Gezeitenströme von Minerva_Noctua (Drabble-Challenge des YuKa-FanZirkels) ================================================================================ Kapitel 1: Eine Kleinigkeit --------------------------- Es war ein scheiß Tag. In der Früh hatte es bereits begonnen. Kaffeemaschine kaputt. Und wenn das für manch einen nicht tragisch genug sein mochte, dann hoffentlich ein Arschloch, das ihm mit seinem scheiß Energyzuckerschockdreck seine lederne Laptophülle eingesaut hatte. Welcher hirnverbrannte Idiot stellte schon klebrige Dosen auf fremdes Eigentum? Und wo kamen die immer nur her? Der restliche Tag zeichnete sich durch ähnlich intelligente Kollegen aus, die mit Hingabe an seinem unterkoffeinierten Verstand nagten. Nach der Arbeit brachte er die Kaffeemaschine unverzüglich zur Reparatur. Vergeblich. Das Ding war hin. Anschließend schleppte er sich wie verabredet zu Kai, sperrte sich selbst auf und ging völlig erschöpft und frustriert ins Wohnzimmer. Mit großen Augen starrte Yuriy dort auf den mit allerlei Köstlichkeiten gedeckten Couchtisch. „Heirate mich“, seufzte er unglaublich dankbar. Kai schmunzelte leise und stützte mit einem leichten Lächeln den Kopf auf seiner Hand ab. „Das ist doch nur eine Kleinigkeit.“ Kapitel 2: Nie -------------- Die Atmosphäre war regelrecht aufgeladen und drückend. Nein. Yuriy sprach nicht über ein heranziehendes Gewitter, sondern über Kai Hiwatari, Star-Beyblader und Erbe eines korrupten Weltkonzerns, dessen Entwicklungen Spionherzen höher schlagen ließen. Das war natürlich heillos übertrieben, Yuriy hatte keine Ahnung, was die machten, obwohl Kai es ihm schon oft erklärt hatte. Kai war gestresst, reagierte mit eisernem Schweigen und einer kalten Schulter. Yuriy fühlte sich mit jedem Atemzug unerwünschter. Normalerweise würde er sich keine Gedanken darüber machen, ob er noch Heim kam oder nicht. Doch bei Kais Laune wollte er nicht weiter stören, sodass er um kurz vor Mitternacht an dessen Schreibtisch trat. „Willst du, dass ich gehe?“ Zum ersten Mal an diesem Abend blickte Kai auf. Plötzlich schien jegliche Anspannung abzuperlen. Er klappte den Laptop zu und lehnte sich zur Seite. Seine Arme schlangen sich um Yuriys Hüfte und er drückte erschöpft die Stirn gegen seinen Bauch. „Nie.“ Kapitel 3: Anfang ----------------- Wann es angefangen hatte? Das war eine gute Frage. Er hatte sie sich in letzter Zeit öfter gestellt. Je verständnisloser oder überraschter seine Umwelt reagierte, desto weniger konnte er erklären, was in ihm vorging. Es ist als würde man versuchen einem Fisch das Wunder des Lagerfeuers näherzubringen. Wann hatte ihre Beziehung angefangen mehr zu werden? Yuriy fiel als erstes das BBA-Bankett ein, auf das alle führenden Teams der Welt eingeladen worden waren. Eine anstrengende und öde Veranstaltung, über die das gute Essen nicht hinwegtäuschen konnte. Das einzig Positive war der gute Draht, den er mit Kai an diesem Abend hatte. Nach zwei Jahren nur sporadischen Kontakts unterhielten sie sich nun wie erwachsene Menschen und amüsierten sich dabei. Als die Wiedersehensfeier später in einen Nachtclub verlegt werden sollte, strich Yuriy dennoch die Segel. „Du wirst nicht ohne mich gehen“, hauchte ihm Kai nachdrücklich ins Ohr. Vielleicht war das der Anfang. Kapitel 4: Frühstück -------------------- Wenn es eine Sache gab, die er nicht konnte, dann war es kochen. Und trotzdem versuchte er es immer und immer wieder. Man musste Kai für seine Hartnäckigkeit bewundern. Auch musste man bewundern, wie er es geschafft hatte fast drei Jahre mit Rei Kon unter einem Dach zu leben und so wenig dabei zu lernen. Außerdem schien es als sei die Aufgabe für Kai umso schwieriger, desto simpler das Rezept war. „Verdammt!“, fluchte Kai und hielt sich die verbrannte Hand unter kaltes Wasser, „So ein Scheißdreck!“ „Ich nehme an Frühstück ist fertig“, schmunzelte Yuriy und dachte sich nicht mehr viel bei Kais Schimpftiraden und Pseudo-Verbrennungen. „Viel Glück“, schnauzte Kai und schob ihm angebrannte Spiegeleier hin. Todesmutig probierte er und zwinkerte schelmisch. „Ich mag deine Eier.“ Kai rollte mit den Augen. „Danke, steck’s dir sonst wohin.“ „Wohin hättest du’s denn gerne?“, grinste Yuriy lasziv und kassierte einen Tritt ins Schienbein. Kapitel 5: Vielleicht --------------------- Es war nicht schwer für Yuriy gewesen Moskau zu verlassen und nach Tokio zu ziehen. Kai half ihm bei der Wohnungssuche und dem ganzen Bürokratiescheiß, sodass der Umzug schnell über die Bühne ging. Als Dankeschön hatte er Kai zum Abendessen in seine gerade fertig gewordene Wohnung eingeladen und der gute Draht zwischen ihnen war nach dem BBA-Bankett glücklicherweise nicht wieder erkaltet. Sie aßen und tranken reichlich bis in den frühen Morgenstunden klar wurde, dass Kai den Heimweg nicht mehr antreten sollte. „Das Bett ist groß genug für uns beide“, gluckste Yuriy betrunken, „Und die Couch zu hart zum Schlafen.“ „Ich kann dir das nicht glauben“, schüttelte Kai ernst den Kopf. „Warum?“ „Du willst mich doch bloß in dein Bett bekommen“, grinste Kai plötzlich und sah ihn verschmitzt an. „Vielleicht“, lachte Yuriy gut gelaunt und ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er es in wenigen Monaten tatsächlich wollen würde. Kapitel 6: Unversehrt --------------------- „Ich schwöre, es kommt nicht wieder vor.“ „Schwören kannst du in der Kirche“, brüllte ihn Kai mit vor Wut verzerrter Fratze an. Zugegeben, diesmal hatte er es ziemlich verbockt. „Ich habe mich doch schon zig Mal entschuldigt.“ „Fick dich!“ Yuriy beschloss einfach die Klappe zu halten und beobachtete, wie Kai schnaubend mit zusammengeballten Fäusten auf und ab ging. „Wem gehört der weiße Porsche?“, fragte ein Mann mit schütterem Haar und warmen Augen. Kai riss sich sofort zusammen und setzte eine freundlich-unverbindliche Maske auf. „Hiwatari. Der Wagen gehört mir.“ „Kommen Sie bitte mit.“ Sie folgten dem Mitarbeiter auf den staubigen Parkplatz des Abschleppunternehmens. „Nun, ich glaube es ist ein Boxer geworden“, scherzte er, als sie vor dem Fahrzeug angekommen waren. Kai erstarrte zur Salzsäule und Yuriy bekreuzigte sich. „Das war ein ganz schön übler Auffahrunfall. Sie haben Glück, dass Sie unversehrt sind“, wandte sich der Mann an Yuriy. „Ja, noch.“ Kapitel 7: Beobachtungen ------------------------ Die kulturellen Unterschiede und Gepflogenheiten im alltäglichen Geschäftsverkehr waren ihm zu fremd um Fettnäpfchen zu vermeiden und das war geradeheraus anstrengend. Kai war der Einzige, der sich über seine Fehltritte amüsierte und ihm glücklicherweise verständlich erklären konnte, warum Japaner in verschiedenen Situationen anders reagierten. Es war mittlerweile zu einem Ritual geworden, dass sie sich wöchentlich zum Abendessen trafen, um über Gott und die Welt zu reden. Und ehe sich Yuriy versah, begann er sich diese Stunden herbeizusehnen und jeden Augenblick auszukosten. Er genoss die hitzigen Diskussionen, den scharfen, gutmütigen Sarkasmus und das unerwartet heitere Lachen Kais, wenn er wieder von ungewollten Fauxpas sprach. Irgendwann musste es zu seinem Anliegen geworden sein, Kai zum Lachen zu bringen. Und irgendwann begann er sich absichtlich zum Affen zu machen und immer mehr bei seinen Geschichten zu übertreiben. Er bemerkte es erst, als Kai ihn jäh aus seinen Beobachtungen herausriss: „Was hast du gesagt?“ Kapitel 8: Donna ---------------- „Was zum Teufel ist dein Problem?“, fuhr Yuriy ihn ungehalten an. Es war einer ihrer seltenen, ernsthaften Streits, bei denen echte Wut auf den jeweils anderen zum Vorschein kam. „Nichts ist mein Problem, du kotzt mich einfach nur an“, grollte Kai, „Lass mich in Ruhe!“ Verständnislos warf Yuriy die Hände in die Luft, gekränkt, ob seiner Annahme: „Erträgst du’s nicht, dass ich endlich befördert wurde? Dass ich auch endlich geschäftlichen Erfolg habe?“ Seit seiner Beförderung hing der Haussegen schief und allmählich konnte er es sich nicht mehr anders erklären und das schockierte ihn. „Wie kannst du sowas nur von mir denken?“, entsetzt sah Kai ihn an, ehe heißer Zorn in seinen Augen aufblitzte, „Fick dich! Du und deine Donna können mich mal!“ Da fiel es Yuriy wie Schuppen von den Augen. „Du bist wegen meiner Sekretärin eifersüchtig.“ „Ich bin nicht eifersüchtig.“ Diese Erwiderung kam definitiv zu schnell und erklärte alles. Kapitel 9: Befremdlich ---------------------- Nicht nur ihre wöchentlichen Treffen häuften sich, sondern auch die Kommunikation untertags. Bald schrieben sie sich zwischendrin, berichteten von dummen Kollegen, langweiligen Besprechungen oder kleinen Erfolgen. Manchmal drifteten sie ab, schrieben irgendwelchen Unsinn - einfach aus Spaß und ihre Blödeleien machten sämtliche Ärgernisse erträglicher. Yuriy hatte bereits bemerkt, dass er sich Kai gegenüber anders verhielt als sonst. Er legte sich regelrecht ins Zeug, um positive Emotionen aus Kai herauszukitzeln, selbst wenn er sich dabei zum Deppen machte. Das war so befremdlich und unverständlich, dass er gar nicht anders konnte als sich darüber Gedanken zu machen. Doch je mehr er sich analysierte, desto größer wurde sein unwillkürlicher, innerer Widerstand der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Es blieb bei einer vagen Ahnung, um sich selbst zu schützen und endete in selbstverschuldeter Isolation. Ausgerechnet Kai fand nach Wochen der Funkstille den Mut, ihn ob seines Verhaltens zu konfrontieren: „Wir können so nicht weitermachen.“ Kapitel 10: Unglaublich ----------------------- Es war schon immer Kais nicht ganz so heimlicher Traum ein Haustier zu besitzen. Er hatte zwar nur ein Appartement, aber das war groß genug für eine Katze und Kai sich nicht zu schade mit ihr an der Leine spazieren zu gehen. Yuriy hatte sich beinahe vollgepisst vor Lachen, als er das zum ersten Mal gesehen hatte. Die grau-getigerte Katze kam natürlich aus dem Tierheim, wurde sogar aus einem Versuchslabor gerettet. Nicht gesagt hatte man ihm, dass die Katze trächtig war und keine zwei Monate später Junge bekommen sollte. Die Geburt fand selbstverständlich gegen zwei Uhr morgens an einem Werktag statt und dauerte eineinhalb Stunden. Jede Sekunde war es wert. Am Ende saß er staunend und fasziniert vor dem Körbchen mit den maunzenden und so winzigen Geschöpfen, wiederholte wie ein Kind mit glänzenden Augen immer dieselbe Frage, die Kai mit einem Lächeln abnickte. „Ist das nicht unglaublich?“ „Ist es.“ Kapitel 11: Wunden ------------------ Nachdem Kai ihn wegen seinem Verhalten konfrontiert hatte, war die Situation eskaliert. Yuriy hatte unglaublich aggressiv reagiert. Wie ein Tier, das in die Enge getrieben worden war, hatte er um sich gebissen, Kai angeschrieen, ihm Vorwürfe gemacht und ihn beschimpft bis er ging. Sie waren beide zu stolz und zu temperamentvoll, um diesen Streit unversehrt zu überstehen. Danach mussten sie erst einmal ihre Wunden lecken und Yuriy hatte in den folgenden Wochen viel Zeit zum Nachdenken. Er war einsam - nein, vielmehr fühlte er sich einsam. Viele Stunden dachte er über sich selbst und Kai nach. Erinnerte sich an ihre Kindheit, an die guten und schlechten Momente. Dabei fand er den Augenblick, an dem ihre Freundschaft begonnen hatte. „Ich werde auf dich aufpassen, okay?“ Eine mitfühlende Versicherung an einen kleinen Jungen mit roten Augen, der ihn mit trotziger Verzweiflung ansah, nachdem Yuriy ihn aus einer Prügelei mit älteren Kindern befreit hatte. Kapitel 12: Fassung ------------------- Er las es in der Zeitung. Es war eine Schlagzeile im Wirtschaftsteil. Voltaire Hiwatari tot nach Schlaganfall Manchmal traf es doch die Richtigen. Der kurze Moment makaberer Genugtuung verstrich mit der Erkenntnis, was dies für Kai bedeutete. Ohne nachzudenken griff er zum Telefon. Ihr Streit, die zweimonatige Funkstille. Unwichtig. Vergessen. Die Beerdigung war perfekt organisiert. Die Trauergesellschaft hielt sich lange im Hiwatari-Anwesen auf, bekundete höflich Beileid, trank auf den Verstorbenen und erzählte schön geredete Anekdoten. Kai ertrug es mit der Fassung einer emotionslosen Porzellanpuppe. Yuriy blieb im Hintergrund und wechselte kein Wort mit ihm. Das war auch nicht nötig, sein stiller Beistand sprach lauter als jedes Wort. Erst als alle Gäste fortgingen, die Bediensteten sich in die Küche zurückzogen, kam Kai auf ihn zu. Seine unbewegte Miene zerbarst in tausend Scherben, als sie sich zum ersten Mal seit Monaten wieder direkt in die Augen sahen. „Bleibe über Nacht. Bitte.“ Kapitel 13: Vitamin B --------------------- Jedes Jahr trafen sich die ehemaligen Beyblade-Champions im Sommer, um als ganze Bagage etwas zu unternehmen. Normalerweise scheute Kai Gruppenausflüge und er mochte es auch nicht sonderlich, aber die Leute waren ganz in Ordnung. Außerdem hatten viele von ihnen interessante Berufe ergriffen, bei denen es nicht schadete einen der Zunft gut genug zu kennen. „Bist du nicht noch etwas zu jung für Viagra?“, wollte Takao einmal neugierig beim Frühstück wissen, was sämtliche Aufmerksamkeit auf Yuriy zog. „Das ist Vitamin B“, erklärte er genervt und nahm die ovale Tablette in den Mund. Er hasste Tabletten, vor allem wenn sie so groß waren. Selbst mit einem Schluck Wasser wusste er nicht, wie er sie herunterbekommen sollte und schob sie zu lange im Mund herum. Natürlich verschluckte er sich heftig. „Du kannst nicht sterben. Bitte stirb nicht“, hörte er Kai ironisch sagen und hielt ihm bloß röchelnd den Mittelfinger vor die Nase. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)