dass Ayasegawa sehr verzweifelt gewesen sein musste. Ohne Zweifel würde er ebenfalls sicher stellen, dass so etwas niemals wieder passierte. Als er eine weitere Rolle der Eier-Krabbe-Yamswurfel-Mischung aß, spekulierte er: „Renjis Gesichttattoos müssen sehr... heftig ausgesehen haben, ohne Haare.“ „Renji sah aus wie ein Pirat“, nickte Yachiru. „Er hatte ein Tuch und hatte es um den Kopf gebunden.“ Sie tat so, als würde sie sich etwas am Hinterkopf zusammenbinden. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich einen großen, goldenen Ring für sein Ohr holen soll, aber er hat es nie getan.“ Sie schmollte etwas bei der Erinnerung. „Ich hätte daraus ein Befehl machen sollen.“ „Du solltest niemals leichtfertige Befehle geben“, sagte Byakuya und legte ihr noch ein paar Tamagoyaki auf ihren Teller. „Andernfalls werden deine Soldaten dir in der Hitze der Schlacht nicht folgen.“ „Du klingst wie Kenny.“ „Gott bewahre.“ Doch auf ihren Blick hin fügte Byakuya hinzu: „Aber dennoch ist es ein guter Rat. Wenn der Kenpachi etwas weiß, dann ist es über Kämpfer und Kämpfe.“ „Huh. Das klingt fast schon wie ein echtes Kompliment, Kuchiki.“ Kopfschmerz breitete es sich sofort zwischen seinen Augenbrauen aus, als er den Klang von dieser barschen Stimme hörte, die von der anderen Seite den Shoji-Schirme von Richtung Garten kam. „Da sind besser keine Löcher in den äußeren Mauern, Kenpachi, oder ich werde dafür sorgen, dass du für die Reparatur bezahlst.“ Ein Schnauben begleitete das Geräusch, von einem zur Seite geschobenen Wandschirm. Der bestialische Schatten von Kenpachi Zaraki mit seinen dämonenhaft gezackten Haaren und Glöckchen erstreckte sich über den Frühstückstisch. „Ich hätte ein paar Mauern zerstören sollen. Das hätte mehr Spaß gemacht. Es ist langweilig, wie deine Leute mich immer ohne Kampf reinlassen. Ich glaube, sie haben Angst vor mir.“ Eher, dass sie sich an ihre uralte Allianz erinnerten. Doch Byakuya würde das Kenpachi niemals erzählen. Kenpachi setze sich an ihren Tisch, als wäre er eingeladen worden. Er streckte seine Füße unter der Decke aus, trat Byakuyas Füße dabei zur Seite. Dann zog er sich den Servierteller vor sich und füllte ihn. „Wirst du den ganzen Tag hier bleiben, Yachiru?“, fragte Kenpachi. „Ich hab nur daran gedacht, in den Rukongai zu gehen. Ich brauche was zum Kämpfen.“ „Klingt spaßig! Ich komme mit dir!“ „Du lernst also nicht lesen oder so etwas?“ Kenpachi blickte zu Byakuya, der den Kopf leicht schüttelte, um die Frage zu beantworten. „Wie schaut es mit dir aus, Prinzessin? Ich hab gehört, du hast einen Teeladen kaputt gemacht. Möchtest du mit uns kämpfen?“ Byakuya wollte schon arrogant fragen: 'Was glaubst du, habe ich im Rukongai zu erledigen?' Doch dann fiel ihm ein, dass es da tatsächlich etwas gab. Also nahm er stattdessen einen letzten Schluck Tee und sagte: „Ja. Ja, ich denke, das werde ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)