Liebe bedeutet... von Yosephia ([OTP-Challenge - NaLu, Stingue, IgneelWeiß]) ================================================================================ [September 3/3] – Drawing each other – NaLu ------------------------------------------- Das Sonnenlicht kam von links oben und tauchte das pinkfarbene, stets unordentliche Haar in ein wirres Muster aus Licht und Schatten. Einige Strähnen wirkten beinahe weiß, andere schienen beinahe tiefrot zu werden, dazwischen gab es alle Farbnuancen, unüberschaubar, undefinierbar, unnachahmlich. Verwegene Haarsträhnen warfen unregelmäßige Schatten auf eine vor Konzentration gerunzelte Stirn. An den unbeschatteten Stellen glänzte die Haut, sauber nach einer Dusche und gebräunt von unzähligen Stunden im Freien. Eine einzelne Schweißperle rollte aufreizend langsam über die linke Schläfe und zog eine kaum sichtbare Spur nach sich, die von der Sonne getrocknet wurde. Auf ihrem Weg nach unten passierte die Schweißperle schmale, aber dichte Augenbrauen von derselben Farbe wie die Haare, die leichte Schatten auf große Augen warfen, deren Farbe nicht zu entziffern war. Ein mysteriöses, dunkles Grau, aber je nach Lichteinfall changierte es auch zwischen Braun, Grün und manchmal sogar reinem Schwarz. Genauso rätselhaft wie ihre Farbe war auch die Ausdrucksfähigkeit dieser Augen, die nun auf ein Clipboard gesenkt waren. An den Augenwinkeln waren die Andeutungen von Krähenfüßen zu erkennen. Jene Art Falten, wie sie Menschen bekamen, die oft und herzlich lachten. Weiter rollte die Schweißperle, über den Wangenknochen hinweg, seitlich vorbei an der Wange bis hinab zum markanten Kieferknochen, breit und ein wenig kantig, als hätte allein schon die von Geburt an vorgegebene Anatomie entschieden, dass dieser Mensch viel lachen sollte. Die Schweißperle verschwand im Schatten des Unterkiefers, aber eben jener lenkte den Blick langsam über einige angedeutete Bartstoppeln, die der letzten Rasur entgangen waren, zum Kinn hin und wieder hinauf zu schmalen Lippen, die sich nur allzu oft für ein breites Grinsen öffneten, nun jedoch fest aufeinander gepresst waren. Nur die Zungenspitze lugte am linken Mundwinkel heraus, als würde das dabei helfen, sich besser zu konzentrieren. Auf die Lippen fiel der Schatten einer spitzen Nase, die eine leichte Unregelmäßigkeit aufwies, der einzige Hinweis auf einen ehemaligen Bruch, dem gewiss eine sehr verrückte und sehr leichtsinnige Geschichte zugrunde lag. Wenn der Blick weiter am Kinn vorbei wanderte und zum rechten Kieferknochen, der im diffusen Halbschatten lag, blieb er automatisch an der prominenten Narbe hängen. Sie war groß und hässlich, wirkte beinahe so, als wäre mit einem Sparschäler ein ganzer Streifen Haut herunter geschabt worden, das Erbe einer üblen Schürfwunde, die Erinnerung an ein Bootsunglück bei den Klippen, das sehr schnell hätte tödlich enden können. Diese Narbe war ein Blickfang für Fremde, machte das Gesicht in den Augen vieler überhaupt erst interessant oder gar attraktiv. Frauen sahen sich danach um, Männer erwateten eine aufregende Abenteuergeschichte. Wieder Andere verzogen angewidert das Gesicht beim Anblick dieser Narbe, betrachteten sie als Makel, gar als Scheußlichkeit. Für Lucy gehörte diese Narbe genauso zu Natsu wie der Höcker an seiner Nase oder die Krähenfüße oder auch all die anderen kleinen und großen Narben, von denen neben Natsu selbst nur sie wusste. Es waren ihre kostbaren Geheimnisse, die sie mit niemandem teilte, die sie hütete wie einen Schatz und die sie sich in Erinnerung rief, wenn wieder viel zu viele Kilometer zwischen ihr und Natsu lagen. Sie hatte sich das so ausgesucht, sie hatte sich im vollen Bewusstsein, was das für sie und Natsu bedeutete, für ein Kunststudium an der berühmten Sabertooth-Akademie in Crocus entschieden, statt sich mit der staatlichen Universität in Magnolia zu begnügen. Die Kleinstadt war nur eine Busfahrt von einer halben Stunde von dem verschlafenen Nest entfernt, in dem Natsu und Lucy aufgewachsen waren. Wenn Lucy dort studiert hätte, wäre alles um ein Vielfaches einfacher für sie Beide. Aber Lucy hatte bei den Besten lernen wollen – und Natsu hatte sie sogar dazu ermuntert, genau das zu tun, auch wenn das immer wieder über viele Monate hinweg bedeutete, dass sie einander nicht sehen, geschweige denn berühren konnten. Manchmal war Lucy daran fast verzweifelt. Besonders in der Anfangszeit, als sie noch keine Freunde in Crocus gehabt hatte. Aber ein Telefonat mit Natsu hatte jedes Mal gereicht, um sie wieder aufzubauen. Ohne ihn hätte sie das knochenharte Studium nicht gepackt… „Luuuuu.“ Schmollend ließ Natsu sein Clipboard sinken und sah sie an. „Das klappt einfach nicht!“ Für einen Moment war Lucy verwirrt, was ihr Freund meinte, aber als ihr Blick auf das Clipboard und die Skizze fiel, die Natsu in der letzten Viertelstunde angefertigt hatte, begriff sie. Sie versuchte, es zurück zu halten, aber ihr entwich doch ein abgehaktes Kichern. „Lu!“, jaulte ihr Freund empört. „Du bist gemein!“ Die kindlichen Possen des jungen Mannes ließen Lucy nur noch mehr kichern. Der verschränkte schließlich sogar die Arme vor der Brust und sah sie finster an. Lucy musste sich zur Seite drehen, um ihn nicht die ganze Zeit anzusehen. Ansonsten könnte sie sich nicht beruhigen. Seine Skizze war nur sehr vage als menschliches Porträt zu erkennen, die Proportionen waren vollkommen verschoben, Schattierungen waren viel zu deutlich gesetzt, Details zu stark betont, alles war irgendwie angefangen und dann unvollendet geblieben. Natsu hatte unzählige Male radiert, aber weil er so dick aufgedrückt hatte, hatten sich tiefe Furchen in das Papier gegraben. Wenn Lucys Professoren an der Akademie diese Skizze sehen würden, würden sie sich danach wahrscheinlich die Augen ausreißen. Im Grunde hatte Lucy so etwas erwartet, als Natsu ihr vorgeschlagen hatte, dass sie einander zeichnen könnten. Hinter der Idee steckte eindeutig Juvia, die schon vor vielen Jahren immer eifrig dabei gewesen war, Natsu und Lucy miteinander zu verkuppeln. Solche romantischen Sachen waren voll ihr Ding und obendrein war dieses spezielle Manöver auch auf Lucy zugeschnitten. Obwohl Lucy gewusst hatte, worauf es hinaus laufen würde, hatte sie sich gefreut, dass Natsu sich daran versuchen wollte, ihre Begeisterung fürs Zeichnen nachzuvollziehen. Immer noch kichernd legte Lucy ihr eigenes Clipboard umgedreht beiseite und krabbelte über die durchgesessene und dennoch bequeme, kleine Couch im Wohnzimmer der Dragneels auf ihren Freund zu, um ihm einen versöhnlichen Kuss auf die Lippen zu geben. Sofort löste er die Verschränkung seiner Arme und zog sie an sich. „Tut mir Leid, ich hab’ dich nicht ausgelacht, ehrlich“, beteuerte Lucy, als sie den Kuss gelöst hatte. „Es ist nur irgendwie… erfrischend, so eine Skizze zu sehen. Die Porträts, die ich in letzter Zeit gesehen habe, waren immer so zwanghaft perfekt.“ Abgesehen vielleicht von den Porträts ihrer Lernpartner, aber die Beiden hatten ja auch besondere Motive vorzuliegen. „Wusste ich doch, dass in Crocus alle nen Stock im Arsch haben“, schnaubte Natsu und warf sein Clipboard auf den Couchtisch. Leise lachend kuschelte Lucy sich an ihren Freund und betrachtete weiter die Skizze. Auch wenn sie alles andere als gut war – um nicht zu sagen grauenhaft –, irgendwie berührte sie Lucy. Die Details, die Natsu herauszuarbeiten versucht hatte, waren zu deutlich betont und auch viel zu früh angesetzt, aber doch… es waren Details, über die Lucy bei sich selbst noch nie nachgedacht hatte und die Natsu doch offensichtlich für wichtig erachtete. Ihre Grübchen etwa. Das Tattoo auf ihrem Handrücken, das sie sich in ihrer Rebellenphase hatte stechen lassen – Natsu hatte ihr damals geholfen, ein Motiv auszusuchen. Ihre Halskette mit dem Anhänger in Form eines filigranen Schlüssels – das letzte Geschenk ihrer Mutter… „Darf ich die behalten?“, fragte sie und rieb ihre Nase an Natsus Kinn. Die Bartstoppeln daran ließen sie wohlig erschaudern. „Aber die ist doch doof“, brummte Natsu frustriert. „Du bist so hei- hübsch und das da-“ „Ich mag sie“, unterbrach Lucy ihren Freund, bevor er in einen Redeschwall geraten konnte. Ihr war schon wieder warm im Inneren. Natsu hatte ihr schon unzählige Male gesagt, dass er sie hübsch fand, aber irgendwie freute sie sich doch immer wieder darüber. „Sie ist von dir und du hast dir Mühe gegeben. Schon allein deshalb mag ich sie. Also? Darf ich?“ Für einige Sekunden herrschte Schweigen und Natsus Arme schlossen sich fester um Lucy, als wollten sie über den Kontakt eine Botschaft überbringen, für die es keine passenden Worte gab. Schließlich sagte Natsu leise. „Nur, wenn ich deine Skizze auch behalten darf.“ Schlagartig wurden Lucys Wangen heiß. „N-nein“, stammelte sie und richtete sich auf, um ihr Clipboard hinter ihrem Rücken zu verstecken. Ein furchtbarer Fehler. Natürlich musste das Natsu neugierig machen und natürlich gab er dieser Neugierde auch sofort nach und stürzte sich regelrecht auf Lucy, um an ihre Skizze heran zu kommen. Quietschend sprang sie vom Sofa und rannte durchs Wohnzimmer und in die Küche, um die Tür zur Veranda zu öffnen, die das gesamte Haus umgab, aber der blöde Türknopf, der sie schon immer geärgert hatte, klemmte wieder und Natsu holte sie ein. Sie versuchte noch, das Clipboard außerhalb seiner Reichweite zu halten, aber er war größer als sie und kam mühelos heran – und das alles, ohne auch nur einmal grob zu werden. Aufgrund seiner harten Arbeit als Fischer und wegen seines überschäumenden Wesens hielten viele es gar nicht für möglich, aber Natsu konnte ausgesprochen sanft und vorsichtig sein. Bei allem Gerangel, das er sich schon mit Lucy geliefert hatte, hatte er ihr kein einziges Mal in all den Jahren weh getan. „Natsu, nicht!“, protestierte Lucy schwach, aber ihr Freund drehte das Clipboard bereits herum. Auf seinem Gesicht malte sich grenzenlose Verwirrung ab, während Lucys Wangen immer dunkler wurden. „Was ist das?“, fragte er und drehte das Clipboard wieder herum, um auf ein leeres Blatt zu deuten. Er zog wieder einen Flunsch. „Hattest du doch keine Lust?“ „Doch!“, rief Lucy hastig. Mittlerweile breitete sich die Röte auch über ihren Hals aus. „Es ist nur… ich… na ja… ich konnte mich nicht richtig konzentrieren…“ Ihre Stimme erstarb und sie barg vor Verlegenheit das Gesicht in den Händen. Eines der ersten Dinge, die sie für Portätzeichnungen gelernt hatte, war, dass man sein Objekt zunächst einmal sehr genau studieren sollte, bevor man wild drauflos zeichnete. Man sollte zuerst die Gesamtheit der Person in sich aufnehmen und sich dann entscheiden, auf welchen seiner Züge man den Hauptfokus legen wollte, was für einen Charakter man zum Ausdruck bringen wollte, was für eine Stimmung vermittelt werden sollte… Aber bei Natsu gab es da so viel und alles machte ihn aus. Lucy hatte sich einfach nicht entscheiden können und war völlig in der Betrachtung seines Gesichts versunken. Eigentlich sollte ihr das nach fünf Jahren Beziehung nicht mehr peinlich sein, aber irgendwie war es das doch. „Hm…“ Aus Natsus Stimme war das zufriedene Grinsen nur allzu deutlich heraus zu hören, als er die Arme wieder um sie schlang. „Heißt das, dass ich so heiß bin, dass du dich nicht aufs Zeichnen konzentrieren kannst?“ Zur Antwort brachte Lucy nur ein peinlich berührtes Quietschen zustande. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)