undone von Daisuke_Andou ================================================================================ Prolog: -------- UNDONE ~Prolog~ Es war ein kalter Wintertag, fast schon Mitternacht, als der junge Mann der dunklen Straße entlang ging. Die Hände hatte er tief in seinen Jackentaschen vergraben, das Gesicht fast gänzlich hinter einem dunklen Schal verborgen, durch den man seinen Atem sehen konnte, wenn er in der Luft zu rauchartigen Wölkchen kondensierte. Er bewegte seine, vor Kälte taub gewordenen Finger, um eine Zigarette aus einer Schachtel zu kramen. Kurz darauf führte er die Zigarette zu seinen Lippen, zog dafür den Schal etwas nach unten. Er blieb stehen, um sich die Zigarette anzuzünden, steckte das Feuerzeug zurück an seinen Platz. Flüchtig ließ er seinen Blick nach vorn wandern. Sanftes Licht ging von einer Straßenlampe aus. Der fallende Puderschnee tanzte darunter, glänzte, als das Licht auf ihn fiel. Es wurde nur noch kälter. Der Mann setzte seinen Weg fort, nahm das Knirschen des Schnees unter seinen Schuhsolen kaum wahr. Er warf einen kurzen Blick in die noch dunklere Seitengasse, konnte undeutlich die Silhouetten von zwei Personen aus machen, die sich eng aneinander schmiegten, in ihren Bewegungen und ihrem Stöhnen gefangen zu sein schienen. Mit einem abwertenden Lächeln führte er seine Zigarette wieder zu seinen Lippen und zog an ihr. Kurz darauf entließ er den Rauch wieder aus seiner Lunge. Wie von selbst führten ihn seine Füße weiter durch die Straße, deren Licht von der finsteren Nacht geschluckt wurde. Kurz bevor die befestigte Straße endete, fiel sein Blick auf eine Person, die mit ihrem Rücken an einer Steinmauer lehnte, ihn interessiert musterte. Er sah zweifelsohne ziemlich jung aus. Vielleicht so um die 17, vielleicht auch 18. Trotz des kalten Wetters trug er nicht sehr viele Sachen, die warm hielten. Da schuf auch der zwei Meter lange Schal keine Abhilfe. „Du kommst spät!“, durchbrach der junge Mann die Stille und stieß sich von der Wand ab. „Und du siehst aus, als würdest du dich für ´nen Scheinchen vögeln lassen.“ „Job ist Job!“, tat es der Großgewachsene ab und trat unmittelbar vor den anderen, wodurch ihr erheblicher Größenunterschied sichtbar wurde. „Ich wüsste nicht, dass dieser Job deiner wäre!“, keifte der Kleinere, dessen Hut ihm frech vom Kopf entwendet wurde. Ersetzt wurde er umgehend durch eine Hand, die ihm durch die blonde Mähne wuschelte. Vielleicht lag mehr Zuneigung in dieser vertrauten Geste, als es ihm lieb war. „Lass das!“ Sein Zigarettenstummel fiel neben ihn in den Pulverschnee und das Glimmen verschwand. Mit einer wirschen Handbewegung schlug der Blonde das aufkeimende Übel weg und entriss seinem Gegenüber seinen Hut, den er sich wieder aufsetzte. Dennoch war das Gefühl nun nicht mehr das Gleiche wie zuvor. „Ich habe nicht erwartet, dass du heute kommst“, gestand der Größere und nahm seine Position neben dem anderen ein, der sogleich den Weg fortsetzte. „Wieso sollte ich nicht kommen? Ich bin wegen ihm hier, nicht wegen dir.“ Der Pulverschnee knirschte unter seiner Sohle, als er langsam weiterging. „Nur so ein Gefühl…“ „Es ist das fünfte Mal, dass sich dieser Tag jährt. Natürlich komme ich!“ Der Nachdruck in der Stimme des Kleineren war leicht herauszufiltern. Selbst wenn er Mühe hatte, die Fassade aufrecht zu erhalten. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, setzte den ersten Schritt auf die heruntergekommene Steintreppe, die von Moos und einer dünnen Schicht Schnee überdeckt war. Es war glitschig und kostete beiden etwas Mühe, sicher den Sand zu erreichen. Hier an der offenen See wehte der kalte Wind noch stärker um ihre Nasen. Dennoch setzten Sie ihren Weg fort, hüllten sich in Schweigen, bis sie nahe am Wasser stehen blieben. Beide sahen in die schwarze Nacht. Das Meer rauschte, der Wind blies ihnen um die Ohren. Aber all das schien unwichtig in Hinblick auf den eigentlichen Grund, weswegen sie sich zum fünften Mal hier eingefunden hatten. Leises Rascheln war zu vernehmen, gefolgt von den geflüsterten Worten. „Es ist 00:02.“ Der Kleinere nickte und der Kloß in seinem Hals schwoll schier unendlich an, nahm ihm die Luft zum Atmen. Trotzdem versuchte er gefasst zu bleiben und zog seine Umhängetasche seitlich nach vorn. Heraus holte er eine einzelne Blume und ein Foto. Erst als er einen Blick auf die nur schemenhaft sichtbaren Silhouetten auf dem Papier warf, schien das Gefühl, welches sich in seiner Brust gesammelt hatte, zu bersten und sich unmittelbar in seinem gesamten Körper zu verteilen. Kompensiert wurde es von den heißen Tränen, die über seine Wangen liefen und unaufhaltsam zu Boden stürzten. Er verlor seine Fassung und die Fassade fiel, hinter der er immer wieder versuchte seinen Kummer und Schmerz vor der Öffentlichkeit zu verbergen. „Ich vermisse ihn…“, flüsterte der Kleinere die unaufgeforderte Erklärung. Unter dem knirschenden Sand ging er ein paar weitere Schritte auf das Meer zu. Kommentarlos hockte er sich hin und übergab seine Geschenke den tosenden Wellen des Meeres. Erst machte es den Anschein, als würden diese wieder zurück an Land gespült werden, doch das Meer nahm sie mit und nach ein paar weiteren Sekunden waren sie aus seinem Blickfeld verschwunden und vom Meer verschlungen. Genau so verschlungen wie seine aufkeimenden Gefühle von vor fünf Jahren, deren Ursprung weiterhin tief in seiner Seele vergraben lagen. „Taka… Lass uns gehen…“ ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Disclaimer: Alle hier auftauchenden Personen sind an real existierende Personen angelehnt. Sie gehören nicht mir, ich will hiermit nicht den Ruf einer real existierenden Person schaden oder Gerüchte verbreiten, und ich verdiene hiermit kein Geld. Alle frei erfundenen Personen, sowie die Idee und die Gestaltung der Geschichte sind mein persönliches Eigentum und daher ist das Kopieren oder die Weiterverbreitung ohne meine Einwilligung untersagt. Kapitel 1: ----------- UNDONE ~Kapitel 1~ Es war die gleiche heruntergekommene Absteige wie vor fünf Jahren schon. Wie vor vier Jahren, vor drei Jahren, vor zwei Jahren und im vergangenen Jahr. Es roch noch immer stechend nach Alkohol, altem Holz und Rauch. Doch mit Traditionen sollte man nicht brechen. Daher schob Taka seinen durchgefrorenen Körper auf die ebenso kühle und nach wie vor unbequeme Sitzbank aus Holz, seine Begleitung ihm gegenüber. Der kurze Weg zur Bar hatte genügt, um die Zeugen seines Zugeständnisses wieder zu trocknen und er hatte sich größtenteils wieder gefangen. „Ein Bier und ein Wasser“, gab der Größere der beiden ihre Bestellung auf, als der ältere Herr mit Stoppelbart und verschmierter dunkelgrüner Schürze an ihren Tisch herantrat. „Machen Sie aus dem Wasser ein Glas Rotwein!“, warf Taka unter dem erstaunten Blick seines Gegenübers ein. Der Ladenbesitzer hatte verstanden und entfernte sich wieder von ihnen. „Seit wann trinkst du Alkohol?“ „Dumme Angewohnheit. Kommt mit der Zeit.“ „Mit der Zeit?“ „Mit der Zeit, die man mit seinem Vorgesetzten bei Saufgelagen verbringt…“, gab der kleine Blonde weitere Informationen Preis. „Ach so, verstehe. Früher hast du es abgelehnt.“ „Früher war auch so vieles anders. Aber die Zeiten ändern sich, die Gewohnheiten ändern sich…“ „…und einige Dinge bleiben immer gleich?“, hakte der Größere nach und ein liebevolles Lächeln umspielte seine Lippen. Das verräterische Glitzern in Takas Augen ließ ihm viel zu leicht einen Blick auf seine wohl tiefste Wunde auf seiner Seele werfen. „Du weinst nie, Kou. Wie machst du das?“, kam die fast schon vorwurfsvoll gemeinte Frage. „Oh doch! Ich weine sehr oft. Aber nur, wenn ich allein bin. Ansonsten bin ich ganz Japaner – wir zeigen unsere Gefühle nicht!“, sagte er ebenso mit diesem stetig währenden Lächeln auf den Lippen. „Du weinst nie um ihn!“, keifte Taka schon regelrecht zurück und schnaubte. Doch sofort hielt er seine Gefühle wieder im Zaum, da Ihre Gläser geräuschvoll zu ihnen geschoben wurden. „Danke…“, murmelte Taka. Sein Blick wurde von der Lampe, die sich auf der Oberfläche seines Weinglases spiegelte, eingefangen. Unter normalen Umständen hätte er das nie bemerkt, aber an Tagen wie diesen waren seine Sinne geschärft und er angreifbar, in jeder Hinsicht. Der schwere Geruch von Nostalgie und Melancholie hing in der Luft und lullte ihn zusätzlich ein. „Das verstehst du falsch, Taka. Ich vermisse ihn auch. Jeden Tag. Genau so, wie ich auch den Kontakt zu dir vermisse“, versuchte Kou das Gespräch in weniger kritische Gefilde zu lenken. Er stützte sein Kinn auf seinen gefalteten Händen auf und musterte das Gesicht des anderen. Wenn er sich nicht irrte, hatte er abgenommen. Seine Wangenknochen stachen mehr hervor als damals, Takas Mundwinkel hingen weit nach unten, seine Haut war glanzlos und seine Augen matt. Die dunklen Ringe unterstrichen das ausgezehrte Bild zusätzlich. „Du hättest anrufen können.“ „Ja, ich weiß. Ich bin ein scheiß Freund.“ „Und ein noch beschissenerer Sohn!“, fügte Taka an und nippte an seinem Glas. Sein Blick sollte Kou genug strafen. „Ja, Mann. Ich weiß. Ich ruf nie an, ich schreib keine Briefe und auch keine E-Mails.“ Das entnervte Seufzen entging wohl niemandem in der kleinen Bar. „Deine Mutter macht sich echt Sorgen um dich. Alles was sie von dir hört ist irgendwelcher Klatsch und Tratsch aus dem Fernsehen“, versuchte es der Blonde zumindest, an die Vernunft des anderen zu appellieren. „Ich bin eben schwer beschäftigt. New York, London, Los Angeles, Paris. Das hättest du auch alles haben können, Taka.” “Fang nicht schon wieder damit an! Oder ich hau dir diesmal wirklich eine in die Fresse!“, folgte die sofortige Drohung. „Mach ruhig. Mein Gesicht ist versichert!“ Unglauben lag im Blick des Kleineren. „Wenn du nicht du wärst, würde ich das für einen schlechten Scherz halten, aber…..“ „Nee, echt jetzt. Das ist mit mehreren Millionen versichert.“ Wieder folgte der musternde Blick des Kleineren. Eine Gehirnhälfte konnte diese Info rein logisch verarbeiten, die andere aber tat es weiterhin als ein Absurdum ab. Kein Mucks kam über seine Lippen. „Ich bin mal in so ne Schlägerei geraten und hatte nen Veilchen. Dadurch konnte ich einen Job nicht machen und es gab mächtig Ärger mit der Agentur. Inklusive Vertragsstrafe aus eigener Tasche. Daher hab ich sofort danach eine Versicherung gemacht. Mein Aussehen ist eben mein Kapital.“ Es herrschte weiterhin Stille und irgendwann schüttelte Taka ungläubig seinen Kopf. „Du hörst dich schon genau so an wie die reichen Snobs aus dem Fernsehen.“ „Meine Beine und mein Arsch sind auch versichert!“ „Sag das nicht so, als wäre das was Tolles!“, entfuhr es Taka und er rutschte auf der Holzbank ein Stück nach unten. Er konnte es nicht fassen über was sie sich hier gerade unterhielten. Und augenscheinlich konnte es Kou nicht fassen, dass es eben nicht wahnsinnig großartig war, Versicherungen für einzelne Körperteile für den Ernstfall zu haben. „Ich erkenn dich gar nicht wieder. Wann hast du dich bitte so verändert?“, hakte er nach. Selbst wenn er die Frage an sich selbst gerichtet hatte, nahm der großgewachsene Mann es als Aufforderung diese zu beantworten. „Ich bin immer noch der Gleiche von damals. So viel hat sich gar nicht verändert“, startete er den erbärmlichen Versuch, den Blonden vom Gegenteil zu überzeugen. „Ja, nur dass du dich nicht mehr meldest, eine Affäre nach der anderen hast, die selbstverständlich im TV weltweit breitgetratscht wird und du Versicherungen für dein Gesicht, deine Beine und deinen Allerwertesten hast. Irgendwas vergessen?... Schönheits-OPs?“, erkundigte sich Taka, folgte dabei den hot news aus den alltäglichen TV-Sendungen. „Na ja… An Lippenaufspritzen hab ich mich noch versucht. Aber ich hab die Nachbehandlungscremes nicht vertragen, direkt ne allergische Reaktion gehabt und bin dann tagelang mit Schlauchbootlippen durch die Gegend gerannt. Das sah vielleicht scheiße aus. Seitdem lass ich die Finger davon!“ „Das war ne rhetorische Frage. Aber ja… Danke für die Info.“ Wäre es möglich gewesen, wäre Taka noch weiter auf der Bank nach unten gerutscht. Das waren solche Momente, in denen er weder die Welt noch die Zeit verstand. Und er war also glücklich mit seinem scheiß kleinen Leben in dem er seine Miete zahlen konnte, sein Kühlschrank gefüllt war, der zweimonatliche Frisörbesuch ebenso gesichert war und ab und an Geld übrig blieb für etwaige Vergnügungen oder um seine Süchte in Form von Merchandise und Kosmetik sowie Klamotten zu befriedigen? Wie negativ sich die Welt doch in den letzten Jahren entwickelt hatte. Klar blieben die Unsicherheiten des Lebens allgegenwärtig, aber man musste damit zurecht kommen und nicht davor flüchten. Es gab Zeiten, die waren scheiße, er fühlte sich dann scheiße, minderwertig und was nicht noch alles und der bittere Beigeschmack der Verluste aus der Vergangenheit ging nie ganz weg, aber er wurde meist von anderen, stärkeren Eindrücken überlagert und nur in Momenten wie diesen kam er wieder zum Vorschein. Trotzdem hielt er nichts von diesen merkwürdigen Anwandlungen der sogenannten high society. Das was Kou hatte, waren first class Probleme. Nichts, mit dem er sich identifizieren konnte oder wollte. Taka legte seinen Kopf in den Nacken und bettete seinen Hinterkopf auf der Rückenlehne der Bank, die nach wie vor unbequem war. Das Ungetüm im Fleischmantel seines langjährigen Freundes ihm gegenüber war einfach nur nervtötend. „Was denn nun schon wieder?“ „Du nervst…“ „Warum?“ „Siehst du? Das merkst du gar nicht! Anscheinend hat dir das Botox oder was auch immer die spritzen dir auch noch das Hirn vernebelt. Guck dich doch mal an!“ „Taka! Werd hier mal nicht unfair! Ich weiß ganz genau, wie ich aussehe und das ist alles harte Arbeit gewesen.“ „Ja, harte Arbeit, gewürzt mit ein paar Skandälchen und kalt serviert. Ich versteh schon. Sag mir, wann es Zeit ist das Foto zu veröffentlichen auf dem du stockbesoffen in deiner eigenen Kotze liegst!“, sagte Taka zynisch, um dem anderen mal klar zu machen, dass er auch nur mit Wasser kochte. Entnervt setzte er sich auf und erkannte nun auch den missmutigen Blick des anderen, in dem aber immer noch Nachsicht lag. „Genug davon. Wir sind wegen etwas anderem hier!“, lenkte Kou ein und trank selbst einen großen Schluck von seinem Bier. Wie immer danach leckte er sich den Schaum von der Oberlippe. „Sind wir. Aber auch Akira hätte dir den Arsch aufgerissen, wenn er dich so hätte reden hören!“ Takas Lippe bebte bei der Erwähnung dieses Namens und er presste seine Lippen aufeinander, um dies zu unterbinden. Es versetzte ihm immer noch Stiche. „Wie geht deine Therapie voran?“ „Hab ich abgebrochen. Vor über einem Jahr!“, erklärte Taka kaltschnäuzig, hatte sich sofort wieder gefangen. „Aber das letzte Mal hast du doch gesagt, dass…“ „War gelogen!“, unterbrach der Blonde seine Begleitung unmittelbar. „Aber…“ Nun war es an Kou Unverständnis aufzubringen. „Es hat nicht geholfen, okay? Ich bin da drei Jahre hingegangen und habe geredet und geredet und geredet. Nichts hat sich verändert und letztendlich hat mich meine Arbeit so sehr in Beschlag genommen, dass ich die Termine verschieben musste oder ich hab sie komplett vergessen. Und irgendwann war es nicht mehr wichtig dahin zu gehen. Hatte ja sowieso nichts an der Situation geändert. Ich komm schon klar!“ „Okay, wenn du das so sagst, dann glaube ich dir.“ So ganz Wohl war Kou bei der Sache dennoch nicht. Trotzdem hatte Takas Tonfall in dieser Angelegenheit einfach keinen Widerspruch zugelassen. Wenn er es sich nicht ganz mit ihm verscherzen wollte, dann sollte er den Ball flach halten. „Wie läuft es mit der Arbeit?“, fragte Kou nach in der Hoffnung damit ein weniger sensibles Thema anzusprechen. „Viel zu tun und stressig.“ „Das heißt dann gut?“ „Ist doch gut, wenn viel zu tun ist.“ Taka zuckte mit den Schultern. „Dann ist der Arbeitsplatz gesichert.“ Er rollte mit den Augen. „Aber ehrlicherweise kotzt mich der Job an. Sie haben das Konzept geändert. Wir machen jetzt Mode für Kinder. Damit kann ich nichts anfangen. Da sind ganz andere Faktoren wichtig. Bequemlichkeit, die Stoffe müssen sich leicht reinigen lassen, praktisch für den Alltag. Sowas halt. Das liegt mir nicht. Ich habe mich auf Fashion spezialisiert, nicht aber auf alltäglich und dem Entfernen von Kakao und Breiresten.“ Taka fuhr sich durch die blonden Haare. „Kannst du nicht wechseln?“ „Schlauberger. Klar hab ich alles dran gesetzt, dass ich irgendwie da raus komme. Ist ja nur natürlich, dass man was ändert, wenn es einem nicht mehr passt. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Gerade weil so viel zu tun ist, komm ich da nur schwerlich raus. Interviews wahrnehmen ist ein Ding der Unmöglichkeit, weil ich frei bräuchte und das gibt’s aktuell nicht. Gerade jetzt hab ich auch nur Urlaub bekommen, weil der bereits seit Ewigkeiten abgenickt worden war und ich bereits den Aufstand geprobt habe, sollte sich daran etwas ändern“, gab Taka einen weitreichenden Einblick in seinen alltäglichen Wahnsinn. „Wenn ich irgendwie helfen kann, dann sag Bescheid!“, bot der andere an. „Meine Kontoverbindung hast du? Vorerst würden eine Millionen Yen genügen…“, kam prompt die trockene Antwort von Taka. Das Nicken des anderen aber wusste er nicht zu deuten. Er konnte es ernst gemeint haben oder es war einfach nur ein Reflex. „Lass stecken!“, sagte er dann jedoch. Sicher war sicher, ehe der andere sein Scheckheft noch zückte. „Ich hab bereits eine Versetzung beantragt. Ich weiß nicht, ob das dann besser wird, aber ich versuch es einfach mal. Und was ist mit dir?“, versuchte Taka das Gespräch wieder von sich wegzulenken. Er mochte es nach wie vor nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Das unterschied ihn grundlegend von seinem langjährigen Freund Kouyou Takashima, Model, Muse eines international bekannten Designers, sowie angehender Schauspieler in Hollywood und Gesicht der Beautymarken X, Y und Z. Oder wie Taka es gern betitelte angehender it-boy mit aufstrebenden Ambitionen als Skandalnudel. „Ich kann mich nicht beklagen. Hier und da ein paar Modeljobs oder Gast bei Veranstaltungen und Partys. Zuletzt hab ich einen Werbespot für Müsli in Amerika gedreht. Alles im Rahmen von Superfood. Aber ich sag dir, lass die Finger davon. Ich weiß nicht, was sich der Hersteller einbildet, aber das Zeug schmeckt wie eingeweichte Pappe.“ Kou schüttelte sich demonstrativ. „Ansonsten steht demnächst ein Filmdreh an. Das ist voll cool. Wird eine Actionproduktion. Aber is auch so ein bisschen wie ein Krimi aufgebaut. Spannung und Explosionen und haste nicht gesehen! Alles vom Feinsten! Genaueres darf ich natürlich nicht verraten. Alles top secret.“ Sprudelte es nur so aus Kou heraus und prallte an dem kleinen Blonden ab. “Was spielst du da? Eine Leiche?”, erkundigte sich Taka trotzdem. Er wollte sich schließlich kein Desinteresse vorwerfen lassen, wenn ihm schon die Sache mit den Versicherungen sowas von am Arsch vorbei ging. „Nein, nein, natürlich nicht! Also geplant sind 3 Szenen mit mir. Ich spiele einen Büroangestellten. Ich habe ne Affäre mit meiner Chefin. Natürlich die Hauptdarstellerin und ein total heißes Ding. Danach aber werd ich verfolgt und joahr… in der dritten Szene geht ne Bombe hoch und…. Uhm….“ „Du gehst drauf?“, schlussfolgerte Taka. „Hm…. Ja…..“, murmelte Kou und verzog etwas seine Lippen. „Also spielst du doch ne Leiche. Da hatte ich doch gar nicht so Unrecht!“, brachte er es auf den Punkt, nur weil er Angriffsfläche bei Mr. Perfect gewittert hatte. „Nein, ich spiele einen Büroangestellten, der benutzt und verfolgt wird….“, kam ein weiterer Versuch einer Verteidigung. Natürlich verlief auch dieser im Sand. Doch das brachte Taka zu etwas anderem. „Da du es gerade erwähnst. Irgendwie hab ich auch das Gefühl, dass ich verfolgt werde.“ „Häh?“ Taka hob aus dem Affekt beide Hände und atmete entnervt durch. Manchmal glaubte er wirklich, Kou war dumm. „Na ja“, begann er, „es ist nur so ein Gefühl, aber seit so ca. 2 Wochen habe ich das Gefühl, dass ich verfolgt werde. Es hat zu meinem Geburtstag angefangen. Du weißt ja, ich wohn in nem Hochhaus. Da geht doch immer ziemlich viel vor sich und auch Leute nachts ein und aus. Ich bin jedenfalls mit der letzten Bahn nach Hause gekommen und auf direkten Weg in mein Bett geschlurft. Weil ich so fertig war, bin ich auch sofort eingeschlafen. Aber gegen 3 Uhr bin ich aufgewacht, weil irgend so ein Spast an meiner Tür gekratzt hat. Also wie so ein Tier, dass auf sich aufmerksam machen will. Ich hab mich rumgedreht und weitergepennt, weil ich dachte, dass nichts war. Dann geh ich morgens aus der Tür raus und stolper halb über nen alten Karton, der direkt vor der Tür stand. Den hab ich natürlich weggetreten, weil ich bin ja keine Müllabfuhr!“, erklärte Taka in seiner charmanten Art. „Aber du wirst doch nicht gleich verfolgt, nur weil jemand seinen Müll vor deiner Tür ablegt.“ „Lass mich weitererzählen. Es kommt ja noch mehr.“ Kou deutete dem Kleineren an, fortzufahren. „Ich bin zur Arbeit gegangen und da hatte ich dann das Gefühl, dass mir nen Motorradfahrer bis zur Station gefolgt ist. Dort hat der dann gedreht und ist wieder losgefahren. Was auch immer. Auf Arbeit war alles normal und daher hab ich den Mist vergessen. Es gab Geschenke und O-Saft zum Anstoßen, sowie ne Torte von den Kollegen und alles war gut. Abends bin ich dann früher nach Hause. Also Geburtstagsbonus. Außerdem hatte ich abends noch was vor. Als ich zu Hause angekommen bin, lag meine komplette Post vor dem Briefkasten. Als wenn sich jemand daran bedient hätte, alles durchgeguckt und dann den Bündel auf den Boden gepfeffert hat.“ „Meinst nicht dem Postboten ist das runtergefallen oder er war so voll, dass die Klappe vorn auf gegangen ist?“ „Waagerecht kann nichts fallen. Außerdem lag ja komplett alles draußen. Werbezettel, Rechnungen, Postkarten, sogar der Geburtstagsbrief meiner Eltern.“ „Hat denn was gefehlt?“, erkundigte sich Kou. „Ja, eine Geburtstagskarte von dir, Schlaumeier!“, keifte Taka zynisch zurück und entete einen geschockten Blick. „Ich weiß nicht, ob was gefehlt hat und von deiner Reaktion leite ich einfach mal ab, dass du nie eine geschrieben hast.“ Etwas schuldbewusst sah der Größere schon aus, da er aufgrund dieser Kritik auch nicht einzuschätzen vermochte, ob es Ernst war oder doch nur wieder so dahingesagt. „Ich hab keine geschrieben. Es war stressig. Der Müslidreh, dann andauernd Termine. Da vergisst man die Zeit. Ich hatte deine Adresse ja auch gar nicht mehr. Du bist doch umgezogen und dann auch noch die Zeitverschiebung!“ „Ja, ja, ich weiß schon, warum du jetzt Schauspieler wirst. Nie um eine Lüge verlegen und dabei wirst du nicht mal rot.“ Taka drehte sich zur Seite und schlug wieder seine Umhängetasche auf. Aus dieser holte er zwei Visitenkarten und schob sie über den Tisch. „Beruflich! Privat!“, deutete er den Unterschied zwischen den beiden Kärtchen an. „Überall zu erreichen! E-Mail, telefonisch, telefonisch auf Arbeit, im Büro oder auch zu Hause, notfalls noch über Social Media und ach ja: Messenger! Weißt du, da gibt’s nun auch solche Apps, die kann man nutzen, um anderen kurze Mitteilungen oder Romane zu schicken. Aber kennst du bestimmt, wenn du dich auch mit Superfood auskennst!“, kritisierte Taka harsch die Verhaltensweisen seines langjährigen Freundes. Aber wie sagte man so schön: aus den Augen, aus dem Sinn. In der heutigen Zeit war das noch viel verbreiteter als damals. Wenn da keine eigenen Ambitionen kamen Kontakt zu halten, dann vergaß man seine sogenannten Freunde und Befürworter ganz schnell und verlor sie aus den Augen. Segen und Fluch zugleich. „Danke. Anspielung verstanden. Ich überleg mir noch was!“, versicherte Kou. „Musst du nicht. Ich will nichts. Es geht mir nur ums Prinzip! Ich hab deinen Geburtstag nie vergessen. Nie, seitdem du 5 geworden bist!“ „Tut mir wirklich aufrichtig leid!“ „Ja, ja... Ich weiß schon. Was auch immer. Zurück zu meiner Post. Die lag jedenfalls auf dem Boden rum und jeder Briefträger hätte die wohl aufgehoben und in den Briefkasten gepackt. Von daher muss da jemand dran gewesen sein – absichtlich!“ Taka nahm einen Schluck von seinem Wein, da sein Mund von dem ganzen Gerede total trocken geworden war. „Ich weiß nicht, ob irgendwas gefehlt hat. Immerhin bin ich erst von der Arbeit gekommen. Danach bin ich in meine Wohnung und vielleicht ne Stunde später hat es bei mir geklingelt. Also unten an der Tür. Ich hab geöffnet, aber niemand kam zu mir. War schon merkwürdig. Das Spielchen hat sich mehrmals wiederholt. Bestimmt so 3 Mal, dann war es mir zu blöd und ich bin gar nicht mehr rangegangen. Außerdem musste ich mich fertig machen für mein Date!“ „Dein Date?“, hakte Kou jetzt aber auch mal nach. Eines musste man ihm lassen, Taka konnte Geschichten gut ausbauen und künstlich in die Länge ziehen, ohne dass es langweilig wurde an seinen Lippen zu hängen. „Hn… Date!“ Taka wippte wissend mit seinen Augenbrauen, fuhr aber unbeirrt mit seiner Erzählung fort. „Gegen 7 fing das Spielchen mit den Klingelstreichen dann wieder an. Mann, war ich genervt. Aber dann hat mein Handy geklingelt und Kloe hat mich angerufen, warum ich nicht auf mache.“ Taka wippte mit dem Kopf in und her. „Kloe?“ „Mein Date!“ „Dachte ich mir…“ Taka mochte es nach wie vor nicht, unterbrochen zu werden. „Wir sind dann Essen gegangen. Er hat einen Tisch reserviert in nem Restaurant. War ganz cool.“ Jetzt ließ der Kleinere dem Model eine Pause für etwaige Fragen. „Reden wir jetzt noch über diese Verfolgungssache?“ „Nein! Ich reibe dir gerade unter die Nase, dass ich einen Freund habe, der mit mir zu meinem Geburtstag, den du vergessen hast, romantisch essen war und mir dann eine unvergessliche Liebesnacht bereitet hat!“ So, der hatte gesessen. Jedenfalls hoffte Taka das. Er hatte trotzig seine Arme vor der Brust verschränkte und genoss es, wie die Kinnlade von Kou auf den Tisch knallte. Ob das auch die Versicherung übernahm? „Du hast… einen Freund? Und bist schwul? So richtig?“ „Ich weiß nicht, wie man falsch schwul sein kann, aber ja, ich habe einen Freund, lebe in einer homosexuellen on-off-Beziehung und meine Eltern sind voll im Bilde.“ „Fuck! Taka! What happened?“, fiepte Kou regelrecht schon hysterisch. Der Kleinere aber hob seine Hand, um die Aufmerksamkeit des Barmanns auf sich zu ziehen, was überhaupt nicht mehr nötig war, da die Eunuchenstimme des angehenden Schauspielers eh schon die gesamte Aufmerksamkeit auf sie gezogen hatte. „Zwei Kurze bitte.“ Taka sah zu seinem Freund, dann wieder zur Bar. „Okay, machen Sie drei draus!“, entschied er sich. Diese Reaktion kannte er doch schon. Allgemeine Akzeptanz und das wunderbare Verhalten, wenn das Absurdum Einkehr in das eigene Leben fand. Taka liebte Menschen. Sie waren so schön einfältig und dumm und engstirnig. Eigentlich konnte man gut ohne sie leben. Mit ernstem Blick sah er den Schauspieler an. Er wollte nicht, dass auch nur ein Zweifel an dem, was er zu sagen hatte, entstand. „Ja, ich bin schwul. Ja, mir sind Frauen egal. Es interessiert mich nicht, wie hübsch sie oder wie groß Ihre Titten sind. Dennoch sehe ich mir Frauen auch sehr gern an. Nein, ich trage privat keine Frauenklamotten und auch keine Highheels. Ich möchte weiterhin als Mann wahrgenommen werden. Ich möchte irgendwann Kinder haben und nein, ich will dazu nicht mit einer Frau schlafen müssen. Abspritzen in einen Becher genügt. Männer sind in meinen Augen attraktiv und ästhetisch. Trotzdem spreche ich ganz normal mit allen Menschen und mache keine schwulen Bewegungen oder laufe arschwackelnd durch die Straßen. Genau so wenig kaufe ich mir einen Kerl zum ficken und ich springe auch nicht jeden hübschen Jungen an, der mir gefällt, noch übe ich irgendwelche verwerflichen Sexpraktiken aus. Ich habe kein Aids und bin vertraut mit der Anwendung von Kondomen. Homosexualität ist nicht ansteckend sondern eine Entscheidung, die man für sich trifft. Wenn du noch weitere Fragen hast, dann raus damit! Und weil du so auf Aussehen fixiert bist: es seht unglaublich dämlich aus, wie du mit offenen Mund dasitzt und mich anstarrst als sei ich ein Alien!“ Es war gut, dass der Schnaps bereits vor ihnen auf dem Tisch stand. Innerhalb von ein paar Sekunden waren die drei Gläser leer und Kou hustete aufgrund des hohen Alkoholgehalts. „Und? Ersten Schock verdaut oder brauchst du noch einen Moment?“ Natürlich war die Fürsorge zum Großteil geheuchelt. Er hatte kein Verständnis dafür, musste es aber immer wieder aufbringen. „Eh ja…. Geht schon. Also…. Du… du… bist…“ „Schwul! Homosexuell! Ich fahre auf Männer ab! Vom anderen Ufer! Nenne es wie du willst. Aber gib „ihm“ einen Namen!“ Das sollte bekanntlich ja helfen das große Unbekannte vertrauter zu machen. „Okay… ja, cool. Ich kenn da einige Designer, die…“ „Lass gut sein! ICH bin schwul. Nicht irgendein Bekannter von dir. Kein Politiker. Kein Schauspieler oder sonst wer aus dem Fernsehen. Ich bin es! Takanori, mit dem du zusammen ein Bett geteilt hast, mit dem du zusammen nackt baden warst, mit dem du aus einer Flasche getrunken hast, der Taka, der dich sturzbesoffen Heim gebracht hat und nicht wie ein wildes Tier über dich hergefallen ist, obwohl er es gekonnt hätte!!“ „Du hättest doch nicht wirklich, oder?“ „DOHOCH!!!“, zog Taka das Wort künstlich in die Länge. „Ich meine, deinen Arsch haste ja nicht umsonst versichern lassen!“ Er grinste teuflisch vor sich hin. Oh ja, dieses Wissen würde er noch sehr häufig gegen Kou verwenden. „Aber im Ernst, hast du verstanden, was ich dir damit sagen will? Nur weil ich für mich und mein Leben entschieden habe, dass ich mit einem anderen Mann zusammenleben möchte, heißt das noch lange nicht, dass sich irgendwas ändert.“ „Daher hattest du nie eine Freundin!“, kam die Erkenntnis von Kou relativ spät und Taka schlug sich die Hand vor die Stirn. Kurzzeitig hatte er seine Fassung verloren. „Doch, hatte ich sehr wohl! Aber der Sex war schlecht. Ich habe mich danach schlecht gefühlt. Das war nicht das, was ich wollte. Zuerst dachte ich, es lag an ihr, aber eigentlich lag es nur daran, dass mein Körper mit signalisieren wollte, dass er etwas anderes brauchte und wollte.“ Gerade zweifelte Taka daran, ob diese Spontanentscheidung seinem Freund von seiner sexuellen Orientierung so zwischen Tür und Angel bei einem Treffen zu erzählen, eine Gute war. Taka beobachtete, wie Kou schwer schluckte und nervös mit seinen Fingern spielte. Ob der Schock wirklich so groß war? „Mir geht es damit besser. Einiges ist komplizierter geworden, einiges viel einfacher. Aber das Wichtigste ist, dass ich mit mir selbst im Reinen bin.“ „Ich verstehe. Tut mir leid, dass…. Dass…. Meine Reaktion war doof. Aber es kam gerade so unvorbereitet und… ich habe kein Problem mit Schwulen, okay? Also versteh das nicht falsch, aber….“ „Es ist immer etwas anderes, wenn es das eigene Umfeld unmittelbar betrifft. Jap, die Leier kenne ich auch schon!“, fiel Taka seinem Gegenüber ins Wort. Der nickte ihm nur bekräftigend zu. Dennoch schien er weiterhin nervös zu sein. „Ich hatte ja ab und an schon mal das Gefühl, dass…………………“, versuchte der Größere nun wieder den Faden aufzunehmen. „Was?“ „Du und Akira!“ „Ganz dünnes Eis!“, blockte Taka das Thema sofort. „Aber… Da war doch was, oder nicht?“, ließ sich Kou jedoch nicht so schnell abwimmeln. „Selbst wenn, er ist tot!“, wurde Taka sofort wieder wütend und schnaubte. „Sorry. Das war… unüberlegt von mir.“ Verbissen starrte Kouyou die Tischplatte an, während der Alkohol seinen Körper zum Glühen brachte. „Willst du mir dann weiter von deinem Freund erzählen? Wie lange geht das schon mit euch?“, versuchte das Model nun wieder seinen langjährigen Freund zum Reden zu bewegen. Nur der Zug schien abgefahren zu sein. „Ein halbes Jahr. Die Wahrheit ist: Er spielt in einer kleinen Punkrockband oder was auch immer die für Musik machen. Ich hatte die Aufsicht bei dem Shooting, bei dem er eines der Models war. Die Firma bei der ich arbeite hat viele verschiedene Marken unter Vertrag und es gab einen Engpass. Da bin ich eingesprungen. So haben wir uns kennengelernt und ich glaube, er denkt immer noch, dass ich eine große Nummer in der Firma bin und ihn mein Kontakt weiterbringt. Wir treffen uns regelmäßig oder telefonieren. Aber die große Liebe ist es bestimmt nicht. Ich steh aber auf seinen Style und sein Schmollmund ist einfach klasse.“ Taka zuckte mit den Schultern. „Hast du nicht eben gesagt, es geht nicht nur um Sex?“ „Geht’s ja auch nicht. Wir treffen uns ja auch ab und an so. Ich mag ihn schon, nur das ist kompliziert in der Szene in der er steckt. Da lauern viele Fallen, Im Prinzip gefällt er mir ja. Wenn es länger geht, super, aber ich glaube, da muss sich in unser beider Leben noch viel tun, damit das auf lange Sicht funktionieren kann. Wenn du möchtest, stelle ich ihn dir gern mal vor!“, bot Taka an. Natürlich hatte er im Hinterkopf, dass Kou eh total beschäftigt war und sicherlich morgen früh bereits wieder im Flieger nach L.A. oder Timbuktu saß. „Klar, warum nicht. Vielleicht kann ich ihm dann helfen.“ „Und du glaubst, das wäre in meinem Sinne?“, motzte Taka auch gleich wieder los. „Nicht?“ Die Verwirrung schien dem Größeren ins Gesicht geschrieben. „Mah… Ich weiß auch nicht. Siehst du. Das ist ein Teil, der es so kompliziert macht. Wir haben was am Laufen, aber er steht so ziemlich jede Woche auf der Bühne in irgendwelchen Clubs. Nicht nur hier in der Stadt. Sie touren richtig. Andauernd wird er von irgendwelchen Weibern angehimmelt. Wenn wir uns länger nicht mehr gesehen haben, muss ich ihn erstmal wieder auf den Boden der Tatsachen holen. Meistens quatscht er dann stundenlang, was er für Geschenke zugesteckt bekommen hat und wie sie ihn mit Komplimenten überhäufen. Schein und Sein. Wenn er berühmter wird, will er mich sicherlich irgendwann auch nicht mehr.“ Taka rollte mit den Augen. Er wusste nicht, ob Kou diese Art der Zweifel verstehen konnte. „Verstehe ich das jetzt richtig: Du hast ihm auch nicht gesagt, dass du gar keine… Wie hast du dich ausgedrückt? Große Nummer?....“ „Nein, ich hab ihm nicht gesagt, dass ich nur als kleiner, unterbezahlter Designer für Kindermode arbeite. In diesem Falle war es leichter sich hinter der Lüge zu verstecken und er interessiert sich zum Glück nicht großartig für das was ich mache. Und wenn er Fragen hat, dann erklär ich ihm den Kram, den ich mache auch. Weißt doch, das hört sich meistens viel spannender an, als es eigentlich ist, wie „Designs für die neue Kollektion erstellen“ oder eine „Auswahl an den geeigneten Stoffen für die neue Modelinie treffen“. Niemand würde checken, dass das die banalsten Arbeiten sind, die dazu gehören.“ Taka lag es fern sich schlecht zu machen, weil er genau wusste, was er drauf hatte, aber trotzdem hatte er einen Hang dazu die Wahrheit noch ein Wenig aufzuhübschen. Es verkaufte sich einfach besser. Da waren sie wieder bei der Sache mit dem Schein und Sein. Er konnte davon auch ein Lied singen. Kou wohl genau so. Doch wer wollte sich vor der Öffentlichkeit schon die Blöße geben? Oder Eingeständnisse vor jemanden machen, den man beeindrucken wollte? „Na, der muss ja ne heiße Nummer sein, wenn du so drauf bist.“ Taka langte in die Tasche seines Mantels, der neben ihm lag und öffnete ohne große Mühe seine Fotogallerie auf seinem Smartphone. Dieses schob er dem anderen hin. Sofort weiteten sich dessen Augen. „Na holla. Das ist ja ein Hübscher.“ Der Blonde lächelte zufrieden. Dieses Kompliment galt nicht nur seinem Freund sondern auch ihm selbst. Schließlich hatte er sich den Hübschen ja ausgesucht. „Also das ist echt mal ne Augenweide. Kann ich weiterblättern?“ „Nur zu!“, forderte der Besitzer des Smartphones das Model auf. „Ohlala… Der trägt aber auch ganz schön knappe Höschen. Lack und Leder. Wusste gar nicht, dass du auf sowas stehst?“ Taka machte eine abwinkende Bewegung mit der Hand. „Das ist es nicht. So krieg ich ihn eigentlich nur zu Gesicht, wenn ich auch zu seinen Auftritten gehe. Das ist für die Bühne und gehört zum Image der Band. Man muss sich von der breiten Masse abheben und irgendwas machen, das die Aufmerksamkeit erregt. Ein Instrument spielen reicht heutzutage nicht mehr. Die Kiddies wollen etwas sehen für ihr Geld. Und damit meine ich nicht nur nackte Haut oder außergewöhnliche Outfits. Der Sänger von denen knutscht auch ab und an Fans ab oder seine Bandkollegen. Alles nur, um aufzufallen. Die sind wie Fleisch. Man wird verwurstet solange es geht und zack, dann landet man auf dem Müll. Das Business ist scheiße.“ Kou klickte sich durch die verschiedenen Bilder von Takas Freund, besah sich den Jungen in den verschiedensten Outfits. „Wäre es dir denn lieber, wenn er das aufgibt? Du klingst gerade verbittert“, fiel Kou auf. Dabei war er es wohl, der diese Situation am besten verstand. Schließlich schwamm er im gleichen Haifischbecken. „Ich weiß nicht. Ich gönne ihm den Erfolg. Ich mach mir nicht viel aus diesem ganzen Hype und hänge ziemlich an der Realität. Aber er ist da in eine Sache rein geraten, aus der er nicht so einfach wieder rauskommt. Er muss selbst entscheiden. Meine Meinung spielt dabei keine Rolle.“ „Du klingst echt verbittert. Sag doch, was dir am liebsten wäre!“ Taka lächelte leicht, senkte seinen Blick. „Mir wäre es am liebsten, dass das von damals gar nicht erst passiert wäre. Dann wären wir drei jetzt sicherlich immer noch zusammen und würden nicht hier sitzen und über unwichtige Dinge quatschen!“ „Taka…“ Kou klang schon etwas gequält. „Schon gut. Belassen wir es dabei. Nen hübschen Freund hast du. Wenn ich wieder mal in der Stadt bin, dann müssen wir unbedingt zusammen weggehen. In einen Club oder so.“ Das Smartphone wanderte zu seinem Besitzer zurück, der es unmittelbar wieder einsteckte. „Können wir gern machen, wenn es der Terminkalender zulässt. Wie sieht dein Plan denn aus?“ „Ich nehm mir von hier aus ein Taxi zum Flughafen. Mein Manager wartet dort auf mich. Gegen 6 geht’s direkt weiter nach Sapporo. Ist nur ein kleines Shooting im Schnee.“ „Verstehe. Du bist nach wie vor ein schwer beschäftigter Mann.“ Taka lächelte leicht. „Pass ja auf dich auf, nicht dass du dir noch eine Erkältung holst. Sonst wird’s nichts mehr, mit Leiche spielen!“, zog Taka seinen Kumpel wieder auf, griff aber ein weiteres Mal in seine Tasche und holte drei Magazine und einen Umschlag heraus. Er schob bereits die Magazine zu dem anderen hin und reichte ihm schließlich einen Lackstift in Gold. „Dein Ernst?“, fragte Kou, als er das Cover der ersten Zeitschrift sah. „Klar doch. Bitte signieren und am besten ganz individuell halten. So, dass es auf Auktionsseiten viel einbringt!“ „Gott, Taka, du machst mich fertig.“ Kou wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Diese Dreistigkeit passte aber total zu seinem Freund. „Das mache ich nur, weil ich dich so gern hab!“ „Ich hab hier auch noch 10 Photocards. Die dann bitte auch!“ Taka grinste sich einen ab. So begeistert schien Kou davon aber nicht. Schließlich bettelte sein Kindergartenfreund gerade nach Autogrammen. „Sieh es als nachträgliches Geburtstagsgeschenk. Das stimmt mich auch wieder versöhnlicher und ich denke, dass ich über deinen Fehltritt hinwegsehen kann.“ „Du bist ne miese kleine Ratte, Taka!“ „Irgendwie muss ich auch über die Runden kommen. Ich bin schließlich nur ein kleiner Designer, der auf seinen Durchbruch wartet. Und noch dazu finde ich es nur fair, wenn du das für mich machst. Akira hätte es so gewollt. Und im Endeffekt landen die dann eh bei deinen allergrößten Fans…“, redete der Blonde seine Marktstrategie schön. „Du verlangst Geld für meine Unterschrift…“ „….die du mir gern gegeben hast und echten Fans ist das viel Wert. Immerhin hast du den Stift gehalten, der Unterschrift eine persönliche Note gegeben und dein Herzblut investiert. Was kann ich dafür, dass du so angesagt bist?“ Natürlich sah er in dieser Sache keine Schuld und verwerflich war es bestimmt auch nicht. Solange er ein reines Gewissen hatte. „Du willst also auch etwas vom Kuchen ab haben?“ „Ich sage nur: „Was wird Kouyou denn jetzt nur machen? Er hat sich seit dem 14. nicht mehr gemeldet. Hoffentlich geht es ihm gut und hoffentlich isst er auch vernünftig. Was, wenn die ihn nicht gut behandeln? Und er war so lange nicht mehr zu Hause. Wenn er wieder mal hier ist, dann koche ich ihm sein Lieblingsessen.“ Wissend blickte Taka in das Gesicht des Models. „Okay, okay, du hast gewonnen! Ist in Ordnung. Und richte Mum aus, dass es mir leid tut, dass ich so lange nicht nach Hause konnte. Ich versuch es bald einzurichten.“ Reumütig sah er auf die signierten Photocards. „Und wenn, dann bitte ohne einen erneuten Skandal. Was war denn da neulich überhaupt los mit dieser einen komischen Schauspielerin? Die hat doch behauptet, da lief was zwischen euch auf so nem Empfang und ihr hättet es in der Küche des Hotels getrieben…“, versuchte sich der angehende Designer zu erinnern, traf damit aber einen Nerv. „Hör mir auf mit der Schrapnelle. Ehrlich, die kann mich mal kreuzweise. Alles erstunken und erlogen. Ich war ein paar Mal mit ihrer Schwester aus. Die beiden wohnen zusammen. Die hat andauernd gebaggert und ich hab sie abblitzen lassen und dann hat die mir bei dem Empfang eine Szene gemacht und behauptet, dass wir was miteinander am Laufen hätten und ich sie mit ihrer eigenen Schwester betrogen hätte. Zack, schon war der Skandal fertig und ich stand da wie der letzte Depp.“ Taka grinste vor sich hin, schnappte sich eines der Autogramme und wedelte mit der Karte in der Luft herum, damit die Signatur trocknete. „Du Armer. Ein Grund mehr die Weiber in den Wind zu schießen. Kerle sind nicht solche intriganten bitches!“ Siegessicher warf Taka dem anderen einen wissenden Blick zu. „…das sagst du…“ Totale Resignation auf Seiten des Models. Kapitel 2: ----------- Undone Kapitel 2 „Bist du denn sehr traurig, dass du die Rolle nicht bekommen hast?“ „Es wäre schon cool gewesen. Ich meine, das war nen Sportshooting! Eigentlich das, wofür ich die ganze Zeit trainiere!“ Taka verzog sein Gesicht. „Na ja, es sollte halt nicht sein und es ist schon okay, wenn Kou-chan den Zuschlag bekommen hat. Seine Familie kann die Kohle auch gut gebrauchen.“ Akira kratzte sich am Nacken. Das missmutige Gesicht mit dem er bei seinem Kumpel aufgetaucht war, war bereits wieder vergessen. „Hn? Wie kommst du denn drauf?“, wollte der Kleinere der beiden aber nun wissen. „Er hat mir neulich erzählt, dass er gar keinen Vater mehr hat. Und das Yamato-san eigentlich nur ein Freund der Familie ist.“ „Ach so. Das meinst du.“ Nun fiel es auch Taka wieder ein. „Hm, ich kenne seinen Vater auch nicht. Er ist wohl gestorben, als er klein war. Zwei oder Drei. Kou hat mir mal erzählt, dass er Feuerwehrmann war und bei einem Einsatz ums Leben gekommen ist. Daher wollte er auch immer Feuerwehrmann werden. Eben wie sein Vater! Was ist dein Vater denn von Beruf?“, fragte Taka nach. Die knapp 3 Jahre, die sie sich kannten waren nichts im Vergleich zu der Zeit, die er bereits mit Kouyou auf dem Buckel hatte. Allerdings schien Akira die Frage nicht zu gefallen. „Er ist Geschäftsmann.“ Akira hatte seine Finger in die Luft gehoben und deutete Anführungszeichen an. Gerade wollte der kleine Blonde nachfragen, was das zu bedeuten hatte, da ergriff der andere wieder das Wort. „Und nein, ich will ganz sicher nicht so werden wie er. Nie im Leben! Lieber bring ich mich um!“ Der feste Blick von Akira verdeutlichte nicht nur, wie ernst ihm diese Aussage war, Taka meinte darin noch etwas anderes lesen zu können. Es vermittelte den Eindruck von Traurigkeit aber auch von Angst. „Aber Feuerwehrmann ist cool. Er könnte Leben retten!“ Wieder zeigte Akira seine weißen Zähne, als er seinem Gegenüber ein ehrliches Lächeln schenkte. Ein wenig verdutzt hielt der Jüngere der beiden inne. „Eh… schon“, erwiderte Taka nachdenklich und zog sein Lieblingskissen enger zu sich und schlang seine Arme darum. „Aber nun ist das Schnee von gestern. Seitdem du hier aufgetaucht bist hat sich viel getan. Nun wird er Model. Model für…. Was war es nochmal? Surfbretter?“ Ein Lachen konnte sich Taka nun auch nicht verkneifen. „Du siehst aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen!“, lachte er Kouyous Mitstreiter um den Job aus und schleuderte ihm verspielt das Kissen entgegen. „Kommt dem nahe. Das wär so saugeil gewesen! Er kriegt nen Flug nach Fukuoka und da shooten die das! Voll die geniale Fotostrecke. Damit kann er sich dann in dem Bereich echt auf alles bewerben!“ Total beleidigt zerrte der Ältere das Kissen, welches eben noch als Waffe gegen ihn eingesetzt worden war, zu sich und umklammerte es wie ein Stofftier. „Taka, ich bin traurig! Der Job hätte mir gehören sollen! Ich bin doch der sunny boy schlecht hin!“, begann das Jammern nun aber wieder von vorn. „Das kann man so und so sehen. Kou ist halt… größer. Er wirkt authentischer. Er ist super gebaut und hat ein ebenmäßiges Gesicht. Die Frauen fahren voll auf ihn ab. Seine Haare sind länger als deine und seine Beine sehen in Badeshorts schon…. Ehm….“ „Halt’s Maul! Du hast es echt drauf einen noch mehr runterzuziehen!“ Das Kissen flog wieder zurück zu Taka, der Mühe hatte dieses abzuwehren. Akira schmiss sich schwungvoll nach hinten auf das Bett zurück, stieß sich dabei den Hinterkopf an der Wand. „Ah! Nicht mein Monat!“, stapelte der Abgewiesene gleich hoch und rutschte weiter nach unten, sodass er sich ordentlich hinlegen konnte. Takas Mitleid hielt sich in Grenzen. „Du weißt doch, wie das ist. Mal verliert man und mal gewinnen die anderen.“ Er grinste spitzbübisch und beglückwünschte sich zu seinem schlechten Scherz. Bei seinem Kumpel kam das alles nicht so berauschend an. „Kou hat einfach einen anderen Körperbau als du? Das heißt doch noch lange nicht, dass du hässlich bist. Du warst einfach nicht das, was sie gesucht haben. Und wenn es dich beruhigt: Dein Bizeps ist viel anbetungswürdiger als der von Kou!“, versuchte Taka nun aber doch Akira aufzumuntern. Das leichte Zucken des Mundwinkels des Liegenden verriet ihm, dass er es geschafft hatte. Wobei diese Sache mit dem Bizeps sowas von weit hergeholt war. Er hatte nämlich keinen blassen Schimmer was da was war, aber er wusste, dass Akira trainierte. Wahrscheinlich trainierte er für ihn mit. Seine Puddingärmchen konnten da nicht mithalten, aber er gab sich nicht großartig Mühe dies zu ändern. Für Sport war er zwar zu haben, aber nur, wenn der Spaßfaktor hoch war. Basketball und Skateboard fahren mochte er zum Beispiel, während die anderen eher auf Ergebnisse setzten. „Wenn du das schon so ansprichst, wollen wir nicht einen Abstecher ins Fitnessstudio machen?“ „Ey, ey, ey, ich hab hier gar nix angesprochen! Wenn du dir in deinem Spatzenhirn was zusammenreimst, muss ich noch lange nicht drunter leiden. Ich will nicht ins Fitnessstudio! Ich kann diese aufgepumpten Typen nicht leiden. Die sehen alle aus, als würden sie gleich platzen! Wie so nen Luftballon, den man mit einer Nadel bearbeitet.“ Akiras schallendes Gelächter erhellte den Raum. „Eins muss man dir lassen, Taka-chan, an Fantasie mangelt es dir nicht. Das ist es, was ich so an dir mag!“ ~*~ „Taka~~~!!!“, ertönte die Stimme des Jungen schon von Weiten und er kam vor ihm zum Stehen. „Tut mir leid, dass du warten musstest!“ Hinter ihm kam ein anderer Junge angerannt und stoppte ebenfalls bei ihnen. Der allerdings war ganz schön heftig am Schnauben und wischte sich mit dem Handrücken schließlich über das Gesicht. „Das hier ist… Akira!“, verkündete Takas bester Freund und atmete ebenso tief durch. „Wir sind jetzt zusammen in einer Klasse. Und er sitzt neben mir!“, erklärte Kouyou. Takanoris Augen richteten sich auf den Jungen, der mit ihm auf Augenhöhe war. Klar war er noch sauer, dass er so lange auf Kou warten musste und das anscheinend nur wegen dem Typen. „Hey! Freut mich, dich kennenzulernen. Kou-chan hat den ganzen Tag nur von dir geredet!“, plapperte Akira und strahlte Taka an. Dagegen war er wehrlos. Er verzog seine Lippen. „Trotzdem seid ihr zu spät!“, murmelte er vorwurfsvoll vor sich hin. ~*~ „Ich fass es nicht! Du bist ein kleiner Verräter, Taka!“ Härter als eigentlich notwendig piekte Akira immer wieder gegen Takanoris Brust, was nach einer Weile doch einen leichten Schmerz hervorrief. Unsicher blickte der blonde Junge sein Gegenüber an, die Wand des Warteraumes der kleinen Agentur im Rücken. „Ey, dass du mir nun auch die Jobs wegschnappst, ist echt unter aller Sau!“ „Tut…. Tut mir leid, Akira….“ Reumütig sah der Kleinere nach unten. Dieser böse Blick von seinem Kumpel gefiel ihm nicht und er hatte das Gefühl, dass es hier nicht nur um den Job ging. Noch dazu hatte er Angst, dass dies einen dunklen Schatten auf ihre Freundschaft werfen konnte. Eifersucht war ein unliebsamer Zeitgenosse, der nicht selten seine Opfer forderte. „Ich fühl mich so ungeliebt!“, entkam es Akira und er schlug seine Hände über dem Kopf zusammen. Als wenn es etwas an seiner Situation ändern könnte, drehte er sich einmal im Kreis. „Ehrlich? Was mach ich falsch, dass alle immer die coolen Jobs abgreifen, nur ich nicht?“, sprach er mit sich selbst. Taka hingegen verunsicherte der Tonfall in der Stimme des anderen. Doch da war es schon wieder, Akira lächelte ihn an, kaum dass seine Augen ihn fixiert hatten. „Hallo, freu dich! Du hast nen super Job an Land gezogen!“, sagte der Älter altklug und stemmte dabei seine Hände in die Hüften. „Du… du bist gar nicht böse?“ „Böse? Wieso? Bleibt doch in der Familie!“, scherzte Akira und winkte ab. „Aber die Klamotten sind schon cool. Hätten voll zu mir…“ „Ey, Suzuki!! Der Manager will dich nochmal sprechen! Du sollst sofort zu ihm!“, wurden die beiden aber unterbrochen. „Gleich wieder da. Du wartest kurz?“ ~*~ „Und warum heulst du jetzt, Taka?“, fragte Akira besorgt, da immer wieder Tränen über die Wangen des Kleineren liefen. „Weil wir uns gestritten haben – wegen dir!“ „Aber ihr müsst doch nicht wegen mir streiten. Ich bin doch mit euch beiden befreundet.“ „Ja, aber er zieht dich mir vor. Und das, obwohl wir uns schon immer kennen!“, versuchte sich Taka zu erklären und schniefte. Er war total aufgewühlt. „Du bist gerade mal 2 Monate mit ihm befreundet und schon heißt es nur noch Akira hier, Akira da! Guck mal was Akira gemacht hat! Akira kann dies und jenes! Ich geh mit Akira Fußball spielen! Alles dreht sich nur noch um dich! Kou pfeift auf mich!“ Schuldbewusst sah Akira zu Boden. Seine mitfühlenden Blicke bewirkten auch nicht, dass Taka aufhörte zu weinen. Und dem Blick aus den verheulten Augen konnte er nicht standhalten. „Das wusste ich nicht. Willst du dann vielleicht mit mir Fußball spielen?“, fragte Akira unsicher nach. „Blödmann! Es hat angefangen zu regnen! Wir können eh nicht raus! Außerdem will ich lieber mit Kou spielen! Ich kann dich nicht mehr leiden! Du bist doof!“ Taka drehte sich auf dem Absatz herum und rannte einfach weg. Akira blieb verdattert stehen. ~*~ Taka lehnte seinen Kopf an die kühle Fensterscheibe. Wieder einmal hatte er es sich auf dem geräumigen Fensterbrett in Akiras Zimmer breit gemacht. „Kommt Kou denn gar nicht?“, fragte er und trank wieder einen Schluck aus der dunkelblauen Flasche. Den Alkohol merkte er kaum, daher gehörte dieses Mixgetränk zu seinen Liebsten. Wie immer düdelte leise Musik. Eine von Akiras Lieblingsbands dessen Namen er nicht kannte. „Glaub nicht. Er hat doch ein DATE!“ Akira legte den Controller seines Spiels zur Seite. Wenn keiner mitspielte, dann war das auch öde. „So schnell sind wir beide abgeschrieben…“, stellte Akira fest und musterte die zierliche Gestalt, die nach draußen auf die Straße blickte. Viel konnte er in der dunklen Nacht sicherlich nicht ausmachen. „Hm, er ist eben verliebt. Frühlingsgefühle. Da braucht man seine Freunde nicht, wenn die Hormone durchdrehen.“ Taka schloss seine Augen. „Da spricht jemand aus Erfahrung?“ „Nein, aus Büchern!“ „Huh?“ Das verstand Akira nicht, krabbelte nun aber auf sein Bett und blieb dort liegen. Von hier aus konnte er seinen Besuch weiter beobachten. „Hab ich gelesen. Weiß nicht mehr wo. Bücher, Magazine, Zeitschriften. War sicherlich eine der Zeitschriften meiner Mama. Vielleicht bereitet sie sich insgeheim auf Tag X vor, wenn ich ne Freundin anschleppe.“ Taka musste grinsen. Er hielt das für absurd. „Ist der Tag denn nahe?“ „Willst du mich gerade ausfragen, ob ich irgendwelche love interests habe?“, fragte der kleine Blonde vorwitzig nach und nuckelte wieder an seiner Flasche. „Schon. Wir reden zwar immer darüber, aber eher im Spaß. Gibt’s denn jemanden, den du magst? Yumiko vielleicht, aus deiner Klasse?“, spekulierte Akira und setzte sich auf. Jetzt wurde es spannend, daher musste er ganz Ohr sein. Die steigende Spannung aber wusste Taka schnell im Keim zu ersticken. „Da gibt’s niemanden. Ich war glaube ich auch noch nie richtig verliebt. Kleinere Schwärmereien okay, aber… Nein, ich glaube nicht, dass es sich so anfühlen muss.“ Ausweichend lehnte er seine Stirn wieder gegen die Fensterscheibe. „Dann hattest du noch nie eine Freundin?“, hakte Akira nach. „Willst du mich verarschen, Akira? Wir waren andauern zusammen weg! Meinst nicht, dass du was mitbekommen hättest, wenn ich jemanden gehabt hätte?“ Taka grummelte etwas. Eigentlich war es eine Schmach mit seinen 16 Jahren noch vollkommen unberührt zu sein, aber er interessierte sich einfach nicht für derartige Dinge. Hobbies waren wichtiger und er wollte seine Karriere verfolgen. Lieber Modeln und berühmt werden. Die Gelegenheit wollte er nutzen, wenn er da nun auch irgendwie mit reingerutscht war dank seiner beiden Kumpels. „Ich war in den Sommerferien immer weg. Da hättest….“ „Nein, Mann!“ Taka rutschte schnaubend von der Fensterbank und breitete seine Arme aus. „Guck! Völlig rein und total unberührt!“, erklärte er und grinste schon wieder. Seine Arme nahm er aber wieder runter. Genau wie seine Arme sanken, sank er auch in seiner Haltung zusammen. Stolz war er darauf nicht. Wie waren sie nochmal auf dieses Thema gekommen? „Wenn man dich so sieht, kriegt man Lust, dich zu verderben.“ „Urgh! Aus welchen Hentai hast du das denn schon wieder?“, wies Taka die dumme Anmache zurück und legte sich neben Akira auf das Bett. Aber er wurde nur dümmlich angegrinst. „Boahr, nee! Und gleich kommst du noch mit so ner Schnulze, dass du mich küssen willst. Voll der Kitsch aus solchen Shounen-Ai-Manga. Darauf stehen die Weiber in meiner Klasse voll!“ Taka rollte mit den Augen und warf sich auf den Rücken. Als Akira aber schwieg, sah er ihn wieder an, doch er erschrak, als sich ihre Blicke trafen. „Was?“, fragte Taka regelrecht schon empört nach. „Es war deine Idee!“, erwiderte der Ältere aber nur und stützte seine Wange auf seiner Handfläche auf. Taka hingegen schnippte auf. „Wie bitte? Bist du komplett besoffen?“, fragte er nach und rückte ein Stück weg. „Muss man dafür denn besoffen sein?“ Auch Akira setzte sich nun auf. „Hey, mal ganz langsam hier! Wir sind in keinem dämlichen Manga. Du bist nicht schwul und ich… bin eigentlich überhaupt nichts! Und…. Wir knutschen jetzt nicht rum und verknallen uns ineinander und schwören uns die ewige Liebe und ab Band drei streiten wir uns! Das kannst du vergessen, mein Freundchen!“, wurde der Jüngere gleich wieder regelrecht hysterisch. Akira aber lachte erheitert auf. „Können wir es nicht trotzdem machen?“ Takas Mund klappte auf. Hatte er nicht eben irgendwas von nein gesagt? „Hast du mir nicht zugehört?“ „Schon. Aber wir sind jung, wir dürfen Dummheiten machen. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich mich nicht in dich verliebe und dass das nur ne Shortstory wird!“, versuchte Akira es einfach auf dem Niveau des anderen. Er musste lachen, da er genau beobachten konnte, wie Taka neben sich auf dem Bettlaken nach etwas tastete, ihn aber nicht aus den Augen ließ. „Das Kissen ist noch circa zehn Zentimeter weiter hinten!“ Er hatte es durchschaut, was sein Kumpel vor hatte und der sah nun auch resignierend zu dem Kissen und gab sein Vorhaben auf, Akira mit irgendwas abwerfen zu wollen. Brachte nun eh nichts mehr, wenn er sowieso schon darauf vorbereitet war. „Also?“ „Also was?“ „Küssen?“ „Wieso?... Mach das mit Kou und nicht mit mir!“ „Kou hat ne Freundin.“ „Dann such dir auch eine?!“ Unverständnis lag in Takas Blick. „Ist mir zu anstrengend.“ „Und ich bin nicht zu anstrengend oder was?!“ „Oh, glaub mir, du bist der anstrengendste Kerl überhaupt!“ „Wow! Du weißt echt, wie man jemanden rum kriegt!“ Purer Zynismus. Taka schnaubte. „Also darf ich?“ Wieder klappte Taka der Mund auf, vor allem, da sich Akira nun vorwitziger weise zu ihm beugte. „Verdammt, nein!“ Der kleine Blonde legte bestimmend seine Handfläche an Akiras Brust, um diesen wieder etwas auf Abstand zu bringen. „Vor was hast du Angst? Meinst du, du könntest mir verfallen? Ich kann gut küssen!“ „Woahr, du Angeber! Wenn du so bist, dann verfällt dir gar keiner!“ Beleidigt verschränkte der Bedrängte seine Arme vor der Brust. Trotzdem musterte er Akira eindringlich. Diesem stand der Schalk in die Augen geschrieben. „Für dich ist das alles nur ein Spiel, nicht?“ „Wie du schon sagtest, wir sind in keinem Manga, wir fallen nicht übereinander her oder machen schwule Dinge. Nur Knutschen und nicht verlieben! Dafür kennen wir uns schon viel zu lange. Also, willst du kneifen?“ Wieder schnaubte Taka nur. „Klasse, nun stellst du mich als Verlierer hin. Wenn ich es nicht mache, bin ich also ne Weichwurst.“ „Versteh schon! Du willst also wirklich nicht!“ Der Ältere seufzte kellertief, wusste aber genau, dass er gleich das bekommen würde, auf das er hingearbeitet hatte. Die Vorfreude stieg, als sich Taka auf das Bett kniete und ein Stücken zu ihm robbte. „Bild dir ja nichts drauf ein! Ich bin nur neugierig. Und dann kann ich auch mitreden. Und wehe, DU verliebst dich. Dann box ich dich!“, drohte der Jüngere und wartete ab. Sein Blick aber lag auf seinem Gegenüber. Klar ärgerte es ihn, dass Akira aussah wie die Katze, die den Kanarienvogel gefressen hatte, aber seine Neugier übertünchte dies gekonnt. Langsam kam Akira näher und er konnte den warmen Atem des anderen auf seiner Haut spüren. „Nicht verlieben, okay?“, flüsterte Akira, während sie sich weiter in die Augen blickten. Aber keiner von beiden traute sich, die letzten Zentimeter zu überbrücken. Flaches Atmen und endlos lange Blicke. „Auf was wartest du?“, wollte Taka dann aber doch wissen, dem das zu blöd wurde. Erst große Töne und dann sich nicht trauen. Todesmutig stupste Taka die Nase des anderen mit seiner eigenen an. Das alles konnte doch nicht so schwer sein. Immerhin kamen sie sich näher. Schließlich spürte Taka eine flüchtige Berührung an seinen Lippen. Aber schon war sie wieder weg. Testend kam der Kontakt wieder zustande. Diesmal für den Bruchteil einer Sekunde länger. Dann wieder Abstand. Ihre Lippen streiften einander ganz ohne Druck. Je länger die Berührung nun vorherrschte, desto weiter senkten sich Takanoris Augenlider wie von selbst. Akira wurde mutiger. Nun drückte er seine Lippen komplett auf den Mund des anderen, nur um ihn davon zu überzeugen, dass es sich gut anfühlte. Der leichte Druck wurde erwidert und sie lehnten sich beide dem jeweils anderen etwas mehr entgegen. Um die Verbindung noch mehr zu intensivieren legten sie Ihre Köpfe schief, während das Atmen in den Hintergrund rückte. Akira hatte sich nun daran gewöhnt und lehnte sich noch weiter nach vorn. Zwar lagen ihre Lippen bereits hungrig aufeinander, jedoch wusste er, dass es noch ausbaufähig war. Testend ließ er seine Zunge hervorschnellen und anders als erwartet brach Taka den Kuss nicht ab. Er ließ sich darauf ein und ahmte die Geste des Älteren nach. Es dauerte nicht lange und ihre Zungen berührten sich. So neu dieses Gefühl auch war, so interessant war es auch und dies wiederum spornte den kleinen Blonden an, weiter zu experimentieren. Immer wieder stupsten sich ihre Zungen verspielt an, bis sie sich aneinander vorbei schlängelten, beharrlich umeinander wandten und sich Ihre feuchten Lippen abermals trafen. Sie atmeten die gleiche Luft und selbst wenn es Taka nicht zugeben wollte, er war diesem intimen Moment mit Leib und Seele verfallen. Atemnot war der Grund, weswegen sie sich voneinander lösten und sofort drehte sich Taka von seinem Kumpel weg, wischte sich mit dem Handrücken über seine Lippen. „Mann ey, von Zunge war nie die Rede!“ „Du hast doch mitgemacht!“, kam sofort der Einspruch. Taka blies seine Bäckchen auf. „Hatte ich ne Wahl?“, empörte er sich. Im Nachhinein war ihm das Geschehene furchtbar peinlich und seine Wangen glühten, glühten wohl genau so sehr wie die von Akira. Dessen Blick machte ihm gerade Angst. „Guck mich nicht so an! Wir hatten eine Abmachung!“, knurrte Taka, während die Worte in seinem Kopf herumschwirrten: Nicht verlieben! Bloß nicht verlieben! ~*~ Es war Schlafenszeit, aber irgendwie war Taka zu aufgewühlt um zu schlafen. Eben so, wie es immer vor einem großen Shooting war. Er fragte sich eh noch immer, wie er es geschafft hatte, den Job zusammen mit Kou und Akira zu erhaschen. Die beiden waren so viel fotogener als er und vor allem so viel größer. Die Hoffnung, dass er noch wuchs, hatte er mittlerweile aufgegeben. Vor knapp 2 Wochen hatte er seinen neunzehnten Geburtstag hinter sich gebracht. Natürlich hatte er mit Kou und Akira zusammen gefeiert und einen drauf gemacht. In seinem Leben ging wirklich nichts über diese beiden Typen. Taka grinste vor sich hin und starrte an die Decke des dunklen Hotelzimmers, während er in Erinnerungen an seine Geburtstagsfeier schwelgte. Doch in dem Moment klopfte es an seiner Zimmertür. Unsicher ob er es sich nur eingebildet hatte, richtete er sich auf und ging dann aber doch zur Tür, als sich das Geräusch wiederholte. Durch den Spalt konnte er Akira im beleuchteten Flur sehen, der unmittelbar vor dem Spalt stand. „Du schläfst ja auch noch nicht…“, stellte der Größere im Flüsterton fest und Taka grinste. „Wie du das nur wieder so schnell erkannt hast!“, erwiderte der Jüngere in seiner sarkastischen Art und öffnete seinem Besucher die Tür. War schließlich abzusehen, dass er rein wollte. Nicht zuletzt, da er sein Kissen unter den Arm geklemmt hatte. „Ich hab also einen Schlafgast?“, fragte Takanori nach und erntete ein dümmliches Grinsen. „Schon okay, ich bin auch viel zu aufgeregt“, sagte Taka und schloss die Tür wieder hinter dem anderen. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie zusammen in einem Bett schliefen oder auf einer Couch oder gar auf dem Fußboden. In den vergangenen Jahren hatten sie viel mitgemacht aber genau das schätzte er vor allem an Akira. Der war für jeden Mist zu haben. Beharrlich verdeutlichte er ihm, dass er das Leben nicht zu ernst nehmen sollte und Taka war dieser unbeschwerten Art verfallen. Sicher konnte man mit Akira auch eine Bank überfallen und dann zusammen im Knast darüber lachen, wie dumm man doch war. Ein paar Sekunden später lagen sie zusammen im Bett. „Bin gespannt was das wird. Das Wetter soll gut werden. Wir dürfen bestimmt auch ganz viel im Meer plantschen!“, sagte der Jüngere und grinste sich einen ab. „Hoffentlich verläuft das Make-up dann nicht.“ Akira lachte auf. „Das ist deine größte Sorge, hn? Aber die wollen auch Unterwasseraufnahmen machen. Daher glaube ich schon, dass die gutes Zeug am Start haben müssen.“ „Oha… unter Wasser?“ „Hm, ich hab den Fotografen vorhin getroffen, als ich noch eine rauchen war.“ Akira rückte noch ein Stückchen enger an seinen Kumpel heran. „Haben wir Glück, dass es dieses Jahr so mild ist.“ „Das Wasser ist sicherlich dennoch arschkalt!“, jammerte Taka nun aber doch herum. „Wehe, ich hol mir da den Tod! Kein Shooting der Welt ist das Wert!“ Missmutig verzog der Jüngere seine Schnute. Aber im Großen und Ganzen vertraute er der Agentur und auch dem Auftraggeber. „Morgen wird sicherlich total cool“, tat Akira die Sorgen des anderen lässig ab. „Ich freu mich so, dass ich das mir dir und Kou machen kann. Allein hätte ich voll Schiss.“ Um seine Freude noch mehr zum Ausdruck zu bringen, umklammerte er den Älteren und zerrte ihn wie ein Stofftier an seine Brust. Gegenwehr hatte er nicht zu erwarten. „Es ist schon gut, dass Kou auch da ist. Lass uns aber jetzt schlafen, sonst sind wir morgen nicht ausgeschlafen und die beschweren sich, dass die unsere Augenringe nicht überschminkt kriegen.“ „Okay. Dann gute Nacht, Akira.“ „Schlaf gut, Taka…“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Goody zum Wochenende ^^ Ganz genau; das Kapitel besteht einzig und allein aus Flashbacks. Um den Überblick zu behalten hier noch die Alterszuordnung: Szene 1 –T15/A16 // Szene 2 – beide 12 (April)// Szene 3 – beide 15 (März)// Szene 4 – T12/A13 // Szene 5 – T16/A17 // Szene 6 – beide 19 (Februar) Und vielen lieben Dank für die Kommis und die Favos ^^ Kapitel 3: ----------- Undone Kapitel 3 „Wieso wusste ich, dass du wieder bei Taka pennst?“, begrüßte Kou Akira, der ihm noch vollkommen schlaftrunken in der Tür stand und sich den Bauch kratzte. „Dir auch einen guten Morgen, Kou-chan…“, meinte der Blonde und gähnte herzhaft. Er war es gewesen, der sich aus dem Bett gequält hatte, um dem anderen die Tür des Hotelzimmers zu öffnen. „Morgen!“, erwiderte der Großgewachsene anstandshalber und sah zu dem Kleinsten im Bunde, der sich nochmal herum rollte und die Decke murrend über den Kopf zog. „Viel zu früh!“, kam es gedämpft unter der Decke hervor. Akira schloss resignierend die Tür hinter dem nächtlichen Besuch. „Dem schließ ich mich an: Viel zu früh!“, wiederholte Akira und wischte sich mit den Handflächen über sein Gesicht. So ganz war er noch immer nicht da. Alles Wischen und Rubbeln brachte aber nichts und er krabbelte kurzerhand wieder mit unter die Decke, um sich an der Wärme des anderen gütlich zu tun. „Echt jetzt?“, fragte Kou jedoch genervt. „Es ist 4.30 Uhr. 5 sollen wir am Set sein. Sonnenaufgang ist für 6.27 Uhr angesagt und da muss alles fertig sein. Umziehen! Und in die Maske müssen wir auch noch. Da wundert ihr euch, warum ihr so selten gebucht werdet! Euch fehlt es einfach an Professionalität! Ich bin auch müde, aber das lass ich mir nicht anmerken! Raus aus den Federn jetzt mit euch!“, schimpfte Kou unter dem Murren der beiden anderen weiter vor sich hin. Der Berg unter der Decke jedoch machte keine Anstalten seiner Aufforderung nachzukommen. „Ich warte in der Lounge auf euch! 4.50 Uhr geh ich los! Wenigstens ich will pünktlich sein! Bis gleich!“ Der Größte der Gruppe ließ die beiden Schlafmützen wieder allein und verschwand aus dem Zimmer. Kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war, schlug Taka die Decke zurück und atmete wieder tief durch. War doch ziemlich warm darunter. „Er ist ja so ein Sklaventreiber!“, beschwerte er sich und grinste Akira an. Es half alles nichts. Sie mussten aufstehen. Job war schließlich Job und wie sagte Akira doch so schön: Auch Rockstars müssen früh aufstehen. Nur dass sie eben aufstrebende Models waren. „Wem sagst du das! Dabei ist er doch immer unpünktlich, wenn wir uns treffen…“ Verspielt stupste Akira Taka mit dem Zeigefinger gegen die Stirn, wartete bereits auf die Gegenwehr. „Wenn es um den Job geht, dann ist er eben ganz Profi. Dann komm, für Späßchen haben wir nun keine Zeit!“, wies der kleine Blonde die Neckerei zurück und strampelte sich frei. „Nicht, dass Kou noch zur Furie wird.“ ~*~ Im Licht des improvisierten Schminktisches sahen seine Augenringe doch gar nicht mal so schlimm aus. Neben ihm wurden Akira gerade alle sichtbaren Hautunreinheiten mit massig Concealer verdeckt, sodass seine Haut total künstlich wirkte. „Bin ich froh, dass ich erst gleich dran bin. So komm ich wenigstens noch zum Frühstücken“, meinte Taka, bevor er mit einem großen Happs in sein Melonenbrot biss und dieses genüsslich kaute. „Mir reicht mein Kaffee!“, warf Kou ein, der bereits fertig geschminkt war und bei dem nun nur noch letzte Hand an die Haare gelegt wurde. „Ich futtere dann, wenn wir auf dich warten müssen!“, mischte Akira mit einem Grinsen auf den Lippen mit, während er Taka einen Seitenblick zuwarf. „Ich empfehle Melonpan zusammen mit Ananassaft!“, meinte er und schlürfte demonstrativ von seinem Strohhalm, der in einem kleinen Päckchen mit Saft mündete. „Ich möchte auch Saft haben!“, warf der Größere ein und Taka drehte sich bereits zu dem Tisch, auf dem das Essen aufgebaut war. Sogleich griff er nach einem weiteren Päckchen. „Na, was sagt man?“, stichelte der Jüngste der Runde grinsend und wackelte mit dem Päckchen in Sichtweite seines Kumpels umher. „Och, bitte, bitte, Taka-chan!“, bettelte Akira sehr glaubhaft. „Oh Mann. Das ging viel zu einfach. Du bist mir ja bereits hörig!“ Da machte Ärgern keinen Spaß. Aber der kleine Blonde wollte mal nicht so sein, da die Stylistin sie bereits auslachte. Also schüttelte er das Päckchen und platzierte auch bereits den Strohhalm an der vorgesehenen Stelle. Dann hielt er dem anderen den Strohhalm vor die Lippen. „Da habt ihr beide euch gegenseitig aber gut erzogen!“, warf Kou ein, der sich hinter Akira durchzwängte, um ebenfalls zum kleinen Buffet zu kommen. Argwöhnisch musterte er die Auswahl, vergriff sich letztendlich an den Obststückchen. „Wir hatten ja auch furchtbar viel Zeit, nachdem du uns vernachlässigt hast, weil du auf einmal eine Freundin hattest, die du auf Händen tragen musstest!“, klugscheißerte Taka. Das war begründete Kritik. So drehte er sich auf seinem Stuhl herum, damit er seinem Sandkastenfreund noch einen wissenden Blick senden konnte. Der konnte ruhig wissen, dass sie es ernst meinten und sich hinten angestellt gefühlt hatten. „Betonung liegt auf „hattest“. Kein weiteres Statement dazu!“, beendete Kou das Thema aber unmittelbar nachdem es aufgekommen war. Er war nicht bereit, mit seinen Freunden darüber zu reden. ~*~ „Okay, rückt noch etwas mehr auseinander. Und Taka-kun, beide Arme in die Luft als würdest du dich gerade Stecken!“, kam eine weitere Anweisung des Fotografen. Bisher verlief das Shooting super. Die Posen waren einfach und der Fotograf gab sich mit ein paar Abzügen pro Motiv zufrieden. Gerade kam es vorwiegend auf Ihre Silhouetten an, die sich von der aufgehenden Sonne abhoben. Nach und nach wurde es immer heller und zum Glück auch wärmer, denn die Temperatur war unerträglich, wenn man nur Shorts und ein Shirt trug. Sich darüber aufzuregen brachte aber nichts. Wie hieß das so schön? Augen zu und durch! Oder Zähne zusammenbeißen, selbst wenn diese gerade klapperten. „Dreht euch jetzt alle bitte einmal zu mir um! Ja, genau so! Das wiederholt ihr ein paar Mal. Immer auf drei will ich die Drehung sehen!“, kamen weitere Anweisungen und der Fotograf begann um sie herumzuwuseln, zählte immer wieder bis zur drei. Unaufhörlich war das Klicken des Auslösers zu hören. Bei einer der Drehungen verlor Taka sein Gleichgewicht und kippte ausversehen gegen Akira, der ihn todesmutig auffing. „Na, war wohl vorhin doch kein Saft, was?“, lachte Akira ihn aus und Taka sah ihn vorwurfsvoll an. „Wenn ihr rumalbern könnt, da seid ihr dicke dabei!“, mischte sich Kou nun ebenfalls ein. Einmal mit Profis! Aber das war ihm wohl nicht vergönnt. „Wir verstehen uns eben!“, betonte der Älteste der Gruppe und wuschelte durch Takanoris blonde Haare, die dadurch zu allen Himmelsrichtungen von seinem Kopf abstanden. „Kou-kun, kurze Pause für dich! Und ihr beiden, positioniert euch seitlich zum Sonnenaufgang. Genau so. Und geht vier Schritte. Lasst euch vom Wind nicht stören! Enger zusammen. Ihr könnt euch auch anfassen, wenn ihr wollt….“ ~*~ „Suzuki? Bist du fertig? Wir machen gleich weiter mit dem nächsten Motiv.“ Akira nickte. „Ja, gleich. Einen Moment bitte noch“, meinte er und sah zu Taka, der ihn von oben bis unten musterte. Er wusste, dass die Klamotten, die er gerade trug nicht die Tollsten waren, aber alles für das Shooting. Taka hingegen hatte sich bereits in einen Bademantel gekuschelt, da es am Meer verdammt kühl war und sie nicht die wärmsten Sachen für den Job zur Schau stellen durften. Und bei Pausen war das sowieso angebracht. „Wenn du fertig bist, komm zum Jetski. Dann wirst du nach hinten gebracht!“, lautete die weitere Anweisung des Staffmitgliedes, welches sich sofort entfernte. Akira nickte wieder, schien aber gar nicht so ganz bei der Sache zu sein. „Willst du nicht lieber in den Wagen gehen? Da drin ist es wärmer als hier draußen. Nicht, dass du noch krank wirst“, schlug Akira vor, aber Taka schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich will schon sehen, was du da jetzt machen musst. Kou und ich sind dann auch noch dran. Und natürlich will ich das besser machen als ihr!“ Akira nickte, lächelte Taka an. So kannte er seinen Kumpel. In diesem Moment kam wieder eine Windböe auf und die blonden Haare wehten den beiden ins Gesicht. Das nahm der Größere zum Anlass seinem Freund die Strähnen aus den Augen zu streichen. „Du siehst heute echt wieder zum Niederknien aus! Die Fotos werden sicherlich mega.“ „Natürlich werden sie das!“, warf Taka schmunzelnd ein. Doch es kam total unerwartet, dass sich Akira zu ihm beugte und ihm einen Kuss auf die Lippen hauchte. Unsicher sah er den anderen an, fing sich aber schnell wieder. Sicherlich hatte das niemand hier gesehen. „Sieh zu, dass du los kommst. Sie warten schon auf dich!“, tadelte der Kleinere Akira jedoch gleich wieder und schickte ihn weg. Viel mehr tat er es, um seine eigene Unsicherheit zu überspielen. „Schon auf dem Weg!“ Akiras Lächeln war allgegenwärtig, schwand aber, als Takanori nur noch seinen Rücken sehen konnte. Der Jüngere atmete durch und schüttelte seinen Kopf. Das Shooting schlauchte doch ziemlich. „Spinner…“, tat es Taka ab und beobachtete, wie das Model wie verabredet zum Jetski ging. Kou stand keinen Meter entfernt von diesem und der Kleinste der Gruppe sah, wie dieser noch ein paar Worte mit Akira wechselte. Schließlich joggte ihr Vorzeigemodel auf ihn zu. Vor ihm blieb er stehen. „Wollen wir uns im Wagen aufwärmen? Ich frier bis auf die Knochen“, fragte Kouyou nach, doch Taka schüttelte wieder nur seinen Kopf. Hatte er das Thema nicht eben erst? Das laute Dröhnen des Jetskis war zu hören und der Jüngere trat einen Schritt zur Seite, um an seinem Freund vorbei sehen zu können. „Ich mag sehen, wie Akira sich schlägt. Wir müssen das dann doch auch machen. Da will ich mir lieber schon ein paar Anregungen holen. Aber wenn dir so kalt ist, geh ruhig rein!“ Taka nickte in Richtung des kleinen Wohnwagens, in dem sie früh am Morgen geschminkt worden waren. Wieder wehten ihm die Haare ins Gesicht und er strich sie entnervt zurück. „Wenn das so ist, dann warte ich mit dir. Dass du dir einen Vorteil verschaffst kann ich unmöglich zulassen!“ „Als wenn ich dir das Wasser reichen könnte?“ Taka wusste ganz genau wo er stand und da musste er jede Gelegenheit nutzen, um besser zu werden. Selbst wenn es hieß bei kalten Temperaturen in Shorts am Strand zu stehen. Für den Kleineren spielte das keine Rolle. Er war soweit gut eingemummelt und wollte nun dabei zusehen, was weiter passierte. Normale Shootings waren an der Tagesordnung, aber so richtig interessant wurde es, wenn man etwas tat, was nicht alltäglich war, um richtig geniale Bilder vorzuweisen. Seine Setcard würden die Bilder des heutigen Tages jedenfalls gut tun. Der Jetski stoppte irgendwann weiter hinten im Wasser. Viel konnte er nicht mehr sehen, dafür waren sie viel zu weit entfernt. Schemenhaft war es möglich, den Fotografen auszumachen und eben Akira anhand der blonden Haare. Der Wellengang war nicht so stark, dass sie vom Wasser gänzlich geschluckt wurden. Ob das nun die Unterwasseraufnahmen werden würden, von denen Akira gesprochen hatte? „Doof, von hier sehen wir ja kaum was“, beschwerte sich Taka, da er sich eigentlich mehr hiervon erhofft hatte. So ohne Fernglas brachte es wenig hier herumzulungern. „Hmmm…“, kam die brummende Zustimmung. Auch Kou beobachtete das Treiben der wenigen Personen auf dem Meer. Ab und an tauchten ein paar Personen unter, wieder auf. Ein paar der Anweisungen des Fotografen trug der Wind bis zu ihnen. Ernüchterung machte sich breit. Schließlich aber kam Hektik auf. Das kriegten sogar sie mit. „Was passiert da?“, fragte Taka sofort und ging ein paar Schritte weiter nach vorn in der Hoffnung so besser sehen zu können. Vergeblich. „Weiß nicht. Es scheint irgendwas passiert zu sein.“ Kou schluckte. „Der winkt. Anscheinend brauchen sie Hilfe.“ Kaum hatte der großgewachsene Junge dies ausgesprochen, ertönte der Motor eines zweiten Jetskis und weitere Personen strömten zum Wasser. Die Hektik breitete sich nun auch am Strand aus und Taka sah unsicher zu Kou. Sein Blick wurde von den Leuten, die zum Wasser eilten und anderen, die davon liefen, um irgendwelche Utensilien heranzuschaffen, mitgezogen. Er wusste nicht, worauf er seine Aufmerksamkeit am ehesten lenken sollte. „……Notarzt. Ja, genau. Die exakte Adresse….“, schnappte Takanori lediglich ein paar Gesprächsfetzen einer Frau auf, die an ihnen vorbei eilte. Es wurde laut am Strand, der Motor eines Jetskis dröhnte wiederum in ihren Ohren und einer der Assistenten, die mit im Wasser waren, rannte an ihnen vorbei in Richtung des Hotels. „Kou…… Was…. Was ist da los?“, fragte der kleine Blonde leise und biss sich auf die Unterlippe. Er nahm schon seit mehreren Sekunden nicht mehr wahr, was genau da hinten vor sich ging. Der Jetski verdeckte einen Großteil und die Menschen konnte er auch nicht mehr zuordnen und überhaupt raste sein Blut in den Adern so laut, dass er nichts mehr hören konnte. Er merkte nur, wie seine Knie weich wurden und seine Beine anfingen zu zittern. „Was ist mit Akira?“, kam die unweigerliche Frage die sich ihm aufdrängte über seine Lippen. Er wollte zu ihm. Er wollte helfen. Kaum, dass sein Körper losstürzen wollte, griff Kouyou ihm am Handgelenk. „Nicht, Taka. Du kannst da jetzt nicht hin! Du kannst nicht helfen!“, sagte Kou hart und rechnete mit mehr Gegenwehr, als letztendlich von dem Kleineren kam. „Aber…… Akira…..“ Hilflos sah Taka zu seinem Sandkastenfreund, dessen Hand sich fest wie ein Schraubstock um sein Handgelenk gelegt hatte. Er wusste nicht, wie viele Minuten bereits vergangen waren. Irgendwie war alles nur noch laut und hektisch und keines der Bilder, die er aufschnappte, konnte er irgendwie verarbeiten. Er wusste nicht, was im Wasser passierte, wusste nicht, was hier an Land los war. Allgegenwärtig war der feste Griff von Kou, der dazu beitrug, dass er nicht in sich zusammensackte. Der Rettungswagen kam mit dem Heulen der Sirenen an der Straße oberhalb des Strandabschnittes um Stehen. Eine Trage wurde herbeigeschafft und nahe der Gischt in den nassen Sand geschmissen. Die Gruppe von Menschen, die noch vor ein paar Minuten Fotos im Wasser geschossen hatten, hatte sich an den Strand verlagert und da fiel Taka Akiras blonder Schopf ins Auge. „Akira!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“, schrie er panisch als er sah, wie dieser wie ein nasser Sack auf die Trage fiel. Taka riss sich von Kou los, wollte losstürmen, kam jedoch nicht weit, da sich Kouyous Arme um seinen Oberkörper schlangen und ihn festhielten. Aufgeregt zog er seine Arme aus der Umklammerung und stemmte sie gegen Kous Unterarme, um diese von sich zu schieben. Einzig der Größenvorteil des Älteren begünstigte, dass sich Taka nicht losreißen konnte. „Lass mich zu Akira! Verdammt…. Akiraaaaaaaaaaaa!!!“, kreischte Taka panisch und nun flossen die Tränen wie Wasserfälle aus seinen Augen, während ihm Kou regelrecht die Luft zum Atmen abdrückte, so sehr, wie er ihn versuchte in Zaum zu halten. Irgendwer schob sich in ihr Blickfeld. „Geht in den Wagen! SOFORT!“, wurden sie herrisch angesprochen. Taka bewegte seinen Kopf von rechts nach links. Er wollte einen Blick auf seinen Freund erhaschen und endlich wissen, was hier los war, aber die Sanitäter hatten ihn bereits samt der Trage zum Rettungswagen gebracht. Die Tür verdeckte das weitere Geschehen, sodass Takanori nicht im Stande war festzustellen, wie es seinem Freund ging. „Akira…..“, jappste Ruki auf und schnappte nach Luft. „In den Wagen! Hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt?“, wurden die beiden Freunde noch einmal gemaßregelt und dann übernahm der Staff dies, indem er die beiden nicht gerade sanft zu den kleinen Wohnwagen führte. Taka stolperte der Treppe nach oben, fiel regelrecht in den beengten Raum zu Boden und krabbelte ein paar Zentimeter weiter. Er presste seine Hand auf seinen Mund, versuchte so sein Schluchzen zu unterdrücken. „Was ist mit Akira?“, schrie er dann aber doch den Typen an, der sie gerade her gescheucht hatte. „Wird versorgt. Ruhe jetzt!“ Damit wurde die Tür zu geschlagen und sie waren allein. „Kou…… Akira…..“, wimmerte Taka vor sich hin. Aus glasigen Augen sah er seinen Sandkastenfreund an. Der aber sagte einfach nichts und nahm ihn einfach nur in den Arm. ~*~ „Kouji-san, was…“, wollte Taka sofort ansetzen, als die Tür zu dem kleinen Wohnwagen wieder aufging und der Betreuer ihrer Agentur in dieser erschien. Die erhobene Hand ließ den Jungen verstummen. „Das Shooting wird aufgrund des Vorfalls abgebrochen. Bitte begebt euch zurück auf eure Hotelzimmer. Ich organisiere einen Transfer, der euch nach Hause bringt. Alles Weitere klären wir im Nachgang.“ Der Manager war bereits wieder drauf und dran die beiden Jungen allein zu lassen. „Aber was ist mit Akira?“, flehte Taka schon regelrecht nach Informationen. „Wir haben noch keine Rückmeldung erhalten. Ich sag euch Bescheid, wenn wir näheres wissen.“ Taka nickte nur, während seine Augen sich wieder mit Tränen füllten. Erneut griff er zu einem der Kosmetiktücher und schnäuzte sich. „Geht bitte zum Hotel.“ ~*~ Taka wusste nicht wohin mit sich. Er zitterte, denn die Ungewissheit nagte an ihm. Das einzige was er wollte war, zu wissen wie es Akira ging. Und niemand sagte irgendwas. Niemand tat irgendwas. Er hatte einfach nur Angst. Im Hotelzimmer schmiss er lieblos alles was ihm gehörte in seinen kleinen Koffer und kauerte sich wieder auf dem Bett zusammen. Das Kissen, welches Akira letzte Nacht noch mit in sein Hotelzimmer gebracht hatte, drückte er haltsuchend an sich. Es war schrecklich still, wenn Kou nicht bei ihm war. Ganz zu schweigen von Akira. Die Tür ging auf, aber nur Kou kam zu ihm. „Hast du was gehört?“, fragte Taka nach. Seine Unterlippe bebte. So recht wusste er auch nicht, ob er Neuigkeiten hören wollte. „Nein, nichts…“ „Hm…. Okay….“, nahm es der Kleinere hin und versuchte seine Fassung wiederzuerlangen. Ihm war so furchtbar kalt und auch der Arm seines Freundes, der sich tröstend um seine Schulter legte, änderte nichts daran. ~*~ „Danke, dass ihr euch alle so kurzfristig hier versammelt habt. Es sind viele Fragen offen, wie es zu dem heutigen Zwischenfall während des Shootings kommen konnte. Genaueres wissen wir leider auch noch nicht, dennoch möchte ich alle Beteiligten die neuen Nachrichten nicht vorenthalten. Sato-san und Ito-san haben berichtet, dass Akira-kun sich über Krämpfe beklagte und unmittelbar danach nicht mehr in der Lage war, sich über Wasser zu halten. Die beiden haben sofort gehandelt. Trotzdem verlor Akira das Bewusstsein. Wir riefen einen Krankenwagen, der Akira-kun abtransportierte. Akiras Vater, hat sich vor ein paar Minuten bei mir gemeldet. Der Chefarzt des Krankenhauses, in das Akira gebracht wurde, hat mit ihm Kontakt aufgenommen. Es tut mir leid euch mitteilen zu müssen, dass Akira auf dem Weg ins Krankenhaus einen Herzstillstand erlitt. Die genauen Umstände sind uns nicht bekannt. Selbstverständlich haben die anwesenden Sanitäter alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihn wieder zu reanimieren, doch er ist verstorben, noch bevor sie das Krankenhaus erreichen konnten. Unsere aufrichtige Anteilnahme ist bei seiner Familie und seinen Freunden.“ Bereits als ihr Manager sie alle in die Lounge des Hotels rief, wusste Taka, dass es keine guten Nachrichten geben würde. „Ich danke allen für die professionelle Abwicklung des Auftrages und dass alle ihre Aufgaben auch nach dem Zwischenfall ordnungsgemäß beendet haben. Mit diesem tragischen Unfall konnte keiner von uns rechnen und es war aus aktueller Sicht nicht zu verhindern gewesen. Der Auftrag ist hiermit abgeschlossen und es wird weitere Verhandlungen mit dem Auftraggeber geben. Alles Weitere wird das Management übernehmen und euch informieren. Es stehen Taxen bereit, die alle hier………“ Wieder liefen die Tränen unaufhörlich über Takanoris Wangen. Er konnte die Ruhe nicht mehr ertragen. Das Blabla ihres Managers hatte er ausgeblendet. Niemand sonst sagte etwas, niemand tat was. Nicht einmal Kouyou. Er biss sich auf seinen Zeigefinger, um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren. Aber er musste einfach nur raus. Taka hielt das hier nicht mehr aus. Überstürzt erhob er sich, rannte hektisch zur Tür und den Weg zum Strand nach unten, während immer wieder die Flut von Tränen seine Sicht verschwimmen ließen. Erst als er bis zu den Knöcheln im Wasser stand, hielt er kraftlos inne. Verzweifelt brach er zusammen und schlug mit der Fast auf die Wasseroberfläche. Er wollte nicht wahrhaben, was er da gerade gehört hatte. „Gebt mir Akira zurück!“, schrie er seine Schmerzen aus und schlug seine Hände vor sei Gesicht. „Das ist unfair! Ich will Akira zurück!“ Wütend schlug er auf das Wasser ein, während die Wellen wiederkehrend seinen Körper umspülten. „Akira…..“ Kapitel 4: ----------- Undone Kapitel 4 Kouyou befand sich bereits im Taxi, welches ihn zum Flughafen brachte. Draußen war es noch immer stockfinster und die Lichter der Stadt zogen vorbei. Missmutig presste er sein Smartphone an sein Ohr. „Verdammt, nun geh schon ran!“, knurrte er, doch das Tuten setzte sich fort. Wider allen Erwartungen meldete sich doch nur eine computeranimierte Stimme, die ihm mitteilte, dass sein Gesprächspartner aktuell nicht zu erreichen war, er aber eine Nachricht hinterlassen könne. „Du Arsch! Sag mir, dass das nicht wahr ist?! Ich mach dir die Hölle heiß, das versprech ich dir!“, knurrte Kou in das Telefon kaum dass er das Signal der startenden Tonbandaufnahme wahrgenommen hatte. Schnaubend legte er auf. Ernüchterung machte sich breit, doch die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich. Es passte ihm so gar nicht, dass er gleich einen Flug nach Sapporo antreten musste. Er hoffte einfach nur, dass er sich irrte. ~*~ „Scheiße, Scheiße, Scheiße…“, fluchte Taka leise vor sich hin. Zwar hatte ihn Kou noch zu seinem Hotel gebracht, aber die Stille in dem Zimmer hielt er einfach nicht aus. Er wusste, dass Schlafen alles besser machen würde. Alle trübsinnigen Gedanken würden verschwinden, wenn er es nur schaffte, sich zur Ruhe zu bringen. Nur daran scheiterte es. Wissen allein schaffte noch lange keine Abhilfe. Er beugte sich weiter vor über das Geländer des kleinen Balkons und sah nach unten. Viel konnte er nicht erkennen. Alles verlor sich irgendwann in Dunkelheit. Diese kannte er nur zur Genüge. Seit damals fehlte etwas. Akira fehlte ihm. So sehr. Jedes Jahr wurde er auf ein Neues daran erinnert, dass er nicht zurückkam und er hier allein zurückgeblieben war. Hilfesuchend zog Takanori an seiner Zigarette, sog den Rauch tief bis in seine Lungen ein. Nur langsam entließ er die Rauchschwaden wieder in die kalte Luft. Dort verschwanden sie schließlich vollständig. Auch das beruhigte ihn heute nicht sonderlich. Warum er so aufgewühlt war, konnte er sich dennoch nicht erklären. Jedes Jahr stellte er sich die gleichen Fragen, die ohne Antwort blieben. Er wollte wissen warum. Aber jeder sagte nur, es war ein bedauerlicher Zwischenfall, den keiner verschuldet hatte. Im Arztbericht stand angeblich irgendwas von Substanzen, die in seinem Blut nachgewiesen worden waren. Auch das konnte er sich nicht erklären. Der einzige Fakt, der stand: Akira war gestorben. Je öfter man dies wiederholte, desto mehr verlor es an Schrecken. Das Loch aber, welches dadurch aufgerissen wurde, hatte Takanori bisher nicht zu stopfen vermocht. Im Nachhinein wusste er nicht, ob es so klug gewesen war, Kou heute überhaupt davon zu erzählen, was in seinem Leben und seinem Kopf vor sich ging. Blank ziehen vor jemanden, der einen schon fast das ganze Leben kannte, war nicht leicht. Trotzdem verglich es Taka im Moment mehr mit dem Sprichwort „Perlen vor die Säue werfen“. Einfach mal reinen Tisch machen sollte doch bekanntlich helfen und er stand zu dem, was er war: eine Schwuchtel. Es gab keinen Grund mehr, sich zu verstecken. Immer wieder wurde genau dieses Thema in den Medien breitgetratscht und es war keine Seltenheit mehr in der heutigen Zeit. Männer heirateten Männer, Frauen heirateten Frauen. Alles ganz normal. Der normale Wahnsinn. Allerdings fühlte es sich so an, als wäre Takanoris Botschaft an seinen Freund auf der Distanz zwischen ihnen verloren gegangen. Kou und er hatten sich auseinander gelebt und lebten jetzt in völlig unterschiedlichen Welten. Augenscheinlich bedeutete dieser Schnitt für ihn gar nichts. Es reichte nicht an seine Glamourwelt heran. Das hatte er schon daran festmachen können, dass Kou sofort versuchte ihn irgendwo einzuordnen, ihn in einer Schublade zu verstauen. Für Kouyou war er mittlerweile nur noch einer, einer von vielen. Da gab es nicht mehr den Status bester Freund. Was machte es schon für einen Unterschied Kou ins Vertrauen zu ziehen oder ihn einfach weiter sein Leben leben zu lassen? Welche Reaktion hatte er sich erhofft? Hatte er sich überhaupt eine Reaktion erhofft? Taka erinnerte sich, damals war das komisch. Es hatte etwas Verbotenes einen anderen Jungen zu berühren oder ihn zu beobachten, wenn er nackt war. Neugier, verstohlene Blicke, rasender Puls. Dann merkte er, wie immer mehr Berühmtheiten sich outeten, Stimmen wurden laut und verlangten nach einer Gleichberechtigung. Jeder hatte auf einmal eine Meinung dazu. Das gehäufte Auftreten nahm dieser Thematik den Reiz. Irgendwann stumpfte man ab. Taka hingegen dachte sich zu dieser Zeit lediglich, dass bi sein bedeutete, dass es einfacher werden würde. Nicht festgelegt zu sein hieß gleichzeitig mehr Auswahl zu haben. Aber eigentlich wurde es nur schwieriger jemanden zu finden, dessen Dämonen kompatibel mit seinen eigenen waren. Man hatte trotzdem den Stempel, sonderbar zu sein. Je älter er wurde, desto ätzender empfand er die Suche. Seine Einstellung lag nicht in der Anschauung der Gesellschaft begründet oder wie sein Status ausfallen würde, wäre er bekennend schwul. Er hatte ganz andere Herausforderungen zu meistern. Die Dinge, die er jemanden erklären musste, der sich auf ihn einließ, häuften sich. Seine Lust dies zu tun aber war schwindend gering. Er wollte sich nicht erklären, nicht erklären wie er sich wünschte, dass man ihn gegenüber trat. Auf der anderen Seite wollte er aber ein offenes Buch sein, Vertrauen schenken. Doch unmöglich, wenn die Abgründe so tief und breit waren, dass es Mühe bedeuten würde, diese zu überqueren. Allerdings war es das, was er in einer Beziehung suchte: Verständnis. Selbst jetzt mit Kloe war es kompliziert. Es war einfacher ihm etwas vorzuspielen, jemanden vorzuspielen. Eine Person ohne Ecken und Kanten, denn davon hatte er genügend. Sein klarer Menschenverstand wusste, dass er fallen gelassen werden würde, sobald es schwierig wurde. Das war in der heutigen Gesellschaft nun einmal so. Jeder scheute Herausforderungen, da die Auswahl an Alternativen mittlerweile immens hoch war. Damals war das nie ein Thema. Damals war Akira da. Akira kannte seine Ecken, kannte seine Kanten und er war sich sicher, dass er ihn nie hätte aufgegeben, selbst jetzt nicht, wenn er die Furchen sehen würde, die der Abschied von ihm bei ihn hinterlassen hatte. Kou verstand ihn nicht, Kloe würde ihn nie verstehen. „Akira…“, flüsterte Takanori lautlos und umklammerte das Zippo in seiner Hand noch fester. Durch das Licht, welches von dem Hotelzimmer zu ihm nach draußen fiel, glänzte das goldene Kreuz auf dem Feuerzeug. Akiras Zippo. Nur zu genau konnte er sich daran erinnern, wie er es ihm damals nach den Sommerferien präsentiert hatte. Ein Souvenir aus Amerika. Wie gefühlt jedes Jahr hatte Akira seine Sommerferien in den USA verbracht. Lange 6 Wochen, die er ohne den anderen auskommen musste. Jedes Mal lauschte er Akiras aufregenden Geschichten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Freunde der Familie, die dort lebten, zeigten ihm gefühlt das ganze Land und unternahmen einen Ausflug nach dem nächsten mit ihm. Er war so neidisch gewesen und glaubte den Duft der Freiheit zu riechen, der an Akiras Geschichten haftete. Nur zu gern ließ er sich von diesen Geschehnissen in den Bann ziehen. Dann war es immer so, als habe er all das zusammen mit seinem Freund erlebt und konnte ein Teil davon sein. Akira war seine Bewunderung sicher und so war es ein Leichtes ihn zum Rauchen anzustiften. Für was sonst benötigte man ein Feuerzeug? Ganz war er nie davon losgekommen, doch mit dem Ende seiner Selbstfindungsphase sollte auch diese dumme Angewohnheit nicht weiter fortgeführt werden. „Schmeckt nicht…“, stellte er wieder einmal fest, nachdem die Zigarette zum Großteil niedergebrannt war. Genervt dreinblickend ließ er die glimmende Zigarette in die Tiefe fallen. Der fade Geschmack in seinem Mund jedoch blieb. Den hatte er noch nie leiden können, genau so wenig wie den muffigen Geruch, der sich in den Klamotten und den Haaren festsetzte. Für den Moment ignorierte er es jedoch. Ehrfürchtig führte er das Zippo zu seinen Lippen, berührte das Tribal, welches sich auf der ebenen Fläche entlang schlängelte. Ein spitzbübisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er bereute es noch immer nicht, dass er damals Sachen von Akira hatte mitgehen lassen. Diese gehörten zu ihm und nicht auf den Müll, so wie es seine Familie geplant hatte. „Egal wo du jetzt bist, Akira, ich hoffe, du weißt, dass ich noch immer an dich denke.“ Takanoris stumme Tränen fielen ebenso in die Tiefe. Der Tag würde kein Ende nehmen. ~*~ Zwar hatte Taka den Vortrag frei gehabt, seine Augen waren dennoch total verquollen vom vielen Weinen. Da hatte nicht einmal Make-up und Kajal sehr viel retten können. Akiras Todestag machte ihn immer noch fertig, aber das war okay. Er wollte diese Gefühle nicht unterdrücken. Es war vollkommen in Ordnung, jemanden zu vermissen und Sehnsucht zu verspüren, auch wenn man an der Situation nichts ändern konnte. Zu akzeptieren hatte er in der Therapie gelernt. Das war aber so ziemlich das einzige. Er hatte Akiras Tod akzeptiert, da er ihn nicht ändern konnte. Trotzdem hieß Akzeptanz nicht, dass er seine Erinnerungen wegwerfen musste, wie es seine Therapeutin von ihm verlangt hatte. Er solle vergessen, damit er sich öffnen könne. Für Neues, Besseres! Seine Erinnerungen an seinen Kumpel waren nicht im Geringsten negativ belastet. Viel mehr liebte er es, sich an Akira zurück zu erinnern. An all die Dinge, die sie zusammen gemacht hatten. Daher kramte er zu dieser Gelegenheit immer seine alten Fotos heraus. Eins wusste er: Akira würde er nicht loslassen. Es war schon schlimm genug für ihn sich eingestehen zu müssen, dass gemeinsame Momente seinem fortschreitenden Alter zum Opfer fielen und er noch nicht einmal mehr sagen konnte, wie Akiras Stimme klang, obwohl diese ihn tagtäglich begleitet hatte. Die wenigen Tonaufnahmen, die es von ihm gab, riefen die Erinnerungen zwar wieder wach, aber sie waren nicht mehr so allgegenwärtig, wie noch vor ein paar Jahren. Das ärgerte Taka. Genau so sehr wie Kouyous Verhalten ihn ärgerte. Der hatte nicht nur Akira vergessen sondern auch ihn. Er kümmerte sich nur noch um seine Karriere. Zwar wollte er ihm keine Vorwürfe dafür machen, wie er mit ihrer Vergangenheit klar kam und diese verarbeitete, aber er stand allein auf weiter Flur. Niemals hätte er sich erträumen lassen, dass sein Sandkastenfreund ihn so einfach zurückließ und sich gar nicht mehr um ihn scherte. Taka jedenfalls hatte angefangen diesem Tag ordentlich in Gedenken an Akira zu begehen. Er spielte Musik, die Akira mochte. Es gab eines von Akiras Lieblingsgerichten – dieses Jahr waren es Burger und Pommes. Und natürlich trank er einen auf seinen Kumpel. Klar flossen immer wieder Tränen wenn die alten Erinnerungen hochkamen und er nach wie vor mit dem Verlust nicht klar kam. Aber all das gehörte einfach dazu. All das war für Akira und seine ganz persönliche Sache. Das hatte nichts mit seiner Familie, seinem Freund oder Kou zu tun. Er tat es einzig und allein für sich. Nichts desto trotz schritt die Zeit unaufhörlich voran. Der Alltag hatte ihn wieder und dieser verdrängte gekonnt die sentimentalen Gefühle, die Taka aktuell pflegte. So marschierte Taka mit seinem Kaffeebecher in der Hand über den beigefarbenen Bürgersteig, ging damit seinem allmorgendlichen Ritual nach. Manchmal kam er sich vor wie in einem Film. Hier war alles in dieser Farbe gehalten, alles stimmig. Sogar die angelegten Blumentöpfe, die den Gehweg von den kleinen Grünflächen vor den Hochhäusern trennten, waren beige. Alles hier sollte einen einladenden Eindruck erwecken. Businessgegend. Half nur bei den kühlen Temperaturen noch nicht allzu viel. Bei purem Sonnenschein wirkte das schon anders, aktuell machte es auf den jungen Designer eher einen gekünstelten Eindruck. Diese Gegend hier war für ihn bereits zu abgehoben. Niemand würde ihm so ein verkorkstes Leben zuschreiben, wenn er sah, wo er arbeitete. Mehr Schein als Sein. Eben wie immer. Hier zählten Namen, sonst nichts. Für Takanori war es nur der Antritt eines erneuten stressigen Arbeitstages. Unterm Strich kam nach wie vor zu Wenig heraus. Trotzdem hatte er seine Modelkarriere definitiv an den Nagel gehängt und konnte eigentlich sogar von Glück reden, dass er so schnell als Designer überhaupt Fuß fassen konnte. Wie viele andere waren daran gescheitert. Auch er hatte es nur Vitamin B zu verdanken. Ein Kontakt, den er damals noch während seiner Zeit als Jungmodel gepflegt hatte, verhalf ihm dazu sich in einer Firma auszutesten und dann war alles zum anderen gekommen und er lernte die Grundlagen für diesen Job recht schnell. Taka nahm noch einen Schluck von seinem Becher und bog links zu dem Eingang eines Hochhauses ein, als er geistesgegenwärtig inne hielt. „Komm sofort wieder her!“, wetterte ein Mann, der vor ihm auf dem Boden hockte, sich mit einer Hand an dem Eisenzaun festhielt. Das war auch der Grund, warum er stehen geblieben war. Ein vorbeikommen war zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dennoch fragte er sich, was der Mann in der schwarzen Lederkluft da trieb. Merkwürdig war das schon. „Eh… kann ich ihnen vielleicht irgendwie helfen?“, sprach Taka ihn daher an. Ertappt richtete sich der Mann auf und starrte ihn erschrocken an. „Ehm…“, kam unmittelbar eine Reaktion. Das kontinuierliche Starren aber war unangenehm. Trotzdem guckte Taka wohl mindestens genau so irritiert in die grünen Augen seines Gegenübers, die unter dem Schatten des Cappies verborgen lagen. Definitiv Kontaktlinsen. Aber stylish sah der Typ schon aus mit seiner Lederjacke und dem schwarzen Cappy mit der weißen Aufschrift. Sicherlich irgend so eine Baseballmannschaft. Schade, dass er so wenig von dem Gesicht sehen konnte, da der andere eine Gesichtsmaske trug, die nicht einmal zuließ seine Gesichtskonturen zu erkennen. Aber auch das war zu dieser Jahreszeit nicht unüblich. „Nein, alles okay… Wobei…. Vielleicht doch!“ Der Mann vollführte eine Bewegung mit der Hand zur Seite. „Mein Hund ist mir entwischt. Ich hab ihn noch nicht so lange und er ist klein und da drin!“, erklärte der Mann mit tiefer Stimme, die noch dunkler klang durch den Stoff, der seinen Mund verdeckte. Taka schätzte sein Gegenüber grob auf Mitte 20. Von der Art wie er redete und gestikulierte, wirkte er jedenfalls nicht alt. Das Problem verstand er auch sofort. „Ach so, ich verstehe.“ Taka nickte und warf einen kurzen Blick zu der Grünfläche. „Da kommt man nur von drinnen hin und Sie kommen nicht in das Gebäude – nehme ich mal an.“ Taka arbeitete schließlich hier und er kannte die Vorschriften. Daher zog er aus seiner Jackentasche die Schlüsselkarte, um die Eingangstür zu öffnen. Mit einem leisen Piepen wurde diese entriegelt. „Warten Sie einen kleinen Moment! Ich helfe Ihnen“, sagte Takanori und drückte dem Unbekannten seinen Kaffee in die Hand. Dann war er im Gebäude verschwunden und erschien nach ein paar weiteren Sekunden wieder bei der Tür, die zu der kleinen Grünfläche führte. Er schob den Vorhang zur Seite und öffnete die Tür. Nun hatte er Zugang zu dem Bereich hinter dem verhängnisvollen Zaun. „Okay, nach was suche ich genau?“, sprach der kleine Blonde den Besitzer des Hundes an. „Hm… nach einem Hund. Klein.“ Ein wenig grinsen musste Taka daraufhin schon. War sicherlich der Hund seiner Freundin, mutmaßte der Blonde. Wie sonst konnte man sich so dumm anstellen? „Wie sieht er sonst aus, außer klein?“, fragte er nach und trat nach draußen. Mit seinem Blick suchte er den Rasen ab. Zwischen den Büschen und den Sträuchern, die hier angepflanzt worden waren, konnte er noch nichts erkennen. „Also… er hat große Ohren! Zwei Stück… Und sonst…. Ehm….“ Taka grinste nun wirklich amüsiert und hockte sich in einer Ecke nach unten. Da schnüffelte doch jemand umher! „Hab ich dich, du kleiner Ausreißer!“, sagte er und nahm die halbe Portion in die Hände. Jetzt verstand er das mit dem klein auch. Der Hund war ja wirklich furchtbar klein und total niedlich. Eine Gefahr ging von dem neugierigen Kerlchen jedenfalls nicht aus. Und total leicht war er auch. „Hab den kleinen Süßen gefunden“, verkündete der Designer und trat zu der Seite an den Zaun heran, hinter dem der Besitzer des Tieres bereits auf seinen Hund wartete. Er kam trotzdem nicht drum herum durch das weiche schokobraune Fell zu streicheln. Doch da fiel ihm noch etwas auf. „Die Halterung am Halsband ist nicht mehr intakt. Daher konnte er sicherlich ausbüchsen.“ Da der Zaun nicht allzu hoch war, konnte er das kleine Fellknäuel leicht zu dem Besitzer reichen, der ihn vorsichtig gegen seine Brust drückte und mit seiner schützenden Hand vor dem Runterfallen bewahrte. „Dankeschön“, sagte der nur und vollendete den Tausch Hund gegen Kaffeebecher. „Passen Sie lieber auf, nicht dass er noch auf die Straße rennt. Da kann schnell etwas passieren.“ Taka nickte gleich, warf trotzdem wieder verstohlene Blicke zu dem Hund. Der Kleine war zuckersüß mit den großen Knopfaugen und den furchtbar kleinen Pfötchen. „Ja, werde ich machen. Vielen Dank für die Hilfe.“ „Gern geschehen. Aber nun muss ich mich beeilen. Mein Chef wartet sicherlich schon auf mich!“, täuschte Taka nun etwas Eile vor. Er nahm nicht mal an, dass sein Chef bereits da war, aber es machte keinen guten Eindruck, wenn dieser erschien und er hier auf der Grünfläche herum stapfte. „Oh, eine Frage noch“, fiel dem Unbekannten jedoch ein. „Ist in diesem Gebäude NG Productions ansässig?“, hakte der Mann nach und Taka sah auf. „Ehm…“ Er blinzelte. Gerade fiel ihm auf, wie dunkel die Haut seines Gegenübers doch gebräunt war. Dies harmonierte aber sehr gut mit seinen dunkelbraunen Haaren, die ihm teils fransig ins Gesicht hingen. „Ja und nein.“ Taka dachte kurz nach. Aber jetzt schien er eins uns eins zusammenzählen zu können. Der Typ war sicherlich Model und wegen irgendwelcher Aufträge hier. Nicht selten wurden Models für anstehende Castings herbestellt und die wussten dann immer nicht wohin sie genau mussten. „Im 8. Und 9. Stock sitzt ein Teil von NG. Aber nichts was die Planung anbelangt. Reine Produktentwicklung. Das Management finden Sie bei dem Hochhaus dort drüben. Da finden auch Gespräche statt.“ Taka deutete in die Richtung von der er sprach. „Einfach hier der Straße weiter, über die Ampel und dann ist es das Hochhaus schräg gegenüber. Da steht auch eine Statue von einem Löwen am Eingang.“ Jedenfalls hoffte er, dass man das fand. Wer wusste schon, was der Kerl wollte. Aber sicherlich ging es nur wieder um irgendwelche Shootings der anderen Abteilungen. Bei seinem Projekt kamen ja nur Kinder in Frage und keine attraktiven Typen. Eigentlich schon schade. Mit alledem hatte er letztendlich weniger am Hut was auch gut so war. Er war nur für die Designs der Produkte zuständig. „Dort ist auch ein Empfang“, warf Taka zusätzlich noch ein, da der andere noch keine Anstalten machte, zu gehen. „Da können Sie nochmal nachfragen wohin Sie genau müssen.“ „Vielen Dank für die Auskunft. Das finde ich sicherlich.“ Der Mann in der Lederjacke deutete eine leichte Verbeugung an, wandte sich dann aber umgehend ab und lief in die Richtung in der das beschriebene Gebäude stand. Gute Tat des Tages vollbracht. Kurzzeitig hatte er damit gerechnet, dass noch etwas kam. Aber dem war nicht so. Dann konnte er sich nun wirklich an die Arbeit machen. Mit einem ernüchternden Seufzen trat Takanori den Weg ins Gebäude an und schloss die Tür zur Grünfläche hinter sich. „Oh, Matsumoto. Gut, dass du da bist. Auf deinem Tisch liegen Unterlagen“, wurde der kleine Blonde bereits begrüßt noch ehe er seinen Arbeitsplatz erreichen konnte. „Bis Mittag sollen da bereits die ersten Skizzen stehen. Wenn du Hilfe brauchst, dann frag Kobayashi!“ Alles wie immer. „Wird gemacht“, brummelte Takanori lediglich vor sich hin und setzte seinen Weg fort. „Ach ja, noch was: 16 Uhr sollst du rüber zu Nakamura. Der möchte irgendwas mit dir besprechen!“ Nun aber stutzte Taka und seine Augen weiteten sich. Konnte es denn sein, dass seine Bitte um Versetzung stattgegeben wurde? Anders konnte er sich den plötzlichen Termin bei seinem obersten Vorgesetzten nicht erklären. „Okay“, murmelte er daher nur, machte sich aber nun schon seine Gedanken, was man von ihm wollen konnte. Kapitel 5: ----------- Undone Kapitel 5 Takanori atmete tief durch, als er das Gebäude verließ. Dann verzog er seinen Mund und rollte mit den Augen. Das Gespräch war Scheiße. Er empfand es als total überflüssig und dämlich. Kurzum: Er war enttäuscht und wütend zugleich. Entnervt setzte der kleine Blonde seinen Weg fort und spürte das Vibrieren seines Smartphones in seiner Hosentasche. Etwas umständlich zog er es aus dieser heraus und hielt es mal wieder falsch herum. Dennoch war das Feld gut zu erkennen, welches er berühren musste, um den Anruf entgegen zu nehmen. Natürlich rutschte in diesem Moment auch noch seine Umhängetasche von seiner Schulter. Mit einem schmerzhaften Ruck an seiner Armbeuge wurde der Fall gestoppt. „Moshi moshi….“, meldete Taka sich dennoch und zog mit seiner freien Hand den Gurt wieder auf seine Schulter. Trotzdem baumelte das schwere Ende seiner Tasche weiterhin hinderlich um sein Knie. „Hey, Taka. Kouyou hier!“ „Oh, du?“, sprach die Überraschung aus ihm. „Klar. Ich hab doch jetzt deine kompletten Kontaktdaten!“, erinnerte das Model seinen Freund an ihr kürzliches Zusammentreffen. „Eh ja. Hm…“ Das leuchtete ihm ein. Viel wusste er darauf trotzdem nicht zu erwidern. An der Ampel angekommen zog er seine Umhängetasche erstmal über seinen Kopf, sodass er wenigstens ordentlich laufen konnte. Jegliche Erwiderung des anderen war an ihm vorbei gegangen. „Wie lief dein Shooting denn? Bist schon wieder auf dem Weg nach Amerika?“, betrieb der Designer ein wenig Smalltalk. „Och, das lief super. War zwar arschkalt, aber das war von vorn herein klar. -6 Grad!“, plauderte Kouyou aus dem Nähkästchen und Taka nickte nebenbei. Sein Interesse hielt sich in Grenzen. Vor allem, da die Hiobsbotschaft von eben ihm noch schwer im Magen lag. „Aber deswegen ruf ich nicht an.“ Das dachte sich Taka schon, setzte seinen Weg allerdings fort. Mal sehen, was ihm nun für eine Schnapsidee aufgetischt wurde. „Eigentlich sollte ich heute Morgen wieder nach L.A. düsen, aber ich hab meine Termine verlegt und den Flug auf nächste Woche Samstag verschoben. Nachdem du mir erzählt hast, dass sich meine Mutter solche Sorgen macht, dachte ich, dass es eine gute Idee ist, ein paar Tage hier zu bleiben.“ Takanoris Augenbrauen wanderten erstaunt nach oben. Na Mensch, so viel Mitgefühl von Kou hatte er nicht erwartet. „Da freut sie sich sicherlich.“ Reine Floskeln. „Klar. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich dich auch vernachlässige.“ Oha, noch mehr Einsicht. Was war los? „Daher hab ich mir überlegt, dass ich doch einfach bei dir unterkommen kann!“ „Auf gar keinen Fall!“, sprudelte es nur so aus Taka heraus. „Wieso denn nicht?“ „Ich hab kein Gästezimmer – und kein zusätzliches Bett!“ „Das ist nicht schlimm. Ich schlaf auch mit dir in einem Bett.“ „Das geht nicht! Ich hab einen Freund. Der ist bestimmt in den nächsten Tagen auch mal bei mir. Das gibt nur Stress!“ „Taka, hab dich nicht so! Der hat bestimmt Verständnis. Vielleicht kennt der mich ja und ist dann neidisch auf deinen berühmten Freund!“ Man konnte klar und deutlich hören, dass Kouyou amüsiert war. „Meine kleine Absteige ist aber deiner nicht würdig. Es ist nicht aufgeräumt und überhaupt chaostisch. Das geht nicht!“ „Stört mich alles nicht. Ich fühl mich in etwas Chaos außerdem wohler als wenn alles wie geleckt aussieht.“ „Ja, aber…. Wie stellst du dir das denn vor? Ich muss arbeiten!“ Na, wenn das mal kein Argument war. „Ist nicht schlimm. Ich kenn mich doch in der Stadt aus und dann komm ich dich eben von der Arbeit abholen. Dann können wir anschließend noch etwas unternehmen!“ Taka klappte der Mund auf. Manche Menschen verstanden ein nein einfach nicht. Es deuchte ihn, dass Kou zu dieser Art Mensch gehörte. Noch so ein Aspekt, der sich an dem anderen zum negativen entwickelt hat. Gerade wusste er trotzdem nichts zu erwidern. Sein Kopf war nicht hilfreich um noch eine Ausrede auszuspucken und das war sein Todesurteil. „Super. Machen wir also so. Schickst du mir dann also noch deine Adresse zu? Ich bin in zehn Minuten an der Tokyo Station. Ich nehm dann nen Taxi zu dir und bring uns was zu Futtern mit! Bis nachher!“ Fassungslos starrte Takanori auf sein Smartphone. Sein Gesprächspartner hatte aufgelegt. Aufgelegt! Ohne dass er weitere Widerworte geben konnte. Er war im Vorhof der Hölle angelangt. Hatte sich Kou gerade ernsthaft bei ihm eingeladen? „Fahr zur Hölle, Takashima!!“, fluchte der Blonde. „Warum, ey?“, fragte er sich selbst. Irgendwas oder irgendwer in diesem Universum hatte doch was gegen ihn! Da war er sich sicher. Der heutige Tag verlief getreu dem Motto: Schlimmer geht’s immer. „Scheiße!“, traf ihn eine weitere Erkenntnis, als er sich Bilder seiner Wohnung ins Gedächtnis rief. Da lagen Dinge rum, die waren nicht für die Augen von Fremden gedacht, auch nicht, wenn dieser jemand ihn schon ewig kannte. „Fuck ey!“, fluchte Taka weiter, trat den Weg zur Bahnstation rennend an. Seine Wohnung war nicht auf Gäste vorbereitet! So gar nicht! ~*~ Sogar seine Jacke hatte Taka noch an, als es an der Tür klingelte. Wenigstens hatte er es geschafft und die Beweise seines alljährlichen nervlichen Zusammenbuchs des Vortages wegzuräumen. Das ging selbst Kouyou nichts an. Dennoch hatte die Bahn einfach viel zu lange gebraucht als dass es realistisch gewesen wäre, noch vor Kouyou hier anzukommen und ordentlich aufzuräumen. Nun aber starrte er von unten in das grinsende Gesicht seines Sandkastenfreundes. „Ich hasse dich!“, machte er keinen Hehl aus seinen vorherrschenden Gefühlen. „Ach, Taka-chan, nun stell dich nicht so an. Ich freu mich auch, dich zu sehen. Hier, Essen!“, sagte das Model und schob den anderen ein Stückchen zur Seite, um in das kleine Apartment zu treten. Er schlüpfte unter dem Missmut des kleinen Blonden aus seinen Stiefeln und zerrte schließlich seinen mittelgroßen violetten Koffer hinter sich in den Flur. Beinah hätte er dabei Takas Zehen erwischt. Diese Dreistigkeit regte einen schlichtweg auf. „Willst du nicht doch lieber in ein Hotel?“, fragte der Kleinere noch einmal höflich nach, während er die Tüte mit dem irgendwie ja doch gut riechenden Essen weiterhin in den Händen hielt. Kouyou aber zog nur seine Sonnenbrille von der Nase und warf dem anderen einen freudigen Blick über die Schulter zu. „Nö, nun bin ich einmal hier!“, wies er den Vorschlag zurück und stellte seinen Koffer an der Seite ab. Taka schob das auf Amerika. Vielleicht war er zu oft in Kontakt mit Ausländern gewesen, als dass er solch eine Anspielung noch hätte verstehen können. Sein Gast jedenfalls schien keinen Anstand zu besitzen und war bereits in die Küche spaziert noch bevor er seine Jacke abgelegt hatte. „Uhw, was ist das denn für eine coole Tasse? Voll fancy!“ Der Schwarzhaarige hob seinen Fund nach oben und besah sich den Aufdruck. Das war auch das Signal, die Tür zu schließen und seinem Kumpel hinterher zu eilen. Das Bild welches sich ihm bot, brachte ihn letztlich nur zum schnauben. „Hat meine Mama mir gekauft!“, knurrte Taka und nahm Kouyou seine geliebte pinke Hasentasse weg. Brachte nun auch nichts, sich weiter aufzuregen. Seine Burg wurde erobert – von einem extravaganten It-boy mit der neuen Angewohnheit andauernd Anglizismen in seine Sprache einzubauen. Wäre er nicht eh schon genervt, spätestens jetzt wäre er es. „Willst du was trinken?“, resignierte der Bewohner dieses Apartments und stellte das Willkommensgeschenk in Form des Abendessens auf seinen kleinen Küchentisch ab. Daneben fand seine Lieblingstasse ebenso Platz. „Sehr gern. Was hast du da? Oh, warte, ich guck selbst!“, sagte der Großgewachsene und schon riss dieser den Kühlschrank auf. Taka blies seine Bäckchen auf. Gerade bereute er, dass er keinen abschließbaren Kleiderschrank hatte. Ihm schwante Schlimmes! „Hast du kein Bier?“, kam auch schon die erste Beschwerde. Das ließ er aber nicht auf sich sitzen. „Hätte ich gewusst, dass ich Besuch erwarte, hätte ich selbstverständlich dafür gesorgt, dass Bier da ist!“ „Aber ich hab doch angerufen!“ Das Comeback der Entenschnute. Aber Taka erwiderte diese nur mit einem bitterbösen Blick. „Ja, aber WANN!“, schnaubte Taka. Musste er bei dieser Dreistigkeit wirklich noch gastfreundlich sein? Verdammt, ja, musste er. Scheiß gute Erziehung. „Wenn du möchtest, dann kann ich noch schnell in den Conbini der Straße runter gehen und dir Bier kaufen.“ Er war ja so ein Sklave seiner selbst. Das war nicht mehr auszuhalten. „Das ist lieb, Taka. Du hast dich gar nicht verändert!“, stellte Kouyou mit einem breiten Grinsen fest und schloss den sonst eher spärlich bestückten Kühlschrank. Taka hingegen wünschte sich innständig genau das Gleiche auch von seinem Gast behaupten zu können. „Und wenn du gleich los gehst, dann bring wenigstens Eier mit. Dann machen wir morgen früh Eierkuchen zum Frühstück! Erdbeermarmelade und Erdnussbutter bitte auch gleich!“ „Ich mag keine Erdbeeren! Nach wie vor nicht…“ Es war eine Sache sein Heim einzunehmen, aber eine andere, wichtige Dinge über ihn zu vergessen. Takanori war schlichtweg einfach nur angepisst. Trotzdem drehte er sich auf dem Absatz um und spazierte aus seiner kleinen Küche heraus. „Zehn Minuten. Mach es dir einfach solange im Wohnzimmer bequem. Das ist die Tür gegenüber!“ So ganz wohl war ihm bei der Sache nicht, dass er es wirklich in Erwägung zog, Kouyou in seinen vier Wänden allein zu lassen. Hätte er vorhin in der Bahn einfach die Message gar nicht erst abgeschickt, dann hätte er gar nicht gewusst, wo er wohnte. Wobei, so wie er seinen Sandkastenfreund kannte, wär der einfach mal so mir nichts dir nichts bei seinen Eltern aufgetaucht und hätte gefragt. Die wohnten schließlich immer noch in dem Haus, in dem sie früher gelebt hatten. Und Kouyou zusammen mit seiner Mutter und seinen Großeltern nicht unweit davon entfernt. Geschehen war geschehen und nun hatte er keine andere Wahl, schließlich hatte er durch sein selbst inszeniertes Angebot es sich selbst eingebrockt, dass Kou nun alleine der Herr seines Apartments werden würde. Temporär beschränkt, verstand sich. Wenigstens musste er seine Jacke nicht erst anziehen. Trotzdem schnappte sich der Jüngere noch seine Geldbörse, während Kouyou hinter ihm ins Wohnzimmer huschte. Und natürlich hatte er in der Küche das Licht an gelassen. Taka schnaubte, griff um die Ecke und ertastete den Lichtschalter, um das Licht zu löschen. Als er einen Blick ins Wohnzimmer warf, lag bereits die Jacke des Größeren auf seiner Couch und der andere hing neugierig am Fester. Hatten sie nicht heute kurz über diese Sache bezüglich Unordnung geredet. Irgendwie hatte Taka das Gefühl, dass seine sogenannte Unordnung nur das Anfangsstadium von Kouyous Unordnung war. „Eh… Ich geh kurz. Stell einfach nichts an!“ Das war eher eine Hoffnung, die der Blonde hatte, als eine wirkliche Aufforderung. Irgendwie glaubte er, dass der Schwarzhaarige ihm nicht einmal mehr zuhörte. Dieser schien draußen etwas entdeckt zu haben, aber der Designer hatte ganz andere Probleme, als dieses merkwürdige Verhalten zu hinterfragen. „Zehn Minuten. Irgendeine besondere Marke, falls sie haben?“ „Asahi super dry!“ So weggetreten schien Kou doch nicht gewesen zu sein. Wieder drehte sich das Model seitlich und warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Das war bestimmt auch so eine Modelpose, die er immer aus dem Ärmel schütteln konnte. Taka atmete tief durch. „Bis gleich!“ Kaum hörte der Schwarzhaarige die Haustür ins Schloss fallen, sah er wieder nach draußen. Aber der Schatten, den er ausgemacht hatte, war verschwunden. Nun konnte er nur Takanori sehen, der seinen Weg unter dem Licht der Straßenlaterne zum Conbini antrat. ~*~ „Warum klingelst du?“ „Ich hab meinen Schlüssel vergessen!“, knurrte Taka zurück. Was ne selten dämliche Frage. „Unten bin ich noch so rein gekommen. Meine tollen Nachbarn halten es wahrscheinlich nicht für nötig die Tür ordentlich zu verschließen. Wozu braucht man dann noch nen Sicherheitscode, wenn‘s genügt einfach leicht gegen die Tür zu drücken, um ins Gebäude zu kommen?“ Das regte den jungen Designer doch etwas auf. Es war nicht so, dass er viel Wertvolles in der Wohnung hatte, aber es ging ums Prinzip. „Aber wir sind doch in Japan, hier klaut doch keiner was!“, warf Kouyou blauäugig ein. „Sag mal, kannst du nicht einfach mit mir meckern, wenn mich etwas aufregt? Gute Freunde machen sowas!“ Taka ahnte, dass er heute wohl auch ein Bier nötig hätte. Nein, Moment, er trank kein Bier! Das war widerlich. Daher drückte er seinem Gast die Plastiktüte aus dem Conbini in die Hand. „Danke!“ Kou warf einen Blick in die Tüte und checkte die Einkäufe, während Takanori den Reißverschluss seiner Stiefel nach unten zog und sich seiner Straßenschuhe entledigte. „Oh, du hast ja doch Erdbeermarmelade mitgebracht!“, stellte das Model erstaunt fest. „Solange ich das Zeug nicht essen muss, soll es mir egal sein!“ Der Kleinere wollte sich an seinem Besuch in dem kleinen Flur vorbeidrängen, als ihm wieder die Tüte in die Hand gedrückt wurde. Ungeachtet setzte Kou seinen Weg mit einer der Bierdosen in der Hand fort und verschwand im Wohnzimmer. Ein Zischen und ein Klacken waren zu vernehmen, auch wenn weitere laute Stimmen aus dem Wohnbereich zu ihm drangen. Wie dreist! Wider Erwarten machte sich Taka aus dem Verhalten vorerst nichts. Andere Gefühlsregungen waren vorherrschend und überlagerten die Frustration, die er gegenüber seinem langjährigen Freund verspürte. Mittlerweile war es spät geworden und sein Magen hing ihm in den Kniekehlen. Daher räumte er Kouyou ignorierend all die restlichen Einkäufe weg und holte ihnen Stäbchen aus einer Schublade. Das Essen, welches der andere mitgebracht hatte, stand noch unangetastet auf dem Küchentisch herum. Eben da, wo er selbst es abgestellt hatte. Das nahm Takanori demnach zum Anlass die Tüte mit ins Wohnzimmer zu nehmen, als ihn gleich der nächste Schlag traf. Hektisch lud er alles auf der freien Fläche seines Wohnzimmertisches ab. „Kein Ding, dass du hier DVDs guckst, aber….“ Er atmete tief durch. „Könntest du die dann vielleicht auch wieder dahin stellen, wo sie hingehören?“ „Später!“ Takas Kopf schnippte zur Seite und er blickte seinen Besuch an, der wie ein Urlauber auf seiner Couch fläzte. Etwas missmutig schnaubte er wiederum. Seine Nerven starben wie Mücken, die einer Insektenfalle zu nahe kamen. Sofort warf er sich auf die Knie und robbte zwischen Wohnzimmertisch und Fernseher, um seine geliebten DVDs aufzusammeln, die der ungebetene Gast lieblos dort verteilt hatte. So ging man nicht mit seinen wertvollen Schätzen um. „Oh, es gibt Futter! Klasse!“, fiel dem Älteren nur auf. Er stellte seine Bierdose ab. Anhand des Geräuschs konnte man darauf schließen, dass schon ein Großteil des alkoholischen Getränks vertilgt worden war. „Eh, wenn es dir nichts ausmacht, kannst du dann mal ein Stück rutschen? Ich seh den Fernseher nicht mehr!“, plapperte Kouyou weiter und das Knistern der Plastiktüte setzte ein. „Aber natürlich…“ Purer Zynismus sprach aus dem Jüngeren. Snob! Snob! SNOB! Es fehlte nicht mehr viel und er würde Kouyou eine reinhauen. Genug Kohle für eine Nasen-OP hatte er sicherlich. Und seine komische Versicherung haftete bestimmt auch. Darauf kam es dann auch nicht mehr an! „Ich hab uns Gyuudon mitgebracht. Für dich mit dreifach Käse. Das magst du doch“, erklärte der Ältere nebenbei, während er die Schalen auf dem Tisch verteilte. Takas aufkeimende Wut war unmittelbar weggeblasen. Verpufft. „Und natürlich mit Salat und dem guten French-Dressing!“, fügte Kou noch an. „Wow…“, kam es über Takas Lippen. Vergessen war das ungebetene Eindringen in seine vier Wände. So schmiss er sich neben seinen Gast auf die Couch. Essen for free! Das lobte er sich. „Is genehm!“, sagte er und krallte sich ein paar Stäbchen und klappte die Box auf. Sofort suchte er noch die kleinen Tütchen mit der Sojasoße und dann konnte es losgehen. Egal, dass das Essen bereits Zimmertemperatur angenommen hatte. „Wusste ich doch, dass du dich freust, wenn ich komme!“ Da Taka den Mund gerade eh voll hatte, ließ er seinen Sandkastenfreund einfach in dem Glauben. Er freute sich viel mehr über das leckere Essen, das in seinen Magen landete als über die Gesellschaft des anderen. Wenigstens waren nun seine DVDs wieder an ihren Platz und Kou hatte er diesbezüglich bereits gemaßregelt. Man musste ja nicht übertreiben. Sich zu sehr aufzuregen war schließlich nicht gut. Immerhin bekam man davon Falten. „Was planst du für morgen?“, fragte Taka einfach nach. Es war ihm lieber, wenn sein Nebenmann redete. Dann konnte er nämlich ordentlich essen. „Ich denke, ich geh morgen gleich mal bei meiner Mutter vorbei. Was steht bei dir an?“ „Arbeiten!“ „Ihr arbeitet auch am Samstag?“ „Oh!“ Taka sah zu seinem Freund. Wahrheit oder Lüge? Wahrheit oder Lüge? Wahrheit? Lüge?... „Ja, das schon. Aber nicht meine Abteilung. Also… hab ich morgen frei!“ Ob das nun so gut war bei der Wahrheit zu bleiben? Aber unglaublich, dass er beinah das Wochenende verpeilt hatte. Doch kein Wunder bei dem Chaos diese Woche. „Klasse! Wenn das so ist, dann verschieb ich meinen Besuch zu Hause und wir beide unternehmen morgen etwas zusammen. Shoppen?“, schlug das Model sofort vor. „Hab ich denn ne Wahl?“ Taka seufzte leise. Shoppen klang anstrengend. Und das am Wochenende. Menschenmassen. Überall. Und sicherlich wollte Kou zu den hot spots. Das hieß, alles würde noch überfüllter sein. Das konnte er ja leiden – eben nicht. „Nö! Aber hey, dann kauf ich dir was Tolles und wir vergessen die Sache, dass ich deinen Geburtstag verschwitzt hab!“ In Kouyous Ohren klang das nach einer guten Lösung für die kleine Ungereimtheit. „Na gut…“ Für Diskussionen war der Tag einfach nicht gut genug gelaufen. Schlimmer machen wollte Taka das nicht. „Wie war es heute überhaupt auf Arbeit?“, hakte der Ältere nach, da er mitbekommen hatte, dass sein Nebenmann gerade nicht mehr den Reis in sich schaufelte. „Eh…“ Sofort schloss Taka seinen Mund wieder. Anschließend zuckte er mit den Schultern. „Grob gesagt beschissen. Die Arbeit ist ja nicht so schlecht, aber ich hatte dir ja erzählt, dass ich eine Anfrage gestellt hatte wegen einem Wechsel.“ Der kleine Blonde stellte seine Schale mit dem Essen weg. Nun fummelte er nach der zweiten Schale mit dem versprochenen Salat und seinem Lieblingsdressing. „Heute war ich beim Chef. Der meinte, dass in der Abteilung, an der ich interessiert bin, gerade keine Stelle frei ist. Ich wär da überflüssig. Und ich würde doch da wo ich gerade bin sooooooo gute Arbeit leisten. Sie schätzen meine Bemühungen und meine Ideen sind super. Bla bla bla!!! Letztendlich meinte er noch, dass in 6 Wochen die eine Mitarbeiterin von nen anderem Projekt aufhört, weil sie schwanger ist. Falls ich dann immer noch Interesse an einem Wechsel hätte, könnte ich dahin“, gab der Jüngere grob das Gespräch mit seinem Vorgesetzten wider. Es fiel ihm schwer nicht mit den Augen zu rollen. Im Job fühlte er sich aktuell nicht ernst genommen und er verkaufte sich total unter Wert. „Klingt doch okay. Immerhin kannst du wechseln.“ „Na super!“, platzte es sofort wieder zynisch aus dem Blonden heraus. „Vom Regen in die Traufe.“ Taka griff aus purer Verzweiflung zu der Dose auf dem Tisch und nahm einen Schluck. Direkt aber verzog er sein Gesicht. Dummer Fehler. Trotzdem schluckte er. „Bah….“ Da schüttelte es ihm. Taka stand auf und stellte die Dose zurück. Besser, er holte sich etwas anderes zu trinken. Kou schmunzelte ja eh schon wieder über seine Reaktion. „Was ist so schlimm an der anderen Abteilung?“, überging der Ältere den kleinen Fehltritt seines Freundes dezent und setzte ihre Unterhaltung fort. „Die entwerfen Schuhe! Finde den Fehler!“, sagte Takanori und spazierte wieder in seine Küche. Zurück kam er recht schnell mit einer Flasche Wasser und einem Glas. „Ich finde Schuhe cool.“ „Vielleicht zum Tragen und zum Kaufen und so. Aber sicherlich nicht um die zu entwerfen. Die machen wohl auch noch Taschen, aber das ist doch der gleiche Mist! Das ist nicht das, was ich mir vorstelle. Ich wollte richtige Klamotten entwerfen. Mode! Fashion! Und irgendwann mein eigenes Label haben und nicht Kindermode entwerfen oder Omaschuhe. Aber genau darauf läuft das hinaus! Und das kotzt mich gerade tierisch an!“, tat Taka seinen beruflichen Unmut kund. Kapitel 6: ----------- Undone Kapitel 6 Ein leises Murren war zu vernehmen. So ganz konnte der junge Japaner das Geräusch nicht zuordnen, welches ihn aus seinen Träumen riss. Dann verschwand es wieder, doch zu spät. Taka drehte sich herum, bemerkte eine Bewegung neben sich am Bett und dann wurde der Vorhang neben dem Bett aufgerissen. „Echt jetzt?“, fragte Taka nach, der mit einem geöffneten Auge die Zahlen auf seinem Wecker erhaschte. „Es ist 5 Uhr! Bist du wahnsinnig?“, fragte er schlaftrunken und rollte auf die Seite des Bettes, auf der sein Freund eben noch gelegen hatte. „Zeit zum Joggen!“, kam die Antwort. Der Kleinere hatte dafür kein Verständnis. „Fick dich und lass mich schlafen!!!“, murrte er noch immer verschlafen und zog die zusätzliche Decke in seine Arme, um diese als Kuscheltier zu benutzen. Seinen Kopf bettete er auf dem oberen Teil. Schon waren seine Augen wieder geschlossen. „Weichwurst!“, kommentierte Kouyou, der nun munter durch das Zimmer polterte, das Licht anschaltete, da es draußen noch immer dunkel war. „Woahr!!!! KOUYOU!!! Ich will schlafen!“, murrte Takanori grantig und drehte sich unzufrieden wieder in seinem Bett herum. Das war doch echt eine unzumutbare Zeit! Vor allem für einen Samstag! Aber seinen Gast schien das nicht zu stören und er hockte sich vor seinen Koffer. Aus dem zog er seine Sportklamotten und nahm ebenso weiter vor sich hin raschelnd ein paar Utensilien mit, die er ebenso im Bad benötigte. Wie ein Trampeltier bewegte sich das Model durch die Wohnung und dann wurde der Krach im Badezimmer fortgesetzt. „Geh sterben, Takashima!“, meckerte der kleine Blonde weiter. Er war bereits wieder bemüht, eine Schlafposition zu finden, in der er seinen wohlverdienten Schlaf fortführen konnte. Es war schwieriger als gedacht, sich bloß nicht auf die Geräuschkulisse, die immer wieder an seine Ohren drang, zu konzentrieren. ~*~ Wieder vernahm Kouyou nur das monotone Tuten am anderen Ende der Leitung. Mann ey, das nervte ihn echt an. Aber dann klackte es und er hörte ein seufzendes „Hai!“. „Fuck ey! Wird ja mal Zeit, dass du ans Telefon gehst!“, sprach er total aufgeregt und ließ den Schlüssel zu Takanoris Wohnung prompt fallen. Er war durchgeschwitzt ohne Ende. Aber das war normal nach seiner Joggingrunde und jetzt total unwichtig. „Ich hab seit Tagen versucht, dich zu erreichen, dumbass!“ Kous Stimme wurde um eine Oktave höher als normal. Aber es hatte ihn schon nervlich aufgewühlt. „Ja, ich hab’s gesehen…“, kam die weniger begeisterte Erwiderung. „Wo zum Teufel steckst du und warum gehst du nicht ans Telefon?“, wetterte das Model und schloss die Tür auf, um Takanoris Wohnung wieder zu betreten. Wenigstens hatte er vorhin geistesgegenwärtig den Schlüssel eingesteckt. Sonst hätte er klingeln müssen und Taka um seinen Schönheitsschlaf gebracht. Das hätte nur wieder Ärger bedeutet, großen Ärger. „Ich bin beschäftigt. Business, okay?“ „Nicht okay!“, fauchte Kou und schlüpfte aus seinen Turnschuhen, trampelte durch den Flur, um zum Badezimmer zu kommen. „Wo bist du?“, fragte der Schwarzhaarige eindringlicher nach. „Reg dich ab! Bin in Kuba!“ „Kuba?“, fragte das Model voller Unglauben nach. „Was machst du da?“ „Hab ich doch gesagt. Ich bin geschäftlich unterwegs. Da kann ich nicht immer ans Telefon gehen. Hast du außerdem auch mal an den Zeitunterschied gedacht?“ „Nein, hab ich nicht! Entschuldige. Ich…“ Kouyou schloss die Tür zum Badezimmer hinter sich und erhaschte einen Blick auf seine Gestalt im Spiegel. Bah, die Schweißflecke auf seinem Shirt konnten sich sehen lassen. Eine Dusche war jetzt das Richtige. „Ich dachte, wir reden vielleicht noch über das Treffen?“, fragte das Model nach, wandte sich nach rechts und zog die Schiebetür zum Badebereich auf. „Wohow!“, entkam es ihm aber, als er den nackten Hintern von Takanori sah. „KOUYOU!!! RAUS HIER!!!“, schrie Takanori in einem spitzen Ton den ungebetenen Gast an und warf sofort die Flasche mit dem Conditioner nach seinem Sandkastenfreund. Der trat wie ein aufgescheuchtes Hühnchen sofort den Rückzug an und schloss die Schiebetür um nicht noch von Wurfgeschossen getroffen zu werden. Hektisch atmete er durch. „Ich meld mich wieder…“, japste er ins Telefon. Der Schock hatte gesessen. ~*~ „Och, Takaaaaaa~~~~“ „Führ dir dein „och, Taka“ rektal ein!“, knurrte Takanori zurück und verschränkte seine Arme noch fester vor seiner Brust. „Was?“ „Schieb’s dir in den Hintern!“, übersetzte er für das Model. Manchmal glaubte er echt, Kouyou war blond. „Ich hab’s nicht gesehen, okay?“ „Ich wüsste nicht, dass du taub bist! Du hättest hören können, dass das Wasser lief! Aber nein, DU BIST INS BAD SPAZIERT! MUTWILLIG!!!!“, unterstellte der Designer seinen temporären Besuch Böswilligkeit und schnaubte gleich wieder. Die Verzweiflung war dem Älteren ins Gesicht geschrieben. „Ich war abgelenkt. Das war echt nicht so gemeint! Ich hab auch fast gar nichts gesehen!“ „FAST GAR NICHTS?“, schnappte der Blonde auf. Seine Stimme wurde vor Hysterie ganz hoch. „Na, dein kleiner, süßer Hintern war ja mal nicht zu übersehen!“ „Glotz mir gefälligst GAR NICHT auf den Hintern!“, wetterte Taka einfach weiter. Ausgeschlafen war er nämlich dank Kouyou auch nicht. „Das war aber ein Kompliment.“ „Seh ich aus, als hätte ich Komplimente nötig?“, keifte Taka weiter und der Blick vom Model sprach wohl Bände. „Ich weiß, dass ich nicht gerade „the most wanted“ bin, aber den Blick hab ich echt nicht verdient!“, motzte er weiter und schnaubte wie ein Bulle. Gleich zog er seinen flauschigen leopardengemusterten Bademantel noch enger um seinen mageren Körper. Kouyou must die!!! „Das war so doch auch nicht gemeint, Taka. Ist doch nichts passiert…“, versuchte es der Ältere nochmals und schwang den Pfannenwender in aller Seelenruhe, um den nächsten Pfannkuchen zu wenden. Da sich Taka geweigert hatte, Frühstück zu machen, hatte er sich doch dazu durchgerungen. Einer musste es ja tun. Und den Bewohner des Apartments fragte man heute am besten nach gar nichts mehr und fasste ihn nur noch mit Samtpfötchen an. „Nichts passiert!“, empörte sich der Blonde. „Ich weiß schon, warum ich dagegen war, dass du überhaupt hier wohnst! Wie kann man nur so selten dämlich sein und in ein Badezimmer gehen, in dem laut und deutlich zu hören ist, dass jemand duscht? Das Wasser lief!!!“ Kou seufzte und schob einen der fertigen Pfannkuchen, den er bereits mit Marmelade bestrichen und gerollt hatte, auf den Tisch, da ihm auf der Arbeitsfläche der Platz ausgegangen war. „Ich hab mich doch entschuldigt. Ich war abgelenkt, weil ich telefoniert hab und da ist das einfach so passiert!“ „Einfach so passiert sagt er!!!“, äffte der Leidtragende ärgerlich den Schuldigen nach. Frustriert zog Taka den Pfannkuchen zu sich. Vielleicht half frühstücken ja. So hob er den Teller an seine Lippen und schob die Rolle weiter zu seinem Mund. Mit einem Happs biss er ab und kaute. Das bemerkte nun auch Kouyou, da das Zetern urplötzlich aufgehört hatte. Er sah zur Seite und seine Augen weiteten sich. „Was schon wieder?“, knurrte der Designer zurück, doch das Model schien erst noch abzuwägen. „Das… solltest du vielleicht… nicht essen…“, murmelte der Schwarzhaarige zögerlich. „Willst du jetzt auch noch sagen, ich bin fett?“, wetterte Takanori und war kurz darauf zu explodieren. Der Typ war heute doch echt auf Streit gebürstet. „Nein! …Eh… nein!“ Abwehrend hob Kou seine Hand und den Pfannenwender schützend vor seine Brust. „Aber… da ist Erdbeermarmelade drauf!“, verteidigte er sich. „Uärghs!!!!“ Taka verzog sein Gesicht und schnippte auf. Umgehend stürzte er zur Spüle und krallte sich ein leeres Glas, das er mit Wasser füllte. Dieses kippte er in Windeseile runter und dann wurde noch gegurgelt. „Meinst du nicht, dass du übertreibst? Is doch nix passiert. Und augenscheinlich lebst du auch noch.“ Wenn Blicke hätten töten können, wäre Takanoris Sandkastenfreund mausetot umgefallen. ~*~ „Wow, hier hat sich ja voll viel verändert! Dort war doch mal ein Haus! Mit ner Uhr… Ner Pandauhr!“, stellte Kouyou fest, als sie an einer Kreuzung zum Stehen kamen. Auch wenn er kontinuierlich durch die Welt jettete, ein paar Dinge brannten sich ins Gedächtnis ein. „Hm, haben sie abgerissen.“ Takanoris Laune war im Vergleich zum miserablen Vormittag wieder gestiegen, seitdem er einen Frappuccino in der rechten Hand hielt. Ein Stück Glückseligkeit auf Erden strömte seiner Speiseröhre nach unten und er lächelte leicht. Manchmal war er so leicht zufrieden zu stellen. Die Ampel sprang auf Grün und sie setzten sich zusammen mit den etlichen anderen Wartenden in Bewegung. „Hier ändert sich ständig was. Die Shops, die ich in der Gegend häufig besuche, ziehen andauernd um. Dann steh ich immer doof vor einem Plan, der den neuen Standort anzeigt. Das ist vielleicht nervig, sag ich dir!“, fiel Taka ein. „Wo gehen wir überhaupt hin?“, erkundigte sich das Model, da die Gegend immer weniger einladend aussah. Jedenfalls ihm fiel das auf. „Zu Second Hand Shops!“, erklärte sein Nebenmann und blieb bereits an der nächsten Ampel stehen. „Dein Ernst?“ Selbst unter der Sonnenbrille konnte der kleine Blonde den Unglauben in Kouyous Augen feststellen. „Jap. Meinst, ich kann mir die Markenklamotten aus erster Hand leisten? So gut verdien ich nun auch nicht und selbst Second Hand sind die oftmals noch preisintensiv. Aber was ich cool finde ist, dass die dann immer nur einzelne Stücke haben und da ich recht klein und schmächtig bin, passt mir so gut wie ALLES!“ Zufriedenheit machte sich auf Takanoris Gesicht breit. Endlich mal ein Vorteil, den seine Gestalt mit sich brachte. „Aber ist das nicht eklig? Ich meine, die Sachen hatte schon mal wer an!“ „Ist mir bewusst! Aber wir reden hier nicht von Unterwäsche. Und darf ich dich in diesem Zusammenhang an den Automaten mit der gebrauchten Unterwäsche erinnern? Ist nun echt nicht so, dass ich vollgewichste Klamotten kaufe!“ Die Abscheu stand Kou nur so ins Gesicht geschrieben. Taka hingegen amüsierte das. „Da juckt es mich direkt!“, warf das Model angewidert ein und schon kratzte er sich über den Arm. „Glaub ich auch, dass dir das Fell juckt. Aber garantiert nicht wegen der Kleidung. Außerdem hab ich mir ne Waschmaschine gekauft, die heiß wäscht. Das tötet Bakterien ab!“ Wieder wurde dem kleinen Blonden Unglauben entgegen gebracht und er überquerte einfach die Straße und ließ seinen Sandkastenfreund eiskalt stehen. „Taka, du bist ja zum richtigen Hausmann geworden!“, platzte die Erkenntnis aus Kou heraus. Das wiederum entlockte dem Kleineren nur ein Lachen. „Sicherlich nicht. Aber aus der Not heraus lernt man halt dazu. Was meinst du, wie beschissen das damals war, als ich auf Anraten der Therapeutin zu Hause ausgezogen bin. Zu Hause war ich eh nur noch voll angenervt von meinen Eltern und deren Vorschriften. Ich hab ja Geld bekommen durch den Job, den ich hatte, und natürlich bin ich in meine eigenen vier Wände gezogen. Und was war? Zwei Wochen später stand ich original vor Mamas Tür und hab gebettelt, dass sie meine Wäsche wäscht und mir essen kocht. Mann, war das peinlich!“ Heute konnte er darüber lachen. „Echt?“ Der Schwarzhaarige grinste und Taka zuckte mit den Schultern. Da bekam er ganz neue Einblicke. „Hochmut kommt vor dem Fall. Und ja, ich war voll arrogant und hab gedacht ich kann alles nur weil ich Umgang mit ein paar angesagten Designern hatte. Das war damals, als ich die Grundlagen gelernt hatte. Toll, hat mir letztendlich aber nicht geholfen im alltäglichen Leben klar zu kommen mit erhobener Nase durch die Gegend zu stolzieren. Von Haushalt hatte ich keinen blassen Schimmer, genau so wenig wie vom Wäsche waschen oder putzen und es war oftmals schlimm nach Hause in eine leere Wohnung zu kommen und einfach nur allein zu sein!“ Taka atmete tief durch. Er wusste, dass Kou das nicht nachvollziehen konnte. Er hatte immer jemanden, der sich um ihn kümmerte, denn das Model hatte das Dollarzeichen auf der Stirn. Kein Wunder also, dass man ihm den Hintern puderte. Während Kouyou der internationale Durchbruch gelang, versauerte er in seinem kleinen Apartment und war depressiver denn je. Erst war Akira weg, dann auch noch Kou und er kam auf die Glanzidee sich ne Wohnung zu suchen. Kein Wunder, dass er alles damit nur noch schlimmer gemacht hatte. Nicht nur seine Phobien standen ihm letztendlich im Weg, sondern er sich selbst. „Warum hast du denn nicht angerufen?“ „Kou, wir haben andauernd telefoniert zu der Zeit?! Während du mir von Partys erzählt hast und von Promi A, B und C, komm ich sicherlich nicht um die Ecke mit „Kou, ich bin einsam und schaffe es nicht einmal Reis zu kochen, der genießbar ist!“. Das kannst du nicht erwarten!“ „Oh. Eh… tut mir leid, dass ich nichts gemerkt hab.“ „Kein Thema. Ich hab auch nichts erzählt.“ Geräuschvoll schlurfte Takanori seinen Becher leer, blieb vor einem eher unscheinbaren Gebäude stehen. „Ich glaub auch nicht, dass du es hättest nachvollziehen können.“ So viel Ehrlichkeit musste sein. Zwar wusste er nicht, wie es seinem Freund ergangen war, aber das, war er ihm berichtet hatte, klang so ganz anders als seine trübsinnige Wahrnehmung seines Lebens. „Ja, aber… Was hast du denn dann gemacht? Ich meine, gerade kommst du nicht einsam oder verzweifelt rüber…“ Kouyou war etwas verunsichert. Aber so rund, wie ihn Taka heute Morgen gemacht hatte, das war gruselig. „Das ist fast 3 Jahre her. Warum sollte ich nicht dazu stehen, dass ich damals noch grün hinter den Ohren war? Jetzt weiß ich ja schon eher, was ich will. Schnee von gestern!“ Taka schlurfte nun den letzten Rest aus seinem Becher und ging zu dem Getränkeautomaten. Neben diesen stopfte er seinen Becher in die kleine runde Öffnung, die für leere Dosen und Flaschen vorgesehen war. „Ich bin dann in die Wohnung gezogen in der ich jetzt wohne. Meine Bewerbung bei NG war erfolgreich, da nen Bekannter ein gutes Wort für mich eingelegt hatte. Ich hab den Job gewechselt und bin dann gleich auch umgezogen. Und die neue Wohnung ist näher an zu Hause dran, da kann ich oft mal so vorbeigehen. Meine Mum ist sowieso total verständnisvoll und lieb. Sie hat mir alles gezeigt, was notwendig war und das mit einer Engelsgeduld.“ Taka nickte seiner Begleitung zu und deutete ihm, ihn in den Laden zu folgen. „Außerdem mache ich nun mehr Dinge, die ich will und die gut für mich sind – unabhängig von anderen.“ Nachdem Akira weg war, war Taka in ein schwarzes Loch gefallen, hatte versucht irgendwo Anschluss zu finden und wenn es eben dadurch war, Dinge zu machen, die andere wollten. Hauptsache er bekam die Aufmerksamkeit, die er dringend nötig gehabt hatte. Wegen jedem Scheiß war er zu seiner Therapeutin gerannt, wusste selbst nicht mehr, wie er sich verhalten sollte und hatte ihrem Urteil Glauben geschenkt. Bis zu dem Punkt, an dem er festgestellt hatte, dass sie von seiner Krankheit lebte und nur mehr Profit aus ihm herausschlug, je mehr Blödsinn er anstellte. Doch damit war dann Schluss. In dem kleinen Shop wusste Taka ganz genau, in welche Ecke er sich zu begeben hatte, während Kou immer noch recht argwöhnisch dreinblickte, als es jetzt ernst wurde und er unheiliges Gebiet betrat. „Hier riecht es schon billig“, murrte der Schwarzhaarige. Seine Begleitung rollte mit den Augen und besah sich die Stücke, die zum Verkauf standen. Nun ging es ans Shoppen. Jedenfalls die Art Shoppen, die er immer praktizierte. „Zwingt dich keiner hier was zu kaufen. Oder ist die Luft hier drin zu minderwertig für deine Lungen?“, erkundigte sich der kleine Blonde. Natürlich verarschte er Kou schon wieder und ihre kleine Unterhaltung, die sie eben noch vor der Tür geführt hatten, war bereits ad acta gelegt. Takanori hielt sich inzwischen eine asymmetrisch geschnittene schwarze Jacke vor den Körper, um auszuprobieren, ob diese von der Länge her in Ordnung war. „Schon gut, hint verstanden. Carry on.“ Seine Worte unterstrich Kou mit einer entsprechenden Handbewegung. Dann sah er sich skeptisch um, wechselte einen Blick mit dem Verkäufer, der ihn wohl genau so argwöhnisch musterte, wie er ihn. Alles machte hier einen minderwertigen Eindruck und war mit vorwiegend schwarzen Klamotten vollgestopft. Billig sah es aus, vor allem da ein schief hängender Vorhang die Sicht auf einen riesigen Stapel Kartons unterbinden sollte. In solchen Läden fand er sich normalerweise nicht wider. Taka aber machte den Eindruck, als wäre das normal für ihn. Er kümmerte sich nicht um das Ambiente und konzentrierte sich ganz auf die Kleidung. Als wäre nichts dabei. Eindringlich musterte das Model seine Begleitung und immer mehr fiel ihm auf, dass er gar nichts mehr über seinen Sandkastenfreund wusste. „Such dir einfach heute aus, was du magst. Ich zahle!“, meinte der Ältere schließlich und Takanoris dunkle Augen wanderten zu der Sonnenbrille seines Nebenmannes. Erkennen konnte er nichts. Vorherrschend war nur ein lieb gemeintes Lächeln. Takas Blick hingegen änderte sich nicht und er nickte leicht. Aus reiner Gewohnheit spitzte er seine Lippen zu einer Schnute, während er seine Schlüsse aus dem Angebot zog. „Verstehe. Fraglich wie viel dir mein Gemütszustand wert ist.“ Der Kleinere drehte sich weg und ging ein paar Schritte weiter, um durch die Ständer zu stöbern. „So ist das gar nicht gemeint, Taka. Ich will dir nur etwas Gutes tun. Ich hab dich wohl echt derbe vernachlässigt seitdem ich weg bin und….“ „Du willst dein Gewissen beruhigen“, vollendete der Designer die Erklärung seines Freundes. Er lachte leise. „Du machst es dir verdammt einfach, Kou-chan!“, sprach er ruhig und wandte sich um. „Aber gut. Wieso nicht? Ich nehme, was ich kriegen kann. Abgerechnet wird nicht hier und heute. Angebot angenommen!“ Das gehörte auch zu dem, was er gelernt hatte. Nicht immer alles hinterfrage. Gelegenheiten ergreifen, wenn diese sich einem boten. Und wenn sich Kouyou dadurch besser fühlte, dann war er der Letzte, der etwas dagegen hatte. Shopping trug dazu bei, dass er selbst sich auch besser fühlte und so hatten sie beide etwas davon: Kouyou ein ruhiges Gewissen, er neue Klamotten! Klang nach einem fairen Deal. „Dann komm mal her! Ich kann nen Träger gebrauchen! Kein Limit?“, erkundigte sich der kleine Blonde nochmals. Jetzt hatte er Blut geleckt. „Ehm… Also… Ich hab wohl recht viel wieder gut zu machen. Deinen Geburtstag, dass ich dich vernachlässigt habe und nun wohne ich auch noch bei dir…“, stammelte der Schwarzhaarige. Nur, um ein paar seiner Fehltritte zu erwähnen. Insgeheim waren da noch sehr viel mehr Dinge, die er wieder gut zu machen hatte. „Klingt nach einer Basis mit der ich arbeiten kann!“ Taka grinste selig vor sich hin. Und ja, er würde es ausnutzen. Gerade weil Kouyou wie ein offenes Buch für ihn war. Er konnte sein schlechtes Gewissen regelrecht riechen. „Die Jacke ist cool. Von Jury Black. Die Marke liebe ich. Die haben ein paar echt coole Sachen. Die kann man auch in den Alltag einbauen ohne schief angeguckt zu werden. Und dann, wenn du einen Geheimtipp haben willst: Deorart.“ Ein Schalter schien umgelegt worden zu sein und der Designer sprach aus dem Jüngeren. So wanderten mehr und mehr Kleidungsstücke auf die Arme des Models, der Mühe hatte, alles letztendlich zur Kasse zu schleppen. ~*~ „Ganz ehrlich, hab ich übertrieben?“, wollte Taka wissen und der Blick von Kou zu dem Berg von Tüten neben ihnen sprach wohl Bände. Der kleine Blonde lachte lauthals auf. Das aber brachte auch Kouyou zum Schmunzeln. „Ich hoffe, ich hab deine Kreditkarte nicht überzogen!“, sagte der Jüngere amüsiert und packte seinen Burger aus dem Papier aus. Den ganzen Tag hatten sie mit Shoppen zugebracht und nun mussten sie Energie tanken. „Nein, nein, mach dir mal keine Gedanken darüber“, beruhigte das Model seinen Sandkastenfreund. „Mach ich aber schon. Immerhin hab ich dein Angebot eiskalt und skrupellos ausgenutzt. So ganz die feine Art war das nicht.“ Taka sah das schon ein. Da hatte er Kouyou einiges voraus. Und noch dazu hatte er die Rechnungen gesehen. Wenn er diese hätte bezahlen müssen, dann wäre das nur auf Raten möglich gewesen und dann bestimmt über acht Monate lang. „Das ist schon in Ordnung, Taka-chan. Hätte ich das nicht zahlen können, hätte ich was gesagt. Das sind für mich Peanuts gewesen. Ich freu mich, wenn ich dir etwas Gutes tun kann. Und nun hast du sicherlich 10 neue Outfits. Nach Hause nehmen wir aber ein Taxi!“ Noch weiter Tüten schleppen wollte das Model definitiv nicht. „Nun tu nicht so! Du hast dir auch Schmuck gekauft und – UHW – eine gebrauchte Jacke!!! Oh, oh, oh, wenn das die Medien spitz kriegen!“ Taka kicherte. Den Anflug von Größenwahn ignorierte er gekonnt. „Sei nicht albern!“, bat der Ältere und schüttelte grinsend seinen Kopf. „Na hör mal. Ich muss doch auf deinen Ruf achten! Und überhaupt – Pommes? Nix da! Du musst auf deine Linie achten!“, stichelte der kleine Blonde und klaute sich direkt die Box mit den Pommes vom Tablett seines Freundes. „Untersteh dich, Takanori! Was meinst du, warum ich 5 Uhr aufstehe, um zu Joggen? Sonst könnte ich mir weder das hier noch mein Bierchen gönnen!“, warf der Schwarzhaarige ein und eroberte sich seine Pommes zurück, als Taka in seinen Burger biss. „Scheisch schob haschu!“, nuschelte der Jüngere mit vollem Mund. „Passt. Ich wollte es so. Ich komm viel rum und das Geld stimmt. Aber ich finde, du solltest mich mal in Amerika besuchen. Du wolltest doch schon immer dahin!“, sprach der Ältere ein anderes Thema an. Taka schluckte hinter, griff zu seiner Coke und schlürfte erstmal davon. Den Blick seines Freundes spürte er weiter auf sich. „Schon…“, murmelte er und biss wieder ab. „Also ehrlicherweise hab ich mir von dem Vorschlag mehr erhofft! Mehr Begeisterung? Du bist eingeladen!“, versuchte Kouyou wenigstens etwas Entzücken bei seinem Sandkastenfreund hervorzurufen. Taka aber legte seinen Burger ab und seufzte. „Jetzt machst du alles wieder kompliziert.“ Der Kleiner zog seinen Pappbecher wieder zu sich und nippte an seinem Getränk. Dann knabberte er den Strohhalm an. Es war nur zu offensichtlich, dass er seine weiteren Worte überdachte. „Ich würde, aber das geht nicht so einfach. Zeit, Geld, du?“ „Ich?“ „Hn. Wir hatten nicht sonderlich viel Kontakt in den letzten Monaten und dass du gerade hier bist, ist nur Zufall. Ich freu mich, dass ich mal wieder mit dir abhängen kann. Und das nicht nur, weil du meinen Kleiderschrank aufgestockt hast. Aber es ist nicht mehr so wie damals. Sicher wäre es toll mal raus zu kommen, nur die Zeit passt nicht. Du kannst mir nicht deine Welt zeigen und mich dann zurückschubsen in…. das hier!“ Der Tag ab Mittag war total super. Sie hatten Spaß und waren unbeschwert Shoppen, aber Takanori hatte schon immer einen Hang zu Träumereien und verlor nur zu schnell den Bezug zur Realität. Wenn diese ihn traf, dann umso härter. „Wäre es dir zu einer anderen Zeit denn lieber?“ Kouyou war unsicher, wie er auf sein Gegenüber reagieren sollte. Er wollte ihn schließlich nicht von eben auf gleich kidnappen. „Vielleicht…“ Taka lächelte leicht. „Ich weiß nicht. Ich frag mich oft, was wohl gewesen wäre, wenn… wenn ich weitergemacht hätte. Ob ich dann jetzt auch im Ausland wäre? Oder zumindest nicht mehr in der Stadt?“ „Bereust du es denn, aufgehört zu haben?“ „Ja… Manchmal.“ Takanori schob seine Finger durch seine blonden Haare und stützte seinen Kopf auf. Wieder so ein unliebsames Thema. Augenscheinlich holte ihn seine Vergangenheit ein. „Aber ich weiß auch, dass ich nicht hätte weitermachen können. Selbst heute hab ich ab und an noch Probleme, wenn ich den Auslöser einer Kamera höre. Ich kann mich für Sekunden nicht bewegen und bekomme Panik. Das hätte nichts gebracht, diese Laufbahn weiter zu verfolgen. Aber mir das nun unter die Nase reiben, was hätte sein können, ist grausam, Kou-chan. Vielleicht später, wenn ich hier erfolgreich bin.“ „Du musst mir nichts beweisen, Taka. Ich will dir nichts vorführen oder sowas. Du musst nicht erfolgreich sein, um mich zu besuchen. Das Angebot steht, weil ich dort wohne und weil ich dir gern die Gegend zeigen möchte. Ohne Wertung. Wenn es am Geld liegt, dann zahl ich dir gern alles. Wir kennen uns doch schon ewig. Das ist Ehrensache. Angeben hab ich bei dir wohl am wenigsten nötig.“ Nun machte sich Kouyou doch Sorgen um seinen Sandkastenfreund. Der schien ziemlich mit sich und seinem Leben zu kämpfen. Eins war sicher: Er hatte versagt. „… aber nur, weil du es bist!“, rang sich der Designer eine halbherzige Zusage ab. Kapitel 7: ----------- Undone Kapitel 7 „Nee, echt jetzt. Die beiden haben sich heute den ganzen Tag darüber unterhalten!“ Takanori wedelte mit seiner freien Hand in der Luft umher. „Das glaubste nicht…“ Er führte seine Kippe zu seinen Lippen und nahm einen tiefen Zug. Doch da er so aufgeregt war, blies er den Rauch sofort wieder aus. „Nun reden alle darüber, ob die denen das überhaupt abnehmen oder ob das gelogen ist!“, redete der blonde Junge weiter auf Kouyou ein, der ruhig neben ihm rauchte. „Vielleicht spielen die sich auch nur auf. Jungs labern doch oft irgendwelchen Scheiß, nur um anzugeben!“ „Wer labert Scheiß?“, erklang Akiras Stimme aus dem Nichts und schon hing er an Takanori, um ihn zu drücken. Der Kleinere musste sich dabei auf seine Zehenspitzen stellen, aber sofort fiel ihm das neue Parfüm des anderen auf. Trotzdem strahlte er seinen Freund an, auch immer noch, als der ihn losgelassen hatte, um die gleiche Begrüßung auch Kouyou zu Gute kommen zu lassen. „Alter, Akira! Wenns dunkel ist, sieht man dich gar nicht mehr! Lagst du in den Sommerferien denn nur in der Sonne?“, erkundigte sich der kleine Blonde und hielt vergleichend seinen Arm an den des Älteren. Der lachte aber nur. „Käselappen!“, foppte er den Kleineren und wuschelte ihn durch die platinblonden Haare. „Ich kann auch nichts dafür, dass ich so schnell braun werde. Stell dir mal vor, wie das wäre, wenn ich dort immer wäre und nicht nur für die Sommerferien!“ Takanori musste direkt loslachen. „Negerkampf im Dunkeln!“ Auch Kou begann zu kichern. „Lästert nur! Aber ich war wieder so gut wie jeden Tag Surfen.“ „Heiß du hast auch bikini stripes?“, ärgerte Kouyou ihren Kumpel weiter. Sofort griffelte er nach der Hose des anderen und versuchte, den Bund wegzuziehen, damit sie einen Blick riskieren konnten. Akira lachte und wehrte sich nur halbherzig. Trotzdem entwischte er dem Größeren. „Ja, Mann, da sind Streifen. Aber die gehen euch nichts an!“, schmollte er und nutzte, dass Takanori abgelenkt war. Schon hatte er sich dessen Kippe geklaut und zog daran. „Trotzdem, erzähl mal, wie war das heute nun mit deinem Flug!“, erkundigte sich der Größte der Runde. „Hör mir damit auf, ey. Die haben nichts auf die Reihe bekommen. Erst stand dran, dass mein Flug Verspätung hat, dann war der auf einmal komplett storniert. Ich stand sicherlich 2 Stunden an, ehe ich am Schalter war. Dort hat man mir nen Voucher in die Hand gedrückt für Essen und für ein Hotel. Hab ne Umbuchung für den nächsten Morgen bekommen. Total affig das alles. Unorganisiert und alle waren gestresst. Hab dann aber als ich auf den Bus zum Hotel gewartet hab ne Kendo-Gruppe getroffen. An die hab ich mich rangehängt. Von da an war es cool. Aber den ersten Schultag hab ich trotzdem verpasst.“ „Du bist unglaublich, Akira. Mach dir mal keine Gedanken um die doofe Schule!“, sagte Taka hibbelig. Er war noch nie geflogen und für Akira gehörte das zu seiner Sommertradition. „Genau! War eh langweilig!“, warf Kouyou ein. „Hätte ich echt vorgezogen. Ich bin vorhin erst angekommen, auf nach Hause, unter die Dusche und sofort wieder los. Mitbringsel gibt’s daher auch erst Morgen“, nahm er seinen Kumpels die Hoffnung auf Geschenke. „Keinen Stress!“, versicherte Kou und deutete an, dass sie sich nun ja endlich mal in das Café, vor dem sie die ganze Zeit schon auf den Urlauber gewartet hatten, begeben konnten. Drinnen war es sicherlich angenehm kühl und nicht so widerlich warm wie hier draußen. Sommer in Japan waren ätzend. „Dann spuck mal aus, über was ihr vorhin geredet habt!“, forderte Akira seine beiden Pappenheimer auf, ihn ebenso in die neuesten Geheimnisse an ihrer Schule einzuweihen. Takanori winkte ab. „Ging um die zwei Spezialisten aus meiner Klasse. Die aus dem Fußballclub, die eh immer ihre Klappen so weit aufreißen. Jedenfalls waren die in den Ferien wohl zusammen für zwei Wochen bei den Großeltern von Masa in Mihonoseki.“ Akira nickte und zog seinen Eiskaffee zu sich heran, um am Strohhalm zu nippen. „Irgendwie sind die wohl drauf gekommen, dass es an der Zeit ist, Erfahrungen zu sammeln. Und da der Opa von Masa ziemlich cool drauf ist, ist der zusammen mi den beiden in den Puff gegangen und hat ihnen ne Nutte bezahlt!“ „Pscht! Taka, nicht so laut! Es muss nicht das ganze Café mitbekommen, über was wir hier reden!“, ermahnte Kouyou den Jüngsten in ihrer Runde, da sich seine Stimme schon wieder vor Aufregung überschlagen hatte. Entsprechend laut war er geworden. „Echt jetzt? Und das nimmst du denen ab?“, hinterfragte Akira. Taka seufzte. „Egal, ob ich denen das abnehme oder nicht. Heute gab es nur noch dieses eine Thema bei uns in der Klasse! Alle labern und blubbern und die Gerüchte verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Der treibt es mit dem und jenen und wer miteinander liiert ist. Der und der ist noch Jungfrau und blah!!!“ Ernüchternd atmete Takanori durch. Die Gerüchteküche brodelte. „Also ich bin keine Jungfrau mehr und ich hab auch nix mit jemanden aus der Schule!“, lautete der Beitrag des honigblonden Jungen, der sich entspannt in seinem Sessel zurückgelehnt hatte. Als Quittung folgte ein tödlicher Blick von Takanori. „Das wollte jetzt keiner hören!“ Taka schnaubte. Kurz blickte er zu Akira, aber der hielt sich galant zurück. „Gibt sich alles bestimmt in ein paar Tagen wieder. Ist ja alles was ganz Natürliches.“ „Du bist genau so wenig Jungfrau!“, warf Kouyou ein, da sich Akira aufführte, als ginge ihn das Thema gar nichts an. Trotzdem verzog der Angesprochene sofort sein Gesicht, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Nur Taka senkte seinen Blick und zog seinen Eiskaffee zu sich, blies die Luft aber in das Getränk, anstatt von der kühlen Süßigkeit zu kosten. Seine sexuellen Erfahrungen bezogen sich… auf nichts. Jedenfalls nichts, was erwähnenswert war und beim Großteil davon war Akira zugegen. Tolle Bilanz! ~*~ Kraftlos ließ Takanori seinen Rucksack neben seinen Schreibtisch auf den Boden sinken. „Hat sich das bei dir in der Klasse noch nicht gelegt?“, erkundigte sich Akira, der sich gleich aufs Bett schmiss. Schließlich hatten sie die Schule für diese Woche hinter sich gebracht. „Wo denkst du hin? Jeder wirft jedem komische Blicke zu und heute hat die Lehrerin von einem Schüler nen Pornoheft eingesammelt. Das wird echt immer alberner!“ Taka stellte die Klimaanlage in seinem Zimmer an, da es hier drin wirklich unerträglich heiß war. Die schwüle Luft von draußen drückte zusätzlich und entsprechend klebrig fühlte er sich. Daher öffnete er sogleich die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes. Schuluniformen waren ätzend. Vor allem bei diesen Temperaturen. „Und wie geht es dir dabei?“ Akira überschlug seine Beine und lehnte sich entspannt gegen die Wand an seinem Rücken. „Wie soll es mir schon gehen? Sozialer Druck? Kein Plan. Ich bin nun nicht scharf drauf meine Jungfräulichkeit zu verschenken, aber trotzdem fühl ich mich schon minderwertig, da ich ein unbeschriebenes Blatt bin!“ Akira konnte er das sagen. Bei ihm war er sich sicher, dass es okay war und er sich keiner Wertung unterziehen musste. Kouyou gehörte eher der Kategorie Mensch an, die ihn zum nächsten Puff führen würde und auch die Rechnung übernahm. „Ist alles deine Entscheidung. Wobei ich ja denke, dass du schon gern würdest!“ Taka sah erschrocken drein, setzte sich nichtsdestotrotz neben den anderen auf sein Bett. „Wie kommst du drauf?“ Die Frage war ja wohl berechtigt. „Der Kuss?“ „Der Kuss?“, fragte der platinblonde Junge nach. „Du bist schon neugierig, oder?“ „Neugierig auf was?“ „Sex und all das?“ „Definiere „all das“?“ Nun runzelte der Jüngere wieder seine Stirn. „Na ja, Sex ist ja nun nicht nur stupides rein und raus. Gibt ja viele Sachen, die man machen kann und die damit in Verbindung stehen.“ Takanori wippte nachdenklich mit seinen Augenbrauen. Es erschloss sich ihm nicht ganz, was Akia damit meinte. Klar gab es viele Sachen, die ihm unbekannt waren und vieles, was man mit dem Ding da unten tun konnte, aber ernsthaft damit auseinandergesetzt hatte er sich noch nicht. War ja nicht so, dass er Torschlusspanik hatte oder in Zugzwang geraten war, einen Partner zu finden. „Du holst dir aber schon ab und an einen runter, oder?“, erkundigte sich Akira bei dem Jüngeren. Doch der hüllte sich in Schweigen. „Taka?“, hakte der Ältere nach und stupste den Jungen neben sich mit dem Ellenbogen an. „Jaha… Mach ich!“ Ein wenig genervt war er von dem Thema schon. Das lag aber eher in seiner Unsicherheit begründet. Irgendwie war es ihm ja doch peinlich. Peinlich, dass er so unerfahren war, aber es wäre auch genau so peinlich sowas mit jemanden zu machen. Das Schlimmste aber war, dass Akira ihn so gut kannte, dass er sein Wissen gegen verwenden konnte. „Machst du zu wenig. Sonst würde dir das alles gar nichts ausmachen.“ Taka zuckte zusammen, als er auf einmal Akiras Lippen an seinem Ohr spürte. Sogleich kicherte er. „Nicht, das kitzelt! Was machst du da überhaupt?“, erkundigte sich der Jüngere, rückte wenige Zentimeter von seinem Nebenmann ab. „Dir Nachhilfe geben. Jungs in unserem Alter machen sowas! Damit sie sich nicht bei den Weibern blamieren. Bei mir brauchst du auch keine Angst zu haben. Bleibt unter uns.“ Erschrocken zog der Blonde die Luft ein und sah zu seinem Kumpel, der ihm auf einmal ziemlich nah gekommen war. „Nur anfassen. Nichts Schlimmes.“, versicherte der Ältere. Nur blieb die erwünschte Erwiderung aus. „Du guckst gerade wie ein Reh, das die Lichter eines LKWs sieht!“ Über seinen kleinen Witz musste der Akira schmunzeln. Takanori aber war nicht nach Witzen zumute. Die Situation, in die ihn sein Freund manövrierte, war merkwürdig und löste bei ihm ein gewisses Maß an Unbehagen aus. Andererseits juckte es ihn in den Fingern mehr zu erfahren. Mehr über Sex, mehr über Akira, mehr von beiden in Kombination. Schließlich waren gerade die unbekannten Dinge so anziehend. „Was genau… schwebt dir vor?“, fragte er daher unsicher nach. Sein Herz raste vor Aufregung. Dieser Kerl hatte ihn schon zu einem Kuss überredet und nun schwebte ihm Ringelpiez mit Anfassen vor? „Ich will dir nur die Angst vor Berührungen nehmen. Und wenn du keinen Bock mehr drauf hast, dann können wir aufhören.“ Das war echt ein mieses Angebot. Vor allem, da er niemanden so sehr vertraute wie Akira. Selbst wenn er versagte, würde Akira nicht lachen. „Was genau?“, hakte der Kleinere nach. Es war ja nicht so, dass er, aber… „Einen runterholen?“, fragte Akira nach. Irgendwo musste man ja anfangen und er konnte nicht ausschließen, dass Takanori jetzt verhandeln wollte. „Du bist aber nicht urplötzlich schwul geworden, oder?“ „Wo denkst du hin?“ Akira winkte ab. „Aber das hat damit rein gar nichts zu tun. Ist doch völlig normal, dass man sowas austestet. Wie soll man sonst auch wissen, wie das ist? Und besser man macht das mit seinen Freunden, als dann komplett unter Druck zu stehen, wenn‘s drauf ankommt. Außerdem, meinst nicht, dass die Weiber das nicht auch untereinander machen?“ Takanoris Augen weiteten sich und er starrte Akira an. Wenn er das so hörte, dann war das für ihn nachvollziehbar. Bestimmt passierten ganz viele Dinge hinter verschlossenen Türen. Dinge, die er sich nicht mal erträumte. Kannte man ja. Und er hatte definitiv keine andere Option. Und wenn sich sein Kumpel schon anbot. „Du bist ja so~ selbstlos…“, kam es dennoch zynisch über seine Lippen. „Hn… Find ich auch!“ Akira grinste. Er sah genau so aus wie die Katze, die den Kanarienvogel gefressen hatte. Total selbstzufrieden. Und schon war der Jüngere wieder angestiftet worden. „Okay, dann mach halt!“, ergab sich Taka und schloss seine Augen. Dann lehnte er seinen Kopf gegen die Wand und versuchte seinen Puls wieder zu beruhigen. Das war so verboten und so aufregend und es kribbelte überall. Trotzdem zuckte er erschrocken in sich zusammen, als er Akiras Lippen wieder an seinem Hals spürte. So kniff er seine Augen fest zusammen. „Das kitzelt immer noch…“, tat er sein geringes Unbehagen kund. Doch seinen Freund störte das nicht. „Liegt nur dran, dass du es nicht gewöhnt bist überhaupt angefasst zu werden.“ Die Erklärung war sogar einleuchtend. Trotzdem stieg seine Nervosität, auch wenn er sich bei Akira in den besten Händen befand. Ein leises, erschrockenes Keuchen entwich ihm, als der andere ungehindert seine Hand in seinen Schritt legte. Zwar war da Stoff dazwischen, aber trotzdem war das Gefühl ungewohnt. Der kleine Blonde warf verstohlene Blicke nach unten. Den aufkeimenden Drang die Hand wegzuschieben versuchte er dabei zu unterbinden. „Nicht so verkrampft“, bat Akira und nahm seine Hand wieder weg. Ertappt sah Taka neben sich und senkte seinen Blick wieder. „Entschuldige.“ Warum er sich entschuldigte, wusste er trotzdem nicht. War es doch Akira, der ihn zu diesem Experiment drängte. „Es ändert nichts, Taka. Der Kuss hat auch nichts zwischen uns geändert. Genieß es einfach.“ Sanft streichelte der Ältere über die Wange des Blonden bis zu seinem Kinn. Dieses hob er leicht an, um ihm einen sanften Kuss auf die weichen Lippen zu tupfen. Nur zu gern ließ Takanori sich dies gefallen. Auch wenn sein Herz raste, fühlte er sich wie in Watte gepackt. Der warme Blick aus Akiras schokobraunen Augen zog ihn in seinen Bann und ließ ihn willenlos werden. Akira würde nie etwas tun, was ihn verletzte oder enttäuschte. Akira konnte man vertrauen. Daher machte es ihm nichts mehr aus, als seine Hose geöffnet wurde und der laue Wind, der von der Klimaanlage zu ihnen herüber wehte, seine erhitzte Haut abkühlte. Die streichelnden Hände des anderen lullten ihn immer mehr ein und er ließ seinen Freund gewähren. Gewähren, als er seine Shorts so weit nach unten zog, bis er sie ihn unter die Hoden klemmen konnte. Gewähren, als er über sein erschlafftes Glied strich, um ihn zu erregen. Und willig gewähren, als er seine Faust um seine Härte legte und ihn unnachgiebig begleitet von seinem leisen, aber gequälten Stöhnen, zum Kommen brachte. Takanoris Brust bebte, als die Wogen über ihn hinwegfegten und die Glückshormone durch seinen Körper schossen. Seine Stimme bebte, als er leise „Akira“ wisperte, dessen Blick fand. Das Lächeln legte sich wie von selbst auf seine Lippen. „War gut?“, erkundigte sich der Ältere nach einer Bestätigung, wurde aber nur am Hemdkragen herrisch nach vorn gezogen. Taka wusste nicht, was er sagen sollte, beließ es aber dabei, seinem Freund einen dicken Knutscher auf die Lippen zu drücken. Es gab nichts zu bereuen. Es war gut, es war richtig, es war genau die Ebene, auf der er sich mit Akira verstehen wollte. Er fühlte sich ihm verbunden und verlor sich regelrecht in den braunen Augen des anderen. „Kinder! Kommt in die Küche, ich hab Eis gekauft!“ Erschrocken zuckten beide Jungen zusammen, als die laute Stimme im Zimmer ertönte. Takanori stopfte sein Glied zurück in seine Hose, versuchte so schnell wie möglich seine Sachen zu ordnen. Es war gar nichts passiert! Sie hatten gar nichts gemacht! Hektik breitete sich aus, was wohl am ehesten an den Jüngeren lag. „Scheiße ey, wann ist die denn nach Hause gekommen?“, fluchte Taka. Hoffentlich hatte sie nichts gemerkt! Wie ein aufgescheuchtes Huhn sprang er vom Bett und wirbelte im Zimmer umher - ziellos. Dann aber sah er zu Akira und sein Blick fiel auf dessen Hand. Mit hochrotem Kopf reichte der blonde Junge seinem Kumpel rasch ein Taschentuch, damit er sich die Finger säubern konnte. „Schuldige…“, murmelte er und Akira schüttelte seinen Kopf. „Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt...“ „Laber nicht! Komm! Eis essen! Sonst wird sie misstrauisch!“, schob der Jüngere sofort die Situation weit von sich und übte sich im Vertuschen. Irgendwie ließ ihn aber das Gefühl nicht los, dass ihre unbeschwerte Zeit bald vorbei war. ~*~ Wirtschaft gehörte nicht gerade zu den Lieblingsfächern von Takanori. Vor allem nervte es ihn, dass der Test in der letzten Stunde geschrieben werden musste. Es war ja nicht so, dass es nur noch eine Stunde war, die ihn von dem wohl verdienten Wochenende trennte. Trotzdem nahm er all seine Gedanken zusammen und rief sich den Stoff, den er am Vorabend gepaukt hatte, nochmals in sein Gedächtnis und brachte ihn fein säuberlich zu Papier. Jedenfalls so gut es eben ging. Ein paar Minuten vor dem Klingelzeichen war er fertig und nutzte die übrig gebliebene Zeit, um seine Antworten zu überprüfen. Wenig später forderte sie ihr Lehrer dazu auf, die Zettel nach vorn zu reichen und dann war alles vorbei. Auch Takanoris Schulwoche. Das wurde auch wirklich Zeit. Er fühlte sich ausgelutscht und erhob sich nur schwerfällig von seinem Stuhl. Genau so schwerfällig zog er seinen Rucksack vom Boden auf den Tisch und packte seinen Kram zusammen. Immer wieder warf er dabei verstohlene Blicke zur Tür des Klassenzimmers. Die war bereits geöffnet, da die ungeduldigen seiner Klassenkammeraden bereits hinausgestürmt waren. Freiheit. Nachvollziehbar war es ja. Er jedoch erwartete Akira. Schließlich gehörte es zu ihrem normalem Prozedere, dass dieser ihn abholte und sie zusammen zumindest noch bis zur Bahn gingen. Akira erschien, als Taka gerade seine Stifte in seine Federmappe stopfte. „Gleich fertig….“, murmelte er, da Takanori annahm, dass Akira unmittelbar zu ihm kam. Doch als dieser sich nicht in seinem Blickfeld befand, als er aufsah, stutzte der Blonde. Sofort schnellte sein Kopf zur rechten Seite und dort stand Akira lachend bei einer seiner Klassenkameradinnen. Was zum Teufel war denn hier los? Das gehörte nicht zum normalen Ablauf. Er schnaubte leise, schulterte seinen Rucksack und ging zu seinem Kumpel und zu besagter Klassenkameradin. „Wir können, Akira!“, sprach er seinen Abholer an, doch der lächelte nur zurück. „Heute nicht, Taka-chan. Yumi-chan und ich gehen zusammen ins Kino!“ „Ins Kino?“, rutschte es Takanori heraus und er sah besagte „Yumi-chan“, die sich als Yumiko herausstellte, an. Viel hatten sie nie miteinander zu tun gehabt, außer ab und an mal geredet oder zufallsbedingt in den gleichen Projektgruppen gewesen. Wie also kam dieses Mädchen zu Akira, wenn er selbst mit ihr kaum etwas gemein hatte? „Ja, seit Dienstag läuft ein Film, den Yumi-chan gern sehen möchte.“ „Ach so… Okay…“ Taka gab sich die größte Mühe seine aufkeimende schlechte Laune zu unterbinden. Das würde Akira ihm eh noch erklären müssen. Er jedenfalls konnte sich keinen Reim drauf machen. „Ist Kou denn auch schon weg?“, fragte der Blonde, der verzweifelt auf der Suche nach einer alternativen Begleitung war. „Jup. Seine Freundin hat ihn abgeholt. Sie fahren in die Stadt, ein bisschen Flanieren, wie er es ausgedrückt hat!“ Und schon hatte sich Takas Alternative ebenso in Luft aufgelöst. „Gut, dann mach ich mich auch auf den Weg. Viel Spaß euch beiden.“ Takanori zog die Luft scharf ein. Seine emotionalen Regungen konnte er nicht in einem Gefühl zusammenfassen. Es schwankte aber definitiv zwischen Wut und Enttäuschung. Obendrein war er noch sehr misstrauisch. Hier liefen Dinge hinter seinem Rücken. Dinge, die er nicht leiden konnte! Dinge, die Akira ihm verschwieg. Womöglich mutwillig! „Du bist jetzt aber nicht sauer, oder, Taka?“, hörte er Akira noch fragen. Daraufhin drehte er sich kurzzeitig nochmal um. „Quatsch. Bis Montag dann!“ Gut, dass er schon bei der Tür war, denn sofort verschwand er aus dieser und damit aus dem Sichtfeld der beiden. Akira war soooooo ein Verräter! Was sollte das denn bitte schön? Takanori schnaubte, vergleichbar mit einem Bullen. Der war doch echt das Letzte! ~*~ „Es ist arschkalt und windig! Ich versteh nicht, warum uns die Lehrer in den großen Pausen immer rausschmeißen müssen!“, beschwerte sich Kouyou nun schon zum dritten Mal. Seine Jacke zog er demonstrativ enger um seinen Körper. „Weil wir frische Luft schnappen sollen!“, kam die monotone Erwiderung von Takanori. Ihm war auch kalt. Trotzdem beschwerte er sich nicht ununterbrochen. Wie sahen die Ausweichmöglichkeiten denn aus? Jungentoilette oder stickige Schulbibliothek! Auch nicht das Wahre. „Aber ehrlich, wenn Akira nicht gleich seinen Arsch hier her bewegt, dann such ich mir nen windstilles Plätzchen!“ Takas Ton war noch frostiger als der Wind und er sah argwöhnisch zu der Gruppe Mädchen, zu denen sich ihr Freund gesellt hatte. Aber natürlich auch nur, weil seine Freundin dort war. Diese Tatsache ätzte ihn eh an. Was wollte der mit dieser Schrapnelle? „Kannst du Ito-san nicht leiden?“, wollte Kouyou wissen, dem der scharfe Ton seines Sandkastenfreundes nicht entgangen war, wann immer das Gespräch auf Akira und seine Liebste fiel. „Nein, ich kann Yumiko nicht mehr leiden. Die is ne olle Nervkuh!“, kommentierte er nur und drehte sich murrig weg. Natürlich konnte er das mit einem neuen Windstoß verargumentieren und nicht als Zeichen seines Unbehagens. „Weißte, erst frag mich der Spast aus, ob ich die denn nett finde? Und dann - bäm - ist der mit ihr zusammen!“, machte sich der Kleinere nun doch Luft. „Eh…“ Kouyou musterte sein Gegenüber. „Findest du sie denn nett?“ „Nein, verdammt! Die is doof. Nicht mal hübsch und sowas!“ Kou musste ein leises Lachen unterdrücken. „Mein Fall wäre sie auch nicht, aber mal ehrlich, du klingst wie ne betrogene Hausfrau!“ Takanori boxte Kou gegen die Brust. „Das will ich nicht hören, Idiot! Hier geht’s ums Prinzip. Ich frag dich doch auch nicht erst über nen Mädchen aus und dann mach ich der den Hof! Erst auschecken, ob mein Freund was von der will und wenn der grünes Licht gibt, dann ran? Das ist Scheiße!“, regte sich Takanori weiter auf. Seine Stirn lag bereits in Zornesfalten. „Vielleicht wollte Akira auch nur deine ehrliche Meinung wissen zu der Wahl, die er getroffen hat?“, warf Kouyou ein. Doch eine Antwort blieb Takanori ihm schuldig. Der sah, wie ihr gemeinsamer Freund, der Verräter, den kleinen Hügel zu ihnen nach oben kraxelte. Das war das Zeichen, dass sie wohl am besten das Thema vorerst fallen ließen, ehe ein handfester Streit daraus entstand. „Hey, Jungs, wie sieht‘s am Wochenende aus? Die bringen nen neues Game raus und machen im Einkaufszentrum direkt dazu ein Event mit Bühnenshow und allem drum und dran. Lust hinzugehen?“, erkundigte sich Akira bei seinen beiden besten Freunden. „Sorry, ich bin verplant. Hab nen Shooting für ein free magazine. Neben der Schule bleibt immer nicht so viel Zeit, Termine wahrzunehmen, da bin ich froh, dass das mal auf ein Wochenende fällt. Aber der Samstag ist dann natürlich gelaufen. Sonntag brauch ich dann echt zum Ausschlafen!“, brachte Kouyou seine Entschuldigung für eine Absage vor. „Warum fragst du nicht Yumi-chan, ob sie mitgeht?“, wollte Taka wissen. Okay, er konnte es nur schwer verstecken, wenn er pissig war. Das wurde ihm gerade auch wieder bewusst, aber Akira schien immun gegen unterschwelliges Ankeifen zu sein. „Ich hab sie ja gefragt, aber sie feiert zusammen mit Ihren Freundinnen Geburtstag. So ne Weibergeschichte…“ Akira zuckte mit den Schultern. „Ich hab schon was vor!“, lehnte Taka nun ab. Er konnte es nicht leiden nur der Ersatz zu sein. Für Akira war das aber aktuell der Normalzustand. Zweite Geige spielen nervte. Und es nervte nur noch mehr, dass es Akira nicht mal sah, wie er ihn von sich weg schob. „Was denn?“, hakte Akira aber nach, doch Takanori drehte sich nur um und ging zum Schulgebäude. Irritiert sahen seine beiden Freunde ihm nach und tauschten fragende Blicke. „Seit wann ist Taka-chan denn so zickig?“ „Pubertäre Phase nehm ich mal an…“ Kouyou winkte ab. „Ja, aber er kann doch sagen, wenn er keine Lust hat…“ „Liegt vielleicht eher daran, dass wir ne Freundin haben und er noch Single ist.“ Kouyou schmunzelte, doch dann fiel ihm was ein. „Aber ich hab ihn neulich mit diesem einen verschrobenen Mädchen gesehen. Die aus seinem Jahrgang. Du weißt schon, die mit den dunklen Augenringen, die aussieht wie ein Geist!“ ~*~ „Hier, Taka. Meine Sandwichs vom Frühstück! Hatte heute keinen großen Hunger“, sagte Akira und reichte seinem Kumpel seine Bentobox. Dann hockte er sich auf die Wiese neben ihn. Gedämpft drangen die Stimmen der Schüler auf der Laufbahn zu ihnen. „Danke. Bist echt meine Rettung. Ich hab vielleicht nen Kohldampf!“, sagte der Blonde und schon biss er genüsslich in das weiche Weißbrot. Zwar nicht gerade sein Lieblingsbelag, aber Hauptsache Essen. „Du frisst aber auch zurzeit wie ein Scheunendrescher! Wächst du etwa?“ Akira lachte und stupste Taka aufgrund seines schlechten Scherzes an. „Ich sag nur 1.63m und pures Gift!“, kommentierte Taka. So leicht ließ er sich sicherlich nicht ärgern. Daher schob er sich demonstrativ den Rest vom Sandwich komplett in die Schnute. Mit vollen Backen hatte er echt Mühe das Sandwich zu kauen ohne dass ein Großteil davon aus seinem Mund fiel. Akira lachte nur, hatte den Hint aber sehr wohl verstanden und ließ sich zurück in das warme Gras fallen. „Warum hockst du eigentlich hier bei der Leichtathletik-AG? Gibt’s da was Besonderes?“, wollte der Ältere wissen. Immerhin hatten sie schon Schulschluss und es gab keinen Grund noch länger Zeit an der Schule zu verbringen. Er war auch nur hier, da sich seine Verabredung für den Nachmittag zerschlagen hatte und er die Gelegenheit nutzen wollte, die neu gewonnene Zeit mit seinem Freund zu verbringen. „Feldforschung. Donnerstag will ich wieder zur Kunst-AG und wir haben gerade das Thema Bewegungen thematisiert. Also Dynamik in Bildern und so. Daher seh ich mir die Läufer an, um zu sehen, wie die Bewegungen sind. Eigentlich wollte Sachiko auch kommen, aber sie ist heute Morgen abgeklappt.“ Taka fummelte nun das nächste Sandwich aus der Box. „Das ist die, die immer so gruselig aussieht, oder?“ „Sie ist nicht gruselig. Sie hat niedrigen Blutdruck und klappt daher öfters mal zusammen. Darum ist sie auch so blass.“ „Kou meint, sie sieht aus wie ein Geist!“, verteidigte sich Akira und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. So war es schon viel bequemer. „Sie ist nett und sehr zuvorkommend.“ Takanori packte das Essen neben sich und suchte in seiner Tasche nach seinem Trinken. Er schüttelte die Trinkflasche etwas, doch es hörte sich schon ziemlich leer an. „Woher kennst du sie denn?“ Akira kam es ein wenig merkwürdig vor, dass sein Kumpel sich so schützend vor ein Mädchen stellte, obwohl er doch sonst auch immer ein Lästermaul sondergleichen war. „Bin ihr mal in nem Gebrauchtbuchladen begegnet. Zweimal. Und danach hatte sie mich dann in der Kunst-AG angesprochen. Zuvor war sie mir nie aufgefallen.“ „Also läuft da nichts zwischen euch?“ Takanori verzog seine Lippen und beinahe hätte er sich sein restliches Trinken in den Schoß gekippt, da er von den Worten seines Freundes abgelenkt war. „Euch interessieren nur noch solche Sachen, oder?“ Der kleine Blonde rollte mit seinen Augen. Wenn jemand nett war, hieß das noch lange nicht, dass man gleich eine Beziehung einging. Kou und Akira waren echt unmöglich. Weiber hier, Weiber da. „Sie steht nicht auf mich. Und auf DICH auch NICHT.“ Das musste mal gesagt werden. Man wusste ja nie, warum Akira nun eine Fragestunde daraus machte. Taka jedenfalls kam das ziemlich spanisch vor. Er hatte ein Déjà-vu. „Aber du auf sie?“ „Mann, nein! Was ich sagen wollte ist, dass sie generell kein Interesse an einem Jungen aus dieser Schule hat!“ Taka nahm demonstrativ das Essen wieder auf, damit sie aufhörten über diese Sache zu sprechen. Gut, dass er nicht erwähnt hatte, in welcher Abteilung der Buchhandlung sie sich getroffen hatten. „Versteh ich nicht“, räumte der Ältere dann aber ein. „Musst du auch nicht. Du bist nur hier, um mir etwas Gesellschaft zu leisten, damit es nicht so erbärmlich aussieht, wenn ich hier alleine hocke!“, weihte der Jüngere nun seinen Freund in seinen Plan ein. „Ach so… Ich spiel also nur die Begleitmusik?“ „Erfasst!“ Wieso sollte er ihn auch anders behandeln als Akira ihn? Schließlich hatte der doch eine Freundin und ließ ihn mittlerweile die meiste Zeit links liegen. Das Gleiche galt für Kouyou. Der hatte auch kaum mehr Zeit für sie und immer andere Dinge im Sinn. Neben Frauen eben sein Job als Model. Bei ihm lief es zumindest. Bei Akira und ihm war die meiste Zeit Flaute oder sie kamen nicht bis in den Endentscheid. Außerdem hatte die Schule nach wie vor Vorrang. „Du bist in letzter Zeit so grummelig, Taka-chan“, warf Akira ein. Sofort setzte er sich auf und legte seinen Arm um den schmalen Körper des Künstlers. „Kann ich etwas tun, damit sich das bessert?“, fragte er viel zu nah an dem Ohr des Jüngeren. Direkt legte sich eine Gänsehaut über Takanoris gesamten Körper. Rein aus Reflex hatte er seinen Kopf ein Stück zur Seite gedreht, nur um festzustellen, dass Akira ihm viel zu nah gekommen war. So nah, dass er dessen Atem auf seiner Wange spüren konnte. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, aber kein sinnvoller Satz wurde gebildet. „Matsumoto-kun? Shiino-kun? Entschuldigt die Störung.“ Der kleine Blonde sah genau wie sein Nebenmann zu dem großgewachsenen Jungen vor ihnen. Nie gesehen, schoss es dem Jüngeren durch den Kopf. „Nakata. Abschlussklasse“, stellte sich der unbekannte Schüler in Trikot kurz vor aber auch dabei klingelte bei Taka nichts. Akira jedoch schien ihn zu kennen. „Shiino-kun, würde es dir etwas ausmachen, Matsumoto-kun und mich kurz alleine zu lassen? Ich habe etwas Wichtiges mit ihm zu bereden.“ Das wurde ja immer merkwürdiger. Trotzdem nahm Akira seinen Arm von ihm und stand auf. „Klar, ich wollt eh noch zum Automaten gehen und mir was zu Trinken holen. 5 Minuten.“ Somit stiefelte Akira mit den Händen in den Hosentaschen davon. Takanoris Verwirrung wich jedoch nicht. Er sah seinem Kumpel nach, dann aber wieder z dem anderen Schüler. „Tut mir leid, dass ich dich einfach so überfalle. Sachiko-chan ist meine kleine Schwester. Sie hat mir erzählt, dass ihr ab und an Zeit miteinander verbringt.“ Der fragende Ausdruck auf Takas Zügen schwand nicht. Trotzdem nickte er. Zumindest war jetzt die Verbindung zu ihm klar. Grob konnte er den Typen also einordnen. „Sachi-chan meinte, dass du ziemlich talentiert bist. Also, hör zu…“, begann der andere und setzte sich vor ihn auf die Wiese. Verschwörerisch musterte er ihn. „Hab ja gesagt, dass ich in der Abschlussklasse bin und du weißt ja, dass wir eine Projektarbeit haben, die wir vorstellen müssen. Jedenfalls hat keiner in meiner Gruppe überhaupt nen blassen Schimmer von Zeichnen und Darstellungen und so weiter. Und wir müssen einen kreativen Eigenanteil vorbringen. Sachi-chan meinte, dass ich dich fragen könnte, ob du uns vielleicht helfen könntest. Ich weiß, es ist ziemlich viel verlangt und auch bestimmt aufwändig, aber du hättest dann was bei uns gut!“, wurde Takanori schließlich das unlautere Angebot unterbreitet. „Ehm, das kommt ziemlich plötzlich. Wieso fragst du denn nicht Sachiko-san, ob sie dir hilft. Sie ist doch auch in der Kunst-AG.“ Ihn beschlich das Gefühl, dass er die Drecksarbeit verrichten sollte. „Das geht nicht! In meiner Gruppe ist ein Mädchen, das sie auf den Tod nicht ausstehen kann. Du weißt ja, wie Mädchen untereinander sind. Da führt kein Weg rein. Bitte, ich würde nicht fragen, wenn es nicht wirklich notwendig wäre. Hilf uns bitte, Matsumoto-kun!“ Takanori senkte seinen Blick, seufzte. Schließlich war der andere sein Senpai, sein bettelnder Senpai. Und der war sicherlich auch in der Schule hoch angesehen als Sportler. Noch dazu könnte er sich so einen Einblick verschaffen, wie es dann bei ihm sein würde, wenn er in der Abschlussklasse diesen Mist machen musste. Immerhin stand das auch alles vor ihm. Noch dazu hatten Akira und Kouyou aktuell eh keine Zeit und generell keinen Bock auf ihn. Er hatte also Zeit. Und sein Ansehen würde steigen. Er könnte Akira auch mal einen Korb geben, wenn der ihn fragte, ob sie was unternehmen würden? Dann würde ER Akira ersetzen. Dann würde der auch mal merken, wie beschissen sich das anfühlte! „Okay, ich helf euch.“ Taka griff nach seinem Stift und kritzelte seine Telefonnummer und seine Mailadresse auf seinen Block neben sich. „Echt?“ „Jap, passt schon.“ Er riss das Stück vom Zettel ab, auf das er eben noch seine Daten geschrieben hatte, und reichte es dem anderen. „Du bist klasse. Vielen lieben dank. Ich meld mich, sobald wir was wissen.“ „Kein Thema. Mach ich gern.“ Ob er das so gern machte, wusste er noch nicht, aber immerhin bot es ihm eine Variante, Zeit totzuschlagen, wenn sich seine Freunde sich nicht für ihn interessierten. War ja nur normal, dass man sich dann neue Freunde suchte. Und dann konnte Akira seine eigene Medizin schlucken. Wobei er eh nicht annahm, dass es Vorsatz war. „Ich muss dann zurück zur Basketball-AG. Komm doch mal, wenn wir ein Spiel haben. Ich würde mich freuen!“ Der Sportler strahlte den kleinen Blonden an. „Mach ich. Richte Sachiko-san bitte gute Besserung von mir aus.“ So viel Zeit für Höflichkeiten musste noch sein. „Mach ich. Nenn mich doch auch einfach Takeo“, bot der andere ihm das Du an, was Taka nun doch ein wenig eingeschüchtert dreinblicken ließ. Zwar hing er schon immer eher mit den älteren Schülern ab, schon allein wegen Akira und Kou. Aber so schnell hatte ihm noch keiner seine Freundschaft angeboten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er sich bereits mit seiner Schwester gut gestellt hatte. Was auch immer. „Viel Erfolg im Club, Takeo-kun…“ Er hob seine Hand und winkte dem anderen zum Abschied nach. Die gemischten Gefühle in sich versuchte er zu unterbinden. Sein Blick fiel wie von alleine auf die Rückansicht des anderen. Er legte seinen Kopf schief, da das, was er sehen konnte, einen sehr vielversprechenden Eindruck machte. Hm, vielleicht sollte er sich doch lieber zu den Basketballern setzen anstatt seinen Mitschülern beim Laufen zuzusehen? „Was wollte der denn nun von dir?“ Der Blonde zuckte zusammen und sah nach oben zu Akira. Wie schaffte der es nur immer, sich geräuschlos anzuschleichen? Das war gruselig! „Eh… nichts Wichtiges.“ Er nahm die Dose entgegen, die ihm sein Kumpel reichte und nuschelte ein leises Danke. „Aber es war wichtig genug, um mich wegzuschicken!“ Akira nahm seinen Platz neben Takanori wieder ein und öffnete seine Dose. „Ging nur um ein Schulprojekt. Vielleicht hatte er Angst, dass ich nein sagen könnte und wollte keine Zeugen haben…“ Kapitel 8: ----------- Undone Kapitel 8 So lieb wie Takanori Kouyou hatte, genau so sehr hasste er ihn dafür, dass er auch am Sonntag diese 5-Uhr-Nummer abzog. Zwar hatte sich sein temporärer Mitbewohner zusammengerissen und zumindest versucht, ein wenig leiser zu sein als am Vortag, genutzt hatte es nichts. Er war wach, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war. Jeder Versuch noch eine Mütze Schlaf zu bekommen endete im endlos langen Herumwälzen in seinem Bett. Gedanklich ging er durch, wie viele Tage er seinen Sandkastenfreund noch ertragen musste. Aber als das Ergebnis nicht zufriedenstellend ausfiel, gab er sein Vorhaben auszuschlafen auf. Letztendlich schnappte er sich sein Smartphone. Dank seines Besuches war er kaum dazu gekommen einen Blick darauf zu werfen. Weder Mails hatte er gecheckt noch irgendwelche Nachrichten gelesen. Kou war ein 24-Stunden-Job. Anders konnte er es nicht ausdrücken. Nachdem er erstmal mindestens 100 Spam-Mails gelöscht hatte, ging er zu den wichtigen Dingen über: Seine Messenger. Sofort sah er, dass er etliche Nachrichten erhalten hatte. Zuerst öffnete er die von Kloe. Das war am Wichtigsten. Doch Ernüchterung machte sich breit, als er feststellte, dass diese bereits vom Vorabend waren und ein darin angefragtes Treffen nicht zu Stande gekommen war. Doof. Denn nun hatte er seinen Freund versetzt, wegignoriert und war noch dazu in Erklärungsnöten. Er konnte doch nicht sagen, dass Kou bei ihm gepennt hatte und sich das auch noch ne Weile hinzog. Manno. Aber Lügen brachte genau so wenig. Also nicht, dass er Kloe nicht eh schon genügend Lügen aufgetischt hatte, aber Untreue wollte er nicht hinzufügen. Zumindest nicht, wenn es nicht begründet war. „Ach Mann…“, nuschelte Taka und rollte sich auf den Bauch. Kou begleitete ihn echt noch in den Vorhof der Hölle und schubste ihn dann in den Abgrund. Andauernd musste er sich mit unliebsamen Dingen auseinander setzen seitdem sie sich getroffen hatten. Und nun kam er in die Verlegenheit sich eine glaubhafte und wenig verletzende Erklärung für seinen Freund einfallen zu lassen. >Hey! Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde…< Taka dachte nach. >Ich hab spontan Besuch von einem Freund bekommen und wir waren Shoppen… Okay, den Teil löschte er wieder. >Ein Schulfreund ist zu Besuch. Er pennt hier und ich komm zu gar nix mehr…. Takanori knurrte. Das konnte man so auch nicht schreiben. >Lief bei dir alles gut? Wie waren die Auftritte?< Er zermarterte sich weiterhin den Kopf. Der Ton machte schließlich die Musik. >Die Arbeit hat mich ziemlich eingespannt… Nein, das besser wieder löschen. >Ein Freund aus dem Ausland ist spontan in der Stadt und hat sich bei mir eingenistet. Daher ist die Zeit etwas knapp. Ich hoffe, wir können uns bald wieder treffen. Entschuldige, dass es gestern nicht ging.< Das musste reichen. War schließlich die Wahrheit. Mal sehen, wie er reagierte. Taka durchstöberte seine Nachrichten weiter, schnippte dann aber auf. „WAH!!! Was?.... Das kommt heute raus? FUCK! Das hätte ich total verpeilt!“, fiepte er, als er eine Nachricht eines Bekannten, der seine Vorlieben für Anime und Manga teilte, gelesen hatte. Sofort schwang er seine Beine aus dem Bett, warf sein Schlafshirt auf dieses und schlüpfte aus seinen Shorts. Er eilte zu seinem begehbaren Kleiderschrank und schlüpfte in neue Unterwäsche, flitzte zum Bad, um sich dort schnell fertig zu machen. Kurze Zeit später war er wie aus dem Ei gepellt wieder in seinem Kleiderschrank angelangt und schmiss sich in seine skinny Jeans sowie einen übergroßen Pulli. Dann krallte er sich auf den Weg zur Tür noch seine Umhängetasche, die er gewöhnlich nahm, wenn er in die Stadt ging. Direkt fiel ihm noch ein, dass es nicht verkehrt wäre, sein Smartphone und auch seine Geldbörse mitzunehmen. Also eilte er zurück zu seinem Bett, schmiss sein Smartphone in die Tasche und hockte sich zurück im kleinen Flur neben die Tasche, die er am Vortag in Benutzung hatte. Nachdem er alles hatte griff Taka blind auf seinen Schuhschrank, ertastete aber nichts und merkte dann, dass sein Schlüssel nicht an seinem Platz lag. Er blinzelte. Sein Schlüssel war generell nicht da. In dem Moment ging neben ihm die Tür auf und Kou stand verschwitzt im Türrahmen. Da war also sein Schlüssel. „Hi. Ich muss weg. Kann länger dauern!“, erklärte Taka und schnappte sich den Schlüssel aus der Hand seines Freundes. Dann zwängte er sich an dem irritiert dreinblickenden Kou vorbei. „Ehm…“, wollte er mit einer Erwiderung beginnen, aber kam gar nicht dazu. „Ich bin echt in Eile. Wenn du raus willst, in der Schatulle ist noch der Ersatzschlüssel. Aber nur für die Wohnung, nicht für unten. Musst also woanders klingeln. Dann bye!“, verabschiedete sich Taka kurz angebunden und war auch schon zum Fahrstuhl gestürmt. Kou sah ihm verdattert hinterher. Eiskalt stehen gelassen. ~*~ Zumindest konnte Kouyou heute seine Dusche ohne Zwischenfälle antreten. Das war auch so eine Sache für sich. Immerhin steckte ihm der Schreck vom Vortag noch in den Knochen. Nun aber hatte er die Wohnung von Taka für sich alleine. Wo auch immer der so plötzlich hin musste. Und gesagt, wann er wiederkam hatte er auch nicht. Schon ein bisschen gemein. Die Abwesenheit des anderen nutzte er nicht nur zum Duschen sondern auch, um seinen Gesprächspartner vom Vortag nochmals zu erreichen. Diesen hatte er schließlich unwirsch abgewürgt. „Ist gerade nicht so günstig…“, meldete sich der Angerufene und schon fluchte er leise. „Argh, nun auch egal. Was gibt’s?“, erkundigte sich Kouyous Gesprächspartner. Ein wenig ungeliebt kam sich das Model heute schon vor. Erst ließ Taka ihn einfach so alleine und nun das. „Ich wollte dich doch nochmal anrufen. Gestern sind wir ja unterbrochen worden. Und Taka hat mich gerade allein gelassen.“ „Ich weiß…“ „Du weißt?“ „Eh… Na dass wir gestern unterbrochen worden sind. Du wolltest mir noch irgendwas erzählen.“ „Ah ja, guter Einstieg!“, warf der Schwarzhaarige ein. „Ich hatte noch keine Gelegenheit dir von dem Treffen mit Taka zu erzählen. Du kannst mir glauben, du setzt dich besser hin!“, machte es Kouyou spannend und setzte sich nun auch erstmal auf die Couch. Das Handtuch um seine Hüften verdeckte nur das Nötigste. „Dann schieß mal los.“ „Nun ja! Also…“ Kurz versuchte sich Kou nochmal an alles zu erinnern. „Eh ja. Er hat seine Therapie abgebrochen und meint, dass es nichts mehr bringt dahin zu gehen. Das ist doch schon mal ein großer Fortschritt.“ „Meinst du wirklich?“ Die Zweifel waren deutlich zu hören. „Also ich kann nicht sagen, dass er depressiv rüberkommt oder sowas. Er scheint zu wissen, was er will.“ Kou grinste. „Und glaub mir: Er weiß nun ganz genau, was er will: Männer!“, ließ er die Bombe platzen. Doch er hörte nur ein Murren am anderen Ende der Leitung. Trotzdem war er noch nicht fertig mit erzählen. Darum blubberte er weiter. „Er meint, er hat sich geoutet und hat nun einen Freund. Darum bin ich auch hier! Ich will mir mal seinen sogenannten festen Freund ansehen. Ich muss ja überprüfen, ob der auch gut genug für Taka-chan ist!“ Kou lächelte leicht. „Tu, was du nicht lassen kannst!“ „Manno! Nun freu dich wenigstens etwas für ihn! Aber der Kerl muss eh erst von mir abgesegnet werden und dann sehen wir mal weiter. Heute will ich zu meiner Mutter. Mal gucken, was es da Neues gibt.“ Das Model wuschelte sich durch seine nassen Haare. „Wie läuft es bei dir? Vorangekommen mit deinen Geschäften?“ „Nein! Die letzten Gespräche verliefen nicht so, wie ich wollte. Ich habe eine Absage bekommen. Aber ich bleib dran. Mal sehen, wie es die nächsten Tage läuft. So leicht geb ich nicht auf. Wir reden nochmal, wenn du wieder zurück bist. Ich hab jetzt zu tun. Bye!“ „Okay… dann….“ Kou rollte mit den Augen. Dass dieser Kerl nie abwarten konnte, bis er sich verabschiedet hatte. Nur der Vollständigkeit halber verließ er das Anrufmenü seines Smartphones und schaltete dieses auf Standby. Da hatte er durchschlagende Neuigkeiten und bekam nur eine grummelige Antwort. Das nervte. ER hatte sich so viel mehr von diesem Gespräch erhofft und wurde unwirsch abgewürgt. „Blödmann…“, meckerte das Model leise und rappelte sich wieder auf. Er hatte schließlich noch weitere Pläne für den Tag und würde sich sicherlich nicht die Laune durch sowas vermiesen lassen. ~*~ Konsum macht glücklich – zumindest für den Moment. Das stellte Taka wieder fest, als er sich im Park auf eine der Bänke sinken ließ. Seine obligatorische Kaffeedose stellte er neben sich ab und zog die Tüte mit seinen neuen Errungenschaften auf seinen Schoß. Natürlich war es nicht bei seinem eigentlichen Vorhaben geblieben. Wie es nun mal so war, kam eins zum anderen. Man stöberte hier und da und schließlich fand man sich in weiteren Shops wieder. Und er bereute nichts. Zwar sollte sich ein halbwegs erwachsener Mann nicht auf Heftchen mit Boyslove-Inhalten stürzen, aber wen kümmerte es denn schon? Er hatte seine Vorlieben, er hatte seine Lieblingscharas und er hatte etwas, um die Zeit neben der Arbeit totzuschlagen. Irgendwas brauchte eben auch Taka zum Ausgleich zu seinem tristen Alltagsleben. Freilich war das nach all den Jahren nicht mehr so aufregend und verwerflich wie damals, aber er mochte es noch immer, Manga zu lesen und sich in irgendwelche fiktiven Stories zu vertiefen und sich selbst zu wünschen in einem dieser Manga zu leben. Eigentlich wollte er doch nur sein happy end für seine Geschichte. Bisher war ihm dies jedoch verwehrt geblieben. Mit gemischten Gefühlen zog er die große, dunkelblaue Plastiktüte zu sich heran und grabschte nach dem Inhalt. Skeptisch musternd hielt er das riesige Kissen mit ausgestreckten Armen vor sich. Seine braunen Augen starrten in die grünen Augen seines aktuellen Lieblingscharakters aus dem Manga, von dem Band 7 heute erschienen war. Eben der Grund, warum er wie von der Tarantel gestochen in die Stadt gedüst war, zum Dealer seines Vertrauens. Man konnte ja nicht ahnen, dass es auf einmal auch Kissen gab. Wenn man sich nicht kontinuierlich informierte, dann verpasste man die wichtigsten Informationen. Das ging gar nicht. Was für ein Glück, dass göttliche Fügung ihn direkt zu dem Kissen geführt hatte. Gesehen – gekauft! „Ich bin so ein Freak….“, stellte er leise murmelnd fest. Leicht zu erkennen war die Ähnlichkeit die der hübsche Junge mit den hellblonden Haaren auf seinem riesigen Kissen mit Akira hatte. Diesen Fakt aber verdrängte der Jungdesigner und kniff seine Augen zusammen. Schon wieder diese Gedanken. „Begründet gekauft!“, fiepte er leise und schloss das Kissen fest in seine Arme. Wenn er sonst schon niemanden umarmen konnte, dann musste eben ein Ersatz her. „Ach, Yoshio! Wenn es dich doch nur in echt geben würde und du nicht so gewalttätig wärst, dann… würde ich dich heiraten!“, gab sich Takanori wieder einmal seinen Tagträumen hin. War ihm doch egal, dass er sich wie ein dummer kleiner Fanboy aufführte! Auch er durfte mal albern sein. Jedoch schien etwas oder jemand dagegen Einspruch erheben zu wollen. Der Blonde blinzelte, als ihn etwas am Bein traf. Sofort sah er neben sich nach unten. Da rollte ein kleiner, roter Ball wieder von ihm weg und blieb ein paar Zentimeter von seinem Fuß entfernt liegen. Um mehr zu sehen ließ er das Kissen noch ein Stück sinken. Auszumachen woher der Ball kam war unmöglich. Und auch, ob er bei seinen Fanboyausbrüchen beobachtet wurde. Irgendwie war das ja doch peinlich. Wenn er einen Stalker hatte, dann hatte dieser sicherlich auch sehr viel zu lachen. Manchmal konnte Taka selbst nur über sich und seine Ausbrüche lachen. Doch dieser Gedanke wurde schnell weggewischt, als wenig später dem Ball ein kleiner, abgehetzter Hund folgte. Hechelnd blieb der neben dem Ball stehen und sah sich suchend um. Er selbst wurde dabei gar nicht wahrgenommen. Nun machte alles Sinn. Aber Moment Mal! Klein, große Ohren… Da klingelte was bei ihm. „Na, mein Kleiner, kenn ich dich nicht irgendwo her?“, fragte Taka nach und legte sein Kissen neben sich zur Seite auf die Tüte. Das gute Stück sollte schließlich nicht schmutzig werden. Gerade wollte sich Taka nach unten beugen, als er angesprochen wurde. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht treffen, aber ich bin im Werfen nicht sonderlich gut!“, drang eine Entschuldigung an seine Ohren. Das aber hielt ihm nicht davon ab, den Hund zu sich auf den Schoß zu setzen und dann zu dem Mann nach oben zu sehen, der wie aus dem Nichts erschienen war. Doch schon allein die Lederjacke verriet ihn. „Wusste ich es doch! Der Hund kam mir schon so bekannt vor!“, sagte der Blonde triumphierend und sah zu dem Besitzer des Hundes auf. Seine Vermutung hatte sich bestätigt, aber da keine großartige Reaktion kam, redete Taka weiter, um dem Gedächtnis des anderen auf die Sprünge zu helfen. „Neulich früh, als der Kleine hier in den abgesperrten Vorgarten getürmt war. Ich hab ihn rausgeholt. Du wolltest dann zu NG“, erklärte Taka und kam nicht drum herum seine Finger durch das weiche Fell des Welpen gleiten zu lassen. Hundewelpenfell. Weich und flauschig. Leider sehr verlockend. „Ach so. Ja, ich erinnere mich. Danke nochmal.“ „Keine Ursache. Der Kleine scheint ja ein ziemlich aufgewecktes Kerlchen zu sein. Lernt sogar schon Ball holen. Gehört er deiner Freundin?“ Taka wusste auch nicht woher das Interesse an dem Fremden kam. Aber ein Wenig Smalltalk war nicht verkehrt. Nur leider trug der Typ wieder die Gesichtsmaske. So konnte man doch nichts erkennen. Bis auf ein Auge und eben Haare. Das war blöd. Und sicherlich dachte der Kerl auch, dass er total aufdringlich war. Immerhin hatte er sich seinen Hund geschnappt und drückte ihm nun ein Gespräch aufs Auge. „Eh, nein. Das ist schon mein Hund. Aber ich muss mich erst daran gewöhnen“, räumte der Unbekannte ein und hob den Ball auf. Der Designer machte trotzdem keine Anstalten das Tier zurückzugeben. „Wie heißt er denn?“, startete Taka einen erneuten Versuch, sein Gegenüber in ein Gespräch zu verwickeln, welches glücklicherweise nicht einseitig blieb. „Sein Name ist Koron.“ Der Blonde folgte den Blick des anderen zu Seite. Anscheinend fixierte er den leeren Platz auf der Bank an. Oh, das war ein gutes Zeichen. „Der Name ist aber ausgefallen. Gefällt mir! Möchtest du dich vielleicht einen Moment zu mir setzen, eh…“ Normalerweise hätte er ihn wohl nun mit Namen angesprochen, nur den kannte er nicht. „Suzuki…. Akira, Suzuki.“, stellte sich der Unbekannte vor und nahm dem Vorschlag folgend den Platz neben dem Fankissen ein. „Oh, freut mich, Suzuki-san. Ich bin Matsumoto Takanori“, stellte sich Taka der Vollständigkeit halber vor und drehte sich etwas zu dem anderen. Wenn er schon sein Gesicht nicht sehen konnte, wollte er sich ihm dennoch zuwenden, wenn sie sich unterhielten. Da die Aufmerksamkeit des Designers nun beim Menschen lag, nahm dies das Hündchen zum Anlass das Kissen zwischen ihnen zu beschnuppern. „Freut mich auch, Matsumoto-san.“ Ein wenig unsicher wirkte die Erwiderung schon. Vielleicht war es suspekt andere Leute im Park anzusprechen. Oder der Kerl hatte auf sein Kissen und die restlichen Tüten gestarrt und gar nicht auf den leeren Platz. Nun dachte er sich bestimmt, dass er ein Freak war. War ja auch zu offensichtlich. Verdammt, sicherlich hinterließ er so keinen guten Eindruck. „Koron ist schon niedlich. Und wie tapsig er ist!“, stellte Taka fest, da das Tier nun von seinem Schoß weg wollte, um das große, gefährliche, unbekannte Kissen zu erklimmen. „Ich wollte auch schon immer einen Hund haben. Aber meine Eltern haben mir das immer verboten. Na ja, und jetzt… Weiß nicht. Wenn ich ihn so sehe, dann würde ich am liebsten sofort zu einem Shop gehen und einen Welpen mitnehmen!“, kam Taka ins Schwärmen. Ob das auch noch freakig war? Aber Tiere zählten doch nicht zu ungewöhnlichen Interessen? Irgendwie lag ihm ja schon etwas daran, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Vor allem weil der andere ihm mit seinen Blicken nervös machte. War das nun Interesse oder Abscheu und er wollte nur sein Eigentum zurück haben und dann von hier weg? „Niedlich ist er schon, aber ich hatte ursprünglich andere Pläne. Eigentlich sollte er nicht bei mir wohnen.“ Dieser Suzuki klang etwas genervt. Das wiederum ließ Taka aufblicken. „Nicht? Aber du kannst ihn doch nicht einfach wieder abgeben!“, sagte er ein wenig weinerlich, doch dann fiel ihm ja ein, dass der andere doch ein Model war. Sicherlich war er viel unterwegs und hatte gar keine Zeit für ein Haustier. Oder der Hund war ein Findelkind und das Model sein Ritter in weißer Rüstung und hatte ihm vor dem sicheren Tod gerettet! „Nicht so wichtig. Ich klär das noch!“, brummelte der Dunkelhaarige hinter seiner Gesichtsmaske. Der Bedarf an diesem Thema schien gestillt zu sein, daher lenkte Taka ein. „Ah, da fällt mir ein, wie war denn der Termin? War denn wieder ein Casting?“, wechselte Takanori geschickt den Inhalt Ihres Gespräches, da er merkte, dass sein gegenüber wohl Unbehagen verspürte, wenn sie weiterhin über das kleine Wesen zwischen ihnen redeten. Oder es lag an ihm und er wollte gar nicht weiter mit ihm reden? „Bei der Firma?“, hakte Suzuki nach, da er Takanoris Gedankensprung nicht nachvollziehen konnte. „Uhm ja, du wolltest doch zum Boss?“ Oder hatte er etwas falsch verstanden? Funktionierte ja super eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden. Anscheinend war er zu blöd für sowas. „Ach so…“ Akira wuschelte sich durch die Haare und nickte. „Das schon. Aber da ging es um geschäftliche Sachen wegen meinem Label. Von Castings weiß ich nichts.“ Der kleine Blonde blinzelte und ließ seinen Blick an den anderen nach unten schweifen. Irgendwas war hier merkwürdig. Er wusste nur noch nicht was. Diese Bewegungen kamen ihm bekannt vor. Diese Sitzhaltung mit den gespreizten O-Beinen auch. Das war so vertraut. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, aber ehe er weiter nachdenken konnte, wurde seine Aufmerksamkeit wieder beansprucht, da der andere einen Blick auf seine Bonzen-Uhr warf. „Du entschuldigst uns? Ich hab noch Termine. Die Zeit zum Spielen ist leider schon wieder um.“ Mit diesen Worten nahm Akira den Hund wieder in seine Hände und legte ihn sich behutsam auf den Arm. Dann stand er bereits wieder unter den erstaunten Blick aus Takanoris Kulleraugen auf. „Ich wünsch dir noch einen schönen Tag. Vielleicht sieht man sich mal wieder.“ Schneller als Taka reagieren konnte, war seine neue Bekanntschaft auf und davon. „Eh…. Dir auch. Bai!“, sagte der kleine Blonde gehetzt und sah dem Typen in Lederjacke hinterher. Oh dear, ging ihm durch den Kopf, als sein Blick aber tiefer hängen blieb. „Verdammt….“, fluchte er jedoch, als ihm seine Blödheit bewusst wurde. Er hätte wenigstens fragen können, ob er hier in der Nähe wohnte. Aber so hatte er nichts! Und wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit, dass er in dieser Millionenstadt diesem Kerl nochmal begegnen würde? Doch gleich Null, wenn nicht sogar im negativen Bereich. Er ärgerte sich gerade schwarz über den Ablauf dieses Treffens. Das war wieder so ein Megafail! Wahrscheinlich hatte das Kissen doch einen tiefgreifenden Eindruck hinterlassen und signalisiert, besser schnell das Weite zu suchen, ehe seine Abnormität abfärbte. Man kannte es ja! Sowas war ansteckend! Von sich selbst enttäuscht schnappte sich Taka sein Kissen und drückte es wieder an seine Brust. Ein Seufzen kam ungehindert über seine Lippen. „Oh, Yoshio, warum hast du nichts getan, ey? Kein Verlass!“, sprach er vorwurfsvoll mit dem fiktiven Charakter auf seinem Kissen. Nun machte sich doch wieder Ernüchterung breit. Er war so ein Verlierer, wenn es darum ging, Gelegenheiten zu erkennen und diese zu nutzen. Nein, die schlüssigsten Dinge fielen ihm immer erst im Nachhinein ein. Das war doch zum Mäuse melken. Dabei gefiel ihm dieser Typ anscheinend. Irgendwelche chemischen Prozesse jedenfalls waren der Meinung, dass der als potenzieller Partner in Frage kam – vorausgesetzt er hatte jetzt nicht den Stempel „Otaku“ aufgedrückt bekommen. Dann war eh alles vorbei! So einen Makel bekam man nicht mehr weg. Sofort hielt er sein Kissen wieder von sich weg. „Yoshio, ich sag`s dir, wenn du mir das jetzt versaut hast, dann…. Dann kauf ich kein Merch mehr von dir!“, drohte er. Natürlich starrte ihn der Aufdruck genau so desinteressiert an, wie schon die Male davor, als er ihn sich angesehen hatte. „Ja, okay, ich kauf`s ja doch!“, sah er es ein und seufzte kellertief. Unzufrieden war er nach wie vor und das lag diesmal nicht an Kouyou. Trotzdem machte sich Reue in ihm breit. Er hätte ihm zu einem Kaffee einladen sollen. Jämmerliche Laute kamen über Takanoris Lippen, als er Gesicht in das Kissen drückte und der ungenutzten Chance hinterher weinte. Kapitel 9: ----------- UNDONE Kapitel 9 Taka hatte nicht schlecht aus der Wäsche geschaut, als unverhofft sein Freund vor der Tür stand. Das kam unerwartet. Doch irgendwie kam aktuell sowieso alles unerwartet. Kouyou zum Beispiel. Genau so unerwartet, wie dieser aufgetaucht war, war er zwischenzeitlich wieder verschwunden. Zurück geblieben war eine kurze Notiz auf einem Zettel, den er auf seinem Wohnzimmertisch gefunden hatte. Diese verkündete jedoch nicht, dass er sich in den nächsten Flieger nach Hause gesetzt hatte, sondern nur, dass er erstmal zu seiner Mutter gefahren war. Die aufkeimende Freunde verflog unmittelbar, als Taka das P.S. der Notiz las: Ich hab meine dreckigen Klamotten in den Wäschekorb gepackt. Bitte waschen! Und was hatte er getan? Natürlich Wäsche gewaschen! Manchmal hasste sich Taka wirklich selbst für seine Nachsicht. Und für die viel zu gute Erziehung seiner Mutter. Nicht selten haderte er daher mit sich selbst. Trotzdem verlief der Rest des Sonntags total entspannt, genau wie der Montag auch und der Dienstag. Zumindest wenn man von dem normalen chaotischen Verhältnissen auf der Arbeit absah. Es war ihm jedenfalls ganz lieb, das Kou Zeit mit seiner Mutter verbrachte und er zurück zu seinem Alltag finden konnte. Abwechslung war schön und gut, aber irgendwann brauchte er einfach mal den alten Trott. Vor allem, da er noch keine Möglichkeit gehabt hatte, sich richtig vom 17. Februar zu erholen. Alles überschlug sich. Sein Nervenzusammenbruch wurde noch von den miesen Neuigkeiten auf Arbeit unterstrichen, gefolgt von Kouyous Überraschungsbesuch und den Nachwirkungen von diesem. Da Taka funktionieren musste, hatte er seine Belange zusammen mit den Fotos von Akira einfach so in den Schrank gestopft und sich um die allgegenwärtigen neuen Probleme gekümmert: Kouyou. Für die Zeit nach der Arbeit hatte er es sich jedenfalls für heute vorgenommen zu Hause klar Schiff zu machen. Emotional zumindest, denn gegen Kouyous herumliegende Sachen kam er nicht an. Dessen Koffer musste doch ein schwarzes Loch sein. So viele Kleinigkeiten, die überall in der Wohnung verstreut lagen, obwohl Kou nicht mal da war. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Oder Kou war einfach nur unordentlich hoch 10 und benötigte dringend einen persönlichen Assistenten. Taka war sich jedoch totsicher, dass er nicht dieser Assistent sein wollte. Gerade als der kleine Blonde seinen Schrank wieder geschlossen hatte, klingelte es an der Tür. Wider Erwarten stand ein anderer Schwarzhaariger vor ihm und sein Gesicht erhellte sich. „Hi. Hab dich gar nicht erwartet!“ „Soll ich wieder gehen?“ „Untersteh dich!“, legte Taka sofort sein Veto ein und griff nach der Hand seines Freundes. Diesen zog er in die Wohnung und schloss die Tür. Und noch ehe er die Gelegenheit bekommen hatte, seine Schuhe auszuziehen, klammerte Takanori seine Finger in den Stoff der Jacke seines Liebsten und ließ sich auf einen ordentlichen Begrüßungskuss ein. Wie immer musste er sich dabei ein wenig auf die Zehenspitzen stellen. „Hm, hast du mich denn so sehr vermisst oder wie komm ich zu so einer Begrüßung?“, fragte Kloe nach und konnte nicht anders als sein Gegenüber anzugrinsen. So kannte er den Älteren gar nicht. Taka wurde seine stürmische Begrüßung nun ebenfalls bewusst und gleich war es ihm wieder peinlich. Er wusste selbst nicht, woher die Euphorie auf einmal gekommen war. Schließlich war er älter und hielt sich für gewöhnlich zurück was überschwängliche Ausbrüche anbelangte. Sowas machte man ja nicht und widerstrebte dem Verhalten eines waschechten Japaners. Diese zeigten ihre Gefühle nie offen. Kouyou konnte darüber sicherlich ganze Vorträge halten. Daher begann Taka auch sofort herumzudrucksen. „Eh… Wir haben uns halt… seit fast zwei Wochen nicht gesehen. Du weißt ja, wie das dann mit der Notgeilheit ist!“, versuchte sich der Designer irgendwie zu erklären. Triebe boten sich als Alibi an, wenn man nicht zu seinen Gefühlen stehen wollte. Vielleicht war es auch nur ein Reflex. Unterm Strich konnte er nicht zugeben, dass er Kloe vermisst hatte. Er war schließlich ein Mann! Und er klammerte nicht! Sie hatten schließlich dieses lockere Ding und das war gut so. Dennoch sah er etwas betrübt drein. Die letzten Tage waren nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Die emotionalen Tiefgründe forderten ihren Tribut und nur zu gern wollte Taka alles festhalten, was nur irgendwie greifbar war. Kloe gehörte dazu. Diesen hatte er eben doch lieb gewonnen und hegte bereits eine gesunde Verlustsangst. Trotzdem würde er sicherlich keinen Seelenstriptease hinlegen. Hinter ihm entledigte sich Kloe bereits seiner überflüssigen Kleidung und der Schuhe, ehe er seine Arme um den Kleineren schlang. Seine Erklärungen schienen nur geringes Interesse bei dem Schwarzhaarigen geweckt zu haben. „Dann muss ich dir ja gar nicht mehr mitteilen, warum ich hier bin“, wisperte der Größere und nahm das eigentliche Thema wieder auf. Sanft tupfte er kleine Küsse auf den Hals von Takanori, ehe er ihn fester an sich drückte. Sofort waren die trübsinnigen Gedanken verschwunden und die Lider des Designers sanken von ganz allein auf Halbmast. „Hn, hab ich mir schon fast gedacht.“ Ihre Treffen folgten meist einem Schema. Smalltalk, ab und an Essen, dann Sex. Danach schlafen oder sie gingen wieder getrennte Wege. Was sollte man auch machen, wenn die Zeit sich gegen einen verschworen hatte? Man musste die wenigen Stunden nutzen und sie so intensiv nutzen, wie es nur ging. Und welches Gefühl war schon intensiver als die leidenschaftliche Vereinigung zweier sich begehrender und sich liebender Körper? Er ließ sich von dem Musiker willig durch sein Wohnzimmer führen und dann direkt in den hinteren Bereich, in dem sein extra breites Bett stand. Sein Liebster ließ sich nicht sonderlich viel Zeit, denn seine Hose war bereits offen und sein Hemd wurde nun Stück für Stück aufgeknöpft. Viel Zeit wollte Kloe heute anscheinend nicht verschwenden und drängte ihn in die ihm zugedachte Rolle. Von Takanoris Seite war das voll und ganz erwünscht. Fallen und vergessen. „Meintest du nicht, dass du Besuch hast?“, fiel dem Schwarzhaarigen dann aber ein unliebsames Thema ein und Taka verzog seine Lippen. So viel zum vergessen. Kou war das Letzte an das er gerade denken wollte. „Schon. Aber er ist seine Mutter besuchen.“ Den kurzen Moment des Zögerns nutzte der Kleinere und drehte sich in den Armen, die ihn sanft umschlungen hatten, um. „Das heißt, wir sind allein?“, wollte sich der Größere nochmal versichern. „Hm, scheint so. Aber bist du hier um zu quatschen?“, lenkte Taka den anderen ab und schob seine Hand in Kloes Nacken. Sofort zog er ihn zu sich, um ihn wieder gierig zu küssen. Doch da merkte er schon, dass seine Gedanken ein Eigenleben entwickelten. Kaum dass seine Augen geschlossen waren, schlichen sich die wildesten Gedanken ein. Er sah Bilder von Akira, erinnerte sich daran, wie sie sich damals geküsst hatten. Sofort festigt er seinen Griff in den schwarzen Haaren noch mehr und schob seine Zunge zwischen die leicht geöffneten Lippen seines Freundes. Er musste gegen all die Erinnerungen ankämpfen, damit er sich nicht wieder in etwas verrannte, was nicht war, nicht sein konnte und nie sein würde. Taka übernahm die Führung des Kusses und drängte sich immer mehr mit seinem Oberkörper dem Musiker entgegen. Der hatte aber eigene Pläne und nutzte sein Gewicht aus, um den Kleineren zurück aufs Bett zu drücken. Als auch Taka bemerkte hatte, was sein Liebster vor hatte, gab er nach und ließ sich fallen. Nur kurzzeitig lösten sie sich dabei voneinander. Als er seine Augen öffnete, traf ihn der lüsterne Blick des Jüngeren. Das war nicht verwunderlich. Schließlich wussten sie beide, worauf es hinauslaufen würde. Kloe schob seine Hände seiner Brust entlang und streifte ihm das Hemd von den Schultern. Stück für Stück wurde immer mehr nackte Haut freigelegt und ihre Münder trafen sich hungrig. Auch Takanori machte sich über seinen Freund her und öffnete dessen Sweatjacke, zog diese ungelenk mit der Hilfe des anderen von seinen Armen und ließ sie zu Boden fallen. Weitere fahrige Küsse wurden ausgetaucht und vermehrt setzten sie ihre Hände ein, um den geliebten Körper des jeweils anderen zu erkunden. Gemäß der stumm festgelegten Rollenverteilung genoss Taka die zärtlichen Berührungen von Kloes Lippen, die ihn liebkosten und die Stellen reizten, an denen er besonders empfindlich war. Taka zog die Luft scharf zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen ein, versuchte dadurch ein erregtes Stöhnen zu unterbinden. Er war es, der bereits nackt mit gespreizten Beinen auf dem Bett lag, während Kloe stetig tiefer in seinem Schoß versank. Kloe verfolgte ein Ziel und tat alles, um dieses umzusetzen. „Ohw…. Gott….“, konnte Takanori ein erneutes Stöhnen doch nicht unterdrücken. Die Hitze schoss zwischen seine Beine und sammelte sich in der Spitze seiner Erregung. Gegenwärtig merkte er, wie groß seine Anspannung war. Aber Kloe schaffte es, ihn so richtig abzulenken. Denken war nicht mehr nötig und die Anstrengungen der vergangenen Tage wich aus seinem Körper. Vielleicht bot Sex doch das Ventil, das er gesucht hatte. Mühsam zwang sich der kleine Blonde dazu, sich den Reizen hinzugeben und bloß nicht seinen nervigen Gedanken nachzuhängen. Es war so schwer Akira wieder zurück in seine Schublade zu stopfen und seinen Sehnsüchten nicht nachzugeben, obwohl ein Teil von ihm in der Vergangenheit hängen geblieben war. Er hatte doch einen total heißen Freund, der ihn offensichtlich auch liebte. Sonst würde er doch nicht diese schwulen Dinge tun und so viel hatte Taka nun auch weiß Gott nicht zu bieten, dass er ein Männermagnet war. Eher wirkte seine magere Gestalt abschreckend. Und doch lutschte gerade ein verdammt scharfer Typ seinen Schwanz und blies ihn um den Verstand. „Hngh…. Ah…. Noch…. Etwas mehr!“, bat er Kloe seine Behandlung noch ein wenig weiter zu führen. Er rappelte sich etwas auf, um sich auf seinen Unterarmen abzustützen und um einen Blick nach unten werfen zu können. Die visuellen Reize waren weiß Gott nicht zu verachten. „Ja… oh ja…..“, kam ein lautes Stöhnen über die Lippen des Designers. Unmittelbar darauf unterdrückte er zwanghaft weitere Geräusche und schmiss sich zurück in die Kissen. Sein Becken jedoch schnellte gierig nach oben, als er sich ergoss. Sofort schob er Kloe von sich, da er die kontinuierlichen Reize nicht ertrug, während er kam. Und gerade kam er- und wie. Heftig atmend lag er auf dem Bett und legte seinen Unterarm über seine Augen. Erstmal musste er wieder zu Atem kommen, sich sammeln und dann könnte er… „Das Laken wechselst du aber, bevor ich heute Abend wieder mit im Bett schlafe!“ Taka schnippte wie von der Tarantel gestochen auf und sah zu seinem Wohnbereich. Dort kniete Kouyou auf der Couch und hatte seine Arme auf der Lehne abgestützt. Er war dem Bett zugewandt, auf dem er es sich gerade von seinem Freund hatte besorgen lassen. Dessen Blick verriet ihm, dass auch er Kou bisher nicht mitbekommen hatte. Und da platzte es wieder aus Taka heraus! „KOUYOU! Was machst du hier?!“, fluchte Taka und sofort suchte er etwas, mit dem er seine Blöße verdecken konnte. Herhalten musste sein neues Kissen. „Na ja… Gerade hab ich mir einen Einblick in dein Liebesleben verschafft!“ Kouyous Mine zierte ein unbedarfter Blick. „Du hast…. Du hast WAS?..... SPINNST DU?! Wie kommst du hier rein?“, wetterte Taka weiter und rutschte umständlich zum Bettrand. Er war sichtlich überfordert mit der Situation. Am liebsten wäre er seinem Sandkastenfreund an die Gurgel gegangen. Aber er war nackt. Und Kloe war da, kniete immer noch auf dem Boden und war ebenso sichtlich irritiert von dem ungebetenen Gast. Und Kou tat auch nichts! Er wusste verdammt nochmal nicht, wie er aus der Situation wieder rauskam! Nicht zu vergessen, dass das alles megapeinlich war. „DU willst jetzt sicherlich nicht hören „durch die Tür“, aber…“ Kou hielt den Wohnungsschlüssel hoch, den er an seinem Zeigefinger baumeln ließ. All das war nur noch mehr Salz in der offenen Wunde. „Unten war offen und ich konnte ja nicht ahnen, dass du gerade… uhm…. „Besuch“ hast!“ Kou lächelte den Schwarzhaarigen lieb an. Der war mittlerweile zumindest von Boden aufgestanden und hatte sich auf den Bettrand niedergelassen. „Du…. Du….“ Taka fehlten die Worte. Kou war unglaublich. Unglaublich dreist. „Du hättest klingeln können.“ „Ich hab doch einen Schlüssel! Und ich hätte euch dann nur gestört. Also… Ich finde schon, dass man gewisse Dinge zu einem Abschluss bringen sollte.“ Kou grinste spitzbübisch. Und damit war es nun doch zu viel für den Jungdesigner. Sein neues Kissen flog durchs Zimmer in Richtung des Models und er grabschte nach seinen Shorts, die er in Windeseile überstreifte. So erweiterte er seinen Handlungsspielraum und musste nicht splitterfasernackt durch sein Wohnzimmer stürmen. „Hast du denn überhaupt kein Schamgefühl?“, fauchte Taka. „Doch, schon. Aber bist nun nicht der erste Mann, den ich beim Akt sehe. Und in Pornos treiben es die Leute doch auch. Also alles halb so wild.“ Kouyou zeigte sich auch weiterhin unbeeindruckt. „Halb so wild????? Ich will NICHT, dass du…. Fuck ey!!! Das ist PRIVAT!“ Taka fehlten erneut die Worte und da er sauer war, konnte er nicht einmal mit sich selbst ausmachen, was er nun am besten tat. Kouyou schlagen oder treten oder was auch immer es noch für Möglichkeiten gab. So baute sich sein magerer Körper vor dem Model auf und er schnaubte wie ein Bulle. Da Kou nun auch den neugierigen Blick von Takanoris Freund auf sich spürte, hob er seine Hand zum gruß und lächelte den unbekannten Jungen an. Entsprechend sah er demonstrativ an seinem Sandkastenfreund vorbei als wäre dieser Luft. „Hi. Ich bin Takashima Kouyou.“ Kloe sah ihn nur abwartend an, hob trotzdem auch seine Hand. Viel wichtiger war, wie es hier nun weiterging. Diese Situation war schon ziemlich absurd. Noch dazu hatte er seinen Freund noch nie so erlebt. Allerdings hatte er auch noch nie so einen komischen Typen vor sich gesehen wie diesen Kouyou. Sein Interesse sich diesem Typen vorzustellen sank gen Null. Daher entschied er sich weiter für Schweigen, was nun auch dem ungebetenen Gast bewusst wurde. „Aber mal was anderes, Takalein! Was ist denn das Schickes?“ Kou deutete mit seinem Finger nach unten, blickte aber seinem Gegenüber direkt in die Augen an. „Häh?“ Irritiert von dem Themenwechsel sah Taka an sich nach unten, konnte aber nichts erkennen. Er wusste nicht, was der andere meinte. „Das hier!“, sagte Kou und piekte seinem Sandkastenfreund gegen die Hüfte. „Hast mir gar nicht erzählt, dass du tätowiert bist! Verschweigst du mir noch mehr?“, sagte Kouyou vorwurfsvoll. Dass er nicht wieder gehen würde machte er deutlich, indem er sich auf die Couch fallen ließ und seine Beine hoch legte. „Ja, Mann, bin ich und…. Eh… verschwinde?! Wir…. Also….“ Taka sah über seine Schulter zurück zu Kloe, der immer noch mit einer Engelsgeduld auf seinem Bett saß und nun wohl auf eine Ansage wartete, wie es weiter ging. Ob er einfach für ihn mitreden durfte? Irgendwie war der Designer nur gerade recht dankbar dafür, dass er mit dem Ausziehen bei Kloe noch nicht so weit gekommen war. Wenigstens war so die Blöße seines Liebsten vor den neugierigen Augen von Kou geschützt. Ein kleiner Trost, der blieb. Trotzdem schwankte er nach wie vor zwischen den beiden Möglichkeiten, einfach auszurasten und Kouyou zu Hackfleisch zu verarbeiten oder seinem Freund die Situation irgendwie glaubhaft zu erklären. „Ruhig Blut, Sweetheart. Ihr könnt ruhig weitermachen. Stört mich nicht! Dann werd ich wenigstens indirekt in dein schwules Leben eingebunden! Doggy-Style, 69, Creampie“, verkündete Kou, als wären das gute Neuigkeiten. „Schwules Leben?“ Der blonde Japaner bekam regelrecht wieder Schnappatmung. Ganz zu schweigen, dass seine Augenbrauen nach oben schnippten. Es würde ihm im Traum nicht einfallen sich vor den Augen seines Sandkastenfreundes vögeln zu lassen. Egal wie locker dieser drauf war. Es gab Dinge, die teilte man nur mit seinem Partner und nicht mit den Augen von neugierigen Menschen. Da fehlten ihm echt die Worte. „Stirbt, Kouyou, stirbt!“, hatte sich Takanori nun für eine Art der Bestrafung entschieden und drückte sein heißgeliebtes Kissen von Yoshio auf das Gesicht des Models. Zwar wusste er, dass er ihn nicht ersticken konnte, aber einen Versuch war es wert. Daher schwang er sich immer noch mit Kouyou zankend über die Lehne seiner Couch und versuchte seinen Mordplan in die Tat umzusetzen. Und er war nicht gewillt so schnell aufzugeben, auch wenn die Chancen allein aufgrund seiner Körpermasse relativ gering waren. Doch dann bemerkte Taka Bewegungen im Raum und er sah zu Kloe, der sich wieder ordentlich anzog. Sofort läuteten seine Alarmglocken. „Hey, du kannst jetzt noch nicht gehen. Immerhin bist du eben doch erst gekommen!“, bat Takanori flehend darum, dass sein Freund weiter blieb. Doch der schüttelte nur seinen Kopf. „Passt schon. Hätte eh nicht viel Zeit gehabt und du hast Besuch. Meld dich, wenn du wieder ne ruhige Minute hast.“ „Aber….“, flüsterte Taka und sah, wie sein Freund bereits das Wohnzimmer verließ, um in den Flur zu gehen. „Ich find allein raus“, waren die Worte, die ihm zusammen mit einem kurzen Winken mit der Hand hinterlassen wurden. Sofort kletterte der Blonde von seinem Sandkastenfreund runter und eilte ihm hinterher. „Kloe, ich kann das echt erklären! Willst du… nicht wenigstens noch ein bisschen bleiben? Wir hatten doch gar keine Zeit zu reden!“, versuchte er seinen Freund vom Gehen abzuhalten. Viel hatte er nicht vorzuweisen und Erklärungen würden schwierig werden, aber nach all dem Mist, der zuletzt passiert war, hatte sich Takanori ein Stückchen heile Welt gewünscht und doch eigentlich auch verdient. Aber Kouyou, dieser Trottel, machte mit seinem Trampeltierdasein mal wieder alles zunichte. „Ist schon okay. Kümmer dich erstmal um ihn.“ Kloe nickte in Richtung des Wohnzimmers, sah Taka aber mit einem neutralen Ausdruck an. Für Takanori war dies nicht zu deuten. Das musste Gleichgültigkeit sein. Irgendwas in dieser Richtung. Er wusste nur, dass ihm das missfiel und dass sich irgendwas zwischen ihnen verändert hatte. Nur war ihm noch nicht so ganz bewusst, was es war und ob es die Möglichkeit gab, es wieder gerade zu biegen. „Wir sehen uns.“ Der Schwarzhaarige beugte sich nur kurz zu ihm, um Takanori einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben. Dann verschwand er auch schon. Wie ein getretener Hund blieb Taka allein zurück. Allein mit dem Grund allen Übels. „Verflucht! Kouyou!“ Wieder schnaubte der Designer und stand bebend in der Tür zu seinem Wohnzimmer. „Hast du denn gar keinen Anstand? Wie unsensibel kann man bitteschön sein?“ „Musst du gerade sagen. Du hast ihn mir nicht mal vorgestellt“, erwiderte der Schwarzhaarige. Für ihn war es natürlich nicht nachvollziehbar, warum sich sein temporärer Gastgeber schon wieder so aufregte und in Rage redete. Kapitel 10: ------------ Undone Kapitel 10 „Sag mal, ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass der Typ auf dem Kissen aussieht wie Akira?“, fragte Kouyou zusammenhangslos und besah sich das Kissen, welches sein Sandkastenfreund eben noch als Mordwaffe gegen ihn verwendet hatte. Dass unweit von ihm ein gefährlicher Sturm aufzog, bekam er nicht mit. „Du bist unglaublich! Du bist…“ Taka haderte mit sich. Er war wirklich an dem Punkt angelangt, an dem keine Beleidigung der Welt ausgereicht hätte, um die Dreistigkeit von Kouyou auch nur im Ansatz zu beschreiben. Ja, er war tierisch sauer und doch wusste er nicht, wie er seine Gefühle zum Ausdruck bringen sollte. „Nun zieh dich erstmal wieder richtig an und dann können wir ein bisschen quatschen. Meine Mum hat keine Zeit mehr für mich.“ Behutsam legte Kou das Kissen neben sich auf die Couch und tätschelte es liebevoll mit seiner Hand. „Sie fährt mit ihrem Mann weg. Irgend so ein Treffen… eh… mit Autos.“ Unglauben machte sich auf den Zügen des Models breit. Aber der hatte noch eine andere Nuance als der Unglauben auf Takanoris Gesicht. „Ist das jetzt dein Ernst? Du kommst hier her, unterbrichst Kloe und mich in einem sehr intimen Moment und nun denkst du, dass du hier smalltalk mit mir halten kannst?“ Vorwurfsvoll stemmte der kleine Blonde seine Arme in die Seiten. Wieso verstand es Kouyou verdammt nochmal nicht, wenn er einen Fauxpas beging? Der Kerl leistete sich einen Fehltritt nach dem anderen und kam trotzdem immer ungeschoren davon! „Uhm, ja? Kloe ist doch gegangen.“ „JA! WEGEN DIR?!“, schrie Taka den anderen an. „Sei doch nicht so ungehalten, Taka. Er ist doch von sich aus gegangen und hat er nicht irgendwas davon gesagt, dass du dich erstmal um deinen Besuch – also mich – kümmern solltest?“ „Kou, du bist einfach nur kackendreist! Was läuft bitte falsch mit dir?“, fauchte Taka. Er sah aber ein, dass es nichts brachte, hier weiter den Aufstand der Zwerge zu proben und so ging er in den hinteren Bereich des Zimmers und schnappte sich eines seiner Shirts, das eigentlich schon bereit war, auf dem Wäschestapel zu landen. Innerlich versuchte er, seine Fassung wiederzuerlangen. Angesichts der entstandenen Situation war das nicht leicht. Er durfte sauer sein! Er durfte wettern und toben! All das war nachvollziehbar – nur zu gut. Aber jegliche Energie, die er in Meckern investieren würde, wäre für die Katz, denn Kouyou war total unempfänglich. Alles prallte an ihm ab und nichts ging in sein Spatzenhirn rein! „Nun wein doch nicht rum, nur weil dein Darling weg ist. Den kannst du nächste Woche doch auch noch treffen.“ Kou verstand die ganze Aufregung einfach nicht und machte es sich sichtlich auf der Couch bequem. Er war doch hier. Daher spielte auch er nun die erste Geige. Taka schnaubte nur. „Es ist total sinnlos mit dir darüber zu diskutieren! Du verstehst es ja doch nicht, dass man mit seinem Freund Zeit verbringen möchte!“ Wie konnte Kouyou nur so resistent gegen alles sein, was man gegen ihn sagte? Wahrscheinlich hatten die Schönheitsdocs das Botox doch tiefer gespritzt als eigentlich notwendig und nun war sein Gehirn in Mitleidenschaft gezogen worden. Anders konnte er es sich nicht erklären. Das Schlimmste an der Sache war, dass er so verdammt sauer war, dass er heulen wollte. Daher drehte er dem anderen demonstrativ den Rücken zu und wischte sich über die Augen. Das musste nicht auch noch sein! „Aber du hast doch selbst gesagt, dass das so ein on-off-Ding zwischen euch ist?“ Taka griff sich an die Stirn. Es war hoffnungslos. „Ist halt jetzt gerade ON!“ Was sollte man darauf denn antworten? „Dann hättest du ihn mir ordentlich vorstellen können. Optisch ist er wirklich eine Sahneschnitte.“ „Können wir das Thema jetzt einfach… ignorieren?“ Am liebsten würde Takanori dem Älteren noch immer an die Gurgel springen, nur war das alles vergeudete Mühe. Missmutig schlurfte er zu seiner Couch, schwang seine kurzen Beine über die Lehne und ließ sich neben den anderen auf die Sitzfläche rutschen. Sofort krallte er sich sein neu erkorenes Lieblingskissen und schloss es in seine Arme. Wie lange dauerte es wohl noch, bis seine Geduld endgültig aufgebraucht war? „Eh…. Und nun?“, erkundigte sich Kou. „Hasse ich dich!“, brummelte Taka in sein Kissen und umklammerte es noch fester. Sehr tröstlich war das nicht, wenn er sich vorstellte seine Arme jetzt auch um seinen Freund schlingen zu können – wenn da nicht Kouyou gewesen wäre. Diese elendige Mistmade! Und wieder ließ er alles einfach geschehen und über sich ergehen. Ob es auch seine eigene Schuld war, dass Kou so mit ihm umspringen konnte? „Das sagst du doch nur so, weil ich dich um ein Stelldichein gebracht habe. Aber hey, ich bin doch da!“, versuchte Kou die Stimmung aufzuheitern. „Mit dir will ich kein Stelldichein!“, brummelte der Designer weiter vor sich hin. Immer musste er sich zurücknehmen, damit sich andere komfortabel fühlten. „Eh…“ Kou blinzelte. „Ja, sorry. Wirste eben doch nicht in mein schwules Leben einbezogen!“, kommentierte er und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. Wenigstens sein Sarkasmus funktionierte noch. So langsam hatte er sich damit abgefunden, dass Kloe auf und davon war. Vielleicht hatte er nun generell gar keinen Bock mehr auf ihn. Zu verdenken wäre es ihm jedenfalls nicht. Kou hatte schließlich alles getan, um ihn wegzuekeln. Klasse. War er eben Single und würde allein alt werden. „Wie viel hast du gesehen?“, fragte der kleine Blonde monoton nach. „Also eigentlich nur… das große Finale.“ Kouyou lächelte leicht und klopfte Takanori aufmunternd auf die Schulter. Der aber zog nur seine Beine an sich heran und versteckte sein Gesicht in dem Kissen, das er noch immer umklammert hielt. „So peinlich!“, nuschelte der Jüngere. Selbstverständlich schoss ihm die Schamesröte ins Gesicht. „Quatsch. Sah gut aus. Würde ich auf sowas stehen, wär ich sicherlich total angetan gewesen. Außerdem hab ich so nun rausgefunden, dass du ein Mitglied der Yakuza bist!“ Entsetzt sah Taka zur Seite und blies seine Wangen auf. Was hörte er da? „Na hör mal! Nur weil ich ein Tattoo hab, bin ich noch lange nicht kriminell oder nehme Drogen oder sonst was! Das hat ästhetische Gründe!“, empörte sich der Jungdesigner sofort. „Ehrlich! DU lebst in Amerika. Müsstest du nicht eigentlich mehr…. Eh…. Wie hieß das?.... open-minded sein?“ Kouyou verstand den scharfen Ton, den sein langjähriger Kumpel gleich wieder anschnitt so gar nicht, lächelte trotzdem charmant zurück. „Na ja. Ja… Eigentlich schon. Aber ab und an kann ich nicht aus meiner Haut. Schon verstanden. Du bist kein Mitglied der Yakuza.“ Abwehrend hob Kou seine Hände. Dem anderen war heute alles zuzutrauen. Auch dass er sich mit ausgefahrenen Krallen auf ihn stürzte. „Freak….“, wisperte der Blonde und schob seine Unterlippe nach vorn. Wäre er ein Mitglied der Mafia, hätte er Kouyou sicherlich mehr entgegen zu bringen. Nun ja, wenn er ihm dann nicht schon längst eine Kugel verpasst hätte. Aber nein, das war zu out of character und passte überhaupt nicht zu ihm. „Aber wenn wir schon mal beim Thema sind. Was stellt das nun dar?“, hakte das Model weiter nach. Schon allein wegen seines Jobs kam so eine Art von Körperschmuck für ihn nicht in Frage. Er musste makellos sein und wandelbar. Taka rollte mit seinen Augen. Sie rutschten von einem Klischee ins Nächste. Ob der Schrank noch groß genug war, in den Kou ihn verfrachten wollte? „Ist ein Fanboytattoo! Nicht mehr, nicht weniger!“ „Fanboy?“ Takanori fand das Thema total ernüchternd. „Hn. Da gibt’s diesen Anime. Manga. Was auch immer. Jedenfalls ist das das Markenzeichen von meinem Lieblingschara. Daher hab ich mir das stechen lassen.“ Für ihn mochte die Erklärung nachvollziehbar sein, aber er wusste auch, dass andere Menschen immer sonst was erwarteten. Tiefgründige Stories und so weiter. Schließlich ließ man sich nicht einfach so mal Tinte unter die Haut stechen. Das war schließlich eine Entscheidung für immer. Und in seiner Welt ergab das alles auch Sinn. Nur Außenstehende fanden das sicherlich wieder kindisch und lächerlich. Seinen Otaku-Stempel hatte er ja eh schon bekommen. Von daher. Und bei Kou hatte er nichts zu verlieren. „Um was geht es denn in dem Manga?“, erkundigte sich der Ältere und drehte sich dem anderen zu. Das wiederum erstaunte Taka. Allen Anschein spielte der Freundebonus eine große Rolle, denn Kou hatte sich NIE für derartige Dinge interessiert. Jedenfalls nicht mehr, seitdem sie die Vorschule verlassen hatten. „Im Großen und Ganzen um Auftragskiller.“ Taka lächelte bei dem merkwürdigen Blick seines Sandkastenfreundes. Dies deutete er als stumme Aufforderung mit weiteren Details herauszurücken. Und das tat er, ob Kou das nun hören wollte oder nicht. War ihm doch egal. Der andere nahm schließlich auch konsequent Null Rücksicht auf ihn und seine Belange. „Musst du nicht mögen. Ich find die Story aber klasse. Da gibt’s eben so eine Organisation, die hat sich auf Auftragsmorde spezialisiert und machen Leute kalt, die es verdient haben. Yoshio tötet meist mit Gift aber ist auch so total klasse. Nicht zu vergessen: Er steht auch auf Männer! In Band 5 hat er eine kurze Affäre mit einem Jungen, dessen Mutter das gegnerische Team ermordet hat und er rächt ihn dann. Doof ist nur, dass er ihn nach einer heißen Nacht fallen ließ! Nett war er dabei echt nicht!“ Sofort erinnerte sich Takanori daran, wie er den Band regelrecht verschlungen hatte. „Bald kommt ein neuer Band raus! Also eine Side-Story nur über ihn. Aber es wird gemunkelt, dass die Autorin ihn sterben lässt. Das nervt mich ja schon ein bisschen an.“ Nun zog er sich selbst runter. „Klingt… spannend.“ Kou legte seinen Arm auf die Lehne der Couch und entwendete schließlich Taka sein Kissen. Der ließ es letztendlich aus seinen Armen gleiten, da er nicht wusste, was der andere vor hatte. Doch der besah sich nur den Aufdruck. „Und das hier ist der Typ?“, wollte er wissen. „Hn…. Der Typ heißt Yoshio.“ Kurzzeitig schwieg das Model, nickte dann aber doch. „Er erinnert mich trotzdem total an Akira!“, tat Kouyou nochmals seine Meinung kund. Sein Blick traf den kleinen Blonden. Der sah ertappt weg. „Hm…. Ich weiß. Liegt aber sicherlich nur an den Haaren.“ „Glaub ich nicht. Auch so von der Ausstrahlung her. Die Aufmachung und so. Akira hat auch meist Tanktops getragen, weil er die am meisten mochte. Und dann natürlich ne Lederjacke drüber. Aber ich kenn mich mit sowas eigentlich gar nicht aus“, räumte der Schwarzhaarige ein. Wenigstens das hatte er begriffen. „Aber wie sieht’s mit ein bisschen Musik aus? Das pusht deine Laune sicherlich wieder!“, schlug Kou vor und stand von der Couch auf, um zu Takanoris fein säuberlich aufgereihten CDs zu gehen. Dem Bewohner der Wohnung war das eigentlich relativ egal. Ablenkung war aber nicht verkehrt. Sollte Kou also machen. So zog dieser wahllos eine der CDs heraus, stutzte aber sofort. „Na, Mensch, dein Musikgeschmack hat sich ganz schön geändert. Mochte die Band Akira nicht total?“, hakte das Model nach und Taka zog wieder nur missmutig sein Kissen in seine Arme. „Nimm ne andere CD. Darauf hab ich gerade keinen Bock!“, wies der Blonde den Vorschlag ab. Da Kou nicht weiter diskutieren wollte, griff er zu einer anderen, musste dann aber erneut stutzen. „Taka, das sind nicht deine CDs“, fiel ihm auf. „Doch, sind sie. Nun stell endlich was an! War dein Vorschlag!“, meckerte Takanori bereits wieder, da ihm das alles zu lange dauerte. Heute war definitiv wieder einer DIESER Tage. „Ach so? Dann heißt du also jetzt Akira?“, wollte Kou wissen und hielt sein Fundstück so, sodass es auch der Dieb sehen konnte. Daher schnappte Taka kurzzeitig nach Luft, verzog aber nur sein Gesicht. Verdammt, überführt. „Also? Wie kommst du an Akiras Herzstück? Ist immerhin von der Band unterschrieben und mit Widmung. Die hat er dir sicherlich nicht geschenkt!“, hakte Kou noch weiter nach. Das schien ihm heute ja Spaß zu machen und so setzte er seine Suche nach Indizien weiter fort und fand noch mehr CDs, die er zu Akiras Besitz zuordnen konnte. „Lass es, Mann!“, fluchte der Designer. „Ja, okay, ich hab die gelangfingert! Aber das war… Das war Notwehr! Genau!“, versuchte sich der Jüngere zu erklären. Schließlich hatte er seine Beweggründe gehabt. „Seine Familie hätte seinen Kram eh nur weggeschmissen und bei mir sind die bei Weitem besser aufgehoben als auf dem Müll!“, versuchte Taka Kouyou von seinem Tatmotiv zu überzeugen, sodass die Anklage fallen gelassen wurde. Aber allein der Gedanke an damals schnürte ihm seine Kehle zu. Und Kou lächelte ihn auch noch an. „So, so. Findet sich alles wieder, hn?“ Das Model entschied sich schließlich für eine der CDs. „Trotzdem, wie hast du das angestellt?“, wollte der Schwarzhaarige wissen. Auf die Erklärung war er gespannt. „Hab auf der Beerdigung ein Gespräch mit angehört, dass sie Akiras Zeug bereits in Kisten gepackt haben und es so schnell wie möglich wegbringen wollten. Das fand ich nicht richtig. Klar, dass seine Familie den Platz dann nicht zum Lagern von Akiras Dingen hergibt, aber trotzdem. Das ging alles viel zu schnell. Sein Tod, die Beerdigung und dann sollten seine Sachen so schnell wie möglich verschwinden?“ Kurz sah Taka zu Kou, der es nun geschafft hatte, die Musik anzustellen. Er schien auf die Fortsetzung von seiner Geschichte zu warten. „Letztendlich bin ich am nächsten Tag zu ihnen gegangen und hab gesagt, dass sich Akira ein paar Sachen von mir geliehen hatte, die ich gern noch zurück haben möchte. War halt ne Kurzschlussreaktion. Begeistert war seine Mutter nicht gerade, aber nachdem ich auf sie eingeredet hab, hat sie mich doch in sein Zimmer gelassen. Ich meine, Tote brauchen ja keine Sachen mehr.“ Ernst sah der Designer neben sich, und bekam mit, wie das breite Grinsen von Kouyous Lippen verschwand, als er merkte, dass er ihn ansah. „Eh ja, Recht hast du!“ Kou sah seinen Sandkastenfreund entschlossen an und nickte ihm zu. „Na ja, das Ende vom Lied war, dass ich Teile seiner CD-Sammlung und noch so ein paar andere Sachen mitgenommen hab. Seiner Familie ging es ja nicht schnell genug, ihn loszuwerden!“ Für ihn war es auch heute noch unerklärlich, wie das alles so schnell gehen konnte. Trotzdem bereute er, dass er nicht mehr hatte mitnehmen können. Immerhin waren das nun seine am besten gehüteten Schätze. Sie bedeuteten ihm genau so viel wie Akira und waren die einzige Verbindung, die er sich zu ihm noch bewahren konnte. So lächerlich das auch klang. „Und wie ich sehe, hast du die Sachen heute noch.“ Kou nickte anerkennend, lächelte dann aber wieder. Wenn das mal kein Liebesbeweis war? Geschmeidig bewegte er sich wieder auf die Couch zu und setzte sich auf seinen Platz neben seinen Sandkastenfreund. „Aber wenn wir schon beim Thema sind“, begann er, um endlich eine Frage zu stellen, die ihm schon lange auf der Seele brannte. „Willst du mir nicht nun endlich mal erklären, was da zwischen euch gelaufen ist? Ich meine, da lief doch was, oder nicht?“, hakte das Model nach und sah eindringlich zu seinem Nebenmann. Der Moment war schließlich günstig. „Wir waren kein Paar, wenn du das meinst!“ Ein wenig ertappt fühlte sich Takanori aber schon. „Man muss kein Paar sein, damit was läuft! Aber ehrlich, ihr beiden standet euch doch schon sehr nahe und das kam ja nicht einfach so…“ „Hm…. Schon. Aber wir hatten nie Sex. Das war alles… sehr kompliziert!“ „Aber du warst schon in Akira verliebt?“, wollte der Schwarzhaarige weiter wissen. Taka senkte seinen Blick, nickte jedoch leicht. „Hn… total!“ Leugnen brachte nun auch nichts mehr. Was spielte das schon für eine Rolle? Akira lebte nicht mehr und egal wie groß seine Sehnsucht nach ihm war, gestillt werden konnte sie nicht. „Bis über beide Ohren, um genau zu sein. Aber das bringt nichts. Damals wie heute.“ Seine Worte wurden nur von einem leisen Seufzen unterbrochen, während sein Herz raste, wenn er sich nur an damals erinnerte. „Hätte ich früher gewusst, dass das alles so endet, dann hätte ich ihn damals schon besprungen und gar nicht wieder weg gelassen! Und ich bin mir sicher, dass Akira auch was für mich empfunden hat!“ Taka nickte ernst. Es war ihm schließlich ernst und ein selbstsicheres Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Er hatte nicht mehr als den Glauben und die Hoffnung daran, dass diese Gefühle von damals nicht einseitig waren. „Geh ich davon aus. Ich weiß, dass er immer nur das Beste für dich wollte.“ Kou runzelte seine Stirn. Dieses Thema war nicht nur für Takanori schwer, auch er hatte seine Mühe mit der Situation klar zu kommen. Und wieder wurde Takas Blick trüb, wenn sie über damals redeten. „Oh Mann“, murmelte er zusammenhangslos. Nach einem Atemzug hatte er sich wieder gefangen. „Aber isses nun besser? Ich meine…. du hast doch nun nen Freund?“ „Ja, klar hab ich nen Freund, aber…“ Takas Brust bebte, als er tief durchatmete ohne dass er dies kontrollieren konnte. Er haderte mit sich selbst und leckte sich über seine Unterlippe, biss sich schließlich auf diese. Er wusste nur zu gut, wie es in ihm aussah. Stets hatte er versucht, derartige Gedanken zu leugnen und diese zu unterdrücken. Aber nun war es egal, denn er konnte nichts an diesen Gefühlen ändern. Trotzdem war es schwer zuzugeben, was ihm schließlich doch über die Lippen kam. „ Egal mit wem ich zusammen bin, irgendwie messe ich doch alle an Akira. Der hat die Latte verdammt hoch gelegt!“, gestand Taka und wuschelte sich durch seine blonden Haare, konnte so sein Gesicht wenigstens etwas vor Kou verstecken. Er wollte ja nicht einmal, aber immer wieder führte es ihn genau zu diesem deprimierenden Punkt. Klar wollte er sich auf eine neue, richtige Beziehung einlassen, aber unterschwellig wurde jeder mit seiner Traumvorstellung konfrontierten. Kein Wunder, dass die Realität immer den Kürzeren zog. „Ist erbärmlich, was?“, fragte er leise nach Bestätigung seiner missmutigen Gedanken. Aber er konnte sich auch nicht helfen. Bisher hatte er noch keinen Weg zum entlieben gefunden. „Ach was, ich finde es irgendwie schön, dass du nach all der Zeit immer noch an Akira hängst. Trotzdem solltest du doch optimistisch nach vorn sehen, dass du noch jemanden finden kannst, der besser als Akira ist. Ich meine, Kloe sieht doch schon mal vielversprechend aus!“, versuchte Kou zumindest, seinen Sandkastenfreund ein wenig aufzumuntern. „Das verstehst du nicht, Kou! Das mit Akira und mir war anders!“ „Anders?“ „Ja! Da gab es diesen einen Moment, an dem alles Sinn ergeben hat. Eben dann, wenn man weiß, diese Person und keine andere…“ Sorgenfalten machten sich auf Takanoris Stirn breit. Hieß es nicht, dass mal so einen Moment nur einmal im Leben erfuhr. „Wann war das?“ „Damals… Die Sommerferien nach eurem Abschluss… Eigentlich fing das schon mit eurer Abschlussfeier an…“, begann Taka ganz aufgeregt seine Erzählung. Nicht nur die Erinnerung lebte auf, auch sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Kapitel 11: ------------ Undone Kapitel 11 „Hey, Sachiko, da bist du ja! Geht’s dir besser?“, wollte Taka wissen und nahm gleich die Tasche von dem Stuhl gegenüber des kleinen runden Tisches, damit sich seine Bekannte zu ihm setzen konnte. Wie zu erwarten war, war das kleine Café zum Freitagnachmittag übervoll, sodass Taka von Glück reden konnte, überhaupt einen Platz ergattert zu haben. „Hi TK. Ich wäre früher da gewesen, aber die Bahn war sehr voll.“ Das Mädchen stellte ihren Becher auf den Tisch und ließ nun auch ihre Tasche auf den Boden gleiten, ehe sie sich setzte. „Nicht schlimm. Ich bin froh, dass du überhaupt Zeit hast. Ich fühl mich im Moment ziemlich auf dem Abstellgleis zwischengelagert.“ Auch wenn der blonde Junge das mit einem Lächeln sagte, war er gerade deswegen verbittert. Single sein war doof, wenn alle anderen jemanden hatten. „Kommst du am Montag denn wieder zur Schule?“, wechselte der Junge gleich das Thema. Sie nickte daraufhin. „Ich denke schon. Wie immer haben sie nichts gefunden und ich habe andere Blutdrucktabletten bekommen.“ „Du siehst immer noch ziemlich blass aus.“ „Mir geht es aber wirklich gut, TK. Sonst hätte ich dem Treffen auch nicht zugestimmt.“ Daher nahm sie die Abdeckung ihres Getränks ab und begann großzügig die Sahne zu löffeln. „Was hab ich in der Schule verpasst?“, erkundigte sie sich. Takanori verstand den Themenwechsel. War ja auch doof sich andauernd nur über Krankheiten auszutauschen. „Im Großen und Ganzen nicht viel. Natürlich hab ich keinen Plan, was in deiner Klasse abgeht, aber kennst du Sakamoto? Der, der Sport unterrichtet?“, fragte er verschwörerisch nach. „Hm… Wenn das der ist, der auch Bio macht, dann ja.“ „Eh…“ Der Blonde stutzte. „Ich glaube schon. Jedenfalls ist der aktuell krank und man munkelt, dass der ein Alkoholproblem hat.“ „Würde mich nicht wundern. Der muss schließlich tagtäglich irgendwelche Bratzen im Unterricht ertragen. Früher oder später rafft das jeden dahin.“ Das Mädchen sah emotionslos zu ihrem Gegenüber. Der jedoch grinste. „Versteh schon. Pragmatisch wie immer.“ „Ich fühle mich mit seinem Schicksal nur nicht sonderlich verbunden.“ Taka nickte und trank ebenso von seinem Eiskaffee. Dann aber fiel ihm etwas ein. „Aber mal was anderes. Dein Bruder?“, warf er ihr einen Gesprächsbrocken hin. „Hm… Mein Bruder?“, fragte sie nach, aber das Glitzern in ihren Augen verriet sie. „Den hast du doch auf mich angesetzt!“, stellte er sie zur Rede. Sie lächelte scheinheilig. „So? Hat er dich denn angesprochen?“ „Ja, hat er. Diese Woche nach der Schule. Irgendwas mit einem Schulprojekt und so nem Kram.“ „Jap, er braucht Hilfe beim Zeichnen. Und da deine Werke bisher immer bei Ausstellungen in der Schule dabei waren, lag es auf der Hand, dass ich ihn an dich verweise.“ Das schwarzhaarige Mädchen lächelte selbstzufrieden. „Mehr nicht?“, fragte Taka nach. „Ich helf ihm nicht. Er ist mein Bruder. Das wäre unlauterer Wettbewerb!“, redete sie sich weiter raus. „Er sagt, du willst nicht, weil in seiner Gruppe ein Mädchen ist, das du nicht leiden kannst!“ Sachiko schnaubte und ihr Blick verfinsterte sich. „Aha, dann hat er also Recht!“, ertappte Takanori seine Begleitung. „Mehr oder weniger…“ „Heißt?“ „Das ist SIE!“ Wieder guckte Takanori fragend, wartete darauf, dass er weitere Informationen bekam. Doch das schürte nur die Enttäuschung des Mädchens. „Mann, stell dich nicht so doof an, TK. SIE!!!“, betonte die Schwarzhaarige noch einmal. Doch dann fiel es Taka wie Schuppen von den Augen. „Ach so…. Sie!“ „Hm… Oder eher sie und ihr Macker!“, brachte es Sachiko nun auf den Punkt. „Ihr Macker?“ „Jap, der is der beste Freund meines Bruders und schon seit 2 Jahren mit ihr zusammen. Kannst dir ja vorstellen, wie beschissen das für mich ist. Ihr würd ich helfen, meinen Bruder unter Umständen auch, aber nicht diesem Ekelpaket.“ Das Mädchen erzitterte, als es sie schüttelte. „Aber weißt ja, wie das ist mit der unerwiderten Liebe!“ Takanori guckte einmal mehr dumm drein. „Häh?“ „Nun tu nicht so! Es ist doch immer das Gleiche. Man merkt, dass man Gefühle für jemanden hat, für den man keine Gefühle haben sollte. Dann fragt man sich, ob mit einem alles richtig läuft und dann wird man eiskalt in der Yaoi-Abteilung einer Buchhandlung erwischt und kommt in Erklärungsnöte!“, fasste das Mädchen den bisherigen Verlauf ihrer kurzen Freundschaft zusammen. Der Gesichtsausdruck des Jungen sprach Bände. „Glaub mir, ich finde es noch heraus, wer!“ „Niemand!“, verweigerte Takanori jedoch weitere Informationen. „Es interessiert mich einfach. Ich schließe einen Jungen als temporären Lebensgefährten nicht grundlegend aus. Was ist also falsch daran sich zu informieren?“ „Hach, TK, du bist ja so süß und so unschuldig!“, geriet das Mädchen ins Schwärmen. „Wenn mich Jungs und ihr Würstchen nicht so anekeln würden, dann würde ich mich ja glatt an dir vergreifen!“ Die Augen des Jungen weiteten sich und er wich etwas zurück. Dieses Mädchen war echt merkwürdig. Und dann zwischendurch immer so direkt heraus. „Keine Panik, TK-Baby. Alles gut. Das mit dir kriegen wir auch noch hin. Wir finden einen ordentlichen Freund für dich, der dir alles zeigt, was notwendig ist.“ Das Mädchen machte eine bedeutungsvolle Pause. „Wie wäre es mit meinem Bruder?“ „ALSO DOCH!“, entkam es Taka und er sank wieder etwas in sich, als er merkte, dass ein paar andere Gäste des Cafés sie aufgrund seiner Lautstärke ansahen. „Also doch…“, flüsterte er nochmals, aber das Mädchen grinste nur breit vor sich hin. Dann nickte sie. „Als ich ihm erzählt habe, dass ich einen Jungen aus meinem Jahrgang in der „ominösen“ Abteilung angetroffen hab, wollte er gleich mehr wissen. Ich weiß zwar nicht, was er explizit treibt, aber ich denke schon, dass er die ein order andere Erfahrung gesammelt hat. Vielleicht bringt es dir ja was, wenn ihr euch ein bisschen darüber unterhaltet.“ Ein wenig fühlte sich Taka schon verkuppelt. „Soll ich ihm jetzt etwa gar nicht helfen, sondern…“ „Doch, schon. Er wird sich bei dir nur erkenntlich zeigen. So profitieren alle davon.“ „Verstehe….“ Taka blies in seinen Strohhalm und die Blubberblasen stiegen in seinem Eiskaffee nach oben. „Nett sieht er ja aus“, räumte er schließlich ein. „Ich sag dazu nichts. Er ist mein Bruder…“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. ~*~ „Taka, da bist du ja endlich!“ Euphorisch kam Akira auf den Schulhof gerannt und blieb vor dem unschlüssig dreinblickenden Jungen stehen. Die laute Musik konnte man sogar hier hören, vor allem das Dröhnen des Basses. Das war es aber nicht, was Taka irritierte. Viel mehr war es die Tatsache, dass Akira nur weite Badeshorts trug und überall an ihm Schaum klebte. Auch seine Haare waren nicht mehr so gestylt wie noch am Nachmittag. „Nun zier dich nicht! Komm mit rein!“ „Aber… das ist doch eure Abschlussfeier!“, versuchte er nochmal gegen zu argumentieren. Doch Akira schnappte ihn an beiden Händen und zog ihn mit sich. Diese Ausrede ließ er nicht gelten. „Egal. Alk ist mehr als genug da und aus den anderen Jahrgängen sind auch einige da. Außerdem kennst du doch Kou und mich!“, redete Akira weiter auf seinen Freund ein und führte Taka zu seinem Schließfach. Dieses öffnete er und nahm ihm einfach seine Umhängetasche ab, stopfte sie mit in das Fach und verschloss es wieder. Den Schlüssel hakte er wieder an seinem Armband ein. „Und ihr habt echt die ganze Schule unter Schaum gesetzt?“, fragte Takanori noch immer zögernd nach. Überall sah man leicht bekleidete Menschen. Wobei ihnen auch Leute in voller Montur entgegen kamen. Aber selbst die waren voller Schaum. Er bereute seine Eingebung, ein weißes Shirt angezogen zu haben. „Nö, nur die Aula und den unteren Bereich. Aber das ist total cool!“, blubberte Akira weiter. Ihm merkte man an, dass er schon mehr als nur eine Flasche intus hatte. So wurde Taka nun ins Innere der Schule geführt und durch die ersten Berge aus Schaum. Gleich fühlte sich seine Kleidung klamm an. Kein Wunder, dass viele einfache Badebekleidungen unter diesen Umständen vorzogen. Sie kamen erst wieder an einer improvisierten Bar zum Stehen. Unmittelbar drückte Akira seiner Begleitung eine Flasche mit einem Mixgetränk in die Hand und stieß ungehalten mit im an. „Drauf, das der Scheiß zu Ende ist!“, sagte der Ältere und kippte einen Großteil des Getränkes hinter. Taka sah noch auf die Flasche in seiner Hand und nippte nur daran. Erstmal testen. Aber schmeckte ganz okay. Süß, aber nicht so penetrant, dass man einen Zuckerschock bekam. Kaum hatte er sich von den Strapazen erholt, da stürzte sich schon die nächste Person auf ihn. „Hey, Taka-chan!“, schrie ihm Kou ins Ohr und drückte ihn ungehindert gegen seine nasse Brust. „Ich freu mich, dass du da bist!“, schrie Kou weiter und versuchte die Musik lauter als notwendig zu übertönen. Auch der hatte schon mächtig einen sitzen. „Los, trink mit uns und dann geht’s tanzen!“, entschied der Größte ihrer kleinen Runde und zappelte neben Taka noch immer im Takt der gedämpft wahrzunehmenden Musik. Da brachten Widerworte wohl nichts mehr, denn sie hatten wenig zu melden. Kou genoss die Abschlussparty offensichtlich. Unsicher darüber, was er von dem gesamten Szenario halten sollte, setzte Takanori die Flasche wieder an. Doch Kouyou schien das wohl zu langsam zu gehen und griff ein. „Schlucken, Taka! Schlucken!“, meinte dieser und drückte die Flasche unnachgiebig weiter nach oben, sodass der Kleinere in die Bedrängnis kam immer weiter zu trinken. Doch irgendwann ging ihm die Luft aus und er drehte seinen Kopf ruckartig zur Seite. Natürlich landete dabei ein Teil des alkoholischen Getränks auf seinem Shirt. „Och, Taka! Nicht so schnell aufgeben!“, grinste Kou vor sich hin, während der kleine Blonde sich räusperte und nach Luft schnappte. Seine Flasche war ihm von seinem Sandkastenfreund entwendet worden, der diese nun leerte. War ja eh nicht mehr viel drin. Aber das schien dem Schluckspecht nicht genug gewesen zu sein. Der schob sich zwischen Taka und Akira und organisierte ihnen noch zwei Flaschen. „Komm, das probieren wir gleich nochmal!“, schlug Kou vor und drückte seinem Kumpel eine der beiden Flaschen in die Hand. „Aber doch nicht so schnell….“, bat der Jüngere und sah hilfesuchend zu Akira. Der zuckte nur mit den Schultern, aber Kou ließ das nicht durchgehen. „Nix da! Du musst ziemlich viel nachholen, Taka-Baby! Heute wird gefeiert, wooooooooooohoooooooooooooo!“, machte Kou gleich wieder Stimmung und legte seinen Arm wieder demonstrativ um Taka. Es folgte ein dicker Knutscher auf die Schläfe, der den Kleineren total panisch dreinblicken ließ. Kouyou war dicht, aber so dicht, dass er ihm schon Knutscher gab? „Nie wieder Schule! Das is so geil!“, führte der Größere weiter aus und grinste glücklich vor sich hin. Seine Laune war bestens, was man nicht zuletzt dem Alkohol zuschreiben konnte. Als Taka nach oben sah, merkte er, dass Kouyou schon wieder nuckelnd an der Flasche hing. „Heute ist Party angesagt, Jungs. Und den Kleinen hier kriegen wir auch noch locker!“, warf Kou frech ein und gab Takanori einen Klaps auf den Hintern, sodass dieser ein Stück nach vorn kippte. Überrascht blickten Takas Kulleraugen nach oben. Aber das schien nicht mal mehr bei seinem Gegenüber anzukommen, der seine eigene Flasche gegen die Lippen des Jüngeren drückte. „Aufmachen, Baby!“, forderte er und rein aus Überraschung kam Taka der Aufforderung nach. Wieder flößte Kou seinem Sandkastenfreund die hochprozentige Mischung ein, doch Takanori hatte alle Mühe das Gesöff ordentlich zu schlucken ohne dabei zu kleckern. Wenigstens bekam er diesmal keine Atemnot. „Braver Junge!“, stichelte Kou und zog den kleinen Blonden in seine Arme. Ungeniert grabschte er ihn an den Hintern und stellte die leere Flasche zur Seite, während der Jüngste mit geröteten Wangen nach oben sah. Er hatte Mühe zu verstehen, was hier abging. Aber offensichtlich setzte Kou alles daran, ihn abzufüllen. Kurz musste er husten, da es echt heftig war so viel auf einmal zu Saufen. Das war anstrengend und auch seine Stütze in Form des Größeren schwand. Ruhig atmend legte er seinen Kopf in den Nacken und leckte sich über die vom Alkohol noch feuchten Lippen. Sein Blick wanderte wie von allein wieder zu Kou. „Und heute bist du auch mal ganz unanständig, kleiner Takanori!“, entschied der Größere schief grinsend und drückte wie aus dem Nichts eine kleine, viereckige Packung mit gezackten Rand auf die leicht geöffneten Lippen des Kleineren. Der blinzelte verwirrt. Doch noch ehe er etwas erwidern konnte, klebte irgendein Mädchen an seinem Kumpel. Zusammen wurden sie regelrecht angerempelt und er stolperte einen Schritt zur Seite, während Kouyou von ihm weggezerrt wurde. Als Takanori darauf hin seinen Kopf senkte, fiel fas Päckchen nach unten in seine Handfläche. Irritiert nahm er dieses näher unter die Lupe und bekam Kulleraugen, als er checkte, dass Kou ihm gerade ein Kondom untergejubelt hatte. Das war eindeutig. Und ihm war nicht klar, ob das eine direkte Anmache war oder ob er etwas in den falschen Hals bekommen hatte. Fakt war, er musste Abstand halten von seinem besoffenen Sandkastenfreund. Besser für alle Beteiligten. Flüchtend ging er einen Schritt auf Akira zu und stellte sich neben ihn. Es war besser, Abstand von Kouyou zu halten, wenn er so drauf war. Da war er zu allem in der Lage, wie er vermutete. Aber der Dritte im Bunde schien eine neue Beschäftigung gefunden zu haben. „Na, du! Was gibt’s?“, fragte Kou die leicht bekleidete Schönheit in seinen Armen. Taka kannte sie definitiv nicht. „Komm wieder mit auf die Tanzfläche! Ist doof dort ohne dich!“, jammerte sie und schnappte sich den groß gewachsenen Jungen. Der wandte sich nur noch kurz an seine Freunde. „Ihr kommt gleich nach, Jungs!“, beschloss Kou und ließ sich wieder zur Aula schleifen. Akira lachte nur. Bisher hatte er sich galant zurückgehalten und ihren Kumpel mal machen lassen. „Gott ey…“ Darüber konnte man nur den Kopf schütteln. „Was is denn mit dem los?“, wollte Takanori wissen. Der kam über den kleinen Überfall nicht hinweg. Das konnte doch nicht nur der Alk sein. Immerhin hatte er ihn begrabbelt und war dem Mädchen direkt an den Hintern gegangen. Da war definitiv jemand auf eine heiße Nummer aus. „Seine Freundin hat heute Morgen mit ihm Schluss gemacht. Abgeschossenen wegen nem Älteren. Das verkraftet er nicht. Daher macht er sich gerade an alles ran, was nicht schnell genug wegläuft. Hab ihm heute schon mit 5 Weibern knutschen sehen!“ Akira klang regelrecht beiläufig. „Oh. Okay. Normalerweise macht er doch immer Schluss.“ „Hm. Und das ist wohl das Problem. Nun lernt er mal, wie es ist, weggeworfen zu werden!“ Taka sah zu seinem Nebenmann und presste seine Lippen zusammen. Irgendwie wünschte er sich fast schon, dass Akira das Gleiche passierte. Aber der war viel zu loyal und ging nicht einfach so Beziehungen ein, wie er in den vergangenen Monaten lernen durfte. Was für einen Grund würde er also seiner Partnerin geben, um Schluss zu machen? Wohl eher keinen. „Wenn du mich fragst, fehlen Kou definitiv ein paar Negativerfahrungen. Früher oder später rächt sich alles. Vielleicht ist das nun die Quittung für das zweigleisig fahren“, schwang Akira große Worte und klang dabei schon regelrecht so, als würde es Kou Recht geschehen. „Huh? Hab ich was verpasst?“, fragte Taka nach und sein Nebenmann wiegelte das mit einem Lächeln ab. „Sicherlich. Kou und ich haben eben auch Geheimnisse vor dir. Genau so, wie wir Geheimnisse vor ihm haben oder du Geheimnisse mit ihm vor mir!“ Akira strich Taka über den Unterarm und ließ seine Finger in Takanoris Handfläche gleiten. Von dort klaute er ihm einfach das Kondom und schob es sich selbst unter den Bund seiner weißen Calvin Klein Shorts, die er ziemlich weit unten auf seinem Beckenknochen sitzend unter seinen Badeshorts trug. „Aber….“, warf der Kleinere ein. Er war von Natur aus doch so neugierig und dann ließ ihn Akira immer mir halbgaren Infos sitzen. Das war doch unfair, jedoch machte seine Begleitung keine Anstalten das Thema weiter auszuführen. Das spitzbübische Grinsen verriet Taka, dass Akira andere Pläne im Sinn hatte. So war es nicht verwunderlich, dass er ihm immer näher kam, bis er ihm einen unverfänglichen Kuss auf die Lippen gab. „Lass uns Spaß haben!“, forderte der Größere seinen Kumpel auf und schon zog er ihn wieder hinter sich her zur Aula. Mit jedem Schritt wurde die Musik lauter, das Licht weniger und immer mehr Schaum türmte sich auf. Überall bewegten sich Leute und die Musik dröhnte mindestens genau so stark in seinen Ohren, wie der Alk durch seine Adern schoss und ihn in einen Rausch abdriften ließ. Sie sollten also Spaß haben und einfach nur ausgelassen feiern. Taka blieb stehen, als der Zug an seinem Arm nachließ und sich der Größere wieder zu ihm umdrehte. Mit verklärtem Blick sah er nach oben, wurde aber nur sanft gegen die Stirn gestupst. „Abschalten, Taka-chan…“, forderte Akira und schon zog er den Kleineren an den Hüften zu sich und begann sich im Takt der Musik zu bewegen. Damit gab er seinem Kumpel Starthilfe, um die Hemmungen fallen zu lassen. Den Rest erledigte der Alkohol in der Flasche, die Taka noch immer bei sich trug und nach und nach leerte. ~~~ Nachdem Akira von einem Klassenkameraden zu einem Klassenfoto entführt worden war, hatte sich auch Taka wieder von der Tanzfläche entfernt. Er brauchte dringend irgendwas zu Trinken und eine Pause sowieso. Mittlerweile war er mehr als nass vom Schaum und eigentlich drehte sich die Welt nur noch. Er war glücklich mit seinen beiden besten Freunden nochmal so richtig feiern zu können, ehe er allein an der Schule zurück blieb. Daran wollte er gar nicht denken. Das war wiederum ein Grund mehr heute ordentlich zu bechern. Wenigstens hatte er noch jemanden in der Parallelklasse, den er mit dem Wort „Freund“ betiteln konnte. Recht ungelenk schnappte er sich eine der Flaschen von der improvisierten Bar und öffnete diese genau so ungeschickt. Aber letztendlich kam es nur darauf an, dass sie offen war und er an die kühle Erfrischung herankam. Wasser wäre ihm dennoch lieber. Trotzdem trank er einen großen Schluck, schwankte schließlich aber durch den Gang weiter nach hinten zu den Jungentoiletten, um sich zu erleichtern. Dort kippte er sich schließlich auch mehrere Hände voll kalten Wassers ins Gesicht, um wieder etwas zu Sinnen zu kommen. Der Alk, den Kou ihm eingeflößt hatte, haute ziemlich rein. Er brauchte ernsthaft eine Auszeit. Daher verließ er den Raum stolpernd und lehnte sich in dem Gang an die Wand, schloss seine Augen, um tief durchzuatmen. Sein Blut kochte und der Bass, der selbst hier im hinteren Teil noch zu hören war, wummerte im Takt mit seinem Puls durch seinen Körper. Ihm war so furchtbar heiß. Sein Zeitgefühl war auch flöten gegangen und auf seine Wahrnehmung konnte er sich kaum mehr hundertprozentig verlassen. Taka schlug seine Augen auf, als er ein Streicheln an seiner Wange spürte. Es dauerte einen Moment, als er den Mann vor sich identifizieren konnte. Doch sofort musste er lachen. „Takeo… Glückwunsch zum Abschluss!“, fiel ihm auch gleich wieder der Grund der Party ein. „Danke. Wusste gar nicht, dass du auch hier bist, Taka.“ Takanoris Lider sanken wieder auf Halbmast, selbst wenn die Hand des anderen weiterhin an seiner Wange ruhte. „Hn, doch, Kou und Akira haben mich eingeladen. Ziemlich coole Idee hattet ihr.“ Es kostete dem Kleineren echt Mühe sich auf das Gespräch zu konzentrieren und nicht zu lallen. Noch dazu war es anstrengend die Augen offen zu halten und dann auch sein Gegenüber anzusehen. Vor allem, wenn der andere halbnackt so nah bei ihm stand. „Find ich auch. Nasse, nackte Körper. Da hat man schon viel zu gucken.“ Takeo strich mit seinem Zeigefinger über das halb durchsichtige weiße Shirt von Takanori, welches wie eine zweite Haut an ihm klebte. In was für einer Lage sich Taka befand, hatte er noch nicht mitbekommen, wurde ihm aber bewusst, als sich der Basketballer noch etwas weiter zu ihm beugte und sein Gewicht mehr auf seinen Arm verlagerte, den er neben dem kleine Blonden an der Wand abgestützt hatte. Eine erotische Stimmung hing schwer in der Luft. Das entging nicht mal dem Jüngeren. Aber es war nichts Neues, dass Takeo Unmengen an Testosteron ausstieß. Taka lachte leise. Immerhin befand sich die nackte Brust des anderen direkt vor seiner Nase. Diese visuellen Reize wieder. Manchmal war klein sein eben auch von Vorteil. Nur wie sollte er da standhaft bleiben, wenn ihm so ein Sahnetörtchen vor die Nase gehalten wurde? „Gucken auf Dauer ist aber ganz schön ätzend“, merkte Takanori an, rief dabei ein Schmunzeln bei dem Basketballer hervor. Heute war es echt ätzend. Schließlich war er nicht vergeben und immer wieder fanden sich Pärchen zusammen, die dann knutschend oder fummelnd irgendwo herumstanden. Kou gehörte auch zu diesen Leuten. Kein Kind von Traurigkeit. Definitiv nicht. Trotzdem musste er feststellen, dass diese Konstellationen ihm während der Schulzeit nie so aufgefallen waren. Aber heute schienen viele noch einmal alles geben zu wollen, ehe sie in einen neuen Lebensabschnitt starteten und man sich womöglich nie wieder begegnete. „Wer sagt, dass ich mich auf Gucken beschränke?“, wollte der Größere wissen und nährte sich dem Ohr des Jüngeren. Kurz vorher aber driftete er ab und leckte ihm über den Hals, was Takanori ein leises Seufzen entlockte. „Ich schulde dir noch was…“, fiel dem Sportler ein und er führte die Hand des Jüngeren zu seiner Jeans. „Interesse?“, hauchte er verführerisch und ließ Taka sein gesamtes Paket in seiner Handfläche spüren. Takanori sah nach oben, grinste dümmlich vor sich hin. Die Wölbung, die er spürte, gefiel ihm, gefiel ihm mindestens genau so sehr wie das Sixpack, über das er nun seine andere Hand gleiten ließ. Die feuchte Haut war verboten heiß. Hatte Kouyou nicht irgendwas davon gesagt, dass… „Wir könnens im Matheraum treiben. Dort ist keiner. Zuerst verwöhn ich dich mit der Zunge und dann schieb ich ihn dir ganz tief rein und besorg es dir richtig…“, sprach Takeo klar und deutlich an seinem Ohr. Wenn sich Taka nicht irrte, dann zuckte der Schwanz unter seiner Hand voller Vorfreude. Nun ließ Takeo seine Hand los, doch der Kleinere machte keine Anstalten, sie dort weg zu nehmen. „Was sagst du?“, wollte der Schwarzhaarige wissen, doch das einzige, was der Jüngere tat war, seine Hand auf den knackigen Hintern des Sportlers zu schieben und ihn an sich zu drücken. Ganz bewusst, wo sie sich befanden, war ihm nicht. Das war ihm aber auch egal, als er die Härte spürte, die sich unnachgiebig an seinem Körper rieb. Das war so gut und er fühlte sich so leicht. „Lass mich dich ficken…“, bat Takeo und nahm die Lippen des Kleineren für sich ein. Takanoris geheime Sehnsüchte wurden angestachelt. Nicht selten in letzter Zeit hatte er von festen Muskeln und harten Schwänzen fantasiert und sich gewünscht dies unter seinen Fingern spüren zu dürfen. Und nun durfte er. Nur zu gern ließ er sich einfach in diesen Kuss verwickeln. Immer wieder stieß er mit seiner Zunge nach vorn in den heißen Mund des anderen und stieg in die Reibung ihrer Körper ein. Ganz von alleine fand seine Hand den Weg in die dunklen Haare des Größeren. Gierig küsste er den Sportler und genoss das gute Gefühl, welches sich zwischen seinen Beinen aufbaute und durch die Reibung nur noch mehr gesteigert wurde. Plötzlich spürte er die festen Hände des anderen an seinem Hintern. Er massierte ihn dort und schob sich weiter nach vorn. Und dann hob er ihn einfach hoch und er konnte nicht anders als seine Beine um die Hüfte des Basketballers zu schlingen. Angetan stöhnte Takanori auf, konnte sein Erstaunen nicht verstecken. Viele Gefühlsregungen gingen in seinem Rauschzustand unter, aber die Härte zwischen seinen Beinen spürte er nur zu deutlich. „Wow…“, kam anerkennend über seine Lippen. „Gefällt dir, hn?“, hakte der Schwarzhaarige nach und gab Taka einen kleinen Vorgeschmack auf das, was er anstrebte. Natürlich entlockte auch dies ihm ein leises Stöhnen. „Hn…“, wisperte Taka ihm entgegen und schon zerrte er Takeo gierig erneut an sich heran, um ihre Lippen wieder miteinander verschmelzen zu lassen. Alle Hemmungen waren verschwunden und er gab sich dem Moment vollkommen hin. Erst verstand er nicht, warum sich der Sportler wieder von ihm löste, doch als er seine Augen wieder öffnete, wurde ihm klar, was hier vor sich ging. „Lass ihn runter!“, fauchte Akira und auch er wurde mit einem bösen Blick bedacht. „Ihr seid hier in einer Schule!“, schob Akira nach und da spürte Taka wieder Boden unter den Füßen, auch wenn er weiche Knie hatte und gerade dankbar war, die Wand hinter sich zu haben. „Hab dich doch nicht so, Shiino-kun. Wir können auch gern gehen“, schlug Takeo vor, doch Akira schnaubte nur. „Gehen ist ein super Vorschlag. Komm, Taka!“, forderte Akira seinen Kumpel auf. Aber der Angesprochene machte gar keine Anstalten. Ganz weit entfernt nahm er wahr, dass Akira hier war, aber ihm schwirrte der Kopf und irgendwie war ihm total komisch. „Taka?“, erkundigte sich Akira gleich nochmal, da eine Reaktion auf seine Aufforderung aus blieb. Aber der kleine Blonde schüttelte nur seinen Kopf und drehte sich zur Seite. Dann aber merkte er, was los war. Sein Körper rebellierte nun doch gegen den Alkohol und so stürmte er soweit es ihm in seinem Zustand möglich war, zurück zu den Jungentoiletten. Er presste sich bereits die Hand vor den Mund, rempelte auch noch jemanden an. Doch es gab Wichtigeres als Höflichkeitsfloskeln. Er wollte sich nur nicht hier auf den Boden übergeben. Ungelenk schmiss er sich auf den Fußboden von einer der Kloschüsseln und schon spuckte er mehrere Schübe seines Mageninhaltes in diese. Tränen brannten in seinen Augen und immer wieder verkrampfte sich sein Magen schmerzhaft, brachte erneute Mengen Alkohol hervor, der dringend aus seinem Körper befördert werden musste. Erschöpft lehnte er sich an die dünne Trennwand der Kabinen und zupfte ein paar der Klopapierblätter von der Rolle. Mit diesen wischte er sich über die Lippen. Da erschien auch Akira neben ihm. „Alles okay, Taka?“, erkundigte dieser sich und hockte sich hin. Aus tränengefüllten Augen sah der kleine Blonde seinen Kumpel an. „Nein… ich fühl mich hundeelend…“, meinte Takanori und presste seine Hand auf seinen Magen. Der sollte sich gefälligst wieder beruhigen. Zwanghaft versuchte er tief durchzuatmen, aber die Luft hier drin stand. „Zu viel getrunken?“, erkundigte sich der Größere besorgt und streichelte dem Leidenden über die Schulter. „Auch… und nichts gegessen bevor ich gegangen bin….“ „Und da wunderst du dich noch?“ Akira atmete tief durch und streichelte Takanori nun über den Kopf. Da es sich sicherlich um eine rhetorische Frage handelte, schwieg Taka einfach nur und schloss seine Augen. Er wollte nur noch schlafen. Dann bekam er sicherlich nichts mehr mit und morgen war alles vergessen. Ganz sicher. „Komm, Taka, nicht hier. Ich bring dich heim“, erklärte Akira und legte den Arm des Kleineren um seine Schulter. Mit einem Ruck zog er ihn auf die Füße. Dann führte er ihn zum Waschbecken, damit sich Taka den Mund ausspülen konnte. Zusätzlich schöpfte er sich noch ein paar Mal Wasser ins Gesicht. Aber wirklich besser fühlte er sich dadurch nicht. Die Welt war so weit weg und seine Gliedmaßen fühlten sich an, als gehörten sie nicht zu ihm. Trotzdem war in dieser in Watte gepackten Welt irgendwas, irgendwer, der bei ihm war. Reumütig sah er zu seinem Nebenmann. „Danke, dass... du immer da bist. Das hab ich gar nicht verdient…“ Weinerlich sah der Kleinere seinen Kumpel an, doch der schüttelte nur seinen Kopf und bot ihm gleich wieder an, sich bei ihm einzuhaken. ~~~ Akira war heilfroh, als sie bei Taka zu Hause angekommen waren und sie ohne viel Aufsehen sein Zimmer erreichten. „Auf Dauer wirste ganz schön schwer“, stellte er fest und ließ den anderen behutsam auf sein Bett sinken. Möglichst ohne große Erschütterungen. Den halben Weg hatte er ihn Huckepack tragen müssen, da sein Kumpel zu nichts mehr in der Lage war und mehr schwankte als geradeaus gehen zu können. Seine Beine hatten ihm nicht mehr gehorcht und er tendierte immer mehr dazu einfach in sich zusammenzusacken. „Nächste Mal feiern wir… in Bettnähe…“, meinte Taka vernünftig und versuchte sich wieder aufzusetzen. Allerdings kullerte er dafür erst einmal um sich selbst, damit er auf der anderen Seite lag. So befand er sich in einer Position, in der er sich in der Lage fühlte, sich aufzurichten. „Was machst du denn?“, fragte der Blonde daraufhin. Ulkig sah das schon aus. „Platz, damit du auch schlafen kannst!“, erklärte Taka und lehnte sich an die Wand, an der er sich ausversehen seinen Hinterkopf stieß. Im Liegen drehte sich alles. Das war unangenehmer als zu sitzen. Und Akira machte keine Anstalten sich neben ihn zu setzen, sondern blieb vor dem Bett stehen und sah zu ihm nach unten. Das war aber nicht das, was er wollte. „Du, Taka, ich kann nicht hier bleiben. Morgen früh geht mein Flieger nach San Francisco. Das weißt du doch“, erklärte Akira und hoffte auf Verständnis. Man wusste ja nie, was im Kopf von Besoffenen so vor sich ging. Taka nickte nach einer Weile, blickte jedoch betrübt drein. „Ja, weiß ich…“, räumte er schließlich aber ein und schien sich daran zu erinnern. Das waren wieder Dinge, die er nicht ändern konnte. Aber er mochte sie nicht. „Du…. bringst mir aber was mit, ja?“, versuchte er sich an einen positiven Gedanken zu klammern. Nun senkte sich doch das Bett neben ihm und Akira legte seinen Arm um ihn. Wahrscheinlich hatte er doch zu weinerlich geklungen. „Versprochen…“, hauchte Akira ihm zu und zog den zierlichen Körper noch etwas mehr zu sich. Er streichelte Taka über die Wange und zog ihn mit leichtem Druck zu sich heran. Dann drückte er ihm seine Lippen auf die Schläfe. Allerdings machte er keine Anstalten sich von ihm zu entfernen, sondern lehnte seine Stirn gegen den Kopf des Kleineren. „Mach einfach keinen Mist, wenn ich weg bin…“, bat Akira seinen Kumpel leise. Er schloss seine Augen und atmete ein paar Mal tief durch. „Ich versuchs…“, murmelte Takanori. Er verstand nicht, was Akira damit meinte. Kapitel 12: ------------ Undone Kapitel 12 Akira trat noch einen Schritt nach vorn und musste mal wieder über das Schild an der Tür schmunzeln. ´Eltern müssen draußen bleiben´ prangte dort in dunkelblauen Buchstaben auf weißem Untergrund. Ob sich Takanoris Eltern aber daran hielten war eine andere Geschichte. Zum Glück gehörte er nicht zu der besagten Kategorie, denen hier der Zutritt verweigert werden sollte. Daher klopfte er kurz gegen das Holz und schon drückte er die Klinke nach unten, konnte noch sehen, wie sein Kumpel zusammenzuckte und irgendwas regelrecht schon neben das Bett warf. „Na, versteckst wieder deine Schmuddelheftchen?“, stichelte der blonde Junge und ließ seine Sporttasche neben sich auf den Boden gleiten. „Akira!“, fiepte Taka und stürzte überhastet aus seinem Bett. Es hatte einen Moment gedauert, bis er realisiert hatte, wer da im Türrahmen stand. Aber nun warf er sich schwungvoll seinem Kumpel an den Hals. Dieser musste nur lachen und erwiderte die euphorische Umarmung. „Wie kommst du hier rein? Warum bist du schon hier? Ich dachte, du kommst erst in ner Woche!“, quasselte der Kleinere einfach drauf los und sah zu Akira auf. Dessen Grinsen wurde nur noch breiter und er strich Takanoris gebleichte Haare zurück, wuschelte ihm sanft durch den Haarschopf. „Nicht so aufgeregt! Lass mich doch erstmal reinkommen und dann sehen wir weiter…“ Der Jüngere nickte und ging wieder etwas auf Abstand, schloss die Tür hinter seinem Überraschungsbesuch. „Also, solltest du nicht noch in Amerika sein?“, fiepte Taka ganz aufgeregt, bereute gerade sein Gammeloutfit bestehend aus einem überübergroßen weißen Shirt sowie kurzen roten Shorts. So, wie man eben im Hochsommer zu Hause herumsaß. Akira hingegen sah in seinen durchlöcherten Jeans in Kombination mit dem schwarzen Tanktop mal wieder zum niederknien aus. Leider viel zu sexy. „Hm, sollte ich, aber ich hatte Sehnsucht! Daher bin ich früher wieder nach Hause gekommen!“ Ein süffisantes Grinsen lag weiterhin auf seinen Lippen und er schmiss sich auf das Bett von Takanori. Die warme Stelle an der der andere bis eben noch gesessen hatte, war unschwer auszumachen. Taka hingegen sah zu der Tasche, die sein Besuch mitgebracht hatte. Diese stand zu unauffällig auffällig da, sodass er sie nicht außer Acht lassen konnte. „Nee, echt jetzt. Ich hatte keinen Bock mehr. Und ich dachte, dass du dich bestimmt auch freust, wenn ich die letzte Ferienwoche noch ein bisschen dein Zeitvertreib bin!“ Erwartungsvoll sah Akira zu seinem Freund, der noch immer unschlüssig bei der Tür stand. Doch das Strahlen des Kleineren sprach Bände. War doch eine super Idee hergekommen zu sein. „Meine Rettung! Die Ferien waren bisher…“ Er stockte kurz. Einiges war passiert, aber Akira war hier! Das war es, was zählte. „So verdammt langweilig!“, brachte er seinen Satz doch noch zu Ende. Das hatte er schließlich sonst auch immer gesagt. Und die letzten beiden Wochen waren echt öde. Kou hatte sich unmittelbar auf seinen Modeljob gestürzt und Akira war wie jedes Jahr seitdem sie sich kannten sofort nach Amerika gedüst, um dort seine Ferien zu verbringen. Allein wegen der doofen Zeitverschiebung war nicht mehr drin als ab und an eine stupide Mail. Das war einfach nicht das Gleiche, wenn man sich sonst eigentlich jeden Tag sah. Da litt er regelrecht schon unter Entzug. „Wusste ich doch, dass ich damit ein Leben retten kann. Ich bin eben ein richtiger Held!“, sagte Akira lachend, nickte Taka dann aber auch schon auffordernd zu. „Mach die Tasche schon auf, bevor du mir vor Neugier noch stirbst!“, ermutigte er Taka. Dessen verschmitzte Blicke zur Tasche waren nicht zu übersehen. Und kaum hatte er die Erlaubnis, stürzte er sich unmittelbar auf die Sporttasche, stutzte aber umgehend. „Bleibst du heute hier?“, fragte er überrascht nach, da die ersten Sachen, die er erblickte, eher auf Akiras Kram schlossen, als auf Mitbringsel aus Amerika. „Jap, bleib ich! Ich kenn dich doch!“ Akira grinste triumphierend. „Wir haben uns bisher immer verquatscht und die Zeit vergessen, wenn ich aus dem Urlaub zurück gekommen bin. Daher hab ich mich gleich bei dir eingeladen. Hab deiner Mama auch schon Bescheid gesagt und sie mit einer Flasche Wein aus Kalifornien bestochen.“ „Oha, ich bin schwer beeindruckt!“, drückte Taka seinen Respekt aus und kniete sich neben die Tasche, um sie weiter zu durchforsten. Irgendwas hier drin war für ihn. Nur was? Es zahlte sich eben doch aus, wenn man schon so lange befreundet war. Geschenke waren klasse! „Was ist nun für mich?“, wollte er wissen. Akira lachte wieder aufgrund des unzufriedenen Untertons in der Stimme seines Freundes und setzte sich bequem im Schneidersitz hin. Irgendwie war es herzallerliebst, wie Taka neben seiner Sporttasche hockte und versuchte sein Mitbringsel zu identifizieren, dabei jedoch erbärmlich versagte. „Die schwarze Umhängetasche samt Inhalt!“ „Echt jetzt?“ Erstaunt sah der Kleinere zu seinem Kumpel. Die Tasche war ihm klar aufgefallen, aber war von ihm nicht in den engeren Kreis der Mitbringsel einbezogen worden. „Klar! Ich hatte 5 Wochen Zeit zu Shoppen. Außerdem musste ich oft an dich denken und da ist diesmal bissel mehr für dich abgefallen!“, gestand der blonde Junge und musste bei Takas immer größer werdenden Augen belustigt lachen. Seine Laune war echt gut. „Du bist der Beste!“, sagte Taka, zog die Umhängetasche aus der Sporttasche neben sich, die sich dadurch sicherlich um die Hälfte leerte. Mit seinem Schatz bewaffnet steuerte er das Bett an und schmiss sich neben Akira auf dieses. „Sagst du nur, weil du was bekommst!“, mutmaßte Akira und rückte etwas zur Seite, sodass Taka Platz hatte, um auszupacken. „Quatsch nicht! Ich freu mich voll, dass du da bist und wir wieder reden können. Kou hat NIE Zeit! Der wird jetzt voll berühmt und hat nen ausgebuchten Terminkalender. Da trägt er bald seine Nase sicherlich sonstwo!“, äußerte Takanori nebenbei seine Bedenken und schlug die Tasche auf, die er vor sich aufs Bett gelegt hatte. Die Neugier war zu groß. „Ich merk schon, dass du doch ne Menge zu berichten hast, hn?“, fragte der Ältere nach und streichelte dem anderen wieder über den Kopf. Das bot sich so an, da Taka nach unten sah. „Siehst gut aus…“, meinte er schließlich zur Frisur des kleinen Blonden. Der sah nun auch von der Tasche hoch und merkte erstmal, dass es um seine Haare ging. Sonderlich neu war es für ihn nicht, die Hand von Akira in seinen Haaren zu spüren. „Uhm… Danke. War für ein Shooting. Und nen kleinen Werbespot für ne Modemarke. Punkklamotten. Da meinten sie, dass meine Haare fransiger geschnitten werden müssten - und zack - hatte ich noch ein paar rote Strähnen“, erklärte der Jüngere, wie er zu diesem Style gekommen war. „Aber das steht dir. Hast du denn auch Abzüge bekommen?“ „Hm. Schon. Aber dazu später! Auspacken!“, wechselte Taka das Thema und öffnete den Reißverschluss, der weitere Mitbringsel zum Vorschein brachte. Schließlich war die Tasche echt proppenvoll. Da wusste er gar nicht, womit er das alles verdient hatte. Akira meinte es wirklich viel zu gut mit ihm. „Hast du nen schlechtes Gewissen?“, hakte der Jüngere skeptisch nach, doch wurde nur weiter angegrinst. „Nope. Meine Weste ist rein!“ Jedenfalls im Bezug auf Taka musste sich Akira nichts vorwerfen. „Hat mich halt alles an dich erinnert und da dachte ich mir, kaufst es einfach!“, erklärte er die Ausmaße seines Shoppingwahns. Er mochte es, den anderen strahlen zu sehen und das ging am einfachsten, wenn man ihm etwas schenkte. „Außerdem müssen wir beide eh mal zusammen dahin. Das wär total geil. Baden, Surfen, Shoppen, Eis essen in der Mall, dann Downtown unsicher machen!“, schwärmte der Urlauber. Sofort bekamen Takanoris Augen wieder dieses besondere Glänzen der Vorfreude. „Wenn ich volljährig bin und es mir meine Eltern nicht mehr verbieten können! Und zu den Souvenirshops an den Strand will ich dann auch!“, bestand der kleine Blonde darauf, was Akira gleich auf etwas anderes brachte. So rückte er etwas an seinen Kumpel heran und griff in eine der kleinen Taschen der Umhängetasche. Von dort zog er ein Armband heraus. „Händchen her!“, forderte Akira und sein Gegenüber folgte ohne zu fragen. „Das ist von einem der Souvenirshops. Die Muscheln sind sogar vom Strand dort“, erklärte er und knotete das Armband an dem zierlichen Handgelenk des Jüngeren fest. Der besah sich dieses sofort und seinem aufmerksamen Auge blieb nicht verborgen, dass Akira das gleiche Armband trug. „Du hast das ja auch!“, lautete seine Feststellung und Akira musste lachen. „Klar. Ich fand das auch schick und ehe du fragst: Das schwarze Shirt, das ich dir mitgebracht habe, hab ich mir auch gekauft. Dann können wir ja….“ „Im Partnerlook gehen!“, warf Taka begeistert ein. Sofort musste der Ältere lachen. Takanoris Euphorie war nicht zu stoppen. „Genau das!“, stimmte er zu. Er fand es super, dass sein Kumpel so leicht zu begeistern war. Der suchte natürlich sofort die schwarze Umhängetasche nach besagtem Shirt und fand das zwischen den anderen Textilien. Gleich hielt er es sich vor den Körper und grinste. „Es ist riesig und total cool! Akira, du bist echt der Beste!“ Auch wenn er sich wiederholte. Das war egal. In Windeseile hatte sich Takanori auf seine Knie geschwungen, das Shirt bei Seite gepackt und seine kurzen Arme wieder um Akiras Hals geschlungen, um ihn zu drücken. Irgendwie musste er sich doch erkenntlich zeigen. „Danke! Echt! Ich freu mich!“, brachte er seine Freude zum Ausdruck und sank wieder zurück, um zu gucken, was sich noch für Überraschungen in der gepackten Tasche befanden. Akira jedenfalls schien zufrieden mit der Reaktion, die er seinem Freund entlockt hatte. Nun war der Jüngere erstmal beschäftigt mit Auspacken. Es folgten Naschereien und undefinierbare Lebensmittel, bis er zu einer durchsichtigen Flasche kam. Die besah er sich und stutzte, als er darin einen Zettel ausmachen konnte. „Und was ist das?“, wollte er wissen und fummelte am Verschluss herum, den er aber nicht auf bekam. „Na, na, na…“ Akira patschte leicht auf Takas Finger, um ihn davon abzuhalten, die Flasche zu öffnen. „Das ist eine Flaschenpost! Gerade total angesagt an der West Coast. Die kann man so kaufen. Man schreibt was auf den Zettel, packt den in die Flasche und schmeißt sie ins Meer. Irgendwann… findet jemand die vielleicht und kann dann lesen, was auf dem Zettel steht! Dauert aber unter Umständen Jahrhunderte“, folgte die Erklärung. „Ehm…. Und warum hab ich die jetzt?“, wollte Taka wissen, hielt das kühle Glas dennoch weiter mit seinen Fingern umschlossen. „Weil ich genau weiß, dass die nie da angekommen wäre, wo sie hin soll. Daher hab ich das selbst in die Hand genommen!“ Akira schaute selbstzufrieden drein und lehnte sich zurück. „Und was steht nun auf dem Zettel?“ „Das ist ein Geheimnis!“, kam unmittelbar die Erwiderung und dem Jüngeren entgleisten die Gesichtszüge. „Du bist doof! Ich will das wissen!“ „Also eben war ich noch „der Beste“. Nun bin ich schon wieder doof!“, meinte Akira amüsiert und sah Taka dabei zu, wie er versuchte die Flasche zu öffnen, daran aber kläglich scheiterte und es schließlich aufgab. „Akira~~~“, jammerte der kleine Blonde und sah schmollend drein. Ernsthaft war das eh nicht gemeint und das wussten beide. Seufzend packte der Kleinere die Flasche zurück in die Tasche und stöberte weiter. „Ich krieg die schon noch auf!“, versprach er in einem verschwörerischen Tonfall. „Lass sie lieber zu…“, bat der Größere und rückte noch ein Stückchen weiter weg, da Takanori immer mehr Platz für sich und seine Geschenke beanspruchte, während er alles was in der Tasche war planlos um sich herum verteilte und sich alles ordentlich ansah. War abzusehen. Derweil fiel Akiras Blick jedoch auf einen Stapel Manga neben dem Bett. Da sein Kumpel weiterhin beschäftigt war, nahm er sich den oberen Band und bemerkte kleine Klebezettel, die an der Seite herausragten. Verwundert klappte er die markierte Seite auf und blinzelte. Was er da sah war schon eindeutig. Kurz sah er zu Taka, dann wieder auf die Zeichnungen. „Da darfst du mich nicht berühren! Warum? Fühlt sich das denn nicht gut an? Wenn sich etwas gut anfühlt, ist es doch sinnvoll genug, oder?“, las Akira vor und Takanoris zuckte erschrocken zusammen. Dann erst merkte er, was Akira in den Händen hielt. Sofort ließ er alles stehen und liegen und schnappte sich den Manga aus den Händen seines Freundes. „Nicht! Das ist privat!“, sagte er hektisch, doch sein Gegenüber grinste ihn nur selbstgefällig an. „Ja, ja, da is man über die Ferien weg und du deckst dich hier mir Schmuddelkram ein. Das passt aber gar nicht zu deinem Image des süßen, unschuldigen Jungen…“ Taka klappte der Mund auf. „Nun mach dich nicht auch noch darüber lustig, okay?“ Taka atmete tief durch. „Ich hab… mich nur... informiert! Reine Neugier. Nichts weiter!“, versuchte er sich zu erklären, wobei das selbst in seinen Ohren erbärmlich klang. Es war ja auch gelogen. „Dann hat sich in den Ferien wohl doch viel getan, hn?“ Der Blonde deutete auf den Stapel Manga neben sich und erkannte, dass in jedem Band Klebezettel angebracht waren. Wer wusste schon, was Taka da recherchiert hatte. Bei genauem Hinsehen merkte er, dass wohl auch andere Bücher sich darunter befanden. „Hn…. Ein bisschen“, nuschelte Taka. Er fühlte sich gerade wirklich ertappt, wusste aber nicht, wie er sein Interesse vor seinem Freund erklären sollte. Schließlich informierte er sich aktiv über schwule Sexpraktiken und dergleichen. Das kam einem Outing gleich. Und er wusste nicht, was Akira dazu sagte oder wie er zu dem Thema stand. Verscherzen wollte er es sich mit dem anderen auch nicht. Klar redeten sie ab und an über Dinge. Dinge, die mit Sex zu tun hatten, aber nie war die Nuance auf gleichgeschlechtliche Liebe gefallen. Ob er das nun nachholen wollte, wusste er nicht. Vor allem, da er sich noch immer an die Abschlussfeier und deren Ausgang erinnern konnte. Akira war davon weniger begeistert gewesen und wenn er eins wusste, dann war es, dass er es sich nicht mit einem seiner besten Freunde verscherzen wollte, nur weil er Neigungen entwickelte, die diesem nicht passten. „Ist interessant, hn?“ Akira legte seinen Kopf schief und musterte Taka. Es war nicht zu übersehen, dass es in dem hübschen Köpfchen gerade arbeitete und er anfing zu grübeln. Daher war es nicht verwunderlich, dass Taka sofort herumdruckste und den Band wieder zurücklegte. „Hn…. Ja… irgendwie schon. Halt… aufregend und… einfach etwas anderes.“ Er wusste ja selbst nicht, warum ihn dieser Sachverhalt auf einmal so interessierte und ihn faszinierte. Klar, dass er sich damit etwas vertrauter machte und sich weiterbildete, auch wirklich wissenschaftlich informierte. In diesen Ferien hatte sich zu viel verändert und er verstand sich und seinen Körper kaum mehr. Trotzdem haderte er mit sich selbst. „Du bist echt immer für eine Überraschung gut, Taka. Ich erinnere mich noch an damals, als ich aus Amerika wiedergekommen bin und du die Ferien damit verbracht hast, um Technomusik zu machen!“ Akira grinste sich einen ab und der andere sank in sich zusammen. Mit allem hätte er jetzt gerechnet, nur nicht mit den ollen Kamellen. Diese Story wieder. Stolz war er darauf nicht, vor allem weil ihn Kou total damit aufgezogen hatte. „Ich hab doch nur mit so nem Programm rumprobiert und…. Da kam dann halt sowas bei raus. Erfolgreich bin ich damit ja nicht geworden!“, räumte er ein und machte sich nun daran, die Sachen erstmal wieder in der Umhängetasche zu verstauen. So hatten sie mehr Platz. Sowieso galt es nun, den anderen auf den aktuellen Stand zu bringen. „Ich fand das cool!“, warf Akira ein, sah dann aber doch wieder zu dem Stapel mit den Büchern, während der andere die Tasche auf dem Boden abstellte. Es gab gerade wichtigere Themen, die unter Umständen geklärt werden mussten. Am letzten Abend vor den Ferien hatten sie keine Gelegenheit dazu und sicherlich hatten sie beide noch irgendwie Gesprächsbedarf. „Aber ehrlich, Taka, wenn du da ein bisschen rumprobieren willst…“, machte der Ältere den ersten Schritt. Akira nickt zu dem Stapel und grinste schief, als Takanoris Kulleraugen zu ihm blickten. „Ich meine, ich bin doch gerade da“, beendete der Älter sein unmoralisches Angebot. Es brauchte einen Moment, bis Takanori die Bedeutung der Worte bewusst wurden und er blinzelte nochmals, aber Akira schien das ernst zu meinen. Kein dummer Scherz, wie ihn Kou reißen würde. „Wirklich?“, nuschelte der kleine Blonde vor sich hin und bekam ein erwiderndes Nicken als Reaktion. Daraufhin musste er schlucken. Hatte er sich nicht eben noch Gedanken über ein bevorstehendes Outing und Ablehnung auf höchstem Niveau gemacht? „Wenn du wirklich so neugierig bist, warum nicht? Ich bin ja nicht mehr vergeben.“ Takanori blinzelte. Hot news. „Wie?“ Er guckte wie der Ochs vorm Scheunentor. „Na, ich hab Anfang der Ferien mit Yumiko Schluss gemacht. Hat halt nicht mehr gepasst“, eröffnete er die Nachrichten seinem Kumpel, dem der Mund ein Stück aufklappte. Als ihm das aber bewusst wurde, schloss er ihn sofort wieder. Unmittelbar waren all die Hasstiraden, die er immer gegen das Mädchen angestimmt hatte, total nichtig. „Ehm… dann…. Glückwunsch zur Freiheit? Oder was sagt man in so nem Fall?“, fragte der Jüngere unsicher nach. Rein äußerlich versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, aber seine gute Laune war spontan noch um ein paar weitere Punkte gestiegen. Er würde nicht mehr vernachlässigt werden! „Idjit!“ Akira musste lachen, zog noch eines der Bücher aus dem Stapel und klappte eine der Seiten auf. Kurz überflog er die Bilder, drehte die Lektüre seinem Kumpel zu. „Wie wär‘s?“, wollte der Ältere wissen und auch der kleine Blonde sah zu den Bildern, dann zu Akira und sah noch, wie dieser mit seinen Augenbrauen wippte. Aufgeschlossen und offen für alles. Das jedenfalls verriet sein Blick. Und noch etwas verbarg sich in diesem Blick: Aufrichtigkeit. Genau das brauchte er nach diesen verkorksten Ferien. Daher krabbelte Taka auf Akira zu und zog ihm das Buch aus den Fingern. Angebot angenommen. „Oder brauchst du ne Anleitung?“, spuckte der Jüngere große Töne. Jetzt lagen die Dinge anders. Er hatte geübt! Er hatte weniger Hemmungen! Und Akira hatte sich ihm als Sparringspartner doch selbst angeboten. Noch dazu im Status als Single. „Natürlich nicht!“, empörte sich der Größere und schon hatte Takanori den Abstand zwischen ihnen überbrückt und drückte seinem Freund seine Lippen auf. Diesen Freifahrtsschein würde er definitiv einlösen. Daher schloss er seine Augen und nahm den Druck seiner Lippen etwas zurück. Zu sehr wollte er Akira nun auch nicht überfordern. Vor allem, da der kaum mehr eine Möglichkeit hatte, zurückzuweichen. Doch allem Anschein nach war das auch nicht nötig, denn sein Kuss wurde erwidert, wurde immer verspielter. So zupften sie neckend an der Unterlippe des jeweils anderen, ehe es wiederum Takanori war, der seine Hand an Akiras Hals nach hinten in seinen Nacken gleiten ließ und zeitgleich seine Zunge in die warme Mundhöhle des Älteren schob. Postwendend schlängelte sich Akiras Zunge um seine eigene. Die Art des Ausprobierens und Testens mochte Taka. Viel besser als die schnöde Theorie. Und darauf war er nun schon vorbereitet. Er wusste, was ihn erwartete. Doch das, was er schon kannte, war bei Weitem nicht genug. Schließlich durfte und wollte er neue Sachen austesten. Diesen Vorschlag nahm er sehr ernst. So schob er sich noch etwas weiter nach vorn, kniete sich vor seinen Freund und schob seine Hand testend zwischen Akiras Beine. Da dieser immer noch im Schneidersitz dasaß, konnte er nicht den gewünschten Druck auf den kleinen Akira ausüben, was seine eigentliche Absicht war. Das war echt unfair. Da wollte er so richtig rangehen und dann hinderte ihn ein Stück spannender Stoff am Grabschen. Um zu sehen, wie er das Hindernis beseitigen konnte, löste er den Kuss und blickte nach unten. Recht schnell fand er aber Akiras Augen. „Heimlich geübt, hn?“, mutmaßte dieser, da es ihm auch aufgefallen war, dass er nicht mehr die Zügel in der Hand hatte. Nicht wie damals, als Taka ein unbeschriebenes Blatt war und sich darüber empörte, dass er ihn in einen Zungenkuss verwickelt hatte. „Längst nicht mehr so unschuldig, wie du glaubst…“, sagte der Jüngere, der wohl der einzige war, der diese Anspielung verstand. Da er nun seine Chance witterte, griff er mit beiden Händen unter die angewinkelten Beine seines Freundes und zog diese ruckartig auseinander. Total unvorbereitet landete Akira auf dem Bett und blinzelte den Kleineren überrascht an. Taka konnte ihn doch nicht einfach wegzerren. Doch, anscheinend konnte er. Denn Takanori nutzte es schamlos aus, dass er nun zwischen seinen gespreizten Beinen lag und beugte sich wieder über ihn. Sogleich fanden sich ihre Lippen zu einem erneuten Kuss wieder und gegen alle Erwartungen entwich dem Älteren ein überraschtes Keuchen. Hatte Taka gerade wirklich sein Becken an seinem gerieben und ihre Körpermitte zueinander gebracht? Nein, er hatte sich nicht geirrt, denn der Druck kehrte zurück und der andere wiederholte die Bewegung weitere Male. „Taka…“, hauchte Akira. „Hm? Zu viel?“, erkundigte sich der Jüngere und ging ein wenig auf Abstand. Wer wusste schon, was es zu bemängeln gab. „Ehm, nein, das nicht, aber… du gehst schon ziemlich ran.“ Was für eine Feststellung. „Hm. Ja. Du hast schließlich gesagt, dass ich darf.“ Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt öffnete Taka einfach die Hose des anderen, der wiederum große Augen bekam. „Was?“, hakte der kleine Blonde unverständlich nach. „Du darfst meinen anfassen und wenn ICH will, dann krieg ich DEN Blick?“, fragte der Jüngere nach. Akira musste lachen. Das klang total vorwurfsvoll. Sowas hatte er nicht erwartet. „Nein, alles okay. Mach weiter!“, gab der Größere seinem Freund die Erlaubnis. Nicht, dass ihm auch nur ein gutes Argument eingefallen wäre, das den experimentierfreudigen Teenager hätte stoppen können. Nun fiel aber auch ihm wieder ein, dass er Hände hatte. Hände, die er dazu benutzen konnte, Takanori zu sich zu ziehen. Genau das tat er, nachdem er sein Becken ein Stück angehoben hatte, um es dem anderen zu ermöglichen, ihm seine Hose samt der Shorts über den Hintern zu ziehen. So war er zwar unten rum entblößt, aber auch das schien Teil von Takas Plan gewesen zu sein. Im ersten Moment war es merkwürdig, dennoch übte es einen gewissen Reiz auf ihn aus. Nicht nur er war von ihren ungeplanten Aktivitäten fasziniert, auch der Jüngere schien dadurch nur noch mehr angestachelt zu werden. Während sich ihre Lippen immer wieder für erneute Küsse fanden, gewöhnten sie sich beide an das angenehme Gefühl, welches ihr Beisammensein mit sich brachte. So dauerte es nicht lange und Takanori schlang seine Finger um Akiras Glied. Zu seiner Überraschung war dieses bereits hart und die weiche Haut fühlte sich wie Samt unter seinen Fingern an. Wieder verschloss Taka die Lippen des Älteren mit seinen, fuhr mit seiner Faust am Schaft auf und ab. Dies wiederholte er ein paar Mal und dann ließ er die leisen Seufzer von Akira zu. Mehr als zufrieden sah Takanori nach unten und beobachtete, wie die empfindliche Spitze von Akiras Härte immer wieder oberhalb seiner Faust erschien, während er mit der Massage weitermachte und damit Akira gute Gefühle bescherte. Dessen Seufzen wandelte sich recht schnell in leises Keuchen und Taka hing regelrecht an seinen halb geöffneten Lippen und diesem entspannten Ausdruck auf seinem Gesicht. Es ermutigte ihn nur noch mehr, einfach weiterzumachen und seinen Instinkten zu folgen. Er blickte wieder nach unten, musste aber schmunzeln, als ihm etwas anderes auffiel. „Wieder viel Sonne getankt, hn?“, stellte er fest, da sich die Bräunungsstreifen nur zu deutlich auf Akiras Haut abzeichneten. Sein Penis hatte eine hübsche rosa Farbe, während sich die Eichel bräunlich davon abhob. Der Bereich um sein Glied war in einem hellen Karamellton gehalten, der etwas weiter oben auf einmal regelrecht bronzefarben wurde. „Hm… schon“, seufzte Akira und zog die Luft scharf ein. Da merkte auch Taka, wie sehr sich Akiras Brustwarzen unter seinem Tanktop abzeichneten. Er war sehr von der Tatsache angetan, wie Akiras gesamter Körper auf seine Berührungen reagierte. Es war nicht nur die spürbare Erregung in seiner Hand, die er hervorgerufen hatte. Akira lag abwartend da und sein Körper signalisierte, dass er mehr wollte. Seine Stimme war ruhig und dunkel und immer wieder kamen diese süßen Laute über seine Lippen. Er stellte sich komplett auf weitere Reize ein und aufhören kam nicht in Frage. Dafür räkelte sich sein Freund zu sehr unter ihm und Taka hatte definitiv Blut geleckt. Ganz berauscht von diesem Anblick beugte sich Takanori nochmals nach vorn, küsste Akiras halb geöffnete Lippen flüchtig. Der kurze Blickaustauch verriet, dass er weitere Pläne geschmiedet hatte. Ohne weiteres Zögern brachte er ein wenig mehr Spielraum zwischen sie beide und beugte sich anschließend nach unten. Ohne großartig weiter über sein Tun nachzudenken ließ er seine Zunge hervorschnellen und berührte mit ihr die Eichel, die immer wieder oberhalb seiner Faust auftauchte. Als er sich an den ungewohnten Geschmack gewöhnt hatte und ebenso die Erkenntnis gewonnen hatte, dass es sich nicht merkwürdig anfühlte oder ekelhaft war, öffnete er seinen Mund und stülpte diesen über Akiras glänzende Eichel. Das war wirklich wie ein großer Lolli. Wie von selbst saugte und lutschte er, bevor er mit seiner Zunge etwas mehr Druck auf den Schwellkörper ausübte. „Oh Gott….“ Akiras dunkles Stöhnen ermutigte ihn nur noch mehr. Takanori war aufgeregt. Er machte nicht nur gerade mit einem anderen Jungen rum, nein, er hatte auch dessen Schwanz im Mund und er war nicht daran gestorben. Viel mehr war er angestachelt diese süßen Laute aus Akira herauszukitzeln. Das funktionierte sogar einfacher als angenommen. „Ah… Taka… Hn…“ Akira hatte Mühe sich zusammenzureißen. Seine Finger krallten sich in das Bettlagen und er versuchte bloß nicht sein Becken gierig nach oben zu drücken. Als er sich kurzzeitig gefangen hatte, streichelte er sanft durch die blonden Haare des anderen. „Das….. das haben die in deinem…. Manga aber nicht gemacht!“, brachte der Ältere einen Einspruch vor. Sofort ließ der Kleinere von ihm ab und blickte verständnislos nach oben. „Hm?... Ich wusste nicht, dass ich mich ans Drehbuch halten muss!“, erwiderte er frech. Er sah seinem Kumpel an, dass er ihm mit seiner Behandlung ziemlich zugesetzt haben musste. Allein schon die rötlich gefärbten Wangen verrieten ihn. Trotzdem schenkte er ihm ein ehrliches Lächeln. „Komm her!“, bat Akira und zog den Kleineren wieder näher zu sich heran. Ohne weiteres Zögern küsste er ihn. Nehmen was das eine, aber er wollte auch etwas zurückgeben. So dirigierte er Taka wieder etwas mehr zu sich und zog die roten Shorts von dem süßen Hintern des Jüngeren. Da er noch immer zu weit weg war, führte er seine Hand an Takanoris Hüfte nach hinten und streichelte über dessen Pobacke, ehe er beherzt zupackte und ihn herrisch zu sich heranzog. Es fühlte sich an wie ein Stromstoß, als sich Ihre Glieder berührten und sich ihre Blicke gleichzeitig trafen. Doch auch das war erwünscht und nicht unangenehm. Zumindest Taka verspürte keine Scham dabei. So rieben sie verspielt Ihre Erregungen aneinander, während sie sich weiter hingebungsvolle Blicke zuwarfen. Wenigstens verschaffte das Akira wieder etwas Zeit, sich zu beruhigen. Aber heiß war es schon zu sehen, wie sie aneinander entlang glitten und sich die Lusttropfen auf dem versteiften Penis des jeweils anderen verteilten. Allerdings reichte Akira diese leichte Berührung auf Dauer nicht. So faszinierend das auch mit anzusehen war. „Näher ran!“, bestand er drauf und zog sich Taka an der Hüfte regelrecht auf seinen Schoß, brachte damit auch ihre Schwanze nun unmittelbar zusammen. Bestimmend schlang er seine Faust um ihre Erregungen und begann mit einer unnachgiebigen Massage. Nur ein paar Sekunden später keuchte Takanori erregt auf, konnte es nicht mehr verbergen, wie sehr ihn sein Kumpel anmachte. Wieder trafen sich ihre Blicke und sie kamen sich, als hätten sie sich abgesprochen, mit ihren Mündern entgegen. Wieder entbrannte ein hemmungsloser Kuss, in dem sie energisch Ihre Zungen aneinander rieben und umspielten. Je energischer ihre Zungen umeinander tanzten, desto ungehaltener wurden auch die Bewegungen Ihrer Lenden gegeneinander. Beide überließen ihrem Körper die Führung. Sie umklammerten Ihre steifen Glieder, übten mehr Druck aus, brachten sich enger zueinander und schließlich pumpte jeder jeweils den Schwanz des anderen. Ihr Kuss brach dennoch nicht ab. Unter Keuchen und Stöhnen waren sie weiterhin bemüht den anderen zu schmecken und für sich einzunehmen. Das gemeinsame Ziel war gesteckt. Doch dann ging es einfach nicht mehr. Alle Muskeln spannten sich an und kurz hintereinander brach das Gefühl der Glückseligkeit über sie herein. Angestrengt atmend lehnte Takanori seine Stirn gegen Akiras Schulter und spürte, wie sich ihr Sperma zwischen ihnen verteilte. Total fertig hing er auf seinem Kumpel, wollte seine Hand aber eigentlich gar nicht von ihm lösen. Doch lange konnte er nicht mehr in dieser Position verweilen. Seine Knie waren weich, er war zittrig und erschöpft. Dafür aber glücklich. Taka atmete noch einmal tief aus, fuhr mit seiner Nasenspitze schließlich Akiras Schulter entlang weiter zu seinem Hals. Er spürte, wie auch der andere ihm schmusend entgegen kam. Daher wunderte es ihn nicht, dass sich ihr Blick sofort traf, kaum dass er seine Augen geöffnet hatte. Takanoris Herz setzte für einen Schlag aus, nur um dann noch heftiger in seiner Brust zu pumpen. Er versank regelrecht in diesen wunderschönen Augen. Wie von selbst fanden sich ihre Lippen wieder und Akira zog den Kleineren zu sich heran, rutschte dann zusammen mit ihm weiter nach unten, sodass sie beide bequem liegen konnten. Die Erschöpfung machte sich breit, aber das spielte keine Rolle. Liebesbedürftig kuschelte sich Takanori an den geliebten Körper und genoss die vielen Glückshormone, die diesen Moment unvergessen machten. Ob das so okay war? Taka sah wieder auf zu dem anderen, erhaschte aber nur das selige Grinsen auf den Lippen des anderen. „War gut, hn?“, erkundigte dieser sich schließlich. „Mehr als das!“, kam unmittelbar die Erwiderung und schon drückte Akira seine Lippen auf die Stirn des Blonden. Der musste leise kichern, da Akira ihn ebenso noch enger an sich zog. „Du weißt aber schon, dass wir eine Abmachung hatten, hn?“, sprach Takanori die Worte unbedacht aus, wünschte sich jedoch nichts sehnlicher, als dass Akira dem widersprach. Doch der hielt ihn nur weiter behütet in seinen Armen und hüllte sich in Schweigen. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Es ist wieder einmal Zeit sich für die lieben Kommis und die Unterstützung zu bedanken. Aktuell ist es echt schwer die weitere Story in eine logische Reihenfolge zu packen und da liegt noch ein steiniger Weg vor mir. Umso dankbarer bin ich für jede Aufmunterung und jedes Feedback was zu dieser Story kommt. Ich hoffe weiterhin, dass ihr das Geschehen um Taka und Co. gespannt verfolgt. ^^ Kapitel 13: ------------ Undone Kapitel 13 „Ja, so war das damals…“ Takanori nickte und biss sich auf die Unterlippe. Er liebte die kostbaren Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit und vor allem diese einzelnen Momente, in denen er Akira nah war. Dieser Augenblick war wohl der Intensivste, den sie miteinander geteilt hatten. Doch nun hinterließ er einen bitteren Nachgeschmack. „Also hast du dich wie ein hungriges Tier auf ihn gestürzt? Er reicht dir den kleinen Finger und du nimmst dir gleich sein bestes Stück!“, versuchte Kou die Stimmung aufzuheitern. Doch der Jüngere hatte nur ein abfälliges Lächeln dafür übrig. Unter anderen Umständen hätte er vielleicht darüber gelacht. „Scheint so“, murmelte er und wieder strich er sich die blonden Haare aus dem Gesicht. „Es hat trotzdem nichts zwischen uns geändert, nur weil ich seinen Kolben im Mund hatte!“ Selbst wenn er es sich gewünscht hätte. Vielleicht wäre es besser gewesen damals einfach Nägel mit Köpfen zu machen, aber das hatte er sich nicht getraut. Hinterher war man immer schlauer. Diese blöden Weisheiten immer. „Danach ging alles weiter wie gehabt. Oder eher: Ich bin in die Schule gegangen und ihr habt sonstwas gemacht. Wir haben uns dann kaum mehr gesehen. Akira kam vorbei, wann immer es in seinen und meinen Zeitplan gepasst hat. Aber meistens haben wir nur geredet, den anderen auf den aktuellen Stand gebracht, uns mal auf einen Kaffee getroffen oder Burger gemampft. Ab und an auch mal einen Film geguckt oder in ner Spielhalle dumme Spiele gezockt. Es war nicht so, dass wir nochmal großartig intim miteinander geworden sind. Klar, ich hab ein paar Knutscher abgestaubt oder er hat mich in den Arm genommen, aber wir haben nie über UNS geredet. Ob es ein „uns“ überhaupt gab oder ob es denn im Raum stand, dass wir eine Beziehung miteinander eingehen.“ Takanori seufzte leise. So viele Fehler, die ihm gerade auffielen. „Wobei ich so im Nachhinein denke, dass Akira selbst auch mit mir darüber reden wollte. Nur er hat sein Maul nicht auf bekommen und ich erst Recht nicht.“ Der Blonde schloss einen kurzen Moment seine Augen und nutzte die Stille, um durchzuatmen. Wieder wurden seine vergangenen Gefühle total durcheinander gewirbelt und aufgewühlt. Das musste sich erst wieder legen. Im Alltag konnte er das immer gut verdrängen oder diese Gedanken wurden von anderen, greifbareren überlagert, nur wenn Kouyou in der Nähe war, dann war der Wurm drin und er hatte mit seiner Selbstbeherrschung zu kämpfen. „Ich glaube, dass wir ein Paar hätten werden können. Akira war stark genug, um vor anderen dafür einzustehen. Er war immer aufrichtig. Vor Akira musste ich mich für nichts schämen und wir waren immer ehrlich zueinander. Es war okay, schwul zu sein und es zu genießen, den Schwanz eines anderen Jungen im Mund zu haben.“ „Na, Moment mal!“, warf das Model nun aber ein, während er bisher mit einer Engelsgeduld den Worten des anderen gelauscht hatte. „Kein normaler Junge bei Verstand sagt zu einem Blow Job nein“, warf Kouyou altklug ein. „Soll ich?“, erwiderte Takanori kaltschnäuzig und drehte sich gleich seinem Sandkastenfreund zu. Der aber zuckte erschrocken zurück. Doch das war die einzig plausible Reaktion, die er seinem Kumpel auf diese Unterstellung hätte entgegen bringen können. „Nein!“, fiepte Kou zusätzlich und machte sich bereit, die Hand des anderen wegzuschieben, falls er es wirklich waren sollte. Der wissende Blick des Kleineren unterstrich die Anspielung, die nun auch dem Älteren bewusst wurde. „Okay, I got it…“ Kou rollte mit den Augen, ließ seine Abwehr wieder fallen. War ja nur zu offensichtlich, dass Taka ihn foppte. „Was ich aber eigentlich sagen wollte ist, dass es mit Akira gepasst hat“, griff Taka das Thema wieder auf, ohne dem Schwarzhaarigen weiter seine engstirnige Denkweise unter die Nase zu reiben. „Seine Küsse waren sündhaft und was meinst du wie viele Fantasien er mir beschert hat. Noch dazu war er rattenscharf, als er gekommen ist.“ Ein regelrecht seliges Lächeln legte sich auf die fein geschwungenen Lippen des Designers, über die er schließlich leckte. Das waren ja wieder Geständnisse. Aber einige Erinnerungen hatten sich in sein Hirn gebrannt und er versuchte diese mit aller Kraft festzuhalten, da die Zeit und das Vergessen unerbittlich waren. Immer mehr dieser Kleinigkeiten schwanden. Er wollte gar nicht wissen, wie viel er bereits eingebüßt hatte. Oftmals waren nur noch emotionale Regungen vorhanden, die ihn an Akira banden. „Nicht zu vergessen, dieser intensive Blick, den er mir damals zugeworfen hat. Da krieg ich regelrecht wieder Gänsehaut, wenn ich daran denke!“ Taka schüttelte es, da der Schauer über seinen Körper huschte. So rieb er sich über die Unterarme, damit das kurze Schauern wieder verschwand. „Das war Bestimmung! Weißt du, man sieht sich an und hat das Gefühl, die Zeit bleibt kurzzeitig stehen. Solche schicksalhaften Momente passieren vielleicht nur eins oder zweimal im Leben“, ließ Takanori seinen langjährigen Freund an seinen intimsten Gedanken teilhaben. Doch so fantastisch diese auch waren, genau so sehr zogen sie ihn runter. „Und nun sitz ich hier, jammere rum und habe Liebeskummer, der sinnlos ist, weil Akira nicht mehr da ist!“ Das so auszusprechen tat weh, tat sogar sehr weh und sofort schossen ihm stechende Tränen in die Augen, die er nur unschwer zurückhalten konnte. Er versuchte ja stark zu sein, aber wenn sich das Herz zusammenkrampfte, konnte man nur unschwer etwas dagegen tun. Da half nicht einmal Vernunft. „Taka… Nicht doch!“, warf Kou ein, aber der Kleinere schüttelte nur seinen Kopf. „Ich find niemals jemanden, der Akira das Wasser reichen kann. Machen wir uns doch nichts vor!“, ließ er seine Gegenwehr gegen sich fallen und schlug seine Hände vors Gesicht, um seine heißen Tränen zu verbergen. Kouyou sah überfordert drein, verzog dennoch keine Mine. Sekunden vergingen und nichts passierte. Schließlich nahm Taka seine Hände vom Gesicht nachdem er tief durchgeatmet hatte. „Weißt du, du bist ein scheiß Freund! Nicht mal jetzt tröstest du mich!“, fauchte er seinen Sandkastenfreund an und stürmte sauer aus dem Zimmer. Irgendwem musste er die Schuld ja zuschieben können. Und Kouyou war gerade griffbereit. Kou hingegen blieb sitzen und wischte sich mit den Händen übers Gesicht. Für den Job des Trösters war er definitiv nicht gemacht. ~*~ Wieder klopfte Kouyou gegen die Badezimmertür. Er konnte es ja nachvollziehen, dass Takanori sauer war, aber sich ewig im Badezimmer verschanzen war echt mies. „Taka, komm schon. Mach wieder auf“, bat er nun schon seit 5 Minuten. Der Kerl war aber auch echt trotzig und stur. Nachtragend sicherlich auch. Und er war es nicht gewohnt zu betteln. Das kostete das Model selbst schon reichlich Überwindung seinen Kumpel hier anzuflehen doch endlich wieder die Tür zu entriegeln. „Ich hab uns Essen bestellt! Das soll doch nicht kalt werden!“, versuchte er es weiter. Mittlerweile waren fast zwei Stunden seit Takanoris Abgang vergangen und er war wirklich mit seinem Latein am Ende. Es war ja nicht mal so, dass er andere Freunde von Taka kannte, die er noch hätte um Rat bitten können. Damals wäre Akira prädestiniert gewesen, solch eine Situation zu einem guten Ende zu bringen. Aber diese Option fiel wohl aus. „Soll ich deinen Freund anrufen?“ Okay, scheiß Vorschlag. Vor allem wenn man bedachte, wie der zuletzt abgedampft war. Noch dazu kannte er dessen Nummer nicht mal und er nahm nicht an, dass der andere bereit war, ihm den Pin seines Smartphones anzuvertrauen. Summa summarum war das also auch ein blöder Vorschlag seinerseits gewesen. Wider Erwarten klackte es hinter ihm und die Tür ging auf. Sofort drehte sich Kouyou um, da er sich versichern wollte, dass er sich das alles nicht nur einbildete. „Nein. Ich will nicht dastehen wie die blöde Schwuchtel, die nichts auf die Reihe kriegt…“, sagte Takanori. Sein noch am Morgen fein säuberlich aufgetragener Kajal hatte sich mittlerweile jedenfalls in Wohlgefallen aufgelöst. Zwar wollte er gar nicht in den Spiegel gucken, aber war nun auch egal, dass er wie eine Crack-Nutte aussah. Was spielte es für eine Rolle? „Geht’s denn wieder?“, fragte das Model dennoch besorgt nach und ließ seinen Sandkastenfreund vorbei gehen. Der zuckte nur mit den Schultern. „Heulen hilft manchmal. Is gerade ne beschissene Zeit. Da bin ich immer weinerlich. Vielleicht hab ich einfach meine Tage. Kennst das doch mit der Hormonachterbahn“, erklärte der Kleinere monoton. Anschließend atmete er tief durch. Geändert hatte das jetzt nichts, aber immerhin gab es Futter. „Also ist es nun wieder gut?“, versicherte sich Kouyou nochmal. Selbst er fand es schwierig mit Taka umzugehen, wenn er diese heftigen Gefühlsregungen an den Tag legte. „Ich wollte echt nicht rumstochern oder Salz streuen…“, beteuerte der Schwarzhaarige weiter. „Ist schon okay. Kannst ja nichts dazu, dass ich überreagiere. Guck mich nicht mit diesem Dackelblick an! Ich weiß, dass ich ne blöde Heulsuse bin, wenn’s um Akira geht. Aber du hast was von Essen gesagt?“ Gewünschte Ablenkung. „Ehm…. Natürlich…. Burger. Stehen im Wohnzimmer.“ Der Größere guckte etwas irritiert drein, als Taka gleich ins Wohnzimmer marschierte. Er schien sich wirklich wieder gefangen zu haben. Das beruhigte ihn zumindest etwas. „Is wirklich alles okay?“, erkundigte er sich trotzdem nochmal. Erst bitterliche Tränen und nun die große Einsicht? „Nö. Is blöd, weil ich immer noch nen ordentlichen Kerl brauch und den einfach nicht finde, weil ich andauernd an die Falschen gerate. Und außerdem werd ich fett, weil DU nicht kochen kannst und jeden Abend irgendwelches fast food anschleppst!“, sagte Taka nun wirklich vorwurfsvoll. Gegen seine Worte packte er bereits einen Burger aus. Nun grinste auch Kouyou wieder und bequemte sich zurück zur Couch. „5 Uhr – Joggen!“, schlug das Model vor. „Fick dich und geh alleine Joggen! Wenigstens auf Kohlenhydrate am Abend könntest du verzichten!“, schmollte der Designer, aber biss nun doch in das fluffig weiche Brötchen. Kou lachte wieder. „Mach ich, wenn ich wieder in Amerika bin. Da gibt’s nur noch Superfood. Smoothies und Rohkost!“ So sah sein Leben am anderen Ende der Welt nun einmal aus. „Aber haste noch mehr Sachen, die dir auf der Seele brennen oder die du mir erzählen willst?“, bot der Ältere einfach mal an, Kummerkasten für alles zu spielen. Wenn er schon mal hier war. „Weiß nicht. Ich kann dir erzählen, wie schrecklich mein erstes Mal war!“, sagte Takanori einfach so lapidar dahin. Das lag wohl daran, dass sie eh über diese Zeit geredet hatten. „Eh. Nicht gerade der beste Gesprächsstoff für einen netten Abend, aber dann los…“, forderte der Schwarzhaarige seinen Kumpel auf und packte die Burgerlieferung aus. Wenn Taka futterte, dann konnte er jetzt auch nachlegen. „Fein! Du hättest nein sagen können! Nun ist es zu spät.“ Taka sah schon wieder freudiger gestimmt drein und lächelte seinen Nebenmann an. Das war zumindest ein gutes Zeichen. Wenn er ihn so ablenken konnte, dann würde er sich auch die Geschichte von Takanoris erstem Mal anhören. „Takeo…“ „Nein!“, warf das Model direkt ein. Natürlich war er ein wenig empört. „Na, doch!“ Der kleine Blonde grinste, nickte aber schließlich und wischte sich mit dem Daumen etwas Ketchup aus dem Mundwinkel. „Ich hatte ja immer noch was gut wegen dem Schulprojekt und da ich ja eh schon mit ihm geknutscht hatte…“ Taka wackelte mit seinem Kopf hin und her, versuchte sich zu erinnern, wie das damals zu Stande gekommen war. „Also…. Gleich zu Beginn der Ferien hatten wir uns nochmal getroffen. Zufällig. In der Stadt. Da hatte er auch immer wieder so komische Andeutungen gemacht. Man könnte es mit flirten betiteln, aber war eher plump. Nebenbei ist gefallen, dass meine Eltern den einen Abend auf ner Feier von Verwandten sind und ich alleine zu Hause bleibe. Joahr… Da kam er halt so ganz spontan vorbei.“ Takanori rollte mit den Augen. Sicherlich war ihm danach klar gewesen, wie eins zum anderen gekommen war. Takeo hatte seine ganz eigenen Ziele verfolgt und ja auch bekommen, was er wollte. „Vorbei?“ Kouyou schmatzte mit dicken Backen, sah zu dem Blonden neben sich. „Nicht nur vorbei. Weißt ja wie das ist. Lieb gemeinte Worte, dann bissel Knutschen und Fummeln und er hatte einfach die besseren Argumente.“ „Nen großen Schwanz?“, warf Kouyou empört ein und Taka musste lachen. So langsam sprach Kou doch seine Sprache. „Eh…. Ja…. Das auch. Aber das wollte ich damit gerade nicht sagen.“ Irgendwie war es regelrecht liebenswert wie fasziniert der Schwarzhaarige ihn ansah und seiner Geschichte lauschte. „Nee, es war eher so, dass er ja Erfahrung hatte und da nahm ich an, dass ich in guten Händen bin.“ Taka rollte mit seinen Augen und verzog seine Lippen. Auch diese Erinnerungen wurde er nicht los. Schade. Die hätte er liebend gern wieder hergegeben. „War nicht gut?“ „Nee… ehrlich nicht. Total mechanisch, als gäbe es einen ablaufplan. Es hat sich eklig angefühlt, wie er über meine Brust geleckt hat und dann hat er seinen Finger einfach so in mich geschoben. Das war total merkwürdig und dann war es nur klebrig und glitschig, weil er so derbe viel Gleitgel genommen hat.“ Takanori klang regelrecht schon angenervt. Es hatte ihn auch genervt. Aber wer war er denn gewesen? Ne dumme Jungfrau, die nicht wusste, wie es sich anfühlen musste. Konnte ja gut möglich sein, dass es genau so richtig war und er es aus anderen Gründen als merkwürdig empfand. „Und dann bereitet der mich nicht mal ordentlich vor und schiebt mir seinen Schwanz ganz tief rein! Ey, das hat so beschissen weh getan und was macht der? Rammelt mich ordentlich durch und glaubt auch noch, dass ich das geil finde.“ Takanoris Stimme wurde lauter und er begann aufgeregt mit seiner freien Hand u gestikulieren. Kouyous Augen wurden immer größer. „Kannst dir das vorstellen? Der wusste, dass ich es noch nie mit einem anderen Kerl gemacht hab, und dann fickt der drauf los!“ Der kleine Blonde schnaubte. „Is nen blödes Gefühl so ne lange Stange im Arsch zu haben! Natürlich konnte ich auch nicht weg und er hat mich an der Hüfte festgehalten und mich immer schneller gegen sich gepresst. Mit jedem Stoß hab ich mir meinen Kopf am oberen Ende vom Bett gestoßen. Ich war schon regelrecht benommen, aber ich konnt ja nicht weg! Der hat mich ja von hinten durchgerammelt! Letztendlich hat der mir in den Arsch gespritzt!“ Taka schnaubte und auf seiner Stirn bildeten sich Zornesfalten. „Voll benutzt hat der mich! Und als er sich wieder rausgezogen hat, hat Scheiße an seinem Schwanz geklebt! Ganz klasse erste Erfahrung.“ Takanori verzog sein Gesicht noch mehr und Kouyou ließ seinen Burger wieder sinken, obwohl er gerade abbeißen wollte. „Ehm…“ Durchdringend starrte er den Designer an. „Ich weiß… zu viele Details! Aber da weißte, wie verstörend das für mich war! Und wenn du noch mehr wissen willst: Ich hab geblutet wie nen Schwein. Kein Plan was der gemacht hat, aber anscheinend sind Äderchen geplatzt und joahr… Hat entsprechend auch noch die Tage danach wehgetan.“ „Wow…. Klingt echt… eh…“ Da fehlten dem Schwarzhaarigen echt die Worte. Nur was sagte man in so einem Moment. „Hm… Hab danach auch für mich entschieden: Nee, du bist nicht schwul! Das kann es nicht sein, was du willst! Und da wusste ich ja noch nicht mal, wie es mit ner Frau ist!“ Taka schüttelte seinen Kopf, schnappte sich dann einen neuen Burger. „Aber die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende!“ „Oh je…“ Was kam denn nun noch? Unsicher blickte das Model drein. „Du wirst es kaum glauben: Er hat dann auch noch gecheckt, dass ich ja von seinem Gerammel nicht gekommen bin. Also hat er versucht mir einen zu blasen. Betonung liegt auf versucht!“ Der Jüngere vollführte eine wegwerfende Geste mit seiner Hand. „Das hat dann auch nicht mehr funktioniert weil das einfach nur sowas von abtörnend war. Der hätte sich auch mit nem Ratgeber neben mich legen können und meinen Schwanz streicheln. Wär nix mehr geworden! Dann wollte der doch tatsächlich nochmal! Alter!!! Ich bin regelrecht aus dem Bett gesprungen und hab ihm deutlich gemacht, dass er besser geht! Gott ey, das war so schrecklich und schlimm. Das wünsch ich echt keinem! Ein Wunder, dass ich mittlerweile überhaupt Spaß daran hab! Boahr ey, sein Sperma war noch dazu so widerlich zähflüssig und ist dann aus mir gesüppt. Echt… Selten sowas Ekliges erlebt!“, beendete Takanori nun seine Wutrede. Schon anhand seines Tonfalls hatte er bemerkt, wie sehr ihn dieses Erlebnis nach wie vor zur Weißglut brachte. Die Abscheu auf Kouyous Gesicht war nur zu leicht zu erkennen und vor allem nachvollziebar. „Ich glaube, ich bin nun noch ein bisschen mehr hetero als ich es eh schon war…“ Angewidert verzog er seinen Mund noch mehr. Seinen Burger legte er nun endgültig zur Seite. „Glaub mir, hab ich danach auch gedacht! Bah! Ich hab nicht verstanden, wie die Leute das geil finden können. War echt nur eklig und klebrig und einfach nur unangenehm. Aber irgendwas musste ja dran sein.“ Taka zuckte mit seinen Schultern. „Beim Fahrradfahren Lernen hab ich auch nicht gleich aufgegeben.“ Taka schmunzelte, aber Kouyou hatte anscheinend echt mieses Kopfkino von dem Ganzen. Da halfen auch Bilder vom Fahrradfahren nicht. „Ich glaube, Joggen morgen früh kann ausfallen. Nach der Story krieg ich keinen Bissen mehr runter!“, räumte das Model ein. Augenblicklich war auch der Sex mit einer Frau nicht mehr reizvoll. Ob er diesen Schock jemals verarbeiten würde? „Super! Mehr für mich! Aber du bist auch empfindlich!“, fiel Taka auf und biss wieder von seinem Burger ab. „Na hör mal! Du hast mir gerade echt widerliche Dinge erzählt! Zwei Schwänze schön und gut, aber diese bildliche Darstellung… Ich glaube, ich hab nicht mal Bock auf ne Frau!“ Kou lehnte sich zurück. Wo war der starke Alkohol, wenn man ihn mal brauchte? „Mit denen isses auch nicht anders. Aber alles in allem ist Sex schon echt ne widerliche Sache. Also… wenn man sich das alles Mal genau betrachtet. War halt doof, dass mir so viele negative Dinge gleich zu Beginn aufgefallen sind! Is glaube ich auch anders, wenn man es mit jemanden macht, den man mag. Da konzentriert man sich auf andere Dinge als auf Körperflüssigkeiten.“ Kouyou stand auf. „Sorry, ich muss duschen! Ich fühl mich gerade eklig! Sieh zu, dass du was Hochprozentiges ranschaffst“, sagte das Model und verließ regelrecht fluchtartig den Raum. „Och, Kou-chan, nun sei doch nicht so ne Mimose! Ist doch alles natürlich!“ Taka rollte mit den Augen. So viel dazu. Sich Splatter-Movies ansehen ohne mit der Wimper zu zucken, doch ging es um Poposex, dann wurde Kouyou zur Weichwurst. Schwachstelle gefunden. Sollte er sehen, wie er darüber hinweg kam. Er würde ihn nicht unterstützen und Alk stellte er auch nicht bereit. Einen Teufel würde er tun… ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Gerade frisch fertig und schon online ^.~ Hoffe die Enttäuschung über den eher unspektakulären Inhalt dieses Kapitels ist nicht so groß. Wie immer vielen Dank für die lieben und motivierenden Kommis~ Ich wünsche allen eine schöne Woche~ Kapitel 14: ------------ Undone Kapitel 14 Nur noch bis morgen! Das waren die Worte, die Takanori durch den Kopf gingen, als er am Freitagnachmittag nach Hause lief. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, aber es war ein anderes Gefühl nach Hause zu kommen, wenn man wusste, dass jemand dort auf einen wartete und einem nicht die Stille der leeren Wohnung begrüßte. Anstrengend waren die vergangenen Tage dennoch gewesen. Kouyou hatte sein strikt geordnetes Leben durcheinander gebracht und wartete jeden Tag mit einer neuen Katastrophe auf ihn. Sei es ein Versuch Abendessen zuzubereiten oder Kou, der ihn arschwackelnd begrüßte, da er der Meinung war eine Karaoke-Session zu machen, um sein Gesangstalent auszutesten. Mit dem anderen wurde es nicht langweilig, auch wenn es Nerven kostete ihn auf Dauer zu ertragen. Morgen früh würde Kouyou wieder nach Hause fliegen. Dann hatte er seinen Alltag wieder und… Takanori blieb erschrocken stehen. Gerade als er durch die Eingangstür des Apartmenthauses, in dem er wohnte, treten wollte, kam ihm ein Mann entgegen, dessen Existenz er die letzten Tage erfolgreich verdrängt hatte. Nun aber überwog die Freude über das unerwartete Wiedersehen, auch wenn sie beinah ineinander gerannt waren. Höflich ging er gleich wieder auf Abstand. „Hi…“, warf er jedoch ein. Sein Gegenüber war wohl ebenso erschrocken über die unerwartete Begegnung und machte gleich Anstalten, um Taka genug Platz zu machen, damit sie ihre Wege fortsetzen konnten. „Eh… Hallo…“, erwiderte er dennoch nuschelnd. Und als würde auch der kleine Hund in die Begrüßung einstimmen, gab er einen leisen, kläglichen Laut von sich, was Takanori zum Lachen brachte. Auch die Öhrchen hatten sich neugierig aufgestellt, was der kleinen Kreatur ein noch niedlicheres Aussehen verlieh. „Dir auch ein hallo, Koron!“, ging der Designer sofort darauf ein und streichelte über das kleine Köpfchen des Hundes auf dem Arm des Größeren. Dann aber blickte er wieder zu seiner Bekanntschaft von neulich. Wie immer war der Großteil von seinem Gesicht verdeckt, aber die dunklen Augen seines Gegenübers zogen ihn magisch an. „Wohnst du denn auch hier?“, erkundigte er sich. Nicht, dass er auch nur im entferntesten im Bilde war, wer hier in dem Häuserkomplex ein und aus ging, aber das wäre dann doch ein schöner Zufall. Damit würde das Objekt seiner Begierde in greifbare Nähe rücken und es würde vor allem erklären, warum er aus dem Gebäude kam. „Eh… Nein. Das nicht.“ Der fragende Blick von Takanori sprach wohl Bände. „Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir wohnt aber hier. Jedenfalls hat man mir das so gesagt“, erklärte sich der Größere. Taka nickte darauf hin. Kannte er auch. Nach der Schule hatte sich vieles verlaufen und selbst die Leute, mit denen er noch einigermaßen gut verstanden hatte, waren wie vom Erdboden verschluckt. Dabei würde er bei einigen schon gern wissen, was aus denen geworden war. Zumindest mal Mäuschen spielen. Man musste ja nicht gleich übertreiben. „Verstehe. Dann wolltest du ihn also besuchen?“, schlussfolgerte der Designer geistesgegenwärtig. „Ja, genau. Spricht nichts dagegen, die alten Kontakte mal wieder aufleben zu lassen. Aber er scheint nicht da zu sein. Vielleicht ist er mit seinen Kollegen noch etwas nach der Arbeit trinken gegangen. Wer weiß“ , folgte eine glaubhafte Erörterung der Situation. „Das kann gut sein. Aber hinterlass ihm doch einfach eine Nachricht im Briefkasten. Die sind da drüben“, versuchte der kleine Blonde einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Akira folgte der Handbewegung des kleinen Blonden und sah zu den besagten Briefkästen. Er nickte, mehr aus Gewohnheit. „Das wäre eine Möglichkeit. Werde ich wohl das nächste Mal machen. Gerade hab ich nichts dabei.“ Das nächste Mal? Und da klingelte es bei Takanori! Da war doch was! Er musste handeln! Dringend! Denn seine flüchtige Bekanntschaft schickte sich bereits wieder an, zu gehen. „Da er nicht da ist, werde ich mich wohl wieder auf den Weg machen…“, ließ der Größere noch eine Floskel fallen. „Ehm… Warte kurz.“ Rein aus Reflex hatte Taka nach dem Arm des anderen gegriffen, aber nur das Leder der Jacke zu fassen bekommen. Dennoch hielt der Größere inne. Fast schon erschrocken über seine eigene Reaktion zog Takanori seine Hand zurück. Sowas machte man ja auch nicht und grabschte einfach nach Fremden. Das hatte er sich mal wieder super zurechtgelegt. „Also, ich weiß ja, dass du viel zu tun hast und so, aber…“, begann er etwas herumzudrucksen. „Meinst du, du hast mal Zeit, um mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?“, stammelte sich der kleine Blonde einen ab. Da hatte er das letzte Mal Reue gezeigt, dass er nicht aktiver geworden war und was war nun? Er hatte die Vorbereitungszeit nicht genutzt, um sich irgendeinen Anmachspruch auszudenken oder sonstwas. So stand er nur hilflos da und blickte in die vor Überraschung geweiteten Augen seines Gegenübers und zählte die Sekunden bis zu seiner Abfuhr. Doch da machte er eine Veränderung in Akiras Ausdruck aus. „Klar, warum nicht? Hast du jetzt Zeit?“, erkundigte sich der Größere und instinktiv sah Taka zu dem Gang hinter sich. Kou – ihr letzter Abend – und der wartete sicherlich auch schon auf ihn. „Uhm, unter normalen Umständen schon, aber ich hab noch bis Morgen einen Gast bei mir zu Hause. Wäre dir Sonntag vielleicht auch Recht? Oder ich frag meinen Besuch einfach, ob er mitkommt?“ Verdammt! Da bekam er schon eine Chance und dann musste es so laufen. Wieso tat sich das Loch im Boden nicht jetzt auf, um Kouyou zu verschlingen? Zumindest für ein paar Stunden. Wenn das jetzt nichts wurde, nur wegen seinem ungebetenen Gast, dann würde er all seine Frustration an ihm auslassen! Ganz bestimmt! „Nein, ist okay.“ Nach einer kurzen Bedenkzeit winkte Akira leger ab. „Sonntag passt. Ich hol dich einfach gegen 3 hier ab?“, versuchte der Dunkelhaarige Taka die Aufregung zu nehmen, da ihm nicht entgangen war, wie sehr sich die Stimme des Designers überschlagen hatte, als er versuchte einen Kompromiss zu finden, auf den sie sich beide einlassen konnten. Das schien geklappt zu haben, denn Takanoris Gesicht hellte sich unmittelbar auf. „Ja, machen wir so!“ Mühselig versuchte der Designer seine Stimme in Zaum zu halten. Auch wenn er eigentlich gerade Bäume hätte ausreißen können. Immerhin hatte sein potenzieller neuer Freund die Einladung auf einen Kaffee nicht ausgeschlagen. Und das, obwohl er total damit gerechnet hätte. Immerhin war er hier doch der freakige Otaku. Selbst das hatte ihn nicht abgeschreckt. Und nun bekam er auch noch die Chance, den anderen ein bisschen besser kennenzulernen, um ihre Kompatibilität zu prüfen. „Du suchst das Café aus. Ich kenn mich hier in der Gegend nicht sonderlich gut aus“, legte Akira fest und der Kleinere nickte eifrig. „Wird gemacht. Ich freu mich. Wir sehen uns dann… Sonntag…“ Grinsend biss sich Taka auf die Unterlippe kaum dass er ausgesprochen hatte. Seine Freude konnte er noch nie gut verstecken und gerade hatte er echt allen Grund dümmlich vor sich hin zu grinsen. Nur wollte er das dem Objekt seiner Begierde nicht so deutlich zeigen. Das war nämlich durchaus uncool und kam dümmlich rüber, wie er selbst lernen musste. „Dann sehen wir uns Sonntag, Matsumoto-san“, fasste es der Größere nochmals zusammen und Taka japste auf. „Takanori reicht. Oder Taka…“, bot er ihm unmittelbar das ‚du‘ an. Anders fühlte es sich einfach falsch an, so förmlich, so distanziert. Und gerade das wollte er bei dem Kontakt mit dem anderen vermeiden. „Gut, dann Taka…. Wir sehen uns.“ Akira hob seine freie Hand, vollführte damit eine verabschiedende Geste und trat seinen weiteren Weg an. Takanori wusste nicht, ob er sich gerade geirrt hatte, aber hatte Akira ihm zugezwinkert? Ganz sicher. Und nun stand er hier wie ein verliebtes Schulmädchen und hätte Luftsprünge vollführen können. „Ahw….. Er ist so cool….“, fiepte der kleine Blonde grinsend, als der andere außer Sichtweite war. Wo diese Hormonachterbahn auf einmal herkam, wusste er auch nicht. Aber er hatte ein Date!!! Beflügelt mit der Aussicht auf einen aufregenden Sonntag, der vielleicht der Beginn einer heißen Liebesbeziehung werden könnte, schwebte er regelrecht zu seinem Briefkasten, um diesen zu durchforsten. Doch neben Propagandamaterial fand sich lediglich eine unliebsame Rechnung. ~*~ Missmutig zog Kou seine Beine enger an seinen Körper. Takanori war noch immer nicht nach Hause gekommen. Was dauerte da heute so lange? Gestern war er um diese Uhrzeit schon längst da gewesen. Ob was passiert war? Oder er war entführt worden? Na, wahrscheinlich nur die Bahn verpasst und er saß hier und schlug Zeit tot. Schmollend blickte er wieder auf das Tablet vor sich, welches er gegen eine halb gefüllte Wasserflasche gelehnt hatte. Mit wenig Interesse begutachtete er den Typen auf dem Display, der sich mit einer leichten Zeitverzögerung bewegte. Die Verbindung war hier auch nicht das Wahre. Aber man nahm, was man kriegen konnte, vor allem in seiner gegenwärtigen Situation. „Nur hör schon auf dir andauernd Chips reinzustopfen!“, ermahnte das Model seinen Gesprächspartner. >Zwingt dich doch keiner mir beim Arbeiten zuzusehen, Pretty!< Kou rollte mit den Augen und besah sich nun den Schwarzhaarigen, wie er nach den Chips auch noch Cola in sich rein kippte. Wieder hörte er zuerst das Rascheln der Chipstüte, dann das Zischen der Flasche. Nun bekam er auch die dazugehörigen Bilder geliefert. „Ja, ja, die Diät-Cola bringt nun auch nichts! Außerdem sind die Chips total widerlich!“ Das Model seufzte kellertief. Eine Erwiderung erhielt er aber nicht. Lag wohl daran, dass er sich immer wieder mit seinem Gesprächspartner über dessen Vorlieben in Form von Essigchips und Coke in die Haare bekam. Belehrbar war er aber nicht. So war auch dieser Versuch ihn davon abzubringen vergeudete Liebesmüh. >Ich kann auch arbeiten ohne dass du mir dabei zusiehst, dann ist dir aber noch langweiliger!< Wieder rollte Kou mit seinen Augen. Er mochte es nicht, wenn der Typ Recht hatte. Eigentlich war das gerade auch nur eine Symbiose. Kou war nicht allein und konnte sich mit jemandem mehr oder weniger sinnvoll unterhalten und der andere konnte es genießen ihn anzusehen. Warum auch immer der das so geil fand. „Und Akira ist wirklich noch nicht wieder zurück?“ >Nein. Businesstrip. Er hat sich bei mir auch nicht abgemeldet, wenn du erhoffst, weitere Infos aus mir herauszubekommen.< „Hm.. Nur was dauert da bitteschön so lange?“, beschwerte sich Kouyou weiter. >Keine Ahnung. Ich kenn seinen Businessplan auch nicht. Wird schon alles seinen Grund haben.< „Aber warum ausgerechnet Kuba? Ist der Markt dort so günstig oder was?“, setzte sich die Reihe der Beschwerden fort. >Das musst du Akira selbst fragen. Wer weiß schon, was in seinem Kopf so vor sich geht.< Eine große Hilfe war der Typ auf dem Display auch nicht. Aber er sah es ja ein, dass er bei diesem Thema gar nicht erst weiter nachbohren brauchte. Er war eh nicht gewillt ihm irgendwas mitzuteilen. „Wann gehst du schlafen?“ Nun gingen sie also zu den belanglosen Fragen über. War ja nicht so, dass sie sich nicht schon über das Wetter oder beknackte Werbesports unterhalten hatten. >Schätzelein, es ist gerade mal kurz nach 1. Du weißt genau, dass ich eher nachts arbeite. Vor 4 werd ich nicht ins Bett kommen.< „Was ein scheiß Leben…“ Kou wuschelte sich durch die Haare. >Du jettest doch auch andauernd durch die Welt und machst die Nacht zum Tag.< „Hn, ich weiß. Aber das ist was anderes. Das ist sinnvoll.“ >Meine Arbeit ist nicht weniger sinnvoll, mit Verlaub, Eure Hoheit!< Natürlich musste das Bild direkt bei dem vorwurfsvollen Blick stocken, sodass das Model mehr davon hatte. Er rollte aber nur mit den Augen. Sinn und Unsinn standen hier gerade nicht zur Debatte. „Mein Flieger geht morgen gegen 3. Komm glaube 9 Uhr noch was an. Aber ich fahr vom Flughafen aus direkt zur Agentur. Mal auschecken, was dann so ansteht“, weihte Kouyou seinen Bekannten in seine Pläne ein. >Hab schon gehört, dass Sam total durch die Decke gegangen ist, weil du dir Spontanurlaub genommen hast.< Kouyous Gesprächspartner schien das alles sehr zu amüsieren. „Na, warum wohl? Sind ihr tausende von Dollars entgangen nur weil ich die Termine nicht wahrgenommen hab.“ Kou zuckte mit den Schultern. Sollte ja nicht sein Problem sein. >Nicht, dass sie dich noch rausschmeißt?< „Selbst wenn. Dann such ich mir ne neue Agentin. Hab gestern eh meiner alten Agentur einen Besuch abgestattet und ein bisschen geplauscht.“ >Willst du etwa Hollywood an den Nagel hängen und wieder zurück?< Ein wenig panisch hörte sich die Stimme, die aus seinem Tablet kam, schon an. „Das hatte ich eigentlich nicht vor. Aber kann ja nicht schaden, wenn man ab und an ein paar Kontakte pflegt. Die Alte soll sich mal wieder einkriegen. Ist ja nicht an der Tagesordnung, dass ich aus der Reihe tanze. Das hier war wichtiger.“ „Was war wichtiger? Mit wem redest du?“, erkundigte sich Takanori, der seinen Besuch lümmelnd auf seiner Couch vorfand. Sofort erhellte sich Kouyous Gesicht, als er seinen Sandkastenfreund erblickte. „Da bist du ja!“, stellte er fest und deutete nebenbei auf das Tablet, welches auf dem Tisch stand. Neugierig blickte ihn ein schwarzhaargier Typ mit dunkler Hornbrille an. Augenscheinlich auch Asiate. >Das ist also der berüchtigte Matsumoto Takanori?< Taka stutzte. Wieso war er denn auf einmal berüchtigt? „Also ich wüsste nicht, dass ich berüchtigt bin, aber ja, bin ich!“ Der kleine Blonde hockte sich zu Kouyou auf die Couch, sah ihn aber fragend an, da er den anderen nicht kannte. Noch nie im Leben gesehen. Und nun wollte er zumindest vorgestellt werden. „Das ist Yuu. Ein Freund von mir aus Amerika.“ >Uhw! Hat er gerade echt „Freund“ gesagt? Ich habe also den Freundesstatus erlangt!< Kouyou verzog sein Gesicht bei den freudig gesprochenen Worten. „Vergiss, was ich gesagt habe! Ein Bekannter. Ein entfernter Bekannter. Freundesfreund, wenn man es so will“, korrigierte sich das Model unmittelbar. Kouyou rollte mit den Augen und bedachte den Typ hinter dem Glas mit einem entnervten Blick. Der aber grinste freudig vor sich hin. >Glaub dem kein Wort. Wir sind befreundet. Und nenn mich einfach „Aoi“.< „Aoi?“, fragte Takanori neugierig nach. Von diesem Kerl hatte er auch noch nie etwas gehört. Also nicht, dass Kou ihm je von ihm erzählt hatte oder von anderen Freunden, die er in Amerika hatte. Aber gut zu wissen, dass es sowas gab. Und interessant auch herauszufinden, wie die beiden nun zueinander standen. So ganz einig waren sie sich ja nicht. Das Model winkte ab. „Nenn ihn einfach Yuu. Kein Grund seine Wünsche zu erfüllen oder zu respektieren. Der spinnt“, tat es der Großgewachsene ab und hatte mit Takanoris Erscheinen auch spontan die Lust verloren, sich weiter mit seinem Bekannten aus Amerika zu unterhalten. >Aber wo wir gerade dabei sind. Hast du die Sachen von Aoi gekauft? Hast du?< „Ja, Mann! Ich war in deinem dämlichen Idol-Shop und hab dir deinen Kram gekauft. Bring ich dir vorbei, wenn ich wieder da bin.“ Es war schwierig für das Model das erneute Augenrollen zu unterdrücken. Aber er hatte nun sowieso andere Pläne. Daher beugte er sich nach vorn und grabschte sich das Tablet. >Hey, ich hatte noch gar keine Gelegenheit mich mit Taka zu unterhalten!< Das Veto wurde aber umgehend abgewiesen. „Du sollst dich auch gar nicht mit Taka unterhalten und für dich immer noch Matsumoto-san. Ihr kennt euch schließlich nicht!“, maßregelte Kouyou den Mann hinter der Glasscheibe. >Kou, nun sei doch nicht gleich wieder so garstig!< „Ich bin nicht garstig. Aber Taka und ich haben andere Pläne für heute Abend. Wir sehen uns. Bye!“ Total kurz angebunden beendete der Schwarzhaarige das Gespräch und der Homebildschirm der App erschien mit der er den anderen eben per Videoübertragung angerufen hatte. So, das war erledigt. Wieder zurück zu den spaßigen Unternehmungen, die er geplant hatte. „Also… Wir hätten ruhig noch ein bisschen reden können“, warf Taka ein. Da hatte jemand aber kurzen Prozess gemacht. Trotzdem tat das Takanoris Laune keinen Abbruch und er grinste noch immer vor sich hin. Die gute Laune konnte ihm heute wohl auch keiner mehr verderben. „Nee, ist schon gut. Ich hab nun fast 2 Stunden mit ihm geredet, während ich auf dich gewartet habe. Das reicht echt. Er ist nur in Maßen erträglich, nicht in Massen. Außerdem hab ich gedacht, dass wir zwei Hübschen heute Abend noch zusammen essen gehen und dann meinen VIP-Vorteil nutzen, um in einen angesagten Club zu kommen. Deal?“ „Du willst feiern gehen? Aber du fliegst doch morgen wieder.“ „Genau deswegen! Da können wir nochmal einen draufmachen und mein Flug geht erst am frühen Nachmittag. Heißt wir können heute bis in die Puppen feiern und morgen dann doch noch ausschlafen. Dann gehen wir Brunchen und ich setz mich ins nächste Taxi zum Flughafen!“ Kouyou grinste seinen Sandkastenfreund verschwörerisch an. Genug Zeit um das alles bis ins kleinste Detail zu planen, hatte das Model schließlich gehabt. Außerdem entsprach der Plan ganz seinen Vorstellungen und knüpfte bereits wieder an seinen Lifestyle in Amerika an. Viel Mitspracherecht hatte Taka daher gar nicht, was wohl auch nicht nötig war, denn der nickte zustimmend. „Okay, Deal…“ ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Diesmal hat es ein Wenig länger gedauert und leider ist es auch kürzer als erwartet. Aber ich hoffe, dieses Kapitel eröffnet nun ganz neue Einblicke und stößt auf regen Andrang ^.~ Wie immer danke für die aufmunternden Worte der treuen Leserschaft. Ich freu mich über die Feedbacks~ Kapitel 15: ------------ Undone Kapitel 15 Ein Gutes hatte es wirklich, mit Kouyou befreundet zu sein: Bei ihm saß das Geld locker. Im Laufe der Zeit ergab sich daraus die ein oder andere Einladung. Takanori kam daher am heutigen Abend in den Genuss von freiem Eintritt. Und das in einem der angesagtesten Clubs der Stadt. Nicht, dass er erpicht darauf gewesen war, diesen zu besuchen, aber man nahm mit, was man kriegen konnte und Kouyou wollte an seinem letzten Tag nochmal so richtig die Puppen tanzen lassen. Ein Kind von Traurigkeit war dieser schließlich noch nie gewesen. Das wusste auch der Designer nur zu gut und ahnte, was ihn erwarten würde. Demzufolge verwunderte es Takanori nicht, dass sie ihr Weg direkt ins Nachtleben Tokios führte. Clubs und Bars reihten sich in dem Vergnügungsviertel aneinander, aber Kouyous Auswahl war nicht nach Belieben getroffen worden. Die laute Technomusik schlug ihnen bereits entgegen, als sie den Treppen zum Untergeschoss folgten. Noch bevor sie den eigentlichen Club betreten hatten, gaben sie ihre Jacken an der Garderobe ab und ein paar feierwütige Teenager, teils leicht bekleidet, kamen ihnen entgegen. Immer wenn sich die Tür zum Hauptsaal öffnete, wurde die Musik ohrenbetäubend laut. Aber das gehörte wohl dazu, genau so wie die beiden bedrohlich aussehenden Typen, die wohl als Aufpasser fungierten. Die waren sicherlich von der Mafia. Garantiert. Aber an denen störte sich Kouyou nicht. Er hatte noch nie ein Gespür für Details gehabt. Jedenfalls nicht, was seine Umwelt anbelangte. Das war wieder so typisch. Wobei Taka es seiner Begleitung nicht einmal verdenken konnte. Schließlich war er auf der Jagd und eifrig am Auschecken des heutigen Angebotes. Das Motto des Abends war mühelos zu erkennen: „Heaven and Hell“. Dieser Slogan prangerte zumindest auf einigen Plakaten, die an den Wänden im Treppenhaus hingen. Passend dazu waren natürlich zwei halbnackte Weiber im Engelchen- und Teufelchen-Kostüm abgebildet, die noch mehr Besucher anlocken sollten. Ob diese Art von Marketing wirkte? Sex sells und dergleichen? Oder ob doch eher der billige Alkohol lockte, kombiniert mit Sonderaktionen und Bonuskarten? Viel Zeit sich darüber weitere Gedanken zu machen, hatte Takanori nicht, denn Kou schob ihn zielgerichtet zu der Tür, hinter der ihr Himmel oder eben Hölle lag. Die Musik dröhnte in seinen Ohren und es dauerte einen Moment, ehe er mit dem flackernden Licht und den ganzen Menschen klar kam. Wieder ein Nachteil, wenn man klein war. Kouyou schien damit weniger Probleme zu haben sich hier zurechtfinden zu können und legte einen Arm um ihn. Sehr wohl hatte er bereits die Bar ausgemacht und führte sie nun durch den stickigen Saal zu selbiger. Vielleicht war es auch einfach sein Schema oder ein Ritual, dem er folgte, wann immer er sich in einem Club vergnügte. Zuerst zur Bar und von dort aus den Streifzug planen. Es würde Kou nur zu ähnlich sehen. Takanori war aber seinem Sandkastenfreund in diesem Moment unendlich dankbar, dass dieser die Führung übernahm, denn er konnte sich hier nur schwer orientieren. Gefühlt war der gesamte Raum voller tanzwütiger Menschen, die sich wild zappelnd zu den Beats der Musik abstrampelten. Eine gemeinsame Basis oder ein Muster war für ihn zumindest nicht erkennbar. Nicht gerade das, was er bevorzugte, obwohl dieses Schauspiel zugegebenermaßen seinen ganz eigenen Reiz hatte und teils interessant mit anzusehen war. Neben der Hitze, die ihm entgegen schlug, müffelte es hier ebenfalls recht eigen. Klar, einerseits die Ausdünstungen der Besucher, aber auch der Nebel, den der Veranstalter in die heiligen Hallen pumpte, war nicht ganz ohne. Angenehm war definitiv anders. Dennoch beschlich ihn das unvermeidliche Gefühl, dass er hier schon einmal gewesen war. Nur seine Erinnerung daran war getrübt. Wie sollte man auch hier klar denken können? Er fühlte sich wie im Nebel des Grauens, der ununterbrochen durch Lichtblitze durchdrungen wurde. Da wurde man doch ganz wirr im Kopf. Oder ging das nur ihm so? „Und? Gefällt‘s dir?“, wollte Kouyou wissen und schrie ihm die Worte regelrecht entgegen. „Stickig und warm!“, antwortete er in der gleichen Lautstärke und schwang sich auf einen der wenigen freien Barhocker. Von dort konnte man sich am besten über den Tresen beugten, auf dem die Karte unter einer dicken Plastikschicht zu lesen war. Und das Wichtigste war: er war aus der Schusslinie. Diese unheimliche Menschenmasse drohte ihn nämlich zu verschlingen und dafür war er noch nicht bereit. Erst musste sich Takanori etwas mehr mit der vorherrschenden Situation vertraut machen, ehe er sich weiter voran wagen oder das Ganze gar genießen konnte. Er war noch nie der Clubgänger gewesen und zog ruhige, überschaubare Orte dem hier vor. Kurz gesagt: Er hatte einen Stock im Arsch und tat sich schwer, sich gehen zu lassen. Aber was tat man nicht alles, um seinem Kumpel einen Gefallen zu tun… „Gehört dazu! Später können wir in eine Lounge gehen und uns etwas entspannen!“, schmiedete das Model schon weitere Pläne. Taka kam nicht zum antworten, denn da hatte der Barkeeper bereits die Aufmerksamkeit seines Freundes für dich beansprucht. „Cranberry-Soda mit einem ordentlichen Schuss Wodka!“, bestellte Kou, der sich unmittelbar an Taka wandte, um zu erfahren, was er wollte. „Melon-Soda dann bitte!“, orderte der kleine Blonde das Erste, das ihm ins Auge gefallen war. Letztendlich auch egal was er trank. Das Augenmerk hier lag wohl eh auf anderen Dingen als auf Qualität. Hauptsache es knallte. „Mit Alkohol?“, erkundigte sich der Barkeeper, doch Kou antwortete für ihn: „Hau ordentlich was rein! Wir sind hier, um Spaß zu haben!“ Natürlich schenkte der Großgewachsene dem Barkeeper ein freudiges Lächeln und schob ihm schließlich auch zwei Scheine über den Tresen. „Stimmt so!“, fügte er noch an. Über dieses Verhalten konnte Takanori nur den Kopf schütteln. Trinkgeld? Hatte er die Gepflogenheiten des Landes bereits so sehr zurückgestellt? Wobei, diese Geste konnte man regelrecht schon als Bestechung werten. „Du bist unglaublich!“ „Ich weiß!“ Kou schmunzelte und stützte seinen Ellenbogen auf dem Tresen ab. Dieser hatte wenigstens die passende Höhe für seine Größe, auch wenn er aktuell zu Taka aufsehen musste. Am Lächeln des Barkeepers hatte er erkannt, dass seine kleine, nette Geste richtig gedeutet worden war. So kümmerte er sich erstmal um die tanzende Meute. Man musste sich schließlich einen kleinen Überblick verschaffen. „Wie findest die da?“, fragte er Taka, doch der guckte das Mädel in kurzen Jeansshorts sowie knappen roten Oberteil nur irritiert an. „Zu viel Titten, zu wenig Schwanz!“, kommentierte der Designer altklug und Kouyou verzog sein Gesicht. „Okay, okay… schon wieder vergessen. Keine Weiber für dich!“, rief sich der Ältere die neue Tatsache wieder ins Gedächtnis. Das war früher echt einfacher. Das war selbst in Amerika einfacher. Aber er wollte sich nicht beschweren und seine Begleitung war keine Konkurrenz für ihn. „Umso besser. Mehr für mich!“, rang Kouyou diesem Umstand sofort einen positiven Effekt ab. Takanori aber rollte nur mit den Augen und wurde auf ihre Drinks aufmerksam, die nun vom Barkeeper zwischen sie geschoben wurden. „Viel Spaß euch beiden!“, lauteten die nett gemeinten Worte und dann war der Kerl auch schon wieder verschwunden. Skeptisch begutachtete der kleine Blonde die chemisch leuchtenden Flüssigkeiten in giftgrün und knallrot. Natürlich fiel ihm auch sofort auf, dass die Gläser größer ausgefallen waren als bei anderen Gästen. Aber das hing wohl mit der Bezahlung zusammen und so nahm er es einfach hin. Besser er schenkte dem Alkohol seine Aufmerksamkeit als den aufgetakelten Weibsen, von denen eine aussah, wie die andere hieß. Doof, wenn man sich abheben wollte und letztendlich doch nur das tat, was alle anderen auch machten. Ein Teufelskreis. „Auf einen netten Abend!“, sagte Kouyou und zog sein Glas zu sich, nippte schließlich am schwarzen Strohhalm. Er testete erst an, trank dann einen großen Schluck durch das Plastikstäbchen und leckte sich über die vollen Lippen. „Perfekt! Macht Lust auf mehr!“, sagte er und schwang dann auch schon seine Hüften aufreizend hin und her. „Los, trinken! Dann gehen wir tanzen, Taka-chan!“, forderte der Schwarzhaarige seine Begleitung auf und bewegte sich weiter zum Takt der Musik, während er dem Kleineren demonstrativ einen Arm auf die Schulter legte und ihn bereits dazu animierte, in sein Gezappel einzustimmen. Jedoch atmete Takanori nur tief durch und nahm das riesige Glas in beide Hände. Nach einem tiefen Atemzug setzte er schließlich an und sog das alkoholische Getränk in sich auf. Ihm war bewusst, dass er aus dieser Nummer nicht mehr rauskam und es würde weniger peinlich werden, wenn er sich sein Schamgefühl einfach wegsoff. Optimal wäre aber noch immer ein Blackout. Vielleicht war er auf einen guten Weg dahin, denn der Barkeeper hatte sich nicht lumpen lassen und seinen Cocktail mit einem richtig kräftigen Schuss Alk versetzt. Unter Umständen wurde er dadurch etwas lockerer und der Barkeeper später am Abend zu seinem persönlichen Messias. Nötig hatte er das wirklich. Nötig hatte seine Begleitung nämlich auch etwas. Das war unschwer zu erkennen, so wie der seine Sexuallockstoffe versprühte. Wäre Kou ein Tier, hätte er sicherlich einen Brunftschrei ausgestoßen oder einen Balztanz aufgeführt. Wobei! Was noch nicht war, konnte noch werden. „Gut, gut, gut, nicht so gierig, Taka!“, mischte sich das Model dann aber wieder ein und nahm ihm das Glas weg. Etwas wehmütig blickte Takanori seiner Erlösung bringenden Mixtur nach. „Wir wollen Spaß haben und uns nicht abschießen!“, erklärte der Größere total vernünftig klingend. „Allen Grund dazu hätte ich aber!“, legte Taka sein Veto ein. Noch dazu konnte er dazwischen keinen Unterschied nicht erkennen. Es war ja schon regelrecht suspekt dies aus dem Mund des Models zu hören. War der nicht sonst immer als Erster weg? „Laber nicht! Wir haben uns und das ist die Hauptsache, Schnubbi!“, erwiderte der Schwarzhaarige. Mit einem sanften Wischen nach hinten, streifte er dem Kleineren die blonden Ponyfransen aus dem Gesicht und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Der Designer kniff dabei seine Augen zusammen. Das war unangenehm und peinlich. Unangenehm weil es Kouyou tat und es sich anfühlte, als wäre er fünf Jahre alt und im Innbegriff einen Trostknutscher von seiner Mami zu bekommen und peinlich, da andere sicherlich auch diesen Eindruck bekamen. „Für was war das denn?“, fragte der Jüngere, wurde aber nur mit einem lieben Lächeln bedacht. „Komm schon, Party~“, forderte das Model sein Gegenüber jedoch auf und griff nach seiner Hand. Mit sanfter Gewalt zog er seinen Sandkastenfreund vom Hocker und hektisch schnappte dieser sich sein Glas, während er in die Hölle der tanzenden Meute verschleppt wurde. Zugleich beschlich ihn das Gefühl, dass ein neugieriges Augenpaar auf ihm lag. Woher dieses Gefühl kam, wusste er nicht, dennoch warf er einen Blick nach hinten über seine Schulter, konnte jedoch niemanden ausmachen und schon schoben sich andere Partygäste in sein Blickfeld, sodass es ihm nicht mehr möglich war, sich umzusehen. Vielleicht wurde er doch paranoid. Darauf noch einen Schluck. ~*~ Mit der ansteigenden Hitze um ihn herum, brodelte auch sein Blut immer mehr. Schnell wurde ihm klar, dass der Nebel und auch das Licht nicht zufällig gewählt waren. Taka fühlte sich regelrecht wie in einem Wunderland, fast schon wie auf Drogen. Alles schien mit den Nebelschwaden um ihn herum zu verschwimmen und ihm zu entgleiten. Vor allem seine Sorgen und Nöte. Alle negativen Aspekte seines Alltags waren vergessen und er hatte Freude daran, sich zu der Musik zu bewegen. Hier nahm ihn doch eh keiner wahr und jede peinliche Bewegung würde schnell vergessen werden. Außerdem hatte Kouyou noch immer ein Auge auf ihn, selbst wenn er immer wieder irgendwelche leicht bekleideten Weiber anbaggerte und ihnen auffällig nahe kam. Takanoris Zeitgefühl war verflogen. Der Drink haute bei ihm so richtig rein, vor allem, da er diesen letztendlich doch gegen Anraten seines Freundes, überstürzt runtergekippt hatte. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie seine Lider zufielen und er sich nur noch auf die Musik konzentrierte. Seine Beine, Arme und auch seine Hüften bewegten sich wie von selbst und seine Haut kribbelte. Ein wohliges Gefühl machte sich bei ihm breit. Kou beobachtete ihn schließlich und würde aufpassen. Ganz sicher. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Hatte er etwa gerade wirklich Spaß? Er öffnete seine Augen wieder. Doch zu seiner Überraschung stand vor ihm nicht sein Sandkastenfreund, sondern irgendwer, den er gar nicht kannte. Sein Blickfeld wurde von einem breiten Rücken eines recht drahtig gebauten Kerls geprägt. Stirnrunzelnd drehte er sich zu beiden Seiten, aber Kouyou war nicht zu sehen. Für einen Augenblick fühlte er sich verloren, doch das Gefühl, dass ein Augenpaar interessiert auf ihm lag, blieb einfach. Unsicher biss sich Takanori auf die Lippen. Nur zu gut kannte er diese Empfindungen. Beschlichen sie ihn in letzter Zeit doch nur allzu gern. Die Lust zu tanzen war verflogen. Noch einmal blickte er sich um, konnte aber niemanden ausmachen, der ihm bekannt vorkam. War ja auch lächerlich. Schließlich war Kou der Einzige hier, den er überhaupt kannte. Sein Blick wanderte nach oben und er stellte fest, dass sich dort die Lounges, von denen der andere auch schon gesprochen hatte, erstreckten. Von da aus könnte jeder ungehindert die tanzende Menge beobachten. Aufgrund des Gegenlichtes war es ihm aber nicht möglich, jemanden als Verdächtigen auszumachen. Klar standen dort einige Leute, diese waren aber nur schemenhaft von hier unten zu erkennen. Das brachte also nichts. Da der Designer vorerst eh auf sich allein gestellt war und sowieso gerade die Musik wechselte, entschied er sich dafür, erst einmal die Tanzfläche zu verlassen. Das wiederum stellte sich als eine fabelhafte Idee heraus, denn da nun ein neuer DJ am Pult war, der sich augenscheinlich großer Beliebtheit erfreute, strömten gefühlt nochmal doppelt so viele Menschen ihm entgegen, um ordentlich zu feiern und das Wochenende einzuläuten. Selbstverständlich wusste er nicht, wo er schon wieder hinlief und landete schließlich bei dem Gang, der zu den Toiletten führte. Das wiederum war nicht einmal so eine schlechte Idee. Schließlich klebte sein Shirt feucht an ihm und eine handvoll kaltes Wasser würde höchstens seinem Make-up schaden, ihn aber vielleicht auch wieder klarer werden lassen. Zusätzlich bemerkte er auch, wie seine Blase drückte. Demnach folgte er dem Gang in den abgeschiedenen Bereich und auch das Dröhnen des Basses verebbte mit jedem Schritt mehr. Keine fünf Minuten später stand er am Waschbecken und kalte Wassertropfen sammelten sich an seinem Kinn, fielen nach unten. Diese kurze Auszeit hatte er wirklich gebraucht. Der Abend war anstrengender als gedacht, besonders wenn man es nicht gewohnt war, auszugehen. Er spürte die Erschöpfung bereits jetzt in seinen Knochen. Fraglich war außerdem, ob er Kou in dem Gedränge je wiederfinden würde. Ein Anruf auf dem Smartphone war auch wenig erfolgversprechend. Bei dem Lärm hörte man kein Klingeln und wenn Kouyou eh abgelenkt war, dann konnte sein Mobiltelefon in seiner Hose vibrieren so viel es wollte. Es half alles nichts und er musste wohl oder übel nochmals auf eigene Faust losziehen. Schlimmstenfalls ging er zur Bar oder einfach nach Hause und überließ dem Aufreißer sein Schicksal. Kein allzu schlechter Deal, wie er fand. Wenigstens war Taka nun wieder in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Blick in den Spiegel verriet ihm, dass ein anderer Kerl aus dem hinteren Teil der Toiletten zu den Waschbecken kam. Kurz hatten sich ihre Blicke getroffen, aber Takanori tat dies als Banalität ab. Es erinnerte den jungen Designer nur daran, dass er sich die Hände waschen sollte, um sich schließlich auf die Mission zu begeben, seine Begleitung wiederzufinden. Als er gerade dabei war, den Schaum von seinen Fingern zu waschen, trat eine Person von hinten nah an ihn heran. Sofort schnellte sein Blick nach oben, um in der Spiegelung vor sich zu sehen, wer das war. „Hab ich mich doch nicht geirrt. Schön dich mal wieder hier zu sehen, Taka~ra!“ Hektisch drehte sich der Blonde um, sah dann unmittelbar in das Gesicht des anderen. Funkelnde dunkle Augen fixierten ihn. „Takeru…“, wisperte Takanori leise. Sein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Viele positive Erinnerungen verband Taka nicht mit dem anderen und am liebsten hätte er ihm eine gewischt, als er dieses überhebliche Grinsen in seinem Gesicht sah. „Na, was ziehst du denn für ein Gesicht? Freust du dich denn gar nicht, mich wiederzusehen?“, erkundigte sich der unmerklich Größere und platzierte seine Hände rechts und links neben Takanori am Waschbeckenrand. Damit war ihm die erste Möglichkeit der Flucht genommen worden. „Ich wusste nicht, dass du hier bist“, tat es der junge Designer ab und warf einen Blick zur Tür. Acht Schritte waren vielleicht notwendig und das Hindernis, das diese nach innen auf ging. Schlechte Chancen um zu türmen. „Hättest du es gewusst, wärst du bestimmt nicht hergekommen, hn?“ Takanori gab sich Mühe, sein Gesicht nicht zu verziehen. Es kostete ihm jedoch gerade etwas Mühe, seine Emotionen hinter einer Fassade zu verstecken. „Ich bin mit einem Freund hier. War seine Wahl.“ Das entsprach zumindest der Wahrheit. „Aha. Ein Freund oder DEIN Freund?“, fragte Takeru herausfordernd nach. Der neugierige Tonfall war auch dem Kleineren nicht entgangen und wieder schätzte er seine Fluchtmöglichkeiten ab, sah zur Tür. Dies stellte sich in dieser Situation aber als ein Fehler heraus, denn das fasste sein Gegenüber regelrecht als Einladung auf und drückte seine Lippen auf seinen Hals. Jegliche Reaktion unterband Takanori unmittelbar. „EIN Freund!“, japste Taka, da ihm aufgefallen war, dass die Frage immer noch im Raum stand. Sofort spürte er den heißen Atem des anderen Designers an seinem Hals. „Du riechst immer noch genau so gut wie damals…“, ließ dieser eine nette Bemerkung fallen, die bei Takanori aber lediglich ein ungutes Gefühl in der Magengegend auslöste. Sein Kopf war wie leer gefegt. Was sollte man darauf auch erwidern? So hüllte er sich in Schweigen, was Takeru nur noch mehr anstachelte. „Vielleicht solltest du mal wieder zu einer unserer kleinen Partys kommen. Ich garantiere dir, dass du auf deine Kosten kommst. Sind ein paar Sahneschnitten dabei, die könnten auch dir gefallen, Takara!“ Der Größere entfernte sich wieder etwas, als er die Tür vernahm. Aber zu Takanoris Leidwesen war es nur ein anderer Besucher des Clubs, der sich erleichtern wollte. So wurde ihre kurze Unterhaltung nicht komplett unterbunden. „Ich überleg‘s mir…“, brachte er heraus und starrte auf die Brust vor sich – dunkelblauer Satin, unter dem sich zwei Nippel steif aufgerichtet hatten. Seine Chance dem hier schnell zu entkommen war schwindend gering. Würde er wegrennen, würde er Takeru zu viel Genugtuung verschaffen und diese Blöße wollte er sich nicht geben. Immerhin wusste Takeru nichts von seiner aufgestauten Abscheu. Er hatte damals schließlich den Weg des geringsten Widerstandes genommen bis der Kontakt im Sande verlaufen war. Bis heute hatte das gut geklappt und wäre sicherlich auch weiterhin erfolgreich gewesen, wenn sie woanders hingegangen wären. Aber nun schien nicht nur bei ihm die Erinnerung an die vergangenen Tage zurückzukommen. „Schade, dass du den Kontakt abgebrochen hast. Ich fand, wir waren ein gutes Team. Du hast dich gemacht. Besonders das gefällt mir zunehmend…“ Kaum war sich Taka der Worte bewusst, spürte er die Hand des Größeren auf seinem Hintern. Er verfiel regelrecht in eine Schockstarre, was Takeru nicht weiter störte. Wie immer nahm er sich das, was er begehrte. Und wenn es mit unlauteren Mitteln war. Sei es drum. „War doch geil damals, als ich meinen Saft tief in und auf dich gespritzt habe. Das sollten wir wiederholen.“ Es war nicht zu überhören, dass Takeru sich kein Stück geändert hatte. Seine Stimme war nach wie vor verführerisch, seine Worte pervers und sein gieriger Blick war nur ein Vorgeschmack auf das, was einem erwarten würde, sagte man zu. Takanori wusste schließlich ganz genau, was passierte, wenn man sich auf ein Spielchen einließ. Nicht viel mehr war das. Nur ein Spiel. Eigentlich der Himmel, wenn man Takerus Wünschen Folge leistete, ansonsten konnte es auch ganz schnell zur Hölle werden. Aber viel zu verführerisch waren die Aussichten die ihm der andere Designer einst geboten hatte. Wer wollte oder konnte da schon ablehnen? „Scheiße, ey!“ Takeru lachte dunkel auf. „Du machst mich immer noch total spitz!“, erklärte Takeru mit einem pathetischen Lächeln und ließ von Takanoris wohl geformten Rundungen ab. „Wollen wir es mal lieber dabei belassen, ehe ich dich noch in eine der Kabinen schleppe. Außerdem hab ich heute schon was vor, da kann ich meine Ladung nicht unüberlegt einsetzen. Du verstehst, was ich meine.“ Ein freudiges Grinsen bildete sich auf dem Gesicht von Takeru und er legte beide Hände auf die schmalen Schultern des kleinen Blonden. Dann beugte er sich zu ihm. Es folgte ein Küsschen hier und da, ohne das sich Takanori auch nur einen Millimeter rührte. Die Gegenargumente blieben in seinen Gehirnwindungen stecken und dann war die formale Verabschiedung beendet und sein Ex mit den Worten „Meld dich! Ich warte sehnsüchtig!“ verschwunden. Die folgenden Sekunden kamen Takanori endlos lang vor, ehe er wieder zu sich fand. Was war verdammt nochmal los? War das so eine Art Denkzettel, den er verdiente, oder warum schien ihn seine Vergangenheit so ungehindert einzuholen? Kapitel 16: ------------ Undone Kapitel 16 Das Erste, was Taka merkte, als er am nächsten Morgen erwachte, waren tierische Rückenschmerzen. Diese zogen sich unnachgiebig über sein gesamtes Schulterblatt. Sein Kopf hingegen schmerzte nicht, dafür war die Verspannung ohnehin schon unangenehm genug und sicherlich nicht mit einer normalen Schmerztablette weg zu bekommen. Murrend richtete er sich auf, erhoffte sich von dem Positionswechsel wenigstens etwas Linderung. Seine Hoffnung wurde jäh zerstört. Natürlich bekam er jetzt die Quittung fürs Saufen. Er war eben keine sechzehn mehr. Total verschlafen sah er unter seinen Ponyfransen hindurch zu seinem Wecker auf dem Nachttisch und erschrak. „Scheiße, Kou! Hey! Wach auf!“, sagte er hektisch und rüttelte den Schlafenden neben sich harsch. „Hm…. Ja, gleich!“, brummelte das Model neben ihm, doch bei Taka gab es kein gleich. Schließlich war sein Begehren dringend. „Du verpasst deinen Flug, wenn du auf dein „gleich“ bestehst! Es ist kurz nach 10!“, fiepte er und schlug die Decke zur Seite, damit er ebenfalls in die Puschen kam. Direkt aber quiekte er wie ein kleines Schweinchen auf. „Warum bin ich nackt?“, fragte er mit unmittelbarem Blick auf den kleinen Takanori. Der lag gemütlich an seinen Oberschenkel geschmiegt da und bekam von der Panik seines Besitzers nichts mit. Der Designer aber sah sich hektisch im Zimmer um. Er wollte Antworten und brauchte Indizien. Seine Klamotten lagen auf dem Boden zerstreut und sein Kopf gab keine brauchbare Information her, warum dies der Fall war. Ihm wurde immer flauer im Magen. „Wir haben doch nicht, oder???“, wurde er total aufgeregt und zerrte die Decke von seinem Nebenmann, um vielleicht doch noch mehr Beweise zu sammeln, die dazu beitrugen, die Leere in seinem Gedächtnis zu füllen. Anders als vermutet, präsentierte sich ihm Kouyous Knackarsch umhüllt von knallroter Baumwolle. Diese Erkenntnis brachte den Jüngeren dazu tief durchzuatmen. Der schlimmste Fall war nicht eingetreten und er schob die Bettdecke unwirsch von sich weg. „Nix passiert! Puh!“, machte Taka seiner Erleichterung Luft. Kouyou hingegen konnte diese ganze Aufregung so gar nicht verstehen. Generell war es nervig, wenn jemand am frühen Morgen gleich so derbe aufdrehte und man nicht in Ruhe wach werden konnte. „Geht das nicht ein Bisschen leiser, Taka?“, quälte sich der Schwarzhaarige ein paar Worte ab und rappelte sich schließlich auch auf. Man sah ihm an, dass er unwillig war, seinen Schönheitsschlaf abzubrechen. „Mann ey, ich hab gedacht, dass… Moment mal! Warum bin ICH nun eigentlich nackt?“, fragte der kleine Blonde irritiert nach und bekam nun auch mit, dass sein Sandkastenfreund gerade den kleinen Taka mit müden Augen musterte. Unangenehm. Hastig zog er sich daher einen Deckenzipfel über den Schritt und verdeckte seine Blöße. Warum starrte der Kerl auch immer dahin?! „Glotz nicht so!“, meckerte Takanori umgehend. Dem folgte ein tiefes Durchatmen. Zurück zum Thema. „Also?“, stellte er seinen Kumpel zur Rede. „Weiß ich doch nicht, warum du gestern so abgegangen bist!“, murrte Kouyou missmutig. Er konnte sich Besseres vorstellen, als die Fehltritte des vergangenen Abends noch einmal Revue passieren zu lassen. Doch sie kannten sich beide schon lang genug, um zu wissen, dass er nicht drum herum kam. „Wir haben hier noch weiter gesoffen, als wir zurück waren. Irgendwann bist du voll durchgedreht, hast auf dem Tisch getanzt und dich ausgezogen. Weiß doch nicht was in deinem Kopf vor sich gegangen ist! Ich bin schon ausgestiegen, als du dein Shirt als Lasso benutzt hast und von deiner kleinen Helikopter-Einlage will ich gar nicht erst anfangen. Das war sogar mir peinlich, als du den da“, Kouyou deutete unweigerlich auf Takanoris Schritt, den er unter der Decke versteckt hatte, „im Kreis geschwungen hast!“. Argwöhnisch musterte Kou den Jüngeren und irgendwie war er nicht der Einzige, der gerade am Verstand des jungen Designers zweifelte. Den Blick von Taka konnte er nicht so recht deuten. Irgendwas zwischen „Du verarschst mich doch!“ und „Warum hast du mich nicht davon abgehalten?“ war darin zu erkennen. Einen Kommentar wollte Takanori dazu jedoch nicht abgeben, auch wenn er ansatzweise seinen Mund kurz geöffnet hatte. Doch in Anbetracht dieser Offenbarung fiel ihm kein einziger Kommentar ein, der die Situation noch hätte retten könnten. Wie erklärte man jemanden auch so eine Situation nachvollziehbar? Vor allem, wenn man selbst nicht wusste, wie es dazu kommen konnte. Nur zu gern überließ er daher dem Model weiterhin das Wort, um den Soloeskapaden des Matsumoto Takanori weiter auf den Grund zu gehen. Wie gut, dass es Augenzeugenberichte gab und vielleicht waren Gedächtnislücken ab und an ein Segen. „Du hast auch mitten in der Nacht Reis gekocht“, fiel Kou ein weiteres Detail ein. „Gegen 3 war das, glaub ich. Frag nicht, wie die Küche aussieht. Du meintest, dass du ne Spezialsoße zusammenmixen willst, weil du das mal im Internet gesehen hast. Bestehend aus Sojasoße, Wasabi und Honig. Den Reis hast du dann da drin ertränkt. Ich hoffe nur, dass du das nicht auch noch gegessen hast. Ich bin jedenfalls dann ins Bett gegangen“, erklärte Kouyou, der nebenbei die aktuelle Uhrzeit ausgemacht hatte. Anders als sein Gastgeber verfiel er nicht in schiere Panik. Eher überschlug er, wie viel Zeit noch blieb, bis er wirklich seinen Flug verpassen würde. Daher grabschte er nach seinem Handy und rief sich schon mal ein Taxi, während Takanori versuchte sich zu erinnern, was gestern noch alles passiert war. Bruchstücke konnte er sich in Erinnerung rufen. Zumindest beim Thema Reis klingelte irgendwas. Und an den Club konnte er sich auch teils erinnern. „Ich hab mit nem Weib geknutscht, richtig?“, fragte er nach. Besser er holte sich eine Bestätigung ab. „Jup. Hast du. War gestern total strange mit dir“, bestätigte der Ältere und ging dazu über, sich anzuziehen. Ein paar Sachen musste er eh noch zusammenräumen. „Strange?“, fragte er nach. „Jap. Ich war kurz mit nem Mädel beschäftigt und hab dich dann wieder an der Bar aufgegabelt. Hast voll die schlechten Vibes verbreitet und dir einen nach dem anderen hinter die Binde gekippt. Schließlich sind wir nochmal auf die Tanzfläche und da bist du direkt so nem blonden Engelchen an die Wäsche gegangen. Als guter Freund hab ich mir natürlich ihre Nummer geben lassen und dich in die Lounge geschleppt.“ „Ah ja… die rote Couch….“, warf Takanori nachdenklich ein. Bruchstückhaft kamen ein paar Bilder wieder. Aber nichts, worauf er hätte stolz sein können. „Hm… wir saßen dann noch bei so fünf Typen. Du scheinst die gekannt zu haben. Einer hat sich mir auch vorgestellt. Seine Karte ist in meiner Jacke. Ich geh schnell ins Bad!“ Und schon war Kou aus dem Raum getappt und mit dem Geräusch der sich schließenden Tür im Badezimmer verschwunden. Das nahm Taka wiederum zum Anlass die Decke, die bis eben als Sichtschutz gedient hatte, zurückzuschlagen. „Helikopter…“, murmelte er leise, verwarf den Gedanken aber so schnell wie er gekommen war und zog sich in Windeseile Shorts über. Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Danach fiel ihm die Jacke seines Besuches ins Auge. Diese lag auf dem Boden neben der Couch. So bückte sich der kleine Blonde und grabschte nach dieser. Schnell versenkte Taka seine Hand in den Taschen und fand natürlich erstmal ein Kondom. Zumindest unbenutzt. Trotzdem war das so typisch für seinen Kumpel. Aber wenigstens verhütete er. Nicht auszudenken, was wäre, wenn nicht. Sicherlich würde anderenfalls schon eine ganze Kouyou-Armee die Welt bevölkern. Da der erste Versuch herauszufinden, mit was für Typen sie den Abend verbracht hatten, nicht den gewünschten Effekt hervorgebracht hatte, schob er seine Hand in die zweite Tasche und zog die besagte Visitenkarte heraus. Er musste nicht einmal den aufgedruckten Namen lesen, denn alles war klar, als er das rote Chamäleon sah. Taka verzog sein Gesicht. Klar. „Takeru…“, murrte er und blies seine Wangen auf. Unangenehm. Sehr unangenehme Erinnerung. Kein Wunder, dass sein Kopf da streikte und er jeglichen Gedanken an den Vorabend und die Nacht auslöschen wollte. Gegenwärtig hatte er auch keine Lust sich damit auseinander zu setzen. Das Kapitel seines Lebens war durch. „Hast noch Zeit für nen Kaffee?“, rief Taka in den Flur und legte die Visitenkarte zur Seite. Die brauchte Kou sicherlich nicht. War total unnötig und konnte auch gut und gerne verbrannt werden. „Nee, ich frühstücke am Flughafen. Keine Zeit!“, kam gedämpft eine Antwort aus dem Bad. Taka aber würde nicht darauf verzichten. So setzte er Wasser auf und suchte ein Sachet mit löslichem Pulver aus dem Schrank. Der Inhalt landete in seiner Lieblingstasse, während er vehement das Chaos auf dem Tisch ignorierte. Reiskörner lagen sogar auf dem Fußboden verstreut herum. Und die Schale mit der bräunlichen Flüssigkeit und den schwimmenden Reiskörnern wollte er sich auch nicht genauer betrachten. Das war garantiert alles sein böser Zwillingsbruder und gar nicht er selbst gewesen. Letztendlich würde das Aufräumen doch an ihm hängen bleiben. Da er nur darauf warten musste, bis sein Wasser kochte, entsorgte er die unschönen Beweise der nächtlichen Kochaktion zumindest schon einmal grob. Kou tauchte wenig später in seiner kleinen Küche auf und sah trotz der geringen Zeit, die er im Bad verbrachte hatte, wie aus dem Ei gepellt aus. Wie machte der Kerl das nur? Konnte doch nicht nur am Superfood liegen! „Und? Kanntest du die Typen von gestern?“, fragte das Model beiläufig nach, schnappte sich aber dennoch eine Banane von der Ablage. „Hm. Schon“, brummelte Taka. Wieso zum Teufel wusste Kou davon, dass er gleich nach der Karte geguckt hatte? Der musste regelrecht ein Gespür dafür haben Dinge anzusprechen, die ihm unangenehm waren. „Nicht so gut? Warst gestern schon so komisch, als die uns an ihren Tisch eingeladen haben. Darum sind wir relativ schnell wieder von dort verschwunden.“ Mit einem großen Happs biss der Ältere von der Frucht ab und kaute mit vollen Bäckchen. „Längere Geschichte. Er war mehr oder weniger mein Sensei.“ Taka rümpfte die Nase. „In wie fern?“ „Ich hab bei ihm gelernt. Also…. So ziemlich alles. Modekram…“ Taka spürte den Blick des anderen unmittelbar auf sich, versuchte aber beschäftigt zu tun, indem er das nun heiße Wasser in seine Tasse goss und auffällig präzise herumrührte. „Schwulenkram?“, formulierte der kleine Blonde es regelrecht schon zu einer Frage, versuchte es aber so anzusprechen, als wär dieser Fakt nur beiläufig gefallen. Diese abwartende Stille von Kou war doof. Dann aber winkte er ab. „Is egal…“ Lieber nutzte Taka die Zeit und machte seinen Kaffee fertig, zerdrückte die letzten Reste des oben schwimmenden Pulvers mit der Rückseite des Löffels an der Innenseite seiner Tasse. „Hattet ihr mal was am Laufen oder wie soll ich das verstehen?“, erkundigte sich das Model und schob das letzte Stück der Banane in seinen Mund. So wie sich der Kleinere anstellte, lag da etwas im Argen. „Auch. Er hat mir meine damalige Freundin vorgestellt und als er mitbekommen hat, dass ich mich damit nicht wohl fühle, hat er mich vorsichtig in die „richtige“ Richtung gelenkt. Eigentlich müsste ich ihm dankbar sein.“ Taka kam nicht drum herum und musste auflachen. Das wiederum verstand Kouyou aber nicht. „Und nun versteht ihr euch nicht mehr?“ „Ich hab den Kontakt abgebrochen. Er hat mir nicht nur schöne Dinge gezeigt, okay? Von ihm weiß ich eben auch, wie oberflächlich die Schwuchteln in dieser Stadt sein können und dass es nur zählt, ein Loch zu stopfen…“ Wieder zog Takanori die Luft scharf ein. Im Alltag verdrängte man die unschönen Dinge meistens. „Is einfach nicht meins gewesen. Daher hab ich den Umgang mit ihm und seinen Freunden einfach abgebrochen.“ Klar gab es da noch mehrere Gründe und Taka hatte es sich sicherlich nicht leicht gemacht. Aber das waren Dinge, in die er hinein geraten war, ohne die man besser leben konnte. Umso besser, dass er noch rechtzeitig die Kurve bekommen hatte. Rückschläge gehörten im Leben eben dazu, trotzdem wünschte er sich auch mal einen Glücksgriff und nicht, dass jeder Versuch Fuß zu fassen in einer Katastrophe endete. „Lass lieber die Finger von ihm. Der kann dir nicht weiterhelfen und ist auch nicht förderlich für deine Karriere. Glaub mir!“, gab der junge Designer seinem Sandkastenfreund noch einen gut gemeinten Rat mit. Er würde sich seine Finger sicherlich nicht noch einmal an Takeru verbrennen. „Ehm ja, gut, ich wollte eh nicht den Kontakt zu ihm pflegen. Der war mir zu… hm… crazy chick, ya know?...“ Direkt verfiel der Schwarzhaarige wieder in seine alten Gewohnheiten. „Ja, verstehe was du meinst.“ Das verstand Takanori nur zu gut. Takeru war nicht nur dominant und pervers, sondern er konnte auch echt abgedreht sein. In einigen Situationen war das echt keine gute Mischung. Auch ein Grund, warum er besser einen großen Bogen um ihn machte. Leider war Takeru genial, was seine Arbeit anbelangte. So genoss er hohes Ansehen in der Branche und viele andere Designer schätzten seine Kreationen sehr. Aber menschlich gesehen war er einfach Abschaum. „Ich mach mich dann fertig“, brach das Model ihr kleines Gespräch ab. „Soll ich denn mit zum Flughafen kommen?“, bot Taka sofort an. „Nein. Ist nicht nötig. Du musst dann nur wieder unnötig zurück fahren. Außerdem willst du mich doch bald besuchen kommen!“ Der freudige Tonfall in Kouyous Stimme war nicht zu überhören und zauberte ein leichtes Lächeln auf die Lippen des Jüngeren. Kou gab diesbezüglich wohl erst auf, wenn er wirklich in Amerika mit großen Augen und offenem Mund vor seiner Tür stand. Doch für heute musste er sich erstmal von den Ausschreitungen der letzten Nacht erholen. Daher ließ er die Anspielung unkommentiert und folgte seinem Kumpel mit der Tasse Kaffee in der Hand mit ins Wohnzimmer. „Meldest du dich dann bei mir, wenn du angekommen bist?“ Ein wenig Wehmut schwang in der Stimme des Kleineren mit. „Zeitverschiebung ist kein Thema. Wir haben ja eh Wochenende“, bot Takanori energischer an und schlürfte geräuschvoll aus seiner Tasse. Das heiße Lebenselixier musste doch die müden Geister wecken können. „Sowieso. Ich bin eh dafür, dass wir nun öfters mal telefonieren! Ich will doch auf dem Laufenden gehalten werden, was das nun mit dir und deinem Freund wird. Aber von der wilden Knutscherei von gestern solltest du ihm vielleicht nichts erzählen. Könnte schnell als Fremdgehen ausgelegt werden“, lautete der kluge Vorschlag von Kou. Natürlich folgte noch ein verschmitztes Grinsen. „Ich weiß, ich bin unmöglich, wenn ich getrunken hab.“ Das Schlimmste war, dass er sich Kloe gegenüber auch mit dem Wissen nicht einmal schuldig fühlte. Ob er Kloe wirklich liebte? Manchmal verstand er seine eigenen Gefühle echt nicht. Vielleicht war er auch nur in Gewohnheiten gefangen oder wählte den Weg des geringsten Widerstandes. In diesem Fall Kloe. Nicht zu vergessen, da gab es ja auch noch den ominösen Unbekannten, der unerklärlicherweise sein Herz höher schlagen ließ. „Du lernst es auch irgendwann, wann Schluss ist! Aber wenn du mich dann besuchen kommst, dann hab ich dir drüben schon nen Hottie klar gemacht! Verlass dich auf mich!“, machte das Model ein unlauteres Angebot und stopfte noch die letzten Sachen in sein Gepäck. „Ey… Kou! Hast du nicht eben gesagt, ich soll treu sein? Und nun sowas.“ Sie mussten beide lachen und der Größere schloss schließlich seinen Koffer. Prüfend sah sich der Schwarzhaarige nochmal um, ob er wirklich alles eingepackt hatte. Als es den Anschein machte, ging er auf seinen Kumpel zu, dem er die Kaffeetasse entwendete. Diese stellte er behutsam auf dem Tisch ab und sah den Kleineren fast schon liebevoll direkt in die Augen. „Komm her!“, forderte das Model sein Gegenüber auf und kurz darauf fand sich Taka in den langen Armen des anderen wieder. Komplett umschlossen wurde er gegen die warme Brust gedrückt. Irgendwie war diese Geste niedlich und er musste sich zusammenreißen, dass er den aufkeimenden Tränen nicht nachgab. Normalerweise stand er nicht auf lieb haben und knuddeln, aber bei Kouyou machte er eine Ausnahme. So erwiderte er die Umarmung und drückte sein Gesicht gegen die Brust des Größeren. „Halt die Ohren steif, ja?“, flüsterte Kou und nutzte es schamlos aus, dass er Taka überragte. Daher drückte er ihm einen Knutscher auf den blonden Haarschopf, begleitet von dem typischen Schmatzgeräusch. Da war es um den Jüngeren geschehen und die ersten Tränen kullerten aus seinen Augenwinkeln. Er wollte doch eigentlich nicht heulen. Aber nun war es eben doch blöd, dass Kouyou einfach wieder ging. Der war ihm in den letzten Tagen mehr Stütze gewesen als in den vergangenen Jahren, auch wenn er eine Nervbratze war. Taka nickte trotzdem. Er musste stark sein und er würde das alles schon hinbekommen, was er sich vorgenommen hatte. Als sich der Schwarzhaarige langsam löste, senkte Taka seinen Kopf und wischte sich sofort über die Augen. Seinen Gefühlsausbruch sollte der andere eben nicht mitbekommen. Es war nachvollziehbar, dass es ihm nicht kalt ließ, wenn sein langjähriger Freund, den er so selten sah, nun wieder zum anderen Ende der Welt flog. Man merkte eben erst, was man an den anderen hat, wenn es nicht mehr greifbar war. „War ganz nett mit dir.“ Taka schluckte den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, runter. „Außerdem nochmal danke für die ganzen coolen Sachen und…. Na ja… du weißt schon.“ Der Designer war noch nie gut darin, seine Gefühle offen auszusprechen, doch seine Art stieß auf Verständnis. „Keine Ursache. Ich geh dann mal nach unten. Das Taxi wartet sicherlich schon“, unterbrach Kouyou die Gefühlsduseleien und schnappte seine Sachen. Mit denen ging er zur Tür und schlüpfte in seine Straßenschuhe. Anstandshalber folgte Taka seinem Kumpel bis zur Tür und ließ ihn nach draußen. „Und sag ja Bescheid, wenn du angekommen bist!“, forderte der kleine Blonde ein. „Wird gemacht, Mami!“, scherzte Kouyou und trat nach draußen, wunderte sich aber, da er das Geräusch von knisternden Papier hörte. Als er nach unten sah, machte er einen Brief aus, auf den er getreten war. „Oh, sorry…“, nuschelte er und ging runter. Dann bückte er sich und hob diesen auf. Noch während er sich aufrichtete las er die wenigen Buchstaben auf dem Couvert. „Hier, für dich!“, meinte das Model und reichte Taka, der alles nur halb gesehen hatte, da nach wie vor Kouyous Gepäck zwischen ihnen stand, den Brief. „Hm?... Ich erwarte eigentlich nichts.“ Verwundert drehte Takanori ihn in seiner Hand um, las aber ebenfalls die Aufschrift „Für Taka-chan“. „Ist vielleicht nur Werbung. Also, ich muss dann. Bye, bye, Darling!“ Mit einer gekonnten Handbewegung setzte sich Kouyou seine Sonnenbrille auf und schnappte sich sein Hab und Gut. Dann zog er seinen Rollkoffer geräuschvoll über den Flur zum Fahrstuhl. Von dort aus winkte er seinem Sandkastenfreund nochmals zu, ehe er im Fahrstuhl verschwand. Den Abgang hatte er jedenfalls auch drauf. Da merkte man eben, dass er auch als Schauspieler taugte. Takanori sah zu der Stelle, an der Kou bis eben noch auf den Lift gewartet hatte. Nun war er also weg und er hier allein mit seinem Brief. Auf diesen warf er nochmals stirnrunzelnd einen Blick und entschied sich, vorerst in seine Wohnung zurück zu gehen. Sein Weg führte ihn in sein Wohnzimmer, in dem er sich auf die Couch setzte und wieder zu seinem Kaffee griff. Nach einem Schluck entschied er sich doch dafür, den Umschlag zu öffnen, da er sich nicht zusammenreimen konnte, wer ihm geschreiben haben könnte. Der Inhalt bestand aus einem liederlich zusammengefalteten Blatt Papier auf dem nur ein paar Worte vermerkt waren: „Vergiss Akira, denn für Träume ist es längst zu spät.“ Kapitel 17: ------------ Undone Kapitel 17 Träume? Soweit zurück wie sich Takanori erinnern könnte, waren seine Wunschvorstellungen immer recht simpel. Als er klein war, wollte er, dass seine Mama für immer bei ihm blieb. Später, als er auf eigenen Beinen sein Umfeld erkundete und das Lernen für sich entdeckte, war das Erringen von Wissen sein größter Wunsch. Es folgte der Wunsch nach Anerkennung, als er häufiger in Kontakt mit anderen Menschen kam. Schließlich wurden seine Träume durchzogen von vielerlei Sehnsüchten. Emotionale Bindungen, Erlebnisse, Besitztümer. Nie aber fesselte ihn etwas so sehr wie die Fantasievorstellung Akira nah bei sich zu wissen. Dieses Hirngespinst hatte sich langsam eingeschlichen und sich schließlich wie ein Parasit bei ihm eingenistet. Nicht nur von seinem Kopf, sondern auch von seinen Organen und seiner Seele Besitz ergriffen und alles andere war nichtig geworden. Diese Illusion hatte ihn voll in der Hand und bestimmte sein Tun, Denken und Handeln. Von seinen unbedeutenden Träumen seiner Kindheit, in denen zählte, wann er neue Buntstifte bekam, war nichts mehr übrig geblieben. Jeder Ansatz seines Denkens führte über Umwege doch wieder zu dem Ziel, Akira an seiner Seite zu behalten, ihn komplett für sich zu vereinnahmen. Vielleicht war er schon zu fanatisch und ertrank in dieser Utopie, die schließlich jäh in Fetzen gerissen wurde durch das Ableben seines Lieblingsmenschen. Mit diesem Hintergrund hatte die Bedeutung der „Fantasievorstellung“ ganz andere Farben angenommen. Sein Traum blieb unerfüllt, egal wie sehr er sich bemühte, egal wie sehr er wünschte, betete, hoffte. Ausgeträumt. Doch sein Verstand hatte es in all den Jahren nicht vermocht, Besitz über seinen Kopf, seine Organe und seine Seele zu ergreifen. Seine kleinen Träume von damals, die sich wandelten und durch größere Träume ersetzt wurden, hatten ihren Abschluss in der Selbsttäuschung „Akira“ gefunden. Und alles blieb unverändert. Danach kam nichts. Danach kam kein anderer, größerer Traum, der ihn je wieder so motiviert hatte und vermochte, von jeder Faser seines Körpers Besitz zu ergriffen. Und nun sagte man ihm, dass er aus eigener Kraft aus dieser Sackgasse kommen sollte? Wie vermessen! Takanori seufzte wiederum, als er zum wohl tausendsten Mal die krakeligen Worte schwarz auf weiß vor sich sah. Dieser blöde Brief! Sein Verstand schlug Purzelbäume. Endlich war jemand auf seiner Seite und es gab wieder Hoffnung, Takanori aus diesem Dilemma zu befreien. Doch Takanoris Herz war schwer. Ungestillte Sehnsucht gefolgt von Reue. Er wusste nicht, wie viele Chancen er hatte vorbeiziehen lassen. Die Wege der Vergangenheit waren wie das Geäst eines großen Baumes. Es gab Abzweigungen und Abbiegungen und je nachdem wie man sich entschied, führte einem der Weg weiter, verzweigte sich noch mehr und trug vielleicht sogar Blüten. Und das wiederum galt für alle Ebenen seines irdischen Lebens. Familie, Arbeit, Freunde. Sicherlich hatte irgend so ein Schwachmat einfach den Ast mit der Aufschrift „Akira“ böswillig abgeschnitten und ihm dadurch die Chance genommen, weiter zu wachsen, gar zu sprießen. „Ist doch alles Blödsinn!“, schimpfte Takanori und setzte sich schwungvoll auf. Es brachte nichts, den gesamten Vormittag auf der Couch zu liegen und über das Leben zu philosophieren. Vor allem nicht, über ungenutzte Chancen oder Dinge, die er nicht rückgängig machen konnte. Akira war weg und die Chance auf ein Happy End ebenso. Missmutig krallte sich Taka den Zettel, zerknüllte ihn und beförderte ihn entlang der kürzesten Flugbahn Richtung Mülleimer. Natürlich prallte die Papierkugel am Rand ab und blieb auf dem Boden liegen. „Ich weiß! Nichts läuft!“, sah er auch diesen Zufall als einen Wink des Schicksals. Er musste unbedingt raus und auf andere Gedanken kommen. Daher packte er kurzerhand das Nötigste. Diese miese Laune musste bis morgen verschwunden sein! ~*~ Der nächste Tag kam schneller als erwartet und schon nach dem Aufstehen machte sich dieses flaue Gefühl in Takas Magen breit. Er hatte doch einen Freund und er würde zu einem Date mit jemand anderem gehen. Damit war auch er nur einer dieser miesen Betrüger, der nur auf die Chance wartete, einen besseren Fang abzubekommen. Manchmal glaubte Takanori wirklich, dass er zu verklemmt war oder vielleicht auch einfach nur zu gut erzogen. Zu ehrlich? Die Zweifel über Untreue wichen, als der kleine Blonde die Tür seines begehbaren Kleiderschranks öffnete. Unmittelbar wurden sie durch Panik ersetzt. Alles wurde nicht besser, als er sich ins Gedächtnis rief, dass der Kerl, mit dem er sich heute treffen würde, etwas mit Mode am Hut hatte. Daher griff die Berufskrankheit und er würde garantiert von oben bis unten gemustert werden. Wertung inklusive. Keine Fehltritte! Bloß nicht! Sonst war er doch gleich wieder abgeschrieben. Da zählten auch innere Werte nichts mehr. Nicht, dass er wusste, ob es überhaupt Hoffnung auf mehr gab. Oder ob der Typ Interesse am eigenen Geschlecht hatte. Eigentlich wusste er nichts und das machte alles um ein Vielfaches schlimmer. Wenn das denn möglich war. „Atmen, Taka, atmen!“, redete sich der Designer gut zu, da er in Stresssituationen nicht selten den Kopf verlor. Dazu patschte er sich mit beiden Händen gegen die Wangen. „Schwarz! Schwarz geht immer!“, war der erste Gedanke und er griff zu einem längeren Shirt ohne Ärmel. Doch dann stutzte er. Besser nicht. Seine schwabbeligen Puddingärmchen wollte keiner sehen. Zu viel Haut zeigen beim ersten Date war unangebracht. Fehler retuschieren und den anderen nicht darauf aufmerksam machen. So war das doch. Ein Pullover. Genau. In Schwarz. …als würde er trauern! Okay, doch besser kein schwarz. Nicht, wenn er sich eh schon für Boots und seine dunkle Jeans entschieden hatte. Also sein weißer Pulli! Nein, das ging auch nicht. Hatte er den nicht erst neulich an, als sie sich gesehen hatten? Das war doch auch so eine ungeschriebene Regel: keine Klamotten zweimal anziehen bei einem Treffen. „Also doch schwarz…“, resignierte Taka und zog einen Hoodie heraus, den er an der Taille schnüren konnte. Er hielt inne. Schnüren… Taille?... Die Schnürung hing bei ihm sonstwo, da er so klein war. Taka sah zweifelnd drein und besah sich all seine Sachen, die vor ihm fein säuberlich auf einer Stange hingen. Wenn er ehrlich war, dann machte es doch eh den Anschein, als würde er eine Wegbeschreibung zum Ausgang für all seine Klamotten benötigen. Die meisten schlackerten an ihm herum. Erstens, weil sie Einheitsgröße hatten und zweitens, weil er es selbst lieber mochte, wenn die Sachen weiter waren und seinen Körper leger umspielten. Würden sie eng anliegen, sah man schließlich erst recht, wie mickrig er geraten war. Allerdings war das wiederum keine gute Grundlage, wenn man jemanden beeindrucken wollte. „Okay, scheiß drauf! Dann eben ablenken!“, redete er sich wieder Mut zu. Haare und Make-up. Wenn das gut wurde, dann guckte doch keiner mehr auf seine ollen Klamotten. Auch kein Modetyp. Nicht wenn er eigentlich Interesse an dem Mann dahinter hatte. Was ja hoffentlich der Fall war. Wenn nicht, dann würde er auch nicht wissen was er tun sollte. Doch möglicherweise verrannte er sich gerade in irgendwas. Wieso musste er nur immer an sich selbst zweifeln und sich damit noch dazu im Wege stehen? Boahr, das kotzte ihn selbst ja schon an. „Chill mal, Junge!“, flüsterte er leise vor sich hin und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. ~*~ Es war, wie es nun einmal war: Takanori konnte nicht aus seiner Haut. Geschweige denn, dass er es schaffte, seine negativ belasteten Gedanken unter Kontrolle zu bekommen oder seine Hoffnungen runter zu schrauben. Hätte er gewusst, was dieser lapidare Vorschlag des Kaffeetrinkens bei ihm auslöste, hätte er ihn wohl nie gemacht. Nun aber war es zu spät. Er saß auf der Couch, gebürstet und gestriegelt. Mehr ging einfach nicht. Wenn das nicht genügte, dann sollte er einen Haken an Akira Suzuki machen. War nicht so, dass er keine Alternative hatte. Klar, war er mit Kloe zusammen, jedoch vermochte dieser nicht im Geringsten ihn so nervös zu machen, wie sein neuer Bekannter. Nicht Bekannter. Unbekannter. Genau, Mister Unbekannt. Der machte ihn sogar wuschig, wenn er noch gar nicht hier war. Doch genau das änderte sich gerade in diesem Moment und der junge Japaner zuckte heftig zusammen, als seine Türklingel ertönte. Sofort schnippte er auf, krallte sich seine Umhängetasche vom Tisch und stürmte zur Tür. Sogar seine Schuhe hatte er, ganz untypisch, bereits angezogen und war damit in seiner Wohnung herumgelaufen. All das war seiner zügellosen Nervosität zu danken. An der Tür rutschte ihm erstmal der Hörer der Gegensprechanlage aus der Hand, sodass er diesen umständlich am Kabel wieder nach oben ziehen musste. „Komm runter!“, japste er hektisch in den Hörer, den er wieder in die Halterung knallte. Takanori drehte sich herum, um seinen Schlüssel noch aus dem Schloss zu ziehen und dann war er schon auf dem Weg nach unten, wenn der Fahrstuhl nicht so lange auf sich warten lassen würde. Ungeduldig trat er vor diesem von einem Fuß auf den anderen, bis sich endlich die Tür vor seiner Nase öffnete. Routiniert drückte er den Knopf mit der Aufschrift EG und hämmerte dann wie ein Blöder auf den Knopf darunter ein. Diese doofe Tür sollte sich schließen und ihn endlich nach unten bringen. Prüfend warf er noch einen Blick in den Spiegel an der Rückwand der kleinen Kabine, zupfte hier und da seine Haare zurecht. Unweigerlich musste er an eine Szene aus einer Serie denken. Der Schauspieler hatte sich dabei über den Daumen geleckt und anschließend seine Augenbrauen in Form gebracht. Taka wechselte einen fragenden Blick mit seinem Spiegelbild und tat diese Idee als Absurdum ab. Da öffnete sich eh mit einem leisen Bling ratternd die Fahrstuhltür und er trat nach draußen. Lange musste er nicht nach seiner Verabredung suchen, denn Akira stand ihm unmittelbar gegenüber und sah mal wieder zum Niederknien gut aus. Diese Baggys in Kombination mit den Boots machten ihn wirklich fertig. Vor allem da sie so tief hingen. Und die breite Gürtelschnalle betonte noch dazu seine Lendengegend. Eindeutige Signale für ihn. Für ihn, als Kerl, der auf Kerle steht. „Hey, musstest du lange warten?“, ging Takanori direkt zum Angriff über und vernahm das dunkle Lachen des anderen, welches von dem schwarzen Mundschutz, den er trug, abgedämpft wurde. „Du meinst die Frage ernst, oder?“, erwiderte sein Gegenüber. So recht verstand er das jedoch nicht. „Man könnte meinen, dass du nur drauf gewartet hast, abgeholt zu werden. Bin ich vielleicht zu spät?“, fragte der Größere mit einer Vertrautheit nach, als würden sie sich bereits Jahre kennen. Ein wenig ertappt fühlte sich Takanori daraufhin schon. „Ach was, ich war nur schneller im Bad fertig als erwartet. Für einen Kaffee muss man sich ja nicht so aufbrezeln…“ Er war so erbärmlich im Lügen. Noch peinlicher war es, wenn er sich ins Gedächtnis rief, wie oft er sich seinen Lidstrich neu nachgezogen hatte, weil der ihm nicht gefallen hatte. „Dafür siehst du aber aus wie frisch aus dem Ei gepellt…“ Ob Akira wusste, was er mit solchen Komplimenten bei ihm anstellte? „Ach was.“ Takanori winkte ab. „Aber wo hast du denn Koron gelassen? Ist er heute gar nicht mit?“, wollte er lieber zu einem weniger verfänglichen Thema wechseln, während sie ihren Weg nach draußen antraten. „Nein. Ich dachte, in Cafés ist er vielleicht nicht so gern gesehen. Daher hab ich ihn bei einem Bekannten gelassen. Ich hab aber gemeint, dass er mich kontaktieren kann, falls er mit dem Kleinen nicht klar kommt.“ „So ist das. Schade. Der Kleine ist schon herzallerliebst. Mit seinen kleinen Pfoten und der spitzen Nase. Außerdem macht er einen sehr aufgeweckten Eindruck.“ Zumindest das hatte Taka bei den letzten, ungeplanten Treffen so mitbekommen. „Viel zu aufgeweckt. Er lässt mich nachts kaum mehr schlafen. Andauernd legt er sich auf mein Gesicht. Das macht das Atmen nicht einfacher“, beschwerte sich der Größere und Takanori musste lachen. Er himmelte seinen Nebenmann regelrecht an. Tierlieb war er auch noch und die Vorstellung war zu herzerwärmend, wie die beiden in einem Bett lagen und Koron Akira voll unter Kontrolle hatte. Jedenfalls in seinem Kopf malte er sich das Bild untermalt mit Herzchen aus. „Ach komm. Das ist schon süß. Er meint das sicherlich nicht böse und will nur bei dir sein.“ „Daran zweifle ich noch. Vielleicht will er mich töten um an das Erbe ranzukommen.“ Wieder ließ Akira sein dunkles Lachen verlauten. „Gibt’s da denn so viel zu erben?“ Unangebrachte Frage. Aber immerhin scherzten sie bereits miteinander. Das beruhigte Taka ziemlich und seine Aufregung war koplett verflogen. „Och, das ein oder andere Motorrad. Der Mustang…“, dachte Akira nach und Taka klappte der Mund auf. Okay, das war definitiv heiß, wenn er sich diesen Typen auf einem Motorrad vorstellte. Gab es an diesem Kerl auch noch einen Haken? „Davon musst du mir unbedingt mehr erzählen. Aber lass erstmal rein gehen!“ Mittlerweile waren sie an dem Café angelangt, welches Takanori sich für ihr Date ausgesucht hatte. Es war nun nicht so, dass er diesen Ort besonders mochte oder ihn irgendwelche Erinnerungen hier her trieben, aber es bot sich aufgrund der Nähe zu seinem zu Hause an, den einen oder anderen Kaffee hier zu trinken. Drin steuerte der kleine Blonde die hintere, abgelegene Ecke an, in der sich ein paar Sitzplätze befanden, bei denen man ungestört war, da man sie auch nicht vom Eingang aus sehen konnte. Glücklicherweise waren zwei Plätze mit Sesseln frei und das Mädchen mit ihrem Laptop unweit von diesem Platz störte nicht weiter. Anscheinend lernte sie gerade eh für die Schule. Taka nahm seine Umhängetasche ab und ließ sie auf den Boden sinken, während sein Gegenüber nur seine Lederjacke auszog und diese über die Lehne schmiss. „Ich empfehle den Karamell-Latte. Der Ist echt gut. Heiß und auch kalt…“, blubberte der Kleinere, während er sich langsam hinsetzte. Bloß keine unüberlegten Bewegungen. Aus Erfahrung wusste er, dass er dazu neigte, schnell Sachen runter zu schmeißen. Und auf dem Tisch lagen doch ein paar Karten verstreut. „Bist du denn öfters hier?“, fragte Akira schließlich nach und zog damit wieder Takanoris Blick auf sich. Mit dem schlichten schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt, sah Akira gleich noch attraktiver aus. Taka konnte sich einfach nicht helfen. Es fiel ihm auch schwer seinen Blick von ihm zu nehmen. Jetzt, wo die Lederjacke weg war, konnte er auch endlich seine Figur besser ausmachen und die breiten Schultern, die wie ein spitzes V nach unten zu seinen Hüften… „Eh….“ Da war ja noch eine Frage. „Ja, schon. Einmal pro Woche sicherlich. Aber alleine. Und meist dann auch to go.“ Besser keine falschen Äußerungen fallen lassen. Nicht, dass sein Date noch dachte, er war Dauergast mit irgendwelchen Kerlen und das Ganze endete dann in einem billigen Hotel. „Verstehe. Ohne Kaffee geht es nicht, hn?“, mutmaßte der Braunhaarige und verschränkte seine Finger auf dem Tisch miteinander. Taka wusste nicht, warum sein Blick ausgerechnet auf Akiras Hände fiel, aber sie erinnerte ihn an etwas. Doch noch bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, trat die Bedienung zu ihnen heran und unterbrach sie. „Habt ihr euch schon entschieden?“, fragte das junge Mädchen in der rosa Schürze und lächelte die beiden an. „Für mich dann bitte den Karamell-Latte heiß und in groß“, gab Taka seine Bestellung auf und ebenso wie die Bedienung blickte er zu dem anderen. „Für mich erstmal nichts. Danke.“ Die Bedienung nickte, vermerkte, dass sie zwei Gläser Wasser bereitstellen würde und verschwand vorerst mit einem Hinweis, dass sie kurz warten sollten. „Du möchtest nichts?“, stutzte Takanori dann aber schon. Ob es an ihm lag und seine Begleitung einfach nur schnell wieder weg wollte? „Passt schon. Mit dem Ding kann man nicht so gut trinken.“ Akira deutete auf seinen Mundschutz. „Bist du krank? Du kannst ihn ruhig auch abnehmen. So schlecht sind meine Abwehrkräfte nicht“, bot der kleine Blonde an, doch er konnte an Akiras Augen erkennen, dass ihn das amüsierte. „Nein, daran liegt es nicht.“ Es war nur zu leicht zu erkennen, dass sich Taka nun aber auch eine Erklärung wünschte. Allein sein skeptischer Blick verriet das. So beugte sich Akira etwas weiter vor und deutete auch seinem Gegenüber an, dass der etwas näher zu ihm herankommen sollte. Dieser stummen Geste folgte der Kleinere sofort. „Weißt du, es darf keiner wissen, aber… ich arbeite Undercover“, folgte die Erklärung und Takanoris Augenbraue wanderte nach oben. Das war der Grund? „Nicht dein ernst!“, machte er seinem Unglauben Luft und lehnte sich zurück. Seine Hände verschränkte er im Schoß, während er den Witzbold eindringlich musterte. Der verarschte ihn doch! „Undercover?“, hakte er dann aber doch nochmal nach. „Pscht! Nicht so laut! Du weißt doch, alles top secret!“, sagte Akira verschwörerisch und blieb bei seiner Version. Taka aber schüttelte seinen Kopf. „Wer soll dir das bitte abnehmen? Guck dich an! Dein Erscheinungsbild eignet sich nicht gerade für Undercover. Das schreit eher nach „Hier! Guckt mich an!“. Also?“, forderte Takanori die Wahrheit ein. Ein wenig verstimmt verschränkte der Designer nun seine Arme vor der Brust. Er wollte sich nicht verschaukeln lassen. Die Lügen, die er bereits in der Modebranche gehört hatte, reichten aus. Sowas brauchte er nicht privat auch noch. Akiras Blick aber ging zur Bedienung, die den bestellten Kaffee sowie zwei Gläser Wasser brachte. So lange die Frau in Hörweite war, äußerte er sich nicht. Schließlich räusperte er sich, um ihr Gespräch wieder aufzunehmen. Die Abwehrhaltung des Designers war nicht zu übersehen. „Okay, erwischt. Es gibt nen anderen Grund.“ Akira lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. „Geht aber trotzdem drum, dass mich keiner erkennen soll. In Amerika bin ich kein unbeschriebenes Blatt und da muss ich immer vorsichtig sein, wenn ich auf die Straße gehe. Ich weiß nicht, in wie weit ich mich hier frei in der Öffentlichkeit bewegen kann. Ich hab dir ja gesagt, dass ich beruflich in Japan bin.“ Takanori starrte sein Date in die Augen, doch er konnte keinen Funken Unsicherheit darin erkennen. Also log er nicht. Taka ließ seine Arme wieder sinken, nickte leicht. Noch dazu war er ihm auch keine Rechenschaft schuldig. Das musste er sich auch vor Augen führen. „Na, okay. Ich denke, sowas kann schon unangenehm sein. Aber dann hätten wir auch woanders hingehen können.“ Natürlich wollte er, dass sich Akira wohl fühlte und nun saßen sie hier unter solchen Umständen. „Ach was. Mach dir keinen Kopf. Ich mag Kaffee eigentlich auch ganz gern.“ „Sollen wir vielleicht einen Strohhalm organisieren?“, schlug Takanori vor. Doch wieder vernahm er nur das leise Lachen des anderen. Das hörte sich aber auch so angenehm in seinen Ohren an. „Ich mag deine Art zu denken. So lösungsorientiert!“ Sofort musste der Blonde grinsen und beugte sich nach vorn zu seinem Kaffee. „Ich will nur nicht, dass du dir das entgehen lässt…“, versuchte er sich am Flirten. „Das schätze ich sehr. Ich passe dennoch. Der Stress bei meiner Suche hat sich leider etwas auf meinen Magen gelegt“, wies Akira das Angebot jedoch zurück, woraufhin Taka seinen Kopf schief legte. „Läuft nicht?“, erkundigte er sich, hob seine Tasse nun aber mit beiden Händen an und nippte an seinem Heißgetränk. Akira legte seinen Arm über die Lehne des Sessels und schüttelte seinen Kopf. „Nein. Das Gespräch lief nicht so berauschend bei NG. Das hatte ich ja schon erwähnt. Und bei den anderen Firmen, bei denen ich angefragt habe, hieß es entweder direkt, dass sie kein Interesse oder keine Ressourcen haben. Ich nehme aber mal eher an, dass die Schiss vorm Ausland haben.“ Der scharfe Tonfall seines Gegenübers entging auch Taka nicht. „Meinst du?“, warf er daher ein. „Ich denke schon. Die glauben, die Arbeitsweise ist total anders und dann noch das Hindernis der Fremdsprachen. Uhw, sie könnten ja über den Tisch gezogen werden. Was mich am meisten ankotzt ist, dass die nicht Tacheles reden, sondern immer nur herumdrucksen“, machte sich der Größere einmal Luft. Das imponierte Takanori dann doch. Nur selten traf man jemanden, der einem seine ehrliche Meinung sagte. Das wiederum schätzte der junge Japaner. Da wusste man zumindest, woran man war. „Vielleicht hast du wirklich Recht. NG ist auch so. Wenig Risiko und alles nur zum Wohle der Firma. Dabei denkt man, dass gerade in der Modebranche alles anders sein sollte. Die erfolgreichsten Designer kommen schließlich aus Europa. Da möchte man meinen, dass da einiges rüber schwappt.“ „Ist nur leider nicht so. Alle sind viel zu reserviert hier und riskieren nichts. Das ist echt deprimierend. Aber ich will dich auch nicht mit dem Business nerven…“, versuchte der Braunhaarige einen Themenwechsel vorzuschlagen. Takanori hingegen blockte dies ab. „Wohin denkst du? Ich finde das spannend. Schließlich interessiert mich das auch. Schon damals, als ich noch gemodelt habe, hab ich mir immer mal die andere Seite angesehen und mit den Designern gesprochen“, erinnerte sich der kleine Blonde. „Du hast mal gemodelt?“, hakte sein Date nach. Anscheinend konnte er damit Eindruck schinden. Dann mal los. Aber schön bescheiden bleiben. „Ja. Ist schon ein paar Jahre her, aber angefangen habe ich noch während der Schulzeit. Zusammen mit Freunden. Ich weiß nicht, ob dir Takashima Kouyou etwas sagt, aber das ist ein Freund von mir! Er ist in Amerika wohl recht bekannt.“ Unter Umständen konnte man auch mit Kouyou angeben. Doch Akira zuckte nur mit den Schultern. „Sorry, den Namen habe ich noch nie gehört. Aber was ist mit dir?“ Okay, der Plan ging daneben und Taka zog eine leichte Schnute. Angeben hatte er eigentlich auch gar nicht nötig. Vielleicht doch lieber bei der Wahrheit bleiben. „Nichts ist mit mir. Ich hab aufgehört mit dem Modeln. Bei einem Shooting gab es einen Zwischenfall und danach ging das einfach nicht mehr. Nun arbeite ich eben auf der anderen Seite. Mode entwerfen macht schließlich auch Spaß und Konzepte entwickeln.“ Er versuchte sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Mit den Geistern seiner Vergangenheit wollte er garantiert nicht seinen potenziellen neuen Freund vergraulen. „Schon schade. Ich kann mir dich richtig gut als Model vorstellen. Jetzt nicht als eines dieser Durchschnittsmodels. Eher so für speziellere Sachen. Du weißt schon, die Sachen, die dann auch interessant sind.“ Frech zwinkerte Akira seinem Gegenüber zu und sofort machte Takas Herz einen Hüpfer. Sofort trank er auf den Schrecken von seiner Tasse. Das war doch ein Kompliment, oder nicht? Sein Blut geriet schon allein bei sowas in Wallung? Was war bitte los? „Die Zeiten sind vorbei. Jetzt mache ich lieber selbst Mode. Zwar nicht so erfolgreich wie erhofft, aber vielleicht ändert sich das irgendwann noch“, sagte er kleinlaut. Besser man behelligte das Objekt seiner Begierde nicht mit seinen alltäglichen Problemen auf Arbeit. Schließlich sollte man doch einen guten Eindruck hinterlassen. Also auch das Pokerface aufrecht erhalten. „Aber hast du denn schon eine Notlösung, wie du weitersuchen könntest?“, legte Taka das Hauptaugenmerk wieder auf Akiras Belange. „Noch nicht wirklich. Ich werde wohl doch auf freischaffende Designer zurückgreifen müssen. Eben Leute, die Bock haben und nicht an irgendwelche Firmen gebunden sind. Vielleicht fahre ich mit denen besser. Nur aktuell fehlt mir das Knowhow dafür“, gestand der Braunhaarige und sah, wie es regelrecht in dem Kopf seines Gegenübers anfing zu rattern. Ohne dass es beabsichtigt war, schaltete sich Takas Helfersyndrom ein. Jedoch gefiel ihm der Gedanke, der ihm gerade gekommen war, nicht sonderlich gut. Es wäre ein Ansatz, aber ob sich daraus etwas Gutes entwickelte, stand auf einem anderen Blatt. „Also… Ich kenn schon noch ein paar Designer, die sich bereits einen Namen gemacht haben und sicherlich bei Collaborations nicht nein sagen würden“, erklärte der Kleinere unsicher und strich mit seinem Zeigefinger über den Rand seiner Tasse. „Weiß nur nicht, ob die bereit sind, auch exklusiv für jemanden zu arbeiten.“ „Oh… Erzähl mir mehr!“, biss Akira sofort an. „Na ja, als ich recht frisch in diesem Gebiet Fuß gefasst habe, bin ich immer mal zu Partys mitgenommen worden. Dort haben sich einige Designer und wichtige Leute aus der Branche getroffen. Also ein paar Bekannte von mir waren immer dabei. War ne gute Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und Networking zu betreiben. Mit Kontakten kommt man hier doch leichter weiter. Wenn du möchtest, dann kann ich mich mal erkundigen, ob es diese Veranstaltungen immer noch gibt und wo die stattfinden.“ Ein ungutes Gefühl machte sich breit. Wollte er sich wirklich auf diese Nummer einlassen, um bei seinem Schwarm zu punkten? „Klingt gut. Einen Versuch ist es jedenfalls Wert.“ „Klar, kein Thema.“ Da hatte Akira wohl nun die Entscheidung für ihn getroffen. „Ich frag einfach mal an und halt dich dann auf dem Laufenden. Bist du zeitlich denn sonst sehr eingespannt?“, fragte Takanori nach und sah nun doch wieder zu seiner Begleitung. Der war eh viel hübscher anzusehen als der doofe Kaffee. Ungutes Gefühl hin oder her. Er hatte eh gelernt, dass seine Gefühle ihn nur zu gern hintergingen. „Geht so. Ein paar Sachen fallen immer an und ich muss in absehbarer Zeit auch wieder zurückfliegen, aber ich hatte gehofft, dass ich bis dahin einen Designer gefunden habe und den gleich einpacken kann.“ Taka lächelte leicht. „Verstehe. Die Zeit drängt also. Vielleicht kannst du mir ja mal ein paar Sachen zeigen, was du dir so vorstellst?“ Unsicher sah er in die Augen des Größeren, der nun auch wieder näher heranrückte und sein Smartphone zwischen sie auf den Tisch schob. „Ich erwarte aber, dass du das niemanden verrätst“, stellte Akira eine Bedingung und öffnete einen Ordner auf seinem Handy. „Moment! War das gerade dein Motorrad?“, fragte Taka aufgeregt, da er meinte ein Bild erhascht zu haben. Akira war auch gewillt einen Ordner zurück zu gehen, verdeckte jedoch mit seiner Hand das Display. Und das Einzige, was Takanori in diesem Moment auffiel, waren die langen, filigranen Finger des anderen. Sicherlich fühlte es sich auch total toll an, von diesen berührt zu werden. Da ihm seine Gedanken doch ein wenig peinlich waren, ließ er ein paar seiner Ponyfransen in sein Gesicht fallen. Nicht, dass Akira noch merkte, wie er hier rot anlief. Das zu erklären, würde nur noch peinlicher werden. Wider Erwarten wurde ihm aber nur ein Foto eines schwarzen Motorrads ins Blickfeld geschoben. „Mein neues Baby. Hab ich vor eineinhalb Jahren direkt nach der Messe gekauft und importieren lassen. Teurer Spaß, sag ich dir. Aber allein die Optik ist der Hammer! Das Design macht voll was her und generell auch die schnittige Form“, geriet Akira direkt ins Schwärmen. Taka konnte das aufblitzen der Euphorie sofort in den Augen des anderen sehen. Es beschlich ihm das Gefühl, dass er gerade die Büchse der Pandora geöffnet hatte. „Und das ist meine Kawasaki Ninja. Eigentlich mein Liebling. Sie liegt übel gut auf der Straße. Ich hab sie damals günstig erworben, auch wenn ich die grüne Lackierung nicht so geil fand, die Eckdaten haben mich überzeugt. Ein Kumpel, so ein Internetfreak, hat mich dann drauf gebracht, dass man sie ja foliieren könnte. Na ja, hab ich dann auch gemacht. Also so sieht sie jetzt aus. Davor war sie grasgrün. Da finde ich es mit schwarz, grau und rot doch geiler. Danach hab ich mir noch ein älteres Modell gekauft. Auch von Kawasaki. War bei ner Auktion. Das hab ich dann mit Airbrush verschönern lassen. Leider hat’s mich einmal voll hingelegt und natürlich ist der Rahmen nun total verzogen. Kann man also vergessen. Nun steht sie in der Garage und verstaubt. Und das hier war mein allererstes Motorrad. Ein Geschenk von meinem Bruder. Natürlich hatte er keinen Peil von dem Zeug und hat sich die Kleine aufschwatzen lassen. Letztendlich hab ich stunden daran rumgeschraubt, ehe ich ordentlich damit fahren konnte. Das war vielleicht ne Arbeit. Da dachte man, dass sie nun fahrtüchtig ist, 10 Kilometer später war wieder was defekt. Du glaubst gar nicht, was ich daran alles ausgetauscht habe. Nie wieder, ey. Danach bin ich aber auch sofort auf die wirklich zuverlässigen Marken umgestiegen. Aber ich hab davon auch mehr Ahnung als der werte Herr. Da kommt mir so nen Schrotthaufen sicherlich nicht mehr ins Haus…“ ----------------------------------------------------------- Nach langer Abwesenheit gibt es nun wieder ein update. Ich hoffe, der der neue Teil fällt nicht allzu enttäuschend aus und schürt weitere Spekulationen. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich noch nicht wieder in die Story zurückgefunden habe, bemühe mich aber alles zu einem ordentlichen Ende zu bringen. ^^ Viel Spaß beim Lesen. Kapitel 18: ------------ Undone Kapitel 18 Taka schloss die Tür hinter sich. Anders als sonst üblich aber lehnte er sich an das steife Brett und schlug seinen Hinterkopf dreimal dagegen. Anders konnte er seiner Enttäuschung keinen Ausdruck verleihen. Das war das wohl schlechteste Date seines Lebens. Ach was, aller Zeiten! Er wollte schreien! Und solche Momente kamen wirklich selten bei ihm vor. Was hatte er bitteschön schon wieder verbrochen, dass er das verdiente? Wieso folgte auf Mr. Wrong auf einmal Mr. Total Wrong? Das war alles einfach nur unfair! „Fuck, ey…“, jammerte er, drehte sich einmal um und schlug nun auch noch dreimal seine Stirn gegen die Tür. Aber die ernüchternde Erfahrung seines vergangenen Dates konnte er damit nicht vertreiben oder gar ungeschehen machen. „Warum immer ich?“, ließ er seinem Selbstmitleid freien Lauf. Dennoch versuchte er ruhig zu atmen. Geschehen war geschehen und zum Glück musste sein potenzieller neuer Freund zurück zu seinem Hund. Anderenfalls wäre er wohl vor Langeweile vom Stuhl gekippt. Selbst die drei Kaffee, die er während ihres Treffens im Café hatte, vermochten es nicht mehr, die Müdigkeit ausgelöst von dem Gebrabbel Akiras von ihm fern zu halten. Er blies seine Bäckchen auf und pustete die Luft wieder aus. Unglaublich. Wie war er nur wieder in so eine dämliche Situation geraten? Wieder mal ein typischer Fall, dass er seine Wünsche überdenken sollte. Von wegen tolles Date mit Mister Perfect. Pustekuchen! Er machte sich nun doch daran, seine Schuhe auszuziehen, da seine Blase drückte. Konnte man ihm nicht verdenken. Zumindest diese Erleichterung war ihm vergönnt. Dennoch spazierte er Kopfschüttelnd durch seine Wohnung und repetierte die vergangenen drei Stunden. Drei weitere Stunden seines Lebens, die er vergeudet hatte. Wieso sollte es auch mal anders laufen? Doch nicht in seinem Leben! Heute Morgen noch hatte er diesen Akira Suzuki als den perfekten Freund auf dem Schirm gehabt, doch nach dem längeren Gespräch, welches sich anfänglich nur um Motorräder drehte, wurde ein noch längeres Gespräch über’s Angeln, gefolgt von Golf. Genau das Golf, bei dem man über Grashügel dappte und versuchte, kleine Bälle mit einem Stock in ein kleines Loch zu schubsen. Nicht etwa ein Auto oder der Golf von Mexiko. Beide anderen Varianten wären um ein Vielfaches besser gewesen, aber auch das war ihm nicht vergönnt. Wobei dieses Date wohl eh nichts mehr hätte retten können. Nicht einmal, wenn Akira aufgestanden wäre und seine Hose runtergelassen hätte. So gut sich der Klang von Akiras Stimme in seinen Ohren anhörte, es half nicht über diesen Monolog der Dinge, die ihn nicht interessierten, hinweg. Noch dazu warf es ein schlechtes Licht auf Akira. Proll! Aber sowas von. Oder es war „the american way of life“. Keine Ahnung! Er wollte es auch nicht wissen. Er fuhr Bahn, hatte nicht einmal einen Führerschein oder Interesse an dem Chaos der Blechhaufen in der Großstadt teilzunehmen. Er fand es auch nicht erstrebenswert am frühen Morgen im Nebel in einem Boot zu sitzen, sich den hübschen Hintern abzufrieren und darauf zu warten, dass irgendein alter Stiefel an einer Schnur hängen blieb. Und noch weniger interessierte er sich dafür, welche Bälle in irgendwelche Löcher fielen und wie viele Punkte man bekam, wenn man jemand anderen den Stock über den Schädel zog, nur um ein Handicap zu verteilen. Bei ihm ging Einlochen definitiv anders. Er konnte einfach an keinem von Akiras Hobbies auch nur eine positive Nuance ausmachen. Das machte ihn fertig. Wie konnte ein so heißer Typ nur so verkorkst sein? Total angespannt strich er sich über seine Stirn und anschließend seine Haare zurück. Und da dachte er schon, seine Hobbies wären abtörnend. Dieser Suzuki war ein totaler Langweiler. Das große Plus aber war nun einmal der verdammt attraktive Body dieses Typen. Wenn man das denn so sagen konnte. Immerhin hatte er ihn nach wie vor nur ordentlich angezogen erlebt. „Pah… Ordentlich angezogen!“, keifte Taka selbst seine gedachten Worte aus und ärgerte sich nur noch mehr darüber, dass er ihm nicht einmal sein Gesicht gezeigt hatte. Was sollte dieses bekloppte Versteckspiel überhaupt? „Klar, anscheinend so ne reiche Kackbratze. Daher auch der Mist mit dem Angeln und nur am Protzen mit seinen scheiß Motorrädern! Vielleicht kompensiert er damit irgendwas! Sicherlich hat er nen total kleinen Schwanz und kann damit nich mal umgehen. Da merkt man gar nichts, wenn der ihn reinsteckt!“, redete er sich seinen Frust von der Seele. Missmutig riss er die Tür zu seinem kleinen Beistellschrank auf. Sein Alkoholvorrat für den Notfall war auch ganz schön geschrumpft. Kouyou hatte seinen Beitrag dazu geleistet. Was würde er jetzt dafür geben einen besten Freund zu haben, bei dem er sich so richtig auskotzen konnte. Aber nein, auch das hatte er nicht. So musste er auf stupide Mittel zurückgreifen. In der Not fraß der Teufel eben Fliegen. So schnappte er sich die einzige Flasche mit Blubberwasser und drehte den Verschluss auf. Dann setzte er auch schon an. Taka schmeckte nicht sonderlich viel, aber die Kohlensäure erfrischte ihn. Mit seinem neu gewonnenen Freund, der ihm sicherlich zuhören würde, setzte er sich auf die Couch und nippte immer mal wieder an der Flasche. „Scheißdreck!“, fluchte er. Unweigerlich erinnerte er sich selbst an den Taka vor ein paar Jahren, der von einer Party zur nächsten gezogen war. Natürlich immer in Begleitung der anderen Designer. Das Hauptaugenmerk lag auf den Spaß und den erreichte man nunmal am schnellsten mit genug Alkohol und in Begleitung von ein paar Kerlen, denen die Hochnäsigkeit nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben war. Wenn man zum inneren Kreis gehörte, war Spaß garantiert. Bis zu dem Punkt, an dem der Spaß eben doch zu viel wurde und er die Notbremse gezogen hatte. Gut, dass er sich an einige Dinge nur noch schemenhaft erinnern konnte und sich der Nebel in seinen Kopf nur noch mehr über genau diese Erinnerungen legte. Verdrängung als Selbstschutz. Erbärmliche Zeit. Vorwurfsvoll sah er auf die Flasche. Erbärmlich, wie er selbst. Scheiß drauf! Vorbei war vorbei und ob er die Flasche nun hinter kippte oder nicht, es änderte gar nichts. Weder an ihm, noch an seinen Gefühlen oder der aufkeimenden Enttäuschung in sich. Manchmal hasste er sich und seine Ansprüche und die Menschen in seinem Umfeld sowieso. Wie einfach wäre es doch, zu verschwinden. Dann gäbe es keine Enttäuschung mehr. Von Zeit zu Zeit keimte dieser Gedanke in ihm auf. Es hatte nichts zu tun mit Selbstmitleid, sondern war eine nüchterne Tatsache, die ihn einholte. Ein unterschwelliger Wunsch, der immer da war, aber erst wirklich laut wurde, wenn er darüber nachdachte. Vielleicht lag es aber auch nur an seinen verqueren Vorstellungen vom Leben. Es schenkte einen so viele schöne Momente, aber im nächsten Moment bekam man wieder einen Schlag in die Fresse. Das wiederum erinnerte ihn daran, dass er nicht nur das schlimmste Date aller Zeiten hinter sich gebracht hatte, sondern auch, dass er Versprechungen gemacht hatte. Ein erneutes Treffen – super. Er hasste seine Verlogenheit und dass er nicht die Courage aufbringen konnte, Suzuki einfach zu sagen, dass das Treffen beschissen war und er das hier und jetzt beenden würde. Nein, natürlich lief das gemäß seiner Kultur ab: lächeln und lügen. Immer schön freundlich bleiben. Messer bitte nur in den Rücken. Genau diese Verlogenheit hatte ihn in die Fänge des Networkings gebracht. Beruflich helfen, kooperieren und sich unterstützen: In seinem Fall – Er würde seine Kontakte spielen lassen, damit sich Suzuki in die Szene in Tokio einschleimen konnte. Wer bot sich da denn anderes an, als Takeru. Arschloch, aber erfolgreich damit. Wie das wiederum zusammenpasste, wollte er nicht erörtern. Mit nett sein kam man anscheinend nicht weiter, nur hatte Taka das Gefühl, dass er seine Seele gerade an den Teufel verpachtet hatte. Dabei hatte er noch nicht einmal das notwendige Telefonat geführt. Nach einem erneuten tiefen Durchatmen setzte er die Flasche an und leerte einen Großteil von dieser. Er merkte auch, wie seine Gliedmaßen leicht wurden. Ein gutes Zeichen. Jedenfalls, wenn er sich wirklich diesem Telefonat stellen wollte. Na ja, wollen war da ein weit gefächerter Begriff. Versprechen sollte man schließlich halten. Bla bla bla… Getreu dem Motto des Mut Antrinkens leerte er einen weiteren Teil der Flasche und stellte sie schließlich auf seinem Wohnzimmertisch ab. Die Hälfte dürfte erstmal reichen, um diese Sache hinter sich zu bringen. Nüchtern auf gar keinen Fall. Die andere Hälfte würde folgen, nachdem er mit der wohl verhasstesten Person seiner Kontaktliste gesprochen hatte. Ein wenig desorientiert suchte er die Visitenkarte heraus, die ihm Takeru zugesteckt hatte, als sie sich das letzte Mal so überraschend getroffen hatten. Besser, er hätte sie gleich mit seinem Feuerzeug angezündet. Dieser Typ zog Ärger magisch an. Das wusste er im Nachhinein nur zu gut. Koordinierter als eigentlich erwartet tippte Taka die Nummer in sein Handy und wartete auf das Freizeichen. Kaum hatte er sich wieder auf die Couch gesetzt, meldete sich sein Gesprächspartner mit einem sorgsam einstudierten Begrüßungssatz. Das Augenrollen konnte Taka nicht unterdrücken. „Takeru… Taka hier…“, sprach Takanori langsam und zog seine Beine nun mit zu sich auf die Couch. >Oh, Taka-chan! So schnell hätte ich gar nicht mit deinem Anruf gerechnet.< Takeru klang erfreut, was wiederum an dem Blonden abprallte wie eine Kugel an kugelsicherem Glas. Er machte nach wie vor keinen Hehl daraus, dass er sich ihm überlegen fühlte und Taka sah sich wieder in der Rolle seiner kleinen Puppe, die alles mit sich machen ließ. „Hm… Eh, ja.“ Ernüchterung machte sich in ihm breit. „Nach unserem letzten Treffen, musste ich oft an dich denken.“ Eigentlich nicht, aber was tat man nicht alles, um aus der selbstgebauten Falle zu entkommen. >Taka-chan, du bist immer noch genau so süß wie damals. Immer noch der Romantik so zugetan?< Takanoris Gesicht sprach wohl Bände. Gut, dass er nichts von Videotelefonie hielt. Wenn er eines wusste, dann war es, dass Takeru unter Romantik definitiv etwas anderes verstand als er. >Ich würde dich gern nochmal bei Mondlicht ficken. Erinnerst du dich dran, wie dein Sperma an der Glastür nach unten gelaufen ist?< Taka atmete lautstark aus. Sein Daumen war schon in Stellung das Gespräch zu beenden, aber da war ja noch dieses blöde Versprechen, welches er vor dem Bike-Fisch-Golf-Desaster gegeben hatte. „Du, Takeru…“, riss er sich also zusammen. „Veranstaltest du denn immer noch diese Partys?“, rückte Taka mit der Sprache raus. Es war ihm egal, wenn dieser Themenwechsel plump war. Es war ihm scheißegal, was Takeru von ihm dachte oder ob er in ihm je mehr sehen würde als ein Stück Fleisch. Hier ging es um etwas anderes, als um ihn und daher konnte er wohl den gewünschten Abstand wahren. Außerdem wussten sie beide von was sie hier redeten. >Offizielle oder Inoffizielle?<, fragte Takeru amüsiert. Als Taka aber schwieg, musste er lachen. >Okay, verstehe. Nimmt sich mittlerweile nicht mehr viel. Aber klar, mach ich noch. Soll ich deinen Namen auf die Gästeliste schreiben?<, erkundigte sich der Designer, weil es nur darauf hinauslaufen konnte. Es war doch immer schön, wenn ein Schäfchen zurückkehrte. „Ja, bitte. Plus eins“, gab er seinem Gesprächspartner zu verstehen, dass er auch gern noch einen Freund mitbringen wollte. >Oh, das kommt überraschend. Aber gerne. Lohnt es sich?<, fragte Takeru mit diesem gewissen Unterton, der nicht viel Spielraum für Spekulationen ließ. „Er ist nur auf Besuch hier. Aber vielleicht… lohnt es sich“, griff Taka überlegend die Wortwahl des anderen auf. Er wusste, dass Takeru von Sex sprach, er wusste aber auch, dass Suzuki Kontakte für sein Business wollte. Wo sie sich dann treffen würden, vermochte er nicht zu sagen, wobei sein Magen schmerzte, wenn er sich auch nur vorstellte, dass die beiden die Bettlaken miteinander zerwühlten. Golf-Trauma hin oder her. Seine Hormone schlugen Purzelbäume, wenn er auch nur an Suzuki dachte. Diese starken Hände und wie sie über seinen Körper wandern würden… „Fuck…“, wisperte er und biss sich auf die Lippen. >Huh?... Also brauchbar für’s Bett?<, hakte Takeru nach, da er mit dem Einwurf von Taka nicht viel anfangen konnte. „Ich glaube, er ist aktiv. Ich weiß nicht, ob das…“ >Mach dir da mal keine Gedanken, wäre nicht der Erste, den ich dazu bringe, den Arsch hinzuhalten.< Ein fast schon pathetisches Lächeln legte sich auf Takanoris Lippen und er griff wieder zur Flasche und trank einen Schluck. Erinnerungen konnten einen ja so hart treffen. „Klar, du hast deine Mittel und Wege.“ Eher Mittel als Wege. Aber auch diese Kritik schien Takeru nicht sonderlich zu stören. >Ist es der Typ von neulich? Dieses Model? Hübsche Lippen. Ist eine Sünde wert.< Takanori zog scharf die Luft zwischen seinen Zähnen ein. Er mochte es nicht, wenn Takeru so über seine Freunde redete. Aber er redete ja über alle so, so von oben herab. Als wäre er der König der Welt. „Nein, ein anderer Bekannter. Ich stell ihn dir vor.“ Zwangsweise. Wie er diesen Vitamin-B-Scheiß hasste. Aber besonders in dieser Stadt kam man ohne Kontakte einfach nicht weiter. >Schade. Ich hatte Hoffnung ihn etwas besser kennenzulernen. Kann man nichts machen. Ich maile dir die Daten. Und ich nehm mir extra Zeit für dich…<, versprach der Designer. „Freu mich.“ Die wohl größte Lüge des Tages. >See you, Taka-chan!< Taka lauschte ein paar Sekunden der Stille, dann nahm er sein Mobile Phone vom Ohr und sah auf das Display. Der Anruf war beendet und die Beleuchtung ging aus. „Geh sterben, Wichser! Ich hoffe, jemand beißt dir den Schwanz ab und spuckt ihn ins Klo!“, sprach Taka hasserfüllt vor sich hin. Schwule waren so verdammt auf das Körperliche fixiert, dass es schon abartig war. Klar gab er sich auch gern seiner Lust hin, aber dennoch wünschte er sich, Liebe zu machen. So richtig. Mit jemanden, den er liebte, der ihn liebte. Und nicht dieses stupide Rein-Raus, dass er immer wieder über sich ergehen lassen musste. Er wollte wirklich nicht wissen, was passierte, wenn er sich wieder in die Höhle des Löwen begab. Mit Feuer spielte man eigentlich nicht, vor allem nicht, wenn man sich bereits verbrannt hatte. „Träume sind scheiße! Akira, auf dich! Danke, dass du mich allein gelassen hast in dieser Gosse!“ Ruki hob die Sektflasche, feuerte mit der anderen Hand sein Handy auf die Couch und setzte die Flasche an. Wenig später war sie leer und Taka leckte die letzten Tropfen von seinen Lippen. Mit wachem Blick checkte er die Prozentangabe auf der Flasche und lächelte nur müde. War nun eh egal. Leer war leer. „Wunschträume sind so beschissen! Taka, wann lernst du es endlich, dass du dir keine Fantasien ausmalen sollst! Keine doofe Lovestory, in der du glücklich bist. Leben ist anders. Leben ist grausam. Du wirst weiter von irgendwelchen Kerlen gefickt werden oder sie ficken und bei der erstbesten Gelegenheit geben sie dir den Laufpass. Dann biste wieder alleine und kannst wieder rumheulen, wie sehr du Akira vermisst. Woahr, Alter, wann hört der Scheiß nur auf?“ Taka beugte sich nach vorn und patschte sich schließlich mit beiden Händen gegen die Wangen. „Einfach nur alles vergessen. Andere Leute kriegen das doch auch hin. Ohne Beziehung und den ganzen Scheiß? Warum ich nicht?“ Kraftlos ließ er sich seitlich auf die Couch fallen und blieb in einer unangenehmen Position liegen. „Ich hätte mit Kou nach Amerika abhauen sollen.“ Er musste lachen. „Vielleicht wäre das die Chance aus diesem Drecksloch gewesen und ich hab nein gesagt. Ich bin so bekloppt….“ Wieder musste er lachen. Gut, der Alk wirkte. Jetzt sah er alles klar. „Nein… ich bleib lieber hier, bei meinem beschissenen Job, in meinem beschissenen Tokio, wo ich eh nix erreiche und irgendwann auf der Straße ende. Ach ja… Nicht zu vergessen: Wunschtraum Nummer 1: Sich ordentlich ficken lassen von Mister Unbekannt, der sogar zu arrogant ist, um mir seine beschissene Visage zu zeigen. Der ist bestimmt total hässlich und kann‘s nem Mann gar nicht richtig besorgen. Kleiner Schwanz, null Taktgefühl und noch nie nen Schwanz im Mund gehabt. Und Pickel am Hintern hat er sicherlich auch! Und behaarte Oberschenkel und nicht zu vergessen der Urwald um seinen Mini-Pimmel! Scheiße, Taka, du bist sowas von am Arsch! Hör gefälligst auf, dich zu verlieben. Das hat dich bisher auch nicht weiter gebracht und am Ende treffen wir uns genau wieder hier. Hier, auf der Couch mit ner leeren Pulle. Oder noch besser wie damals: vollgedröhnt beim Gangbang mit irgendwelchen Typen, die dich abfüllen wie ein Quarkbällchen…“ Taka musste lachen, bemerkte kaum, wie schon wieder heiße Tränen aus seinen Augen perlten. „Is doch kein Wunder, dass dich keiner will…“ Taka hievte sich von der Couch und wischte sich über die Wangen. „Ich würd mich nich mal selbst wollen!“, brabbelte er vor sich hin und streifte sich seinen Pulli ab. Er schwankte weiter durch sein Zimmer auf dem Weg zum Bett, blieb aber bei dem Zettelbällchen stehen, das auf dem Boden lag. Er erinnerte sich und ein pathetisches Grinsen legte sich auf seine Lipen. „Klar, Akira durch Akira austauschen. Nette Idee, du Vollidiot.“ Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Im Suff war die Idee super. Nur spielte keiner mit so wie er sollte. „Männer der Welt: Fickt euch doch einfach selbst! Ich spiel da nicht mehr mit!“, entschloss Taka in seinem Rausch und tänzelte hüftschwingend zu seinem Bett, auf das er sich rücklings fallen ließ. „Du Wichser hättest mich wenigstens ficken können. Wenigstens einmal! Aber nein!“, griff er wiederum einen seiner spontanen Gedanken auf. „Oder ich dich!“ Ernüchterung machte sich breit. „Okay, das hättest du nicht zugelassen, aber wär hammergeil gewesen. Oh, Fuck, du bist so betrunken, Taka. Schäm dich. Null Selbstkontrolle! Was soll nur aus dir werden?“ Ein regelrecht schon irres Kichern erfüllte den Raum. Seine Gedanken wurden immer wirrer. Aber wenigstens setzte auch eine angenehme Müdigkeit ein. „Ich könnt ihn mit seinem 9-er Eisen k.o. schlagen und ihn dann durchnehmen. Und diese blöde Maske vom Gesicht reißen. Oder ich schubs ihn von seinem Motorrad… oder gleich in den Teich.“ Wieder kicherte er. „Wenn der Typ doch nur nicht so nen Stock im Arsch hätte. Mah! Geist der Lampe, sag dem Kerl, dass ich auf ihn stehe und bereit bin, sein pralles Glied tief in mir aufzunehmen! Knutschen wär auch geil!“, philosophierte Takanori weiter, biss sich aber auf die Unterlippe. „Ach ja, mach auch gleich mit meinem Freund Schluss“, fiel im ein. Diese Sache mit Kloe kategorisierte er immer mehr als eine wilde Affäre. Ob er das alles noch weiterführen sollte? Gerade wusste er nicht mal mehr wo oben und unten war. Demnach war es nicht der richtige Zeitpunkt für Entscheidungen und so krabbelte er umständlich komplett auf sein Bett und drückte sein Gesicht in sein Kissen. ---------------------------------------- Wie die Zeit vergeht. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass das letzte Update schon so lange her ist. Ich hoffe, dass trotzdem noch jemand das Geschehen rund um Taka verfolgt. Ich versuche definitiv diese Sache hier zu Ende zu bringen, auch wenn die Gedanken ab und an woanders sind ^^ Über Feedback freue ich mich nach wie vor ^.~ Kapitel 19: ------------ Undone Kapitel 19 Szenario Nummer Eins: Ich schmeiß meinen Lieblingsspiegel auf den Boden, nehm die Scherben und schlitz mir die Pulsadern auf. Natürlich senkrecht, nicht waagerecht. Wenn, dann sollte man keine halben Sachen machen. Und meinen Eltern hinterlasse ich einen Brief mit dem Inhalt „Mama, Papa, es tut mir leid, aber ich will einfach nicht mehr. In Liebe, Euer Sohn Takanori“. Das wäre zumindest eine Möglichkeit und dann hoffen, dass sie mich spät genug finden und eine Reanimation unmöglich ist. Szenario Nummer Zwei: Ich packe meinen Koffer und verlasse das Land. Natürlich in Richtung Amerika. Kou wird mein Flugticket zahlen und mich erstmal bei sich aufnehmen müssen. Meinen Stolz schmeiße ich natürlich über Bord. Den brauch ich dann nicht mehr. Und dann such ich mir am anderen Ende der Welt einen Job und bin weg vom Schuss. Bei meinem Glück werd ich bestimmt auf offener Straße erschossen. Man hört ja immer wieder wie lasch die Waffengesetze in Amerika sind. Aber ich müsste mich zumindest nicht mehr mit dem Scheiß hier herumärgern. Verlockende Aussicht. Szenario Nummer Drei: Ich mache Schluss mit Kloe. Natürlich, nachdem ich erst nochmal eine heiße Nummer mit ihm geschoben habe. Dann teile ich ihm mit, dass ich ein ganz kleines Licht in der Modeszene bin und ich keine Verwendung für eine Null-Acht-Fünfzehn-Beziehung mit einem Möchtegern-Rockstar habe. Ich bin schließlich kein Groupie. Des Weiteren widme ich mich aufmerksam meiner Karriere und steig doch in das Schuh-Business ein. Vielleicht ist alles gar nicht mal so beschissen, wie ich es mir vorstelle. Szenario Nummer Vier: Ich kündige meinen beschissenen Job und zieh wieder bei meinen Eltern ein. Die sind sicherlich total glücklich, wenn ich ins familiäre Nest zurückkehre. Anschließend werde ich mich um einen Bürojob kümmern. Irgendwas Langweiliges. Etwas, wo alles nach Schema F abgearbeitet wird und es nur Schwarz und Weiß gibt. Gar nicht erst Nachdenken über andere Möglichkeiten. Oder Saftschubse in irgend einer Bar oder einem Restaurant. Da suchen die doch andauernd irgendwelche Leute. Und um das Ganze zu toppen werde ich mich bei einer Heiratsvermittlung anmelden. Irgendwann muss man schließlich sesshaft werden. Szenario Nummer Fünf: Ich sage Akira, dass ich ihn scharf finde, mache ihm unmissverständlich klar, dass ich nicht nur eine Nummer mit ihm schieben will, ich mich ihm aber erst hingebe, wenn er wirklich mal mit mir einen Kaffee trinken war. Bekanntheitsgrad oder Geheimmission hin oder her. Und wenn das ordentlich lief, bin ich vielleicht sogar gewillt, mich doch mal zu einer Partie Golf überreden zu lassen. Oder gegebenenfalls einem Ausflug mit dem Motorrad. Für seinen Lover sprang man schließlich gern über seinen Schatten. Szenario Nummer Sechs: Ich überdenke meinen Wunsch nach einer Beziehung und sage allen Männern und Frauen ab. Ich werde Priester oder sowas. Na ja, oder lebe einfach so in Abstinenz. Man muss ja nicht gleich immer zur Mönchskutte greifen. Das würde sicherlich auch notgedrungen so gehen. … Nein, das wäre doof. Also, wenn, dann möchte ich doch lieber irgendwen haben. Irgendwann halt. Ob Besuche im Schrein und Beten auch schon genügen? Ich könnte auch ganz viele Glücksbringer im Tempel kaufen und die immer mit mir herumschleppen. Göttliche Fügung und das alles. Zwar nicht bewiesen, aber… … … Vergessen wir das. Alles Blödsinn. Szenario Nummer Sieben: Hm… Vielleicht hilft so nen Glaubensding gar nicht. Besser ich schließe mich irgendeiner Satanssekte an. Teuflische Kräfte und so. Da lerne ich sicherlich zaubern und dann kann ich einen ordentlichen Liebestrank brauen und generell alle Leute um mich herum verhexen. Au ja, das wäre cool. Wobei, da gab es ja immer so komische Regeln mit Tieren opfern und dass alles, was man aussandte dreifach so schlimm zurück kam. Verdammt, also doch nicht den dummen Arbeitskollegen Eselsohren verpassen! Oh nein, noch schlimmer will ich meine Situation lieber nicht machen. Szenario Nummer Acht: Vielleicht denke ich auch ganz falsch und ich muss einfach nur genug Kerle probieren. Irgendwann wird schon der Richtige dabei sein. Man kauft ja generell nicht die Katze im Sack. Heißt, ich gehe Clubben bis zum Abwinken und vergnüge mich mit ein paar Kerlen, probiere sie aus und wenn es in der Kiste gut läuft, dann dürfen sie für eine Beziehung herhalten. Unter Umständen ist dann auch die ganze große Liebe dabei. Und wenn nicht, dann hatte ich wenigstens Sex… Szenario Nummer Neun: Ich geh mit Kloe aus, sage ihm, wie sehr ich ihn vermisst habe und entschuldige mich nochmals förmlich für das schreckliche Treffen mit Kou. Dann erkläre ich ihm, dass ich unsere Beziehung gern auf die nächste Stufe heben würde und erkundigte mich, ob er nicht mit mir zusammenziehen möchte. So würden wir uns öfters sehen und vielleicht klappte das ja wirklich, sodass ich ihm irgendwann anvertrauen kann, dass ich nicht der tolle Modefuzzi bin, für den er mich hält. Vielleicht reicht es dann auch aus, dass er nicht gleich schreiend unsere gemeinsamen vier Wände verlässt und er bleibt trotzdem bei mir. Szenario Nummer Zehn: Ich erkläre Akira, dass ich mich unsterblich in Koron verliebt habe und ohne ihn nicht weiterleben möchte. Ich werde ihn davon überzeugen, dass dieser Hund für meine Psyche und mein Seelenheil notwendig ist, bis er ihn mir freiwillig überlässt. Dann habe ich zwar noch immer einen blöden Job und keinen Lover, geschweige denn einen festen Freund, den ich über alles liebe, aber ich habe ein Baby, das ich umsorgen und verhätscheln kann. Das wäre traumhaft. Ich könnte ihm Kleidung kaufen und Schuhe. Nicht zu vergessen Leckerlies und immer mit ihm spazieren gehen und mein Baby allen zeigen und sie darauf aufmerksam machen, wie süß er doch ist. Szenario Nummer Elf: Ich werfe mich lebensmüde wieder Takeru an den Hals. Dann bitte ich ihn darum, seine Kontakte spielen zu lassen, damit ich wieder Zugang zu der versnobten Modewelt bekomme. Dort starte ich wiederum als Model durch und lasse einfach die Finger von dem Designen. Dann bin ich auch nicht mehr enttäuscht, wenn andauernd alles was ich mir ausgedacht habe, geändert und überarbeitet wird. Ich kann wie Kou durch die Welt jetten und lerne viele neue Leute kennen, sodass ich für eine Beziehung oder dergleichen gar keine Zeit hätte. Für Takeru dann natürlich auch nicht mehr… Szenario Nummer Zwölf: Ich beantrage Urlaub und gehe wirklich Kou besuchen. Die Einladung steht schließlich immer noch. Dort wird er keine Zeit für mich haben und ich muss meinen Urlaub mit seinem Computertypen verbringen. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und verbringen heiße Nächte miteinander oder kühlen uns am Tag am Strand im Wasser ab. Natürlich gibt es jeden Tag erfrischend kühles Eis für mich. Wenn mein Urlaub zu Ende ist, hängt er so sehr an mir, dass er mit mir zusammen zurück nach Tokio kommt… Oder mich einfach nicht wieder gehen lässt… Szenario Nummer Dreizehn: Ich schreibe ein Buch und nenne es „Die Leiden des jungen Takanori Matsumoto“. Selbstverständlich landet es auf Platz eins der nationalen Bestsellerlisten und ich reise durch das ganze Land, um es zu promoten. Ich halte Lesungen, gebe Autogramme und lass mich von meinen vorwiegend weiblichen Fans anhimmeln. Fangeschenke inklusive versteht sich von selbst. Der Modewelt kehre ich damit komplett den Rücken und widme mich einer Fantasiewelt nach der anderen. Szenario Nummer Vierzehn: Ich ertränke meinen aufkeimenden Frust ein erneutes Mal in Alkohol. Anschließend logge ich mich nach langer Zeit mal wieder auf einem einschlägigen Onlineportal ein, mache dort ein heißes Schnittchen klar, treffe mich mit ihm, lasse mich flach legen oder nagel ihn selbst und dann geht es zurück in den Alltag. Genug Aufregung für das erste halbe Jahr. Man sollte sich nicht zu viele Ausschweifungen leisten und bodenständig bleiben. Szenario Nummer Fünfzehn: Ich entscheide mich dafür, mich doch mal wieder bei meinem Psychiater blicken zu lassen, erkläre ihr, dass die Welt schrecklich, grausam und gemein ist und ich doch wieder meine Antidepressiva haben möchte, damit ich die Dummheit der Menschen und überhaupt deren Anwesenheit ertragen kann, da es mir einfach unmöglich scheint, mit den Geistern meiner Vergangenheit endlich abzuschließen. Mit den kleinen Glücksbringern sieht die Welt dann gleich nicht mehr so grau aus, auch wenn sich an meiner Situation nichts geändert hat. Szenario Nummer Sechzehn: Ich gehe einfach ins Kino und schaue mir einen sinnlosen Film an, um mich von diesen dummen Gedanken und dem aufkeimenden Selbstmitleid abzulenken. Dabei stopfe ich mir massig Nachos mit Käsedipp in die Schute und schlürfe Coke. Jaha, Träumen kann ich!!! Szenario Nummer Siebzehn: Ich nehme die Situation wie ein Mann und ertrage meinen Alltag! Ohne weiter darüber nachzudenken! Vielleicht ist einfach nicht die Zeit für Veränderungen und etwas Ruhe wäre nicht schlecht nach all dem Chaos, das dieses Jahr bereits für mich bereitgehalten hat. Takanori seufzte kellertief. Es war wie immer. Er wünschte sich Veränderung, dennoch war er nicht in der Lage, irgendeinen Kompromiss zu finden, der seine Sehnsüchte abdeckten konnte. Das war doch doof. Aber an einer Baustelle sollte er wirklich mal anfangen. Akira, Urlaub, Job, Sex, Kloe? Es gab so viele ungare Dinge in seinem Leben und nichts schien perfekt zu passen. Nix schien überhaupt zusammenzupassen und er balancierte über sein Drahtseil, bis er wirklich runterfiel. Doch das Beste in solchen Zeiten der Unsicherheit war es, sich auf das zu berufen, was man hatte. Das hatte ihm seine Mutter gelehrt und Mami hatte schließlich immer Recht. Nicht selten sah man, dass man doch ein Stück Glück für sich gepachtet hatte, wenn man die Situation doch einmal ordentlich und nüchtern betrachtete. In seinem Falle vor allem nüchtern. Die letzten Tage und Wochen waren echt nicht leicht für seine Leber gewesen, wo er doch sonst gar nicht trank. Seine Entscheidung fiel auf: Kloe. Es war mal wieder Zeit, sich um seinen Freund zu kümmern. So gab sich Takanori einen Ruck und lud Kloe zu einem Abendessen in einem Restaurant ein. Natürlich erst nachdem er die Tourdaten der Band seines sogenannten festen Freundes abgecheckt hatte. Er wollte auf Nummer sicher gehen, dass auch nichts dazwischen kam, wenn er einen Versuch unternehmen wollte, seine Beziehung endlich in das rechte Licht zu rücken. Taka wollte Kloe ernsthaft eine Chance geben. Möglicherweise konnte er endlich mal nach vorn sehen. Es war einfach nicht an der Zeit mit dem Kopf in den Wolken zu stecken. Die Zeit des Spielens war vorbei. Lieber nicht zu hoch pokern, um am Ende alles zu verlieren. ****** Der stupide Alltag war es, der Takanori wieder auf den Boden der Tatsachen zurück brachte. Aber nicht nur das, auch sein inneres Gleichgewicht schien wiedergekehrt zu sein. Durch den Stress auf der Arbeit hatte er keine Möglichkeit, seine Gedanken großartig schweifen zu lassen. Akira hatte sich nicht wieder bei ihm gemeldet und er selbst wollte nicht. Der Typ war schließlich eh nur auf bestimmte Zeit hier und würde sich dann wieder verpissen. Noch dazu saß das Angel-Golf-Drama nach wie vor tief. Kloe hingegen lebte hier, war greifbar, hatte keine merkwürdigen Hobbies (von denen er wusste) und war sein Date für Mittwochabend. Takanori hatte sich nach der Arbeit zu Hause umgezogen und das Notwendigste in seine Umhängetasche gepackt. Es sollte einfach nur ein netter Abend werden, nicht mehr. Alles konnte, nichts muss. So ging er jedenfalls ran. Taka verließ den Wohnkomplex und sah zum Himmel. Es zog sich ganz schön zu. Sicherlich würde es bald auch anfangen zu regnen. Dennoch schlug er den Weg zur Bahnstation ein, blieb aber abrupt stehen, als er das Bellen eines Hundes hörte. An der Tonlage konnte man schon hören, dass es sich um ein kleines Exemplar handeln musste. So wandte er sich um, sah dann aber doch nur eine Frau, die einen Schirm aufspannte, da bereits jetzt vereinzelt Tropfen fielen. Zu ihren Füßen sprang ein schwarzer Hund aufgeregt von rechts nach links und wartete auf Frauchen. Irgendwie war er enttäuscht und von dieser Gefühlsregung regelrecht überrascht. Da hatte er sich gerade wohl selbst ertappt. Mit einem leichten Lächeln auf dem Lippen und einem dazugehörigen Kopfschütteln setzte er seinen Weg nun schnelleren Schrittes fort. Nass werden wollte er nicht. Sonst wäre das Haarestylen heute Morgen umsonst gewesen. Für seine Kollegen hatte er sich sicherlich nicht so aufgebrezelt. Trotzdem kam er um einen weiteren kurzen Halt an seinem Stamm-Getränkeautomaten nicht drum herum. Der Tag im Atelier hatte ihn geschlaucht und andauernd musste er herumrennen, um neue Stoffproben heranzuschaffen. Da konnte er etwas Koffeinzuschuss vor seinem Treffen mit Kloe gut gebrauchen. Er langte in seine Hosentasche und suchte nach dem entsprechenden Kleingeld. Routiniert fiel kurz darauf seine Dose mit heißen Kaffee in die Ausgabe, aus der er sie heraus angelte. Sie war angenehm warm. Genau das Richtige bei diesem doofen Wetter. Doch da er trotzdem in Eile war, nahm er seinen Laufschritt direkt wieder auf. Sofort aber blieb er stehen, als es hinter ihm schepperte. Er wandte sich um und sah, dass wohl eine leere Dose aus dem überfüllten Mülleimer gefallen war. Augenscheinlich war er mit seiner Tasche an diesen gekommen und die Dose rausgefallen. Unglücklich. Kurzzeitig wägte er ab zwischen bürgerlicher Pflicht und dem Drang wenigstens pünktlich bei seinem Date anzukommen. Letzteres siegte und er stürmte noch schneller in die Bahnstation. ****** Die Eile, die Takanori an den Tag gelegt hatte, war letztendlich total unnötig. Kloe kam mal wieder zu spät und er stand unter dem Vordach des Burger-Restaurants, in dem sie essen wollten. Zwar nicht seine erste Wahl, aber er wusste, dass sein Freund den Fraß hier gut fand und er würde sicherlich auch irgendwas auf der Speisekarte finden, das er runter bekam. Aber eigentlich gingen Burger ja immer. Wenn das Hackfleisch nur mal richtig gewürzt wäre. Suchend sah er sich wiederum um. Natürlich wusste er nicht, aus welcher Richtung sein Freund kommen würde. Noch dazu sah er eh nur ein Meer aus Regenschirmen, da es mittlerweile richtig zu regnen angefangen hatte. Taka fröstelte etwas und rieb sich über die Oberarme. Ob er versetzt wurde? Irgendwie beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl. Er hielt inne und versuchte durch den Regen zur anderen Straßenseite zu blicken. Leider verhinderten der fallende Regen und das Gegenlicht der Straßenlampen genau dies. Dennoch verengte er seine Augen, um vielleicht doch noch etwas ausspähen zu können. Doch schon im nächsten Moment zuckte er zusammen, da jemand seine Hand auf seinen Unterarm legte. Irritiert blickte er zu dem Mann, der samt tropfendem Schirm neben ihm zum Stehen gekommen war. „Hey. Tut mir leid, dass es etwas später geworden ist. Der Regen hat mich überrascht und ich hab mir erst noch einen Schirm gekauft.“ Takanori schüttelte seinen Kopf. Doch nicht versetzt worden. Das machte ihm Mut. „Schon in Ordnung. Ich freu mich, dass du Zeit für mich hast. Gehen wir rein? Ich hoffe, wir müssen jetzt nicht noch auf einen Tisch warten“, erwiderte er und hielt seiner Begleitung die Tür auf. Das gab vielleicht ein merkwürdiges Bild ab, da Kloe ihn bei Weitem überragte, aber heute wollte er sich ordentlich reinhängen. Immerhin hatte er die Kou-Katastrophe wieder gut zu machen. Wenig später saßen sie an einem Tisch. Zwar nicht so abgelegen, wie er es sich gewünscht hätte, aber aufgrund des Wetters waren mehr Leute in die Restaurants gestürmt, als für gewöhnlich. Da konnte man nicht wählerisch sein. „Bestell dir ruhig, was du möchtest“, bot Taka mit einem Lächeln auf den Lippen an. Seine Aufmerksamkeit galt im ersten Moment erstmal der Karte des Restaurants. Kurz angebunden hatte er sich aber für ein Menü entschieden und klappte die Karte wieder zu. Das war eben der unkomplizierte Weg und so konnte er die Zeit nutzen, um seine Verabredung ordentlich anzusehen. Waren seine Haare das letzte Mal auch schon so kurz gewesen? Mies, wenn man seinen Partner nicht einmal mehr ordentlich ansah und ihn wirklich nur für das Bett benötigte. Irgendwie fühlte er sich schlecht deswegen. Dabei war Kloe wirklich hübsch anzusehen. Diese langen Wimpern, die seine dunklen Augen umrahmten, hatten wirklich etwas. Wie mies war es, dass ihm solche Sachen bisher nie aufgefallen waren? Viel mehr spielte es eine Rolle, wie er ihn aufgeilen konnte, damit sie… Die Bedienung sah wohl nicht, dass er sich gerade mit seinem schlechten Gewissen auseinander setzte und trat zu ihnen an den Tisch. Mit einem Nicken ließ Takanori seiner Begleitung den Vortritt bei der Bestellung. Auch bei Kloe sollte es eines der Menüs sein. Die Getränkewahl war ebenso schnell getroffen und sie zum Glück wieder allein, obwohl die Geräuschkulisse hier sehr einnehmend war. Ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte. In seinem Fall wohl nicht, denn Kloe sah ihn nur fragend an. Daher kratzte er sich etwas verlegen an der Wange. „Nun, wie läuft es so mit dir und der Band?“, erkundigte sich Takanori. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt erstmal nach der Arbeit zu fragen. Wobei das Stutzen seines Gegenübers wohl verriet, dass der mit seiner Themenwahl nicht so glücklich war. „Wir arbeiten an unserer neuen Single. Die soll im April rauskommen. Aktuell bemühen wir uns um ein Studio für die Aufnahmen und das Management versucht Termine abzuklären für Fantreffen.“ Es folgte regelrecht schon ein gleichgültiges Schulterzucken. Taka nickte verstehend. „Das wird bestimmt total super.“ Was sollte er auch sagen? Viel Ahnung von dem Ganzen hatte er nun wirklich nicht. Das Meiste kannte er nur aus den Erzählungen des anderen. „Bestimmt. Es folgt dann sicherlich auch wieder eine Tour durch ganz Japan. Mal rauskommen ist auch nicht schlecht.“ „Oh? Schon bald?“, erkundigte sich der Designer, wurde aber von der Bedienung unterbrochen, die ihnen ihre Getränke brachte. Doch Kloe ließ sich davon nicht beirren. „Das kann ich noch nicht sagen. Das Management entscheidet das je nach Halle. Da laufen erstmal Anfragen, ob was frei ist. Aber allein schon wegen der Promotion für die Single werden sie sich einen straffen Zeitplan ausdenken.“ „Dann bist du wieder sehr beschäftigt, hn?“ Takanori versuchte wenigstens einen liebevollen Tonfall anzuschneiden, der jedoch nicht auf fruchtbaren Boden traf. „Gehört eben zum Job. Ich muss Geld verdienen.“ Wenigstens eine etwas freundlichere Antwort hätte er sich gewünscht, aber anscheinend herrschte nach wie vor Eiszeit. Ob es an dem Treffen mit Kou lag? „Verständlich. Geht uns allen so. Dabei hatte ich gehofft, dass wir uns vielleicht in nächster Zeit wieder öfters treffen könnten?“ Takanori schnitt das Thema eher vorsichtig an. Mal sehen, wie Kloe darauf reagierte. Aber der wich seinem Blick vollends aus und schon kam die Kellnerin mit ihrer Bestellung zu ihrem Tisch zurück. Ihr schenkte Kloe gleich mehr Aufmerksamkeit und bedankte sich. Das war ernüchternd. Ob Kloe ihn wohl abservieren wollte? Aber dafür hätte auch eine Nachricht aufs Handy genügt. Ach Mann, er wusste doch auch nicht, woran er bei ihm war. „Sieht gut aus, hn?“, meinte Kloe und Taka nickte einfach aus Reflex. „Dann lass es dir schmecken…“, sagte er aus reiner Höflichkeit. Sein Hunger war irgendwie verflogen, zusammen mit seiner Hoffnung bei Kloe doch noch einen Fuß zwischen die Tür zu bekommen. Dabei hatte er sich heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit ihr Treffen schon in den buntesten Farben ausgemalt. Aber die Realität war genau so grau wie das Wetter draußen. „So, dein Freund aus Amerika ist wieder weg?“, begann der Musiker aber seinerseits nun ein Gespräch. Den Unterton in Kloes Stimme konnte Taka nicht deuten. Genau so war es für ihn schleierhaft, warum die Themenwahl ausgerechnet auf Kouyou fiel. „Ja, ist er. Strikter Terminplan und so. Da bleibt nie viel Zeit.“ Taka biss sich auf die Unterlippe. Schlechtes Gewissen ahoi! „Sorry nochmal für euer Aufeinandertreffen.“ Das musste wohl nochmal gesagt werden. Wann auch, wenn er es nicht jetzt gleich abhakte? Die Situation war schließlich einfach nur unangenehm für alle Beteiligten. Na ja, zumindest für sie. Kou sah das alles ja immer ein bisschen anders. „Hm. Hättest sagen können, dass du Besuch hast“, brachte es Kloe auf den Punkt. Der schuldbewusste Blick war wenigstens ein Anfang. „Ich weiß. Ich dachte nicht, dass er gerade dann wiederkommt, wenn wir… wir… na ja…“ Kloe war schließlich dabei gewesen. Da musste er das nicht nochmal wiederholen und die Peinlichkeit auffrischen. War so schon schlimm genug. „Bist du denn sauer?“, wollte Taka dann aber doch vorsichtig wissen. „Schon.“ Takanori verzog sein Gesicht. Gerade das, was er nicht hören wollte. Verdenken konnte er es dem anderen aber nicht mal. Er wäre wohl genau so vor den Kopf gestoßen und würde sich sonst was denken. Und er hatte sich auch noch so bemerkenswert genau in diese Position verfrachtet, in der er zu Kreuze kriechen musste, obwohl er nicht grundlegend diese Sache verbockt hatte. Trotzdem standen alle Fakten nun gegen ihn und ein Freispruch war nicht mehr möglich. Fraglich wie er aus dieser Sache mit einem blauen Auge davonkam. „Kann ich etwas tun, um das zu ändern?“ Damit lieferte er sich aus. Das hatte er so im Gefühl. „Da bin ich mir noch nicht so sicher.“ Kloe widmete sich seinem Essen und vermied es weiterhin, seine Begleitung anzusehen. Dennoch hatte Takanori das Gefühl von Blicken regelrecht durchlöchert zu werden. Sicherlich nagte das schlechte Gewissen an ihm. „Ich wollte das vor dir wirklich nicht verheimlichen. Kou ist hetero. Also falls du diesbezüglich Bedenken hast. Er wusste auch nicht mal, dass ich Männern zugetan bin. Da ist nichts gelaufen“, beteuerte der Designer nochmals und starrte nun sein Essen an. Es nicht zu essen war auch keine Lösung seines Problems, doch irgendwie bekam er nichts runter, ehe diese Sache vom Tisch war. „Du hättest es mir trotzdem sagen können. Das hätte uns einiges erspart. Das muss ich alles erstmal sacken lassen“, machte Kloe seine Position klar. Irgendwie war das verständlich, dennoch hatte Takanori nun das Gefühl, dem anderen etwas schuldig zu sein. Das mochte er nicht. „Ich mach’s wieder gut.“ Diese Beteuerung kam wohl ein wenig zu schnell. „Wie?“ Taka legte seine Gabel zur Seite und blies die Luft aus seinen Lungen. Und da hatte er die Pistole auf der Brust. „Das… Das weiß ich noch nicht. Aber ich lass mir was einfallen.“ „Hm, ich weiß nicht so recht. Du machst dir das schon ziemlich einfach. Erst meldest du dich gar nicht, dann…“ Kloe hörte auf zu reden, da deutlich das Surren eines Mobile Phones zu vernehmen war. Natürlich kam das von Taka, dem das nun auch bewusst wurde. Hektisch kramte er daher sein Handy heraus. Der schuldbewusste Blick war inklusive. „Ich mach’s aus. Das war unbedacht von mir!“, entschuldigte sich Takanori und entsperrte den Bildschirm. Da aber sah er die Vorschau der Nachricht, die er bekommen hatte. So viel zu seinem Vorhaben das Gerät auszuschalten. „Oh! Eh, das ist geschäftlich. Ganz kurz nur.“ Die Entschuldigung hinkte, aber er hatte gerade die Daten von Takerus Party bekommen und musste diese umgehend an Akira weiterleiten. Dann war wenigstens das erstmal safe. Noch mehr Baustellen brauchte er definitiv nicht. Trotzdem war das Timing mal wieder besonders bescheuert gewählt. Irgendwer in diesem Universum war sowas von gegen ihn. Als wäre die Situation nicht eh schon anstrengend genug. Kloe hingegen futterte weiter und konnte wiederkehrendes Augenrollen nicht vermeiden. Schließlich dauerte es eine Weile, bis seine Verabredung seine geschäftlichen Sachen geklärt und das Handy weggesteckt hatte. „Entschuldige. Ich glaube, wir sind unterbrochen worden. Du wolltest gerade etwas sagen“, versuchte Takanori wenigstens ihr Gespräch wieder in Gang zu bringen. Er sah jedoch die Felle wegschwimmen. Das waren solche Gelegenheiten, denen man nur noch hinterher winken konnte. Dabei war Kloe drauf und dran gewesen ihm zu sagen, was ihm störte. „Ja, wollte ich. Ist aber nicht so wichtig.“ Den Unterton konnte man problemlos aus Kloes Worten herausfiltern. Er war gekränkt. Schlimmer als jede Frau. Das war mies. Ganz dünnes Eis, wie Taka vermutete. „Ich weiß, es läuft aktuell nicht so gut zwischen uns.“ Welche Einsicht. Das sah schließlich ein Blinder. „ Aber ich möchte das wirklich ändern. Daher…. Daher hatte ich auch gefragt, ob wir uns nicht öfters sehen sollten? Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir das geregelt bekämen“, versuchte der Designer nochmals sein Glück. Schließlich hatte er sich das schon überlegt. Und die Entscheidung war schließlich auf ein „go“ für Kloe gefallen. „Hm, du hast mich ganz schön vernachlässigt. Ich dachte, du hast gar keinen Bock mehr auf mich“, räumte der schwarzhaarige Musiker schließlich ein. Es war wohl das erste Mal an diesem Abend, dass er Takanori in die Augen sah. Der aber empfand das als direkten Angriff. „Tut mir wirklich leid. Ich weiß, ich bin ein scheiß Freund. Ich versuch das zu ändern. Ich werde mir mehr Zeit für dich nehmen und dann bin ich mir sicher, dass wir das wieder hinbekommen.“ Hoffte er. Im Grunde hatte er keinen Plan, wie man eine richtige Beziehung führte. Nüchtern betrachtet hing er derbe in den Seilen. Alles was er aktuell anfasste war zum Scheitern verurteilt. Jedenfalls kam ihm das so vor. Das mit Kloe wollte er nun nicht auch noch verbocken. „Okay, versuchen wir es“, lenkte Kloe nach einer Denkpause schließlich ein und Takanori fiel ein Stein vom Herzen. Erst jetzt bemerkte er, wie verkrampft er doch gewesen war. Das hatte sich nicht nur an der Verweigerung der Nahrungsaufnahme angedeutet. Auch seine Körperhaltung war alles andere als selbstbewusst gewesen. „Sollen… wir nachher dann vielleicht in ein Hotel gehen? Dort stört uns niemand“, schlug der kleine Blonde unmittelbar vor. Klang vielleicht abgedroschen, aber etwas Nähe würde ihnen sicherlich gut tun. „Diesmal nicht. Ich muss morgen 10 Uhr bei einem Termin sein. Aber ein anderes Mal gerne“, wurde sein Vorschlag abgewiesen. Trotzdem nickte Taka. Arbeit ging eben vor. Er musste ja auch pünktlich auf der Matte stehen. Nur seinen Kollegen war es egal, wenn er Augenringe bis zu den Ellenbogen hatte. „Verstehe. Das holen wir dann ein anderes Mal nach. Alles gut.“ „Sicher. Aber wie läuft es bei dir auf Arbeit eigentlich?“, wollte der Musiker nun auch von seiner Begleitung wissen. Takanori verzog seine Lippen etwas. Back to Business. Und nicht zu vergessen zurück zu den Lügen. „Recht gut. Es ist viel zu tun.” Um nicht zu viel reden zu müssen, entschied sich Takanori nun auch dafür, sich auf das Essen zu stürzen. Kapitel 20: ------------ Undone Kapitel 20 Takanoris Hand zitterte, als er die Zigarette wieder zu seinen Lippen führte und nur kurz daran nippte. Daraufhin blies er auch kaum Rauch aus. Seine Lunge hatte dieser wohl nie erreicht. Dennoch bildeten sich dicke Rauchschwaden um ihn herum. Wie sehr er diese Raucherzonen doch hasste. Dennoch nutzte er sie stillschweigend, wie auch die anderen, meist mittelständigen Männer, um ihn herum. Trotzdem fühlte er sich nicht sonderlich wohl und sein Daumen in seiner Hosentasche fuhr immer wieder über das Relief auf seinem Feuerzeug, Akiras Feuerzeug. Er wusste nicht einmal, wie er dazu gekommen war, sich eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Seiner Meinung nach war er bereits mit dem Status Nichtraucher gesegnet gewesen. Nach heute war er dann wohl rückfällig geworden. Doch er musste definitiv gegen diese innere Unruhe ankämpfen. Woher auch immer diese kam. Den Grund kannte er nämlich nicht. Zumindest konnte er nichts zweifelsfrei als Unruhestifter verurteilen. Akira hin oder her, seine Gefühlsausschweifungen hatte er weggeschoben. Immerhin hatte er ein klärendes Gespräch mit seinem aktuellen Freund geführt und wollte nun diese Beziehung etwas mehr pflegen. Also war Mister Unbekannt abgeschrieben – bis auf die Sache heute Abend. Die ach so tolle Party von Takeru. Er selbst wollte dort nichts und begleitete Akira lediglich dahin, stellte ihm ein paar Leute vor. Nicht mehr, nicht weniger und Takeru ging er bestenfalls einfach aus dem Weg. Er würde sich nicht dumm machen lassen, sich auf nichts einlassen und nach ca. drei Stunden konnte er auch die Biege machen. Dann würde er einfach in sein Bettchen krabbeln und selig schlummern. Hilflos zog er kräftig an seiner Zigarette und behielt den Rauch ein paar Sekunden in seiner Lunge. Dann pustete er alles wieder aus. Am besten er ließ den Abend mit Akira auf sich zukommen. Den Abend mit Takeru. Beides stresste ihn sichtlich.Er musste sich wirklich von diesen ganzen negativen Gefühlsregungen frei machen. Hektisch drückte Taka also die Zigarette neben sich im Aschenbecher aus und schlängelte sich durch den Wald aus Menschen und aufgestellten Trennwänden hindurch wieder raus in Shinjukus aufkeimendes Nachtleben. Natürlich strömten die Leute aus der Bahnstation und genau so zu dieser hin und kreuzten seinen Weg. Mit etwas Mühe aber konnte er den Fußgängerüberweg erreichen, um sich schließlich am vereinbarten Treffpunkt einzufinden. Natürlich. Akira wartete bereits. Das war unangenehm. Dabei war er doch extra früher hergekommen. Tja, brachte nun auch nichts mehr zu lamentieren. Daher ging er direkt auf seine Verabredung zu und lächelte ihn an. „Hallo! Ich hoffe, ich hab dich nicht zu lange warten lassen?“, fragte er den Mann vor sich. Leider sah dieser wieder zum Niederknien aus. Wieso, verdammt nochmal, stand er nur so sehr auf diese viel zu tief hängenden Hosen? „Kein Thema. Ich hatte noch in der Gegend zu tun, daher…“ Akira winkte ab. Ein wenig war Taka dadurch schon irritiert. Auch ihr Nachrichtenwechsel war irgendwie frostig geworden und bezog sich auf den reinen Informationsaustausch. Also hatte Akira ihr sogenanntes „Date“ wohl auch als schrecklich empfunden. Wenigstens da waren sie sich einig. Das spielte nun jedoch keine Rolle mehr. Privat hatte er den Kerl abgehakt. Das wollte er nun so. Schließlich war dies hier nur eine berufliche Baustelle. Eine reine Gefälligkeit. Business. „Ich hoffe, die Party bringt auch was. Ich weiß leider nicht, wer alles da ist“, leitete Takanori einen Themenwesel ein.„Aber ich halt die Augen offen und stell dir ein paar Leute vor, die für dein Vorhaben vielleicht passen könnten.“ Smalltalk. Oh Mann. Dieses oberflächliche Gerede konnte er eigentlich nicht leiden, aber er hatte keine andere Wahl. „Danke, dass du dir überhaupt die Zeit nimmst. Du hast was gut bei mir“, versicherte der Größere und nun war es an Takanori, abzuwinken. Er hatte noch nie viel von diesem „eine Hand wäscht die andere“ gehalten. Dabei wurde man nur darauf beschränkt, wie man einer anderen Person denn nutzen konnte. Alles andere blieb auf der Strecke. „Quatsch. Ich hatte heute eh nichts vor. Langweiliges Wochenende. Und so komm ich auch mal wieder raus. Also folge mir!“, forderte Taka seine Begleitung auf und setzte sich in Bewegung. Akira folgte ihm schließlich. Wenigstens war er diesmal nicht über den Mundschutz enttäuscht. Nun ja, wenigstens passte er zum Rest des Outfits, da er diesmal schwarz war. Aber ging ihn ja auch nichts an. Wenn er so auf dieses Versteckspiel stand, sollte er halt machen. „Wir müssen noch ein Stückchen laufen. Aber das Gebäude sieht man von hier aus schon. Dort hinten der Wolkenkratzer.“ Takanori deutete in die besagte Richtung, aber wenn er ehrlich war, würde Akira wohl das Gebäude so nicht zuordnen können. Hier gab es anscheinend zu viele hohe Gebäude. An einem Fußgängerübergang trat Akira schließlich neben ihn und Taka sah zu seinem Nebenmann auf. Er lächelte ihn leicht an. Es war schon blöd, wenn sich der Traummann als Nullnummer entpuppte. Daher hatten sie auch wenig miteinander zu bereden. Jedenfalls er hatte total die Beklemmung sich mit ihm zu unterhalten oder auch nur ein Thema zu finden. Zum Glück sprang die Ampel auf Grün ehe er sich schlecht fühlen konnte, nicht zu reden. So trotteten sie nebeneinander her. Leider Gottes ging es nun durch Kabuki-chou. Auch hier tummelten sich natürlich die Leute nur so vor den Clubs. Alle waren auf der Suche nach Ablenkung und die Angestellten stürzten sich wie Hyänen auf die potenziellen Opfer. Sex sells und einige gaben für einen Moment der Anerkennung teilweise ihr letztes Hemd her, nur um danach doch wieder enttäuscht zu werden. Tolles Konzept. „Ach ja… Eh…“, begann Takanori schließlich. Er räusperte sich. „Also noch ein paar Worte zum Gastgeber.“ Ja, wie sollte er das bitte nun hübsch formulieren? „Takeru ist eigen. Sehr eigen. Wahre zu ihm am besten einen gesunden Abstand. Aber er kann sehr hilfreich sein, um Kontakte zu knüpfen und interessante Leute kennenzulernen.“ Okay, das klang gemein. Sowas sagte man doch nicht! „Akira… Also, denk jetzt nicht, dass ich über andere schlecht rede oder so, aber…“ Taka blieb abrupt stehen, was seine Begleitung erst nicht mitbekam und so stoppte dieser erst einen Schritt weiter. Dann aber drehte er sich um. Der blonde Designer schürzte seine Lippen. „Na ja, Erfahrungswerte eben. Sei einfach vorsichtig.“ Gerade fühlte er sich wie ein kleiner Schuljunge, der sich rechtfertigen musste, weil er seinen Klassenkammeraden auf dem Schulhof in den Dreck geschubst hatte. Normalerweise sollte es ihm auch egal sein. Takeru war nunmal scheiße zu ihm. Es war außerdem nicht sein Business, aber irgendwie wollte er auch nicht, dass andere –Akira - wegen Takeru auf die Schnauze fielen. „Du bist ja bei mir. Das wird schon schief gehen!“, erwiderte Akira und schnappte sich schließlich Takanoris Hand, um ihn weiterzuziehen. Der kleine Blonde hatte das Gefühl, dass sein Herz für einen kurzen Moment aussetzte. Gefühle, die er gar nicht wollte, durchströmten seinen Körper und er wusste nun wirklich nichts mehr zu sagen. Er konnte immer nur wieder verstohlen nach unten auf ihre Hände gucken. Aber dieser Typ war doch der totale Langweiler und einfach nur ungeeignet. Warum glühten also seine Wangen so sehr? ~*~*~ „Sind wir hier wirklich richtig?“, erkundigte sich Akira, als sie im Fahrstuhl waren und ihren Weg in eines der oberen Stockwerke des Wolkenkratzers antraten. „Hier sind doch sonst nur Büroräume…“ Seine Augenbrauen bogen sich und unterstrichen seinen zweifelnden Blick. Das jedenfalls war der Eindruck, den er gewonnen hatte, noch bevor sie das Gebäude betreten hatten. „Jap, sind wir. Nicht in jeder Etage sind Büros.“ Taka deutete zu der Leiste neben der Tasten, mit denen man die jeweilige Etage anwählt. Dort war bei jedem Stockwerk der Sitz der entsprechenden Firma vermerkt, doch bei den oberen Etagen stand nichts. „Dort oben die Räumlichkeiten werden je nach Bedarf vermietet.“ Kaum, dass Takanori zu Ende gesprochen hatte, stoppte der Fahrstuhl und die Türen öffneten sich fast geräuschlos. Vor ihnen erstreckte sich der komplette Raum, der in kühles, blaues Licht getaucht war. „Oh…“, entkam es Akira, doch dann folgte er dem kleinen Blonden, der keine Zeit verlor, den Fahrstuhl zu verlassen. Dennoch wanderte sein Blicksuchend durch den riesigen Raum. Hier schien es keine gesonderten Zimmer zu geben. Eigentlich konnte er nur einige Säulen ausmachen und irgendwo her drang leise Musik an seine Ohren. Diese übertönte aber nicht das Gerede der Anwesenden Leute. Akira war sichtlich überfordert. Zwar drängte sich ihm der Loft-Charakter auf, aber hier wohnte definitiv niemand. Takanoristuffte seinen Nebenmann mit dem Ellenbogen an, da dieser zu offensichtlich gaffte. „Lass erstmal unsere Jacken abgeben. Dort hinten…“, schlug Taka vor und setzte sich in Bewegung, merkte auch, wie Akira ihm nachstolperte. Das erste Mal, als er hier war, hatte er wohl auch so erstaunt reagiert. Durch die vielen Säulen und auch Spiegel an den Wänden, konnte man sich wirklich schwer tun mit der Orientierung. Auch wenn der Raum offen war, boten die Säulen kleinere Abschnitte, die abgegrenzt schienen. Neben einer Bar gab es noch ein DJ-Pult und verteilt standen Ledersofas, auf denen man es sich bequem machen konnte. Davor drapiert standen kleine Tischchen. „Ich führ dich am besten erstmal herum. Nicht, dass du verloren gehst.“ Irgendwie war es schon niedlich, wie groß Akiras Augen waren und wie sich sein Kopf wie eine Rundumleuchte immer wieder von rechts nach links bewegte, immer auf der Suche nach Anhaltspunkten, die er sich merken konnte. Nur, dass das hier nicht möglich war, da alles den Anschein eines Labyrinths machte. Doch da erreichten sie bereits die Garderobe und er lächelte die Dame dahinter an. „Einen schönen guten Abend. Zwei Chips, bitte. Matsumoto und Begleitung“, nannte er seinen Namen und zog dann auch schon seine Sweatjacke aus, während die Frau auf der Liste nach seinem Namen suchte. „Matsumoto Takanori?“ „Genau.“ Taka nickte und schob dann sein Handy in seine Hosentasche. Neben ihm hatte auch Akira bereits seine Lederjacke ausgezogen. Sofort fiel sein Blick auf die Adern, die sich über seinen nackten Unterarm zogen. Oha. Da wurde ihm direkt weder anders. Sehr männlich. „Ishida-san bittet sie, sich doch persönlich bei ihm vorzustellen. Das soll ich Ihnen ausrichten. Er möchte gern mit Ihnen zusammen einen Drink zu sich nehmen.“ Takanori sah die Frau erschrocken an, wollte sich aber nichts weiter anmerken lassen. „Eh, natürlich. Selbstverständlich. Wo finde ich ihn denn?“, fragte Taka konfus nach. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. „Ishida-san ist momentan im Barbereich aufzufinden. Er merkte an, dass er sich später mit ein paar ausgewählten Gästen in die Privaträume zurückziehen wird.“ Die Frau lächelte ihn freundlich an, Taka jedoch konnte nur zu gut zwischen den Zeilen lesen. Die Info hätte sie sich sparen können. War schließlich ein offenes Geheimnis, dass Takeru seine Partys gern noch privat und dann entsprechend sehr ausschweifend weiterführte. Dann eben im kleinen, exklusiven Kreis. Die Ausschweifungen dort konnte man auch mit dem Wort „exklusiv“ betiteln. Taka wusste nur, dass er kein Teil dieser privaten Veranstaltung sein wollte. „Okay, ich suche ihn schnellstmöglich auf. Danke sehr.“ Trotzdem schob er der Dame nun seine Jacke zusammen mit seiner Tasche zu und nahm dafür einen kleinen Chip entgegen, den er sich in die Hosentasche stopfte. Akira tat es ihm gleich und sie gingen ein Stück zur Seite, da hinter ihnen bereits weitere Gäste ihre Sachen abgeben wollten. „Und Ishida ist nun wer?“, fragte Akira nach. „Takeru“, spuckte Takanori den Namen regelrecht aus, auch wenn das nicht einmal beabsichtigt war. Seine Abneigung konnte er nur schwer verstecken. Klar musste er Takeru so oder so vorstellen, aber dass der sich erdreistete ihn wie ein Hündchen zu sich rufen zu lassen, kotzte ihn tierisch an. Als wenn er, nach allem, was zwischen ihnen war, auch nur irgendeinen Antrieb hätte, sich wieder auf ihn einzulassen. Er war schließlich nur aufgrund seines Versprechens an Akira hier. Aber da fiel Taka unmittelbar noch etwas ein. So wandte er sich nochmals an die Dame von der Garderobe. „Miss, entschuldigen Sie. Die Party heute, veranstaltet die Ishida-san allein?“, fragte er nach. Die Frau sah ihn für einen kurzen Augenblick irritiert an, sammelte sich dann wieder. „Ishida-san ist Ihr heutiger Gastgeber. Diese Veranstaltung wird aber mit der freundlichen Unterstützung von META Records durchgeführt“, erklärte sie zuvorkommend, fast schon geschwollen für Takanoris Verständnis. Dennoch nickte er. „Okay, vielen Dank.“ Seine Stirn legte sich jedoch in Falten als er wieder einen Schritt zur Seite getreten war. Man konnte ihm ansehen, dass er begann zu grübeln. „Alles okay?“, erkundigte sich Akira, woraufhin der kleine Blonde ihm zunickte und auch seine Züge erhellten sich wieder. „Ja, ist schon in Ordnung. Ich hatte nur gedacht, dass ich so darauf schließen kann, wer alles noch auf der Gästeliste steht. Aber leider sagt mit META Records nicht sehr viel. Hört sich eher nach Musikbusiness an. Vielleicht geht’s dabei um Kooperationen oder sowas.“ Er war schon zu lange raus, als dass er noch sagen könnte, wer hier mit wem gemeinsame Sache machte. In dem Business geschah halt doch sehr viel hinter verschlossenen Türen und nicht selten wurden an Orten wie diesen Deals ausgehandelt. Wer wusste schon, welche Vorteile diese Party heute für die teilnehmenden Personen bringen sollte. Sie waren schließlich auch nicht ohne Hintergedanken hier aufgeschlagen. „Ich zeig dir erstmal alles, damit du mir nicht verloren gehst“, versuchte der Designer nun etwas unbefangener an die Sache heranzugehen. Kontakte konnte man eh nicht erzwingen und Takeru würden sie so oder so früh genug über den Weg laufen. „Fangen wir gleichhier an“, meinte der Kleinere und deutete auf einen Durchgang, der weiter zu einem hinteren Bereich führte. Der Gang hob sich auch farblich mit seinem gelben Licht vom Rest ab. „Dort hinten sind die Toiletten und Waschräume. Gegenüber auf der anderen Seite sind ebenfalls welche. Also die solltest du finden. Folge dem Licht“, scherzte Takanori und nickte dann seiner Begleitung zu, sodass sie sich weder in Bewegung setzen konnten. Sie schlängelten sich hinter einigen Säulen recht nah an der Außenwand entlang. „Hier hinten geht’s zum Raucherbereich. Also… falls das für dich relevant ist.“ „Nein, schon gut. Hab’s mir abgewöhnt“, antwortete ihm Akira. „Eh ja. Das Einzige, was da hinten cool ist, ist die Aussicht. Da kann man über die ganze Stadt gucken. Leider ist das sonst nur hinten bei den Privaträumen möglich und da kommt man dann natürlich nur mit einer persönlichen Einladung hin.“ Taka rollte mit den Augen. „Aber Taka-chan…“, drang eine bekannte Stimme an die Ohren des kleinen Blonden und schon spürte er einen Arm um sich und eine Hand auf seiner Hüfte. Sofort sanken seine Mundwinkel nach unten. „Sag doch, wenn du eine persönliche Einladung willst. Als wenn ich abgeneigt wäre!“ Takanoris Augen wanderten nach oben, doch schon bekam er einen Knutscher auf die Schläfe und er kniff seine Augen zusammen. Solch einen Überfall hatte er nicht kommen sehen. Takeru selbst war es aber, der ihn aus dieser unliebsamen Situation befreite. „Willst du mir denn nicht deine Begleitung vorstellen, Taka-chan?“, fragte er nach und lächelte den Mann mit Mundschutz an. Ungewöhnlich war das für Takeru nicht, schließlich sah man im alltäglichen Leben genug Menschen damit herumlaufen. Akira übernahm die Vorstellung jedoch selbst und ergriff die Hand, die noch immer auf Takanori lag. Diese schüttelte er und drückte wohl kräftiger als es notwendig war zu. „Freut mich. Suzuki Akira. Ich habe mein eigenes Label in Amerika und plane zu expandieren. Es freut mich, Sie kennenzulernen“, stellte sich Akira selbst vor. Hinter seiner Maske lächelte er, was man auch unschwer an seinen Augen erkennen konnte, dennoch schien da noch etwas anderes zu sein. Takeru sah auf seine Hand und dann wieder in das Gesicht des Mannes ihm gegenüber. „Amerika also…“, nuschelte er leise und blickte zu Takanori. Dann aber zuckte er mit den Schultern, als würde er es so hinnehmen und sich alles zu einem Puzzle zusammengefügt haben. „Freut mich auch. Vielleicht sollten wir später noch einmal reden. Amerika. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Klingt gut. Sie sprechen aber sehr gut unsere Sprache“, stellte Takeru fest. Komplimente brachen bekanntlich das Eis. Trotzdem entzog er seinem Gesprächspartner letztendlich seine Hand. Diese langanhaltende Berührung war ihm sichtlich unangenehm. „Ich bin hier geboren. Aber meine Familie ist ausgewandert als ich noch klein war. Wir sprechen aber weiterhin unsere Muttersprache. Man sollte nie vergessen, wo man herkommt“, führte Akira die kleine Unterhaltung fort. „Natürlich. Aber verschieben wir das doch auf später.“ Takeru sah sich um, konnte aber ausmachen, dass der Fahrstuhl gerade wieder nach oben fuhr. „Ihr entschuldigt mich? Ich möchte gern auch noch die anderen Gäste willkommen heißen.“ Takanori nickte nur. Es kam ihm ganz gelegen, dass Takeru wieder verschwand und ihn so wenigstens nicht mehr angriffeln konnte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was der sich in seinem Spatzenhirn wieder zurechtgelegt hatte. Anscheinend ein Höhenflug, nur weil er ihn wieder kontaktiert hatte. Dabei war er froh gewesen, diesem Typen entkommen zu sein. „Danke…“, murmelte Taka schließlich und atmete tief durch. Besser er riss sich zusammen und machte sich nicht zu viele Gedanken. „Für was?“, fragte Akira blauäugig nach und sah sich auch schon suchend in der Gegend um. „Nicht so wichtig“, tat es der Designer einfach so ab. „Das war also Takeru“, brachte er es treffend auf den Punkt. „Eine sehr einvernehmende Persönlichkeit“, stellte Akira fest und gab dem anderen einen leichten Stups, sodass sich Taka’s Mine wieder aufhellte. Er wirkte gerade sehr verbittert. „Da sagst du was.“ Abstreiten konnte er das nicht. „Aber seine Arbeit ist wirklich professionell. Er liefert ab, wenn er was macht und das schätzen viele an ihm. Aber alles hat seinen Preis.“ Und hierbei redete Takanori nicht nur vom Geld. Da er nicht ewig hier wie angewurzelt stehenbleiben wollte, setzte sich der Kleinere wieder in Bewegung. Akira würde ihm schon folgen. „Ich glaube nicht, dass er bereit wäre, nach Amerika zu gehen und dort für eine Weile zu bleiben. Wenn er sowas wie das hier auf die Beine stellt, dann zeugt das davon, dass er einen großen Einfluss hat. In den Staaten aber wäre er ein unbeschriebenes Blatt und das wiederum heißt, dass man für den Erfolg arbeiten muss.“ Takanori sah zu seinem Nebenmann, hatte aber den gleichen Eindruck von Takeru, wenn er Akira nun so reden hörte. Nicht, dass er Takeru als potenziellen Arbeitskollegen überhaupt auf dem Schirm gehabt hatte. Takeru war Mittel zum Zweck. Schlichtweg nur das Verbindungsstück zu einem ordentlichen Designer, mit dem Akira dann auch ernsthaft arbeiten konnte. Nun fiel Takanori aber auch zum ersten Mal auf, dass der andere jemanden suchte, der für eine Weile von hier weg ging. Das schränkte den Kreis der potenziellen Verdächtigen wiederum ein. Neben etwaigen Sprachschwierigkeiten gab es nur sehr wenige, die hier die Segel abbrechen würden, um sich am anderen Ende der Welt in einer unbekannten Stadt etwas aufzubauen. Und noch dazu mussten die möglichen Leute auch noch entsprechende Fähigkeiten mitbringen. Ob sich Akira da nicht doch zu viel zugemutet hatte? Einfach herzukommen und jemanden vom Fleck weg zu kidnappen klang in seinen Ohren nicht sehr vielversprechend. Vor allem, wenn man nicht eh schon die notwendigen Kontakte hier vorweisen konnte. „Über welchen Teil von Amerika reden wir denn überhaupt?“, erkundigte sichTaka und blieb schließlich so stehen, sodass er zumindest einen Teil der Bar im Blick hatte. „Kalifornien. Um genau zu sein San Francisco. Mein älterer Bruder hat seine Firma dort aufgebaut. War erschwinglicher als in L.A.“, antwortete Akira, während er verstohlen Takanoris Blick folgte. „San… Franchi…“ Takanori stoppte. Das war schwierig für ihn auszusprechen. Er hatte auch gar keinen Plan, wo das alles so recht lag. Wer merkte sich auch schon 52 Staaten? Oder waren das mehr? Einige Fragezeichen bildeten sich auf seinem Gesicht und wohl auch über seinem Kopf. „Liegt am Meer. Westküste. Wir wohnen im Sunset District. Ist echt schön da. Und abends kann man an den Strand gehen“, vermittelte der Größere ein paar Eindrücke. „Klingt echt traumhaft“, musste Takanori sich eingestehen. Wann hatte er zuletzt Urlaub? War er je irgendwo hingefahren? Oder am Meer gewesen, um zu baden? Einige lebten wirklich da, wo andere Urlaub machten. Wie unfair. „Das schon. Ist ein ganz anderes Gefühl als hier. Auch von den Menschen her.“ Taka nickte einfach nur. Vorstellen konnte er sich viel, aber wie es wirklich war, wusste er nicht. Akira hatte versprochen, ihn irgendwann mal mitzunehmen. Auf das irgendwann konnte er wohl auf ewig warten. Allein würde er sich wohl nie in einen Flieger trauen. Dafür war er zu sehr Schisser. „Gehen wir an die Bar und organisieren uns was zu trinken? Dann guck ich mal, ob ich jemanden finde, den ich dir vorstellen kann“, schlug der Kleinere vor und schlug den Weg an ein paar weiteren Säulen vorbei ein. Die Bar konnte man schließlich nicht verfehlen. Nur gut, dass Takeru aktuell nicht dort war. „Einen Tequila Sunrise für mich, bitte!“, bestellte Taka etwas für sich und sah fragend zu seinem Nebenmann. Der jedoch wirkte unbeteiligt. „Für mich erstmal nichts“, schlug Akira ein Getränk aus. Takanoris Augenbraue wanderte nach oben. Und das aus mehreren Gründen. „Das willst du aber nicht den gesamten Abend durchziehen? Ich meine, das hier ist eine geschlossene Veranstaltung und glaub‘ mir, was hier passiert, bleibt auch hier“, faltete Taka Akira nun zurecht. Status hin oder her, aber das war echt albern. Ein bisschen ging ihm das Versteckspiel von Akira schon auf den Senkel. Gut, es ging ihn nichts an, aber es störte ihn einfach. Ihm in die Augen sehen war ja schön und gut, aber er war doch kein Ninja und hier sicherlich auch so unbekannt, dass es gar keine Rolle spielte. Am liebsten hätte er ihm das Ding wohl einfach vom Gesicht gerissen. „Okay, okay, ich nehme dann das gleiche“, ruderte der Größere doch zurück, was wiederum seine Begleitung verwunderte. Doch als er sah, dass das Getränk einen schwarzen Strohhalm hatte, wurde ihm einiges klar. „Strohhalm….“ Takanori schüttelte seinen Kopf. So blond war er dann doch nicht. „Dann folge mir, Unbekannter!“, resignierte er schließlich doch und griff sich sein Getränk. Unverbesserlich. Aber war ja seine eigene Blödheit, dass er dieses Thema überhaupt wieder angeschnitten hatte. Wenigstens lief er ihm nach. Das war schon mal viel Wert. Aber wahrscheinlich war seine Anwesenheit auch nur zweckmäßig. Da brauchte er sich nichts vorzumachen. Letztendlich blieb Taka an einer Säule stehen und sog am Strohhalm. Da hatte es wieder jemand gut mit ihm gemeint. Wenigstens einer. Seinen Blick ließ er anschließend durch den Raum schweifen. Von seinem Standpunkt aus konnte man vor allem gut den Bereich mit den Sitzmöglichkeiten sehen. Nacheinander nahm er die dort Sitzenden ins Visier und überlegte, wen er kannte und wer vielleicht nützlich sein könnte als weiterer Kontakt. „Die Gruppe dort hinten. Die zwei Mädels und die zwei Jungs. Angeblich sind die gerade sehr aufstrebend. Ein Geheimtipp. Die machen auch recht coole Sachen. Mehr in Richtung Gothic in Kombination mit Streetwear. Sie kriegen viel Aufmerksamkeit, da sie die Sachen selbst entwerfen und auch als Model fungieren. Der Vertrieb läuft ausschließlich über’s Internet und über Social Media Kanäle. Anfänglich haben die sich wohl über Fundraising finanziert. Ich meine, damit sind die auch bereits international vertreten. Das Internet kennt eben keine Grenzen. Sprachlich sollte es da aber keine Hindernisse geben. Und sie sind jung. Leider müssten wir da Takeru fragen, ob er uns die vier vorstellt.“ Einfach so zu anderen hingegen an den Tisch war eben auch hier nicht so gern gesehen und schnell fühlten sich die Leute gestört. Da gab es einen Kodex, selbst unter Designern. Als Takanori zur Seite sah, bemerkte er nur, dass Akira neben ihm stand und in aller Seelenruhe seinen Cocktail schlürfte. Natürlich mit Strohhalm unter dem Mundschutz. Das war doch nicht sein Ernst? Dennoch musste Taka grinsen, besonders als er sah, dass Akiras Augen sich auf ihn richteten und er mit den Augenbrauen wippte. Was ein Spinner. „Eh… ja….“ So trank er auch noch einen Schluck. „Was ist mit den beiden dort hinten?“, fragte der Größere nach und deutete auf eine Couch, die von zwei jungen Männern in komplett schwarzen Klamotten besetzt war. Unübersehbar war deren schwarzes Augen-Make-up. Sie fielen schon auf unter all den Anwesenden. „Hm…“ Takanori legte seinen Kopf schief. Bekannt kamen sie ihm vor, aber eine Zuordnung fiel ihm gerade wirklich schwer. „Sorry, da muss ich passen. Die beiden kenne ich nicht.“ Glaubte er. Doch dann erkannte er noch jemanden. „Mitkommen!“, wies er seine Begleitung ein und steuerte einen Tisch an, an dem sich gerade zwei Frauen niedergelassen haben. „Einen schönen guten Abend, Ladies. Dürfen wir?“, erkundigte er sich und lächelte vor allem das Mädchen mit den langen braunen Haaren an. Deren Augen weiteten sich sofort, als sie erkannte, wer sie angesprochen hatte. „Matsu-chan! Oh Gott! Das ist Ewigkeiten her! Lass dich drücken!“, fiepte sie und hing auch schon an Takas Hals, der Mühe hatte, sein Getränk nicht zu verschütten. Die etwas ältere Frau daneben wies Akira an, sich doch zu setzen. Sie strahlte hingegen eine gefährliche Ruhe aus und nur ihre Mundwinkel zuckten kaum merklich nach oben. „Na, Mensch, ist ja ein hübscher Junge aus dir geworden. War aber abzusehen“, sagte die Frau mit rauchiger Stimme. „Vielen Dank, Frau Takahashi. Es freut mich, sie gesund und munter zu sehen.“ „Nicht so förmlich, Jungchen. Nun setz dich schon!“, forderte sie nun auch Takanori auf, der dem sofort nachkam und auch sein Glas auf dem kleinen Tisch abstellte. Dann nahm er neben dem jungen Mädchen Platz. Akira saß bereits zu seiner Linken. „Nun stell uns deiner Begleitung vor. Immer noch so zurückhaltend, wie damals!“ „Ehm, eh, ja. Also, das ist Suzuki Akira. Er ist gerade auf Besuch in Japan und sucht Unterstützung für sein Label.“ Mehr konnte er nicht einmal sagen. „Nice to meet you“, formten die fein säuberlich rot nachgezogenen Lippen der älteren Dame sofort und sie nickte den Mann mit dem Mundschutz zu. Vornehme Zurückhaltung, wie es sich schickte. Dann sprach Taka weiter. „Das ist Takahashi-san. Sie leitet ein monatliches Modemagazin und berichtet japanweit über alles, was mit Mode zu tun hat. Dadurch kennt sie viele Leute. Designer, Models, Manager. Und das hier ist Minami-san, ihre Tochter und erfolgreiches Model schon seit Kindertagen“, sprach er von seinen Bekannten in hohen Tönen. Negatives gab es seines Wissens auch nicht zu berichten, und selbst wenn… „Sag das nicht so Matsu-chan! Ich bin nun ernsthaftes Model. Keine Teddys mehr!“, verteidigte sich das Mädchen, woraufhin der Designer schmunzeln musste. „Du musst wissen, ich habe früher auch mal als Model gearbeitet und wir haben uns bei einem Shooting kennengelernt. Alles war cremefarben gehalten und voller Teddys, Kekse und Luftballons.“ Taka musste lachen, als er sich daran erinnerte. Das war ihm vielleicht peinlich. Er als punkiger Teenie und dann sowas. Er kam sich vor wie bei einer Teeparty im letzten Jahrhundert. „Die Fotos waren aber sehr schön und die Collection hat sich auch gut verkauft. Auch die Teddys“, mischte sich nun die ältere Dame wieder ein und griff nach ihren Zigaretten. „Ihr entschuldigt mich? Die Sucht hat mich immer noch im Griff.“ Damit stand die Dame auf, legte im Vorbeigehen aber Akira ihre Visitenkarte hin. Das bemerkte auch Taka und grinste in sich hinein. Erfolg. „Matsu-chan, was machst du denn? Ich war richtig traurig, als ich gehört habe, dass du nicht mehr modeln willst. Du warst wenigstens immer nett und nicht so arrogant, wie die Models von heute. Macht ihr denn jetzt etwas zusammen?“, wollte das Mädchen dann wissen. Takanori atmete tief durch und kratzte sich am Kopf. Ein bisschen tat es ihm schon leid, dass er fast alle Brücken zum Modelbusiness abgebrochen hatte. „Tut mir leid, aber Modeln ist doch nichts für mich gewesen. War ein guter Einstieg, aber Ich designe jetzt Mode. Das liegt mir mehr. Aktuell arbeite ich bei NG Productions. Aber die Sachen da sind eher für den täglichen Gebrauch gedacht und nicht Fashion.“ Das war es ja, was ihn so störte. Zeug von der Stange. Das war deprimierend und so gar nicht exklusiv, wie sein eigener Geschmack. „Oh, das ist schade. Das… klingt langweilig!“, stellte Minami fest. „Du solltest etwas anderes machen! Mama kann da sicherlich was reißen, wenn du wieder einsteigen willst! Dann können wir zusammenarbeiten!“, malte sich das Mädchen alles schon in bunten Farben aus. „Ich überlege es mir. Eine kleine Veränderung wäre sicherlich nicht verkehrt.“ War ja nicht so, dass er sich nicht eh schon Gedanken gemacht hatte, sich umzuorientieren. Aber überstürzen brachte auch nichts. Da fiel ihm aber etwas anderes ein. „Akira, kannst du mir vielleicht noch ein bisschen was erzählen? Also über dein Label und so.“ Er geriet nämlich ganz schön ins Rudern, wenn es darum ging, das Ganze zu beschreiben. Das hinterließ keinen so guten Eindruck, wenn er dann so schnell ins Rudern geriet. „Klar. Aktuell ist das noch eine Label ausschließlich für Schmuck.“ Akira schob sein Handgelenk nach vorn und Takanoris Blick fiel sofort auf die Armbänder, die er trug. Auch Minami sah gespannt auf den Schmuck. Das nahm der große Blonde schließlich zum Anlass, die Armbänder abzumachen und sie auf den Tisch zu legen. „Wir machen Schmuck für Frauen und auch Männer. Tut mir leid, dass ich nichts für junge Damen dabei habe.“ Takanori angelte sich schließlich eine der Ketten und besah sie sich. Die waren schon echt hochwertig. „Heartkiller?“, las Taka schließlich das Wort, welches eingestanzt auf dem Blättchen zu lesen war. „Ja, der Name des Labels. Und nun wollen wir das ausweiten. Noch ist nicht entschieden, in welche Richtung es gehen soll. Aber ich denke schon eher, dass es schwarz wird, punkig eventuell“, führte es Akira noch weiter aus und legte schließlich seine Arme über die Rückenlehne der Couch, während sich die anderen beiden den Schmuck ansahen. „Ist schon sehr schick“, murmelte Takanori und machte sich gleich mal eines der Armbänder um, besah es sich an seinem Handgelenk. Konnte man sicherlich gut kombinieren mit verschiedenen Styles. Die verwendete Symbolik konnte man auch gut auf Kleidung unterbringen. „Das steht dir richtig gut!“, fiel dem Mädchen auf und hielt sich ebenso eine der Kettchen an das Handgelenk. Natürlich wirkte es bei ihr zu klobig. „Wenn es dir so gefällt, dann behalt es doch einfach“, gab sich Akira spendabel, da er sehen konnte, wie begeistert der kleine Blonde von dem Schmuckstück war. Takanoris Kopf schnellte zur Seite. „Ernsthaft?“, brach es aus ihm heraus. Konnte ja sein, dass er sich verhört hatte. „Klar. Hast sowieso noch etwas bei mit gut und so kannst du ein bisschen Werbung machen. Win-Win-Situation.“ Akira hielt sich da neutral. „Danke“, sagte der kleine Blonde also und besah sich sein neues Schmuckstück gleich nochmal. In diesen Dingen war er wirklich wie ein Mädchen. Er freute sich. Fühlte sich gerade wirklich an wie ein Geschenk seines Liebsten. Das Armband würde er nie wieder abnehmen! „Mama, guck mal, Mr. Suzuki hat uns ein paar seiner Modelle gezeigt. Die sind wirklich hübsch. Kaufst du mir was?“, fragte Minami umgehend ihre Mutter, als sie sich wieder zu ihnen gesellte. Ein wenig überfahren war sie dadurch schon. So sah sie fragend zu dem Urheber. Der zog routiniert sein Mobiltelefon aus seiner Hosentasche und schließlich aus der Steckhülle seine Visitenkarte. „Es wäre eine Ehre für mich, wenn Sie meine Collection in Erwägung ziehen. Selbstverständlich würde ich mich persönlich darum kümmern, dass die Stücke sie schnell erreichen“, versicherte Akira. Er deutete eine leichte Verbeugung an, während er seine Visitenkarte an Frau Takahashi überreichte. „Zeig mal, Mama!“, sagte das Mädchen regelrecht euphorisch und nahm ihr die Karte ab. „Oh, da steht eine Homepage…“, fiel ihr auf und schon hing sie an ihrem Smartphone, um sich den Internetauftritt anzusehen. Natürlich rief sie die Sachen für Frauen auf und auch Takanoris Interesse war geweckt, weswegen er etwas näher zu Minami heranrückte, damit er auch einen Blick auf die Sachen werfen konnte. Immerhin hatte er bisher noch nicht viel von Akiras Business mitbekommen. „Wow! Die Kette muss ich haben! Mama, guck sie dir an!“, entkam es Minami voller Euphorie und ihre Mutter nahm das ihr entgegengestreckte Handy entgegen. Schließlich aber zog sie erst ihre Lesebrille aus ihrer Tasche, um sich diese auf die Nase zu setzen. Mit weit abgespreizten Fingern wischte sie über den Bildschirm und besah sich das, was ihre Tochter ihr zeigen wollte. Dabei fiel ihr ebenso der Preis ins Auge, weswegen sie einen Blick über den Rand ihrer Brille zu Herr Suzuki warf. Das Smartphone reichte sie ihrer Tochter zurück. „Schön, schön. Wir sollten definitiv über eine Berichterstattung in der nächsten Ausgabe reden. Ich dachte an drei Seiten inklusive eines Interviews?“, formulierte es Frau Takahashi als Frage. Taka musste schmunzeln. Diesen Tonfall kannte er von ihr bereits. Wenn sie an etwas Interesse hatte und Potenzial dahinter witterte, dann ließ sie sich keine Chance entgehen und machte gern Nägel mit Köpfen. Sie war eben durch und durch eine Business-Lady. Akira hingegen schien überrumpelt. „Also… das kommt natürlich auf den Kostenpunkt drauf an…“, versuchte er sich herauszuwinden und nun war es Takanori, der von Frau Takahashi einen Blick über den Brillenrand erhaschte. Er lächelte sie lediglich freundlich an, während Minami an den Anfängen eines Shoppingrausches stand und immer wieder quietschende Töne von sich gab. „Ich denke, den Kostenpunkt klären sie mit meiner Tochter. Außerdem helfe ich Freunden von Matsumoto-kun sehr gern.“ Natürlich ging das runter wie Öl. Takas Laune jedenfalls stieg. Da hatte er doch den richtigen Riecher gehabt. Zwar hatte Akira nach wie vor niemanden für sein Label, aber er bekam einen Artikel in einem sich gut verkaufenden und etablierten Magazin. Das wiederum hieß Promotion und führte zu mehr Bestellungen. Gute Tat des Tages abgehakt! Kapitel 21: ------------ Undone Kapitel 21 Der Abend schritt schnell voran. Die beiden Damen waren eine nette Gesellschaft, wie Takanori wieder einmal feststellte. Das erweckte in ihm den Eindruck, dass eben doch nicht alle aus der Szene solche Idioten waren, wie eben Takeru und seine Best Buddys. Trotzdem kam er nicht drum herum, immer mal wieder seinen Blick durch den Raum wandern zu lassen. Es konnte schließlich gut möglich sein, dass weitere alte Bekannte sich hier einfanden, die er wiederum Akira vorstellen konnte. Seine geheime Mission hatte er noch nicht zufriedenstellend erfüllt. Aber je später es wurde, umso mehr sank seine Motivation und auch seine Hoffnung, dass ihm noch ein bekanntes Gesicht über den Weg lief. Es war eben doch schon eine Weile her, dass er sich dafür entschieden hatte, um diesen Kreis von Personen einen großen Bogen zu machen. Das wurde ihm nur zu deutlich bewusst. Er war raus und alles entwickelte sich weiter, auch ohne ihn. Und in diesem schnelllebigen Business brauchte man Kontakte und den Wohlwollen von anderen, um voran zu kommen. Letztendlich hatte der Abend Akira wenigstens Promotion eingebracht. Das war schon mal viel Wert und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Andererseits war er auch nicht Akiras Vormund. Reine Nettigkeit und purer Zufall, dass sich das ergeben hatte. „Ihr kommt kurz ohne mich klar?“, erkundigte er sich. Eine Antwort aber erwartete er nicht und so stand er unmittelbar auf. Schließlich strich er aus reiner Gewohnheit seinen schwarzen Pulli glatt und visierte die Toiletten an. Zu denen machte er sich anschließend auf den Weg. Ein paar Minuten Ruhe taten ihm gut. Selbst wenn sie nur herumsaßen, schlauchte das ziemlich. Dabei hatten sie noch nicht mal so viel getrunken. Er wusch sich gerade die Hände, als noch ein Gast den Raum betrat. Viel Aufmerksamkeit schenkte Taka dem Neuankömmling nicht, da er noch einmal einen Blick auf sein Make-up warf. Er mochte es ganz gern, seine Augen zu betonen, aber natürlich war etwas von dem Schwarz verwischt. Das musste er noch korrigieren, ehe er wieder zurückging. So drehte er sich zur Seite, um ein Tuch aus der Box zu ziehen, als sein Blick Takeru’s traf. Natürlich. Wer auch sonst? An Zufälle glaubte er bei dem Kerl nicht mehr. „Du hast mich nicht vergessen?“, wollte der andere wissen. Unbeirrt trocknete Takanori seine Hände ab und warf das feuchte Tuch in den Mülleimer. „Nein, natürlich nicht.“ Die Resignation konnte man schon regelrecht greifen. „Kommst du dann gleich mit zur Bar? Ich hab mich schon gefreut… auf dich…“ Takeru lächelte ihn an und trat unmittelbar vor ihn, versperrte ihm so den Weg. Diese Situation kam ihm so furchtbar bekannt vor. Nur diesmal hatte er bei Weitem nicht so viel Alkohol im Blut wie beim letzten Mal. „Später dann. Ich befinde mich mitten in einem Gespräch.“ „Du wirst mich doch nicht zurückweisen, oder?“ Vorsichtig berührte der Größere eine vereinzelte Haarsträhne von Takanori, sodass dieser ihn regelrecht anstarrte. „Ein Drink wird mir schon nicht schaden…“, entwand sich der Designer dieser unangenehmen Frage. Genau so unbehaglich fühlte er sich unter der Berührung. Trotzdem musste er die Füße still halten. Noch war er auf Takerus Wohlwollen angewiesen. Aber nur so lange, bis Akira auf eigenen Beinen stehen konnte, danach würde er sofort einen Haken an diese Sache machen. „Das freut mich. Weißt du, ich hab dich vermisst, Taka-chan. Das musst du mir glauben.“ Wieder dieses Süßholzgeraspel. Eine Lüge nach der anderen. Auch den sanften Kuss auf die Wange ließ Takanori über sich ergehen, auch wenn sich sein Magen dabei schmerzhaft zusammenkrampfte. „Ich mochte es doch so, wie du vor mir gekniet hast, meinen Schwanz tief in deinem Mund“, hauchte Takeru, der nun mit seinen Lippen zu Takas Ohr gewandert war. Nur zu deutlich spürte er den Atem seines Gegenübers. „Lass uns das wiederholen. Später. Ich besorg‘s dir. Wenn du willst, die ganze Nacht!“, machte der Gastgeber dem Jungdesigner ein Angebot. Es kostete dem kleinen Blonden einiges an Selbstbeherrschung, um seinen Ex nicht einfach wegzuschubsen, ihm all seine Gedanken der Abscheu an den Kopf zu werfen. Er durfte nicht. Nicht jetzt – Akira zu Liebe. „Ich bin nicht deswegen hier, Takeru. Tut mir leid.“ Behutsam erhob Takanori daher seine Hand und schob sein Gegenüber mit sanfter Gewalt ein Stück nach hinten, um wieder etwas Platz zwischen sie zu bringen. Doch im nächsten Augenblick sah er nur den Unwillen in Takerus Augen aufblitzen. Es war deutlich erkennbar, dass ihm die Abfuhr nicht schmeckte und er krampfhaft nach einem Grund dafür suchte. „Hast du nen Neuen?... Oder ist es wegen diesem Suzuki? Ist der dein Neuer?“, spuckte der Größere regelrecht seine Vermutung aus. Natürlich wusste Taka, dass es dem anderen nicht um ihn ging. Das hier war ein Schwanzvergleich, mehr nicht. Jemand anderes spielte mit seinem Spielzeug. Unverzeihlich. Das ging doch nicht, wenn er selbst er benutzen wollte. Ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht, spielte keine Rolle. Takeru ging es nur um seinen Stolz und seine Vormachtstellung. Selbst wenn er sich immer so easy peasy gab, er hasste es, zu verlieren und noch mehr hasste er es, wenn seine Püppchen nicht nach seiner Pfeife tanzten. Dann konnte er ungemütlich werden. Taka hatte das mehr als nur einmal miterlebt. „Ich hab niemanden.“ Das klang als Entschuldigung echt erbärmlich. Aber wie sollte er sich sonst aus dieser unliebsamen Situation entwinden? Takerus Mimik verdeutlichte ihm, dass er so nicht davon kam. „Ich…“ Taka schürzte seine Lippen und sah betreten zur Seite. Da musste er wohl noch eins draufsetzen. „Ich hab nicht aufgepasst, okay? Hab mir da was eingefangen. Ein anderes Mal vielleicht…“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? Lieber log er, dass er eine Geschlechtskrankheit hatte, anstatt seinem Ex klipp und klar zu verklickern, dass er ein Arschloch war und sicherlich nie wieder mit ihm in der Kiste landete? Was war nur falsch mit ihm? „Oh, verstehe. Puh… Dann, verschieben wir das wohl“, sah es Takeru jedoch ein. So scharf er auch auf eine schnelle Nummer war, es schreckte ab, wenn jemand einem verdeutlichte, ein Mutterschiff für Krankheiten zu sein. Das war ihm die Sache dann doch nicht wert. Takanori hingegen war erstaunt, dass seine Finte so gut funktionierte. Da war sein Geistesblitz doch mal zu etwas gut. Moral und Wahrheit hin oder her. Das spielte keine Rolle und so lange seine kleine Lüge nicht die Runde machte, passte das schon. Aber wer ging schon mit sowas hausieren? Und selbst wenn es Takeru weiterplapperte, mit ihm und dessen Kumpanen wollte er sowieso nicht die Bettlaken zerwühlen. Wenigstens hatte die kleine Notlüge für den Moment eine abschreckende Wirkung und er seine Ruhe. Noch dazu schienen seine Fähigkeiten im Lügen einen Level angestiegen zu sein. Nur jetzt nicht seine Erleichterung offen zeigen. Heucheln, als sei er total traurig, dass er nicht als Fickstück agieren durfte. Bedauernd gucken wie ein getretener Hund. Mitleid erhaschen. „Joahr… Dann… kommst dann trotzdem mal zur Bar? Da kann ich dir noch jemanden vorstellen. Vielleicht gefällt er dir. Dann können wir für nächste Woche oder so was ausmachen. Wenn du wieder voll einsatzbereit bist.“ Das schiefe Grinsen verriet Taka, dass er aus dieser Sache so schnell nicht rauskam. Takeru rechnete mit ihm. Unglaublich, was der sich schon wieder einbildete. Aber wenn es Akira heute ordentlich anstellte, dann musste er nicht mehr bei Takeru zu Kreuze kriechen und konnte das so schnell wie es angefangen hatte auch wieder beenden. Für heute aber hieß es nochmal gute Miene zum bösen Spiel machen. So lange der Einsatz nicht zu groß war, zog er das durch. Augen zu und durch. „Okay, gib mir zehn Minuten, dann komm ich zur Bar und wir trinken was zusammen.“ Er würde sich dem eh nicht entwinden können. Es gehörte zumindest zum guten Ton, dem Gastgeber die Ehre zu erweisen. Ungeschriebene Gesetze und Takeru gehörte sowieso zu der Art Mensch, die Dinge gern zu ihrem Nutzen auslegten. Umso besser, wenn er ihm jemanden vorstellen wollte. Dann war das nicht ganz vergebens. Unter Umständen spielte ihm das sogar in die Karten. Akira konnte er sicherlich zwischenzeitlich bei den Takahashis parken. Ohne das böse zu meinen. Aber unbedingt dabei haben, wollte er ihn nicht bei der Ishida-Show. Wer wusste schon, was Takeru wieder für Stories heraus kramte, die sicherlich nicht für Akiras Ohren bestimmt waren. Wie erwähnt, Takeru hatte den Dreh raus, wenn es darum ging, Dinge möglichst gut für sich selbst darzustellen. *~* Zurück am Tisch fand er nur noch Akira und Minami vor. Noch dazu beschlich ihm trotz allem ein ungutes Gefühl. Vielleicht war es eine Vorahnung. Gerade schob er es nur auf den Fakt, dass er gleich eine weitere Unterhaltung mit seinem Ex-Lover führen musste. Unangenehmen Dingen ging man eben gern aus dem Weg. Wie lange brauchte man wohl durchschnittlich, bis so ein Drink leer war? Auf ex eigentlich ja nur ein paar Sekunden. Er sollte sich diese Option wirklich nochmal durch den Kopf gehen lassen. „Matsu-chan, kennst du schon Akiras Hund?“, fragte Minami ganz aufgeregt und wedelte mit einem Smartphone vor seinem Gesicht herum. Sehen konnte er so natürlich nichts. „Akira?“, fragte er irritiert nach. Waren sie nicht eben noch bei Suzuki gewesen, als er weggegangen war? „Nein, Koron heißt er!“, korrigierte das Mädchen ihren Nebenmann und hielt nun auch das Handy still, vergrößerte das Foto sogar für Takanori. „Guck dir nur die Knopfaugen an! Er ist so herzallerliebst und dazu die großen Ohren! Die sind ja größer als der gesamte Kopf!“, führte sie ihre Schwärmereien aus. Taka hingegen war sichtlich überrumpelt. „Takanori hat Koron bereits kennengelernt“, half Akira ihm aus der Situation und nickte ihm wohlwollend zu. „Echt? Woahr! Ich bin neidisch. Sein Fell ist sicherlich total weich.“ „Ja, ist es…“ Fragend blickte Taka zu seiner Begleitung. Er witterte Konkurrenz um die Zuneigung seines Lieblingshundes. Das ging so nicht. Ob das eine Strategie war, um Weiber aufzureißen? Die standen doch immer auf Tiere und vor allem auf Welpen. Hieß dann aber, dass Koron wirklich Akira gehörte und nicht seiner potenziellen Freundin, die er nach wie vor auch nicht ausschließen konnte. Sehr viel von Akira wusste er nämlich noch immer nicht. „Und was man ihm alles für schicke Sachen anziehen könnte! So ein rosa Kleidchen mit einer großen Schleife. Das wäre sicherlich zuckersüß!“, fantasierte Minami weiter und wischte über den Bildschirm, um Taka weitere Fotos zu zeigen. „Ich glaube, Koron würde sich über einen hübschen schwarzen Pullover sicherlich mehr freuen als über Schleifen.“ „Du meinst so einen schwarzen Pullover, wie du ihn auch an hast?“, mischte sich nun Akira wieder ein. Er schien amüsiert zu sein. Taka hingegen blinzelte. „Hm… ja!“ Er dachte kurz nach. „Wobei, nein! Lieber noch mit einem coolen Aufdruck drauf. Oder einem Totenkopf auf dem Rücken, damit jeder gleich weiß, dass er keine Sachen mit Schleifchen möchte!“ Mentaler Seitenhieb. Aber ging doch nicht, dass man aus Koron eine Tussi machte. „Da spricht der Designer!“, scherzte Akira, dem allerdings Takanoris Version seines momentanen Ziehhündchens auch besser gefiel. Welcher Mann ließ sich schon gern in Kleidchen mit Schleifchen stecken? Vielleicht auch noch Rüschen! Sah er ja mal gar nicht ein. Takanori nahm schließlich dem Mädchen neben sich das Smartphone aus den Händen. „Nun zeig doch auch mal her! Ich möchte die Bilder von ihm auch sehen!“, protestierte er und switchte weiter, indem er über den Bildschirm wischte. Bei einem Bild jedoch blieb er hängen. Es war nicht der Hund, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern die Sofakissen, vor denen der Hund lag. Sie erinnerten ihn an irgendwas und er geriet wieder ins Grübeln. Mit verengten Augen sah er zu Akira und schließlich wieder auf das Foto. „Du wohnst nicht im Hotel, oder?“, fragte er schließlich skeptisch nach und er konnte deutlich sehen, wie Akira kurzzeitig zusammenzuckte. „Eh… Nein… Nein, nein. Die ersten Tage war ich im Hotel, aber aktuell bin ich bei Freunden untergekommen.“ „Bei Freunden also…“, wiederholte Taka und besah sich nochmals das Bild eingehend. Dieser Kommentar ließ aber auch Akira stutzen. „Ich würde einen kurzen Abstecher zur Bar machen. Noch einen Drink?“, fragte der Blonde daher nach und streckte auch gleich seine Hand nach seinem Smartphone aus, um es wieder an sich zu nehmen. Taka händigte es ihm ohne zu Zögern aus. Das kam jetzt plötzlich. Und vor allem war Akira so kurz angebunden. Höchst merkwürdig. „Eh, für mich nicht. Ich hab Takeru eben getroffen und ich schulde ihm noch einen Drink.“ Takanori zuckte mit den Schultern. Sie wussten schließlich alle, dass er der heutige Gastgeber war. Daher konnte er diese Einladung nur schwer ablehnen. Oder eigentlich gar nicht. Er hatte sie sowieso schon angenommen. Spielte demnach keine Rolle. „Tut mir leid, dass ich mich dann erstmal zurückziehe. Aber es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, Minami.“ Das war nicht einmal nur so eine Phrase, sondern meinte er wirklich ernst. „Vielleicht sehen wir uns bald mal wieder. War echt toll!“, entgegnete ihm das Mädchen mit einem strahlenden Lächeln. „Mal sehen. Eh, und richte deiner Mutter auch noch liebe Grüße aus.“ Kurz sah er sich um, aber sie war nicht in der Umgebung zu sehen. „Mach ich. Sie ist wieder rauchen.“ Minami winkte ab. Das alles kannte sie bereits. Nicht selten wurde sie bei solchen Veranstaltungen allein gelassen. „Dann viel Spaß dir noch“, ließ Taka eine Floskel fallen und erhob sich. Akira tat es ihm gleich. „Hat mich auch gefreut, euch kennenzulernen“, verabschiedete sich Akira. Hieß also doch, dass er mitkam. Das passte Takanori zwar nicht in den Kram, aber ihn nun wegschicken, konnte er auch nicht bringen. Das wäre unhöflich, vor allem da er ihn mit hergebracht hatte. Schwierig. „War wirklich super. Ich mail dir wegen der Sachen, die ich haben möchte und du schickst mir dann noch Fotos von Koron, ja?“ Anscheinend hatte Akira einen neuen Fan. Das fand Taka aber schon böse. Ob Akira Minami angeflirtet hatte, als er weg war? Möglich wäre es. Hübsch war sie ja. Und er wusste nach wie vor nicht, wie seine Begleitung orientiert war. Hm, ein bisschen gekränkt war er nun doch von dieser Wendung. Wobei! Nein, war er natürlich nicht! Akira war doch abgehakt. Zumindest der Stift zum Haken malen war schon angesetzt. „Klar. Wie abgemacht. Bye…“ Der Größere hob schließlich noch seine Hand und folgte Takanori durch den Raum. Ihr Ziel stand ohnehin fest. „Koron hab ich auch schon ne Weile nicht mehr gesehen!“, ließ Taka verlauten. Kritik! Und zwar zurecht! Schließlich wurde er hier einfach hinten angestellt. Das konnte er so nicht auf sich sitzen lassen. „Das stimmt. Hm, ich könnte dich ja mal mit ihm zusammen von der Arbeit abholen, dann gehen wir zusammen Gassi?“, kam recht schnell ein versöhnlicher Vorschlag. „Nur Gassi?“, hakte der kleine Blonde nach. Hallo, Minami bekam sogar Bilder von seinem auserkorenen Liebling. Da musste man ihm schon mehr anbieten. Er war vorher da, er hatte demnach auch ein Vorrecht. „Ehm…“, murmelte seine Begleitung vor sich hin. Er schien nachzudenken. Ob das schon wieder zu vorlaut war? Aber manchmal musste man dreist sein, sonst kam man zu nichts. „Weißt du, ich mag Käse-Gyuudon recht gern.“ Dass man auch noch einen Hint fallen lassen musste, ehe dieser Kerl auf die Idee kam, eine Essenseinladung anzubieten! Musste man dem denn nur alles sagen? Oder es lag daran, dass er kein Mädchen war. Wäre nach dem gewonnenen Eindruck von eben auch durchaus eine Erklärung. Es musste doch nicht unbedingt ein Date sein. Normale Freunde aßen auch ab und an zusammen. Essen musste man sowieso und in Gesellschaft war das viel schöner. „Ich wüsste auch wo!“, fügte Taka noch an. Die letzte Hoffnung, aber Begeisterung schlug ihm nicht gerade entgegen. „Mal sehen…“, hielt sich Akira bedeckt und der Kleinere konnte nur mit den Augen rollen. Gut, dass seine Begleitung das nicht sah und sie die Bar erreichten. Nach dieser Abfuhr wartete dort Takeru bereits. Der saß auch da wie auf dem Präsentierteller. Unmittelbar sank seine Laune noch weiter. „Da ist mein Kätzchen ja“, sagte Takeru sofort begeistert, als er ihn erblickte. An Akiras Gegenwart schien er sich nicht zu stören. Takanori erzwang sich ein leichtes Lächeln und wandte sich erstmal an den Barkeeper. Immer vor Augen führen, dass dieses Treffen nicht ewig dauern würde. „Einen Zombie, bitte.“ Akira konnte für sich selbst reden. Daher nahm er nun auf dem Barhocker direkt neben Takeru Platz. „Wie findest du die Party bisher?“, erkundigte sich der Gastgeber bei seinem neuen Gesprächspartner und drehte sich diesem zu. Gelassen strich er anschließend über den Rand seines halbleeren Glases. „Nun ja, sind wenige Leute da, die ich überhaupt kenne.“ Das war ein Fakt. Bis auf Minami und ihre Mutter war ihm niemand bewusst aufgefallen. „Yuhma und die anderen haben sich direkt in die Privaträume zurückgezogen. Die hatten heute keine Lust auf Konversation“, wurde ihm erklärt. Takas Blick wanderte zu dem Grinsen auf Takerus Lippen. Also existierte die Gruppe um ihn herum wirklich noch in der ihm bekannten Konstellation. Takerus engster Kreis. Alle genau so krank im Kopf wie ihr Anführer. Die passten wirklich wie Arsch auf Eimer und einer perverser und durchgeknallter als der andere. Kaum zu fassen, dass er es einst als erstrebenswert angesehen hatte, zu ihnen zu gehören. Wie blind man war, bemerkte man leider erst hinterher. Das war ja das Problem an der ganzen Sache. Noch heute könnte er sich selbst für sein damaliges Verhalten ohrfeigen. Brachte nun aber leider nichts mehr. „Das Angebot steht trotzdem noch. Du kannst ihnen gern hallo sagen…“ „Nein, ist schon okay“, schlug Takanori das Angebot erneut aus und griff nach seinem Glas, um es enger an sich heranzuziehen. Er sah aus seinem Augenwinkel, dass Akira das Gleiche bestellt hatte. Mit seinen Lippen schnappte er nach dem Strohhalm und sog kräftig, sodass sich ein großer Teil des Inhaltes leerte. Je schneller sein Glas leer war, desto schneller konnte er wieder weg. Wobei das Gespräch bisher recht geradlinig verlaufen war. Doch er wollte sich nicht in Sicherheit wiegen. Nicht, wenn der Wolf im Schafspelz unmittelbar neben ihm saß. „Wie läuft es sonst so bei dir? Irgendwelche Pläne für die nächste Zeit?“, wollte Takeru wissen. „Hm, eigentlich steht nicht viel an. Ein Kumpel aus Amerika hat mich kürzlich besucht. Er hat mich eingeladen, ihn in Amerika zu besuchen. Ich denke aktuell darüber nach, ob ich das nicht machen sollte. Aber das muss ich wohl erst mit meinem Boss bequatschen.“ War ihm doch egal, wenn das gelogen war. In seinem Leben passierte eben nicht viel und nichts Spannendes. Da konnte man ruhig über derartige Dinge berichten und auch mal prahlen, wie es sonst Takerus Eigenart war. „Wieder Amerika. Das ist wohl heute hot topic, was?“ Demonstrativ sah Takeru an seinem Nebenmann vorbei und musterte Akira, der kontinuierlich an seinem Cocktail suckelte. Stück für Stück verschwand dadurch die weiße Flüssigkeit aus dem Glas. Äußern wollte er sich zu dieser offensichtlichen Provokation augenscheinlich nicht. Das übernahm Taka für ihn. „Klar. Kommt man zurzeit doch eh nicht drum herum. Die Academy Awards stehen vor der Tür. Da ist Hollywood wieder in heller Aufruhr und du weißt, was das für die gesamte Modewelt bedeutet.“ Wie immer nahm Takeru die Konkurrenz aus dem Rest der Welt nicht für voll. Das war eben so, wenn man selbstverliebt war und sich selbst für den Geilsten hielt. Diesen Charakterzug hatte Takanori ziemlich schnell bei dem anderen durchschaut. Aber auf das ernsthafte Thema wollte sich Takeru nicht einlassen. Abrupt hob er seinen Arm und winkte jemanden zu ihnen. Diese Ablenkung hatte sich ihm geradezu angeboten. Da Taka mit dem Rücken zum Raum saß, bemerkte er den Mann, der sich ihnen nährte nicht gleich. „Ich wollte dir noch jemanden vorstellen…“, begann Takeru und rutschte von seinem Platz, als sie Gesellschaft bekamen. Besitzergreifend legte er seinen Arm um den jungen Mann mit den schwarzen Haaren und präsentierte diesen demonstrativ seinem Gast. Auch der kleine Blonde wandte sich nun um, bekam in diesem Moment aber den Schreck seines Lebens. „Das ist Kloe. Meine neue Muse!“ Urplötzlich wurde Takanori heiß und kalt zugleich, als er in die Augen seines eigentlichen Freundes starrte. Ihm war so, als hätte sein Herz für einen Moment ausgesetzt und ein schwarzes Loch erschien in seinem Magen, drohte alles zu verschlingen und nahm ihm die Luft. Und Kloe verzog keine Miene, reagierte einfach gar nicht. „Kloe, das ist Takanori. Ein hervorragender Designer. Und sagen wir es mal so, er hat mich sehr inspiriert. Beruflich und auch privat.“ Sie wussten doch alle, wovon sie hier redeten. Klar wusste Taka, dass Takeru mit Kloe in die Kiste stieg und der wusste nun auch, mit wem er es getrieben hatte. Trotzdem traf Takanori die Erkenntnis wie ein Schlag. Trocken schluckte er, konnte seinen Blick aber nicht von dem Schwarzhaarigen nehmen, geschweige denn, dass er etwas sagen konnte. Das war es also, was lief, während er sich Gedanken machte, dass er ein schlechter Freund war und grübelte, wie er die Sache mit Kou wieder gerade biegen konnte. „Hm?... Kennt ihr euch?“, schlussfolgerte Takeru aufgrund der merkwürdigen Stimmung, die selbst ihm nicht verborgen blieb. So sah er kurzzeitig fragend zu Akira, da dieser Kloe regelrecht schon abwertend musterte, sich jedoch ansonsten raushielt. Doch da fand Taka seine Stimme wieder. „Uhm, nein. Ich… Freut mich, dich kennenzulernen… Kloe.“ Er bemühte sich, seine Fassung nicht zu verlieren, deutete sogar eine leichte Verbeugung an. Die förmliche Erwiderung bekam er nicht mit, da sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen. Sein Freund vögelte also mit seinem Ex! Das saß! Aber so richtig. Ein Schlag in die Magengrube war nichts dagegen. Trotzdem wollte er sich die Blöße nicht geben und vor den Anwesenden einknicken. So lächelte er leicht und bewahrte den Schein. Bloß nie jemanden mitteilen, wie es in einem aussah. Das war doch die Devise der Japaner. „Ich hoffe, du bist sehr inspirierend für Takeru.“ Wer wusste schon, wie lange das schon ging? Von wegen Bandprobe, Termin beim Management und Co. „Oh, glaub mir, Taka-chan. Wir haben schon viele schöne Stunden gemeinsam verbracht. Er spielt übrigens in einer Band. Ein paar der anderen Mitglieder sind auch da.“ „Die sind schon nach hinten gegangen. Ich würde mich dann auch zurückziehen, wenn das in Ordnung ist?“, fragte Kloe höflich an, woraufhin Takeru nickte. Natürlich nicht, ohne nochmal seine Hand über seine Kehrseite fahren zu lassen. „Ich komm in ein paar Minuten nach.“ Kein Versprechen, sondern eher eine Aufforderung. Takanori verstand diese Worte selbst nur zu gut. Immerhin war er lang genug in engen Kontakt mit Takeru gewesen, um zu wissen, was passieren würde. Innige Küsse waren bekanntlich nur der Anfang. Er wollte sich das alles gar nicht bildlich vorstellen, aber die Bilder drängten sich ihm einfach auf. Er wusste genau, wie Kloe beim Sex klang, wie er sich anfühlte und sich bewegte. Dass ihm dies nicht als einzigen vorbehalten war, störte ihn mächtig. Wozu hatte er sich entschuldigt? Warum plagte er sich mit einem schlechten Gewissen, wenn Kloe sich in anderen Betten herumtrieb? Er kam sich so selten dämlich vor. Nur gut, dass der Typ sich aus dem Staub machte. Taka wollte ihn gerade echt nicht mehr sehen. „Hübsches Kerlchen, hn?“, fragte Takeru regelrecht schon stolz nach und setzte sich wieder entspannt hin. Eine weitere Trophäe in seiner Sammlung. Bequem stützte er sich auf dem Tresen ab und sah zufrieden zu Takanori. Seine Hand legte er anschließend auf seinem Oberschenkel ab, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen. „Du weißt, du kannst mich jederzeit anrufen. Vielleicht machen wir uns zu dritt mal einen netten Abend. Danach bist du bestimmt tiefenentspannt und strotzt nur so vor neuen Ideen.“ Taka bekam die Worte von Takeru nur ganz am Rande mit. Selbst dessen Hand, die immer weiter zur Innenseite seiner Oberschenkel wanderte, nahm er nur ganz weit entfernt wahr. Ja, verdammt, er war verletzt! Ja, Mann, er fühlte sich betrogen und verarscht! Wieso um alles in der Welt wollte er eine ernsthafte Beziehung eingehen? War doch klar, dass alles so endete. Für ihn gab es eben nur Kummer, Schmerz und Enttäuschung. Sicherlich war das die Quittung dafür, dass er Kloe nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hatte und ihm kontinuierlich vorgab, erfolgreicher zu sein, als er es in Wirklichkeit war. Ausgleichende Gerechtigkeit nannte man sowas doch, oder? Er zog sein Glas zu sich heran und leerte es ohne abzusetzen. Keine Ahnung, was Takeru da weiter vor sich hinbrabbelte. Taka hatte kein Interesse daran und nach dieser Offenbarung eh keinen Nerv mehr für diesen Scheiß hier. Sollte Akira doch sehen, wie er sich hier Freunde machte. Er hatte die Schnauze voll. Das war gerade sicherlich alles gar nicht passiert! Nur eingebildet oder so. Bestimmt war er besoffen und träumte – ein Alptraum. „Sorry, ich bin eine rauchen!“ Geräuschvoll schob Taka das leere Glas von sich weg und entfernte wenig nachsichtig einfach Takerus Hand von sich. Dann rutschte er von dem Barhocker und rauschte förmlich ab. Sein Herz wummerte in seiner Brust. Auch der Alkohol konnte den Unbehagen in seiner Brust nicht lösen. Er konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen, der es vermochte, diese Situation rational zu beschreiben. Seine Gefühle waren in einen Mixer gesteckt worden und kein anderer als Takeru hatte die Starttaste gedrückt. Er war selten so froh darüber gewesen, eine Zigarette zwischen den Lippen zu haben und den Rauch tief inhalieren zu können. Die Stadt lag so friedlich vor ihm und bildete ein Lichtermeer und seine kleine Welt lag mal wieder in Trümmern. Glückwunsch, er hatte wiederholt alles falsch gemacht. Er wollte heulen. Doch die Blöße würde er sich hier nicht geben. Beziehungen, die auf Lügen aufgebaut waren, konnten nur so enden. Ein ungeschriebenes Gesetz, Karma oder so nen Mist. Alles Böse kam zu einem zurück. Hieß das nicht so? Schön, wenn einem mal wieder bewusst wurde, wie sinnlos doch alles war. Menschen waren abscheulich. Entweder sie ließen einen allein oder sie verletzten einen. Und von Kloe kam gar keine Reaktion. Er hatte ihn nur angestarrt, aus seinen kalten Augen. Sicherlich war seine Zuneigung auch nur geheuchelt wie einfach alles, was sie miteinander geteilt hatten. Für seine Karriere war er eh nie von Nutzen gewesen, klar, dass er sich jemanden suchte, der ihn weiterbringen konnte. War doch egal, wenn jemand anderes auf einen wartete und sich nen Kopf machte. „Alles okay?“, fragte Akira vorsichtig, nachdem er hinter Takanori aufgetaucht war. Der kleine Blonde sah jedoch nur auf das Spiegelbild im Fenster vor sich. Sowieso konnte man eh nie erkennen, was Akira fühlte. Diese scheiß Maske verbarg einfach alles. Zittrig hob Taka seine Zigarette wieder zu seinen Lippen und hielt den anderen mit einer Antwort hin. Seine Augen blickten wieder in die Finsternis der Nacht, die wie ein schützender Schatten über der Stadt lag. So viel Dreck und Abschaum verbarg sich da unten, hinter verschlossenen Türen. „Seh ich aus, als wenn alles okay wäre?“, spuckte er regelrecht eine rhetorische Frage aus, nachdem der Zigarettenrauch seine Lunge wieder verlassen hatte. Wütend drückte er seine Kippe aus. Die half genau so wenig wie der Alkohol gegen das Chaos in seinem Kopf. Auch Akiras sanfte Berührung an seinem Rücken machte es nicht besser. So fuhr er herum und schlug seine Hand weg. „Es ist Scheiße, wenn man niemandem mehr vertrauen kann und am Ende einfach nur verletzt wird. Aber ich werd sicherlich nicht vor jemanden emotional blank ziehen, der sich ununterbrochen versteckt!“, schnauzte er seine Begleitung an. Er war sauer auf Takeru und auf Kloe und eigentlich auf die ganze, beschissene Welt. Aber letztendlich war es Akira, der seinen Frust abbekam. Selbst wenn er nichts dafür konnte. Da war es ihm auch egal, dass einige Leute hier ihr Gespräch mitbekamen und peinlich berührt versuchten wegzusehen oder direkt den Raum verließen. Es spielte doch eh alles keine Rolle mehr. Sein Gesicht hatte er doch eh schon verloren und Stolz besaß er gar nicht mehr. Und Akira war gerade da, greifbar, um als sein Ventil zu fungieren. „Die können mich alle mal kreuzweise!“, wetterte Takanori weiter und setzte zum Gehen an. Da er gerade sowieso auf Konfrontationskurs war, rempelte er Akira absichtlich an. Er wollte auch jemandem wehtun, aber so richtig. Irgendwie musste er seiner Wut eine Form verleihen. Womit er aber nicht gerechnet hatte, war die Gegenwehr, auf die er stieß. Es war so, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen. Doch dann merkte er, dass Akira ihn absichtlich kräftig nach hinten gedrückt hatte, sodass er mit dem Hinterkopf unsanft gegen die Fensterscheibe schlug. Im nächsten Moment drückte Akira seine Hand fest auf seine Augen, sodass er nicht weg konnte und Sehen war somit auch passé. Eigentlich wollte er schimpfen, sich wehren, aber zu allem kam er nicht mehr, denn da spürte er Akiras weiche Lippen auf seinen. Leere. In seinem Kopf herrschte einfach nur Leere. Was passierte hier gerade? Warum passierte das? Die Hand entfernte sich wieder von seinen Augen und Luft erreichte seine Lungen. Taka starrte geradeaus, sah nur, wie Akira seinen Mundschutz zurecht zupfte, noch bevor er auch nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte. Und im nächsten Moment realisierte er, wie weich seine Knie wurden. Unsicher biss sich Takanori auf seine Unterlippe. Er blinzelte und im nächsten Augenblick verließ Akira den Raum. Er blieb zurück. Der Mixer mit seinen Gefühlen drin hatte also noch eine Turbo-Taste, die gerade eindrucksvoll von Akira gedrückt worden war... _____________________________________________________________________________ ... und? Wie findet ihr es?! Irgendwie hab ich schon seit Monaten genau auf diesen Moment hingefiebert und wäre vor Aufregung beinah geplatzt XD Ich hoffe auch, dass nun alle doofen Fehler eliminiert sind. Leider habe ich noch einiges beim "Überarbeiten" gefunden, von dem ich nicht mal weiß, wie das passieren konnte. Sowas wie fehlende Leerzeichen ^^° Peinlich, peinlich... Ob sich wohl überhaupt jemand bei dem schönen Wetter hierher verirrt, um zu lesen?.... Kapitel 22: ------------ Undone Kapitel 22 Das Rauschen in seinen Ohren wurde immer lauter, auch wenn sich an der leisen Musik im Hintergrund nichts geändert hatte. Takas braune Augen wanderten langsam nach oben, als er mitbekam, wie jemand vor ihm mit der Hand auf und ab wedelte. „Erde an Taka-chan!“, vernahm er nun doch Takerus Stimme und blinzelte. „Alles okay mit dir, Baby?“, wollte der Größere von ihm wissen. Das nahm Takanori zum Anlass, seinen Kopf etwas zu senken. Er wusste gar nichts mehr. Wirklich gar nichts. Sein Hirn war wie leergefegt, total weichgekocht. „Du gefällst mir zurzeit echt nicht. Neulich warst du auch schon so komisch“, redete Takeru weiter und trat vor den Kleineren, der noch immer an der Wand mit dem Fenster lehnte. Seit Akiras Abgang hatte er sich noch nicht wieder bewegt. Das hatte echt gesessen. „Probleme…“, murmelte der kleine Blonde vor sich hin. Er hatte das Gefühl, dass ihm die Kontrolle über sein Leben nun vollkommen entglitten war. Doch in seinem Kopf machte es den Eindruck, als sei er nur eine Person, die irgendwo in der Ecke stand und alles beobachtete. Er fühlte sich nicht einmal involviert. All das konnte er nicht einordnen oder in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Sicherlich passierten alle diese Dinge jemand anderem und gar nicht ihm. Fast schon hilfesuchend sah er wieder nach oben, kniff aber seine Augen zusammen, als Takeru seine Stirn sanft gegen seine lehnte und ihm damit noch mehr auf die Pelle rückte. Trotzdem realisierte er, wie Takeru in seine Tasche griff und ihn anschließend am Becken zu sich heran zog. „Keine Probleme, die sich nicht mit ein paar bunten Pillen lösen lassen. Lass einfach los…“, wisperte der Ältere ihm mit einer vertrauenswürdigen, ruhigen Stimme zu. Erst war er unschlüssig, was der andere Designer denn meinte, aber dann entfernten sich die flinken Finger wieder von ihm und er konnte deutlich spüren, dass er ihm etwas in die Hosentasche geschoben hatte. Natürlich konnte er sich denken, um was es sich dabei handelte. Trotzdem zog sich Takeru nicht unmittelbar wieder von ihm zurück, was Takanoris Unsicherheit stetig anwachsen ließ. „Ich hab gesehen, dass dieser Suzuki abgehauen ist. Hattet ihr Streit?“ Sofort schüttelte Taka seinen Kopf. „Egal, der Typ passt so gar nicht zu dir. Du solltest dich lieber wieder uns anschließen. Die neuen Jungs sind klasse. Richtig locker drauf. Die lernst du schon nach und nach kennen. Außerdem muss ich seit neulich andauernd an dich denken. Ob du mir das nun glaubst oder nicht.“ Taka spürte die streichelnde Hand an seinem Kopf und unmittelbar spürte er ein Stechen, welches von seinem Hinterkopf ausging. Sicherlich rührte das von dem Aufprall, als er eben gegen die Scheibe geknallt war. Aber das war ideal als glaubhafte Entschuldigung. „Ich hab Kopfweh. Es ist besser, wenn ich nach Hause gehe. Sicherlich hab ich einfach zu viel getrunken.“ Der Jüngere schüttelte kaum merklich seinen Kopf, schob sich aber seitlich an Takeru vorbei, der sich mit ihm drehte. „Wenn du was brauchst, ruf mich an.“ Langsamer als eigentlich geplant, verließ Taka den Raucherbereich und schlug sofort den Weg zur Garderobe ein. Nachfragen, was mit Akira war, musste er nicht. Der war weg und er fühlte sich unpässlich. Sicherlich war es seine Schuld, dass der Abend wieder so beschissen endete. Wortlos schob er seine Abholmarke über den Tresen und nickte bei den Floskeln, die ihm von der Dame dahinter heruntergebetet wurden. *~* Natürlich musste es wieder regnen, wenn er mal draußen war. Warum? Weil das ein ungeschriebenes Gesetz war und es perfekt zu seiner Stimmung passte. Es war nicht so, dass er heulen wollte, weil er zutiefst deprimiert war, aber trotzdem steckte ihm ein dicker Kloß im Hals und er verspürte ein drückendes Gefühl in der Brust. Und ja, der verdammte Wetterbericht hatte örtliche Schauer auch angekündigt. Durchweicht schloss Takanori die Tür seiner Wohnung hinter sich und lehnte sich gleich gegen diese. Wenigstens war es in seinen eigenen vier Wänden ruhig. Hier konnte er nicht von irgendwas überrascht werden. Oder konfrontiert. Mit Dingen, die er selbstverständlich nicht ändern konnte. Er hatte es noch immer nicht geschafft, das Geschehene zu verstehen. Was war da bitte nochmal passiert? Aber das war schon ihm passiert, oder? Angewidert verzog er sein Gesicht und lehnte seinen Kopf zurück. Doch gleich bereute er dies, denn das Stechen kehrte wieder, sodass er über die Stelle rieb, die schmerzte. Nach einigem Tasten merkte er, dass er eine kleine Beule hatte. Geschah ihm anscheinend Recht. Und Schläge auf den Hinterkopf sollten ja bekanntlich das Denkvermögen steigern. Klappte bei ihm anscheinend nicht. „Puh!“ Geräuschvoll atmete er aus und befreite sich erstmal von seinen Straßenschuhen und dann von seinen klammen Klamotten. So, und was war das nun? War er wieder Single oder was? Kloe machte ihm eine Szene, gab ihm zu verstehen, dass er sich reinhängen musste, wenn er eine Beziehung wollte und auf der anderen Seite war er Mitglied in Takerus kleinem Fick-Club. Toll! Klasse! Konnte er sich echt nichts Besseres vorstellen! Verarscht worden! Nach Strich und Faden! Taka hatte wenig Lust, sich überhaupt noch damit auseinander zu setzen. Den dicken, fetten Haken, den er hinter Akira machen wollte, setzte er wohl besser hinter Kloes Namen! Da passte er nämlich bei Weitem besser hin. Vor allem nach dieser Offenbarung. ~*~ „Nakajima! Haben Sie in Ihrer Abteilung noch Ressourcen für morgen früh frei? Sato hat sich krank gemeldet. Arm gebrochen und ist noch im Krankenhaus! Ich brauche dringend einen Ersatz für sie. Das Shooting Morgen kann unmöglich abgesagt werden! Alles ist gebucht!“, dröhnte die herrische Stimme des Leiters von NG durch die Räume. Taka machte sich rein aus Reflex noch kleiner hinter dem Computer vor dem er gerade saß. Das klang mal wieder nach einer stressigen Situation und die Hektik, die sich in ihrem Büro verbreitete, war regelrecht greifbar. Natürlich sprang Nakajima, der Verantwortliche für die Abteilung, in der er seit Kurzem arbeitete, unmittelbar auf und verbeugte sich mehrfach vor ihrem großen Chef. „Eine Sekunde! Ich werde nachsehen, ob ein Mitarbeiter für morgen entbehrlich ist.“ Skeptisch guckte Taka, als sein Boss an ihm vorbei rauschte. Das nahm er zum Anlass, sich wieder seiner Arbeit zu widmen. Doch auch das währte nicht lang, denn da erschien sein Chef neben ihm. „Matsumoto-san, Sie waren doch schon mal bei Fotoshootings dabei, nicht?“ „Eh… Also, ja. Zugesehen und assistiert…“, stammelte sich der Blonde ab und sah sehr skeptisch drein, als er die Mimik seines Vorgesetzten deutete. Das war wieder typisch: einmal zu viel ja gesagt. „Sehr schön. Dann übernehmen Sie morgen das Shooting für Sato! Kommen Sie in einer halben Stunde in mein Büro, da händige ich Ihnen alle notwendigen Informationen und die Checkliste aus!“ --- Mit der besagten Checkliste stand Takanori am nächsten Morgen am Bahnhof von Kouenji und fragte sich mal wieder, warum er? Und vor allem warum so früh? Es war gerade mal 5.30 Uhr und nach und nach trafen die ersten Models ein, die er auf der Liste abhakte. War ein scheiß Job. Zwar bot das mal Abwechslung von der Büroarbeit, aber er war nun einmal kein Manager und auch nicht für die Betreuung von irgendwelchen Leuten einer Modelagentur zuständig. Selbst wenn es hier um ein Shooting von Waren aus ihrer Firma ging. Doch irgendwie sahen das andere Menschen wohl anders und die Dame, die wirklich für die Betreuung der Models zuständig war und hier herum flitzte, konnte er nicht ernst nehmen. Sie hatte einen Bob-Schnitt und war gefühlt nochmal einen Kopf kleiner als er. Noch dazu trug sie eine Hornbrille mit Flaschenböden. So dick waren jedenfalls die Gläser. Ihre Stimme war obendrein total piepsig. Am liebsten hätte er sich jetzt auch krank gemeldet, aber ging ja nicht! Bis Sunset würde er nun beschäftigt sein alles zu checken und dafür zu sorgen, dass nichts schief ging. Boahr, langweilig. Er fand es damals als Model ja schon ab und an total ätzend zu warten und hatte die Begleitpersonen der Firmen nie darum beneidet die ganze Zeit am Set herum gammeln zu müssen. Und nun war er selbst so eine Person. Jedenfalls für den heutigen Tag. „Guten Morgen. Mishiko-san hat mich hier her geschickt, um mich als anwesend zu melden!“, wurde Taka aus seinen missmutigen Gedanken gerissen. Mit einem verwirrten Blinzeln sah der kleine Blonde nach oben zu dem durchaus sehr hübschen jungen Mann. „Oh, natürlich. Eh… Guten Morgen erstmal“, sagte Takanori verwirrt und besah die Liste der Teilnehmer. Kurz überflog er die Namen und merkte, dass nur noch einer übrig war, der noch nicht abgehakt worden war. „Kloe dann wohl, hn?“, stellte er fest. Alle Anwesenden hatte er selbstverständlich mit ihren Künstlernamen angeredet, selbst wenn ihm weitere Informationen vorlagen. „Ich bin Matsumoto Takanori. Designer bei NG und betreue das Shooting heute. Freut mich. Auf gute Zusammenarbeit.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Matsumoto-san. Es ist eine Ehre für mich, für ihr Unternehmen arbeiten zu dürfen. Ich bin schon ganz gespannt auf die Kollektion. Können sie mir da schon etwas mehr verraten?“ Taka steckte seinen Kuli an das Klemmbrett, da es nun ja losgehen konnte. Ganz anders als er selbst war dieser Kloe wohl schon wach und quatschte ihm sofort einen Knopf an die Backe. Erfrischende Abwechslung, wenn er die restliche müde Meute von sogenannten Models so betrachtete. „Ja, natürlich. Verschieben wir das auf die Busfahrt. Der Platz neben mir ist sicherlich frei. Nun komm erstmal, wir haben einen Zeitplan einzuhalten…“, vertröstete Taka das Model ein Wenig und bemerkte vor allem die hübschen Augen des Schwarzhaarigen, die sich gar nicht mehr von ihm abwendeten. --- „Ich… ich wollte dich sehen. Warte doch, bitte!“ Takanori war alles andere als begeistert, als dieses Model ihm keine drei Tage nach dem Shooting, von welchem er zwangsweise die Betreuung übernommen hatte, auch noch unmittelbar vor dem Hauptsitz von NG abfing. Das alles war ja schön und gut, aber Job war nunmal Job und eigentlich hatte er eine ganz andere Aufgabe. „Bitte, ich hab das Gefühl, du bist der Einzige, der mich versteht!“ Taka blieb zwangsweise stehen und blickte nach oben. „Wir haben uns doch beim Shooting so gut verstanden. Das kann doch kein Zufall gewesen sein.“ --- „Spürst du das?“ Kloe drückte sich Takanoris Hand noch fester in seinen Schritt. „Das machst du mit mir!“ Die Worte des Schwarzhaarigen drangen nur gehaucht an sein Ohr. „Schlaf mit mir!“, forderte der Musiker und presste seine Lippen forsch auf die des Designers. ~*~ Das musste man erstmal sacken lassen. Sein Ex vögelte mit seinem aktuellen Freund… Boahr, das fühlte sich an, wie getragene Unterwäsche. Das war doch echt widerlich. Jeder mit jedem. Das bewahrheitete sich eben doch wieder. In der Gay-Community war wirklich niemand ein unbeschriebenes Blatt in dieser Stadt. Und da sollte man einen Freund finden, mit dem man alt werden konnte?! Ein Ding der Unmöglichkeit und die Sache mit dem Vertrauen konnte er sich auch an den Hut stecken. Dabei mochte er es zu wissen, woran er war. Aber nun hatte er wenigstens die Bestätigung, dass es Kloe von Anfang an nur um die Karriere ging. Schließlich hatte er diesen Eindruck immer mal wieder gehabt. Sich von jemandem knallen lassen, der Einfluss hatte, brachte einen eben in diesem Business voran. Betthäschen waren da an der Tagesordnung. Strich drunter. Das waren nun einmal die ungeschriebenen Regeln und jeder befolgte sie stillschweigend. So war das eben in dieser kleinen Community voller Lügner und Betrüger. Dennoch verspürte Taka den Drang, sich zu waschen und besonders im Intimbereich. Kurz überlegte er. Wie lange war das letzte Mal her? Mit Kloe? Hm, als Kou da war. Nein, da hatten sie nicht miteinander Sex gehabt. Kloe hatte ihm nur den Schwanz gelutscht, aber zum Akt war es nicht gekommen. Davor hatte er ihn eine Weile nicht gesehen. Und selbst zum Valentinstag hatten sie nur zusammen gefrühstückt, da Kloe einen Auftritt hatte. Klar doch, Geschenke abstauben und den Fans das Geld aus den Rippen leiern. Nein, er gab es auf, er erinnerte sich nicht mehr daran. Oh Mann. Okay, er hatte verstanden. Kloe war ne Schnapsidee gewesen – von Anfang an! Und es war besser, wenn er weg war. Besser jetzt und auf diese Art und Weise, als wenn er sich noch in etwas hineingesteigert hätte. Darin war er schließlich super. Seine Enttäuschung hielt sich auf längere Sicht betrachtet wirklich in Grenzen. Viel hatte sie nie miteinander verbunden. Nüchtern betrachtet waren es nur die Bettgeschichte und ab und an gemeinsame Mahlzeiten, Verabredungen in Restaurants, wenn es die Zeit denn erlaubt hatte. Es war nicht so, dass er in Kloes Leben involviert war oder er Kloe nah an sich herangelassen hatte. Oberflächliches Gequatsche und sonst ging es nur darum, sich aneinander abzureagieren. Emotional betrachtet konnte man Kloe auch gut durch jeden beliebigen anderen Typen ersetzen. Vorhin jedoch war er total überrumpelt gewesen, als Kloe auf einmal vor ihm stand. Da hatte er gar nicht gewusst, was er tun, denken oder sagen sollte. Vor allem, nachdem er sich eingeredet hatte, dass es mit Kloe ja vielleicht doch ernster werden könnte. Und dann das. Super. Hatte Takeru also wen zum herumhuren. Kloe war auch bedient und er konnte sich neuen Dingen widmen! Neuen Dingen aus Amerika. Neuen, verdammt gut aussehenden Dingen, mit so verflucht weichen Lippen. „Argh! Dieser Typ!“, fluchte Taka und verspürte sofort dieses Kribbeln in der Magengegend. So viel dazu, dass er sich Akira aus dem Kopf schlagen sollte. War ja ne nette Idee, aber seit heute lagen die Karten anders. Mundschutz-Fetisch hin oder her. Es baumelte ein verdammt schickes Armband an seinem Handgelenk, das er sich gleich nochmal eingehend betrachten musste. Und dann… Akira hatte ihn geküsst! Einfach so! Na gut, unromantisch war das schon und er hatte sich den Kopf gestoßen! Egal, er hatte ihn geküsst und es war aufregend! Nicht so ein kitschiges in die Augen Sehen oder unschuldige Annährungsversuche. Das kannte man ja zur Genüge und dann wurde herumgedruckst und sonstwas. Akira war einfach rangegangen und hatte sich genommen, was er wollte. Das war so verdammt heiß! Da bekam er regelrecht eine Gänsehaut, wenn er daran zurückdachte und ein dümmliches Grinsen zierte seine Lippen. Seine Wangen wurden auch direkt heiß! Aber wie war es dazu gekommen? Er hatte ihn damit total überrumpelt. Hatte er etwa irgendwelche Signale gesendet? Was bezweckte Akira damit? Was waren seine Beweggründe? War er nicht noch vor ein paar Stunden in seiner Gedankenwelt hetero gewesen? Tendenz vielleicht sogar zu ner Freundin? Eh!? Mit vor der Brust verschränkten Armen spazierte Taka durch seine Wohnung und ließ sich den Abend nochmal durch den Kopfgehen. Das war doch alles nur Business! Oberflächlicher Kram. Networking und freundlich zu irgendwelchen wichtigen Leuten sein. Kein Date, kein Anbändeln oder sowas. Oder hatte er irgendwas nicht mitbekommen? Klar, Takeru hatte immer mal Anspielungen gemacht, die definitiv ins Privatleben gehörten, aber er und Akira, das war Arbeit. Hilfe für sein Label, weil er es versprochen hatte, bei ihrem total missglückten privaten Date! Oh Mann. Taka merkte schon, dass es mit Akira nicht so einfach war auszumachen, wo nun die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben lag. Die Übergänge waren fließend, verschwammen zunehmend. Akiras Gegenwart war angenehm. In jeder Hinsicht. Sie hatten sich ganz nett unterhalten über seine Zeit als Model, dann auch, was Akira erreichen wollte und es klang nicht abgehoben. Auch Minami und ihre Mutter schienen einen guten Draht zu ihm aufbauen zu können. Akira war halt einfach nett und zuvorkommend, nicht so snobbish wie diese Ekelpakete, die meinten etwas Besseres zu sein und alle wie gemeines Fußvolk behandelten. „Verdammt!“ Takas Augen weiteten sich, als ihm schlagartig etwas klar wurde. Akira war sicherlich nur zu ihm gekommen, da er sich gesorgt hatte. Und was hatte er gemacht? Natürlich, er hatte die Beherrschung verloren und Akira erstmal ordentlich angeblafft. Und das wegen Dingen, für die er gar nichts konnte. Dümmlich dreinblickend pustete Taka seine Wangen auf und entließ die Luft langsam wieder. „Fuck!“ Er schlug seine Hände vor sein Gesicht. Scheiße, das war ihm jetzt sowas von peinlich. Das machte man nicht. Sowas machte man vor allem nicht bei jemandem, den man irgendwie mochte. Och nein! Und dann war das alles eskaliert. Sofort hatte der junge Designer ein schlechtes Gewissen. Aber eines, das sich gewaschen hatte. Dem ersten Impuls folgend zog er sein Mobile Phone aus seiner Umhängetasche und öffnete umgehend eine Nachricht. Er musste sich dringend entschuldigen. Für alles am Besten! >Hey Akira< Zumindest diese Zeichen waren schnell getippt. Doch wie nun weiter? Noch dazu klopfte sein Herz ganz wild in seiner Brust. >Tut mir leid wegen vorhin…< Schwungvoll schmiss sich der kleine Blonde auf seine Couch und legte die Beine über die Lehne. War jetzt auch egal, dass er etwas fröstelte, da er nur in Shorts durch seine Wohnung gestreift war. „Ja, toll. Ich entschuldige mich und… Er hat mich doch geküsst und ist dann gegangen. Ey… Ich will das nicht versauen! Taka, denk nach!“, ermahnte er sich selbst und löschte einen Teil der Nachricht wieder. Nervös zappelte er mit seinen Beinen. Half zwar nicht beim Konzentrieren, aber es ging ums Prinzip. Er konnte gerade nicht still halten. >Ist heute leider nicht so gelaufen wie geplant. Sorry, dass ich dich angeschnauzt habe. < Ob er ihn als Wiedergutmachung zu nem Kaffee einladen sollte? Wobei, besser nicht, sonst kam der wieder mit komischen Stories über Löcher und neu lackierte Motorräder an. Dabei gab es so viel interessantere Themen. Erneut runzelte Taka seine Stirn. >Ich wollte meinen Frust nicht an dir auslassen. War nicht okay. Lass mich wissen, wie ich es wieder gut machen kann. Gute Nacht, Taka< Boahr, nun bekam Akira auch noch einen Freifahrtschein. Der konnte sich ja nun alles aussuchen und es tarnen als Gefälligkeit. Andererseits schätzte er Akira auch nicht so ein. Der würde das sicherlich nicht schamlos ausnutzen. War schließlich nicht Takeru. Schicken? Nicht schicken? Er haderte wirklich noch mit sich selbst. Änderungen waren noch möglich, aber nicht, wenn es geschickt war und…. „Oh!“ Takanori blinzelte, als er bemerkte, dass er mit seinem Finger auf den „Senden“-Button gekommen war und mit einem Mal auch das Symbol aufleuchtete, dass die Nachricht bereits gelesen war. Direkt schoss ihm das Blut in den Kopf. Ob das zu viel war? Sicherlich war es das! Und die nächste peinliche Aktion, die er für sich verbuchen konnte. Ganz bestimmt dachte Akira schon, dass er ein totaler Freak war. Und nun schrieb er auch noch. … Und schrieb weiter. Und jetzt hörte er auf! Argh! „Woahr, der macht mich wahnsinnig!“ Schwungvoll setzte sich Taka auf. Was Akira wohl überhaupt dachte? Immerhin war er ja schon ziemlich ausgetickt auf der Party und das, was Takeru von sich gegeben hatte, war eindeutig gewesen. Akira müsste dumm sein, wenn er nicht selbst gecheckt hätte, was da gelaufen war. Eins uns eins konnte er bestimmt noch zusammenzählen. Blöde, abgedroschene Metaphern hin oder her. Was, wenn er ihn nun für ein Flittchen hielt? Oder nun dachte, dass er leicht zu haben wäre? Sicherlich war nun klar, dass er ne blöde Schwuchtel ist und total geil auf Schwänze. Na ja, homosexuell eben. So blind konnte selbst Akira nicht sein, dass er das nicht mitbekommen hatte. Andererseits hätte er ihn unter anderen Umständen auch nicht geküsst. Heten machten sowas nicht. Genau, heterosexuelle Männer küssten von sich aus keine anderen Männer. Nicht ohne dafür bezahlt zu werden. Was aber auch wiederum hieß, dass Akira zumindest bisexuell sein musste. Taka hielt inne. Was, wenn er auch nur einmal drüber rutschen wollte? Okay, ihm war bewusst, dass er bei Akira nicht einmal nein sagen würde, so steil wie er auf den Typen ging. Aber einmal durchnehmen reichte halt nicht. Für den Anfang vielleicht, aber… Takanoris Blick klebte wieder an seinem Handydisplay und er schob seine halbgaren Gedanken weg. >Ich fand den Abend mit dir schön. Eher muss ich mich bei dir erkenntlich zeigen. Lass mal wieder zusammen weggehen. Schlaf gut, Akira< Takanoris braune Augen begannen regelrecht zu leuchten. Kein Kommentar zu dem Kuss! Kein Vorwurf, dass er so ausfallend geworden war! Und vor allem keine beleidigenden Worte oder ein Statement, dass er ihn nie wiedersehen wollte?! Das hieß, alles zwischen ihnen war gut? „Heißt es!“, redete er sich selbst Mut zu und begann gleich wieder zu grinsen. „Hihi, ich hab einen potenziellen neuen Freund!“, fiepte er vergnügt, sah aber verwundert auf sein Handy in der Hand, als eine neue Nachricht von Akira einging. Sofort öffnete er diese und wartete einen Moment, bis sich ein Bild aufbaute. Einen Augenblick brauchte er, um zu verstehen, was da abgebildet war, dann aber begann er zu verstehen, als er den Text darunter las: Wir sind auch schon im Bett. Unglaublich dieser Typ. Aber das Foto, welches zeigte, wie Koron auf Akiras Brust pennte, war schon süß. Niedlich, wie das kleine Fellknäuel sich an das schwarze Tanktop schmiegte und seelenruhig schlummerte. Einen Grund mehr diesen Kerl für sich zu beanspruchen! Immerhin hatte er einen zuckersüßen Welpen und er hatte schon mal ein Foto bekommen. Da hatte sich das Jammern gelohnt. So scheiße war der Abend vielleicht doch nicht gelaufen. Nur blöd, dass er sich nicht selbst an die männliche Brust schmiegen konnte. Aber was nicht ist, konnte ja bekanntlich noch werden! Total kindisch zoomte Taka in das Foto, um sich Akiras Schlüsselbein genauer anzusehen. Die gebräunte Haut sagte ihm schon ziemlich zu und direkt wurden seine perversen Gedanken angestachelt. Takanoris Jagdinstinkt jedenfalls war geweckt und seine Hoffnung war nicht gerade klein, dass es etwas werden könnte… mit ihm… und Akira… Kapitel 23: ------------ Undone Kapitel 23 Gott ey, diese innere Unruhe brachte ihn wirklich noch um den Verstand. Warum war dieser Kerl nur so unverschämt attraktiv? Taka machten seine Gedanken total fertig. Letzte Nacht jedenfalls hatte er nicht ordentlich schlafen können. Er fand einfach keine Ruhe und war total hibbelig. Immer wieder musste er an den Kuss denken. Und kaum wenn er sich etwas beruhigt hatte, dann blitzte doch wieder ein Bild von Akira vor seinem inneren Auge auf. Sein Schlüsselbein, das er gern anknabbern wollte. Nicht zu vergessen diese starken Arme. Diese Adern. Ja, verdammt, er stand darauf! Das war männlich und geil noch dazu. Und wenn er eh schon bei geil war. Diese tief sitzenden Hosen! Ein bisschen stand er ja schon auf diese Bad-Boy-Attitude, die Akira zweifelsfrei ausstrahlte. Takanori atmete tief durch und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen. Sein gesamter Körper prickelte, wenn er nur an diesen Mann dachte. Er musste ihn unbedingt wiedersehen – bald! Nur aktuell hatte er noch keinen Plan, wie er das anstellen sollte. Hingegen wusste er sehr genau, was er alles mit Akira anstellen wollte. Sein Kopfkino lief auf Hochtouren. Ein freches Grinsen schlich sich über seine Lippen, während er seinen Gedanken nachhing und schließlich seine Hasentasse mit dem wohltuenden Kaffee an seine Lippen führte. Ob er es wohl schon einmal auf einem seiner Motorräder getrieben hatte? War sicherlich nicht schlecht das Vibrieren des Motors zwischen den Beinen. Argh, woran dachte er hier nur schon wieder? Hektisch stellte er seine Kaffeetasse auf seinem Küchentisch ab und wuschelte sich durch seine kurzen blonden Haare. Akira machte ihn total wuschig! Oder er war einfach nur untervögelt? Seine Hormone drehten total durch und übernahmen die Kontrolle über seinen Körper. Er wollte Akira. Fraglich war nur, wie er ihn denn verklickern sollte, dass er bereit war mehr aus diesem Kuss zu machen? Er brauchte echt dringend Infos. Irgendwie musste es doch möglich sein, an diesen Kerl ranzukommen. Und damit meinte er ganz sicher nicht ihn auf irgendwelche Partys zu schleppen, damit er noch mehr Snobs kennenlernte. Er war nicht gewillt Akiras Aufmerksamkeit bei ihrem nächsten Treffen zu teilen. Taka schnappte sich seinen Kaffee und marschierte in sein Wohnzimmer. Dort schmiss er sofort seinen Laptop an und holte sein Handy ebenfalls noch von seinem Bett. Während sein Rechner noch hochfuhr, scrollte er durch die Mitteilungen, die auf dem Display seines Handysangezeigt wurden. Natürlich Spam-Mails, sowie irgendwelche unwichtigen Mitteilungen, ein verpasster Anruf von wem auch immer, aber leider keine Nachricht von Akira. Pah! Der war bestimmt noch nicht wach. So eine Schlafmütze! Dann nahm er das erstmal selbst in die Hand. Es schadete sicherlich nicht etwas Interesse zu zeigen. >Guten Morgen! Na, schon von gestern erholt?Klar, gibt echtes Männerfrühstück! Wie sieht‘s bei dir aus?Kein echtes Männerfrühstück, dafür Lebenselixier. Außerdem kundschafte ich gerade dein Label aus. Vielleicht werd ich ja fündig…Sehr süß<, schrieb er mit Verweis auf das Foto, das er ihm gesendet hatte. >Was erhoffst du denn zu finden? Oder ist dir noch ein Schmuckstück ins Auge gefallen?< Wenn der wüsste. Taka musste leise lachen. >Schmutzige Geheimnisse natürlich! Gar keine heimliche Freundin?< Wie sollte er sich denn sonst Klarheit verschaffen? Da musste er einfach direkt nachfragen, wenn selbst auf das Internet kein Verlass war. Außerdem hatte ihm Akira gerade so eine gute Vorlage geboten, da wäre es dumm nicht einfach mal ins Blaue hinein zu fragen. Und wehe, der sagte ihm nun, dass er vergeben war! Boahr, dann würde er weinen! Und Akira hauen! Die Reihenfolge war noch unbestimmt. >Und ja, ich hab da schon ein Lieblingsstück.<, setzte er nach. >Seh mir gerade die Gegend an. Du lebst echt im Paradies. Beneidenswert!< Das dümmliche Grinsen bekam Taka auch nicht mehr aus seinem Gesicht. Wieso fühlte sich das nur so gut an, mit ihm zu schreiben? So über privaten Kram. Hach ja. Vielleicht sollte das so sein. Er und Akira. Eine zweite Chance oder sowas. Und eigentlich war Amerika doch ganz hübsch, wie er feststellte, als er so durch die Straßen klickte und all die hübschen Häuser zu Gesicht bekam. In welchen Akira wohl wohnte? Sicherlich eins von dem aus man auch das Meer sehen konnte und natürlich nicht weit weg vom Highway oder wie sich das nannte. Autobahn? Route Schieß-mich-tot? Und am Strand könnte er mit Akira spazieren gehen, bei Sonnenuntergang, voll kitschig und dann würden sie direkt ins Schlafzimmer gehen, den salzigen Geruch vom Meer noch an sich haftend würden sie sich innigen Küssen hingegeben und sich dann leidenschaftlich lieben. Taka hatte ja viele Träume und Zukunftsvisionen, aber diese gefiel ihm doch am besten. Doch da kam ihm schlagartig ein neuer Gedanke! Wie war das? Akira suchte einen Designer?... Er war Designer! Na, was für ein Zufall! Und siehe da, dort stand doch auch eine E-Mail-Adresse. Ob er es drauf ankommen lassen sollte und ihm einfach eine Bewerbung zuspielte? Nach Amerika wollte er ja eh schon immer mal und dort konnte er bestimmt auch Kou besuchen oder sowas. Hatten die Amerikaner nicht auch mehr freie Tage und sowas? Aber wozu frei haben, wenn man etwas machte, das man liebte und regelrecht das Paradies auf Erden vor der Tür hatte? Und Akira war sicherlich nicht so ein tyrannischer Chef wie der Type aus seiner Firma, der ihn nur herumkommandierte und klein hielt. Hm, das Ganze war wirklich eine Überlegung wert. Erstmal die Seite als Favorit markieren, damit er die möglichst unkompliziert wiederfinden konnte. So mies waren seine Referenzen eigentlich auch gar nicht. Und Mode entwerfen konnte er auch und er hatte Ahnung von Schnitten und Stoffen und eigentlich konnte er sich schon vorstellen coole Mode zu entwerfen, die zu dem Schmuck passte. Mal sehen, vielleicht machte er das auch von Akiras weiterer Antwort abhängig. Die kam sogar wie gerufen. >Du bist heute aber sehr neugierig. Aber nein, ich bin Single. Sag mir ruhig, was dir gefällt.< Uhw, ganz falsches Angebot. Taka biss sich auf die Unterlippe, musste dann aber doch grinsen. Wenn er jetzt doggy style schrieb, würde Akira sicherlich sofort seine Nummer löschen. Er räusperte sich. Seine Gedanken waren heute aber auch nonstop nicht jugendfrei. Trotzdem hatte er gerade die Antwort bekommen, auf die er so sehr gehofft hatte. Keine Freundin! Außerdem hatte er ihn geküsst. Demnach zumindest bi und Männern nicht gänzlich abgeneigt. Damit konnte man arbeiten! >Gehört zu meinen schlechten Eigenschaften. Aber davon gibt’s ganz viele. Zeig mir lieber Koron!< Ja, er war nicht nur neugierig, sondern auch total dreist. Dem ungeachtet hatte er total gut abgelenkt! Trotzdem, Akira war sein Kerl und Koron würde auch ihm gehören. So jedenfalls hatte er sich das gedanklich zurechtgelegt. Den Plan fand er gut, auch wenn er noch ziemliche Lücken aufwies. Die Durchführung des Ganzen zum Beispiel. Trotzdem war das Ziel klar definiert. Und das war die Hauptsache. Da kribbelte sein gesamter Körper gleich wieder vor Aufregung. Akira musste echt aufpassen, dass er ihn nicht das nächste Mal, wenn sie sich sahen, unmittelbar ansprang. >Wie grausam! Du bist nur an meinem Hund interessiert… T___T< Taka musste direkt kichern, als er das traurige smily in der Nachricht sah. Wenn der wüsste! >Nicht nur!<, sendete er aber sofort zurück. Es amüsierte ihn echt, mit Akira Nachrichten auszutauschen. Das bestärkte ihn nur in der Annahme, dass sie auf der gleichen Wellenlänge waren. Und im gleichen Moment sah er auch, dass mehrere Fotos luden. Nach und nach baute sich die Bildvorschau auf und sofort erkannte er Korons Knopfaugen. >So süß!<, tippte er direkt zurück.>Vergiss nicht, dass wir gemeinsam Gassi gehen wollten… Also, wenn du mal Zeit hast…< Drängen wollte er Akira nun auch nicht, aber gerade konnte er ein nächstes Treffen gar nicht abwarten. Es war fraglich, wann er sich zuletzt so beschwingt und fröhlich gefühlt hatte. Aber war sicherlich normal, wenn man frisch verliebt war. War er überhaupt verliebt? Mah, doofe Definitionen – die brauchte kein Mensch. Lieber kümmerte er sich ums Wesentliche: die Bilder. Doch kaum, dass er das zweite Foto von Koron in groß ansehen wollte, zuckte er zusammen, da der Bildschirm seines Handys stockte und dann auf einmal umsprang. Er blinzelte und dann sah er auf das grüne Anrufsymbol, welches er eben ausversehen durch die Verzögerung gedrückt hatte. Darüber prangerte die Anzeige „verbunden“. So ganz checkte er gar nicht, was hier Sache war, hörte aber Geräusche, die von seinem Smartphone ausgingen. Er hatte wohl einen Anruf entgegen genommen. „Eh…. Hallo?“, fragte er dann aber doch nach. „Taka-chan! Tut mir leid, dass ich dich mitten in der Nacht angerufen hab. Ich hab total vergessen, dass wir so nen großen Zeitunterschied haben. Hab auch gleich wieder aufgelegt, als ich es mitbekommen hab!“, blubberte Kouyou in das Telefon. Seine Stimme war unverkennbar, auch wenn sie sich etwas blechern anhörte. Anscheinend war die Verbindung nicht die Beste. „Eh, hi… Uhm, schon okay, hab nichts mitbekommen. Anscheinend hab ich tief und fest geschlafen.“ Sein Handy hatte er meist sowieso auf Vibrationsmodus gestellt, da er es nicht mochte, wenn es in den ungünstigsten Momenten klingelte. War zwar heutzutage normal, aber ihm war das peinlich und er wollte andere Leute dadurch auch nicht stören. „Super, ich hatte schon befürchtet, dass du sauer bist. Hast Zeit zum Reden? Ich dachte, ich ruf dich mal wieder an und wir schnacken ein bisschen.“, weihte ihn der andere in seine Pläne ein. Und irgendwie freute sich Taka über den Anruf. Wobei er damit gerechnet hatte, dass er bei Kou mal wieder aus den Augen, aus dem Sinn war. Diesmal war das wohl anders. Da tat es ihm schon ein bisschen leid, dass er so schlecht von ihm dachte. „Klar hab ich Zeit. Heute steht bei mir nichts an. Trink gerade gemütlich meinen zweiten Kaffee.“ „Stimmt, bei euch ist ja schon Morgen. Eh… Ich hab‘s mir gerade auf der Couch gemütlich gemacht. Sam hat mir vorhin noch zwei Drehbücher in die Hand gedrückt. Sind wohl zwei Anfragen für ne Rolle in ner Serie. Sie will, dass ich mir mal angucke, ob ich annehme. Mal schauen…“, plauderte Kouyou etwas aus dem Nähkästchen. Das klang schon wieder sehr nach diesem VIP-Gequatsche. Davon kam der andere wohl nicht mehr weg. Aber der Erfolg sei ihm auch gegönnt. Es war ihm ja nicht einfach so in den Schoß gefallen, sondern er hatte sich wirklich von unten hochgearbeitet. „Läuft bei dir, hn?“, mutmaßte Taka dennoch. Ein Wenig Neid schwang schon mit. Kouyous süßes Leben in Amerika. Der durfte auch Dinge machen, die er mochte. Wenigstens er hatte es geschafft. Wieso nur war er selbst auf der Strecke geblieben? Bei solchen Vergleichen fühlte er sich immer wie der größte Versager der Welt. Skeptisch sah Takanori nochmals zu seinem Rechner. Die Seite von Akiras Label war noch offen. Und so lange würde es nicht dauern, seine Referenzen zusammenzusuchen. Ein Motivationsschreiben bekam er sicherlich auch noch auf die Reihe. Der Rest lag dann nicht mehr bei ihm. Ob er es wirklich mal versuchen sollte? „Ach was, die Drehtermine sind erst für Ende August angesetzt. Die planen noch. Aber ist schon cool, wenn man im Gespräch bleibt und weitere Angebote ins Haus flattern. Wird ja nicht unmittelbar gedreht und erst später ausgestrahlt und das wiederum führt zu neuen Angeboten. Ich guck mir aber meist erstmal den Cast an. Wenn da Leute dabei sind, die ich eher meiden möchte, dann sag ich auch nicht zu.“ „Sowas gibt’s auch? Ich dachte, die sind da immer so… na ja… also… jeder kann jeden leiden und Küsschen hier und Küsschen da?“ Taka hörte ein Lachen am anderen Ende der Leitung. „Vergiss es. Alles hinterhältige Schlampen. Da gibt’s echt teils Bitchfights. Das glaubst du gar nicht! Auch bei den Männern. Oh dear, they are so dreadful. You cannot believe…“ Dread…was? Taka blinzelte. Nun wurden hier einfach Wörter benutzt, die er nicht kannte. “Eh… Kou?”, warf er ein, da der andere total in seinem Redefluss versunken war. „Oh, sorry… Ich meine… ist halt harte Konkurrenz. Viele spielen da strategisch und geben sich auch nicht mit jeden ab. Da muss man schon sehen, wo man bleibt. Aber genug davon! Wie ist es dir so ergangen? Vermisst mich ein bisschen?“ „Ein Wenig vielleicht. Aber so viel Zeit dazu hatte ich auch nicht.“ Taka seufzte. „Okay? … Was ist los? Irgendwas passiert?“, hakte Kouyou sofort nach, da dieses Seufzen mehr verriet als es tausend Worte vermochten. „Hm… Weiß nicht, ob ich dir das erzählen soll…“, druckste der Designer etwas herum. Bisher hatte er den gestrigen Abend doch bis auf eine Ausnahme gut verdrängt. „Com’on! Du hast doch schon damit angefangen. Raus mit der Sprache!“, forderte das Model, woraufhin Taka noch einen Moment überlegte. Zu verlieren hatte er nichts und wozu waren beste Freunde denn da, wenn man sich nicht bei ihnen auskotzen konnte? „Na ja, ich war gestern auf so ner privaten Designerparty. Hab mich halt breitschlagen lassen.“ Taka stoppte. Der Einstieg führte ihn nicht so ganz dahin, wo er eigentlich hin wollte. „Und was war? Zu viel gesoffen und wieder den Helikopter rausgeholt?“, zog ihn Kouyou unmittelbar auf. Das musste ja Eindruck gemacht haben, dass sich Kou sofort daran erinnerte. Bei dem kleinen Blonden trieb es nur die Schamesröte ins Gesicht. „Mah! Nein!“, schmollte Takanori sofort. „Okay, Tacheles! Das war eine von Takerus kleinen Sexparties. Also wo dann im Hinterzimmer ordentlich gefickt wird und die da ihre Orgien feiern. Alk, Drogen und alles Drum und Dran.“ „Taka!“, hörte er auch schon die ermahnende Stimme seines Kumpels, als wolle er ihm die Hammelbeine langziehen. „Was? Ich hab nix gemacht.“ Er schürzte seine Lippen. Nice, was man ihm hier gleich wieder zutraute. „Geht eher darum, dass Takeru mich einladen wollte zu seinen tollen Orgien und da hatte er noch einen ganz speziellen Leckerbissen, den er mir präsentieren musste.“ Taka atmete tief durch. „Joahr, jedenfalls stellt der mir kaltschnäuzig seine neue Muse vor… und zwar MEINEN Freund! Kloe…“ Taka zog seine Nase hoch, schnaubte dann aber wieder. Fühlte sich so ausgesprochen immer noch scheiße an. „Wie jetzt?“, kam der sehr schlaue Einwurf von Kou. „Der vögelt mit meinem Freund, nun Nicht-mehr-Freund! Was weiß ich?! Hab ich jedenfalls keinen Bock drauf. Wer weiß, wer von denen noch alles über ihn drüber gerutscht ist. Gibt da ja noch nen paar andere, die da immer dabei sind und die teilen gern. Jedenfalls sowas!“ Daran konnte sich Taka eben nur zu gut zurückerinnern. Wenn man einmal im inner circle steckte, dann galten da einfach andere Regeln als normal. „Also fickt dein Kerl rum und… eh…“, versuchte es das Model auf die Reihe zu bekommen. Sehr unelegant war dabei seine Ausdrucksweise. „Jo. So kann man das sagen. Ich nehme an, ihm isses egal, mit wen er ins Bett geht. Hauptsache die Vorzüge stimmen und Takeru ist da immer sehr großzügig und legt für seine Betthäschen hier und da auch mal ein gutes Wort ein! Da fällt schon mal nen richtig gut bezahlter Job ab.“ Der kleine Blonde atmete kurz durch, fuhr dann aber fort. „Weißt du, mich kotzt das derbe an, weil ich erst noch mit ihm zusammen Essen war! Und da bin ich regelrecht zu Kreuze gekrochen wegen der Sache, als du hier warst. Total berechnend hat der einen auf hard to get gemacht und auf der anderen Seite lässt der sich von Takeru das Hirn rausficken. Plan B oder sowas. Dem war das doch total egal, was hier vorgefallen ist. Einfach nur ein Vorwand, um mir ein schlechtes Gewissen einzureden! Weißt, wie ich meine?“, machte sich Taka nun doch Luft. „Also fühlst du dich betrogen?“ „Ja, Mann! Der kann mich mal! Wollte eh nur was mit mir am Laufen haben, weil er sich nen Vorteil durch mich erhofft hat. Da ist er definitiv bei Takeru besser aufgehoben! Trotzdem war’s gestern voll nen Schlag ins Gesicht.“ Er wollte daran gar nicht zurückdenken. Wie vom Panzer überrollt hatte er sich gefühlt. „Taka, nicht doch! Lass dich von so einem nicht runterziehen! Also da hast du echt was Besseres verdient! Wer so ne Nummer abzieht, dem brauchst du auch nicht hinterher zu weinen.“ „Wer weint denn hier?“, fragte der Designer skeptisch nach. „Eh… nicht?“ „Nö! So gar nicht! Ich bin einfach nur stinksauer auf den Kerl, dass der mich so über den Tisch gezogen hat. Aber ansonsten…“ „Nix mit broken-heart-syndrome?“ Nun fing Kou schon wieder damit an. Seine englischen Einwürfe waren manchmal echt anstrengend. „Nee. Das passt schon.“ Ein Wenig resignierte er schon, aber das brachte alles nichts. „Das Leben geht weiter. Auch ohne diesen Vollpfosten!“ Taka schmunzelte, als er wieder an Akira und den Kuss denken musste. Der war definitiv die bessere Option. „Taka?“ „Hm…“ Das Grinsen auf seinen Lippen konnte man unschwer aufgrund seines Tonfalls erahnen. „Is irgendwas?“, fragte Kouyou sehr verwirrt klingend nach. „Hn, vielleicht!“, druckste Taka wieder etwas herum und setzte sich im Schneidersitz auf seine Couch. Dann griff er zu seiner Kaffeetasse, um einen Schluck zu trinken. „Willst du mir noch was erzählen?“ Kou kannte das schon. Diese speziellen Andeutungen, bei denen sein Kumpel einfach nur nochmal explizit gefragt werden wollte. „Mal sehen. Is noch nicht spruchreif…“, umschiffte der Blonde diese Sache aber weiterhin und nippte nochmals an seiner Hasi-Tasse. Er konnte sich nur zu gut den genervten Gesichtsausdruck von Kouyou vorstellen. So gut kannte er ihn dann eben doch. „Hab da so jemanden kennengelernt… und der ist auf dem besten Weg, Mister Right zu werden.“ „Ach so? Hast schon den Nächsten am Start?“, stellte das Model verblüfft fest. „Haha, ist nun nicht so, dass die bei mir Schlange stehen. Aber bei ihm… ich arbeite dran!“, hielt er sich nach wie vor bedeckt. „Erzähl mal!“, forderte Kouyou seinen Sandkastenfreund in einem vertrauten Tonfall auf. „Wie sieht er aus? Job? Blutgruppe?“, gab er Taka ein paar Ansätze mit an die Hand, die ihn aber eher verwirrten. Was der wieder wissen wollte, ey. „Na ja, er ist größer als ich. Was nun nicht gerade schwer ist. Uhm… Durchdringende Augen, schmale Hüften, breite Schultern... Also generell ist er eher muskulös gebaut. Die Arme jedenfalls. Altah… Der geht unter Garantie trainieren! Ansonsten, rockiger Kleidungsstil. Die Haare meist fransig gestylt in nem mittleren Braunton. Er hat nen Hund! Und ein eigenes Label. Also ist Geschäftsführer. Sehr attraktiv, nur falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Und seine Stimme ist total angenehm“, endete Takanori vorerst mit der Beschreibung. Hoffentlich hatte er nicht zu sehr geschwärmt. Und vorerst bloß nichts Negatives anmerken. Freunde stürzten sich schließlich immer genau auf diese Dinge und dafür war seine Begeisterung einfach zu groß, als dass er sich das nun kaputtmachen lassen wollte. Auch nicht von Kouyou. „Klingt ganz so, als hat es da jemanden erwischt?!“, kommentierte das Model die Worte seines Kumpels amüsiert. „Hn, möglicherweise… Ich glaube, in meinem Bauch ist eine Raupe…“, beschrieb Taka es blumig. „Ja, die nennt sich „Nimmersatt“!“, erwiderte Kou daraufhin total trocken, was der kleine Blonde aber nicht so witzig fand. Der Typ machte ihm einfach seine Metapher kaputt! „Nein, Mann! Eine, die zu einem wunderschönen Schmetterling werden will!“, korrigierte er und schmollte hörbar. Daraufhin lachte das Model am anderen Ende der Leitung. War doch zu offensichtlich, dass er ihn damit nur ärgern wollte. „Aber ehrlich…“, nahm Takanori ihr Gespräch nach einem Räuspern wieder auf. „Ich habe das Gefühl, er ist derjenige, der Akira das Wasser reichen kann!“, sagte er ernst. „Das freut mich. Dich scheint es ja wirklich richtig erwischt zu haben…“, kommentierte Kouyou diese bedeutungsvolle Aussage. Die Message war definitiv bei ihm angekommen und irgendwie war er schon ein bisschen stolz auf seinen kleinen Taka. „Schon. Akira ist eben nicht so, wie andere Männer. Er ist geheimnisvoll, teils unberechenbar. Ich kann ihn leider nur schwer einschätzen, aber wenn ich nur an gestern denke, krieg ich Gänsehaut. Und andererseits ist er irgendwie auch liebevoll und er hat so etwas Vertrautes im Blick.“ „Pardon?!“ Kouyou räusperte sich, nachdem er grundlegend geschwiegen hatte. „Akira?“, fragte der Ältere nun aber nochmal gezielt nach. Konnte ja sein, dass er sich verhört hatte. Taka wippte mit dem Kopf hin und her. Diesen komischen Unterton in der Stimme seines Sandkastenfreundes kannte er. Der vermochte nichts Gutes. „Hmm, ja…“, murmelte er, spürte aber regelrecht dunkle Wolken aufziehen. „ Also ist jetzt vielleicht ein bisschen blö~öd, aber er heißt halt … Akira.“ „Du ersetzt Akira durch Akira?!“, entrüstete sich Kou und zog die Luft scharf ein, atmete schnaubend wieder aus. „Jein!... Also… Irgendwie ja doch, aber… Das ist nicht so, wie du denkst!“, brach es euphorisch aus Takanori heraus. „War ja nicht geplant! Sein Name stand ihm nicht quer über die Stirn geschrieben! Außerdem ist er vollkommen anders als der Akira, den wir kennen. Männlicher! Viel definierter! Er mag Motorräder und auch vom Typ her ist er anders. Dunkle Haut und ne megamäßige Ausstrahlung!“, verteidigte Taka seinen Freund in spe. Er wollte zu diesem Zeitpunkt definitiv keine Kritik an seiner Wahl hören. Und schon gar nicht wegen eines Namens. In letzter Zeit war er genug durch sein Leben gewankt. Da brauchte er niemanden, der schon wieder etwas in Frage stellte. „Pfft!“, gab Kouyou nur ein abwertendes Geräusch von sich. „Außerdem bin ich mir sicher, dass ihr euch auch verstehen würdet! Er ist in Amerika aufgewachsen und er kennt sich auch ein bisschen mit VIPs und Mode und so aus. Vielleicht hast du auch schon mal was von ihm gehört: Akira Suzuki. Sein Schmuck ist wohl recht angesagt unter den Promis!“, bemühte sich Takanori seinen langjährigen Kumpel weiter zu überzeugen. Doch der hüllte sich in Schweigen und man konnte ihn nur flach atmen hören. „Verstehe…“, rang sich Kouyou schließlich doch einen Kommentar ab und atmete geräuschvoll aus. Kurz danach hörte Taka ein klackendes Geräusch, das wohl davon kam, dass Kou mit seiner Zunge schnalzte. Das tat er eigentlich nur, wenn er wirklich angestrengt nachdachte. Jedenfalls war das früher immer so gewesen. Nun war er verwirrt. Doch noch ehe er etwas einwerfen konnte, meldete sich das Model zu Wort: „Du, ich muss Schluss machen, Yuu ist gerade ins Zimmer gekommen! Scheint wichtig zu sein! Wir sprechen uns… und lass dich auf nichts ein… also… du weißt schon! Bye.“ Und im nächsten Moment hörte Taka nur ein monotones Tuten in der Leitung. Was wusste er? Das war jetzt echt merkwürdig. Verdattert sah er das Smartphone in seiner Hand an. Er verstand echt nicht, was Kouyou damit meinte. War doch seine Sache, mit wem er zusammen war und mit wem nicht und überhaupt. Hatte ihn doch sonst auch nicht interessiert. Häh? Nein, das verstand er gerade wirklich nicht. Und er dachte, Kou hatte Zeit zum Reden und nun brach er das Gespräch so abrupt ab. Ey, den musste man mal verstehen. So ein Spast! Takanori schüttelte seinen Kopf, zuckte dann mit seinen Schultern und leerte anschließend den erkalteten Inhalt seiner Tasse. Mit seiner Hand patschte er auf seinen Bauch. War vielleicht doch mal Zeit, die kleine Raupe Nimmersatt zu füttern. So ganz unrecht hatte der andere damit ja doch nicht gehabt… Kapitel 24: ------------ Undone Kapitel 24 Das beschwingte Gefühl der Vortage, fand heute auf Arbeit ein jähes Ende. Kaum, dass er im Büro angekommen war, gab es einen Anschiss vom Boss. Aber einen, der sich gewaschen hatte. „Wo sind sie mit ihren Gedanken, Matsumoto? So einen Schund kann ich nicht einreichen! Da mach ich mich ja lächerlich! Konzentrieren sie sich gefälligst auf ihre Arbeit!“, hatte er ihm laut um die Ohren gehauen, sodass es jeder im Büro mitbekommen hatte. Die verschämten Blicke waren vorprogrammiert, als mit einem lauten Knall die dazugehörige Mappe auf seinen Schreibtisch gedonnert wurde. Dabei hatte er noch nicht einmal ne Ahnung, was denn falsch war. Normalerweise war er immer pingelig genau mit seinen Projekten. „Tut mir leid. Verzeihen sie.“ Das hatte er wie ein Mantra mit gesenktem Kopf vor sich hin genuschelt. Er war sich sicher, dass einige Kollegen hinter vorgehaltener Hand lachten. Immerhin war er hier nicht besonders beliebt, gab sich aber auch nicht sonderlich viel Mühe, sich mit den anderen Kollegen gut zu stellen. Das hier war Arbeit und keine Veranstaltung, um sich Freunde zu machen. Jedenfalls hatte er das immer so verstanden. War nur zu offensichtlich, dass seine Einstellung nicht bei jedermann auf Zustimmung traf. Trotzdem hatte er es bisher auf den Neid geschoben, den seine Kollegen ihm gegenüber empfinden mussten, da seine Arbeit durchweg seit seines Einstiegs bei NG gelobt worden war. Aber vielleicht lag die Missgunst doch einfach in ihm als Person begründet. „Die ganzen Werte müssen angepasst werden! Mittag hab ich das wieder auf meinem Tisch! Und keine Minute später!“, herrschte sein Vorgesetzter ihn an und Taka nickte nur. Zwar war er es gewohnt, dass zu stressigen Zeiten ein rauer Ton angeschlagen wurde oder er auch unliebsame Sachen zu erledigen hatte, aber bisweilen war er nie die Person gewesen, die für Fehler verantwortlich gemacht worden war. Das war eine ganz neue Erfahrung – eine, auf die er hätte verzichten können. „Selbstverständlich…“ Hatte er denn wirklich irgendwas nicht bedacht oder falsch abgegeben? Klar hatte er in den letzten Tagen öfters auf sein Handy gestarrt wenn die Pause näher rückte, in der Hoffnung dort Akiras Namen lesen zu können, aber er hing doch nicht durchgehend mit dem Kopf in den Wolken, sodass er seine Arbeit nicht mehr ordentlich erledigte. Unsicher sank er auf seinen Bürostuhl und öffnete er die Mappe. Die verschiedenen Post-it’s, die sein Chef an unzählige Stellen geklebt hatte, sprangen ihn sofort ins Auge. Unleserlich waren Hinweise notiert, die es zu entziffern galt und dann stutzte er. Hektisch blätterte er zu besagten Seiten und Verwirrung legte sich auf seine Züge. „Aber ich hatte doch… oder hatte ich nicht? Häh?“ Taka blätterte hin und her, überprüfte einige Angaben, die er gemacht hatte. Die ergaben keinen Sinn. Hektisch kramte er in seinen Unterlagen, die er noch auf seinem Schreibtisch liegen hatte und checkte seine Notizen dazu. Zum Glück hatte er diese noch nicht weggehauen. Da stimmte irgendwas definitiv nicht. Das sah doch ein Blinder mit Krückstock! Das waren nicht die Sachen, die er dort notiert hatte. Nachdenklich sah er in die Runde, aber niemand sah auch nur in seine Richtung. Trotzdem war er sich sicher, dass irgendwer an seiner Arbeit nochmal etwas geändert hatte. Er würde seine Hand dafür ins Feuer legen. Das hatte er nicht so abgegeben. Weitere Bestätigung fand er, als er mitbekam, dass einige Teile unvollständig waren und sogar Seiten fehlten. Kein Wunder, dass sein Boss da so ausgerastet war. Das hätte sich nicht mal ein Anfänger getraut so nen Schund zu verzapfen. Gestresst massierte er seinen Nacken. Aber wer konnte so missgünstig sein und manipulierte hier seine Arbeit? Oder lag es daran, dass er sich nach einer anderen Abteilung erkundigt hatte? Normalerweise war es doch so, dass derartige Gespräche diskret behandelt wurden. Was, wenn das nicht der Fall war und sein Boss wusste, dass er hier weg wollte. Dann brach ihm natürlich ein fähiger Mitarbeiter weg und das konnte für ihn zu weiteren Engpässen führen. Oder er fühlte sich gekränkt und nicht in seiner Position als Leiter ihrer Abteilung ernst genommen. Schließlich erwartete er immer ein Maximum an Respekt, Loyalität und so nen Kram. Wenn er nun aber sagte, dass er hier unzufrieden war, dann fiel das natürlich auf seinen unmittelbaren Vorgesetzten zurück. Schwierig, wenn man erstmal als Verräter gehandelt wurde, da war mal schnell weg vom Fenster. Immerhin galt nach wie vor in diesem Land die Treue zur Firma, auch wenn er davon nicht allzu viel hielt. Hatte er doch in seinem Leben schon oftmals Begegnungen der Untreue miterleben dürfen. Langsam leckte sich Takanori über die trockenen Lippen. Ihn beschlich nichts Gutes. Direkt krampfte sich sein Magen schmerzlich zusammen. Taka schüttelte seinen Kopf. Besser er machte sich keine Gedanken darüber und kümmerte sich um die Mappe. Das war jetzt wichtiger. Noch dazu würde es locker bis Mittag dauern, bis er die Fehler korrigiert und die fehlenden Seiten ersetzt hatte. Welch ein Spaß! -*-*- Entsprechend kam es dazu, dass der junge Designer seine Mittagspause zum Wohle seiner Arbeit einfach so skippte. Es war zwar nicht so, dass er keinen Hunger hatte, aber der Druck, der auf ihm lastete, wog schwerer als das Loch in seinem Magen. Noch dazu blieb ein bitterer Beigeschmack während der gesamten Zeit, in der er die Verbesserungen seines Projektes vornahm. Er glaubte nicht daran, dass er sich so grobe Schnitzer geleistet hatte. Beim besten Willen nicht. Aber er musste sie ausbügeln und das unter enormen Zeitdruck. Wie er sowas doch liebte, wo er immer haarklein plante, um bloß nicht in solche Situationen zu rutschen, in denen einem die Deadline im Nacken saß. Letztendlich war er fast in der vorgeschriebenen Zeit fertig geworden und so nahm er die Unterlagen, um sie im separaten Büro seines Vorgesetzten abzugeben. Der rief ihn nach kurzem Anklopfen auch direkt ins Zimmer. „Ah, Matsumoto! Gut, dass sie gerade hier sind. Ich wollte sowieso noch mit ihnen reden!“ Der Tonfall gefiel Taka nicht. „Ich habe die Mappe dabei. Entschuldigen sie die… meine Unachtsamkeit!“ Gehorsam verbeugte er sich etwas und überreichte die Dokumente mit beiden ausgestreckten Armen. Sein Boss nahm sie lapidar entgegen und legte sie bei Seite, als wären sie unwichtig. „Ich erwarte einwandfreie Arbeit von ihnen. Ich hoffe, sie haben sich keine weiteren Fehler erlaubt. Ich habe den Uniqlo-Auftrag an Kobayashi-san neu verteilt. Ich nehme an, das ist kein Problem?“ Takas Augen weiteten sich kurz, doch dann senkte er seinen Kopf. „Nein, das ist natürlich kein Problem.“ Super. Nun war ihm auch noch der einzige Auftrag entzogen worden, der für ein namenhaftes Unternehmen war. Mal davon abgesehen, dass er bereits daran mehrere Tage gearbeitet hatte. „Sie können ihre bisherigen Unterlagen auf ihren Schreibtisch legen. Sie ist informiert.“ „Ich habe verstanden. Das erledige ich umgehend.“ Es fraß an ihm. Wenn er schon Kindermode machen musste, dann wollte er sie wenigstens gut platziert wissen. Aber nein, nun durfte er sich wieder mit minderwertigen Aufträgen befassen. Das war doch ein eindeutiges Zeichen. „Darf ich nun zurück an die Arbeit?“, erkundigte er sich dennoch. Dieser fortschreitende Albtraum musste doch irgendwann ein Ende haben. „Nein. Bitte setzen sie sich. Da gibt es noch eine Sache.“ Was kam jetzt? Taka sah auf, ging dann aber doch um den Stuhl herum, der vor dem Schreibtisch stand, und setzte sich in diesen. Das war ein Fehler. Sein Unbehagen wuchs. Sofort fühlte er sich wie auf der Anklagebank und der durchdringende Blick des bereits ergrauten Herren ihm gegenüber machte es nicht besser. Der verschränkte auch noch so komisch seine Finger miteinander und verlagerte sein Gewicht etwas nach vorn. Was sollte das werden? Eine Belehrung? Wollte er ihm ins Gewissen reden? Diese Sache erinnerte ihn furchtbar an den Tag damals in der Schule, als er zum Schuldirektor musste, nachdem er in seinem jugendlichen Übermut einen Mülleimer in Brand gesteckt hatte. Mutproben gab es eben auch noch zu seiner Zeit. Aber genau so folgte die Schelte danach. „Nun, Matsumoto-san, sie sind ja bereits eine ganze Weile hier in unserer Abteilung.“ Der junge Designer nickte. Typisch. Der neutrale Einstieg. Dieser wurde nur zu gern genutzt, um nochmal richtig auszuholen, ehe man zum Punkt kam. Und dann wurde es meist unangenehm. „Bisher haben sie gute Arbeit für unsere Abteilung geleistet und wir waren sehr zufrieden mit ihnen.“ Okay. Was kam nun? Der Typ ritt so sehr auf der Abteilungs-Sache herum. Ob der große Chef doch etwas gesagt hatte? Takanori schluckte trocken und suchte sich einen neutralen Punkt auf dem Schreibtisch aus, den er anstarren konnte. Zuerst die positiven Aspekte, dann die Negativen. Bekanntes Schema. „Jedoch ist mir da etwas zu Ohren gekommen. Natürlich geht es mich nichts an, was sie in ihrer freien Zeit treiben, aber wenn es den Ruf der Firma schadet, ist es meine Aufgabe, dies frühestmöglich zu unterbinden.“ Nun verstand Taka gar nichts mehr. Er hob seinen Kopf etwas an und sah zu seinem Vorgesetzten. „Entschuldigen sie, aber ich… verstehe nicht so ganz…“, räumte er unsicher ein. „Sie sind gesehen worden, als sie sich in einem Stadtteil aufgehalten haben, mit dem unsere Firma nicht unmittelbar in Verbindung gebracht werden möchte. Daher bitte ich sie, im Namen von NG, dass sie ihren Aufenthaltsort mit Bedacht auswählen. Selbstverständlich stellt das kein Verbot dar, jedoch sollten sie darauf achten, dass niemand der Konkurrenz sie dabei sieht, wie sie… nun, sagen wir es mal so: gewisse Etablissements besuchen.“ Takanoris Blick wurde immer unverständlicher. Wurde ihm hier gerade gesagt, dass er im Puff war? „Ich zähle auf sie, Matsumoto! Das war’s vorerst!“ Der Mann ihm gegenüber nickte in Richtung der Tür, was Taka auch sofort zum Anlass nahm und fluchtartig das Büro verließ. In seinem Kopf ratterte es. Wann war er bitte an einem solchen Ort gewesen? Es konnte sich bei der Anspielung nur um Kabuki-chou handeln… Gut, letzte Woche, Takerus Party, aber das war etwas anderes. Das war in einem Hotel, selbst wenn drum herum diverse Host-Clubs und andere, wie hatte es sein Boss bezeichnet – Etablissements – verteilt waren. Er war ja nur in dem Hotel und nirgendwo anders. Und alle Anwesenden behandelten die Sache diskret. Außerdem war sein Gewissen rein. Er war nicht einmal mit in den Hinterzimmern gewesen. Das, was dort passierte, war nochmal etwas anderes. Und selbst wenn, es galt höchste Geheimhaltung. Top Secret eben. Noch dazu würden die sich doch in ihr eigenes Fleisch schneiden, sollte er herausfinden, wer gelabert hatte. Da hingen schließlich noch mehr Leute dran. Fakt war, irgendwer hatte ihn angeschwärzt. Nur wer? Wem brachte es etwas, wenn er auf der Arbeit Ärger bekam, gegebenenfalls seinen Job verlor? Das Gespräch jedenfalls konnte er schon regelrecht als freundliche Abmahnung verstehen. Klar ging der Ruf der Firma über alles. Würde rauskommen, dass er bei Sexorgien zugegen war, dann würde es mächtig Stress geben. Privat konnte er machen, was er wollte. Ungesehen. Das war das ungeschriebene Gesetz und das galt. Aber sollte je herauskommen, was… Nein! Er wollte daran gar nicht denken! Total durch den Wind schnappte er sich sein Handy und seine Schachtel Zigaretten von seinem Platz und verschwand umgehend in den hinteren Bereich, der ihn nach draußen zu dem Raucherbalkon führte. Innerlich war er total aufgewühlt. Wieso war sein Nervengerüst zur Zeit nur so labil? Er wollte doch gar nicht mehr rauchen, aber das Gefühl des Filters zwischen seinen Lippen, beruhigte ihn. Das brauchte er nach diesem Anschiss definitiv. Taka fühlte sich regelrecht wie auf einem Minenfeld. Er musste sich vorsichtig bewegen, sonst ging die nächste Bombe hoch. Aber dafür musste er sich erstmal wieder beruhigen und das fiel ihm schwer. Hoffnungsvoll sah er auf das Display seines Smartphones und seine Laune hellte sich ein wenig auf, als er sah, dass er eine Nachricht von Akira hatte. Direkt wieder mit einem Foto im Anhang. >Sind gerade in der Stadt unterwegs. Koron wollte Shoppen! Wann hast du Schluss? Wir könnten dich abholen, bringen dir auch einen Kaffee mit.<, las er die Zeilen, die ihn der andere geschrieben hatte. Dann besah er sich das Foto von Koron, der mit aufgerichteten Ohren an der Leine über den Gehweg lief. Süß war das ja, auch das Angebot mit dem Kaffee, aber er fühlte sich gerade nicht in der Lage, Nettigkeiten anzunehmen. Erstmal musste er mit sich selbst und der Situation klarkommen. Das hatte ihm schon wieder den Boden unter den Füßen weggezogen. Warum passierten solche Sachen immer ohne Vorwarnung? Wobei, auch mit Warnung hätte er nicht gewusst, wie er damit hätte umgehen sollten. Man bekam schließlich nicht alle Tage von seinem Chef durch die Blume mitgeteilt, dass man gefälligst nicht herumhuren sollte, da das dem Ansehen der Firma schadete. Na gut, vielleicht auch eher nur, dass er sich körperliche Liebe bitte diskreter erkaufen sollte und möglichst dann auch nicht mit dem gleichen Geschlecht. Argh… Das machte ihn kirre. Sein Privatleben sollte gefälligst privat bleiben!Dabei hatte es doch angefangen, wieder besser zu laufen. Zumindest ein kleines Bisschen. >Sorry, heute ist schlecht. Stress auf Arbeit. Kann sein, dass ich länger mache. Wart ihr beim Shoppen wenigstens erfolgreich?< Die kleine Notlüge sei ihm verziehen. Er wollte garantiert keine Überstunden machen. Sein Fluchtreflex war hoch wie nie, doch er konnte nicht einfach abhauen. Die weiteren zwei Stunden würde er schon irgendwie überstehen. Musste halt. Trotzdem war die Situation unangenehm. Immerhin hatte er keinen Schimmer, was sein Boss nun wirklich wusste und von wem. Eigentlich interessierte ihn das „von wem“ mehr als alles andere. War nun ja nicht so, dass er hier den supergeilen Job hatte, der total gut bezahlt wurde, sodass man ihn beneiden musste. Daran konnte es nicht liegen. Ob Takeru mal wieder der Schlüssel zu allem war? Der liebte es doch, seine Macht und seinen Einfluss zu demonstrieren. Ähnlich sehen würde es ihm. Takanori hielt inne und inhalierte den Rauch seiner Zigarette tief. Kloe. Unter Umständen hatte der gesungen und Takeru erzählt, dass was zwischen ihnen gelaufen war und Takeru fühlte sich nun gekränkt, weil er ihn angelogen hatte? Das wäre auch möglich. Und er hatte Kontakte. Es wäre ein Leichtes für ihn, Firmen zu kontaktieren und Gerüchte zu streuen. Ihm konnte es ja egal sein, was mit ihm war oder wenn er seinem Ruf schadete. Es fiel dann ja nicht auf ihn zurück. Murrig wuschelte sich Taka durch die blonden Haare. Von dieser Grübelei bekam er noch Kopfschmerzen. Hier war jedenfalls irgendwas im Busch und er wusste nicht, wie er die Sache wieder kitten sollte. Sein Problem war, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wo der Riss überhaupt war. Aber irgendwo sickerten Infos über ihn durch, die hier nichts zu suchen hatten und definitiv wollte man ihn damit schaden. So paranoid konnte er nicht sein, dass er sich das einbildete. „Fuck, ey…“ Konnte ja nicht mal einigermaßen gut laufen ohne dass die nächste Katastrophe um der nächsten Ecke auf ihn wartete. Das Vibrieren seines Telefons kündigte eine erneute Nachricht an. Sofort rief er diese ab. Sein kleiner Lichtblick in der aufziehenden Dunkelheit. Man musste sich ja irgendwie motivieren, wenn es schon wieder steil bergab ging. >Schade, Koron wollte dir doch sein neues Halsband vorführen. Dann ein anderes Mal. Überarbeite dich nicht.Mach aus Koron ja keine Tussi! Ich überprüfe das!< Die Krone sah schon recht verdächtig aus. Wer weiß, wo Akira einkaufen war. Späßchen bei Seite. Taka drückte seinen Zigarettenstummel aus und ging zurück ins Gebäude. Besser er machte nicht zu lange Pause. Wer wusste schon, ob er nun nicht unter Beobachtung stand und wie schnell er die Nerven seines Chefs überstrapazieren konnte. Herausfinden wollte er das heute definitiv nicht. Morgen war ja auch noch ein Tag. Er seufzte kellertief. -*-*- Drei Kreuze, wenn dieser vermaledeite Tag endlich vorüber war. Natürlich ging ihm diese Sache auf Arbeit nicht aus dem Kopf. Theoretisch konnte jeder sein Judas sein. Aber je länger er darüber nachdachte, desto weniger kam er zu einem Schluss. Es machte schlichtweg alles keinen Sinn. Endlich bei seinem Wohnblock angekommen, rollte er mal wieder mit den Augen, da die Tür sofort nachgab, als er dagegen drückte. Klar, wozu auch einen Sicherheitscode eingeben. Ging doch so viel schneller ins Haus zu gelangen. Aber darüber wollte er sich heute nicht noch gesondert aufregen. Daher schlug er den Weg zu seinem Briefkasten ein, nur um festzustellen, dass seine Post auf dem Boden zerstreut war. „Super. Macht nur alle so weiter!“, knurrte er. Als war er heute nicht eh schon gesaubeutelt genug. Alles gegen ihn! Also hockte er sich hin und kehrte seine drei Briefe und eine Postkarte mit seinen Händen zusammen. Grob checkte er die Absender der Briefe. „Werbung… hn… auch Werbung… Vermietung? Was wollen die denn?“, murmelte er und rupfte das Schreiben noch auf dem Weg zum Fahrstuhl auf. In diesem betätigte er den Etagenknopf und zog dann das Papier aus dem Umschlag. Gleich verzog er sein Gesicht, als er sah, um was es sich handelte. Natürlich die Nebenkosten. Er blickte zum fett gedruckten Betrag und seine Laune sank noch etwas mehr. Selbstverständlich durfte er nachzahlen und im gleichen Zug erhöhte sich seine Miete. Taka schnaubte. Es war unglaublich, wie viel man pro Monat blechen musste, nur damit man ein Dach über den Kopf hatte. Da stellte man sich echt wieder die Frage, wie viel wert so eine kleine menschliche Existenz doch eigentlich war. Es kotzte ihn an, dass man überall einfach nur zahlen musste, weil man atmete. Oh, darauf konnten sie auch noch eine Steuer erheben. Luftsteuer oder sowas. Takanoris Zynismus sprudelte mal wieder über. Noch missmutiger verließ er den Fahrstuhl und ging auf seine Wohnungstür zu. Er zog seinen Schlüssen aus seiner Jackentasche, stutzte dann aber unmittelbar, als er sah, dass seine Wohnungstür angelehnt war. Taka blinzelte. Moment mal. Er hatte heute Morgen doch abgeschlossen. Ganz sicher. Total sicher! Warum stand seine Tür jetzt einen Spalt offen? Wer hatte alles noch einen Schlüssel? Seine Mutter und eventuell noch der Hausmeister für Notfälle. Den von Takeru hatte er damals unter einem Vorwand wieder zurückverlangt, hieß aber noch lange nicht, dass er nicht eine weitere Kopie hätte anfertigen lassen können. Trotzdem ließ man doch dann nicht die Tür offen, wenn man in die Wohnung ging oder diese verließ?! Ob es klug war, in die Wohnung zu gehen? Taka biss sich auf die Unterlippe. Er wollte ja nicht unmittelbar etwas Schlimmes denken. So spitzte er seine Ohren, konnte aber keine Geräusche aus der Wohnung hören. Sein Blick fiel auf das Schloss an seiner Tür. Am Rahmen waren Einkerbungen? Das sah ihm schon nach einem Einbruch aus. Aber warum bei ihm? Warum so weit oben? Was würde ihn wohl erwarten? Das wollte er nicht! Verdammt, hier war sein privater Bereich! Sein Rückzugsort und niemand durfte den ohne sein Wissen entweihen! Er unterdrückte die Tränen, die ihn aus lauter Verzweiflung in die Augen schossen. Unglauben über diesen Tag machte sich bei ihm breit. Das konnte alles nicht wahr sein! Wollte ihn jemand so richtig fertig machen, oder was? In einer Kurzschlussreaktion schubste er seine Wohnungstür einfach mit dem Unterarm auf. Nun gab es kein Zurück mehr. Sein Flur sah schon mal normal aus. Keine Unordnung oder dergleichen. Aber alle Türen standen offen. Das war ungewöhnlich, denn die Badezimmertür hatte er meist geschlossen und die anderen waren zumindest angelehnt. Er schluckte und sein Herz wummerte wie wild in seiner Brust. Nicht, dass ihm hier eine böse Überraschung erwartete. Darauf konnte er definitiv verzichten. Wieder lauschte er, ob er etwas hören konnte, aber Fehlanzeige. Ein Blick zur Seite aber ließ ihn stutzen. Sein Ersatzschlüssel war nicht da. Aber der lag doch neulich noch hier herum. Kouyou hatte den doch auch gehabt. Häh? Nicht, dass der Einbrecher den einfach mitgenommen hatte. Vorsichtig traute er sich weiter vor in seine Wohnung. Er sah nach rechts und links, checkte somit seine Küche und das Wohnzimmer. Also hier war niemand. Das war schon mal gut. Und es traf ihm auch kein Herzschlag, dass irgendwie großartig Chaos herrschte. Einen Raub aus Geldgier konnte er demnach ausschließen. Taka verzog dennoch sein Gesicht und schlich durch sein Wohnzimmer. Die CDs im Regal waren umgekippt und aus seinem kleinen Beistellschrank waren ein paar Sachen gefallen. Jedenfalls lagen ein paar alte Fotos vor diesem. Fotos mit Uruha und Akira. Vorsichtig hob er sie auf und legte sie erstmal wieder auf den Schrank. Dann aber fiel ihm ein, dass die doch immer im Schrank in einem Album waren. Vorsichtig öffnete er die Schranktür und guckte skeptisch. Okay, hier hatte definitiv jemand drin herumgewühlt. So unordentlich hatte er das definitiv nicht hinterlassen. War ja fast so, als hatte hier jemand nach etwas gesucht. Aber was? Und wieso nur hier? Mit gemischten Gefühlen wanderte er weiter durch seine Wohnung und versuchte sich zu entsinnen, wie er die Sachen hier hinterlassen hatte. Bei seinem Schmuck blieb er wieder stehen. Okay, es war nicht so, dass er die Sachen fein säuberlich ordnete, aber seine Lieblingskette war weg. Das sah er auf den ersten Blick! Die mit dem Kreuz und dem Totenkopf, die er schon Ewigkeiten hatte. Aber sie lag nicht hier. Nicht mehr zumindest! Sofort griff er sich an den Hals, aber auch da war sie nicht. Weg! Er drehte sich um, sah, dass sein Laptop auch auf dem Wohnzimmertisch lag - unangetastet. Wenn es jemanden um Wertgegenstände gegangen wäre, der hätte doch zuerst Elektronik mitgehen lassen. „Ey… ich versteh das nicht…“, wisperte er und schluckte wieder. Bei seinem Bett sah alles aus wie heute Morgen. Glaubte er zumindest. Nicht, dass er dem viel Beachtung beiwohnte, wenn er total verschlafen aus dem Bett krabbelte und sich den Weg ins Badezimmer erstastete. Seine Kissen lagen zumindest noch so da, wie er sie hinterlassen hatte - vermutlich. Takanori schlich weiter, sah sich nach weiteren Ungereimtheiten um. Alles wirkte wie immer. Nur der Haufen mit den dreckigen Klamotten war durcheinander gebracht worden. Sah aus, als hatte… jemand darin herumgewühlt und seine Sachen flächendeckend zwischen Bett und Tür zum Kleiderschrank verteilt! Wer war so bekloppt und… Da machte es Klick bei Taka. Sein Stalker! „Scheiße!“, wisperte er. Das hatte er total verdrängt wegen all dem Stress. Der Typ mit dem Motorrad. Seine Post. Neulich hatte er doch auch das Gefühl, dass er beobachtet worden war. Als er mit Kloe aus war. Nur so ein unterschwelliges Gefühl, aber gerade jetzt war es allgegenwärtig. Geräuschvoll atmete er aus. Wie konnte er das nur vergessen? Seine Post war doch schon mal zerwühlt worden. Was, wenn ihn jemand beobachtete? Gerade jetzt? Suchend sah er sich im Raum um. Ob hier Kameras installiert worden waren? Er presste seine Lippen aufeinander. Er musste die Polizei rufen! Definitiv! …Aber was sollte er ihnen denn erzählen? Hey, ich hab nen Stalker, zwar keine Ahnung wer es ist, aber der ist bei mir eingebrochen und hat meine dreckige Wäsche durchwühlt. Gut, mit den Einbruchsspuren würde er noch durchkommen, aber wollte er sich die Blöße geben? Er, als Mann? Mit gemischten Gefühlen sah Takanori auf seine Dreckwäsche am Boden. Absurd, ey! „…das weiße Shirt fehlt…“, nuschelte er vor sich hin. Kurz schloss er seine Augen. Ihm war total flau im Magen. Wie krank war das? Man brach doch nicht bei jemanden ein, um… Er schlug seine Hände vor’s Gesicht und massierte schließlich seine Schläfen. „Ruhig, Taka, gibt ne Erklärung. Sicher… Du reagierst bestimmt nur über…“ Der junge Designer atmete tief durch. Mit dem Fuß schob er seine getragene Wäsche wieder auf einen Haufen und setzte sich wieder in Bewegung. Er musste sich einen Überblick darüber verschaffen, was hier nun Sache war. Seine Küche wirkte unauffällig. Doch dann sah er, dass neben seiner Hasi-Tasse eine weitere Tasse zum Abtropfen neben der Spüle stand. „…die hab ich heute nicht abgewaschen…“, traf ihm die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht. Hart biss er sich auf die Unterlippe. Und er hatte auch definitiv keine zweite Tasse benutzt. Sein Magen krampfte sich zusammen. Irgendwer erlaubte sich doch echt einen Spaß mit ihm. „Kommt her und trinkt in meiner Wohnung gemütlich Kaffee? Hakt’s?“, knurrte er und sah zum Mülleimer. Da lag tatsächlich ein Sachet mit Instantkaffeepulver drin. Auch noch seine Lieblingssorte! War er hier in einem schlechten Film oder was? Murrend stiefelte Taka weiter zu seinem Bad. Jemand vergriff sich an seinen Bilden, an seinen Klamotten, an seinem Kaffee! Und? Was erwartete ihn hier? Sauer patschte er seine Hand auf den Lichtschalter, doch dann stoppte er in seiner Bewegung. Für einen kurzen Moment fühlte er sich wie in einem schlechten Horrorfilm. „Nicht sein Ernst!“, zischte er, als er die rot geschriebenen Buchstaben auf seinem Spiegel sah. Schnaubend ging er auf diesen zu und sah sein Spiegelbild an. Seine Augen verengten sich wütend und die pure Abscheu glänzte in ihnen auf. „KILL – MY – PAST“, spuckte er die für ihn bestimmte Nachricht regelrecht aus. Dem ersten Impuls folgend wischte er wütend mit seiner Hand über die Schrift, verteilte dadurch den ölhaltigen Lipgloss auf der spiegelnden Oberfläche. Diese Sache konnte er nicht so einfach hinnehmen. Damit war definitiv eine Grenze überschritten worden. „Fick dich! Fick dich! GOTTVERDAMMT, FICK DICH EINFACH NUR!!!“ Total angespannt vergrub er seine Fingernägel in seiner Handfläche, als er seine Hände zu Fäusten ballte. Er wollte jemandem wehtun. Er wollte demjenigen wehtun, der ihm das antat! „Was ist das nur für ein absurdes Spiel?“ Wie ein Bulle schnaubte er und sank schließlich zu Boden. Auf dem Vorleger vor seinem Waschbecken ließ er sich auf den Hintern plumpsen und lehnte seinen Rücken gegen das kleine Schränkchen hinter sich. Unweigerlich starrte er seine rote Handfläche an. „Das war mein guter Lipgloss…“, murmelte er. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Rache von Takeru für was auch immer. „Past…“, murmelte Takanori und sah nach oben zu den verwischten Worten. Hatte er irgendwelche nicht beglichenen Rechnungen aus der Vergangenheit? Ihm fiel nichts ein. Beziehungen hatte er sauber und einvernehmlich beendet. Na ja, bis auf die Sache mit Kloe, aber das war selbsterklärend. „Ich lass mir mein Leben nicht kaputt machen!“, stellte er trotzig klar. Wenn hier jemand Krieg haben wollte, dann konnte der diesen auch bekommen. Keiner legte sich mit Matsumoto Takanori an! So nicht! Das Maß war nun echt voll. Er hatte keinen Bock mehr, sich herum schubsen zu lassen und der Spielball von allen zu sein. Mit so ner miesen Show bekam man ihn nicht klein. Auf gar keinen Fall! Hinfallen, Krone richten und wieder aufstehen! Seinen Stolz würde er sich nicht nehmen lassen. Dann würde er sich wohl mal daran machen und seine Wohnung wieder auf Vordermann bringen. Und das große Küchenmesser legte er am besten auch in den Flur und das etwas Kleinere neben das Bett. Und dann durchsuchte er noch jeden Winkel nach Kameras. Und einen Strick würde er von der Haustür zur Wohnzimmertür spannen, sodass niemand reinkommen konnte! Voller Tatendrang stützte er sich auf dem Boden neben sich auf, wunderte sich aber, als er gegen etwas stieß. Seine Zahnpasta lag neben ihm auf den Boden. Verwirrt nahm er die Tube in die Hand, um sie wieder an ihren Platz zu befördern, doch da fielen ihm kleine Einstiche auf. Die zogen sich auf beiden Seiten der Tube entlang und an einigen Stellen gingen sie sogar durch die Verpackung durch, sodass etwas der Paste herausquoll. Merkwürdig. Die landete dann also besser im Müll! Kapitel 25: ------------ Undone Kapitel 25 Erschrocken zuckte Taka zusammen, als das schrille Läuten seiner Türklingel durch die Wohnung schallte. Auch wenn er auf den Besucher vorbereitet war, stieg seine Nervosität ins Unermessliche. Sein Herz klopfte eh schon die ganze Zeit wie wild in seiner Brust. Hektisch stürzte er zu seinem elektronischen Türöffner, betätigte diesen und fiepte ein „Komm hoch!“ in die Gegensprechanlage. Noch einmal atmete er tief durch und versuchte ein neutrales Gesicht zu machen, aber das wollte einfach nicht funktionieren. Immer wieder wanderten seine Mundwinkel nach oben und zauberten ein Lächeln auf seine Lippen. „Ahhhh….“, quengelte er und verzog sein Gesicht zu dümmlichen Grimassen, um seine Gesichtsmuskeln zu entspannen. Noch einmal zupfte er sein übergroßes weißes Shirt zurecht und patschte sich mit den Händen gegen seine Wangen. Woher diese verdammte Nervosität kam, wusste er auch nicht. Aber sie war da und machte ihn ziemlich kirre. Durch seine Wohnungstür gedämpft konnte er das Geräusch des Fahrstuhls hören. Daher atmete er nochmals tief durch. Dann hieß es auch schon auf in den Kampf und er öffnete seine Wohnungstür. „Hier her!“, sagte er und winkte seinem Besuch zu. Verdammt. Der Typ, der sich nun zu seinem Apartment auf den Weg machte, sah mal wieder zum Niederknien aus. Wie immer eben. Aber heute ganz besonders. Seit Takerus kleiner Privatparty, auf der Akira ihn geküsst hatte, war er hin und weg von ihm. Allein schon, wenn er daran zurückdachte, bekam er Gänsehaut und seine Hormone fuhren Achterbahn. Inklusive Loopings, verstand sich von selbst. Und wenn er ihn sich heute so betrachtete in seinen Baggy-Pants und der schwarzen asymmetrischen Sweatjacke, dann wurde ihm schon wieder ganz anders. Akira hatte ihn definitiv in seinen Bann gezogen und sein Sexappeal machte ihn schwach. Das verdankte er nicht zuletzt seinem tollen ausschweifenden Gedanken. Seitdem sie in der vergangenen Woche regelmäßig Nachrichten ausgetauscht hatten, wollte das gar nicht mehr aufhören. Viel zu schnell gab er sich den wildesten Fantasien hin. Er wollte ja gar nicht so oberflächlich denken. Er konnte es schließlich selbst nicht leiden, dass die ganzen Kerle in der Community nur auf das eine aus waren und es sich ständig nur ums Ficken drehte, aber wenn er Akira ansah, dann schaltete sein Gehirn auf Standby. Nur zu gern würde er vor ihm auf die Knie sinken und ihn um den Verstand blasen. Aber seine nicht jugendfreien Gedanken konnte er nicht einfach so ausleben, vor allem nicht, wenn diese dunkelbraunen Augen ihn so intensiv ansahen. Außerdem war er nicht der Hauptdarsteller eines schmutzigen, kleinen Pornos. Daher lächelte er Akira lediglich freudig an und trat einen Schritt zur Seite, damit sein Gast eintreten konnte. „Hi. Ist super, dass du Zeit für mich gefunden hast!“, begrüßte er den anderen. Wieder lagen diese dunklen Augen auf ihm. Freilich störte der Mundschutz nach wie vor, aber man gewöhnte sich an alles. Außerdem waren sie ja bei ihm – ungestört. Vielleicht bekam er Akira heute rum. Also, dazu den Mundschutz abzusetzen. Aber rumkriegen generell war sowieso der eigentliche Plan. „Ist zwar Samstagabend, aber ich hatte eh noch nichts vor. Da kam deine Nachricht sehr gelegen.“ Taka schloss die Tür hinter dem anderen, der auch gleich aus seinen knöchelhohen Boots schlüpfte, dadurch doch ein paar Zentimeter in seiner Größe einbüßte. Aber schlimm fand er es nicht. Taka nutzte die Gelegenheit und checkte den anderen ordentlich aus. Zu verachten war sein hübscher Hintern auf jeden Fall nicht. Man merkte schon, dass seine Fantasien in der letzten Woche sehr mit ihm durchgegangen waren. Wenn Akira ihn auch aus heiterem Himmel küsste, klar, dass er da spezielles Kopfkino hatte. Und die kleinen Flirtereien, die er initiiert hatte, stießen bei dem anderen auf fruchtbaren Boden. Das beflügelte ihn gleich noch mehr und so konnte er ein erneutes Treffen gar nicht mehr abwarten. Nur leider hatte sich unter der Woche kein passender Zeitpunkt gefunden. Nicht zuletzt wegen den Vorkommnissen auf der Arbeit. Mittlerweile hatte sich bei ihm aber einfach nur alles aufgestaut. Er wollte Akira treffen, er musste sich mit ihm treffen. Das war wie ein innerer Zwang, der befriedigt werden wollte. Bilder, auf denen man ihn schemenhaft erkennen konnte, genügten da nicht. „Und da hab ich mir Gedanken gemacht, dass ich dich vielleicht verschreckt haben könnte.“ Immerhin hatte er seine Nachricht eindeutig zweideutig formuliert. Butter bei die Fische. Viel zu verlieren hatte er in seiner jetzigen Situation schließlich nicht und den ersten Schritt hatte Akira bereits gemacht. Nach den ungeschriebenen Regeln der Liebe musste er nur noch zugreifen! „Als wenn ich mich verschrecken lasse. Hab doch nichts zu befürchten…“ Selbst hinter der Maskierung konnte Taka sehen, dass der andere grinste. Das machte ihn glücklich. „Spinner! Ab mit dir ins Wohnzimmer!“, befahl Takanori und schob seinen Gast in die gewünschte Richtung. So riesig war seine Wohnung nun auch nicht. Aber er wollte das hier definitiv nicht im Flur ausdiskutieren. Falls es denn etwas zu diskutieren gab. „Dann ist das wohl spruchreif?“, erkundigte sich der Größere und blieb unmittelbar stehen, als das Schieben an seinem Rücken verschwand. Der kleine Blonde runzelte seine Stirn, legte unsicher seine Hand in seinen Nacken, um diesen zu massieren. Auf so eine direkte Frage war er nicht vorbereitet. „Na ja… Also…. Ehm… Ich weiß schon gern, worauf ich mich einlasse…“, druckste Takanori nun doch mit steigender Unsicherheit herum. Verscherzen wollte er es sich nicht, aber er wollte auch nicht wieder bereuen, dass er nicht deutlich genug gewesen war. Aber so, wie sich sein Besuch nun in seinem Zimmer umsah und sein Blick vom Tisch mit dem Sekt zu seinem ordentlich gemachten Bett wanderte, neben dem eindeutige Dinge auf dem Nachttisch bereit standen, konnte es doch gar nicht mehr falsch gedeutet werden. „Und da willst du dich gern auf mich einlassen?“ Takanoris Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Erstmal durchatmen. Diese Frage ging ihm gerade durch Mark und Bein und machte wieder merkwürdige Dinge mit ihm. Da wurden seine Knie regelrecht schon weich. Eine Antwort aber kam nicht über seine Lippen. Akira hingegen ließ sein dunkles Lachen verlauten, welches ihm eine angenehme Gänsehaut bescherte. „Okay... Dann spielen wir aber nach meinen Regeln!“, stimmte der Größere zu und steuerte zielgerichtet die Anlage des anderen an. Nun kam auch Taka wieder zu sich. Wie in Trance hatte er den hübschen Rücken des anderen hypnotisiert. Aber jetzt war er verwirrt. Was für Regeln? Akira oben, er unten? Brauchte es noch mehr Regeln? Die Angst vor Zurückweisung, mit der er sich wiederkehrend seit dem Wochenende befasst hatte, war zwar nicht ganz ohne gewesen, aber wie es den Anschein machte, hatte er sich wieder unnötig Gedanken gemacht, denn sein Besucher suchte ihnen bereits die passende musikalische Untermalung aus seinem CD-Regal heraus. Generell bewegte er sich in seiner Wohnung so, als gehöre er hier her. „Regeln?“, erkundigte er sich verspätet, während schon die ersten Töne eines ihm nur zu bekannten Songs entgegen schlugen. Bedacht auf die Uhrzeit drehte Akira die Lautstärke zurück. „Hn, du weißt schon, mein Geheimagenten-Dasein.“ Takanori war gar nicht verwundert, als der andere wieder zu ihm kam und ihm in seiner eigenen Wohnung den Weg zum Bett anbot. Seine dunklen Augen wanderten nach oben, doch der Blick, der ihn empfing war voller Zuversicht. So bewegten sich seine Füße wie von alleine, auch wenn er sich auf das Ganze noch keinen Reim machen konnte. Kaum dass sie vor seinem Bett zum Stehen gekommen waren, zog Akira ein schwarzes Stoffband aus seiner Hosentasche und schon erschien dieses in Takas Blickfeld. Er blinzelte unsicher. Wie jetzt? „Das wird aber keine Fifty-Shades-Nummer, oder?“, fragte der Kleinere ungläubig sein Gegenüber. „Bitte was?“, kam unmittelbar eine Erwiderung, woraufhin eine von Akiras Augenbrauen fragend nach oben wanderte. Daraufhin musste Takanori grinsen. Anscheinend wusste er nicht, was das war. Das wiederum war wohl ein gutes Zeichen. Taka atmete durch, nickte aber nun trotzdem. Egal was Akira wollte, er würde es ihm geben. So sehr war er ihm bereits verfallen, ein Gefangener seiner eigenen Gedankenwelt, die ihm eine Sucht vorgaukelte. „Von mir aus“, lenkte er ein und schloss seine Augen. Darauf würde er sich einlassen. Wenn er dafür diesen Kerl haben durfte, dann gern. Außerdem war das aufregend. Eben so ganz anders als alles, was er bisher erlebt hatte. Selbst das angenehme Kribbeln in seiner Magengegend nahm zu. Der seidige Stoff glitt sanft über seine Haut und hüllte die Welt um ihn herum schließlich in Dunkelheit. Unangenehm war es ihm nicht, vor allem da Akira ihm bereits beim Umbinden so nah kam. Dabei meinte er sogar einen Hauch seines Parfüms wahrgenommen zu haben. Das schien ihm nun aber die übrig gebliebenen Sinne zu vernebeln. Akira beherrschte seine Gedanken. Er wusste ja grob worum es dem Objekt seiner Begierde ging und viel zu verlieren hatte er nicht. Viel mehr war er nun daran interessiert, herauszufinden, wie sich der hübsche Hintern des anderen wohl unter seinen Fingern anfühlen würde. „Mein Save-Word ist „Käsekuchen“…“, versuchte er die Spannung zwischen ihnen etwas abzubauen oder zumindest seine Nervosität irgendwie zu überspielen. In seinem Magen rannten tausende Ameisen wild durcheinander. Jedenfalls fühlte es sich so an. Und wieder drang das angenehme Lachen des anderen an seine Ohren. „Brauchst du nicht…“, kam die beruhigende Versicherung und schon strichen ihm die Finger von Akira über den Hals, navigierten sein Gesicht ein paar Zentimeter nach oben, ehe sich die sanften Lippen des anderen auf die seinen nieder ließen. Und er schmolz wie Eis in der prallen Julisonne. Dafür lohnte es sich allemal. Angetan von dem sanften Kuss legte er seinen Kopf noch mehr in den Nacken und erwiderte die zärtliche Berührung. Diesmal dauerte es viel länger und es kam nicht so überraschend wie auf der Party. Daher konnte er den Kuss genießen, neue Eindrücke gewinnen und sich vollends auf den anderen einlassen. Nur weil er nichts sah, hieß das noch lange nicht, dass er untätig bleiben würde. Wenn man es im Dunkeln mit seinem Partner trieb, sah man genau so wenig und davon konnte er ein Liedchen singen. Daher verdeutlichte er Akira nun, wie sehr ihm das gefiel und dass er nicht abgeneigt war, noch mehr einzufordern. Zärtliches Lippenaufeinanderdrücken war ja schön und gut, aber er war zu ausgehungert, als dass er sich noch lange damit abspeisen ließ. Seine Hand wanderte in den Haarschopf des anderen. Strähnen weichen Haares schmiegten sich um seine Finger und Taka zog Akira bestimmend an sich. Gleichzeitig legte er seinen Kopf schräg und brachte seine Zunge ins Spiel, die er seinem Gegenüber ungeniert in den Mund schob. Wenn er schon die Gelegenheit bekam, dann ging er richtig ran und für seinen Mut wurde er belohnt. Ganz von alleine kam ihm Akira entgegen und ihre Zungen umspielten sich innig, bis es der Größere war, der ihren Kuss unterbrach und tief durchatmete. „Du gehst aber ganz schön ran“, stellte der Ältere fest und Taka konnte nicht anders, als vorwitzig zu grinsen, leckte sich anschließend noch über die feuchten Lippen. Ein bisschen stolz war er schon, dass er sich vor gewagt hatte. „Hn, hab dir doch gesagt, ich weiß gern worauf ich mich einlasse. Da muss ich alles auch ausgiebig testen.“ Ehrlicherweise gefiel es ihm, Akira zu küssen. Selbst wenn er nicht wusste, wie dieser aussah, er wusste nun, wie er schmeckte und das hatte ihn nicht abgeschreckt. Eher im Gegenteil. Es fühlte sich gut an und irgendwie richtig. Heiß. Da bekam er definitiv Lust auf mehr. Weitere leidenschaftliche Küsse und dann wollte er Akira in seine volle Unterlippe beißen, während er sich fordernd an ihm rieb. So jedenfalls sah sein Wunschdenken aus. „Vielleicht weißt du einfach nicht, worauf DU dich eingelassen hast…“, stichelte der Designer gegen seinen Gast und hörte, wie dieser leise lachte. „Finden wir es heraus!“, schlug der Dunkelhaarige vor und griff nach dem Saum von Takanoris Big-Shirt. Vorsichtig streifte er es ihm über den Kopf, war darauf bedacht, dass die Augenbinde nicht verrutschte. Trotz dieser kleinen Einschränkung wusste Taka aber genau, was sein potenzieller neuer Freund von ihm wollte. So hatte er die Arme hoch gehoben und ließ es auch zu, dass der andere, kaum war sein Shirt fast geräuschlos zu Boden geglitten, ihm bereits den Knopf seiner Hose öffnete. Nebenbei stieg er selbst aus seinen Socken, indem er mit dem jeweils anderen Fuß auf den Stoff trat. Bei Akira machte es ihm nichts aus, wenn er ihn komplett auszog. Sollte er ruhig alles sehen und sich nehmen, was er wollte. Taka war definitiv bereit, sich dem unbekannten Mann hinzugeben. One-Night-Stands waren zwar nicht unbedingt sein Fall, aber er beabsichtigte auch nicht diese Sache zwischen ihnen nach nur einer Nacht enden zu lassen. Dafür fand er jetzt schon zu viel Gefallen an Akiras ungeteilter Aufmerksamkeit. Jede noch so kleine Berührung der warmen Haut sog er auf wie ein Schwamm. Leise seufzte er auf, als er die zarten Lippen auf seiner Schulter spürte, kurz darauf an seiner Halsbeuge. Akiras starke Arme umfingen ihn, als seine Hose nach unten zu seinen Knöcheln rutschte. Nur noch der dünne Stoff seiner Shorts bedeckte seine Körpermitte, aber er fühlte sich wie in Watte gepackt. Viel mehr störte es ihn, dass der andere noch immer so viel an hatte. Ungeduldig schob er seine Hände nach vorn, kam jedoch unmittelbar mit den Händen des anderen ins Gehege. Trotzdem behielt Taka seine Richtung bei. Er würde ganz sicher nicht untätig bleiben, nur weil er nichts sah. Akira zögerte kurz und brachte etwas mehr Platz zwischen sie. Anscheinend wusste er nicht, was Takanori vor hatte, wartete trotzdem geduldig ab, bis dieser sich zurechtgefunden hatte. So fuhr der Kleinere mehrmals über den kühlen Stoff von Akiras Jacke, bis er endlich den Zipper des Reißverschlusses fand. Den zog er umgehend nach unten und verlor keine Zeit, mit unkoordinierten Ziehen und Zupfen sein Gegenüber von dem störenden Stoff zu befreien. Kaum war das erledigt, ertasteten seine Hände sofort die gestählten Arme des anderen und vor seinem geistigen Auge blitzten Bilder auf, die gerade nicht hierher gehörten. Daher zwang er sich, sich nur auf das zu konzentrieren, was er erfühlen konnte. Endlich durfte er Akira berühren. Und zwar seine nackte Haut. Das zauberte dem kleinen Blonden ein zufriedenes Lächeln auf die vollen Lippen. Von seinen Armen wanderte er weiter zu Akiras Brust. Dabei bemerkte er, dass der Größere ein Tanktop trug. Schade nur, dass er nichts sehen konnte. Sicherlich unterstrich das seine muskulösen Oberarme. Aber so hatte er einen Anhaltspunkt und tastete ebenso nach dem Saum, um mit etwas Hilfe von ihm das Kleidungsstück auszuziehen. Nun war er gespannt. Nackte Männerbrust! Also musste er direkt grabschen. Und sofort drang Akiras angenehmes Lachen wieder an seine Ohren. „Jede Frau hätte dir spätestens jetzt eine gescheuert!“, kommentierte Akira amüsiert und Taka schmollte. „Ja, Mann, ich seh halt nichts…“ Er hatte ja auch bemerkt, dass er direkt Akiras Brustwarzen erwischt hatte und wohl echt den Anschein eines perversen Grabschers machte. Andererseits wollte er ihn sowieso überall anfassen. Da spielte es keine Rolle, wo er begann. „Und das ist auch gut so, kleiner Takanori…“ Geschickt schob der Ältere seine Arme wieder an ihm vorbei und brachte ihre Körper zueinander, was dem Kleineren ein Seufzen entlockte. Haut auf Haut. Der unmittelbare Hautkontakt fühlte sich wahnsinnig gut an und auch seinen Händen, die sich auf seinen Hintern legten, konnte er nur Positives abgewinnen. Sofort spürte er den Druck von Akiras Becken an seinem und wie er sich leicht an ihm rieb. Moment mal! Das war doch sein Plan gewesen! Aber von Akira durchgeführt, fühlte sich das auch nicht schlecht an. So stieg er direkt in die Bewegungen ein und ließ seine Hände forschend über die Kehrseite seines Gegenübers gleiten. Ernüchterung trat aber ein, als er ihn an den Arsch grabschte. Taka schnaubte. „Dein Ernst?“, murrte er. Akira wusste erst gar nicht was los war. „Nur Prolls tragen ihre Geldbörse in der Arschtasche! Wie soll ich so denn ordentlich anpacken können? Runter damit!“, forderte Taka. „Sofort!“, fügte er noch herrisch an. „Zu Befehl… Sir…“, erwiderte der Größere amüsiert. Er hatte sich schon sonstwas gedacht. Aber es war wohl das kleinste Problem, seine Hose loszuwerden. Die rutschte sowieso kaum dass er seinen Gürtel gelöst hatte aufgrund des Gewichts seiner Schlüsselkette und Geldbörse gen Süden. Dann trat er aus dieser heraus und entledigte sich ebenfalls seiner Socken. Taka stand abwartend vor ihm und es fehlte nur noch, dass er mit dem Fuß wippte. Aber irgendwie war es niedlich. Da schien jemand ganz genau zu wissen, was er wollte. Akira legte seine Hände wieder an die Wangen des Blonden und streichelte mit seinen Daumen über die vom Tuch unbedeckte Haut. „Jetzt kannst du so viel anfassen, wie du willst!“, sagte Akira verständnisvoll und beanspruchte Takanoris Lippen ein erneutes Mal für sich. Der ließ sich aber von seiner eigentlichen Mission auch durch einen Kuss nicht abbringen. Beide Hände legte er wieder auf Akiras Rücken und fuhr direkt zu dessen Hintern nach unten. Auf den hatte er schließlich schon bei seinem Auftauchen einen Blick geworfen. Einen süßen, kleinen Arsch hatte er ja schon. Kurz entschlossen schlüpfte Taka unter den dünnen Stoff, woraufhin Akira umgehend zusammenzuckte. „Freches Biest!“, empörte sich der Größere nachdem er abrupt ihren Kuss unterbrach. „So viel ich will – hast du eben gesagt!“, verteidigte sich der kleine Blonde sofort. „Das waren aber die Fingernägel…“ Takanori zuckte mit den Schultern. Ein scheinheiliges Grinsen legte sich auf seine Lippen und er kam dem anderen wieder näher, strich hauchzart mit seinen Fingern über Akiras Brust. Diese feinen Wölbungen, die er unter seinen Fingerspitzen spüren konnte, mochte er. „Weißt du, Akira…“ Taka leckte sich lasziv über die Lippen. „Wenn du es richtig anstellst, dann wirst du die heut Nacht noch öfters spüren…“, hauchte der kleine Blonde seinem Gegenüber entgegen und ließ wie zufällig seine Finger weiter nach unten tänzeln. Er hörte Akiras stockenden Atem nur zu deutlich. Was würde er dafür geben jetzt zu erfahren, was ihm durch den Kopf ging. „Du bist echt unglaublich!“ Akira schüttelte seinen Kopf und im nächsten Moment stürzte er sich auch schon auf Taka. Er drückte ihn an sich, suchte sofort wieder den Kontakt zu seinen Lippen und drängte ihn nun unweigerlich zum Bett. Kurz darauf spürte der kleine Blonde die Matratze unter und den anderen über sich. Immer wieder küsste er ihn und sie schmiegten ihre Körper verlangend aneinander. Er bemerkte die immer größer werdende Beule, die sich an ihm rieb und auch ihm wurde regelrecht anders. Diese Küsse und die Reibung, noch dazu Akiras Hände, die stetig seinen Körper weiter erforschten. Das alles erregte ihn ungemein und er hatte das Gefühl, sich in diesen zärtlichen Gesten zu verlieren. Er musste gar nichts einfordern, alles tat der andere von sich aus und er empfing nur zu willig jede Bekundung von Zuneigung, die sein Herz immer schneller schlagen ließ. Zum Glück schien auch Akira nicht genug von ihm zu bekommen, denn dessen Lippen wanderten besinnlich über seine Brust, stoppten an seiner Brustwarze, die er verspielt neckte. Seine vorwitzigen Finger hingegen hakten sich am Bund seiner Shorts ein und zogen diese weiter nach unten über seinen Po. Und nachdem sich der Dunkelhaarige von ihm gelöst hatte, wurde das letzte Kleidungsstück rasch von seinen Beinen gezogen. Gänzlich nackt lag er vor seinem Liebhaber und musste abwarten was dieser nun mit ihm anzustellen gedachte. Er fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, was ihn etwas verunsicherte. Er zählte regelrecht seine Herzschläge mit, in denen er auf die Wiederkehr des anderen wartete. „Taka…ich…“ „Lass mich nicht länger warten!“, unterbrach der kleine Blonde in einem bittenden Tonfall den anderen aber und streckte sehnsüchtig eine Hand nach ihm aus. Akira gab einen zustimmenden Laut von sich und das Bett neben ihm senkte sich wieder. „Du hast Recht. Wir haben lang genug gewartet…“ Ihre Hände berührten sich und unweigerlich flackerte ein Bild von seinem Akira vor Takanoris geistigem Auge auf. Sein Herz schien für einen Moment zu stolpern aufgrund dieser Erinnerung. Aber diese Berührung war so sanft und so vertraut. Er konnte nicht anders und führte Akiras Hand zu seinen Lippen. Zärtlich gab er ihm einen Kuss auf dem Handrücken und schmiegte seine Wange dagegen. Dinge, die er damals nicht mit Akira machen konnte, nicht durfte. Doch das Gefühl, das er jetzt dabei empfand, war das gleiche. Vielleicht war es unfair ihn als Ersatz zu nehmen, aber vielleicht war es auch genau das, was er brauchte, um endlich mit diesem unliebsamen Kapitel seiner Vergangenheit abzuschließen. Taka seufzte leise, als der andere wieder seinen Hals küsste, über sein Schlüsselbein wanderte und ihn immer mehr einlullte. Seine Hand wollte er dabei gar nicht mehr loslassen. Die Sehnsucht in ihm schrie und schaltete seinen Verstand komplett aus. „Schlaf mit mir…“, formten seine Lippen wie von selbst die Worte, die er zu gern Akira zugeflüstert hätte, aber nie die Chance dafür bekommen hatte. Er drehte seinen Kopf noch ein Stücken weiter zur Seite, fuhr mit seinen Lippen über Akiras Finger und leckte schließlich darüber. Dabei merkte er, wie der andere kurzzeitig sein Tun einstellte und das nahm der kleine Blonde zum Anlass, ihn leicht zu beißen. Direkt danach leckte er aber bereits über die geschundene Stelle und nahm Akiras Zeigefinger in den Mund. Aufreizend saugte er daran und umspielte ihn mit seiner Zunge. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Akira damals reagiert hätte. Rote Wangen, ein unsicherer Blick und dann hätte er sich doch darauf eingelassen. Das Hier und Jetzt untermalte seine Fantasie. Akira war weiter an ihm nach unten gewandert und nun spürte er, wie er ihn zärtlich in die Hüfte biss. Gleich darauf ließ er seine Zähne über sein Becken schaben und zupfte behutsam an seiner gereizten Haut an der gleichen Stelle. Anscheinend ließ er sich wirklich darauf ein, vollführte nahezu die gleichen Gesten, die er seinen Fingern zukommen ließ weiter unten. Und dann spürte er Akiras heißen Atem an seiner Erregung. Seitlich küsste er seinen Schaft, aber dann entzog ihm der andere ohne Vorwarnung seine Hand. Geräusche, die er nicht zuordnen konnte, aber dann wurde ihm klar, was er da machte, als ihm ein Kondom übergerollt wurde. Dabei blieb es nicht, denn urplötzlich spürte er einen Druck um seine Härte und er musste unweigerlich aufstöhnen. „Gott…“, hauchte er tonlos aufgrund des einsetzenden Reizes. Akira hatte ihn komplett in seinem süßen Mund aufgenommen und ließ ihn nun langsam wieder aus diesem gleiten. Er spürte trotz der dünnen Gummischicht, die ihn ummantelte, die Intensität seines Tuns. Einladend öffnete er seine Beine umso mehr für den Dunkelhaarigen, der auch diesen Wink nicht auf sich sitzen ließ, denn sofort merkte Takanori einen neckenden Finger kontinuierlich über seinen Muskelring streichen. Wie konnte er anders, als ihn in sich aufnehmen? Akira hatte es echt drauf ihn anzufixen. Klar hatte er da Bock auf mehr und das bestätigte sich nur darin, dass er den ersten Finger fast problemlos in sich aufnehmen konnte, ihm aber sofort klar war, dass er mehr wollte. Er wollte Akira zwischen seinen Beinen spüren, wie er sich kräftig in ihn trieb und sich an seinen Rücken krallen, während er sich an ihm gütlich tat. „Ah…“, keuchte er wieder auf, als er Akiras Zähne an seiner Leiste spürte. Er wusste wirklich, wie man ihn berühren musste. Da konnte Taka gar nicht anders und schob seine Hand nach unten. Ohne große Umwege fand diese ihren Weg in Akiras Haare und sein Kopfkino spielte wieder einmal verrückt. „Nimm ihn wieder in den Mund…“, forderte er hauchend, musste dabei unweigerlich an seinen Akira denken. Wie oft hatte er sich einen runtergeholt, während er sich vorstellte, dass er ihn um den Verstand blies. Ein zufriedenes Grinsen schlich sich über Takanoris Lippen. Diese Fantasie hier war viel besser, denn der Mann zwischen seinen Beinen passte einfach perfekt in eine Wunschvorstellung. Er wusste, wie man mit ihm umgehen musste. Während Akira ihn wirklich wieder mit dem Mund befriedigte und Taka sichtlich seinen Blowjob genoss, kehrte er mit reichlich Gleitgel und zwei Fingern zurück in ihn, um die notwendige Vorbereitung voranzutreiben. Auch das Kribbeln in Takas Lenden wurde immer stärker. Und dann bäumte er sich urplötzlich auf. „Fuck…“, keuchte der kleine Blonde zittrig und atmete tief durch. „Ah, da magst du es also am liebsten…“, hörte er die stichelnden Worte des anderen, der sein neues Wissen auch unmittelbar ausnutzte. Takanori sog die Luft scharf zwischen seinen Zähnen ein und jappste auf. Natürlich reagierte sein Körper heftig. „Hn… ja…“, hauchte er unweigerlich, schluckte schwer und wieder zuckten die Impulse nur so durch seinen Körper. Er drückte seinen Rücken komplett durch, versuchte sein Becken etwas anzuheben, um Akiras neckenden Fingern zu entkommen, aber das nützte nicht allzu viel. „Du zitterst ja regelrecht…“, stellte Akira fest, doch Taka warf nur seinen Kopf zur Seite. Seine Bewegungsfreiheit war aktuell sehr eingeschränkt. „Nicht ärgern!“, kam fluchend eine Erwiderung und er krallte sich in den braunen Haarschopf des Größeren. Er merkte, wie heiß ihm war und wie das Verlangen ins Unermessliche stieg. So schwanzgeil war er noch nie gewesen, aber was würde ihn erwarten, wenn Akira ihm endlich das gab, auf das er hingearbeitet hatte? Fast schon herrisch zog er das Objekt seiner Begierde nach oben zu sich. Doch der hatte nichts anderes im Sinn, als ihn wieder heftig zum Stöhnen zu bringen. Sogar sein Schwanz zuckte dabei voller Erwartung auf. Dieser Kerl machte ihn wahnsinnig. Lag vielleicht auch daran, dass er sich eine ganze Weile selbst vernachlässigt hatte. Daher kam es nicht in Frage, dass er sich noch lange hinhalten ließ. Er dirigierte Akira zu sich und öffnete direkt seine Lippen. Doch anstatt ihn der Mistkerl küsste, knabberte er frech an seiner Unterlippe. Dabei ging seine Hitze direkt auf ihn über. Seine Haut war feucht und schwitzig. Er klebte etwas, aber unangenehm fühlte es sich nicht an. Es war angenehm und schön, die gleiche Luft zu atmen. Außerdem war er so nachsichtig und gab ihm die Zeit sich wieder ein wenig zu beruhigen, während er seine Öffnung noch etwas mehr weitete aber ohne ihn dabei zu überreizen. Durch leise Seufzer ließ er Akira wissen, wie wohlig er sich in seiner Nähe fühlte. Daraufhin wurden ihm auch immer wieder sanfte Küsschen auf den Mundwinkel oder die Nasenspitze gedrückt. Als sich schließlich ihre Zungen wieder berührten, um einen Kuss intensiver auszukosten, hatte Taka das Gefühl sich nur noch mehr zu verlieren. Noch nie wollte er so sehr unter jemanden liegen wie in diesem Moment. Da war es einfach um ihn geschehen. Hektisch schob er seine Hände zwischen sie und zerrte Akiras Shorts nach unten. Seine Erregung konnte er unmittelbar an seinem Bein spüren und griff nach ihr. Gezielt massierte er mit seinem Daumen die empfindliche Spitze und als Bestätigung drang Akiras verdammt heißes Stöhnen an seine Ohren. Diese dunkle Stimme. Davon wollte er definitiv mehr hören und das forderte er auch ein, während er Akira weiter reizte, der sich nun wieder an seine Halsbeuge schmiegte, um sich unter Kontrolle zu behalten. Taka nutzte die Gelegenheit und haschte mit seinen Zähnen nach seinem Ohrläppchen, küsste schließlich der weichen Haut dahinter entlang. „Taka…“, stöhnte der Ältere gequält auf und löste sich abrupt von ihm. Verschwunden war der angenehme Geruch, der von ihm ausging und auch die neckenden Finger entzog er ihm. Dafür hörte er verräterische Geräusche. Voller Vorfreude strich sich Taka über die feuchte Brust, verteilte den dünnen Schweißfilm, der sich dort gebildet hatte. Im nächsten Moment wurde er an der Hüfte weiter nach unten gezogen und Akira schob ihm ein Kissen unter den Hintern. So hochgelagert wartete er gespannt darauf, den anderen in sich aufnehmen zu können. Wie er sich wohl anfühlte? Und wie würde er ihn überhaupt nehmen? Es war nicht so, dass er immer an die rücksichtsvollsten Typen geraten war. Seine Gedanken stoppten, als es zum Hauptteil überging. Direkt setzte der Druck gegen seinen Schließmuskel ein. Er ließ locker und Akiras Eichel passierte seinen Eingang. Wie er wohl dabei aussah? Ob er ihn beobachtete? Er musste sich vorstellen, wie angestrengt Akira ausgesehen hatte, als sie sich damals gegenseitig einen runtergeholt hatten und hielt an dieser Fantasie fest, während der Druck auf seinen Hintern zunahm. Und dann schob sich Akira bis zum Anschlag in ihn. Doch der Schmerz blieb aus. „Oh… ja…“ Er spürte seine Hoden und diese Hitze, die von ihm ausging. Noch dazu fühlte sich sein Becken zwischen seinen Beinen furchtbar gut an. Nicht zu vergessen sein harter Schwanz, der sich ihm so verdammt gut anpasste. Er war nicht zu riesig, sondern einfach perfekt, um sich gut in ihm austoben zu können, ohne dass er Schmerzen davontrug. Diese Reibung, die Akira erzeugte, als er sich langsam wieder zurückzog, nur seine Spitze in ihm ließ, dazu seine Hände, die sich an seine Oberschenkel gelegt hatten und ihn dann heranzogen. Alles stachelte Takanoris Fantasie weiter an. „Hn…“, seufzte er angetan. Wow. Das Gefühl war einzigartig. Alles kribbelte so angenehm. Und dann drückte sich Akira auch noch so furchtbar tief in ihn, sodass er Sterne sah. Diese fantastischen Gefühle, die ihn durchströmten und noch mehr um den Verstand brachten. Er war sich sicher, dass sein Akira im Bett genau so fantastisch gewesen wäre. Mindestens! „Küss mich… und dann besorg’s mir…“, forderte Takanori. Seinem Wunsch wurde sofort Folge geleistet. Akiras Gewicht auf ihm war angenehm. Gleich schlang er seine Arme um den Mann über sich, konnte nun sein Keuchen nah an seinem Ohr wahrnehmen. Und der angenehme Geruch, der ihm wieder in die Nase stieg. Zärtlich küsste er Akiras Lippen, die seine suchten und strich fahrig über seinen Rücken, während ihre Unterleiber im Takt schaukelten. Es dauerte nicht lange und Akira hatte einen guten Rhythmus für sie beide gefunden. Immer, wenn er sanft in ihn stieß, bekam er ebenso einen Kuss auf die Lippen. Das brachte Taka nach einer Weile zum Lachen. Das war zu süß. Das war so Akira. Darum konnte er nicht anders und drückte ihm nun wieder einen langen Kuss auf die Lippen und gab sich vollends seiner Wunschvorstellung über seinen langjährigen Freund hin, während seine Lust Stück für Stück gestillt wurde. Von ihm aus konnte das ewig so weitergehen, aber es zehrte schon an seiner Kraft so geliebt zu werden. Nach einer Weile zog Akira das Tempo an und auch sein Atem wurde schneller, ihre Küsse unterbrochen. Irgendwann ging es eben nur noch darum, ihn über die Klippe zu bringen und das schaffte der Ältere, als er Takanoris Erregung zwischen die Finger nahm. Dieser Reiz brachte ihm zum Punkt ohne Wiederkehr. Mit einem Gequälten Geräusch kam Takanori ohne dass er hätte etwas dagegen tu können. Hart biss er sich auf die Unterlippe, während sich Akira tief in ihn drückte und somit seinen Orgasmus nur noch mehr intensivierte, der seinen gesamten Körper erzittern ließ. Doch nicht nur das war es, was Taka gerade überrumpelte und jegliche Kraft raubte. Er verspürte einen Stich tief in seiner Seele und tausende Emotionen brachen über ihn herein, als hätte jemand einen Luftballon mit einer Nadel zerstochen. Akira. Die Gewissheit, dass er dies nie mit ihm teilen könnte, trieben ihm heiße Tränen in die Augen und zum ersten Mal an diesem Abend war er froh so eine dämliche Binde um die Augen zu tragen. Diese sog wenigstens einen Teil der Tränen auf, die sich unbarmherzig ihren Weg bahnten. Sein Körper erbebte, während die Nachwellen seines Kommens verebbten. Auch Akira hatte sich aus ihm zurückgezogen, doch war noch in greifbarer Nähe. Daher drückte Takanori seinen Kopf schutzsuchend an ihn. Er brauchte seine Nähe, die wohlige Wärme, die ihn ummantelte und das Gefühl, dass ihn bei ihm nichts passieren würde. „Du zitterst ja richtig. Alles okay?“, erkundigte sich Akira nachsichtig bei dem Kleineren. Sorge schwang in seiner Stimme mit, selbst als Taka sofort nickte. Das schwere Schlucken sprach eine andere Sprache und dessen war sich auch der Kleinere bewusst. „Alles okay… war nur… so intensiv…“, warf er dem anderen Bruchstücke eines Erklärungsversuches hin und vergrub seine Nase an der Schulter des Älteren. Unweigerlich musste er an das Meer denken. Das Meer, welches ihm Akira weggenommen hatte. Ob er damit einfach nie hatte abschließen können, da der Wunsch nach einer Nacht mit Akira ihm immer verwehrt geblieben war? Und nun hatte er jemanden, der ihm diesen unbewusst erfüllt hatte? Es tat ihm schon ein bisschen leid, dass seine Gedanken immer bei jemand anderen gewesen waren, während er ihn berührte, mit ihm schlief. Aber dieses Gefühl, es war wie damals. Eben fast so, als wären seine Träume wahr geworden und sein Akira wieder bei ihm. Er küsste ihn. Er berührte ihn. Er hatte mit ihm das intimste geteilt, was man haben konnte. Taka wusste sich nicht zu helfen und lächelte vor sich hin, während er sich wie eine furchtbar nervige Klette an seinen potenziellen neuen Freund schmiegte. Der Gedanke von Erlösung gefiel ihm. Es machte ihn glücklich. „Danke…“, murmelte er, was von Akira ein fragendes Geräusch zur Folge hatte. „Genau das hab ich gebraucht…“, meinte Taka und ließ sich wieder zurück in die Kissen sinken. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er fühlte sich befreit und irgendwie auch als sei er gerade bei Wolke Sieben angelangt. Vielleicht hatten sich die Geister der Vergangenheit nun endgültig von ihm gelöst. „Du siehst glücklich aus…“, stellte Akira fest und tippte ihm mit einem Finger gegen die rot geküssten Lippen. „Hm… irgendwie ja…“, gestand der kleine Blonde. Der Aufruhr in seiner Brust hatte sich wieder einigermaßen gelegt, selbst wenn seine Augen noch feucht waren. Was er aber wusste war, dass der andere ihm gut tat. So fuhr er wieder mit seinen Fingern über dessen Oberarm und liebkoste ihn. Schließlich gelangte er mit seinen Fingern bei Akiras Gesicht an und fuhr dort seiner Nase und auch seinen Lippen nach. Erschrocken zuckte er zurück, als Taka ihn beinah ins Auge gepackt hätte. „Und was wird das jetzt?“, erkundigte er sich einfach mal, da der Kleinere keine Anstalten machte, mit seiner Erkundungstour aufzuhören. „Wenn ich schon nichts sehen darf, dann will ich wenigstens anfassen…“, lieferte er umgehend eine Erklärung und fuhr mit seinen Fingerkuppen über die Unterlippe des Älteren. Der schnappte aber direkt zu und biss Takanori verspielt in den Finger, was ihn zum Lachen brachte. „Das ist gemein“, beschwerte sich Taka und seufzte. Die Warnung war aber angekommen und so streichelte er lieber wieder seinem Hals und seinem Oberarm entlang, während er ebenfalls Streicheleinheiten von dem anderen empfing. „Gar keine Bedenken gehabt? Ich meine, ich hätte dich auch hinterrücks umbringen können!“, unterbrach Akira die angenehme Stille, die zwischen ihnen eingekehrt war. Ein fast schon diabolisches Grinsen legte sich auf Takanoris Lippen. Und da war er wieder, der Stich in seiner Brust, der so richtig tief ging. „Nicht schlimm… Man wartet auf mich…“ Traurigkeit schwang in diesen Worten mit und es kam auch nicht unmittelbar eine Erwiderung des anderen. Aber er konnte spüren, dass er angesehen wurde. Lange angesehen, während sich die Sehnsucht in seiner Brust wieder ausbreitete. Doch mit einem Mal wurde er ruckartig an Akiras Brust gezogen. „Vergiss es! Wir sind hier noch nicht fertig!“, machte der ihm eine klare Ansage und noch ehe er etwas erwidern konnte, wurde er besitzergreifend auf den Mund geküsst. Das fand Taka ja schon wieder regelrecht niedlich, aber da bemerkte er auch, dass der andere wohl von ihrem Liebesspiel noch gar nicht zu einem Abschluss gekommen war. Seine Erregung jedenfalls konnte er jetzt an seinem Körper spüren. Vielleicht lags auch einfach am Gummi. Noch während sie knutschten, rollte er ihm das Kondom wieder ab, doch dann sah Akira nach unten. Das konnte Takanori an der Bewegung seines Körpers spüren. „Ist es ohne auch okay?... Ich bin clean“, versicherte er ihm und entfernte ebenso das Kondom von seinem eigenen Penis. Das warf er schließlich achtlos neben das Bett. Aufräumen konnte er auch später. Jetzt hatten die Bedürfnisse seines Freundes in spe definitiv Vorrang. „Eh…“ Ein Wenig überfordert war Akira nun doch. „Hast du Bedenken?“, wollte Taka wissen, der wusste, wie überrumpelnd seine Art manchmal war. „Nein… Nein, natürlich nicht… Ich…“, stammelte der Ältere verdattert und setzte sich auf. „Hn… Gut.“ Taka schmunzelte und kniete sich auf sein Bett. Jetzt wollte auch er Initiative zeigen. Da er eben eh schon mit dem Bein die Tube mit dem Gleitgel unabsichtlich angestupst hatte, wusste er, wo sie sich befand. Daher tastete er nach dieser. „Jetzt will ich es mit dir tun…“, kommentierte Takanori und verteilte etwas vom Gel in seiner Hand. Diese führte er auch sofort zu seiner Öffnung und verteilte die kühle Flüssigkeit in sich. Nur zu leicht war Akira auszumachen, da dieser so laut atmete und sich dadurch sogar das Bett etwas bewegte. Also krabbelte er auf ihn zu und legte seine Arme um dessen Hals. Aufreizend schwang er seine Hüften und schob sich noch weiter an Akira heran. „Und nun bringen wir dich zum Kommen…“, wisperte er verheißungsvoll. Geschickt brachte er sich über dem anderen in Position und führte ihn wieder in sich ein. Mit wenig Wiederstand nahm er Akiras Härte in sich auf und begann sich schließlich sofort zu bewegen. Das heisere Keuchen bestätigte ihn. Außerdem fühlte er sich nach wie vor gut in ihm an. Was sprach also gegen eine zweite Runde, bei der er sicherlich auch voll und ganz auf seine Kosten kam. Irgendwie hatte Taka das Gefühl, dass er jetzt bereit für eine neue Beziehung war. ************************************************************************************************ ???GAME OVER OR TBC??? Kapitel 26: ------------ Undone Kapitel 26 Schon länger hatte Takanori nicht so gut geschlafen wie in dieser Nacht. Etwas erledigt war er schon und auch die Wärmequelle, an die er sich noch vor ein paar Stunden geschmiegt hatte, war verschwunden. Müde öffnete er seine Augen, nur um sich wirklich davon zu überzeugen, dass er allein war. Kurzzeitig zweifelte er an den Erlebnissen der vergangenen Nacht, bis er neben sich den ersten recht eindeutigen Hinweis fand: Die Augenbinde. Dadurch bestätigte sich, dass alles kein Traum gewesen war. Noch immer zusammengeknotet, musste das Tuch wohl von seinen Augen gerutscht sein, als er geschlafen hatte. Ein Blick unter die Decke bestätigte schließlich alles Weitere. Nur von Akira keine Spur. Wie unhöflich! Der konnte doch nicht einfach gehen. Mah! Trotz allem konnte Taka nicht anders und musste vor sich hin grinsen, als er seine Beine aus dem Bett schwang und unmittelbar auf seine Sachen trat. Aufräumen konnte er später. Viel zu schön waren diese verräterischen Details. Und so unangenehm fühlten sich selbst die Überreste des Gleitgels und wohl Akiras Sperma zwischen seinen Pobacken nicht an. Eher freute er sich darüber, dass er ihm Lust bereiten konnte und sie beide auf ihre Kosten gekommen waren. Summend lief er zu seiner Couch, merkte aber, dass die Anlage noch an war. Er erinnerte sich. Akira hatte Musik angestellt, von der er letztendlich gar nichts mitbekommen hatte. Dennoch schaltete er das Gerät erstmal aus. Es war definitiv Zeit für Kaffee, selbst wenn ihn der Sekt auf dem Tisch verführerisch ansah. So ein Sektfrühstück zu zweit hätte ja auch was gehabt. Natürlich anschließend mit einer weiteren Runde leidenschaftlichen Sex auf dem Wohnzimmertisch. Da gab es nur ein Problem: Akiras Abwesenheit. Der wusste gar nicht, was er hier verpasste. Als Takanori schließlich an seinem Wohnzimmertisch vorbei lief, fiel ihm ein Zettel auf. Der lag gestern noch nicht da, also angelte er ihn sich, um die darauf vermerkten Worte zu lesen. >Guten Morgen! Sorry, ich musste weg, mein Baby von der Pflegemami abholen. Das gemeinsame Frühstück holen wir irgendwann nach.< Natürlich konnte er sich zusammenreimen von wem die Nachricht war, selbst wenn er noch recht auffällig anscheinend ein Autogramm darunter gesetzt hatte. So ein Idiot. Trotzdem war das in diesem Moment wohl die liebste Nachricht, die er hätte bekommen können. Hieß nämlich, dass er nicht einfach so die Flucht angetreten hatte, sondern dass er den Verpflichtungen eines Hunde-Daddys nachgehen musste. Und da er sowieso schon einen Narren an Koron gefressen hatte, war dies eine Entschuldigung, die er durchgehen ließ. Außerdem stand da noch so viel mehr. Es würde ein erneutes Treffen geben. Schon allein der Gedanke daran beflügelte ihn. Vor allem nach der letzten Nacht. Akira hatte sich so heiß zwischen seinen Beinen angefühlt. Er wusste einfach, wie er sich bewegen musste, um ihn um den Verstand zu bringen. Bei der zweiten Runde war es schließlich nicht geblieben. Taka biss sich hart auf die Unterlippe, als er sich an das Gefühl erinnerte, welches Akira in ihm ausgelöst hatte. Ja, verdammt, er liebte es, genommen zu werden, aber kaum jemand hatte es drauf, ihn wirklich zum Abschalten zu bringen. Doch bei Akira war das anders. Er hatte ihn angewiesen sich hinzuknien und sich dann ganz tief in ihn geschoben. Seine starken Hände lagen an seiner Hüfte und immer wieder hatte er ihn zurück dirigiert, bis er bis zum Anschlag in ihm versunken war. Gott, hatte sich das gut angefühlt. So heiß. So hart. So verdammt erregend, sodass es ihm durch Mark und Bein ging. Takanori zog die Luft scharf zwischen seinen Zähnen ein und schluckte trocken. „Dieser Kerl, ey…“ Da klopfte sein Herz direkt wieder in seiner Brust und die Notgeilheit machte sich bemerkbar. War schon blöd, wenn man ein Opfer seiner Hormone war. Aber wie konnte er auch an etwas anderes denken, wenn Akira ihn vergangene Nacht so hemmungslos genommen hatte? Zuerst war er ja skeptisch gewesen wegen dieser doofen Augenbinde und seinen zwiegespaltenen Gedanken wegen Akira. Aber irgendwann war der Schalter umgelegt und er dachte nur noch an den nächsten Orgasmus und wie er den anderen noch heftiger zum Kommen bringen konnte. Sein dunkles Stöhnen hatte ihn wirklich um den Verstand gebracht. Das war einfach zu sexy. Total wuschig und mit den Gedanken noch immer bei einem weiteren Stelldichein, bereitete sich Taka trotzdem erstmal seinen Gutenmorgenkaffee zu. Den hatte er dringend nötig. Dann musste er sich auch erstmal wieder sammeln. Ob er nun verliebt war oder nicht, konnte er nicht sagen, aber im Bett brachte es der andere auf jeden Fall. Keine Bedenken. So gar nicht. Das war eine sehr gute Basis und wenn er nur an ihn dachte, merkte er schon, wie sich seine Wangen rot färbten. Na gut, anscheinend war er wirklich total verknallt in Mister Unbekannt. Hach, aber was war, wenn er nun total hässlich war? Immerhin kannte er sein Gesicht nicht und nicht jede Person war hübsch anzusehen. „Argh… das macht mich noch wahnsinnig!“, schimpfte Takanori und kippte Milch in seine Kaffeetasse. Dann rann auch schon der erste Schluck seiner Kehle nach unten. Irgendwas musste sich doch tun lassen. Nun war er echt an dem Punkt angekommen, an dem er dieses Versteckspiel nicht mehr tolerieren konnte. Und vor allem auch nicht tolerieren wollte. Er musste einfach wissen, woran er war und da spielten viele Faktoren eine Rolle. Man konnte sich darüber streiten, aber auch Optik war gewissermaßen wichtig.Wenn er mit jemandem zusammen sein wollte, dann musste das Gesamtpaket stimmen. Oder zumindest der Großteil einfach harmonieren. Nur bei Akira war das so ne Sache. Der machte ihn mit seinem Verhalten total irre. Das war schlimmer als nen Blind-Date. In Taka wütete regelrecht ein Orkan. Ungewissheit, aber dann doch Zuneigung, die Enttäuschung der letzten Jahre, Akira, nicht Akira und alles kam irgendwie zusammen ohne Ordnung oder eine erkennbare Struktur. Direkt schoss ihm eine dumme Idee in den Kopf: Pro-Contra-Liste. Weiber machten sowas doch angeblich auch immer, wenn sie sich unsicher waren bei einem Kerl. Also lief er in sein Wohnzimmer, kramte einen Stift und einen Schreibblock heraus und zog eine wackelige Linie, um sein Blatt in zwei Hälften einzuteilen. Auf der einen Seite vermerkte er in Großbuchstaben „pro“ und auf der anderen Seite das Gegenstück dazu. Dann legte er los. „Okay, dann fangen wir mal an. Pro… Sex! Definitiv Sex…“ Lag eben nur zu nahe, auch wenn es ihm eigentlich widerstrebte genau das direkt als erstes zu notieren. So viel zu seinen oberflächlichen Ansichten. „Hm… hübsche Augen“, murmelte er und schrieb auch diesen Gedanken auf. „Sexy!“ Und wie sexy er ihn fand. „Attraktiv!“ Ja, gut, er fand ihn halt anziehend. „Uhm…. Tolle Stimme.“ Die mochte er wirklich. Tief, brummig, beruhigend. „Koron! Eh… Hund schreib ich mal auf…“, nuschelte Taka vor sich hin. „Tja, was noch. Cooler Kleidungsstil und er ist sehr aufmerksam. Jedenfalls guckt er mich immer sehr aufmerksam an… Ja….“ Nun wippte er nachdenklich mit seinem Kopf hin und her. „Puh… schwierig. Reich?... Gut, das weiß ich nicht mal. Berühmt?... Also… nach eigenen Aussagen ja, aber…“ Mit einem zweifelnden Blick sah der Designer zu seinem Laptop, der unberührt vor ihm auf der unteren Ablage seines Tisches verweilte. Das war echt kompliziert. Label hin oder her. VIPs. Ja, okay, aber die konnten auch im Netz viel schreiben. Er konnte das nur schlecht einschätzen und so setzte er hinter diese Punkte einfach mal Fragezeichen, wobei er sich irgendwie auch doof vorkam, diese Dinge als positiveAspekte aufzulisten. Fühlte sich halt falsch an und er gehörte doch nicht zu diesen oberflächlichen Idioten aus der Szene.Jedenfalls war er immer der Meinung und bremste sich selbst auch aus, wenn er mitbekam, dass er mal wieder auf einem falschen Weg war. Daher dachte er nochmal etwas genauer nach. „Geheimnisvoll. Nervt zwar auch ein bisschen, aber andererseits macht ihn das interessant.“ Erstmal wieder einen Schluck von seinem Kaffee. „Ihm ist Takeru und seine Gang total egal! Sehr großes PRO!!!... Generell scheint er nicht so viel Wert auf diese Angeber zu legen und zieht sein Ding durch.“ Jedenfalls hatte Taka diesen Eindruck von ihm gewonnen. Immerhin hätte er sich auf der Party auch einfach an diese Mainstream-Affen heften und sich einschleimen können. Da wäre er sicherlich nicht der erste gewesen, der sich durch Bauchpinseln Freunde machte. Aber nein, er war freundlich gewesen hatte ihn nicht als Sprungbrett benutzt. Auch das musste man ihm hoch anrechnen. Wenn er ehrlich war, hatte er schon angenommen, dass er auf der Party sitzen gelassen wurde. Also anders, als er es erlebt hatte. Aber so gesehen war er von Akiras Umgang positiv überrascht. „Oh… er ist Single! Das ist ein ganz großes Pro.“ Daher umkringelteTakanori diesen Punkt auf seiner Liste auch sofort und malte noch zusätzlich einen Pfeil davor. Nein, er dachte dabei jetzt ganz und gar nicht an Kloe und seine miese zweigleisige Nummer. Arschloch! „Großzügig!“, fiel ihm dann auch noch ein und wieder musste er auf sein neues Schmuckstück gucken, welches um sein Handgelenk baumelte. Das hatte er noch nicht wieder abgenommen, nicht einmal zum Duschen. Sah aber auch hübsch aus und das hatte er einfach so geschenkt bekommen, weil er nett war. Na ja… nett oder sowas in der Richtung. Dann wurde es aber wirklich schwer mit dieser Seite seines Blattes, obwohl er schon recht viel notiert hatte, wie er feststellte. „Er scheint mich zu mögen!“, fiel dem Designer dann spontan ein. „So! Totschlagargument!“, sagte der kleine Blonde stolz zu sich selbst und wieder huschte ein Lächeln über seine Lippen. Da musste er aufpassen, dass er nicht noch anfing, wie ein kleines, pubertäres Mädchen zu kichern. Trotzdem machte ihn dieser Gedanke unglaublich glücklich. Das mit der Liste ging zumindest einfacher als gedacht. Hätte er nicht erwartet. Nun aber sah er auf die noch unbeschriebene Seite seines Blattes. Puh! Da gab es allerdings auch einiges, was dahin gehörte und das wurmte ihn. „Gesichtsmaske! Definitiv!“ Wieder schwirrte ihm der Gedanke im Kopf herum was war, wenn Akira hässlich war? Also… hässlich im übertragenen Sinne. Konnte ja auch sein, dass er so gar nicht seinen Vorstellungen entsprach. Was man hinter so einer Maske nicht alles verstecken konnte! Spontan fielen ihm da mehrere unschöne Szenen aus diversen Anime oder anderen Filmen ein. Wäh! Wie der Typ, dem der gesamte Unterkiefer und die Lippen fehlten. Bah! Er schüttelte sich. Das war so eklig gewesen, als er sich diesen Film angesehen hatte! Widerliche Vorstellung! Bei sowas war er eben doch zart besaitet. Aber eigentlich… Nein! Sie hatten sich ja schon geküsst. Also Unterkiefer war da und Lippen auch! Sehr beruhigend. Seine aufkeimende Theorie konnte er definitiv ausschließen! Es machte die Sache an sich jedoch nicht sehr viel besser. Nur durch Berührungen konnte sein Kopf jedenfalls keine Gesichter rekonstruieren. Als er Akira angefasst hatte, war ihm nichts Unnatürliches aufgefallen. Keine Narben oder sonstwas. Nichts, was man hätte ertasten können. Eigentlich nur weiche Haut. An der Stelle kam er gerade nicht zu einem ordentlichen Ergebnis. Okay, dann weiter mit seiner Liste. Was störte ihn noch? „Die doofen Hobbies!“, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Golfen und Co. Das waren voll die Abtörner. Angeln. Bah! Glibberiger Fisch. Nichts, was er brauchte. Vielleicht dann noch tot machen und die Eingeweide entfernen. Nee! Nicht mit ihm! Taka atmete tief durch. Gedanklich hatte er sich darüber nach ihrem Date schon genug ausgelassen. Das musste er nicht wiederholen und noch mehr unschöne Assoziationen hervorrufen. Also, was denn noch? „Ich weiß nicht, was er denkt… Also, ob das nur reine Neugier war letzte Nacht. Kann ja sein, dass er nur Druck hatte und jemanden zum Ficken gebraucht hat. Scheiße, ey! Was, wenn das stimmt? Und was, wenn er bi ist und eigentlich mit nem Weib liiert ist?“ Er schüttelte vehement seinen Kopf. Das wollte er nicht wahr haben! Auf keinen Fall. Er wollte nicht nur ne Nummer für eine Nacht sein und er hoffte einfach, dass Akira das auch so sah. Doch wenn Taka ehrlich zu sich war, dann wusste er nicht viel über das tägliche Leben des anderen. Er konnte ihn auch nur vor den Kopf gucken und wusste nicht, was dahinter vor sich ging. Ihre Berührungspunkte waren nun nicht so ausschlaggebend. Label hin oder her. Wie lebte er und was war mit seiner Familie? Alles Infos, die er noch nicht kannte, da diese Themen bisher nie zur Sprache gekommen waren. Nun war er unsicher. Dann gab es auch noch diese „berühmt-Sache“. Das könnte doof werden, wenn das echt der Fall war. Man wusste ja nie, wie das dann mit Paparazzi ausartete. Apropos… „Amerika…“ Takanori verzog sein Gesicht. Fuck. Irgendwann musste er wieder zurück. Sein Aufenthalt hier war nur zeitlich begrenzt und das nervte ihn gerade tierisch. Die Contra-Seite seiner Liste war doch echt beschissen. Bisher hatte er noch gar nicht bedacht, dass Akira von heute auf morgen wieder weg sein könnte. Aber bisher war auch noch nichts zwischen ihnen passiert, was ihn emotional irgendwie an ihn gebunden hätte. Das hatte sich wiederum nun geändert. Er konnte doch nichts aufbauen, wenn er genau wusste, dass Akira wieder weg musste. Für eine Fernbeziehung war er nicht gemacht. Er wollte schon ab und an in den Arm genommen werden und nicht nur über Videochats kommunizieren. Auf Dauer war das nichts für ihn. Deprimiert sah Taka auf seine Liste. Auf der einen Seite standen so viele Sachen, doch auf der anderen Seite standen Sachen, die schwer wogen und ihn wiederum total runterzogen. „Amerika… so weit weg…“, murmelte er seufzend und ein ihm bekanntes, beklemmendes Gefühl kroch in ihm hoch. Nur zu vertraut war es. Jeden Sommer hatte es Besitz von ihm ergriffen. Genau wie damals. Damals, als er hier hockte und Akira seine Sommerferien in Amerika verbrachte. Jedes verdammte Jahr. Er war am anderen Ende der Welt. Jedenfalls war es für ihn unerreichbar weit weg. Aber diesmal wollte er das nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Takanori konnte damals schon nichts dagegen tun, doch jetzt war er volljährig und Herr seiner Taten. Er hatte Handlungsspielraum und konnte die Dinge zumindest teilweise beeinflussen. „Kein Spielball mehr sein!“, redete er sich gut zu. In letzter Zeit war so viel Scheiße passiert, da musste man doch einfach mal einen Schlussstrich ziehen. Einfach auf und davon. Mal etwas riskieren. Aber vor allem wollte er weg. Der Mist mit Kloe. Der Fuck auf Arbeit. Dann der Einbruch in seiner Wohnung. Er fühlte sich wirklich unwohl an diesem Ort und in seiner Haut. Der Wunsch nach Veränderung wurde immer lauter. Er musste nur mutig genug sein und seinen Dickkopf durchsetzen. Das war ihm sonst doch nie so schwer gefallen. Wieder sah Taka auf seine Liste und sein Blick blieb an Amerika hängen. Sein Magen kribbelte. Und das lag nicht nur am Hunger, den er verspürte. Er beugte sich nach vorn und zog seinen Rechner auf seinen Schoß, dann startete er ihn. Beschlossene Sache! Er hatte lang genug gewartet und herumgedruckst. Er würde jetzt sofort eine Bewerbung fertig machen und diese direkt an Akiras Label schicken. Egal, ob etwas aus ihnen wurde oder nicht, aber gerade bildete Akira die Option, auf die er schon so lange gewartet hatte. Der Engel, auf den er so sehnsüchtig gewartet hatte. Er musste ihn nur noch an die Hand nehmen und ihn ins Paradies führen. Gerade glaubte er wirklich fest daran und so schwebten seine Finger nur so über die Tastatur seines Laptops. Sein Motivationsschreiben schrieb sich wie von selbst. In seinen Worten lag so viel Hoffnung dieser Hölle hier entkommen zu können und sich freizusagen von allem, was ihn seelisch belastete. Er wollte endlich erlöst werden und diese Erlösung wollte er unbedingt von Akira empfangen. „Bitte…“, wisperte er, als er die E-Mail an die angegebene Adresse zusammen mit allen relevanten Anhängen sendete. Ein erneutes Stoßgebet zum Himmel und dann stellte er seinen Laptop auf dem Tisch ab. Jetzt lag es nicht mehr bei ihm. Trotzdem war er noch nie zuvor so furchtbar nervös gewesen, wie in diesem Moment. Aber mehr als absagen konnte er ihm auch nicht. Trotz allem war jetzt eine gute Zeit, sich erstmal zu duschen und ordentlich anzuziehen. Daher ging er in den hinteren Bereich des Zimmers, in dem sein Bett stand. Doch weit kam er nicht mit seinem Vorhaben, denn da zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. Irritiert sah Takanori sein Handy an, welches auf dem kleinen Nachttisch neben seiner Lampe lag. Das Display leuchtete ununterbrochen auf. Bei genauer Betrachtung bemerkte er, dass er über eine App angerufen wurde. So wischte er über das Display und betätigte gleich den Lautsprecher. „Kou?“, erkundigte er sich, doch er hörte nur Rauschen, oder nein, das waren Menschen und Nebengeräusche. „Ey, Yuu, auf welcher Seite stehst du überhaupt?“, konnte er die genervte Stimme von seinem Sandkastenfreund vernehmen. „Auf der Seite der Schwachen, Armen und Unterdrückten?“, kam eine Erwiderung, auf die ein Schnauben von Kouyou folgte. „Kou?“, versuchte es Taka daher nochmal. „Oh! Taka, du bist ja dran“, bemerkte der Anrufer und leichte Hektik brach aus. „Eh… Tschüss, Yuu!“, sagte das Model und kickte anscheinend seinen vorherigen Gesprächspartner aus der Leitung. Aber kaum, dass er mit ihm sprach, klang sein Sandkastenfreund schon wieder freundlicher. „Sorry, hatte gar nicht bemerkt, dass du dran gegangen bist. Ist etwas laut hier und ich hatte Yuu gerade noch auf’m Tablet!“, erklärte Kouyou seinem neuen Gesprächspartner. „Ja, man versteht dich auch schlecht. Wo bist du denn?“, wollte Taka daraufhin wissen. Es kostete ihm schon Mühe, die Stimme des anderen aus all dem Wust aus Geräuschen herauszufiltern. „Flughafen. Halbe Stunde noch, dann sollte das Boarding anfangen.“ „Ach so. Immer auf Reisen, ne?“ Irgendwie war das so typisch. Trotzdem verstand er den Grund des Anrufs nicht. Wider Erwarten sprach das Model diese Sache aber direkt an. „Na ja… Ich ruf wegen deiner Nachricht auf’m AB an. Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde, aber die Zeitverschiebung und ich wollte dich nicht aus’m Bett holen!“, gestand Kou und da fiel es Taka auch wieder ein. „Ach was, schon gut. Ich war vielleicht ein bisschen aufgewühlt in dem Moment. Schon wieder gut.“ „Ein Bisschen?.... Das klang schon nach sehr aufgewühlt. Was… ich meine?... Hast du nun irgendwas unternommen?“, wollte Kouyou wissen. „Hm… Nach dem Einbruch? Na ja, da mein Ersatzschlüssel weg ist, hab ich das Schloss am nächsten Tag ausgetauscht. Glaub nur, das war ne sinnlose Aktion. Ich denke nicht, dass der Einbruch… Na ja… einfach so war. Sind halt nur persönliche Sachen weg gewesen…“, erklärte Taka etwas geknickt. Bisher war ja nichts wieder passiert, was jedoch nicht hieß, dass er sich in Sicherheit wiegen sollte. Allerdings war der andere gerade so merkwürdig still. „Ehm… duhu, Taka-chan… also… wegen deinem Schlüssel… hn…. Den hab ich noch!“, druckste Kou herum. „Ach so?“, fragte der kleine Blonde erstaunt nach. „Hm… Nya…. Jaaaaaaaa… Also, der war noch in meiner Jackentasche und das hab ich erst am Flughafen gemerkt. Sorry. Das hab ich echt verpeilt. Also, der ist schon mal nicht weg!“, versuchte Kouyou die Sache ein wenig positiver zu gestalten und Taka lachte auf. Na toll, da hatte er sich deswegen umsonst Gedanken gemacht. „Schon gut. Den kannst du dann wohl weghauen. Wie gesagt, das Schloss hab ich getauscht. Wohl eher aus psychischen Gründen, als dass es wirklich notwendig gewesen wäre.“ Das sah er ja eh ein. Aber nun war das auch egal. „Aber trotzdem, hast du denn nun ne Idee, was los ist?“, wollte Kou weiter wissen. „Nein, keinen blassen Schimmer. Ich hatte dir ja erzählt, dass ich das Gefühl habe, immer mal beobachtet zu werden, aber da kann mich mein Gefühl nun auch täuschen. Nach dem Einbruch bin ich schon ein bisschen paranoid geworden und guck mich andauernd um. Aber da ist niemand. Mir ist auch nichts Seltsames aufgefallen. Gut, auf Arbeit, mein Chef ist noch etwas komisch, aber das steht auf einem anderen Blatt und hat glaube ich mit meinem Stalker nichts weiter zu tun. Ich weiß auch nicht. Muss wohl erstmal warten, was als nächstes passiert…“ „Aber sei trotzdem lieber etwas vorsichtiger. Solchen Leuten ist ja bekanntlich alles zuzutrauen und wenn du noch dazu nicht weißt, wer dir was Schlimmes will…“, gab das Model zu bedenken. „Ja, ich weiß schon. Ist halt auch fraglich, ob derjenige mir irgendwas antun will. Also… ja, weiß nicht. Keine Ahnung was im Kopf von Stalkern vor sich geht, aber die treten doch irgendwann auch mit ihren Opfer in Kontakt? Ich glaube nur irgendwie nicht, dass… Ach, keine Ahnung. Ich hab das schon wieder so weit weggeschoben.“ Takanori seufzte kellertief. „Ich denke ernsthaft darüber nach, die Segel hier abzubrechen und wegzugehen. Das würde alle Probleme auf einmal lösen. Der Stalker wüsste dann nicht mehr, wo ich bin. Auf Arbeit macht man mir dann nicht mehr das Leben schwer. Kloe und Takeru könnten mich mal. Also so ein Neuanfang klingt nicht so schlecht, finde ich“, weihte der Designer den anderen in seine Pläne ein, die immer mehr Gestalt in seinem Kopf annahmen. Wenn das bei Akiras Label wirklich klappte, dann war er sowas von weg. „Uhm, das klingt natürlich nach nem Masterplan. Schon was in Aussicht oder einfach nur Überlegungen?“, fragte der Ältere nach. Er hatte nicht gedacht, dass Takanori so gefasst war nach der Nachricht, die er ihm erst vor ein paar Tagen hinterlassen hatte. „Irgendwas dazwischen. Ich möchte nur echt weiteren Problemen aus dem Weg gehen. Es reicht langsam. So ein bisschen Glück hab ich mir nach dem Mist der letzten Wochen auch mal verdient!“ Der Meinung war der kleine Blonde zumindest. Aber gerade fühlte er sich sowieso einfach vollkommen. Die Nacht mit Akira hatte es wirklich in sich gehabt. Beflügelt war wohl das richtige Wort, das seine Gefühle beschrieb. Neue Kraft und neue Energie durchströmte seinen kleinen Körper. Er war motiviert wie schon lange nicht mehr. „Ach, Taka! Pack deine Koffer! Wenn ich das nächste Mal da bin, nehm ich dich einfach mit! Wir finden dann schon ne Aufgabe für dich!“ Am anderen Ende der Leitung war das angenehme Lachen des Models zu vernehmen und Taka ertappte sich dabei, wie er sogar zustimmend nickte. „Na, mal sehen. Heute lass ich es jedenfalls ruhig angehen. Schwing mich gleich unter die Dusche, dann wird gekocht und danach ab auf die Couch. Mal gucken, ob ich ne nette Serie finde, die ich mir zu Gemüte führen kann.“ „Klingt ganz vernünftig. Lass dich bloß nicht ärgern, Taka-chan. Ich muss dann auch so langsam zum Gate und hier noch meine Sachen ordentlich verstauen. Wir hören uns und halt mir ja die Ohren steif.“ „Klar, mach ich. Dir nen guten Flug“, wünschte der kleine Blonde dem anderen und dann legten sie fast zeitgleich auf. Hm, er hätte ja wenigstens noch fragen können, wo es denn hin ging. Aber egal, würde er schon früher oder später erfahren was für ein tolles Shooting er wieder gehabt hatte. Kapitel 27: ------------ Undone Kapitel 27 Tadaima. Ich fühle mich wie ein Verbrecher, als ich den Weg zur Keisei-Line beschreite und mir zwei Polizisten entgegen kommen. Klar ist es ihre Aufgabe verdächtigen Vorkommnissen am Flughafen nachzugehen, aber so verdächtig kann ich nicht aussehen, denn sie ziehen wortlos an mir vorüber. Nicht einmal eines Blickes haben sie mich gewürdigt. Trotzdem weicht das unbehagliche Gefühl in meiner Brust nicht vollkommen. Ich habe unweigerlich den Eindruck beobachtet zu werden. Doch vielleicht ist dies auch nur eines meiner Hirngespinste, ausgelöst von den Ängsten, die sie mir damals eingetrichtert haben und die mein Leben von Grund auf ändern sollten. Mittlerweile bin ich es gewohnt mich wie ein Schatten zu bewegen, möglichst alle Spuren zu verwischen und keine Fußabdrücke zu hinterlassen. Es ist besser so. Auch wenn ich hier nicht erwünscht bin, bin ich zurückgekehrt – ohne ihr Wissen. Teils fühle ich mich wie ein Besucher in einer anderen Welt und sauge jeden Eindruck um mich herum auf wie ein Schwamm. Sogar der Anblick von Schulkindern in ihren Uniformen beruhigt mich fortschreitend, obwohl das für dieses Land so normal ist, wie in anderen das Amen in der Kirche. Alles hier ist für mich ein ungewohnter Anblick und dennoch so vertraut. Fast so, als würde ich in ein vorheriges Leben zurückkehren, inkl. haufenweise Déjà-vus. Schweigend beobachte ich meine Mitmenschen und stelle fest, wie stereotypisch alles ist. Früher wäre mir das wohl nie aufgefallen. Früher sind mir so viele Dinge nicht aufgefallen. Etwas angefressen setze ich meinen Rucksack auf meinem Schoß ab und ziehe wenig später einen Umschlag heraus. Die winzige Karte, die sich darin befindet, bastele ich mit etwas Mühe in mein Smartphone und fahre es hoch. Erstaunlicherweise funktioniert alles einwandfrei. Ich öffne eine Nachricht und tippe nur die Worte „angekommen“ und „danke“ in das Textfeld. Anschließend sende ich die Mitteilung an eine Nummer, die mir handschriftlich auf einen Zettel, der sich ebenso im Umschlag befunden hatte, notiert worden war. So weit, so gut. Aber nichts anderes habe ich erwartet. Ein bisschen fühle ich mich wie 007. Auf geheimer Mission. Der Film über mich würde bestimmt Millionen einspielen, auch ohne dass ich einen Smoking tragen müsste. Dieser Gedanke amüsiert mich, auch wenn ich nach wie vor verkrampft in der Bahn hocke. Vehement zwinge ich mich dazu, mich zu entspannen. Bringt ja nichts hier stocksteif zu sitzen und jeden um mich herum zu observieren. Keiner weiß von meinem Ausflug in dieses Land. Offiziell habe ich für eine Weile geschäftlich im Ausland zu tun. Daher wäre es unsinnig von mir nun Gespenster zu sehen, wo keine waren. Und je näher ich meinem Ziel komme, desto unsichtbarer werde ich im Getümmel der Großstadt. Meine anfänglichen Bedenken zerstreuen sich immer mehr und meine Endhaltestelle rückt näher. Let’s go! ~*~*~ Nochmals vergleiche ich die Adresse in der Nachricht auf meinem Mobile Phone mit der Realität. Hier ist es also. Hier wohnst du. Sogar die Etage steht dabei und die Apartmentnummer. Kurz sehe ich mich um, aber niemand ist zu sehen bis auf einen Postboten. Ich nutze die Gelegenheit und schlüpfe nach ihm mit ins Haus. Unbeirrt geht er zu den Briefkästen, doch ich bin mir noch unsicher was ich nun hier will. Vielleicht einfach nur dir nah sein? Aber eigentlich macht es nicht so viel Sinn, hier zu spionieren. Großartig viel macht dieses Gebäude nicht her. Mittelständisch eben. Aber vielleicht denke ich das auch nur, weil ich mittlerweile andere Dinge gewöhnt bin. Es ist nicht so, dass mein Elternhaus nur so vor Luxus strotzt. Trotzdem glaube ich, dass diese Gegen nicht zu dir passt. Ich räuspere mich und entscheide mich doch, den Postboten anzusprechen. „Entschuldigen sie. Sie kennen sich hier sicherlich besser aus. Matsumoto Takanori. Der wohnt doch hier in diesem Haus, oder?“ Der ältere Herr in seiner blauen Arbeitsuniform sieht mich an und überfliegt schließlich die Namen an den Briefkästen. „Nein, da irren sie sich. Das hier ist der Eingang zu dem Haus auf der rechten Seite. Matsumoto-san wohnt nebenan. Der Eingang befindet sich auf der rechten Seite, wenn sie um die Straßenecke gehen.“ Unweigerlich muss ich stutzen, nicke jedoch verstehend. „Vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen“, bedanke ich mich höflich, deute eine Verbeugung an und verlasse das Haus wieder. Verwirrt sehe ich mich um. Das soll man finden, wenn man noch nie hier war! Kann ja keiner ahnen, dass der Eingang zum falschen Haus gehört. Das sah alles so passend aus. Kopfschüttelnd besinne ich mich. Gemäß der Anweisung des Postboten gehe ich einmal um die Ecke und sehe einen unscheinbar wirkenden Eingang hinter einem rostroten Tor. Nun ist es aber auch für mich ersichtlich, dass dieser zu dem Hochhaus gehört, zu dem ich eigentlich möchte. Hier gibt es sogar eine Klingel direkt am Tor und auf dieser kann ich sogar deinen Namen lesen. Super. Das habe ich also schon einmal gefunden, selbst wenn ich mich etwas dämlich angestellt habe. Auf gut Glück drücke ich gegen die Tür, die ins Gebäude führt. Sie öffnet sich sofort. Es verwundert mich, denn direkt daneben ist ein Feld angebracht, in das man einen Code tippen sollte. So viel zur Sicherheit in diesem Land. Hier macht sich wohl keiner großartig Gedanken um Einbrüche und dergleichen. Auch da bin ich mittlerweile anderes gewohnt. Aber mir kommt das gelegen. Ich nehme nicht an, dass ich auf die Schnelle den Code irgendwie in Erfahrung gebracht hätte. Freudig spaziere ich in den Vorraum. Der macht aber letztendlich keinen anderen Eindruck als der im Gebäude nebenan. Alles hier ist so stoisch, so zweckmäßig. Aber immerhin steht eine Grünpflanze in der Ecke. Nur hat die ihre beste Zeit auch schon hinter sich. Zielgerichtet spaziere ich zu den Briefkästen und mache deinen aus. Ich öffne die Klappe um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Vielleicht ist das nicht die feine Art so etwas über dich in Erfahrung bringen zu wollen, aber irgendwo muss ich ansetzen. Ich habe so viel nachzuholen. So viel, was mir nicht mehr berichtet wurde. Und selbst wenn, es hätte keinen Wert mehr für mich. Gerade jetzt merke ich, wie sehr ich versagt habe und wie schwer meine Fehler wiegen. Es war dumm zu glauben, dass jemand anderes meine mir auferlegte Aufgabe erfüllen könnte. Und das zu meiner Zufriedenheit – töricht! Doch jetzt kann ich einfach nicht mehr untätig sein. Ich möchte die Kontrolle wieder zurück und selbst entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Grob sehe ich deine Post durch. Ein Päckchen von einem Verlag. Anscheinend ein Magazin oder sowas. Dann ein Katalog mit Modekram. Also, mit irgendwelchen Materialien. Scheint dich wohl zu interessieren. Beruflich bestimmt. Ich kann damit nur wenig anfangen. Ansonsten befinden sich nur Flyer und ein paar Briefe in deinem Briefkasten. Alles nichts, was mich großartig interessiert. Also stopfe ich die Sachen nicht gerade sorgfältig zurück und spaziere zum Fahrstuhl. Erstmal erkunden, wie… Ich vernehme ein Geräusch hinter mir und sehe, dass die Flyer und ein paar Briefe der Schwerkraft zum Opfer gefallen sind. Kann ich später aufheben. Jetzt will ich nach oben, gucken, wie es da so aussieht. Wer weiß, wie viel Zeit mir bleibt, bis mich ein neugieriger Nachbar hier erwischt. Unangenehmen Fragen möchte ich möglichst aus dem Weg gehen. Da mein Informant mir deine Apartmentnummer mitgeteilt hat, weiß ich genau in welches Stockwerk ich fahren muss. Hier oben ist es dann doch recht übersichtlich. Fünf Wohnungen. Zwei davon links neben dem Fahrstuhl, die anderen auf der anderen Seite. Deine ist die ganz am Ende des Ganges, wie ich herausfinde, nachdem ich die Schilder an den Türen gelesen habe. Eine weitere Tür führt nach draußen zu einem kleinen Balkon. Anscheinend ist dieser gedacht für alle Bewohner dieser Etage. Man teilt hier eben gern… Nachdem ich meinen Kopf hinaus gesteckt habe, sehe ich auch, dass von hier die Feuerleiter nach unten führt. Der Fluchtweg also. Trotzdem ist für mich nicht zu erkennen, wo man rauskommt. Doof. Zurück an deiner Tür versuche ich mein Glück, aber du hast abgeschlossen. Sehr vernünftig. Man weiß schließlich nie. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass dieses Schloss sehr sicher ist oder gar viel aushält. Da habe ich schon andere auf bekommen. Aber für heute belasse ich es dabei. Mir genügt es zu wissen, wo du lebst. Irgendwie werde ich es schon schaffen, wieder Teil deines Lebens zu werden, mich in dein Leben hinein zu zecken, wenn man das so sagen kann. Optimistisch gestimmt trete ich meinen Rückweg über die Außentreppe an. Man weiß schließlich nie, ob man nicht mal schnell von hier wegkommen muss. Und da wäre es schon gut zu wissen, wo man unten denn herauskommt. Alle Informationen kann mir mein Informant eben doch nicht geben, selbst wenn er mir bisher eine große Hilfe war. ~*~*~ Ramen haben noch nie so gut geschmeckt wie heute. Man weiß Dinge eben erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr haben kann. So leere ich laut schlürfend die riesige Schüssel vor mir und lecke mir über die Lippen. Ich könnte glatt noch eine weitere Portion verdrücken, doch mein Smartphone lenkt mich von diesem Gedanken ab. Das Display zeigt mir eine der eingespeicherten Erinnerungen: 1. Februar Taka. Als wenn ich dafür eine Erinnerung benötigen würde. Nur zu gern möchte ich deinen Geburtstag mit dir feiern, aber ich weiß, dass mir das verwehrt bleiben wird. Auch dieses Jahr. Grausame Welt. Nichtsdestotrotz nagt das schlechte Gewissen an mir. So viele Gelegenheiten, an denen du ein Geschenk verdient hättest und die ich nicht habe wahrnehmen können. Eine Wiedergutmachung dafür gibt es leider nicht und was bleibt ist die Ernüchterung. Ein fader Beigeschmack, der nicht verschwinden will. ~*~*~ Nachdem ich dich wie jeden Morgen seit ein paar Tagen zum obligatorischen Automaten deines Vertrauens begleitet habe, damit du dir deinen Morgenkaffee ziehen konntest, sehe ich mich endlos langen Stunden der Langeweile gegenüber. Um zu agieren fehlen mir nach wie vor die notwendigen Informationen. Aber es kann sich nur noch um ein paar weitere Tage handeln, bis ich in Erscheinung treten kann. Zumindest hoffe ich das. Meine Geduld geht nämlich so langsam flöten. Mir ist es eben nicht genug, dich nur aus der Ferne beobachten zu können und deine Routine zu verinnerlichen. Trotzdem pfeift meine Vernunft mich zurück. Tag X wird schon noch früh genug kommen. Bis dahin hole ich vertane Zeit nach und vergnüge mich in Vierteln der Stadt, die ich bisher noch nie besucht habe. Ich muss mir jedoch eingestehen, dass es in Begleitung weitaus spaßiger wäre. Doch in diesem Land habe ich keine Freunde mehr und es wäre mir auch eher anzuraten, dass ich es vermeide, unnötige Kontakte zu knüpfen. Freudig beiße ich in den Spieß mit gegrillten Oktopus, den ich mir an einem kleinen Stand der Ameyoko gekauft habe, als mein Blick an einem Shop hängen bleibt: Tiere. Niedliche, kleine Fellknäuele suchen ein neues zu Hause. Mit gemischten Gefühlen folge ich dem Getümmel im Laden, um mir einen Überblick zu verschaffen. Dabei schrecken mich nicht einmal die Preise an der Scheibe ab, sondern eher die kleinen Glaskästen, in denen die Racker ihre Zeit fristen müssen. Irgendwie tun sie mir leid, wie sie versuchen nach Aufmerksamkeit zu haschen, nur um endlich jemanden zu finden, der sie mitnimmt und ihnen hoffentlich ein besseres Leben bietet. Irgendwie erinnert mich der kleine Haufen Elend im Glaskasten unten links an mich selbst. Kommt zumindest von der Haarfarbe her hin. Ich komm nicht drum herum, mich vor ihn zu hocken und meinen Zeigefinger auf Höhe seiner Pfote an das Glas zu drücken. Wie winzig und zerbrechlich er doch ist, aber trotzdem sieht er mich hoffnungsvoll an. Sicherlich denkt er, dass ich „sein Mensch“ bin. „Sorry, Kleiner, ich bin als Herrchen nicht geeignet. Hab’s nicht so drauf, mich um andere zu kümmern…“ Das war leider ein Fakt, denn oftmals bin ich schon mit mir selbst überfordert. Jedenfalls stelle ich das immer wieder fest. Ich habe nicht diesen siebten Sinn zu spüren, wenn es wem schlecht geht. Ganz anders als du, der es direkt merkt und dann natürlich sofort etwas tun will. „Hmm… Aber ich glaube, ich wüsste da jemanden, mit dem könntest du dich verstehen. Weißt du, der ist auch eher klein… und flauschig… und hat genau solche braunen Kulleraugen wie du!“ Zufrieden mit meiner Schlussfolgerung knabbere ich hastig meinen Oktopusspieß ab und stopfe das Stäbchen wie ein Rebell in die Öffnung des Getränkeautomaten, der eigentlich nur für Dosen vorgesehen ist. Dann stürme ich den Laden. „Den kleinen Hund da möchte ich gern mitnehmen!“, sage ich selbstsicher und deute auf den entsprechenden Glaskasten. „Möchten Sie ihn erstmal auf den Arm nehmen und genauer ansehen?“, fragt mich die Verkäuferin voller Zurückhaltung. Anscheinend schüchtert sie meine Gestalt ein. „Eh… nein, nein, der soll es sein. Einmal einpacken bitte mit Wohlfühlpaket für den Kleinen dazu!“, entscheide ich mich für den Weg des geringsten Widerstandes. „Der Chihuahua in schoko-tan?“, fragt sie noch immer unsicher. „Hm… Ja, der kleine Hund da, mit den großen Ohren! Und können sie auch bitte Unterlagen bereitmachen für Check-up’s beim Arzt? Er wird mit mir auch verreisen müssen.“ Vielleicht klinge ich ein bisschen harsch, aber mein Feingefühl in dieser Sprache ist einfach nicht mehr vorhanden. Mit meinen Kumpels rede ich eben anders. Nichtsdestotrotz scheint die Dame dennoch gewillt zu sein, mir das kleine Stück Leben in Form des Chihuahuas anzuvertrauen. Mein Plan ist es sowieso, ihn in sorgsame Hände zu geben, denn ich weiß, dass du schon immer ein Haustier haben wolltest. ~*~*~ Tausend Gefühle prasseln auf mich nieder, als ich mit dem Pappkarton im Arm der Außentreppe deins Wohnhauses nach oben steige. Natürlich bin ich darauf bedacht, besonders leise zu sein. Trotzdem stolpere ich im Dunkeln ab und an eine Stufe nach oben. Ist eben ziemlich finster. Bereits vor zwei Stunden ist das Licht in deiner Wohnung erloschen und du wohl schlafen gegangen. Und das, obwohl mittlerweile dein Geburtstag angebrochen ist. Darum bin ich ja überhaupt hier. Schließlich möchte ich dir dein Geschenk überbringen. Na ja, vor die Tür legen… Ich würde zu gern wissen, wie du reagierst, wenn du mein Geschenk morgen früh findest. Leider kann ich es dir nicht persönlich überreichen, aber ich weiß, dass Koron dir ein guter Gefährte sein wird. Gerade schläft er in dem kleinen Karton in seiner Kuscheldecke und sieht so friedlich aus. Ich bringe es kaum übers Herz, ihn wegzugeben. Aber ich bin mir ganz sicher, dass er dir gefallen wird und er dein Herz im Sturm erobert. Ein Spielzeug und Futter für den ersten Tag habe ich ihm auch mitgegeben. Und natürlich seine Leine. Schließlich will ich dich nicht gleich überfordern, wenn er in dein Leben stolpert. Vorsichtig stelle ich den Karton vor deiner Wohnungstür ab und streichle nochmal mit zwei Fingern über Korons Köpfchen. „Pass mir ja gut auf Taka auf!“, flüstere ich deinem neuen Haustier zu und dann ziehe ich mich auch schon wieder zurück. Die Zeit bis zum Morgen werde ich mich in der Nähe deiner Wohnung aufhalten und warten. Die letzte Bahn ist nun sowieso schon weg und ich möchte wenigstens morgen früh einen kurzen Eindruck davon gewinnen, wie mein Geschenk bei dir angekommen ist. Wehe du freust dich nicht! ~*~*~ Du verlässt dein zu Hause wie jeden Tag auch und es verunsichert mich ungemein. Es macht den Eindruck, als hast du dein Kissen noch im Gesicht. Aber eigentlich sollte ein breites Grinsen deine Lippen zieren. Schließlich ist Koron doch bei dir? Oder ist er nicht? Auch schlaftrunken hättest d den Karton vor deiner Tür doch gar nicht übersehen können! Der stand doch mitten im Weg! Mich beschleicht ein ungutes Gefühl und da du nun sowieso auf dem Weg zur Arbeit bist, husche ich in das Gebäude. Diesmal nehme ich sogar die Eingangstür und benutze den Fahrstuhl, um in dein Stockwerk zu fahren. Oben angekommen strecke ich sofort den Kopf in den Flur, sehe aber schon von weitem, dass Korons Karton umgekippt ist. Die Decke hängt halb draußen und auch das Futter ist teilweise aufgerupft und auf dem Boden verteilt. Nur von Koron keine Spur! Vielleicht ist er ja in deiner Wohnung? Aber dann hättest du nie so ein Gesicht gezogen. Geschweige denn hier so ein Chaos im Flur hinterlassen. Und hättest du ihn denn einfach so allein lassen können? „Koron?“, flüstere ich unsicher, obwohl ich nicht großartig die Hoffnung habe, dass er bereits auf seinen Namen hört. Schließlich ist er erst seit zwei Tagen überhaupt bei mir. Besorgt schleiche ich durch den Gang, dann aber sehe ich zu der offen stehenden Tür, die nach draußen auf den Balkon führt. Nicht, dass der Kleine runtergefallen ist oder sonstwas… Bitte nicht! Panisch reiße ich die Tür weit auf, sehe den kleinen Plüschi aber zusammengerollt in einer Ecke sitzen und kaum, dass er mich bemerkt hat, spitzt er seine Ohren und steht auf. Oh nein, er winselt leise. Wie konnte ich ihn nur allein lassen? „Och, Koron… du solltest doch im Karton bleiben. So kann Taka dich doch nicht finden!“, sagte ich seufzend, hebe den kleinen Hund aber hoch und nehme ihn in den Arm. Sofort gibt es Streicheleinheiten für den Kleinen. „Gut, dass dir nichts passiert ist.“ Die Aktion war vielleicht doch unüberlegt von mir. Ich sehe es ja ein. „Tut mir leid. Dann wirst du wohl noch ein bisschen bei mir bleiben müssen. Aber das kriegen wir zwei schon irgendwie hin!“, rede ich Koron zuversichtlich zu und gehe wieder zurück in den Flur, um wenigstens noch die Decke und die restlichen Sachen von ihm wieder an mich zu nehmen. Tja, wie krieg ich den Wauzi nun zu dir? Das ist so eine Frage, auf die ich noch keine Antwort habe… ~*~*~ „Hey, sorry, dass ich so spät noch anrufe, aber ich hab nun alle Infos zusammen, die du wolltest!“, höre ich die Stimme meines Informanten am anderen Ende der Leitung. Schlaftrunken reibe ich mir über die Augen. Eigentlich hatte ich schon gepennt, antworte daher nur mit einem halbherzigen „Hmm….“. Und auch Koron neben mir ist sehr unwillig, seinen Schlaf zu unterbrechen. „Ich schick dir alles dann gleich noch per Mail rüber. Hab die Adresse der Firma, die du wolltest. NG, in Ebisu ist sein Arbeitgeber. Termin mit dem Chef der Firma hab ich auch für dich ausgemacht. Ist allerdings recht früh am Morgen. Überlebst du. Also versuch dein Glück mal. Ansonsten hab ich bei meiner Recherche noch wen ausfindig gemacht: Kazuki Azuma, 20 Jahre. Springer in der Firma. Heißt, der hat Zugang zu allen Abteilungen. Soweit ich weiß, kommt es nur auf die Anzahl der Scheinchen drauf an und er ist sehr hilfsbereit. Vielleicht sollten wir das mal im Hinterkopf behalten.“ „Bestechung…“, murmle ich in das Telefon und gähne auch schon herzhaft. Viel zu viele Informationen auf einmal und mein Hirn setzt sich nur sehr langsam in Gang. „Hm. Könnte nützlich sein, falls wir umplanen müssen und der Typ dir nicht so das ok gibt.“ „Hn, verstehe. Jo… Passt. Die Adresse von Taka hat soweit gestimmt. War ich schon dort“, informiere ich meinen sehr nützlichen Kontakt. „Weißt doch, dass du dich auf meine Infos verlassen kannst. Ich bin eben der Beste!“, kommentierte der andere selbstsicher. „Ich weiß! Alles nur eine Frage der Zeit.“ Ich bin unzufrieden, denn irgendwie läuft alles nur sehr schleppend. Das liegt aber natürlich nicht an meinem Helfer. Zwar hatte ich deine Adresse sehr schnell, dir zu folgen stellte sich aber anfänglich als ein Ding der Unmöglichkeit heraus. Nicht selten bist du mir in der Bahn oder an der Station entwischt. So lernte ich aber immer besser, dich zu lesen. Mittlerweile habe ich sogar herausgefunden, wo du arbeitest, wo du einkaufst, wo du essen gehst und auch, wo du immer deinen Kaffee kaufst. Nur einen Weg mit dir in Kontakt zu treten, habe ich bisher noch nicht gefunden. Leider. „Apropos Zeit. Der Termin ist erst am 24. Sorry.“ „WAS? Och nee! So langsam weiß ich nicht mehr, wie ich hier meine Zeit totschlagen soll!“ Entnervt atme ich aus. Jetzt bin ich gefrustet. „Ich weiß. Das zieht sich alles etwas.“ „Etwas ist gut!“ Meine Geduld wird auf eine ganz schöne Probe gestellt. „Ach ja, denk dran, Kou ist auch auf den Weg. Sei also etwas vorsichtiger, wenn du in den nächsten Tagen unterwegs bist.“ „Joahr, ich weiß Bescheid. Aber dann kann ich mich ja echt mal um nen paar Business-Sachen kümmern. Die Arbeit erledigt sich schließlich nicht von alleine. Danke, dass du mir bescheid gegeben hast. Wir telefonieren wieder…“, würge ich meinen Gesprächspartner ab. Ich glaube, in den nächsten Stunden kann ich mir meinen wohl verdienten Schlaf abschminken. Innerlich bin ich viel zu aufgewühlt, um jetzt Ruhe finden zu können. Anscheinend zieht sich mein Aufenthalt doch länger, als ich es ursprünglich geplant hatte und eigentlich habe ich nur noch eine andere wichtige Sache auf meiner To-Do-List stehen, die mir allerdings Kopfzerbrechen bereitet. Andererseits, es ist mir egal wie lange es dauert. Ich habe Jahre lang auf eine Chance gewartet und selbst die nicht mal bekommen, hätte ich es nicht selbst in die Hand genommen. ~*~*~ Nachdenklich tippe ich mit meinen Fingern auf dem Tisch des kleinen Cafés herum. Das Ambiente hier sagt mir sehr zu und besonders der Fakt, dass ich genau am Fenster sitzen kann. Somit kann ich die Straße gut im Auge behalten. Ich stopfe mir das letzte Stückchen meines Sandwiches in den Mund und kaue mit dicken Bäckchen. Alles spüle ich mit dem Rest meines eh schon kalten Cappuccinos runter und checke weitere E-Mails auf meinem Smartphone. Da muss ich heute Abend wohl auch nochmal ran. Selbst wenn mir ein Großteil der Arbeit aktuell vom Hals gehalten wird, bewahrt mich das nicht davor, doch ein paar Entscheidungen treffen zu müssen. Es geht schließlich um meine Firma. Und nichts lenkt mich besser von der Misere, genannt „Leben“ ab, als Arbeit. Nicht selten bin ich in den letzten Tagen durch die Straßen spaziert auf der Suche nach neuer Inspiration. Ich sehe auf und erhasche gerade noch den Grund meines Wartens. Hektisch binde ich mir meine Maske um und schnappe mir meine Tasche. Dann verlasse ich umgehend den Laden und tauche im Getümmel der Menschen auf der Straße unter. Ich schlängele mich durch sie wie ein Ninja, das Ziel meiner Obduktion weiterhin nicht aus den Augen lassend. An der Ampel stehe ich schräg hinter dir, ohne dass du irgendwas mitbekommst. Wenn du nur wüsstest, wie leicht es ist, dir zu folgen, deine Gewohnheiten auszuspionieren. Du wirst auf direkten Weg zur Bahnstation gehen und dort das Gate ganz rechts benutzen. Eben weil du das immer tust. Du bist ein Gewohnheitstier, ganz klar. Und seitdem ich weiß, wo du arbeitest, machst du mir es nur noch einfacher, mehr über dich zu erfahren. Wenigstens kann ich so etwas von deiner Gesellschaft genießen. Es ist generell schön, dich wieder sehen zu können, selbst wenn ich nur ein stiller Beobachter sein darf. ~*~*~ Ich weiß nicht, wie oft ich dieser Straße jetzt schon entlang gegangen bin. Immer wieder sehe ich nach oben, sehe das Fenster, hinter dem sich mein ehemaliges Zimmer verbringt, und mir wird ganz schwer ums Herz. Wie oft hast du auf der Fensterbank gesessen und nach unten geblickt? Wie oft hatte ich das Selbe getan? Und nun ist es so, als bin ich hier nicht mehr erwünscht. Dieser Gedanke nagt immer wieder an mir, wenn ich gerade den Mut zusammengekratzt habe doch endlich den Weg zu dieser verdammten Tür zu gehen. Doch dann ist die Unsicherheit wieder da. Ich weiß schließlich, dass ich nicht hier sein dürfte und dennoch bin ich es, um meine egoistischen Belange endlich durchzusetzen. Anderenfalls könnte ich nicht weitermachen. Aber was werden sie wohl sagen? Werden sie mich verstehen können oder mich für mein Handeln verurteilen? Blut ist dicker als Wasser, sagt man immer, aber ich bin mir unsicher, ob das auf mich ebenso zutrifft oder ob es nur leere Worte sind. Es fühlt sich an, als bin ich mit Ketten an ein Kreuz gefesselt und ich versuche mich loszureißen. Doch immer dann ziehen sich die Ketten fester, je stärker ich versuche, wegzukommen. Es nimmt mir regelrecht die Luft zu atmen. Dass mir das so schwer fällt, hatte ich auch nicht erwartet. Wieder atme ich tief durch, um meine Fassung wiederzufinden, doch lediglich eine weitere Erinnerung sucht mich heim, schlägt über mir zusammen. Wie sich dieser normale Tag damals zu einem Martyrium entwickelte und ich in kaltes Wasser geschmissen wurde. Jegliche Entscheidung war bereits getroffen und ich nur eine Marionette, die mitzuspielen hatte. „Du musst weg…“, wiederhole ich wie von selbst die Worte, die mir mein Vater damals ganz ruhig zugesprochen hatte. Sein Blick war ernst und seine Hände legten sich wie Schraubstöcke auf meine Schultern. Ich wusste nicht was los war, aber ich wusste, dass es daran nichts mehr zu rütteln gab. Das war der Todesstoß und von da an ging alles ganz schnell. Ich sollte gar nicht hier sein und trotzdem verspüre ich den Wunsch, meine Eltern zu sehen. Schließlich weiß ich, dass es ihnen nur um mein Wohl ging, egal wie schwer die Entscheidung ihnen gefallen war. Natürlich habe ich rebelliert. Sie waren unfair, ich war damals auch unfair, hatte ihnen Worte an den Kopf geworfen, für die ich mich bisher noch nicht entschuldigt habe. Mit gewissem Abstand betrachtet verstehe ich ihr Handeln von damals. Doch mein pubertäres Ich ist nach wie vor sauer, dass ich die Fehler meiner Eltern ausbaden muss. Warum muss ich dafür zahlen und dich aufgeben? Ich will das alles nicht mehr. Heißt es nicht immer, man hat nur dieses eine Leben? Man soll Chancen nutzen? Tja… ich habe nun wohl schon mein zweites Leben und möchte gern mein erstes wiederhaben. Ob das verständlich ist für irgendjemand anderen als mich? Wahrscheinlich nicht… In den vergangenen Jahren habe ich mich definitiv verändert, bin reifer geworden, doch definitiv auch ein Sturkopf geblieben. Vielleicht noch schlimmer als vor fünf Jahren. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich überhaupt hier bin und es einfach nicht schaffe, mit der Vergangenheit abzuschließen. Unsicher tappe ich von einem Bein auf das andere. Ich besinne mich nochmals und drücke dann doch den Klingelknopf. Gleichzeitig ziehe ich den Mundschutz von meinem Gesicht und stopfe ihn in meine Jackentasche zu der Tüte mit den Hundeleckerli, die ich seit neuesten immer für Koron dabei habe. Der denkt sich bestimmt auch seinen Teil. Wie doof ist der eigentlich und latscht mit mir andauernd ein und derselben Straße auf und ab. Wo der Kleine Recht hat… Aber das ist nun unwichtig, denn die Tür vor mir öffnet sich. Ich will gerade meinen Mund aufmachen, da sehe ich, wie sich die Augen meiner Mutter röten und von Tränen geflutet werden. Ihr kann ich anscheinend nichts vormachen. „Akira…“, flüstert sie lautlos und greift nach meiner Hand, zieht mich in den kleinen Vorraum. Unbewusst gebe ich der Tür einen Stups, sodass sie ins Schloss fällt. Viel mehr aber beansprucht der Kloß in meinem Hals seine Aufmerksamkeit für sich. Meine Brust schnürt sich zusammen und dann umarmt sie mich, drückt mich fest an sich und da ist es auch bei mir zu spät und die Tränen kullern mir über die Wangen. „Mama…“, flüsterte ich leise und nehme auch sie in den Arm. Boahr, ich bin so eine Heulsuse, aber gerade kann ich echt nicht anders. Bei der Mama ist man eben immer noch der kleine Junge, der sich das Knie aufgeschlagen hat und dann ein Pflaster draufgeklebt bekommt, damit alles wieder gut wird. Das hört nie auf, auch nicht, wenn man schon groß ist und eigentlich nicht mehr bemuttert werden sollte. „Junge, was machst du hier?“, fragt sie mit tränenerstickter Stimme. Sie drückt mich von sich, um mich anzusehen und ich wischte mir hastig die Tränen von den Wangen. Es ist eben doch peinlich vor seiner Mama zu weinen. Vor allem als erwachsener Mann. Doch auf die Frage habe ich keine Antwort parat und das verrät mein Blick nur zu deutlich. Sie sieht mich liebevoll an, greift wieder nach meiner Hand. „Nun komm erstmal rein, Aki-chan. Du bist ganz dünn geworden. Isst du denn auch richtig?“, bekomme ich die üblichen Floskeln zu hören, die Mütter immer sagen, wenn das Kind länger außer Haus war. Das wiederum bringt mich zum lächeln. Es fühlt sich nicht so an, als wäre ich nicht willkommen und das beruhigt mich ungemein. Mami ist eben doch die Beste, auch wenn ich gegebenenfalls als Muttersöhnchen dastehe. „Ich ess vernünftig. Alle paar Tage Burger.“ „Hübsch bist du geworden. Du siehst deinem Vater immer ähnlicher!“, sagt sie richtig stolz und nimmt mir meine Jacke ab, damit sie diese an die Garderobe hängen kann. Ich schlüpfe derweil aus meinen Schuhen. Etwas Unbehagen schlummert in meiner Brust und ich fühle mich in meinem ehemaligen zu Hause verloren. Doch wahrscheinlich ist das immer so, wenn man an einen Ort zurückkehrt, an dem man so viel Zeit verbracht, aber zu dem man gar keine Verbindung mehr hat. „Ist Vater denn auch da?“, erkundige ich mich, aber sie schüttelt den Kopf, wendet ihren Blick gar nicht mehr von mir ab. „Er trifft sich mit einem Geschäftspartner. Aber in einer Stunde sollte er kommen. Möchtest du einen Kakao haben?“, umsorgt sie mich und ich muss doch schmunzeln, da man Gästen doch eigentlich Tee anbietet. Aber sie weiß eben doch, dass ich Kakao schon immer mochte. „Gern“, erwidere ich. „Und für Koron einen Schluck Wasser“, mache ich sie auf meinen Side-Kick aufmerksam und da fällt ihr Blick auf meinen Begleiter. „Oh… Du hast einen Hund? Wie kommt das denn?“, fragt sie erstaunt und sieht nach unten auf meinen neugieren Begleiter, der bereits alles inspiziert. Als wüsste Koron, dass es um ihn geht, sieht er mit seinen Kulleraugen nach oben. Das ist der Moment, an dem ich ihn auf den Arm nehme. „Verstrickung von unglücklichen Gegebenheiten. Aber… ich komm klar.“ Na ja… so mehr oder weniger. Wie man eben mit einem Hund klar kommt. Essen rein, Gassi gehen, Trinken rein, spielen und kuscheln. Jedenfalls kommt mir das aktuell so vor. Es ist unglaublich, wie schnell man sich an so einen kleinen Begleiter doch gewöhnt. Lieb gewonnen habe ich ihn auf jeden Fall, vor allem, da er eine Beschäftigung darstellt, während ich endlos lange Stunden darauf warten muss, bis ich dich wiedersehen kann. So bin ich zumindest nicht ganz allein und gebe eine allzu erbärmliche Erscheinung ab. „Sieht dir gar nicht ähnlich.“ Wo sie Recht hat. Trotzdem betreten wir nun die Küche und sie beginnt sofort damit, uns zu versorgen. Ich sehe mich unsicher um, lasse Koron auch wieder runter, da die neuen Eindrücke hier viel zu interessant für ihn sind, als dass er bei mir auf dem Arm bleiben möchte. Genau wie er lasse ich meinen Blick durch den Raum wandern. Viel hat sich hier nicht verändert. Das beruhigt mich irgendwie. Aber andererseits eben auch nicht. Trotzdem gehe ich nach ein paar Sekunden zu dem Platz, auf dem ich damals immer saß. Koron hat unterdessen das Schälchen mit dem Wasser entdeckt, welches meine Mutter ihm auf den Boden gestellt hat, und beginnt munter dieses zu trinken. Dann bin auch ich dran. „Hier, bitte!“ Mama sieht unglaublich zufrieden aus, als sie mir den Kakao vor die Nase stellt. „Danke…“, murmel ich und trinke sofort einen Schluck. Sie sieht mich weiterhin ununterbrochen an, mustert mich. Dann greift sie wieder nach meiner Hand und drückt sie. „Nun erzähl schon. Wie ist es dir ergangen? Haben sie sich gut um dich gekümmert?“, will sie wissen. In diesem Moment fällt mir auf, wie alt sie geworden ist. Sie hat Augenringe und die Fältchen um ihre Augen sind tiefer geworden. Auch durchziehen ihre Haare hier und da vereinzelte Graue. Sicherlich hat sie nie aufgehört, sich Sorgen zu machen. Ob ich wohl der Grund war? „Alle sind lieb zu mir. Das ist schon in Ordnung. Sie haben sich damals ja auch immer um mich gekümmert.“ Das stand außer Frage und das wussten meine Eltern ebenfalls. „Noah ist schon cool. Der hat voll durchgestartet nach der Uni und eifert seinem neuen Daddy nach. Ich hatte Glück und konnte direkt in die Firma mit einsteigen. Er hat mich regelrecht an die Hand genommen und mich in den Arsch getreten, dass ich auch ordentlich Geld verdiene. Nun ja, hat geklappt. Aber das hab ich wohl echt ihm zu verdanken. Wir sind vor 2 Jahren dann nach San Francisco in eine Villa nah am Strand gezogen. Also Noah und ich. Und seine Freundin und na ja…“ Ich kratze mich unsicher am Hinterkopf. Diese Familienverhältnisse waren doch sehr verquer. Meine Mutter kann mir aber immer noch folgen. „War halt auf Dauer zu eng. Die Zwillinge sind geboren und Liam hat ja noch 2 Söhne. Also… auf Dauer war das dann einfach zu stressig und zu laut. Nie hatte man seine Ruhe, andauernd stand irgendwas anderes an. Da war konzentriert arbeiten ein Ding der Unmöglichkeit. Noah und ich haben uns dann doch eher ums Geschäft gekümmert und da war San Francisco einfach der bessere Standort. Bessere Verbindung und ja…“ Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. Ist nicht so, dass ich den Trubel irgendwie vermissen würde. Ich schätze meine Ruhe sehr, wobei mir die dank meiner Mitbewohner und Besuchern oft nicht gegönnt wird. „Das freut mich, dass du deinen Platz dort gefunden hast. Ich hab oft an dich gedacht, weißt du?“ „Mama… Sag das nicht so!“, schmolle ich und lächle sie an. Der traurige Tonfall in ihrer Stimme war mir nicht entgangen. „Ich komm klar, wirklich. Nur… es gibt hier eben noch Dinge, die ich zurücklassen musste und da läuft es nicht so, wie es soll. Ich muss da dringend was klären. Und bevor du schimpfst: Ja, ich habe mir das gründlich überlegt und ja, ich bin mir tausendprozentig sicher, okay? Das… also… die Sache von damals… nun… das hat sich erledigt!“, versuche ich sie zu beruhigen, doch sie nickt mir nur zu. Das macht mich stutzig und auch, dass sie mich auf einmal nicht mehr ansieht. „Ihr wisst davon?“, will ich sofort wissen. „Ja. Dein Vater hat es mir erzählt…“ „Und ihr habt mich nicht informiert oder gar dran gedacht mich zurückzuholen?“, werde ich unbeabsichtigt etwas lauter, mäßige mich aber sofort wieder in meinem Ton. „Wir hielten es für besser, dich nicht zu informieren. Wir wollten dich nicht wieder aus deinem Leben reißen. Das konnten wir dir doch nicht ein zweites Mal antun.“ Ich atme tief durch. Wie verkorkst kann mein Leben denn noch sein? Mein schlechtes Gewissen wieder hier zu sein verpufft unmittelbar. Nun bin ich mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war. „Auch egal“, tue ich es trotzig ab. Ich will darüber nicht diskutieren. „Ich bin trotzdem weiterhin vorsichtig und versuche keine Aufmerksamkeit zu erregen“, versichere ich ihr. „Das ist sicherlich das Beste. Es weiß niemand, ob es nicht vielleicht noch jemanden gibt, der im Untergrund agiert. Riskier bitte nichts, Akira!“ Ihr Blick ist voller Sorge und irgendwie kann ich es nachvollziehen. Nur andererseits bin ich pissed. Ich hätte schon viel früher wieder herkommen können und dann wären viele Dinge vielleicht gar nicht erst passiert. Aber nun gut. Mit einem kräftigen Zug trinke ich wieder von meinem Kakao. „Karten auf den Tisch! Darf ich dann wenigstens für die Zeit, in der ich hier bin wieder hier wohnen? Die im Hotel gucken Koron immer so missmutig an, als würde er dort alles kaputt machen!“, wage ich mich vor und erkundige mich, ob ich hier denn unterkommen kann. Klar, mein Zimmer gibt es nicht mehr, aber trotzdem. „Gut heiße ich das nicht unbedingt. Lass mich vorher bitte mit deinem Vater reden. Aber ich würde mich freuen.“ Sie hält sich wie immer neutral. Wenigstens heute hätte sie sich über das Wort meines Vaters stellen können. Immerhin bin ich ihr Sohn! Aber manche Dinge ändern sich wohl nie. „Es wäre wirklich cool. Also… dann könntest du mal wieder für mich kochen! Ich hab das japanische Essen wirklich vermisst.“ Ich will nicht böse auf sie sein und ich kann meine Mutter mittlerweile doch gut einschätzen. Mit diesem Hinweis jedenfalls habe ich sie. Ihre Züge hellen sich gleich wieder auf. „Aber natürlich, Schätzchen. Was möchtest du denn haben?“, fragt sie nach und steht sofort auf, um sich an die Arbeit zu machen. „Die selbstgemachten Reisbällchen waren immer sehr lecker. Mit Thunfisch-Mayo-Füllung!“, ist das erste, was mir einfällt und sie nickt mir zu. „Bekommst du!“, willigt sie ein. Hektisch schaut sie in den Schränken nach, ob alles Notwendige im Haus ist. Anschließend macht sie sich ans Werk. „Darf ich mich derweil etwas im Haus umsehen?“, frage ich unsicher nach. Ich weiß nicht, in wie weit es ihr denn recht ist. Aber ich möchte sehen, was sich alles verändert hat, während ich nicht hier war. „Nur zu“, fordert sie mich auf und ich lächle ihr zu. Dann setze ich mich in Bewegung und gehe nach oben in mein altes Zimmer. Als ich die Tür öffne, sehe ich, dass mein Bett noch dort steht, wo es immer stand. Nur eine furchtbar hässliche Bettwäsche mit Blümchenmuster ist aufgezogen. So typisch meine Mutter. Auch mein Schreibtisch steht noch hier und mein Schrank. An der Einrichtung an sich hat sich nicht viel verändert. Als ich die Schranktür jedoch auf mache, sehe ich einen mir vollkommen fremden Inhalt. Aber gut. Teilweise waren mir Sachen nach Amerika nachgeschickt worden, alles andere haben sie wohl wirklich weggeschmissen. Ich frage mich, ob ihnen das schwer gefallen war, denn hier erinnert kaum mehr etwas an mich. Auf dem Schreibtisch stehen noch alte Fotos von mir. Die Fußballmannschaft in der ich in der Mittelschule war, eine Porträtaufnahme von mir und dann noch ein Babyfoto. Neugierig öffne ich ebenso die Schubladen meines alten Schreibtisches, aber sie sind leer. Alles weg. Angestrengt versuche ich mich zu erinnern, was ich darin aufbewahrt hatte, doch außer Schulkram fällt mir nichts ein. Aber ich weiß, dass ich da noch so viel mehr reingestopft hatte. Wie sehr man doch an materiellen Dingen hängen kann. Für den Moment. Und dann sind die Sachen weg und man merkt, dass sie gar nicht wichtig waren. Eigentlich war in meinem Leben nichts wichtig, außer du. Auf alles andere könnte ich verzichten. Unnötiger Luxus, der einen für den Moment glücklich macht. Alles sinnlos ohne dich. Ich gehe zum Fenster und setze mich auf die Fensterbank. Die Aussicht nach draußen ist auch noch die Selbe. Wobei, im Garten fehlt ein Baum. Dort ist nun Wiese. Aber das fällt gar nicht auf, dass dort mal etwas anderes gestanden hatte. Der unliebsame Lauf der Zeit. Vielleicht bin ich ähnlich wie dieser Baum. Nach einer Zeit fällt es gar nicht mehr auf, dass ich mal hier war. Dann hätten sie ja erreicht, was sie wollten. Ein leises Seufzen kommt mir über die Lippen und ich lehne meine Stirn an die kühle Fensterscheibe. Ich kann nichts dafür, aber wieder sammeln sich Tränen in meinen Augen. Ich hatte es niemals für möglich gehalten nochmals hier zu sein. So viele Erinnerungen, die hier entstanden sind und die so wertvoll für mich sind. Wir saßen auf meinem Bett, als wir uns zum ersten Mal geküsst haben. Wie oft lagen wir nebeneinander, genau dort und haben einfach nur geredet, Pläne geschmiedet, Eis gegessen, Manga gelesen, Blödsinn verbockt. Hektisch wische ich mir über die Augen. Dass der Tag mich so emotional mitnimmt, habe ich auch nicht für möglich gehalten. Es ist nicht so, dass ich dich nur wiederhaben möchte, weil ich dich liebe, ich möchte auch meinen besten Freund zurück. Selbst wenn ich Kumpels in Amerika habe, dich kann niemand ersetzen. Du warst einfach so lange bei mir, kennst mich in- und auswendig. Mit niemand anderen könnte ich so viel teilen wie mit dir. Ich brauche dich einfach, um glücklich zu sein. Ich leide wie ein Hund, wenn ich dich nicht um mich herum habe und dir kein Lächeln entlocken kann. Niemand kann von mir verlangen dich aufzugeben. Vielleicht war mein Körper am anderen Ende der Welt, aber meine Seele war stets an deiner Seite. Ich fühle mich nicht mehr vollständig. Es ist ernüchtern, wie wenn bei einer Praline die Füllung fehlt. Und die ist eben das Beste! „Taka…“, seufze ich leise und meine Brust bebt. Ich entscheide mich, wieder nach unten zu gehen. Es tut mir nicht gut, alleine zu sein. Doch kaum dass ich die untersten Stufen der Treppe erreicht habe, laufe ich meinem Vater direkt in die Arme. Er stutzt, mustert mich von oben bis unten. „Sohn?“ Ich kann seine Stimme so gar nicht einordnen. Er war schon immer eher der autoritäre Typ, der nie Emotionen zugelassen hat. Sein Wort war eben Gesetz. Doch dann merke ich, wie sein Blick nachsichtig wird. „Ich hoffe, du hast einen guten Grund hier zu sein.“ „Den hab ich!“, sage ich sofort und es kommt mir zum ersten Mal vor, als würden wir von Mann zu Mann reden. „Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss, Akira.“ Auch seine Hand findet seinen Weg auf meine Schulter und er klopft darauf. Er scheint stolz zu sein und ich bin es in diesem Moment auch. Doch dann geht er ohne noch weiter mit mir zu reden in die Küche. Ich rieche, dass der Reis bereits kocht und es fühlt sich wirklich an, als bin ich wieder zu Hause. Kapitel 28: ------------ Undone Kapitel 28 Verdammt! Es ist viel zu früh am Morgen. Einfach nicht meine Zeit. Ich gähne herzhaft, während ich mich nochmals suchend umsehe. Irgendwo hier muss doch dieses doofe Gebäude sein. Gut, dass ich etwas früher los bin, aber ich weiß dennoch nicht, wo ich hin muss. Du arbeitest hier in dem Gebäude, aber da steht ne andere Nummer dran, als bei der Adresse, die ich bekommen habe. Häh? Wo zum Gummibärchen muss ich hin? Und da zieht es an der Leine und auf einmal spüre ich keinen Widerstand mehr. Skeptisch sehe ich nach unten. Koron ist weg! Ausgebüchst! Ey, wie kann das denn sein? Das hat mir gerade noch gefehlt! „Nicht, Koron! Komm her!“, rufe ich meinen Begleiter, doch der hat nichts Besseres zu tun als sich zwischen gepflanzten Sträuchern durch in einen kleinen Vorgarten zu flüchten. Natürlich war ich nicht schnell genug, um ihn noch zu fassen. Das kann doch alles nicht wahr sein. Für Versteckspiele habe ich keine Zeit! Und wie komme ich da jetzt rein? Scheiße! „Koron, bei Fuß?!“, versuche ich mein Glück, aber natürlich hat noch niemand dem Kleinen beigebracht, auf irgendwelche Befehle zu hören. Ich laufe an der Hecke auf und ab und versuchte zu sehen, wo sich mein Haustier befindet, aber keine Chance. Von hier aus kann ich ihn nicht sehen, auch wenn ich mich hinhocke nicht. Auf einmal werde ich angesprochen und meine Augen weiten sich geschockt. Du bist es, der mir seine Hilfe anbietet und ich bin einfach nur vollkommen überrumpelt. Mein Fluchtinstinkt steigt, auch wenn ich es zuckersüß finde, dass du mir so frei heraus deine Unterstützung zusicherst. Ich erkläre dir die Situation kurz und du nimmst dich meiner an. Wenig später habe ich den kleinen Ausreißer wieder. Dein Lächeln ist so niedlich. Ob dir das überhaupt bewusst ist? Trotzdem hoffe ich, dass du nicht mitbekommst, wer hier überhaupt vor dir steht. Unser Aufeinandertreffen hatte ich mir nämlich anders ausgemalt. Doch wie war das: Man malt sich 5000 Szenarien aus und dann trifft 5001 zu. Ich bin im Kopf noch ganz benebelt, als ich schließlich meinen Termin bei deinem großen Boss wahrnehme. Nicht gerade die besten Voraussetzungen solch einen Termin schick über die Bühne zu bekommen, aber nun weiß ich erst Recht, warum ich dich wieder bei mir haben will. Das Gespräch an sich verläuft allerdings nicht zu meiner Zufriedenheit. Floskeln über Floskeln. Durch die Blume wird mir mitgeteilt, dass er keine Vorteile davon hat, einen Mitarbeiter gehen zu lassen und dass ich für die Ausfälle nicht aufkommen könnte. Ob der denkt, dass ich wen abwerben will? Jedenfalls ist der Typ total oberflächlich, redet andauernd von irgendwelchen Bilanzen und Verdiensten und Ausfällen und irgendwann resigniere ich einfach. Ich bedanke mich für das Gespräch und verschwinde einfach. So ein Arsch, ey. Typisch Geschäftsmann! Nur auf Profit aus und das einzige, was ich mitbekommen habe ist: Er lässt niemanden aus seiner Firma gehen, denn seine Mitarbeiter sind die Goldesel, die ihn immer reicher machen. Heißt also, wenn ich dich haben will, dann brauch ich dich aus freien Stücken. Es missfällt mir, dass ich das alles nicht verkürzen kam. Heißt also, dass ich mir einen guten Plan ausdenken muss, wie ich dich ködern kann, bei mir einzusteigen. Es hätte ja auch mal alles zu meiner Zufriedenheit laufen können. Mal einfach, ohne Umwege. Tja, nur nicht in meinem Leben. Aber ein Mann wächst ja bekanntlich an seinen Herausforderungen. Bla, bla, bla. Das deprimiert mich wiederum total. ~*~*~ Mit den eher unschönen News im Gepäck melde ich mich bei meinem Informanten. Vielleicht hat der einen guten Plan B, wie ich dich doch noch auf den schnellsten Weg zu meinem Designer machen kann. Sonst fällt ihm doch auch immer etwas Brauchbares ein. „Puh! Also reicht nicht mit nen paar Scheinchen beim Big Boss zu winken?“, fasst er das Ergebnis meiner Bemühungen nochmal zusammen. „Nein!“, näsele ich. „Anscheinend nicht. Keine Ahnung was für eine Stellung er in seiner Abteilung inne hat, aber der Typ meinte, dass er ihn nicht so einfach ersetzen kann und er sieht keinen Grund, warum er mir einen seiner besten Leute überlassen sollte. Er muss schließlich ein gut laufendes Geschäft leiten. Uhw…“, ziehe ich meine unschönen Erlebnisse der letzten halben Stunde in den Dreck. Manchmal muss man eben einfach mal richtig gediegen lästern, um sich wieder besser zu fühlen. „Heißt, wir manipulieren NG?“, kommt sofort ein Vorschlag von meinem Kumpel. „Wenn du nen Plan hast wie, dann joahr… Meinen Segen hast du. Machen wir das! Geschieht diesen Sesselpupser nur recht! Hättest mal sehen sollen, wie der hinter seinem prolligen Schreibtisch saß und mich angeguckt hat. War wohl schon nen Fehler, dass ich in Lederjacke und nicht gestriegelt und gebügelt da hin gegangen bin!“ „Du im Anzug? No way!“, lacht mein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. „Du weißt, wie ich das meine. Kleider machen Leute. Mehr Schein als Sein. But back to basic: Ich hab spontan keine Idee, wie ich an Taka rankommen soll…“, teile ich meine Unzufriedenheit mit. „Ich mach mir nen paar Gedanken und halt dich dann auf dem Laufenden. Aber ich bin mir sicher, mir fällt das was Schönes ein. Ah, apropos schön: Kou kommt wieder! Glaub, der hat nen schlechtes Gewissen!“ „Wie bitte?!“ Ich blinzle. Ist heute Tag der schlechten Nachrichten oder was? „Kou ist wieder auf den Weg nach Japan. Will Taka besuchen und redete irgendwas von, es wäre besser, wenn er ein paar Tage bei ihm wäre. Hat mir jedenfalls seinen Terminplan auf’n Tisch geknallt und gemeint, ich soll schieben, was zu schieben geht und den Rest dann eben absagen. Und dann ist er arschwackelnd abgedampft!“ „Was nen Scheiß! Der soll gefälligst bleiben, wo er ist! Den kann ich aktuell nicht hier gebrauchen…“ Entnervt atme ich aus. Heißt für mich also, dass ich in den nächsten Tagen gewisse Gegenden akribisch meiden sollte. Zumindest für die Zeit, in der Kou hier ist. Manchmal entpuppt sich so eine riesige Stadt wie Tokio als eine Parkbank. Aber auf Begegnungen mit dieser gewissen Person kann ich gerade echt pfeifen. „Schick mir einfach alle Infos, die du hast. Damit ich weiß, was er plant“, beauftrage ich meinen Kumpel mit einer weiteren Aufgabe. Ich habe einfach keinen Nerv für das alles. „Du, da hab ich keine Infos. Ich nehm aber an, dass er in nem Hotel in der Nähe sein wird oder sich direkt bei Taka einnistet. Da sitzt du gerade eher an der Quelle. Ach ja, ich hab ihm gesagt, dass ich keine Ahnung habe, wo du bist. Ich glaube, er ist misstrauisch.“ „Hm…“, murre ich. „Dass aber auch nichts mal so laufen kann, wie ich es gern hätte. Danke für die Warnung. Kümmer dich erstmal um Kouyous Termine und wenn dir was wegen NG einfällt, lass es mich wissen.“ Ich hab jetzt keinen Bock mehr zu telefonieren oder mir Gedanken zu machen, wie ich mein Ziel schnell erreiche. Es nervt einfach nur tierisch, wenn einem immer wieder neue Steine in den Weg gelegt werden. ~*~*~ Muss dieser unterbelichtete Typ mich gerade jetzt anrufen? Reicht ja nicht, dass ich mich nicht mehr so hier bewegen kann, wie ich es bisher gewöhnt war. Nö, kaum habe ich mal die Chance, dich wieder zu beschatten, kommt der mir in die Quere und dann muss ich mich ihm gegenüber noch so normal wie möglich verhalten, damit er ja nichts mitbekommt. Natürlich habe ich dich direkt aus den Augen verloren. Das kann doch nicht wahr sein. Instinktiv laufe ich in die Richtung, die du sonst auch immer einschlägst, in der Hoffnung, dich wiederzufinden. Doch ich suche vergebens. Wieder einmal wünsche ich mir, dir einen Peilsender unterzuschieben. Ich weiß, wie krankhaft dieser Gedanke ist und dass ich damit eine Grenze überschreiten würde, aber es wäre bei weitem komfortabler. Ich würde immer wissen, wo du bist und könnte dieses Wissen ausnutzen. Alles wäre so viel einfacher, so weniger zeitintensiv. Nur dir wäre das bestimmt nicht recht und sicherlich würdest du mir sowas von derbe den Arsch aufreißen, wenn du es erfährst. Also lasse ich es lieber sein. Es ist schließlich so auch schon kompliziert genug zwischen uns - auch ohne weitere Fehltritte meinerseits. Es wäre fatal, wenn ich es noch schlimmer machen würde. Dessen bin ich mir deutlich bewusst. Generell weiß ich nicht, wie du reagierst, wenn du die ganze Wahrheit erfährst. ~*~*~ Scheiße, ey, diese Suche nach dir ist wie bekannte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es nervt mich immer noch total, dass Kou überhaupt wieder hier ist und sich bei dir eingenistet hat. Deswegen muss ich mich größtenteils von dir fernhalten. Mir aber auch noch dazwischen funken, wenn ich dir heimlich nachlaufen will, geht echt nicht. Der hätte dich all die Jahre doch haben können! Aber nö, er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und nun nervt er hier rum und beansprucht dich für sich. Das kotzt mich an! Der ist so ein Störenfried. Sonst hat er auch nie Zeit und kümmert sich nur um seine Celebritys oder sein Aussehen. Aber kaum versuche ich Kontakt mit dir aufzunehmen, steht der auf der Matte. Es hat Ewigkeiten gedauert, ehe ich dich wiedergefunden habe. Dort sitzt du, auf der Bank, mit deinen Einkäufen und du siehst glücklich aus. Zumindest macht es für mich den Anschein, denn ein zufriedenes Lächeln umspielt deine wunderschönen Lippen. Wie sehr ich mich doch nach ihnen sehne. Eigentlich nach dir generell. So gern möchte ich dich in den Arm nehmen, Zeit mit dir verbringen und alles nachholen. Es nervt mich an, dass dein Boss dich mir nicht einfach so überlässt, aber das dachte ich mir bereits. Trotzdem werde ich nicht aufgeben, bis du mit mir kommst. „Guck mal, Koron… Bällchen… das magst du doch so, ne?... Dann lauf, mein kleiner Freund!“, sage ich zu meinem temporären Haustier im Flüsterton und werfe den Ball in deine Richtung. Kurzzeitig tut es mir leid, dass ich dich am Bein getroffen habe, aber Koron ist schon losgestürmt. Natürlich muss ich diese Gunst der Stunde ausnutzen und dich in ein erneutes Gespräch verwickeln. ~*~*~ Das ist er also, ja? Dein neuer Lover? Der passt gar nicht zu dir! Viel zu groß. Außerdem guckt der total pissig und nen Arsch hat der auch nicht in der Hose. Eigentlich will ich gar nicht wissen, wie du zu dem gekommen bist. Aber ich kann es nicht leiden, wie er seine Hand auf deiner Hüfte hat und wie er dich ansieht. Als will er dich direkt im Fahrstuhl begatten. Ich hasse es, wie er sich zu deinem Ohr beugt und dir einen Kuss auf die Schläfe gibt. Ich hasse diesen Kerl, ohne ihn zu kennen, aber ich will nicht, dass jemand anderes dich anfasst. Vor allem will ich nicht, dass jemand anderes in den Genuss deiner Zuneigung kommt. Vor allem nicht so ein dahergelaufener Straßenköter. Seine Haare sehen voll abgefressen aus und sicherlich bringt der es im Bett gar nicht. Wobei ich es mir gar nicht vorstellen will, dass du mit ihm ins Bett gehst. So viel zu, du stehst auf Männer. Hat mir Kou ja brühwarm erzählt, obwohl ich das schon lange wusste. Nur der Kerl ist doch kein Mann, das ist eine Vogelscheuche. Leider eine Vogelscheuche, die nun mit dir in deiner Wohnung seinen Spaß haben darf. Verrecken soll er! Mir ist übel! Es fühlt sich an, als läge ein Felsbrocken in meinem Magen. Die Eifersucht frisst mich auf. Wieso ausgerechnet dieser Typ? Warum überhaupt jemand anderes als ich? Kannst du mir das mal verraten? Vehement zermartere ich mir den Kopf, wie ich das unterbinden kann. Gibt es nicht etwas, was ich tun kann, um euch zu stören? Irgendwas? Klingeln? Postbote spielen? Aber nein, das würde euch sicherlich nicht von eurem Vorhaben abbringen. Es macht mich wahnsinnig zu wissen, dass ihr euch nun küsst, anfasst, intimer werdet, während ich hier wie ein Stalker vor deiner Wohnung wie auf heißen Kohlen sitze und mir nichts einfällt, was ich tun kann. Ich will dir nichts Böses, aber eins ist mir klar: Der Typ muss weg! Egal wie! Er hat dich nicht verdient. Außer mir sollte dich keiner anfassen dürfen. Fakt! Oh, fuck! Da ist Kou!, schießt es mir durch den Kopf, als meine Augen unseren langjährigen Freund erblicken. Sofort verschwinde ich noch weiter in den Schatten des Baumes, hinter dem ich mich verstecke, um ja nicht gesehen zu werden. Aber unser toller Freund ist mal wieder zu sehr mit seinem Smartphone beschäftigt, um seine Umgebung wahrzunehmen. Wohl ein Glücksfall für mich in diesem Moment. Und das in jeglicher Hinsicht. Schließlich wird er nun zu euch nach oben kommen. Sicherlich stört er. Och, das tut mir aber leid! Nein, ich bin ganz und gar nicht gehässig. ~*~*~ Ich sehe nach unten auf die Tanzfläche. Eine sich stetig bewegende Masse, doch du stichst mal wieder heraus mit deinen blonden Haaren. Nicht, dass die Haarfarbe eine Rolle spielen würde, dich erkenne ich unter Tausenden. Aber du warst dir deiner Wirkung auf mich noch nie bewusst. Gern wäre ich jetzt dort unten bei dir zwischen all den Engeln und Teufeln, von denen du wohl der gefährlichste, aber auch der anbetungswürdigste bist. Ich verfluche alle, die so nah bei dir sein dürfen. Alles was ich tun kann ist, dich aus der Ferne zu beobachten und mich in der Anonymität der Masse zu verstecken. Wieder werde ich von einem Mädchen angesprochen, gebe ihr einen Drink aus, um nicht weiter aufzufallen. Auch mit ihr unterhalte ich mich kurz, kann mich aber nicht zusammenreißen und mein Blick sucht dich erneut. Wie sehr ich Kouyou in diesem Moment doch verabscheue. Er darf bei dir sein, er darf Zeit mit dir verbringen und er genießt deine volle Aufmerksamkeit. Sogar ein aufrichtiges Lächeln schenkst du ihm. Ich hingegen bin einfach nur enttäuscht, weil er dir nur etwas vorspielt. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie er dir noch unter die Augen treten kann. So ein Heuchler! Er war nicht da, als du jemanden gebraucht hast und doch nimmst du ihn einfach so an, machst ihm keine Vorwürfe und genießt eure unbeschwerte Zeit. Er hat es nicht verdient, dass du ihn so behandelst und in dein Herz schließt, obwohl du ihm nicht einmal halb so wichtig bist. Er hat dich zurückgelassen und heuchelt dir jetzt eine Freundschaft vor. Den Kouyou von damals gibt es schon lange nicht mehr und ich bin mir sicher, dass du ihn nur der alten Zeiten willen erträgst. Zumindest hoffe ich das für mich. Wenn du mich fragst, hat er sich bereits in der Schule von uns distanziert, als plötzlich Weiber und nur noch seine Karriere wichtig waren. Nie hatte er Zeit für uns, aber wir mussten welche für ihn haben. Er ist egoistisch und sieht nur seinen Vorteil. Das ist mit mittlerweile klar geworden. Ihn brauchst du definitiv nicht an deiner Seite. Da ist sowieso einzig und allein nur Platz für mich. ~*~*~ Das war es also, unser erstes „offizielles“ Date. Ja, Mann! Ich hab dich gelangweilt. Das hab ich doch gesehen. Wie sich deine Mundwinkel immer wieder gekräuselt haben. Deinen Missmut konntest du immer schon nur schwer verstecken. Aber was soll ich machen? Ich muss mein Geflecht aus Lügen aufrecht erhalten – dir zu Liebe. Schließlich kann ich schlecht aus dem Nähkästchen plaudern, sagen, wie mein Leben in Amerika vor sich geht, wie ich mit Kou im Meer schwimmen geh oder zusammen mit meiner Familie im Garten grille. Mein Leben ohne dich ist weitergegangen und ich muss mit Bedacht auswählen, welche Informationen ich dir zugänglich machen kann und welche nicht. Ich hoffe einfach, dass ich es bei dir nicht total verbockt habe. Das wäre wohl „the worst case“. Mir ist doch selbst aufgefallen, dass sich unser Treffen in eine völlig falsche Richtung entwickelt, aber immerhin hast du mir zugesichert, dass du mir helfen willst. Eine doofe Grundlage, um dich wiederzusehen, aber immerhin überhaupt eine Chance an dich heran zu kommen. Hätte schlimmer werden können. Immerhin bist du nicht schreiend davon gelaufen. Gut, das ist kein wirklicher Trost, aber ich muss meine nächsten Schritte sorgfältiger planen, damit ich dich nicht vergraule. Damals war das alles so viel einfacher. Zum Glück hat sich Kou wieder verpisst. Der steht mir nun wenigstens nicht mehr im Weg. ~*~*~ „Huh?“ Ich blinzle, da ich glaube, mich verguckt zu haben. Aber nein, da bist du ja wirklich und gehst in Richtung der Bahnstation. Sofort checke ich meine Uhr. Gut, deine Termine kenne ich nicht, aber dennoch interessiert es mich, wohin du gehst, zu so später Stunde. Eigentlich war ich nur zufällig mit Koron hier unterwegs, eben einfach, weil ich oft vor deiner Wohnung herumschleiche, zu deinem Fenster nach oben gucke und mir wünsche einfach neben dir auf der Couch hocken und quatschen zu können. Nun aber befinde ich mich auf einer erneuten geheimen Mission. Beinah hättest du mich erwischt, wie ich dir folge, denn du schmeißt eine Dose runter, nachdem du dir einen Kaffee aus dem Automaten gezogen hast. Ohne das in Ordnung zu bringen gehst du weiter. Anscheinend hast du es wirklich eilig. Aber ich bin so nett und hebe die Dose im Vorbeigehen auf, stecke sie in den Mülleimer und folge dir mit sicherem Abstand. An der Bahnstation angekommen nehme ich Koron auf den Arm und ziehe meine Suica aus der Tasche meiner Lederjacke. Ich knalle sie auf den Laser und schiebe mich durch die Schranke, habe heute wirklich Mühe, dich nicht zu verlieren. Aber gut, es ist Rush Hour. Viele Menschen sind hier unterwegs und strömen mir entgegen. Trotzdem schlängle ich mich durch die Leute, die in die gleiche Richtung gehen, wie du auch. Manchmal ist es mühsam so eine kleine Person im Auge zu behalten. Aber dann ist abzusehen, welche Bahn du nehmen willst. Absichtlich steige ich bei einer anderen Tür in den Wagon, grummel aber, da einfach zu viele Menschen hier sind, sodass ich dich von meiner Position aus gar nicht mehr sehen kann. Das nervt doch. Immer wieder verfolge ich den Strom der aussteigenden und einsteigenden Menschen, versuche auszumachen, ob du die Bahn verlässt. Aber das ist einfach nur kompliziert. Erst drei Stationen später kann ich durchatmen, denn du bist noch immer in der Bahn, nur hast dich nahe an der Tür in die Ecke gequetscht. Ich kann das verstehen. Bei so vielen Leuten ist Bahnfahren nicht gerade angenehm. Während ich mich in eine Position bringe, aus der ich dich beobachten kann und vor mich hin träume, entschließt du, auszusteigen. Trotzdem reagiere ich geistesgegenwärtig und schiebe mich mit anderen Menschen aus der Bahn und dann suche ich dich panisch. Zum Glück sticht dein blonder Haarschopf aus der Masse heraus und meine kleine Verfolgungsjagd geht weiter. Sie endet schließlich vor einem Restaurant vor dem du stehen bleibst. Ich beobachte dich aus sicherer Entfernung von der anderen Straßenseite aus. Der auf mich niederprasselnde Regen verkörpert perfekt meine Gefühle, als ich sehe, warum du hier bist. Du triffst dich mit deinem Freund und direkt bin ich angefressen und traurig. Ich will nicht, dass du dich mit ihm triffst, ihn datest. Bin ich dir so egal? Wir haben uns doch getroffen. Das war ein verdammtes Date! Oder nicht? War das so scheiße für dich? Bin ich gar keine Option? Stillschweigend beobachte ich, wie ihr im Restaurant verschwindet und mir wird ganz schwer ums Herz. Sehnsucht kann echt beschissen sein. „Komm, Koron, wir gehen nach Hause. Der Tag ist gelaufen…“, versuche ich mich etwas mit meinem Begleiter abzulenken, aber der Liebeskummer knabbert weiter an mir und ich kann nichts dagegen tun. Wie gern wäre ich jetzt mit dir zusammen in diesem Restaurant. Aber nein, ich bin ja auf der Business-Schiene gelandet… ~*~*~ Unfassbar, dass du mich wirklich auf eine dieser merkwürdigen Partys schleppst. Deine Hilfsbereitschaft in Ehren, aber durch meinen Informanten habe ich schon einiges mehr über diese merkwürdigen Freaks erfahren. Noch dazu ist das alles eh nur ein Vorwand, um Zeit mit dir verbringen zu können. Ein guter Vorwand, denn er zeigt Wirkung. Eigentlich habe ich schon ganz genaue Vorstellungen von dem Designer, den ich suche. Genau genommen habe ich ihn bereits gefunden, nur er scheint noch nichts davon zu wissen. Trotzdem freut es mich, dass du mehr über meine Firma wissen willst, über meinen Wohnort, über die Aufgaben der Person, die du sein wirst. Aber ich übe mich in Geduld, ertrage sogar die Gesellschaft dieser Snobs, wobei die beiden Frauen eigentlich ganz nett waren. Ich meine, die eine sogar schon mal gesehen zu haben, vor einigen Jahren. Aber ich kann voll und ganz auf meine Tarnung vertrauen. Manchmal bin sogar ich selbst geschockt, wenn ich mich im Spiegel sehe. Von meinem damaligen Selbst ist kaum etwas übrig geblieben, so sehr habe ich mich äußerlich verändert. Meine Haut ist sehr viel gebräunter als es damals der Fall war und auch meine einst blonden Haare habe ich seit geraumer Zeit dunkel gefärbt, um möglichst nichts mehr gemein zu haben mit dem Akira von damals. Noch dazu bin ich sehr viel muskulöser geworden. Während unserer Schulzeit war ich einfach nur ein Lauch. Schlacksig und nur wenig definiert. Umso mehr kommt mir das heute zu Gute. Auch der Babyspeck an meinen Wangen ist endlich weg. Der hatte mich schließlich am meisten genervt gehabt. Damit sah ich teils aus wie ein Hamster. Und außerdem bin ich um 0,5cm gewachsen! Da verteilt sich alles natürlich auch total anders… Ja, okay, augenscheinlich bin ich nicht gewachsen, was auch nicht so schlimm ist, denn du auch nicht! Nichtsdestotrotz sehe ich dir an, dass dir etwas Unbehagen bereitet. Jedenfalls wirkst du teilweise angespannt. Ich weiß nur noch nicht, was es ist, aber mein Tipp lautet: Takeru. Durch meinen kleinen Helfer in Amerika habe ich das ein oder andere über ihn in Erfahrung bringen lassen und er ist nicht gerade die Person, die ich mit dir allein lassen würde. Auch, wenn mir gerade etwas an deinem scharfsinnigen Blick nicht gefällt. Ob du etwas bemerkt hast? Bloß nicht! Ungalant lenke ich ab, was bei dir nur noch mehr Misstrauen weckt. Doch dann entscheidest du dich, dass es jetzt Zeit ist, sich mit Takeru auf einen Umtrunk zu treffen. Ich folge dir selbstverständlich. Ich werde nicht von deiner Seite weichen und diesem Kerl eine Möglichkeit geben, seine Finger an dich zu legen. Weder ihm, noch jemand anderen. Es fällt mir zunehmend schwerer gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Ich kann den Typen nicht leiden. Fraglich ist, wie du glauben kannst, ich würde mit dem klar kommen. Als schließlich dein sogenannter Lover auftaucht, muss ich mich zusammenreißen, dass selbst mir nicht die Gesichtszüge entgleisen. Was zur Hölle geht hier ab? Dieses bla bla von Takeru ist echt nicht auszuhalten. Soll er sagen, dass er den Kerl fickt! Mann, ey. Wie ich es nicht leiden kann, wenn man um den heißen Brei drum herum redet. Und ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie es dir gerade ergeht. Ich sehe regelrecht, wie etwas in dir zu Bruch geht. Auch dein Blick ist ganz komisch. In deinem Kopf arbeitet es und dann verschwindest du. Rauchen angeblich. Sofort mache ich mir furchtbare Sorgen. Da bin ich schon bei dir und kann trotzdem nichts für dich tun. Es tut mir leid. „Was hat er denn?“, fragt Takeru verwirrt nach und auch er blickt in die Richtung, in der du verschwunden bist. Anscheinend hat er echt keinen blassen Schimmer, was er dir antut. Idiot! „Augenscheinlich ein Problem mit Schlampen!“, kann ich mir einen zynischen Kommentar nicht verkneifen. „Wie bitte?“, entrüstet sich Takeru, doch ich lasse ihn eiskalt mit dem Wort „Nevermind!“ stehen. Gerade bleibt wohl nur, Schadensbegrenzung zu betreiben. Aber hey, anscheinend ist heute mein Glückstag, denn das Lover-Problem hat sich gerade von selbst gelöst. Bin ich also ohne mein Zutun einen Schritt weiter gekommen und habe freie Fahrt bei dir, auch wenn es mir Angst macht, wie ich dich jetzt vorfinden werde. Wieder habe ich es zugelassen, dass dir jemand wehtut, dabei habe ich selbst noch so viele Risse in deiner Seele zu kitten und weiß noch nicht, wie ich das anstellen soll. Sicherlich wurde es in den letzten paar Minuten nicht einfacher, an dich ran zu kommen. ~*~*~ Fuck! Fuck! Fuck! Wieso habe ich mich nur nicht unter Kontrolle? Wenn es um dich geht, verliere ich wirklich meine Nerven! Ich wollte dich nicht so überrumpeln und deine Situation auch nicht ausnutzen. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so komisch warst und ich wollte dich aufbauen, dir gut zureden, irgendwas für dich tun. Doch stattdessen habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Ja, Mann, mir ist eine Sicherung durchgebrannt, als du mich angerempelt hast. Ich bin sicher kein Heiliger, aber deinen Frust wegen solchen Lackaffen, wollte ich nicht auf mit sitzen lassen. Es hat mich gekränkt und irgendwas in mir schrie einfach danach, dass du doch eh zu mir gehörst. Trotzdem hätte ich nicht einfach handeln sollen. Was soll das auch? Dir die Augen zuhalten! Dich küssen! Und dann fast noch jegliche Selbstbeherrschung verlieren und dir vielleicht noch die Zunge in den Hals stecken? Ich musste weg – dringend. Da war ich dir jahrelang nicht mehr so nah und dann verbocke ich es total. Ich bin so ein Versager! Unseren ersten Kuss hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt und nun bebt mein ganzer Körper und schreit nach mehr. Ich bin so am Arsch… und du willst sicher nun nichts mehr mit mir zu tun haben. Das kann ich dir nicht einmal übel nehmen. Da stolpert ein Fremder in dein Leben, du bist so nett und bietest deine Hilfe an und ich raste bei der ersten Gelegenheit aus und stürze mich wie ein hungriger Zombie auf dich. Das war wieder mal eine Glanzparade. Ich weiß echt nicht, wo das noch hinführen soll. Einfach nur mal denken, bevor ich alles nur wieder verbocke! Aber der Ratschlag kommt zu spät… ~*~*~ Total gefrustet liege ich bereits im Bett und gehe immer wieder in Gedanken diesen Abend durch. Was ich hätte doch anders machen können, doch mir ist bewusst, dass ich jetzt nichts mehr ändern kann. Dein Freund entpuppt sich als Niete und ich knutsch dich ab. Du bist emotional total am Tiefpunkt und ich knutsch dich ab. Sicherlich war dir zum Heulen zu Mute und ich knutsch dich ab! Schwungvoll setze ich mich auf und knautsche mein Kopfkissen zusammen. Innerlich bin ich aufgewühlt. Mein ganzer Körper steht unter Spannung und ich weiß nicht, wie ich mich wieder einkriegen soll. Altah! Wie kann man nur so bescheuert sein? Laut murrend schlage ich auf mein Kopfkissen ein und neben mir ist Koron direkt parat und knurrt das feindliche Kissen an. Abwehrhaltung inklusive. Aber eigentlich weiß er gar nicht, was los ist, denn sein Köpfchen hebt sich recht schnell und er guckt treudoof zu mir nach oben. „Schon gut, Kleiner!“, sagte ich verständnisvoll zu ihm. Er spürt sicherlich, dass mit mir irgendwas nicht stimmt. Ich hebe ihn also hoch, stupse meine Nase gegen die meines kleinen Hundes. „Weißt du, Taka ist sauer auf mich und ich weiß nicht, wie ich das wieder hinkriegen soll, dass er mich mag“, versuche ich Koron alles zu erklären und nehme ihn dann wie ein Baby in den Arm und wiege ihn hin und her. „Die Situation ist eh schon total verfahren und dann mach ich es nur noch schlimmer. Dabei möchte ich eigentlich, dass er mich mehr als nur gern hat und mit mir nach Amerika kommt. Nur zwischen uns liegt so viel im Argen. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles klären soll!“ Kellertief seufzend lass ich mich wieder zurück auf die Matratze fallen und hebe Koron mit meinen Händen hoch, sehe ihn an. „Das alles war ganz anders geplant. So langsam… weiß ich nicht mehr weiter. Jedes Fettnäpfchen nehme ich mit. Meine Ausgangsposition ist auch nicht die Beste. Und ich kann ihn ja schlecht ne Keule über den Kopf ziehen und dann in meine Höhle verschleppen. Wir sind ja nicht bei den Neandertalern.“ So scherzhaft das auch gemeint ist, es verdeutlicht mir immer mehr, wie aussichtslos es ist, aus meiner Zwickmühle zu entkommen. Die eh schon geringen Chancen verbaue ich mir nur durch meine eigene Dummheit. Liebevoll setze ich Koron auf meiner Brust ab. Der rollt sich gleich wieder ein und zieht es vor, zu schlafen. Recht hat er. So ein sorgloses Hundeleben wünschte ich mir auch. Und wie niedlich er dabei aussieht. Instinktiv greife ich zu meinem Smartphone und mache ein Foto von ihm. Noch während ich mich im Kameramodus befinde, zeigt mir das Wunder der Technik eine einkommende Nachricht an. Ich bin erstaun, denn sie kommt von dir. Damit habe ich im Leben nicht gerechnet. Noch weniger damit, dass du dich bei mir entschuldigst. Vielleicht ist ja doch noch nicht jegliche Hoffnung verloren. ~*~*~ Es wird immer anstrengender sich um den kleinen Wirbelwind zu kümmern. Koron wird kontinuierlich aufgeweckter, was cool ist, aber eigentlich sollte er sich nicht allzu sehr an mich gewöhnen. Schließlich ist er dein Hund. Das wiederum hält mich aber nicht davon ab, ihn zu verwöhnen. Daher gönnen wir uns heute eine kleine Shoppingtour. Über die unterrichte ich dich natürlich unmittelbar, um dich wieder in einen kleinen Mailaustausch zu verwickeln. Ich mag es so, Nachrichten von dir zu bekommen. Das heißt, dass du dich für mich interessierst und mir die Tür zu deinem Leben öffnest. Du gibst mir dadurch die Chance, dich besser kennenzulernen, ein Vertrauensverhältnis zu dir aufzubauen. Das macht mich so ungemein glücklich, das glaubst du gar nicht. Doch neben dem allgemeinen Smalltalk schneidest du heute unliebsamere Themen an. Stress auf Arbeit also. Ein fast schon bösartiges Lächeln legt sich auf meine Lippen. Es tut mir ja leid, zu solchen Mitteln greifen zu müssen, aber es geht nun einmal nicht mehr anders. Ich bin da relativ schmerzfrei. Schließlich habe ich mir in den Kopf gesetzt, dich mit mir zu nehmen und ich werde nicht aufhören, bis du einwilligst. Dafür greife ich auch zu unlauteren Mitteln. Du musst schon verstehen, dass ich das für uns tue. >Danke Yuu, super Arbeit. Wie immer.<, tippe ich eine Nachricht und schicke sie ab. Es ist gut, einen so fähigen Mann an der Hand zu haben. Das wird mir immer wieder ins Gedächtnis gerufen. Zwar hat mir die Mail von ihm mit deinem Video ziemlich den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe schmerzlich realisiert, wie sehr ich dich im Stich gelassen habe, aber ich will das alles wieder gutmachen. Mit deinen Fehltritten lieferst du mir regelrecht schon neuen Nährboden für weitere Handlungen. Eigentlich müsste ich dir dankbar sein, denn ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, wie ich weiter hätte agieren sollen. Doch dann bekomme ich deinen kleinen Privatporno geschickt und schon öffnen sich mir verschlossene Türen. Früher war ich nie so eine intrigante Bitch, aber vielleicht ist das auch der Einfluss von Yuu. Seitdem ich ihn kenne, sehe ich viele Dinge anders. Aber ihm bin ich dankbar. Er unterstützt mich und er hatte immer ein offenes Ohr, wenn ich mal wieder down war. Ich hatte jemanden an meiner Seite, du nicht. Das ist doch unfair. Ich weiß, dass diese Sache schon eine Weile her ist, aber ich hätte es niemals zulassen dürfen, dass du so benutzt wirst, dass dich seelisch jemand so kaputt macht und mit dir spielt. Ich bin sicher, dass auch ich daran eine Teilschuld trage, Kou ebenso. Fakt ist, das hast du nicht verdient. Es wäre so ein leichtes gewesen, dich vor diesen Dingen zu bewahren. Kou hat einfach nicht auf dich aufgepasst und sein Versprechen mir gegenüber gebrochen. Das kann ich nicht so einfach hinnehmen. Wenn er unfähig ist, dich vor diesen Dämonen zu schützen, dann muss ich das eben selbst in die Hand nehmen. Und am besten kann ich das, wenn du dich in meiner Nähe befindet. Daher werde ich dich nicht mehr mit Samtpfoten anfassen. Ich muss es hinnehmen, dass ich dir weitere Wunden zufüge, aber ich kann sie alle versorgen, wenn wir nur wieder zusammen sind. Du gehörst zu mir und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt! ~*~*~ Wie zu erwarten war, das Schloss deiner Wohnungstür hält einfach nichts aus. Soll mir nur Recht sein. Nun sehen wir uns doch mal um, wie du so lebst. Die Tür lehne ich hinter mir an und ziehe auch sorgsam meine Schuhe aus, ehe ich durch dein Wohnzimmer streife. Nett hast du es hier. „Tja, Koron… Das hätte dein zu Hause werden können. Aber du musstest ja ausbüchsen…“ Ich schüttle meinen Kopf und widme mich dann gleich deiner CD-Sammlung. Feldforschung nenne ich das, denn ich möchte wissen, wie sich dein Geschmack so verändert hat. Es dauert nicht lange und ich sehe CDs, die eigentlich nicht zu dir passen, nicht zu dir gehören und dann sehe ich das Album auf dem mein Name steht – fein säuberlich vom Künstler darauf notiert. „Altah… du kleiner Langfinger! Und ich wundere mich, wo die abgeblieben ist. Das kannst du aber vergessen!“, rede ich mit mir selbst und klappe meine Umhängetasche auf. Und schon befindet sich meine CD wieder in meinem Besitz. Echt unglaublich. Dennoch muss ich ein wenig schmunzeln. Du hast also immer noch Sachen von mir, die du aufbewahrst. Mir wird sofort warm ums Herz. Ich wusste, dass du mich liebst und ich liebe dich auch, mehr als alles andere auf dieser Welt. Und das werde ich dir schon noch beweisen. Doch wenn du noch CDs von mir hast, dann muss es hier irgendwo sicherlich auch noch Fotos von uns geben. Mein Blick fällt auf das Sideboard und ich öffne die Tür. „Bingo…“ Du warst schon immer sehr einfach gestrickt, was deine Ordnung anbelangte. So ziehe ich ein Album heraus und stelle meine Umhängetasche erstmal neben mir ab. Sehr schnell werde ich in einem Album fündig und wie war das mit gleiches Recht für alle. Du hast meine CDs, ich klau dir deine Fotos. Also verschwinden auch einige von unseren Aufnahmen von damals in meiner Tasche. Verträumt sehe ich eines der Fotos an. Du bist so verdammt hübsch. Es ist niedlich, wie du ein duck-face machst und so tust, als würdest du schmollen. Doch dann zucke ich zusammen. Koron gibt komische Geräusche von sich und ich wirble herum, lasse die Fotos auf den Boden liegen und versuche den kleinen Störenfried auszumachen. „Was machst du da denn schon wieder?...“, frage ich in den Raum und sehe den total zerstreuten Haufen dreckiger Wäsche, in dem mein temporärer kleiner Freund freudig herumspringt und… „Eh… Das ist… anscheinend jetzt kaputt!“ Mit großen Augen sehe ich Koron nach, der ein Stück Stoff in Maul davonträgt. Wie eine Trophäe. Ich beuge mich nach unten und hebe das Shirt auf, welches die gleiche Farbe wie der Stofffetzen hat. Eh ja, da fehlt ein Stück. Bedröppelt sehe ich zu dem kleinen Kaputtmacher, der auch noch freudig darauf herumkaut. „Och, Koron, du kannst doch hier nicht einfach alles kaputt machen! Und nun?“ Ich seufze entnervt. Einfach liegen lassen kann ich das Ding ja schlecht. Also so war das nun echt nicht geplant. Manno. „Okay, dann nehm ich das auch noch mit… Vielleicht kann man das noch retten!“, resigniere ich und entwende Koron, ganz zu seinem Missfallen, das Stück Stoff und stopfe alles in meine Umhängetasche, die ich schließlich auf der Couch parke. Und da sehe ich noch etwas, was mir gehört: Mein Feuerzeug. Ich nehme es in die Hand und klappe den Deckel auf. Dann entzünde ich es und schmunzle. Hach ja, die guten alten Erinnerungen. Doch das Feuerzeug lege ich wieder zurück. Ich rauche nicht mehr, habe also auch keine Verwendung mehr dafür und ich will dir schließlich nicht alles nehmen, was die Erinnerung an mich am Leben hält. Schließlich flaniere ich weiter durch deine Wohnung, sehe mich hier und da um und mache mir in der Küche etwas zu trinken. Während ich meinen Kaffee so schlürfe, fällt mir deine Tasse auf. Irgendwie ist das so kitschig, dass es schon wieder süß ist. Und wenn ich mich hier so umgucke, ja, ich würde total gern mit dir hier wohnen. Da könnten wir zusammen frühstücken, nachdem wir am Morgen in deinem Bett die Laken zerwühlt haben. Oder abends zusammen auf der Couch sitzen, die Füße auf dem Tisch und ich lege einen Arm um dich. Das wäre schön. Jeder noch so banale Moment mit dir wäre schön. Endlich hätte alles wieder einen Sinn. Verträumt dreinblickend lehne ich meinen Kopf an den Türrahmen deiner Küche und seufze leise vor mich hin. Hoffentlich kannst du mir vergeben, dass ich dir so einen Schrecken einjage, aber es ist nur zu deinem Besten. Hastig leere ich meine Tasse, wasche sie dann aber ab und deine ebenfalls. Ich will dir nicht mehr Mühe machen als eh schon. Ich glaube sowieso, dass du andere Dinge im Kopf haben wirst, wenn du nach Hause kommst. Sorry… Trotzdem muss ich eine Sache noch erledigen. Daher gehe ich zum Ende des Flures und betrete dein Badezimmer. Okay, ich gestehe, während meiner Zeit in Amiland habe ich doch mehr Gruselfilme geguckt, als eigentlich gut für mich wäre. Daher stammen wohl auch meine verqueren Gedanken. So, hier muss doch auch irgendwas sein, was ich für meinen kleinen, perfiden Plan benutzen kann. Und dann fällt mein Blick auf deinen roten Lipgloss. Okay, nicht der stilechte rote Lippenstift, aber ich will mal nicht so sein. Ich schnappe mir also meinen „Stift“ und schmeiße ausversehen mit dem Ärmel deine Zahnpasta auf den Boden. Das ist wieder so typisch für mich. Aber ich habe erst meine Mission zu erfüllen. Kommen wir also vorerst zu meiner kleinen Message – nur für dich. Recht akkurat male ich die Worte „KILL MY PAST“ in Großbuchstaben an deinen Spiegel. Hier und da muss ich nochmal nachmalen, da alles nicht so deutlich zu lesen ist, wie ich es gern hätte. Aber als ich fertig bin, ist es perfekt und dein Lipgloss so ziemlich leer. Ups. Na ja, keine Zeit für Reue. Dann kauf ich dir eben später einen neuen. Wird schon nicht so schlimm sein. Gerade sehe ich mir nochmal mein Kunstwerk an, als ich schon wieder knurrende Geräusche höre und instinktiv sehe ich nach unten. „Oh Gott, bist du wahnsinnig? Du kannst hier doch nicht… Na ja, kannst du anscheinend schon, aber… Nun lass doch mal die Zahnpasta los!“, sage ich zu Koron, der wohl gerade seinen Todeskampf mit der weißen Tube ausfechtet. Seufzend hebe ich also den kleinen Hund auf meinen Arm und schüttle meinen Kopf. „Du bist ein kleiner Kaputtmacher! Echt mal! Muss ich dich auch noch erziehen?“, schimpfe ich Koron halbherzig. Beiläufig leg ich den Lipgloss auf den Waschbeckenrand ab und verlasse mit meinem Komplizen dein Badezimmer. Schließlich habe ich alles erledigt, was ich erledigen wollte und es ist besser, wenn ich hier verschwinde, bevor du von der Arbeit zurück kommst. Nur weil du beabsichtigst, länger zu arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass es auch wirklich so ist. Auf dem Weg nach draußen schnappe ich mir noch meine Tasche und ziehe meine Schuhe wieder an. Deine Wohnungstür aber lehne ich nur an. Du sollst gleich sehen, was hier Sache ist. Ein bisschen stolz bin ich auf meinen kleinen, fiesen Plan, auch wenn ich dich eigentlich lieber in den Arm nehmen möchte, um dir zu sagen, dass alles gut wird. ~*~*~ >Wie sieht’s aus? Du und ich? Heute? Bei mir?< Wieder und wieder lese ich die Nachricht, die ich von dir vor ein paar Minuten bekommen habe. Ich schlucke, aber meine Kehle ist trocken. Geht es nur mir so, oder lese ich da etwas zwischen den Zeilen? Hatten wir uns eben nicht noch darüber ausgetauscht, wie niedlich Koron doch ist? Und jetzt kommt aus dem nichts DAS?! Soll ich lachen oder weinen? In meinem Kopf jedenfalls läuft gerade ein Porno ab – du in der Hauptrolle. >Klar, bin 20 Uhr da<, tippen meine Finger wie von selbst. Vielleicht will er sich auch nur so treffen? Trotzdem kann ich nicht unterdrücken, dass ich gerade wie ein Schulmädchen fühle, dass von ihrem Schwarm angelächelt wurde. Scheiße, was machst du nur mit mir? Und was mache ich, wenn… wenn du wirklich DAS willst? ~*~*~ Dein Atem geht gleichmäßig. Du bist direkt eingeschlafen. Selbst wenn es nicht sehr bequem aussieht, wie du daliegst. Aber du scheinst zufrieden zu sein. Hätte ich gewusst, wie schön es mit dir ist, hätte ich niemals deinen Wunsch akzeptiert. Ich hätte mich über dich hinweg gesetzt und dich einfach für mich beansprucht. Das hätte uns so viel erspart. Zärtlich lasse ich meine Fingerspitzen über deine Hüfte tänzeln. Es ist so schön dich bei mir zu haben, so schön dir zuzusehen, wie du schläfst. Mein Herz rast und ich weiß genau, dass ich dich nicht wieder hergeben werde. Du gehörst einfach zu mir und ich werde alles dafür tun, dich bei mir zu behalten. Wäre ich da gewesen, hätte ich es niemals zugelassen, dass dir jemand schadet oder leid zufügt. Ich hätte immer auf dich aufgepasst und wär für dich da gewesen. Jede einzelne Träne hätte ich getrocknet. Von jetzt an wird sich alles ändern. Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich dich liebe. Von Tag zu Tag mehr, seit du mir trotzig vorgeworfen hast, dir Kouyou wegzunehmen. Lächelnd beuge ich mich zu deinem Ohr. „Du und ich, für immer… versprochen, Taka-chan…“, wispere ich leise und komme nicht drum herum, dir noch einen Kuss auf die Wange zu geben. Ich fühle mich wie in Watte gepackt. Alles ist so unwirklich und doch liegen wir nackt in deinem Bett. Am liebsten würde ich noch länger hier bleiben, dir einfach nur zusehen und es genießen, bei dir zu sein, aber die Nacht ist bereits vorangeschritten und ich weiß, dass heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, dir nach dem Aufwachen gegenüber zu treten. Ich eise mich los von meiner schlafenden Schönheit und ziehe mich wieder an. Bitte sei einfach nicht so enttäuscht, wenn ich morgen früh nicht bei dir bin. Gern wäre ich es, aber die Vernunft spricht eine andere Sprache. Trotzdem hinterlasse ich dir noch eine kurze Notiz. Wieder eine dieser Notlügen. Vernünftig sein ist doof, besonders, wenn mein innigster Wunsch deswegen hinten anstehen muss. Wenn du aber mit mir kommst, sage ich dir alles, offenbare ich dir alles und dann können wir beide endlich zusammen glücklich sein. Nur nicht heute, nicht hier und nicht jetzt, denn ich weiß, dass du mich von dir stoßen würdest, wenn ich diese Sache nicht mit genügend Feingefühl angehe. ~*~*~ Verwirrt sehe ich mein Handy an, da es klingelt. Aber außer Yuu und dir hat niemand diese Nummer und dein Name wird definitiv nicht angezeigt. Kurzzeitig werde ich nervös, entscheide mich aber trotz aller Bedenken, ranzugehen. „Die Katze ist im Sack!“, vernehme ich die amüsierte Stimme von Yuu und sofort beruhigt sich mein Herzschlag wieder. Muss der mir so einen Schrecken mit seinem Anruf einjagen? „Eh… Was bitte?“, frage ich nach, denn ich verstehe nicht, was er von mir will. „Der Adler ist gelandet!“, versucht er es weiter. „Was für ein Adler?“ So langsam wird mir das zu blöd. „Der Vogel ist im Nest?... Och, Mensch, Akira!“, beschwert er sich. „Bilde dich in Geheimagentensprache!“, schimpft er mich und über meinem Kopf schweben noch immer tausend Fragezeichen. Ich verstehe wirklich nicht, was er von mir will. „Big News! Soeben ist die Bewerbung von Taka-chan rein geflattert! Congratulations!“, formuliert er es nun so, dass auch ich als Nullchecker, endlich verstehe, was er von mir will. Direkt klappt mir der Mund auf. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. „Echt jetzt?“, frage ich ungläubig nach und er lacht nur. „Ja, echt jetzt. Ich dachte, ich ruf dich gleich an, weil dich das interessieren dürfte. Ich würde sagen, unser Plan ist aufgegangen, hn?“ Auch Yuu klingt regelrecht zufrieden und ich kann es mir nicht verkneifen zu sagen: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“ „Mein Plan!“, wirft mein Gesprächspartner ein. „Ja, Mann, dein Plan. Aber mir egal, so lange ich kriege, was ich will! Nimm an! Sofort!“, will ich alles in trockenen Tüchern wissen. Scheiße. Das ist die beste Nachricht, die man mir hätte überbringen können. Du willst mit nach Amerika! Endlich werden wir wieder zusammen sein – ein Herz und eine Seele! Kapitel 29: ------------ Undone Kapitel 29 „Psst, Koron! Du musst jetzt ruhig sein!“, flüsterte der Mann in Lederjacke und nahm den kleinen Hund wieder zu sich auf den Arm. Noch einmal wagte er einen Blick auf die Straße von seinem Versteck hinter einem der Bäume aus. Ihm kam es recht, dass es bereits dämmerte und die Nacht von Minute zu Minute näher kam. Nur kurz lenkte ihn sein Haustier mit einem Stupsen der kalten Schnauze ab, was der junge Mann mit einem Lächeln quittierte. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Mission. „Let’s go“, wisperte er und wollte sich gerade aus den Schatten der Bäume auf die Straße begeben, als er unsanft am Arm gepackt und zurückgerissen wurde. Nach einer schwungvollen halben Drehung blieb er vor einer größeren Person stehen. Für einen kurzen Moment musste er blinzeln. „Kuba, ja?“, stellte ihn der Großgewachsene mit einem argwöhnischen Tonfall zur Rede. „Ups…“, entkam Akira und er blickte in die wütend funkelnden Augen des anderen. „DAS erklärst du mir, Mister!“ Feindselig hatte Kouyou seine Arme vor der Brust verschränkt und blitzte den Kleineren bösartig an. Der realisierte wohl nun auch, dass er ertappt worden war. Dennoch konnte er nicht anders, als nochmals einen Blick über seine Schulter zu werfen. Da lief sein Plan gerade mit Takanori nach Hause. Verdammt. „Vergiss es! Erst erklärst du mir, was sich dein Spatzenhirn dabei denkt!“, forderte der Schwarzhaarige in einem harschen Tonfall. Es fehlte eigentlich nur noch, dass er abwartend mit der Fußspitze auf und ab wippte. „Akira?“, murrte der Größere. „Ja, Mann…“, leierte er missmutig herunter. Akira seufzte und zog sich nun auch den Mundschutz vom Gesicht. Reumütig sah er zu Kou, an dem dieser Blick jedoch abprallte wie an einer Steinmauer. „Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“, wollte der Kleinere nun wissen. Ein wenig erinnerte er dabei an ein quengelndes Kind, das beim Klauen von Keksen kurz vor dem Abendessen erwischt worden war. „Ehrlich? Ich bin nicht blöd! Da war eine Stationsansage bei unserem letzten Telefonat zu hören. Erst hab ich gedacht, ich hätte mich verhört, aber als mich Taka angerufen hat und mir von Mr. Perfect vorschwärmte, war ja wohl alles klar! Bist du bitteschön jetzt total bekloppt geworden?“, redete sich das Model nun wieder in Rage. Da half auch tief durchatmen nicht. In ihm brodelte es. „Kou, das verstehst du nicht!“, versuchte sich Akira zu verteidigen, obgleich das total erbärmlich klang. „Ich will eine Erklärung! Und zwar eine GUTE!“, bestand der Schwarzhaarige auf sein gutes Recht. Schließlich war er offenkundig angelogen worden. Sofort begann Akira herumzudrucksen. Unsicher versuchte er den stechenden Blicken auszuweichen was ein Ding der Unmöglichkeit war. „Taka…“, bekam er dann aber heraus, stockte trotzdem unmittelbar wieder. Er wusste zwar, was er hier tat, das aber zu erklären war eine andere Sache. „Ja, das weiß ich! Weil es IMMER Taka ist!“, grätschte das Model dazwischen. Akira zuckte aufgrund des Zischens zusammen. „Was erhoffst du dir davon, wenn du ihm nachstellst? Glaubst du, dass du auch nur einen Funken einer Chance bei ihm hast?“ Der Braunhaarige biss sich auf die Unterlippe und versuchte nicht zu sehr zu verkrampfen, da er merkt,e wie der Hund auf seinem Arm unruhig wurde. „Akira! Sieh zu, dass du deinen Arsch wieder nach Amerika bewegst!“ „Nein! Taka und ich…“ „Es gibt KEIN Taka und dich mehr! Verstehst du das denn nicht?“, ließ Kouyou den anderen gar nicht erst ausreden. „Taka wird dir das nicht verzeihen!“, setzte er nach. „Doch, er liebt mich!“, klammerte sich der Kleinere an den einzigen Strohhalm, den er hatte. Er hörte, wie sein Gegenüber total genervt durchatmete. „Du warst schon immer so! Wenn es um Taka geht, dann setzt dein Hirn komplett aus!“ „Kou, ich hab dir vertraut! DU solltest dich um ihn kümmern und aufpassen!“, platzte es nun aber auch vorwurfsvoll aus Akira heraus. Kouyou aber schnaubte nur. Seine Körpersprache war nicht weniger abweisend geworden. „Du wusstest doch schon von Anfang an, dass es zum Scheitern verurteilt war! Deine eigenen Gefühle stehen dir im Weg. Irgendwann wolltest du ihn wieder bei dir haben. Es ist erstaunlich, dass du so lange durchgehalten hast.“ Argwohn schwang in der Stimme des Größeren mit. Er ließ sich gar nicht erst auf die Vorwürfe seines Freundes ein. Hier war gerade eine ganz andere Sache zu klären! „Mach dich nicht über mich lustig!“ Akiras Augen verengten sich gefährlich. „Tu ich nicht. Aber du machst dich lächerlich. Was soll diese Show bitte? Du stalkst ihn und verarschst ihn nach Strich und Faden“, hielt Kouyou seinem langjährigen Freund einen Spiegel vor. „Das ist gar nicht wahr! Ich… ich will ja ehrlich zu ihm sein, aber…“ „Genau DAS ist es! Dieses „aber“… Du behandelst Taka wie ein rohes Ei, hast du immer schon gemacht. Bloß nicht zu nahe treten und nur nichts tun, was seinen Unmut wecken könnte. Und nun willst du riskieren, dass er dich hasst? Wie vermessen ist das? Du hast ihm glauben gemacht, dass du tot bist! Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus!“, unterbreitete Kouyou seinem Gegenüber die unausweichlichen Fakten. „Das war verdammt nochmal nicht meine Entscheidung!“, argumentierte Akira dagegen. „Andere haben darüber entschieden. Über mich und mein Leben. Ich hatte gar keine Wahl! Und ich wollte ihn da nicht mit reinziehen!“, verteidigte er sich. Als wenn ihm nicht bewusst war, wie scheiße sich das alles entwickelt hatte. Klar wusste er, was er für ein Trümmerfeld hinterlassen hatte. Das zu reparieren war unmöglich, trotzdem klammerte er sich an jede einzelne Scherbe. Und genau so schnitt sich jede einzelne von ihnen tief in sein Fleisch. Er sah zu Boden und bemerkte, wie sein Blickfeld verschwamm. Eine Träne tropfte auf Korons Kopf und perlte von seinem Fell ab. Sie verstummten beide. Nur ein kurzer Moment der Besinnung. „Akira, noch kannst du zurück!“ Doch Akira schüttelte nur seinen Kopf. „Ich will das nicht mehr. Ich will Taka nicht mehr belügen. Wir gehören zusammen!“ „Vielleicht damals…“ Kouyou trat einen Schritt nach vorn auf seinen Freund zu und legte beide Hände dem Kleineren auf die Schultern. Akira war unsicher geworden. Das war seine Chance, ihn auf seine Seite zu ziehen und zum Rückzug zu bewegen. „Taka hängt noch an dir, ja. An den Akira von damals, nicht an den Akira, der du jetzt bist. Taka hat sich verändert, du dich auch. Ihr habt nichts mehr gemeinsam. Und wenn er erfährt, dass alle Bescheid wussten, das kannst du nicht wieder gut machen. Überleg‘ dir das bitte noch einmal. Noch könnt ihr mit einem blauen Auge aus der Sache rauskommen. Nimm ihm nicht die Chance, vielleicht doch noch jemanden zu finden, mit dem er glücklich werden kann. Geh nach Amerika zurück und vergiss ihn endlich!“ Mit ruhiger Stimme redete der Schwarzhaarige auf den Kleineren ein, aber Akira schüttelte wieder nur seinen Kopf. „Das kann ich nicht. Es war immer schon Taka. Irgendwann müssen die Lügen aufhören.“ „Er wird dich hassen!“, rief Kou seinem Gegenüber die unausweichliche Konsequenz seines Handelns wieder ins Gedächtnis. „Nicht einfach nur so, sondern abgrundtief.“ Akira biss sich wieder auf die Unterlippe. Als wenn er das nicht selbst wüsste. Wäre es einfach, hätte er nicht so einen Aufriss veranstalten müssen, um sich Takanori wieder zu nähren. „Sei es drum.“ Akiras Stimme bebte und er wischte sich hektisch mit seinem Handrücken über die Wangen, war bemüht, Koron dabei nicht fallen zu lassen. So stark, wie er gern wäre, war er eben doch nicht. Takanori war sein wunder Punkt, seine Achillesferse. Wenigstens nahm Kou nun auch wieder seine Hände von ihm, fühlten sie sich eh nur wie ein Schraubstock an. „Du bist so bescheuert! Du setzt alles für ihn auf’s Spiel und am Ende stehst du alleine da! Aber bitte! Wenn du unbedingt in dein Unglück rennen willst, bitte. Ich helf dir nicht wieder, wenn du wieder so abstürzt wie damals!“, stellte Kouyou klar. „Klar, dass du wieder damit anfängst…“ Der Braunhaarige sammelte sich, aber die Sache nahm ihn sichtlich mit. Er spürte regelrecht sein Magengeschwür wachsen. „Deine Entscheidung! Aber dann sag es ihm jetzt! Den richtigen Zeitpunkt gibt es eh nicht. Warum also noch länger warten?“ Kouyou war sauer. Er konnte nicht verstehen, wieso dieser Trottel überhaupt diese Farce hier in Erwägung zog. Sein Leben in Amerika war schließlich nicht schlecht gewesen und nun suchte er regelrecht Ärger. Und zog natürlich andere - ihn - mit hinein. An Akiras Körperhaltung konnte er sehen, wie sehr er mit sich haderte. Doch dann zog der Braunhaarige doch sein Smartphone heraus. „Du hast recht. Es wird nie den richtigen Zeitpunkt geben. Also dann heute… hier…“ Jetzt, wo sein langjähriger Freund hier war und ihm aufzeigte, dass er sich so oder so in einer Sackgasse befand, erkannte er, dass er nur den Schwanz eingezogen hatte, aus Angst den zu verletzen, den er liebte. Und unterdessen spann er weiter eine Scheinwelt um Takanori zusammen. So instabil wie ein Kartenhaus, doch ein Sturm zog unausweichlich auf. Keinen Deut war er besser als dieser Takeru. Es war definitiv Zeit, Taka reinen Wein einzuschenken. Nachdem er eine Nachricht an Taka getippt hatte, sah er zu Kouyou auf, der ihn weiter verstimmt musterte, abwehrend seine Arme vor der Brust verschränkt hatte. So sauer hatte er ihn in all den Jahren noch nie erlebt. „Ich verstehe es wirklich nicht. Das ist die größte Scheiße, die du je in deinem Leben gebaut hast, Akira!“ Vehement schüttelte das Model seinen Kopf und schnaubte. Tiefe Furchen zeichneten sich zwischen seinen Augenbrauen ab, deuteten daher, dass er ihn so scharf ansah. Anscheinend hätte er ihn am liebsten erdolcht. „Möglich…“ Er würde ihn sowieso nicht verstehen. „Wie viele waren es damals? Siebenundsiebzig? In zwei Monaten? Und gesoffen hast du auch wie ein Loch!“, rief der Schwarzhaarige die Erinnerung wieder wach, die Akira selbst am liebsten verdrängte. Aber ungeschehen machen konnte er seine Fehltritte von damals auch nicht. Wieso verstand nur niemand, dass auch er gebrochen worden war? Aber nein, jeder erwartete von ihm, einen kühlen Kopf zu bewahren und Verantwortung zu übernehmen. Für sich und für andere, egal, was er selbst überhaupt wollte. „Bin nicht stolz drauf. Aber die Karten liegen jetzt anders als damals.“ Akira biss sich auf die raue Unterlippe, merkte, dass sie schmerzte und unterließ es. „Würdest du wissen, wenn du dich mal für jemand anderen außer dich selbst interessieren würdest!“, ließ er diesen Kommentar seines Freundes nicht einfach so auf sich sitzen. Mehr oder weniger hatte er sich wieder gefangen. Er musste einfach die Ruhe bewahren, wenn er sich Taka jetzt stellen wollte. Trotzdem hämmerte sein Herz nur so in seiner Brust. Und sein Kopf wusste nach wie vor nicht, wo er anfangen sollte. „Das ist immer dein Argument, wenn du nicht mehr weißt!“, konterte Kouyou. Auch für ihn war es nicht absehbar, wie Takanori reagieren würde. Er wusste ja nicht einmal selbst, wie er reagieren würde, wenn jemand DAS mit ihm abgezogen hätte. Aber er war einfach zu sehr involviert in diese Geschichte, als dass er es nüchtern betrachten konnte. „Ich heiße es nicht gut, was du vorhast! Das weißt du?“, hakte der Größere nochmal nach, zeigte sein wachsendes Unbehagen. Aber Akira zeigte sich unbeeindruckt und band sich nur seinen Mundschutz wieder um, setzte sich in Bewegung. „Geht nicht anders…“ Eigentlich war Akira zum Heulen zumute, aber er marschierte dennoch zum Park, zu dem er Taka bestellt hatte. So fühlte es sich wohl an, wenn man alles auf nur eine Karte setzte. Dabei war Glücksspiel noch nie sein Ding. ~*~ Allein schon mit dem Öffnen der Nachricht auf seinem Handy sprudelten die Endorphine nur so durch seinen Körper. Wenn Taka ehrlich zu sich selbst war, dann hatte er bereits vergessen, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein. In den letzten Jahren hatte dieses Gefühl immer eine bittere Note und Schwere legte sich auf ihn, wenn er darüber nachdachte. Aber gerade jetzt lernte er wieder, wie wundervoll es war, die berüchtigte rosarote Brille zu tragen. Auch seine Mundwinkel zuckten immer wieder nach oben und seine Augen funkelten, wenn er sich selbst im Spiegel betrachtete. Das war schon so widerlich, dass er sich selbst nicht mehr leiden konnte. Aber sei es drum. Dieses Gefühl wollte er gegen nichts auf der Welt eintauschen. Es war so, als waren ihm über Nacht Flügel gewachsen. Und vielleicht würde er gleich die wichtigsten Worte überhaupt über seine Lippen bringen. Ehrliche Worte, die seine Zuneigung ausdrückten. Zwar wusste er nicht, warum Akira mit ihm reden wollte, aber sicherlich ging es um seine Bewerbung in seiner Firma. Dass es bereits so spät war, spielte dabei auch keine Rolle. Das kannte Taka bereits. Diese merkwürdigen Arbeitszeiten in der Branche und sicherlich war Akira immer total beschäftigt. Immerhin leitete er seine eigene Firma. Also verzieh Takanori ihm seine späte Meldung. Und nur zu gern hatte er sich gleich wieder angezogen, kurz nachdem er nach Hause gekommen war. Hauptsache er konnte Akira sehen und vielleicht bekam er auch einen Kuss und ganz vielleicht begleitete er ihn mit zu sich nach Hause. Träumen durfte man ja noch. Immer noch beflügelt durch seine romantischen Gedanken betrat der kleine Blonde den Park in der Nähe seines Apartments. Auch wenn dieser nur klein war, war er dennoch unübersichtlich, da sich mehrere Wege kreuzten und es auch eine Vielzahl an möglichen Ausgängen gab. Trotzdem konnte er Akira schnell ausmachen. Dieser saß nachdenklich auf einer Parkbank, die neben einen kleineren Weg stand. Nach einem Stück Wiese ragten auch schon vereinzelt Zedern gen Himmel und entzogen dem Weg das Licht der vereinzelten Lampen, die den Wegesrand zierten. Der junge Designer atmete tief durch und ging zielgerichtet auf seine Verabredung zu. Auf halbem Weg wurde er bemerkt. Zwar nicht von Akira, aber der kleine Hund zu seinen Füßen tappte ein paar Schritte auf ihn zu, nahm Witterung auf. Und so wurde auch sein Herrchen auf ihn aufmerksam, erhob sich von der Bank und wischte sich die Handflächen auf seinen Oberschenkeln ab, zupfte anschließend seine schwarze Hose am Gürtel ein Stück weiter nach oben, ehe er zu ihm sah. „Hey, freut mich, dass du dich gemeldet hast!“, sagte der kleine Blonde, als er vor Akira zum Stehen kam. Gleich suchte er den Blick des anderen und versank regelrecht in den dunkelbraunen Augen, die er nicht unbedingt klar in dem gelblichen Licht der Laternen wahrnehmen konnte. Dennoch kribbelte sein ganzer Körper, als würde er sich gerade an die wunderbaren Berührungen erinnern, die der andere ihm zukommen lassen hatte. Er stand einfach auf diesen Typen. „Schön“, wisperte Akira, klärte seine Stimme dann aber durch ein Räuspern. „Dass du gekommen bist“, beendete er seinen Satz und schluckte trocken. Seine Kehle fühlte sich an, als würde sie jemand zuschnüren. Auch erwischte er sich immer wieder dabei, wie er Takanoris Blick ausweichen wollte, was ihm nur nicht immer gelang. Wieso war das alles nur so schwer? „Geht’s um die Bewerbung?“, fragte Taka nach. Er wollte schon wissen, warum er hier war und irgendwie machte Akira heute einen sehr passiven Eindruck. Auch seine Schultern hingen nach unten, als würde eine schwere Last auf ihm liegen. „Hm… Auch…“, murmelte der Größere. Kurzzeitig flackerte das Licht der Laterne über ihnen, während der Park um sie herum immer mehr von der Dunkelheit der Nacht eingehüllt wurde. Akira kam sich vor, als würde er unter einem Scheinwerfer stehen. Die Klappe zum letzten Akt war wohl bereits gefallen und nun galt es, alles aufzulösen. Wo blieb der Verzögerungsmoment vor dem großen Finale? Wies nicht jede gute Geschichte genau so etwas auf? „Was ist denn los?“, wollte Takanori wissen und so etwas wie Besorgnis durchzog seine Stimme. Heute war alles anders und komischerweise schwand auch die Euphorie, der er sich auf dem Weg hierher hingegeben hatte. Irgendwie schwante ihm, dass der andere keine guten Nachrichten für ihn hatte. Ob er zeitnah abreisen musste? Er war so gar nicht bereit für neue Hiobsbotschaften. Taka konnte sehen, wie Akira heftig ausatmete, da sich der dünne Stoff seines Mundschutzes dadurch wölbte. Wieder wanderte sein Blick nach oben zu seinen Augen und er trat noch einen Schritt weiter auf ihn zu. Ohne bestimmten Grund stellte er fest, dass sich eine dünne, helle Narbe über Akiras rechte Augenbraue zog. Vorsichtig schob er seine Hand nach oben und strich ein paar braune Haarsträhnen zur Seite, um dieses Mal noch besser sehen zu können. Kaum war diese Geste zu einem Ende gekommen, fing Akiras Hand seine ab. Sofort schlossen sich Akiras Finger unbeholfen um seine, hielten seine Hand von außen fest, sodass seine Finger unangenehm zusammengedrückt wurden. Trotzdem ließ er ihn gewähren. „Woher hast du die Narbe? Auch von deinem Motorradunfall?“, spekulierte er, da der Größere keine Anstalten machte, mit ihm zu reden. Allerdings ertrug er diese merkwürdige Stimmung zwischen ihnen nicht. Vielleicht stellte das auch nur eine Ablenkung dar. Er wusste es nicht. Nur das Ganze hinnehmen war ihm nicht möglich, lag ihm doch mittlerweile so viel an diesem Mann. „Nein…“ Akiras Lider senkten sich bedacht, als er sich daran erinnerte, woher er die Narbe hatte. „Ein Kumpel hat mich windelweich geprügelt.“ Er klang fast schon amüsiert. Beinahe wünschte er sich, er hätte damals noch härter zugeschlagen. Verdient hätten sie es wohl beide gehabt. Gerade jetzt dröhnten Kouyous Worte nur so in seinen Ohren. ‚Erbärmlich! Warum lässt du Wichser dich so hängen? Dir stehen tausend Möglichkeiten offen!‘. Tausend Möglichkeiten für ein Leben in Amerika, ohne wirklich eine Erfüllung zu finden. „Kann ich mir kaum vorstellen…“ Ein ungläubiger Blick lag auf den Braunhaarigen, doch dann zuckte er lapidar mit seiner Schulter. „Er war halt größer als ich und sehr viel besser in Form!“, lautete die Entschuldigung. Taka glaubte sogar ein Lächeln in Akiras Stimme ausmachen zu können. Doch dann wurde sein Blick furchtbar ernst und schien ihn wie ein Speer aufzuspießen. Rein aus Reflex entzog er ihm seine Hand. Trotzdem war da was. Vorahnung? „Taka-chan…“ Taka schluckte und taumelte einen Schritt zurück. Bildete er sich das gerade nur ein? Dieser Tonfall. Doch dann griff Akira an seinem Gesicht vorbei und löste den Mundschutz, zog ihn sich von seinem Gesicht und Takanori stand da, wie vom Blitz getroffen. Diese Lippen! Weiche, rosafarbene Kissen, ihre Form für ihn so vertraut. Dazu die feinen Linien, die das Gesicht umrahmten, ihm seine Kontur verlieh. Diese typischen Fältchen, die sich neben seinen Lippen nach unten zogen. Weniger volle Wangen, aber trotzdem keine Veränderung, die ihn hinters Licht geführt hätte. Akiras Mund öffnete sich, aber kein Ton kam raus. Dennoch fiel Takas Blick auf seine Schneidezähne. Unverkennbar wie Hasenzähnchen. Am Gesamtbild änderten auch die fein säuberlich gezupften Augenbrauen oder die tief gebräunte Haut nichts. Das war definitiv einfach nur eine ältere Version von dem Mann, an dem sein Herz hing. Der Mann, der ihm vor mehr als fünf Jahren entrissen worden war. Takanori glaubte, die Zeit war stehen geblieben. Oder hatte er einfach nur aufgehört zu atmen? Er hörte sein Blut durch seine Adern rauschen, fast so, als würde man seinen Kopf unter Wasser drücken. Was war hier los? Gedanken über Gedanken sausten durch seinen Kopf, ohne dass auch nur einer hängen blieb oder zu Ende gedacht wurde. „Tut mir leid…“, hauchte Akira, doch da hatte Takas Körper schon die Führung übernommen. Seine Hand schnellte nach oben, brauste durch die Luft, doch anders als geplant, kam sein Handgelenk an Akiras Arm zum Stoppen. Die geplante Ohrfeige hatte der Größere geistesgegenwärtig verhindert. „Taka, bitte…“, versuchte Akira es nochmal und trat auf den anderen zu. „Was soll das?“, fragte Takanori zischend nach. „Ist das ein blöder Witz?“, sprudelten die Worte aus seinem Mund, während sein Inneres zu bersten drohte. Alles wirbelte in seinem Kopf durcheinander. Seine Knie wurden ganz weich und sein Kopf schwirrte einfach nur noch, dröhnte. „Ich… kann dir… Ich kann versuchen, dir das…“, begann Akira, doch da wurde er von einer schallenden Ohrfeige gestoppt. Die hatte er nun doch nicht kommen sehen. „Das war verdient!“ Nicht, dass es Taka Genugtuung verschaffte, aber irgendwas sagte ihm, dass es genau so sein musste und eigentlich wollte er nochmal nachsetzen, aber da schnappte sich der Größere seine Handgelenke, hielt ihn fest. „Nun hör doch mal auf, mich zu schlagen. Lass mich doch erstmal erklären!“, bat Akira inständig und sah regelrecht schon wie ein geschundener Hund drein. Taka aber riss sich sofort wieder los und stieß den anderen von sich. Er ertrug die Nähe zu ihm gerade nicht. „Fass mich nicht an!“, zischte er und wich zurück. Hatte er irgendwas nicht mitbekommen? War da irgendwas, was an ihm vorbeigegangen war? „Taka, lass mich es dir erklären! Bitte!“ Doch der kleine Blonde schüttelte nur seinen Kopf. Das ergab alles keinen Sinn. Hintergangen und verarscht. Was gab es da zu erklären? Er war sich sicher, dass er nicht in der Lage war, Geister zu sehen. Der Kerl vor ihm war real. „Ich… will nichts hören…“ Vehement schüttelte er seinen Kopf, als würde ihm das helfen seine Fassung wiederzufinden. So angestrengt wie es nur ging, kramte er in seinem Kopf nach Antworten, aber da war nur Leere. Träumte er? Sicherlich träumte er! „Damals… Das musste sein. Sie hätten mich sonst…“ „Was willst du hier?“, fauchte Taka. Ihm war so furchtbar übel. Seine Hände zitterten. Er war damals auf seiner Beerdigung gewesen. Er hatte tagelang geweint. Sie hatten ihm gesagt, dass er tot sei. Akira war weg, aus seinem Leben verschwunden. „Dich! Ich… Taka… Wir…“, stammelte sich Akira zusammen, aber er wusste selbst nicht, wo er anfangen sollte. Gut kam das bei dem Kleineren nicht an. Verletzt blickte er zu ihm nach oben. „Klar… Du kommst her und…. Lachst mich aus, weil ich dir so lange nachgetrauert habe?“ Hart biss sich Takanori auf seine Unterlippe, kämpfte mich sich selbst. Das hier konnte nicht real sein. In was für einen verdammt schlechten Film war er hier gelandet? „Das ist nicht wahr. Ich wollte niemals von dir weg. Das musst du mir glauben!“ Taka stand kurz davor, zu heulen, da ihm keine passende Reaktion einfiel. Wüten, toben, schreien, um sich schlagen, weinen – all das schien möglich, aber sein Körper sträubte sich gegen jegliches Gefühl. Vielleicht auch aus Selbstschutz. Er fiel, innerlich fiel er einfach nur. Aber da war kein Boden, auf dem er aufschlagen konnte. Es gab auch keine Gefühlsregung, die zum Ausdruck bringen konnte, was dieser Kerl gerade mit ihm anstellte. Ein dunkler Schatten zog sich über sein gesamtes Leben. Er bereute. Er fühlte Reue bezogen auf alles, was mit diesem Typ ihm gegenüber auch nur zu tun hatte. Alles fühlte sich so falsch an. „Ich glaube dir gar nichts mehr, du elender Lügner!“ Taka schüttelte seinen Kopf und stolperte noch ein paar Schritte weiter zurück, um mehr Abstand zwischen sie zu bringen. Gestorben. Akira war gestorben. Damals bei dem Shooting. Er hatte sich jedes Jahr mit Kouyou getroffen. Er hatte jeglichen Halt verloren und sich irgendwie durchgekämpft bis hierhin. Mit dem Wissen, dass Akira nicht mehr da war. Und nun stand dieser Kerl vor ihm und… und gaukelte ihm vor, der zu sein, den er verloren hatte und den er mit jeder Faser seines Körpers so schmerzlich vermisst hatte. Nein! Einfach nur nein! Diese endlos langen Tage voller Sehnsucht waren real gewesen. Sie waren greifbar. Nicht aber das, was da vor ihm stand. „Irgendwas ist damals kaputtgegangen. Deinetwegen!“ Takas Stimme zitterte. „Es ist mit dir ertrunken und kommt nicht wieder, nur weil du jetzt wieder hier bist!“ Nur weil irgendein Typ sich vor ihn stellte und… Taka hielt inne. Er war so lange zurückgetaumelt, bis er gegen etwas stieß. Doch es war zu weich, als dass es ein Baum sein konnte. Er sah hinter sich und erblickte Kouyous ernstes Gesicht. Sofort fuhr er herum und brachte auch Abstand zwischen sie, wollte niemanden bei sich haben, engte ihn die Situation schon genug ein. „Du?“, fragte er fassungslos. Das alles entwickelte sich zu einem realen Alptraum. Sein Kopf schnellte herum zu Akira. Dann sah er wieder zu Kou, der total gefasst dastand. „Du hast es gewusst?“, kombinierte er. Erneute Schauer durchzuckten seinen Körper. Er spürte, wie seine Gliedmaßen zitterten und er meinte, mit einem Ohnmachtsanfall zu kämpfen. Nicht, dass er so etwas je gehabt hatte, aber sein Körper fühlte sich nicht mehr an, als würde er ihm gehören oder ihm gehorchen. Alles war so taub. „Jeder hat es gewusst, Taka-chan!“ „Hör auf!“, wurde Akira sofort laut. „Er hat dir seinen Tod nur vorgespielt und dich allein hier zurückgelassen!“ Provokant betonte Kouyou jedes Wort und studierte dabei eingehend Akiras Reaktion. „Halt deine Fresse!“, schnauzte der Braunhaarige in Kous Richtung. Der machte doch alles nur noch schlimmer. „Das ist aber nun einmal die Wahrheit! Wieso sollte ich Taka belügen? Ich bin ja nicht du!“ Akira klappte der Mund auf. Am liebsten hätte er sich direkt auf seinen langjährigen Freund gestürzt und ihm die Frechheit aus dem Leib geprügelt, aber gerade war etwas anderes wichtig. Also riss er sich zusammen. Retten, was zu retten ging. „Ich wollte das nicht, ich wollte überhaupt nicht weg. Ich mach alles wieder gut! Das verspreche ich dir, Taka-chan!“ Flehend sah Akira zu dem kleinen Blonden, sah dann aber auf den Boden. Dort saß Koron, der abwartete. Sofort schnappte er ihn. „Oh, er bettelt…“, konnte sich Kouyou einen unpassenden Kommentar auch nicht verkneifen, rollte mit den Augen bei der Farce, die sein Freund hier gerade aufführte. Wie ein schlechtes Theaterstück. Merkte er denn nie, wenn er verloren hatte? „Wir holen alles nach! Hier! Koron soll zu dir! Ich wollte ihn dir zum Geburtstag schenken…“ Ähnlich wie eine Opfergabe präsentierte Akira das kleine Lebewesen. „Dein Ernst?“ Taka klappte der Mund auf. „Du schenkst mir ein Leben und meinst, damit ist alles wieder gut?“, pikierte sich Takanori. Ein Leben für ein Leben? Was bildete sich Akira ein? Er sah zu Koron und erblickte dessen treue Knopfaugen. Der kleine Hund konnte wohl am wenigsten etwas für diese Situation. „Nein! Natürlich nicht… Aber irgendwo muss ich anfangen! All die Zeit...“, stammelte sich Akira wieder zusammen, verstummte aber, als ihm sein Haustier entrissen wurde. Umso behutsamer drückte Taka den kleinen Hund an seine Brust, hatte endlich etwas, das ihm in dieser unliebsamen Situation Halt gab. Dann brachte er aber unmittelbar wieder Abstand zwischen sich und die Reinkarnation seiner großen Liebe. „Ihr beide… Ich weiß nicht, was das soll, aber kommt mir nie wieder unter die Augen!“ Der kleine Blonde schürzte seine Lippen, sah zu Kouyou, der nur sauer seine Lippen verzog, dazu aber nichts weiter sagte. Schließlich hörte er das Geräusch von Kies unter Schuhsohlen und sah, dass Akira wieder zu ihm aufschließen und die Lücke zwischen ihnen verringern wollte. „Taka, das ist alles ganz anders…“ Der Braunhaarige senkte seinen Blick, blieb aber stehen, da er an Takanoris Körpersprache ablesen konnte, dass er noch weiter zurückweichen wollte. „Das sollte nie so enden. Bitte. Taka… Nur, falls es dir noch nicht klar sein sollte: Hiermit breche ich unsere Abmachung!“ Das war der Punkt, an dem Takanori dachte zu sterben. Sein Kopf kombinierte viel zu schnell und es tat weh. So unendlich weh. Tausend Nadeln, die seine Brust durchstachen. Von dieser Sache wusste nur Akira. Nur sein Akira. Und unter anderen Umständen wäre er wohl in Freudentränen ausgebrochen, jetzt aber war nur die Tatsache gegenwärtig, dass er mit ihm geschlafen hatte, in dem Wissen, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit verband. Wieder war er nur eine Spielfigur, die herumgeschubst wurde, wie es anderen beliebte. Benutzt. Sein Körper. Beschmutzt. Seine Seele. Was blieb ihm noch? „Ich gehöre nicht dir! Und du kannst nicht einfach mit mir machen, was du willst!“, begann Takanori zu schreien. Aber das verdeutlichte nicht annähernd das Chaos, das in ihm herrschte. Trotzdem tat er das einzig richtige in dieser Situation. Er drehte sich um und rannte aus dem Park, Koron eng an seine Brust gedrückt, als war er das Wertvollste, das ihm blieb. Alles stürzte über ihm zusammen, brach unter ihm weg und er war mitten im Nichts gefangen. Kapitel 30: ------------ Undone Kapitel 30 Bei jedem Atemzug schmerzte seine Brust und seine Seite stach unangenehm. Trotzdem versuchte er seiner Lunge wieder Sauerstoff zuzuführen. Er war so unendlich dankbar dafür, dass seine Wohnung nicht weit entfernt lag. Die Distanz vom Park bis hierher hatte er in einem Tempo zurückgelegt, als wäre eine wilde Bestie hinter ihm her. Sie verfolgte nur ein Ziel: ihn zerfleischen. Vielleicht entsprach das auch halb der Wahrheit. Total außer Atem versuchte der junge Japaner seinen Schlüssel in das kleine Loch zu stecken, verfehlte es jedoch mehrfach und kratzte mit der Spitze über das Metall drum herum. Dann rastete der Schlüssel endlich in das Schloss und genauso hektisch wie er nach wie vor nach Luft schnappte, entriegelte er seine Tür und schob sich in seine Wohnung. Routiniert patschte seine Hand auf den Lichtschalter. Fast zeitgleich knallte er die Tür zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Der Schlüssel flog ungeachtet auf den kleinen Beistelltisch. Takanori hatte sicheres Gebiet erreicht, auch wenn er am gesamten Körper zitterte. Bebend hob und senkte sich seine Brust und er sah nach unten auf das Gewicht in seinem linken Arm. Es dauerte einen Moment, ehe er den kleinen Hund realisierte. Der gab allerdings keinen Laut von sich, wusste wohl nicht, wie ihm geschah. „Sorry, Kleiner“, wisperte Taka und setzte den Vierbeiner vorsichtig auf seinen winzigen Pfoten ab. Er selbst richtete sich wieder auf, lehnte sich an die verschlossene Eingangstür vor der die grausame Welt lauerte. Trocken schluckte er, versuchte sich zu beruhigen, aber sein Körper produzierte gerade nicht den notwendigen Speichel. Sein Hals kratzte und er hustete, was ihm aber keine Linderung bescherte. Um sich zu beruhigen, schloss er seine Augen, lehnte seinen Kopf an das Holz hinter sich. Er brauchte einen Anhaltspunkt, an dem er sich orientieren konnte. Die Welt schien aus den Angeln gehoben worden zu sein, denn er hatte keine Ahnung, was in der letzten Stunde mit ihm geschehen war. Generell schien auch sein Körper total vergessen zu haben, welche Funktion gerade die notwendigste war. Seine Gliedmaßen fühlten sich taub an. Takanori nahm sich Zeit, um konzentriert zu atmen. Nichts weiter. Nur Luft in die Lungen pumpen und wieder ausatmen. Dann aber bemerkte er, wie sehr er fröstelte. Das erste, was er überhaupt wieder wahrnahm, denn sein Kopf war wie leergefegt. Er kniff sich in den Handrücken auf der Suche nach einem Zeichen, dass dies die Realität war, vielleicht auch, um sich wieder in das Hier und Jetzt zurückzuholen. Er wiederholte diese Handlung, bis sein Gehirn den Reiz verarbeitet hatte. Und ja, es tat weh. Für einen Moment. Um ganz sicher zu gehen, schob er seine Hand in den Ärmel seiner Jacke, kratzte fest über seinen Unterarm. Aber auch das tat weh. Die Illusion, dass er nur träumte, zerplatzte augenblicklich wie eine Seifenblase. Seine Arme fielen schlaff nach unten, baumelten für einen kurzen Moment, dann gaben auch seine Beine nach. Kraftlos ließ er sich an der Tür zu Boden rutschen und die ersten heißen Tränen suchten sich ihren Weg. „Nein! Nein! Nein!“, fluchte er, schlug seine Faust auf den Boden. Auch diese Handlung vermochte es nicht diesen Knoten in seiner Brust zu lösen. Daher schlug er seinen Hinterkopf mehrfach gegen die Tür. Es tat weh. Es tat nicht genug weh! Ein Impuls von Übelkeit ergriff ihn und er sah weiße Punkte vor seinen Augen. Genug. Er stellte sein sinnloses Handeln ein und die Stelle an seinem Hinterkopf pulsierte, schaffte jedoch keine Abhilfe. Jede Handlung nur ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit gegenüber der vorherrschenden Situation. Jetzt, wo er augenscheinlich zur Ruhe kommen konnte, prasselten die verschiedensten Gedanken auf ihn ein. „Warum?“, wisperte er leise, ehe ein regelrechter Sturzbach von Tränen aus seinen Augen quoll. Er schluchzte auf und wischte sich über die geröteten Augen. Doch die Bilder in seinem Kopf verebbten nicht. Jetzt wollte alles raus. Akira! Akira, wie er ihn anlächelte. Akiras schwere Hand auf seinem Kopf, wie er ihn liebevoll durch die Haare streichelte. Akira, der ihn tröstete, als er traurig war. Akira beim Fußballspielen. Akiras aufrichtiges Lächeln. Akira und dieses Mädchen. Akira, der sich über irgendwelchen Scheiß bei ihm beschwerte. Akira, wie er in seinem Bett lag und noch friedlich schlief. Akiras Arm, wie er ihn an sich zog. Akiras warmer Atem kurz bevor er ihn küsste. Akiras verspielter Blick, wenn er ihn mal wieder aufzog. Akira, der über irgendwelchen Kram fachsimpelte und dabei wild gestikulierte. Akira, wie er routiniert an seiner Zigarette zog und langsam den Rauch wieder ausblies. Akiras warme Umarmung. Akira beim Eis essen. Akira am Strand. Akira im Wasser. Akiras lebloser Körper. Akiras Beerdigung. Akiras Foto umrahmt von einem schwarzen Bilderrahmen mit einer schwarzen Schleife. Eine Welt – ohne Akira. Takanori zog seine Beine eng an seinen Körper, vergrub seine Finger in seinen Haaren, als könnte dies seine Gedanken freilassen. Aber, das einzige was passierte war, dass die Beklemmung in seiner Brust wuchs. Wieder und wieder schluchzte er auf, konnte dies gar nicht unterdrücken. „Nein“, kam das Wort immer wieder über seine Lippen wie ein Mantra. Die Zeit ohne Akira. Endlos viele Tränen. Verzweiflung. Trauer. Einsamkeit. Verlust. Sehnsucht. Zweifel. Der Wunsch zu sterben. Der Wunsch wieder bei ihm sein zu dürfen. Leere. Stille. Ziellosigkeit. Und dann kam Takeru - und die Abwärtsspirale ging weiter. Angst. Flucht. Isolierung. Wertverlust. Selbstzerstörung. Nur noch mehr Zweifel. Und immer wieder der Wunsch Akira bei sich zu haben. Hoffnungslos. „Alles gelogen!“ Und alle hatten zugesehen. Von einem Moment auf den anderen überschlugen sich seine Gedanken. Der Mann in Lederjacke, der seinen Hund suchte. Ein erstes gemeinsames Treffen. Angenehme Gespräche. Geschichten aus einer anderen Welt. Aufmerksamkeit. Nette Gesten. Der erste Kuss. Hoffnungsvolle Nachrichten. Diese einlullenden Berührungen. Ein Stück vom Glück. Und dann der Todesstoß! Akira! Akira von damals! Heute! War das alles nur ein dämliches Spiel? War er geisteskrank und konnte nicht mehr von Realität und Traum unterscheiden? Schizophrenie? Alles nur Einbildung und eigentlich war er wahnsinnig und seine Therapeutin hatte ihn einweisen lassen? Hatte er sich Akira als besten Freund nur vorgestellt und sich seine Welt nur zusammengesponnen, wie er sie haben wollte? Ein Paralleluniversum? Nur ein endlos langer Albtraum? Hatte er irgendwas nicht mitbekommen? Hätte er überhaupt irgendwas mitbekommen können? Das Wissen der letzten Jahre war wie weggefegt. Alles fühlte sich unwirklich an. Eben so, als wäre es nie passiert. Er fühlte sich genau so wie damals, als er bis zu den Knien im Meer stand und seinen Schmerz hinausgeschrien hatte. Nur, dass dieser Tag mehr als 5 Jahre zurücklag. Vergangenheit. Kraftlos saß er auf dem Laminatboden und eine Träne folgte der nächsten. Was passierte hier mit ihm? Was machten sie mit ihm? Er konnte doch nicht verrückt geworden sein. Was war Wirklichkeit und was nur Spiel? Krankenhaus. Verstorben. Kouyou, der ihn getröstet hatte. Die mitleidigen Blicke seiner Eltern. Weiße Lilien, um die sich seine kalten Finger geschlossen hatten, weil er die Trauerrede nicht ertrug. Heiße Tränen. Akiras Familie. Das ausgeräumte Zimmer. Er hatte doch gesehen, wie Kisten mit Akiras Kram weggebracht wurden. Kouyou war jedes Jahr mit ihm am Meer. Jedes verfickte Jahr. Und NIE hatte er geweint! Keine einzige Träne! Er war nicht stark, sondern einfach nur eingeweiht! Takanori wischte sich mit dem Handrücken über seine feuchten Augen, versuchte sich wieder nur aufs Atmen zu konzentrieren. Sein Blick fixierte den Hund, der schwanzwedelnd durch seinen Flur tappte und alles anschnüffelte, sich gar nicht von ihm stören ließ. Nein, den bildete er sich ganz bestimmt nicht ein. Der Hund war wirklich da. Genau wie Akira auch wirklich da gewesen war, ihm offenbart hatte, dass… alles nicht so war, wie er glaubte? „Verdammt, ey! Warum habt ihr es mir dann eingeredet?!“, fluchte er verzweifelt. Seine Brust zitterte bei seinen Worten. Unbeholfen drehte er sich auf seine Knie, krabbelte sogar ein Stück nach vorn, ehe er sich schwerfällig erhob. Geräuschvoll zog er seine Nase hoch. Sein Körper fühlte sich unwirklich an, als gehöre er ihm gar nicht. Auch seine Beine wollten ihm im ersten Moment ihren Dienst versagen und er wankte mehr schlecht als recht durch seinen kleinen Flur, weiter zum Wohnzimmer. Ihm war furchtbar kalt, dennoch öffnete er seine Jacke, schmiss sie auf die Couch, während der kleine Hund ihm auf der Spur war und neben ihm stehen blieb. Takanori schenkte ihm wenig Beachtung und nahm sich ein Taschentuch, um sich zu schnäuzen und die gröbsten Tränen zu trocknen. Wenigstens seine Wohnung kam ihm vertraut vor. Wirklichkeit. Etwas, das blieb. Eben der sichere Rückzugsort. Dachte er zumindest, bis sein Blick zu seinem Bett fiel. Das Bett, in dem er sich hatte von Akira… „Er wusste es die ganze Zeit und hat trotzdem…“ Der Satz blieb unbeendet, während sich sein Herz regelrecht schmerzlich verkrampfte. Hart biss sich Takanori auf die Unterlippe, setzte sich behutsam auf seine Couch. Vorsichtig strich er über den Bezug, nahm ihn wohl zum ersten Mal in seinem Leben bewusst wahr. Akira - Diese neue Erkenntnis musste er erstmal sacken lassen. Er wusste, wer er war! E hatte sich trotzdem mit ihm getroffen! Er hatte sich mit ihm verabredet! Er erzählte ihm irgendwas von einer fiktiven Welt! Er spielte ihm vor, eine andere Person zu sein? Nur, um ihm dann heute zu eröffnen: ‚Hey, Taka, ich bin gar nicht der, für den du mich gehalten hast. Überraschung!‘ Das war kein Deut besser als Kloe. Wem sollte er noch vertrauen? Wem konnte er vertrauen? Mit zittrigen Fingern öffnete Taka seinen Hoodie, als sein Blick an seinen Händen hängen blieb. Augenblicklich waren seine Tränen versiegt und es sammelten sich keine neuen in seinen Augen. Sie alle wussten es. Sie alle hatten kein Problem damit, ihn zu hintergehen. Unbändiger Hass stieg in ihm auf. Er war mal wieder nur benutzt worden. Wieder nur der Spielball, der von anderen getreten wurde und mit dem man seinen absurden Spaß haben konnte. Niemand fragte auch nur einmal, wie es ihm dabei ging, ob er daran kaputtging oder zerbrach. Das ‚warum‘ wollte er fast schon gar nicht mehr wissen. Missmutig schnellte er nach vorn, grabschte sich Akiras Feuerzeug von seinem Wohnzimmertisch. Doch anders als sonst sah er es nicht liebevoll an. Er entflammte es und beobachtete die Flamme. „Du elender Verräter! In der Hölle sollst du schmoren! Wer gibt dir das Recht so mit mir umzuspringen?“ Taka schnaubte und mit einem lauten Klacken schloss er das Zippo. Zeitgleich realisierte er das Vibrieren in seiner Jackentasche neben sich auf der Couch. Routiniert zog er sein Smartphone heraus, auf dessen Display unverkennbar Akiras Name aufleuchtete. Er zögerte keinen Augenblick. „So nicht, Arschloch!“, fauchte er und wies den Anruf ab. „Was bildet der sich eigentlich ein? Er taucht auf und glaubt, ich fall ihm freudestrahlend um den Hals?“ ~*~ Entnervt atmete Akira aus und raufte sich die Haare. Wieder hörte er nur ein nervtötendes Tuten aus seinem Smartphone. „Er geht nicht ran!“ „Was erwartest du auch? Freudensprünge sicherlich nicht“, moserte Kouyou herum. Missmutig verschränkte er seine Arme vor der Brust. Natürlich bedachte er seinen Kumpel mit einem dieser ‚Ich hab’s dir ja gesagt‘-Blicke. „Spar‘ dir das!“, fuhr der Braunhaarige ihn wütend an und stopfte sein Smartphone in seine Arschtasche. Es brachte nichts hier weiter zu versuchen, Takanori telefonisch zu erreichen. Nicht, nach dessen Abgang. Aber er musste unbedingt mit ihm reden, alles erklären und ihm beteuern, dass er ihm nicht schaden wollte. „Wo willst du jetzt hin?“, mischte sich das Model wieder ein. „Zu Taka natürlich!“ Doch noch ehe sich Akira in Bewegung setzen konnte, wurde er erneut am Arm festgehalten und das nicht gerade sanft. Wieder nutzte Kouyou seine Körpergröße aus und baute sich vor ihm auf wie eine unüberwindbare Mauer. „Hat dir eine Backpfeife nicht gereicht? Lass ihn erstmal.“ Eigentlich wollte Akira dem Impuls folgen und sich von seinem Kumpel losreißen. Es wäre ein Leichtes ihm eine zu zimmern und dann Takanori hinterher zustürmen. Doch war das zielführend? Wohl eher nicht. Daher ließ er es doch bleiben. Irgendwas sagte ihm, dass der andere recht hatte. Ob ihm das nun passte oder nicht. Innerlich war er wohl nicht minder aufgewühlt wie es Taka jetzt wohl sein müsste. Sein Auftritt war nicht gerade filmreif, um nicht zu sagen, dass er alles versaut hatte. Akira war nicht in der Lage gewesen ihm das mitzuteilen, was er ihm sagen wollte. Nicht annähernd. Doch jetzt noch eins nachzusetzen würde das alles nicht besser machen, eher noch verschlimmern. Und das wollte er definitiv nicht. War seine Ausgangssituation doch eh schon erdenklich schlecht gewesen. „Fein. Dann geh ich eben nach Hause!“, presste Akira trotzig hervor. Niederlagen hatte er noch nie einfach so hinnehmen können. „Die beste Idee des Tages.“ Das Model tauchte an der Seite des Kleineren auf, der ihm aber mit einem skeptischen Blick bedachte. „Ich komm natürlich mit!“, folgte die Erklärung ad hoc. „Nein. Ganz sicher nicht!“, entrüstete sich Akira sofort. „Das kannst du aber wissen. Ich bin nur wegen dir und deiner hirnrissigen Idee hier. Daher werd ich auch bei dir pennen und ganz sicher kein Hotel nehmen. Mein Koffer ist an der Station eingeschlossen“, klärte Kouyou seinen Kumpel über den weiteren Ablauf auf. Immerhin brauchte er seine Sachen noch. „Mir egal“, murrte der Braunhaarige und man konnte regelrecht hören, wie er mit den Zähnen knirschte. Das aber beeindruckte das Model keineswegs. „Wenn du auf jemanden sauer sein willst, dann auf dich selbst. War klar, dass es so endet. Nun komm!“, setzte sich der Größere durch und zog seinen ehemals besten Freund einfach mit sich. ~*~ „Oh, du bringst Besuch mit?“, fragte Akira Mutter erstaunt, als hinter ihrem Sohn noch ein zweiter junger Mann das Haus der Familie betrat. „Zwangsweise!“, zischte der Braunhaarige und kniete sich, um die Reißverschlüsse seiner Boots zu öffnen. „Willst du uns denn nicht vorstellen?“ „Nicht nötig, Mum! Das ist Kouyou. Takashima. Du weißt schon!“, knirschte Akira weiter. „Was? Takashima-kun! Meine Güte! Du hast dich aber verändert. Groß bist du geworden und so hübsch! Ich hab dich neulich in einer Zeitschrift gesehen, als ich beim Frisör war!“, redete die ältere Frau weiter. „Da kann ich immer vor meinen Freundinnen angeben, dass ich den hübschen Burschen ja kenne!“ Sie lachte kurz auf. „Akira hat gar nicht gesagt, dass du auch hier bist! Ist das schön, dich mal wiederzusehen! Kommt in die Küche! Ich mache euch Ramen. Ihr seid sicherlich hungrig!“, quasselte Akiras Mutter weiter, sodass Kouyou neben kleiner, gemurmelter Floskeln gar nicht mehr zu Wort kam, bis sie sich allein in dem Flur befanden. Akira schob missmutig den Koffer seines Kumpels in Richtung Treppe, damit er seine Lederjacke ordentlich aufhängen konnte. „Siehst du, sie freut sich, mich zu sehen!“, konnte sich das Model einen Kommentar nicht verkneifen. „Unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht auch gefreut, dich zu sehen! Aber nicht so!“ Immerhin hatte Kouyou ihm regelrecht die Pistole auf die Brust gesetzt. Anderenfalls hätte er Taka niemals auf diese Art reinen Wein eingeschenkt. Zwar wusste er auch keine elegante Art jemanden mitzuteilen, dass man nicht tot war, aber das ließ er einfach mal so stehen. Ihm wäre schon etwas eingefallen. Jedenfalls nicht auf diese Art mit der Tür ins Haus fallen! „Egal! Genießen wir den schönen Abend! Sicherlich habt ihr auch noch ein oder zwei Bierchen da!“ Es machte Akira Angst, dass sich Kouyou hier aufführte, als war es sein zu Hause. Er hatte sich seiner Schuhe und Jacke in Windeseile entledigt und legte freundschaftlich seinen Arm um ihn, führte ihn zur Küche. Für einen kurzen Moment fühlte sich Akira wieder wie im Jahr ihrer Abschlussklasse. Zumindest Kouyou erinnerte ihn an den Jungen von damals. Vereinnahmende Art inklusive. Ausgelassen und immer ein aufrichtiges Lächeln auf den Lippen. So ganz anders als der abgehobene Snob von heute, den er nur zu gut kannte. „Ein Wunder, dass du dich mit Bier zufriedengibst!“, konnte sich der Ältere jedoch einen zynischen Kommentar nicht verkneifen. Doch der traf nicht auf fruchtbaren Boden, denn Kouyou stürzte sich sofort in den Smalltalk mit seiner Mutter. „Es sieht fast alles noch so aus wie damals! Da fühlt man sich gleich wieder wie zu Hause!“ „Das freut mich, Takashima-kun! Es ist schon so lange her, dass wir Besuch hatten. Das Haus war recht ruhig ganz ohne Kinder!“, gab Akiras Mutter einen kleinen Einblick in ihre Gedankenwelt, während der verlorene Sohn zwei Dosen Asahi aus dem Kühlschrank holte. Lieblos stellte er eine der Dosen vor Kouyous Nase. „Danke!“, formte das Model mit seinen Lippen und wandte sich dann doch wieder zu seiner Gesprächspartnerin. „Ich wäre gern öfters mal vorbeigekommen, aber der Job lässt das alles nicht zu. Ich lebe in Amerika und bin dort viel unterwegs. In Japan war ich immer nur wegen kleineren Aufträgen. Aber es ist schön mal wieder hier zu sein. Es fühlt sich an, als wären wir nie weg gewesen.“ „Nur Matsumoto-kun fehlt, hn? Habt ihr euch denn nicht auch mit ihm getroffen?“ Akiras Blick sprach Bände. Direkt starrte er missmutig den Tisch an. Kommentarlos öffnete er seine Bierdose, die ein Zischen von sich gab. „Taka-chan ist leider etwas unpässlich. Er hat zurzeit viel um die Ohren. Aber ich bin mir sicher, dass er irgendwann auch mal wieder vorbeikommen möchte“, übernahm Kouyou wie selbstverständlich die Führung des Gespräches. Akira war wieder einmal erstaunt, wie gut dieser Kerl lügen konnte. Kein Anzeichen von Reue in seinen Augen. „Oh. Ihn habe ich auch komplett aus den Augen verloren seit damals. Was macht Matsumoto-kun denn?“ Das war die Frage, die sich Akira auch stellte. Sicherlich weinte er sich gerade die Augen aus. Oder er wünschte ihn zum Teufel. Egal was von beiden: Er wollte jetzt lieber bei ihm sein. Aber nein, er saß hier, wartete auf seine Nudeln und schlürfte ein gekühltes Bier. Und nebenbei wurde er Zeuge von Kouyous schauspielerischem Talent. „Er arbeitet in einer Firma und designt Mode für Kinder. Also ja. Jedenfalls ist das der Stand, den ich habe.“ „Er will nach Amerika, um dort ein eigenes Modelabel aufzubauen!“, warf Akira kaltschnäuzig ein und ging nur zu gern auf das Blickduell mit Kouyou ein. Okay, es war vielleicht Wunschdenken, was er hier aussprach, aber er war doch auf einen guten Weg gewesen genau dieses Ziel zu erreichen. Kouyou war es letztendlich, der den Blickkontakt mit Akira wieder abbrach und auch seine Dose öffnete. „Davon hat er mir bei unserem Treffen nichts erzählt. Aber dann müssen wir ihn wohl einfach mal persönlich fragen, was seine Ziele sind“, zeigte sich das Model einigermaßen versöhnlich. Der argwöhnische Unterton, der in dieser Aussage mitschwang, ließ das Blut in Akiras Adern aber kochen. Gut, dass Akiras Mutter nichts von ihrer kleinen Meinungsverschiedenheit mitbekam. In dieser Sache war das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. „Wenn er auch nach Amerika geht, dann wärt ihr alle drei wieder zusammen. Fast so wie früher“, schwärmte Akiras Mutter. Sie drehte sich zu den beiden Jungen und lächelte sie lieb an. Akira aber rollte mit den Augen und stand auf. Früher – Pustekuchen! Er schnappte sich seine Bierdose und ging zur Tür. „Aber wo willst du denn hin?“ „Ich muss kurz telefonieren, Mum“, antwortete der Braunhaarige relativ ruhig und setzte seinen Weg in die obere Etage fort. „Aber nicht so lange“, rief sie ihm nach. „Die Ramen sind in ein paar Minuten fertig“, ermahnte sie ihren Sohn und wedelte in der Luft bedrohlich mit einem Pfannenwender. „Er kommt bestimmt gleich wieder. Akira hatte einen schweren Tag.“ „Ach so. Hm, er redet nicht viel darüber, was er hier so treibt. Aber ich bin sicher, dass er alles schaffen kann, was er sich vorgenommen hat. Er ist so erwachsen geworden.“ Sie klang stolz, als sie über ihren Sohn redete und schenkte dem Besuch ein warmes Lächeln. „Da fällt mir ein: Wo hat er denn seinen kleinen Begleiter gelassen? Du musst wissen, Akira hat jetzt einen Hund!“ Kouyou guckte ertappt. „Nun ja, der Hund ist wohl heute bei Taka-chan zu Besuch. Uhm ja, da gibt es doch eine Menge zu klären. Allerdings würde ich mich freuen, wenn ich in ein paar Tagen mit Akira zurück nach Amerika fliegen kann!“, offenbarte der Schwarzhaarige seinen eigentlichen Plan. „Ihr wollt bald schon wieder zurück? Das kommt überraschend. Aber wenn Akira seine Sachen hier erledigt hat, dann ist das wohl die beste Entscheidung“, sah es die ältere Dame auch ein. „Manchmal muss man unverrichteter Dinge wieder abziehen. Allerdings gehört das nicht zu Akiras Stärken. Er wusste noch nie, wann er verloren hat!“, gab Kouyou zu bedenken und nahm einen großen Schluck aus seiner Dose. ~*~ Wütend drückte Akira die Bierdose in seiner Hand zusammen. Das dünne Material gab sofort unter lauten Knacken nach. „Fuck, ey!“, fluchte der Braunhaarige und setzte sich angefressen auf sein Bett. Mittlerweile klingelte Takanoris Handy nicht einmal mehr. Stattdessen bekam er eine Ansage, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen war. Definitiv hatte er sein Smartphone abgeschaltet. So konnte er ihn aber nicht mehr anrufen und die Chance schwand, mit ihm reden zu können. Diese Tatsache nagte an ihm. Er machte sich Sorgen. Takanori war unberechenbar, wenn er enttäuscht worden war. Und anders konnte er diese Sache von heute nicht betiteln. Trotzdem wusste er nicht, was er nun machen sollte. Kouyou hatte seinen Standpunkt klargemacht. Der war wie in Stein gemeißelt. Takashima wollte nicht, dass Taka und er wieder Kontakt hatten. Alles sollte so bleiben wie er es beendet hatte vor 5 Jahren. Kein zurück, keine zweite Chance. Und er selbst wollte genau das Gegenteil. Er wollte Taka. Er brauchte seinen besten Freund wieder in seinem Leben. Es war nicht so, dass er nicht versucht hatte, Takanori zu vergessen, weiterzuleben, aber alles führte zwangsweise doch wieder zurück in seine Vergangenheit. Er hatte damals einen großen Fehler begangen. Das war ihm heute umso mehr bewusst. Trotzdem hatte er angenommen, dass dieser Weg für Takanori der Beste gewesen war. Akira strich sich seine Haare zurück und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn er innerlich aufgewühlt war. Er musste ruhig bleiben. Wenn das alles noch zu einem guten Ende kommen sollte, dann durfte er nicht wieder in alte Verhaltensmuster verfallen. Er war schon immer ein Hitzkopf gewesen, aber das würde nichts bringen. Akira entsperrte sein Smartphone und rief die Anruferliste auf, tippte dann auf die andere Nummer, die er eingespeichert hatte. Bei diesem Anruf musste er nicht so lange warten und jemand nahm ab. „Was ist los, Akira? Du weißt, es ist…“ „…Ja, mitten in der Nacht!“, beendete Akira den Satz des anderen mit ruhiger Stimme. „Yuu, hör zu. Kou ist hier. Er… Ich habe… Musste…Taka…“ Akira schüttelte seinen Kopf. „Wie jetzt? Müsste Kouyou nicht in New York bei einem Designer sein?“ „Ich weiß es nicht, Yuu. Alles, was ich weiß ist, dass Kou hier ist. Er hat anscheinend was geahnt oder gewusst. Jedenfalls hat er mich gezwungen Taka die Wahrheit zu sagen. Und dann…“ „Und dann?“ „Ich weiß nicht. Ich…“ Akira atmete tief durch, versuchte seine Fassung zu bewahren. Trotzdem sammelten sich Tränen in seinen Augen. „Ich hab alles verbockt. Er war so sauer. Ich hab Angst, dass er jetzt irgendwas Unüberlegtes tut. Eigentlich wollte ich nochmal zu ihm, aber Kouyou lässt mich nicht. Ich weiß echt nicht weiter“, gestand sich Akira seine Niederlage ein. Möglichst unbemerkt versuchte er seine Augen zu reiben. Diese Schwäche wollte er sich nicht auch noch eingestehen. „Wow… Harter Tobak. Kouyou hinterlässt eben immer einen bleibenden Eindruck. Aber okay, wie ist der Stand der Dinge jetzt?“ „Taka hat mir eine gescheuert, hört mir nicht zu und ist weggerannt. Kouyou will, dass ich es sein lasse und nach Amerika zurückkomme. Und ich will nur mit Taka zusammen zurückkommen. Ich nehme nur an, dass er freiwillig nun nicht mehr mitkommt! Er scheint mich ja nicht mal mehr sehen zu wollen“, gab Akira seinem Kumpel einen groben Überblick über die Misere. „Was ist mit seiner Bewerbung? Ich hab die Zusage und den Vertragsentwurf hier!“ „Das wird er nie unterschreiben!“, erwiderte Akira und ließ sich nach hinten auf sein Bett fallen. Hilflos starrte er die Zimmerdecke an. „Also gehen wir über zu Plan B? Und du hältst Kouyou in Schach?“ „Hab ich ‘ne andere Wahl?“, murmelte Akira und schloss seine Augen. Er war so nah dran und Taka wäre freiwillig mitgekommen. So nah dran… Kapitel 31: ------------ Undone Kapitel 31 Die Gefühlsachterbahn, in der Takanori saß, kam auch in den darauffolgenden Stunden nicht zum Stillstand. Er weinte bitterliche Tränen, hörte auf zu weinen und versuchte sich alles rational zu erklären. Er ging Fakten durch, Indizien, von denen er glaubte, dass es Fakten waren, aber letztendlich drehte er sich nur im Kreis und seine Kehle schnürte sich erneut zu. Das Stechen in seiner Brust wurde wieder einmal unerträglich und erneut gab er seinen Tränen der Enttäuschung nach. Was musste geschehen, dass ein Mensch seinen Tod vortäuschte? So perfekt vortäuschte? Wie viele Menschen hatten bei dieser Scharade mitgespielt, hatten den Schein einer Welt aufrechterhalten, in der es Akira nicht mehr gegeben hatte? Das konnte doch nicht nur dazu da gewesen sein, um ihn zu täuschen? Und selbst wenn er nicht der Dreh- und Angelpunkt dieses Schauspiels gewesen war, warum gehörte er nicht zu den Menschen, die eingeweiht worden waren? War er so wenig wert? Unwichtig? Vertrauten sie ihm nicht? Warum wusste Kouyou über alles Bescheid? Warum hatte er ihn mir nichts, dir nichts über Jahre dieses perfide Schauspiel liefern können? Hatte er gar keine Ehre oder ein Gewissen? Takanori hatte keine Antwort auf all die Fragen, die sich in seinem Kopf überschlugen. Irgendwie musste er sich unter Kontrolle kriegen, die Enttäuschung wegstecken und wieder aufstehen. Sich bloß nicht runterziehen lassen in diesen schwarzen Sumpf, aus dem es keinen Ausweg gab. Taka zwang sich, ruhig und tief zu atmen und seinen Tränen nicht erneut nachzugeben. Nur er, hier, atmen. Nicht denken. Nicht hoffen. Nicht sehnen. Besonders nicht denken. Und dann triggerte ihn eine Frage erneut aus dem Nichts. Ein weiterer Stich, der tief ging und ihn dort verletzte, wo es so richtig wehtat. Er begann abermals, bitterlich zu weinen, gab seinem Dämon nach. Teils aus Trauer, teils aus Wut und, teils aus Verzweiflung. Es hatte ihm sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Akira hatte ihm ein Messer in den Rücken gerammt. Genau so fühlte es sich an. Taka war erschöpft von diesem Chaos in seinem Kopf, dabei dämmerte es draußen längst. Zeit war unwirklich, floss, schien stillzustehen. Alles war illusorisch, nicht mehr greifbar für ihn. Er sehnte sich nach einer Pause. Einfach nur den Schalter umlegen und die Chance bekommen, sich zu regenerieren. Doch an Schlaf war nicht zu denken, selbst wenn sein Körper vor Erschöpfung zitterte. Er wusste, dass er nicht in der Lage war, Ruhe zu finden. Innerlich war er aufgewühlt. Jedes noch so kleine Detail ließ sein Gehirn rattern und er versuchte vehement die Puzzleteile in seinem Kopf zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Aber es gelang ihm nicht. Die Fehlersuche blieb ergebnislos. Er war nur ein Spielball, ein Statist. Jeder machte mit ihm, was er wollte, positionierte ihn so, wie er gerade gebraucht wurde. Ein Bauer beim Schach, geopfert ohne mit der Wimper zu zucken. Offenbar für einen größeren Zweck. Und auch hier in seiner Wohnung fühlte er sich nicht geborgen. Nachdem ihm bewusst geworden war, dass vielleicht der Einbruch in seine Wohnung nur zu diesen perfiden Spielchen gehörte, fühlte sich Takanori fremd in seiner Haut. Anscheinend konnte derjenige, der die Fäden zog, wann auch immer er beliebte, alles mit ihm machen. Zu seiner Wut und der Verzweiflung gesellte sich Hoffnungslosigkeit. Was war wahr und was war gelogen? Wem konnte er noch vertrauen? Wo war er noch sicher? Wann hatte das alles überhaupt angefangen? So gern er noch intensiver über diese Dinge gegrübelt hätte, die Realität holte ihn ein. Die stemmte nämlich ihre kleinen Pfoten gegen seine Couch und begann zu fiepen. Mit geröteten Augen sah Takanori über den Rand des Polsters und begegnete den braunen Knopfaugen, die ihn erwartungsvoll ansahen. Ein Hund. Sein Hund. Nach wie vor noch mit Leine. Und er hatte keinen Schimmer, wie das alles funktionierte, wie man sich um ein Lebewesen kümmerte. „Hunger? Oder Gassi?... Beides?“, erkundigte er sich bei Koron. Immerhin hatte er die Verantwortung für den Kleinen, nachdem er ihn Akira entrissen hatte. Und er sah in keinster Weise ein, ihn wieder an dieses verantwortungslose Arschloch zurückzugeben. „Beides also!“, kommentierte Taka, als das Jaulen nicht aufhörte. Vorsichtig nahm er den Hund auf seinen Schoß und streichelte ihm über den Rücken. „Okay, es ist mitten in der Nacht. Wir beide gehen jetzt in einen 24-Stunden-Supermarkt. Wir besorgen dir was zu Futtern, solche Gassi-geh-Tütchen und… was wir noch so finden. Für mich einen Kaffee. Wenn ich es mir recht überlege, dann vielleicht auch zwei!“, weihte er Koron in seinen anstehenden Plan ein. Selbst, wenn das Tier ihm nicht antwortete, so tat es ihm gut, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf diese Akira-Misere. Koron wurde auf dem Boden abgesetzt und Taka kramte alles zusammen, was er für einen größeren Einkauf benötigte. Um seinen Hals wickelte er einen dicken Schal. Gerade fror er schlimmer als im tiefsten Winter. Mit Koron an der Leine fuhr er mit dem Fahrstuhl nach unten und ignorierte verbissen sein Abbild in der spiegelnden Rückwand des Aufzugs. Er sah aus wie ein neureicher Snob mit seinem Designerhündchen an der Leine und einer riesigen Sonnenbrille auf der Nase. Als wolle er nicht erkannt werden. Doch im Grunde wollte er nur seine verheulten Augen verstecken. Da war es ihm egal, dass er die Sonnenbrille des Nachts trug. Was sein musste, musste eben sein. Kaum draußen, spannte sich die Leine und Koron flitzte zur nächsten Straßenlaterne. Die war entsprechend ‚seine‘. Anscheinend war es höchste Zeit gewesen. Takanori war dankbar, dass nicht sein Teppich vorm Bett hatte dran glauben müssen. Wer wusste schon, wie lange Akira sich um diesen Hund kümmerte oder wie es um seine Erziehung bestellt war. Allerdings wäre es gut zu wissen, ob er stubenrein wär. Trotzdem würde er einen Teufel tun und Akira danach fragen. Jetzt war Akira sowieso nur Nebensache, total unwichtig. Jetzt zählten ausschließlich Koron und dessen Bedürfnisse! ~*~ „Ich hab dich lange schon nicht mehr rauchen gesehen!“, durchdrang Kouyous Stimme die Stille in Akiras ehemaligem Kinderzimmer, in dem nur ein kleines Nachtlicht brannte. Akira blieb regungslos am geöffneten Fenster stehen und zog an seinem Glimmstängel. Dabei hörte er das Knistern des verbrennenden Papiers. „Och, komm schon, Aki-chan! Der Abend mit deinen Eltern war doch ganz nett!“, versuchte es das Model noch einmal, seinen langjährigen Freund in ein Gespräch zu verwickeln. „Hab dich lang schon nicht mehr so verlogen gesehen wie heute Abend!“, erwiderte der Braunhaarige nun doch und schnaubte so sehr, dass der Rauch durch seine Nasenlöcher nach draußen gepresst wurde. Absichtlich wählte er eine ähnliche Wortwahl wie der andere. „Bitte?“, entrüstete sich Kouyou sofort und stellte sein Tun ein. Anstatt sein Handtuch zu falten, welches er vor ein paar Minuten noch im Badezimmer genutzt hatte, knüllte er es auf seinem Schoß zusammen, obwohl es feucht war. „Tu nicht so scheinheilig, Kouyou! Du weißt genau, was ich meine.“ Akira drehte sich um, lehnte sich mit seinem Hintern an die kleine Fensterbank. Mit dem Blick fixierte er seinen langjährigen Freund, der wie ein begossener Pudel auf seinem Bett Platz genommen hatte. Doch dieser scheinheilige Anblick vermochte es nicht, seine Laune zu bessern. „Du und deine kleine, heile Welt, die du allen vorspielst. Allen und jedem! Meinst du, auch nur eine klar denkende Person nimmt dir ab, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist? Mag sein, dass du mittlerweile ein gefragtes Model bist oder Schauspielaufträge an Land ziehst, aber bei dir ist alles nicht so rosig, wie du es gern hättest. Du weißt gar nicht mehr, wie es ist, ehrlich zu sein. Allen willst du immer nur von den tollen Dingen erzählen. Sachen, die vorzeigbar sind. Es hängt mir so zum Hals heraus, Takashima!“ „Das ist so, wenn man in der Öffentlichkeit steht!“, prallten die Worte jedoch an Kouyou ab. „Man lässt andere nur das wissen, was sie wissen dürfen! Oder meinst du, ich will, dass sie sich das Maul über mich zerreißen? Piss‘ mir nicht ans Bein, nur weil du wegen Taka sauer bist!“, spielte das Model den Ball zurück und beförderte sein feuchtes Handtuch in Richtung seines Koffers, der aufgeklappt auf dem Fußboden neben dem Bett einen Platz gefunden hatte. „Wärst du nicht aufgetaucht, wäre der Abend anders verlaufen! Und Taka wäre jetzt nicht stinksauer auf mich!“, spie Akira die Worte nur so aus. Er war sauer und auf Krawall gebürstet. Kouyou bot gerade das richtige Ventil für seine schlechte Laune. „Vielleicht wäre er heute nicht sauer gewesen, aber dann vielleicht morgen oder an dem Tag, an dem er selbst herausgefunden hätte, wer du wirklich bist!“ Kouyou hielt den feindseligen Blick seines Freundes stand, der seinen abwandte und anschließend seine Zigarette schnaubend ausdrückte, da er am Filter angelangt war. „Vielleicht! Ich werde es nicht mehr erfahren, weil DU mir den schwarzen Peter zugeschoben hast!“ Akira ballte seine Hand zu einer Faust und merkte, wie kalt seine Finger waren. Daher entschied er sich, das Fenster zu schließen, selbst wenn seine Nerven noch eine zweite und eine dritte Zigarette vertragen hätten. In ihm herrschte ein tosender Sturm und er schaffte es nicht, sich zu beruhigen. „Werd nicht unfair, Akira. Ich habe mit der Sache wohl noch am wenigsten zu tun!“, erwiderte das Model gleichgültig. Er zog einen Haargummi von seinem Handgelenk und klemmte ihn sich zwischen seine vollen Lippen. Anschließend begann er, seine langen Haare zu einem Zopf zu flechten. Alles unter Akiras stechendem Blick, der nach wie vor auf ihm lag. „Der Plan war vielleicht nicht ausgereift, aber Taka vor den Kopf zu stoßen war nicht geplant. Das ist einfach nur Scheiße!“, räumte der Ältere ein. Mal davon abgesehen, dass sich ihre Beziehung zueinander eh unkontrolliert entwickelt hatte. In der ursprünglichen Agenda stand definitiv nicht drin, mit ihm zu schlafen oder in seine Wohnung einzubrechen. Andererseits hatte er auch nie geplant, Taka ein Haustier zu kaufen. Das waren viel zu viele Kurzschlusshandlungen. Klar, dass man die nur schwer unter einen Hut brachte oder sie zu einem gut funktionierenden Plan formen konnte. „Ist es!“, stimmte Kouyou zu und band seine Haare zusammen. „Aber deine Chancen mit einem blauen Auge aus der Nummer herauszukommen, waren von Anfang an nicht gegeben. Du hast die Entscheidung vor fünf Jahren getroffen und das hättest du bis an dein Lebensende durchziehen sollen. Wir haben darüber mehr als nur einmal gesprochen. Aber nein, du musst ja wieder ein neues Kapitel von ‚Akiras Soloeskapaden‘ schreiben! Lass‘ Taka einfach in Ruhe und Haken dran!“, gab der großgewachsene Japaner seine Meinung kund und stand vom Bett auf, um sich neben seinen Koffer zu hocken. Aus diesem fischte er eine kleine Dose mit Creme, die er anschließend großzügig in seinem Gesicht verteilte, dabei die Ruhe in Person war, während es in Akira nach wie vor brodelte. „Du verstehst das nicht!“, setzte Akira zu einer erneuten Diskussion an. „Einfach einen Haken dran geht nicht! Es geht hier nicht um irgendwen oder irgendwelche Eskapaden! Ich vermisste Taka und ich hätte damals nicht so gehen dürfen. Nicht auf diese Art! Es war blöd ihn nicht einzuweihen!“ „Das fällt dir früh ein!“, spottete das Model. „Aber es war dein Wunsch es so zu machen und ihm nichts zu erzählen. Und nun glaubst du, dass du Jahre später herkommen kannst und alles ist wie damals? Als wäre nichts gewesen? No way, Akira!“ „Es war ein Fehler! Das weiß ich doch selbst!“ „No regrets! Deine Entscheidung! ‚Entweder – oder‘. Es funktioniert nicht, wie du dir das jetzt vorstellst. Es gibt kein Zurück, so wie du es dir wünschst. Also, schminke dir das endlich ab. Wir sind in keinem dämlichen Anime! Pack‘ morgen deine Sachen und wir fliegen zurück in die Staaten.“ „Nein!“ „Oh, doch!“, gab Kouyou zischend zurück und beendete seine Abendroutine, indem er sich eine kühlende Lotion aus einer Tube unter die Augen auftrug. „Vergiss es! Zwischen Taka und mir gibt es noch viele Dinge zu klären und ehe das nicht bereinigt ist, gehe ich ganz sicher nicht zurück. Aber du kannst gern fliegen! Ich bin der Letzte, der dich aufhält!“, stellte es Akira dem anderen frei sich wieder zu verpissen. Sein ganzer Körper war noch immer angespannt und rastlos. „Ich bin nur wegen dir und deinen Hirngespinsten hier! Ich lass‘ bestimmt nicht zu, dass du alles nur noch schlimmer machst!“ „Oh, glaub mir! Ich mache es schlimmer, wenn du dich nicht endlich aus dieser Sache raushältst! Ein paar Reporter wollen sicherlich private Details über dich hören, wenn du nicht die Füße stillhältst!“, spielte der Kleinere seinen Joker aus. „Das wagst du nicht!“, empörte sich das Model und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Und wie ich es wage! Mir reicht es! Ich hab die Schnauze voll von dir und deinem selbstsüchtigen Verhalten. Yuu hilft mir wenigstens, ganz im Gegensatz zu dir!“ „Yuu!“ Kouyou schnaubte entnervt. „Wo hilft dir der tolle Yuu bitte? Wer weiß, was der sich für Vorteile davon erhofft! Der kennt Taka nicht einmal und weiß gar nichts über euch. Aber ist doch super, wenn er ‚hilft‘!“ Kouyou deutete das letzte Wort in Anführungszeichen in der Luft an. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie die Hilfe des anderen aussah. Aber damit wollte er sich nicht beschäftigen. „Ich geh‘ jetzt schlafen und das solltest du auch tun! Vielleicht bist du morgen wieder normal?“, wurde Kouyou etwas ausfällig und krabbelte unter die Decke. Demonstrativ drehte er Akira den Rücken zu. Das Gespräch war aus seiner Sicht vorerst beendet, auch, wenn er nach wie vor die missbilligenden Blicke in seinem Nacken spüren konnte. Doch anders als erwartet schien Akira es für heute gut sein zu lassen. Bis auf lautstarkes Atmen, welches einem Schnauben gleich kam, konnte man von ihm nichts mehr hören. Wenn er noch einen Kampf austrug, dann im Inneren. Eigentlich war Akira ein friedliebender Mensch und Streit legte sich bei ihm immer direkt auf den Magen. Daher war es nicht verwunderlich, dass dieser ihm Schmerzen verursachte. Augenscheinlich litt er nicht nur wegen des Streites mit Taka, sondern auch, weil einer seiner besten Freunde ihm bei dieser Sache in den Rücken gefallen war. Kouyou hatte zweifelsohne Stellung bezogen. In Akira keimten Zweifel auf, Szenarien, die er bereits mehr als nur einmal durchgegangen war. Wann wusste man, dass man eine falsche Entscheidung getroffen hatte? Wenn die Konsequenzen unerträglich wurden? Er konnte sich diese Frage nicht ehrlich beantworten, sagte sich, dass es sinnlos wäre, darüber nachzudenken. Geschehen war geschehen. Etwas, das passiert war, konnte man nicht rückgängig machen, egal, wie sehr man es bereute. Danach galt es nur, den Schaden zu begrenzen. Aber was, wenn der Schaden so groß war, dass man ihn nicht mehr begrenzen konnte, weil das Unheil seinen Lauf genommen hatte? Wieder einmal zermarterte er sich den Kopf darüber, was gewesen wäre, wären die Dinge zu jener Zeit anders abgelaufen? Aber all das lag nicht in seiner Hand. War es wirklich so vermessen von ihm, sich nach einem glücklichen Ende zu sehnen? Würde er sich verzeihen können, wäre er an Takanoris Stelle? Unweigerlich erinnerte er sich zurück an damals. Der salzige Geschmack des Meerwassers in seinem Mund, auf seinen Lippen. Um ihn herum der sterile Geruch von Desinfektionsmittel, von Plastik und Gummi. Die unbequeme Liege, die an seinem nackten Rücken klebte. Das stetige Ruckeln, sodass er das Gefühl hatte, ihm wurde schlecht. Die Unebenheiten der Straße, die er gespürt hatte, als sie mit dem Krankenwagen durch die Straßen jagten. Der Lärm der Sirene, der plötzlich verstummte. Seine Orientierung war komplett gestört. Er hätte nicht einmal sagen können, in welche Richtung sie gefahren waren oder wie lange die Fahrt gedauert hatte, während sie ihn abtransportierten. Plötzlich wurde der Wagen langsamer, es wurde dunkler. In einer Tiefgarage hatten sie Halt gemacht. Einer der vermeintlichen Sanitäter hatte ihn unwirsch am Oberarm gepackt, ihn von der Liege gezogen und aus dem Wagen geschubst. Zwei grimmig dreinblickende Kerle in schwarzen Anzügen, einer mit Sonnenbrille, hatten ihn in Empfang genommen. Er war keine zwei Schritte weiter gestolpert und sie verfrachteten ihn in einen abgedunkelten, schwarzen Van. Er fing sich mit dem Knie auf der Rückbank ab, setzte sich auf seine vier Buchstaben. Noch ehe er sich orientieren konnte, waren die beiden Kerle eingestiegen und der Fahrer düste los, raus aus der Tiefgarage, zurück in den Dschungel der Großstadt. „Umziehen!“, spie ihm der Kerl entgegen, der die zwei Sitzreihen des Vans mit ihm teilte. Auffällig war, dass seine Haut im Gesicht von Narben übersät war, doch Akira wollte nicht starren. Der Mann mit Sonnenbrille war vorn auf dem Beifahrersitz eingestiegen. Auch der Fahrer trug eine schwarze Sonnenbrille, doch darüber sollte er sich bestenfalls keine Gedanken machen. Er versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das war ferner der Moment, in dem Akira die schwarze Tasche auffiel, die neben ihm am Boden des Vans stand. Wohl fühlte sich Akira in der Gegenwart der drei Hünen nicht. Er konnte Teile von Tattoos am Nacken des Fahrers ausmachen und auch der Mann ihm schräg gegenüber wies Verzierungen an seinen Händen auf. Da er den Unmut der Männer nicht auf sich ziehen wollte, zog Akira die schwarze Tasche neben sich auf den Sitz und öffnete sie. Bis oben lag ein Handtuch, welches er sofort herauszog und es sich um die Schultern legte. Mittlerweile war er zwar zum Großteil getrocknet, aber er fror und seine blonden Haare waren nach wie vor feucht. Auch das Gefühl des harten Gummis unter seinen nackten Fußsohlen missfiel ihm. Es war erstrebenswert, seine Situation zu ändern. Daher durchforstete er den weiteren Inhalt der Tasche. Als Nächstes sah er Unterwäsche. Kurzzeitig schämte er sich bei dem Gedanken, sich hier vor einem Fremden auszuziehen, aber dann kam ihm der Gedanke lächerlich vor. Immerhin spielten sie gerade seinen Tod vor. Er würde weder seine Familie, noch seine Freunde oder diesen Mann ihm gegenüber wiedersehen. Warum sollte er sich also Gedanken über so etwas Banales machen? Er zog sich die Shorts aus, die er für das Shooting angezogen hatte, und ließ sie im Fußraum liegen. Nur grob rubbelte er sich mit dem Handtuch ab, ehe er in die schwarzen Boxershorts schlüpfte. Dennoch versuchte er den anderen Mann weitestgehend zu ignorieren. Auch die restlichen Sachen, die sich in der Tasche befanden, zog er sich nach und nach über. Darunter eine schwarze Jeans, Socken, ein himmelblaues Shirt, eine schwarze Sweatjacke und ein Cappy einer amerikanischen Baseballmannschaft. Die dunkelgrüne Jacke mit den hellbraunen Fellkragenbesatz sowie den dunkelgrauen Schal ließ er noch neben sich liegen. „Schuhe“, merkte der Mann ihm gegenüber mit dunkler Stimme an und Akira sah nach unten, erblickte seine Biker Boots. Diese konnte er, anders als die anderen Sachen, als sein Eigentum identifizieren. Also schlüpfte er in die schwarzen Schuhe und fühlte sich stückweise erleichtert. Alles hier fühlte sich wie ein surreales Schauspiel an, aber der Anblick seiner Boots beruhigte ihn. Er war am richtigen Ort und vermutlich verlief alles nach Plan. Einem Plan, den er selbst nicht kannte. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass sie auf einer Schnellstraße waren. Nur Schilder konnte er keine im Vorbeifahren lesen. Ein weiterer Versuch dies zu tun wurde durch ein Räuspern des Mannes unterbunden, der ihm andeutete, die Tasche weiter zu durchsuchen. Also warf er wiederholend einen Blick in diese. Es dauerte nicht lange und er fand am Boden der Tasche eine dicke schwarze Ledermappe. Ohne zu zögern, öffnete er den Reißverschluss und erblickte ein Bündel Dokumente, fein säuberlich sortiert. Auf diesem befanden sich noch ein paar andere Dinge. Sofort fiel ihm der Pass auf, der bis oben lag. „Suzuki… Akira…“, las er leise vor und starrte den Jungen auf dem Foto an. Das war er, ein älteres Foto. Sein Geburtsdatum war verändert worden. Zumindest das Jahr. Er war nun zwei Jahre älter. Die Adresse war eine andere als seine. Ansonsten war alles wie immer. Mit zittrigen Fingern öffnete er den Reisepass, der darunter lag. Auch hier starrte ihn das Foto an, auch hier die geänderten Angaben zu seiner Person. Beim Durchblättern konnte er sogar Stempel sehen, von Reisen, die er offenbar bereits unternommen haben sollte. Details. Klar, eine Lügengeschichte lebte von Details. Er nickte sich abwesend selbst zu, versuchte sich zu erklären, was er vor seinen Augen sah. „Sie benötigen für die Einreise die Unterlagen in der roten Steckmappe. Reisedokumente inkl. der Flugtickets und Sitzplatzreservierungen. Sie sind bereits eingecheckt. Es sollte keine Probleme geben. Alle Unterlagen, die nach der Landung abgegeben werden müssen, sind lückenlos ausgefüllt. An Bord ist eine Japanerin mit Namen Harima Mito. Sie wird sie in New York ansprechen und sie die nächsten Tage begleiten.“ „New York?“, fragte Akira entgeistert, was dem Mann in Schwarz nur ein Nicken entlockte. Akira aber war irritiert. Es war nicht das erste Mal, dass er eine Reise nach Amerika antrat, aber sein Ziel war sonst ein anderes. Trotzdem zog er die Bordkarte aus der roten Mappe heraus und konnte zweifelsfrei sein Ziel lesen: JFK. Direktflug. „Okay“, murmelte er. Diese neue Info musste er sacken lassen. Er wollte nicht wissen, was sie ihm angedichtet hatten. Trotzdem nahm er die Geldbörse, die sich in der Mappe befand, aus dieser heraus und öffnete sie. Kurz checkte er den Inhalt, stutzte. Es sah so aus, als hätte er Einkäufe getätigt. Sogar zwei Kassenzettel waren vorhanden, die auf Besorgungen aus einer Buchhandlung und einem Supermarkt hinwiesen. Er hatte eine überschaubare Summe an Yen-Scheinen in dem einen Fach, im anderen mehrere hundert Dollar. Außerdem befanden sich mehrere Karten in der Geldbörse. Eine identifizierte er als Kreditkarte, eine andere war eine Karte von einer amerikanischen Bank. Anscheinend war alles durchgeplant bis ins kleinste Detail und er musste nur noch mitspielen. Mit einem tiefen Seufzen steckte er seine neue ID-Card zu den restlichen Karten und klappte die Geldbörse zu. „Halten sie sich an Harima-san. Sie wird sie in den nächsten Tagen auf alles vorbereiten.“ Wieder dieser Name und wieder blieb Akira nichts übrig, als zu nicken. Das war also das Ende von Shiino Akira und am anderen Ende der Welt wartete das Leben von Suzuki Akira auf ihn. „Wir liegen gut in der Zeit. 2 Stunden bis zum Boarding. Begeben Sie sich direkt zum Gate. Ihre Koffer sind bereits aufgegeben. Ihr Handgepäck befindet sich hinter ihnen. Falls sie noch umpacken wollen, dann jetzt!“ Was hatte er auch erwartet? Dass man ihn mit Samtpfoten anfasste? Oder einen liebevollen Abschied plante? Eigentlich nicht, aber dieser Ausdruck von dem Kerl kam ihm vor, als war er auf dem Weg zu einem Umerziehungslager für schwer erziehbare Jugendliche. Trotzdem traute er sich kaum, etwas zu sagen. Unsicher kniete sich Akira auf die Sitzbank und warf einen Blick dahinter. Dort stand ein schwarzer Rucksack zusammen mit einer Laptoptasche. Er langte hinter den Sitz, um seinen Rucksack nach vorn zu ziehen. Das Gleiche machte er mit der Tasche. Routiniert steckte er sich die Geldbörse in die Jackentasche. Den Reisepass verstaute er in der Außentasche der Laptoptasche und dann fiel ihm ein weißer Zettel auf, der zusammengefaltet in der Ledermappe lag. Er nahm ihn und las darauf fein säuberlich notierte Wörter: „Du musst stark sein!“. Die Schrift war ohne Zweifel die seiner Mutter. Ein beklemmendes Gefühl kroch in ihm nach oben und er wollte diesem kurzzeitig nachgeben, atmete tief durch, um die aufkeimenden Tränen zu unterdrücken. Hecktisch steckte er den Zettel zurück in die Ledermappe, ganz nach unten. Jetzt war nicht die Zeit für Gefühlsduseleien. Er zog den Reißverschluss wieder zu und packte die Mappe auf den Laptop, der sich in der Tasche befand. Alles wurde sicher verstaut. Er würde auf dem Flug noch genügend Zeit haben, um den Inhalt der Ledermappe zu durchforsten. Alles Wichtige schien er in sein Handgepäck gepackt zu haben, also band sich Akira den Schal locker um und warf sich in die Jacke, die für ihn bereitgelegt worden war. Trotzdem fühlte es sich an, als ob etwas fehlte. „Uhm, Handy?“, fragte er nach. Seins lag schließlich noch in der Maske vom Set bei seinen privaten Sachen, die er heute mit zum Strand genommen hatte. Aber vermutlich würde er das nicht wiederbekommen. „Später!“, wurde Akira gemaßregelt. Seine Unzufriedenheit über diese Antwort konnte er nur schwer verbergen. Er wusste nicht, wohin es ging, was sein Ziel war und man beraubte ihm seiner einzigen Kommunikationsmöglichkeit. Das waren tolle Aussichten. Andererseits war das ein notwendiges Übel. Wen sollte er auch anrufen, wenn er tot war? Doch eigentlich wollte er sich mit diesem Szenario nicht auseinandersetzen. „Wo werde ich Harima-san treffen?“, erkundigte er sich bei dem Mann ihm gegenüber und versuchte seine Gedanken zu fixieren. Er konnte es sich nicht leisten sich irgendwelchen Tagträumen hinzugeben. Gerade musste er mit den aktuellen Gegebenheiten arbeiten und sich auf seine Flucht ins Ungewisse konzentrieren. „Sie wird nach der Landung auf sie zukommen. Seien Sie sicher, dass sie auch während des Fluges ein Auge auf Sie hat. Wir gehen kein Risiko ein.“ „Okay.“ Anscheinend gehörte es zum Plan, ihn nicht einzuweihen was Sache war. New York. Danach vielleicht Hawaii oder Washington? Akira wusste, dass er keinen Rückzieher mehr machen konnte, trotzdem hatte er sich den Start in ein neues Leben anders vorgestellt – mit mehr Mitspracherecht zum Beispiel. „Haneda – JFK, krieg ich hin!“, meinte er trotz allem optimistisch. Kurz darauf kam der Van zum Stehen. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass sie unmittelbar vor einem Eingang des Flughafengebäudes gehalten hatten. Mehr musste man ihm nicht sagen. Die Aufforderung war selbsterklärend. Akira schnappte sich seinen Rucksack, schulterte diesen und die Laptoptasche nahm er in die Hand. Auch, wenn es womöglich fehl am Platz war, schenkte er dem Mann ein freundliches Lächeln, ehe er sich das Cappy noch ein Stück mehr ins Gesicht zog. „Richten Sie meinen Eltern aus, dass sie sich keine Sorgen machen brauchen. Ich schaff das schon! Und danke für alles!“ Mit diesen Worten sprang der blonde Junge aus dem schwarzen Van und trat seinen Weg in das Flughafengebäude an. Die automatische Tür schloss sich nahezu geräuschlos hinter ihm und er ging festen Schrittes auf die Anzeigetafel zu. Seinen Flug konnte er problemlos unter den angezeigten Flugdaten ausmachen. Geleitet von dieser neuen Information begab sich Akira zum Gate, bereit, ein Leben hinter sich zu lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Kapitel 32: ------------ Undone Kapitel 32 Der Morgen graute und die Sonne vertrieb die Dunkelheit der Nacht. Stück für Stück, bis der Tag vollständig hereingebrochen war. Trotzdem wusste Takanori, dass die Dunkelheit nicht gänzlich verschwinden würden. Sie war lediglich woanders. Einfach nur für ein paar Stunden in einem Versteck, um dann wiederzukommen, dunkler denn je. Genau so, wie die Dunkelheit und die trübsinnigen Gedanken, die sich in seinem Herzen, wenn nicht gar in seiner Seele breit gemacht hatten. Aufgaben und Tätigkeiten vermochten sie in den Hintergrund zu schieben, aber kaum war da nichts mehr, kehrte die Beklemmung zurück. Koron war versorgt, hatte das teure Futter aus dem Supermarkt gierig heruntergeschlungen als wäre es die erste Mahlzeit seines Lebens. Er spülte nach mit Wasser aus der Leitung. Da schien er nicht wählerisch zu sein. Anschließend siegte die Müdigkeit über den kleinen Mann. Takanori war neidisch, denn er wusste, dass er in den nächsten Stunden auch keinen Schlaf finden würde. Eigentlich war er todmüde, aber sein Geist tanzte Samba. Immer wieder ploppten Gedanken in seinem Kopf auf, die ihn piesackten. Kleine Dämonen, bereit, da zu sticheln, wo es so richtig wehtat. Wie sollte er dem nur Herr werden? Takanori lehnte seine Schläfe gegen die Wand neben seinem Fenster, während er nach unten auf die Straße starrte, nebenbei eine Zigarette rauchte, die es auch nicht vermochte, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Vielleicht verkürzte sie aber seine Zeit hier. Die Bäume dort unten boten den perfekten Schutz, wollte man ihn beobachten und beschatten. Viel würde man vielleicht nicht sehen, aber man hatte sowohl den Eingang als auch seine Wohnung im Blick. Sein paranoides Ich war erwacht und bekam immer mehr Futter durch seine Gedanken. Hatte er sich nach dem Einbruch schon furchtbar gefühlt, so nahmen seine Gefühlsregungen just in diesem Moment ganz andere Nuancen an. Sein Magen verkrampfte sich schmerzlich. Es folgte ein weiterer Schluck von seinem gesüßten Kaffee, den er sich im Supermarkt gekauft hatte. Wenn er es sich nicht nur einbildete, dann konnte er genau spüren, in welchen Moment dieser seinen Magen erreichte. Alles war auf einmal so viel klarer und deutlicher, was seinen Körper anbelangte, aber seine Gedanken verschwammen immer mehr in einem ungenießbaren Einheitsbrei. Grau. Pampig. Trauer war ihm bekannt. Wut ebenso. Aber was da gerade in ihm vor sich ging, konnte er nur schlecht in Worte fassen. Vielleicht eine Mischung aus Verzweiflung, Enttäuschung und Einsamkeit. Betrug? Zurückgelassen? Wie einfach wäre es, jetzt zu verschwinden. Eine Existenz, gelöscht! Oder irgendwo neu anfangen. Ganz bei null. Kein ‚früher‘ und keine Erinnerungen. Takanori starrte auf sein Handgelenk, an dem er vor nicht allzu langer Zeit noch das Armband von Akira getragen hatte. Er hatte es abgenommen. Nichts sollte ihn an diesen Kerl erinnern. Es war auch nicht so, dass er sich etwas antun wollte, aber trotzdem hatte er das Gefühl, als würden sich unsichtbare Fäden um seine Handgelenke legen, ihn steuern. Er fühlte sich wie eine Marionette, aber er wusste nicht, wer die Stricke in den Händen hielt und ihn lenkte. Vielleicht waren sie alle nur Schachfiguren, die über ein Brett geschoben wurden. Läufer schlägt Bauer und sowas. Mit Verlusten ist zu rechnen. So unsicher, wie Takanori darüber war, wie es jetzt mit ihm weitergehen sollte, so sicher war er sich darüber, dass er erstmal aus dem Spiel genommen werden wollte. Der Blick auf sein Smartphone machte es nicht besser. Vielleicht war er nicht nur ein Stalking-Opfer, sondern jetzt auch Telefonterror ausgesetzt. Das Stadium seiner Übelkeit nahm weiter zu, aber er suchte in seinen Kontakten nach der Nummer, die er eigentlich nicht wieder wählen wollte, es trotz allem tat. Das monotone Tuten nervte ihn unmittelbar, aber dann hörte er ein Knacken am anderen Ende der Leitung und eine Frau ratterte den auswendig gelernten Text herunter. „Doktor Hirako, Matsumoto Takanori am Apparat.“ Die kleine Pause, dauerte sie nur einen Bruchteil einer Sekunde, reichte aus, dass sich Taka so erbärmlich wie noch nie in seinem Leben fühlte. Regelrecht wie vom Blitz getroffen. „Ich…“ Seine Stimme brach. Und als wäre mit dieser Stille ein Damm gebrochen, füllten sich seine Augen mit Tränen. All die schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre kehrten zurück. Die Wut, die Verzweiflung, die Unzulänglichkeiten, die er erfahren hatte. Es war schlichtweg beschissen, Hilfe nötig zu haben. „Ein Rückfall?“, hörte er die Stimme beherrscht fragen, als wäre es ein Teil des Alltagsgeschäftes. War es vermutlich auch, aber für ihn bedeutete es den Zusammenfall des Kartenhauses, welches er sich mühsam aufgebaut hatte. Karte für Karte. „Ja“, formten seine Lippen die Antwort und die Karten lagen wild verstreut wieder vor ihm auf dem Tisch. Manchmal reichte ein Windstoß, aber die Sache mit Akira kam einem Orkan gleich. „Seit wann?“ „Seinem Todestag“, kam die Lüge wie selbstverständlich über seine Lippen. „Verstehe. Wollen Sie darüber reden?“ „Nein. Es… ändert nichts. Ich… Ich brauche Zeit für mich. Mir entgleitet alles.“ Dieser Teil war nur halb gelogen. „Okay. Eine Woche?“ „Ja.“ „Soll ich Ihnen auch Medikamente verschreiben? Die haben das letzte Mal gut angeschlagen, wobei ich trotzdem der Meinung bin, dass wir die Gesprächstherapie wieder aufnehmen sollten.“ „Versuchen… wir es vorerst mit Tabletten.“ „Okay. Ich mache alles fertig und Sie überlegen es sich noch einmal mit dem Termin. Den können Sie auch mit der Kollegin vereinbaren. In einer Stunde sind die Unterlagen fertig und sie können sie abholen. Ich lasse sie an der Rezeption hinterlegen.“ „Vielen Dank.“ „Lassen Sie sich nicht unterkriegen, Matsumoto –san. Denken Sie immer daran, dass jeder Mensch in seinem Leben jemanden verliert, der ihm nahesteht. Früher oder später. Wichtig ist, dass Sie weitermachen. Nur, wenn sie das tun, können sie sich entwickeln und eine Veränderung herbeiführen.“ „Danke, Frau Doktor!“, sagte er noch und legte auf. Dieses Brainwash-Gerede brauchte er gerade nicht auch noch. Verlust war eine Sache, aber wenn der Totgeglaubte wieder zurückkam, dann war das eine andere Nummer. Takanori wischte sich über seine Augen. Er wollte nicht mehr heulen, aber unter Kontrolle brachte er das auch irgendwie nicht. Diese bekloppten Gefühlsausbrüche schlauchten und machten ihn zusätzlich fertig. Trotzdem hatte er sich vorerst seine Auszeit gesichert. Blieb nur noch herauszufinden was man tat, wenn man mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurde. ******* „Akira! Nun komm doch endlich zur Vernunft!“, meckerte Kouyou erneut. „Was meinst du macht er, wenn du jetzt bei ihm auftauchst? Der haut dir höchstens noch eine rein! Willst du das?“, versuchte es das Model noch einmal. Er war es langsam leid seinem langjährigen Freund wie ein verrückt gewordener Fan hinterherzulaufen. Fast so, als hätte er Zucker in den Taschen. Aber genau das tat er, nachdem sie beide vom Frühstückstisch aufgestanden waren. „Lass mich einfach in Ruhe, Takashima!“ „Ich kann dich aber nicht einfach in dein Unglück rennen lassen!“ „Keiner zwingt dich, mir zu folgen!“, machte Akira seinen Standpunkt klar und schubste die Tür auf, hinter der der Apartmentkomplex in dem Takanori wohnte, lag. Kurz darauf betätigte er auch schon die Klingel. „Er macht dir eh nicht auf! Wieso sollte er?“, fragte das Model, welches heftig atmend hinter dem anderen zum Stehen kam. Dafür, dass er so oft Joggen ging, musste er gerade doch ziemlich pumpen. Das, was Akira da veranstaltet hatte, kam einem Dauerlauf gleich. „Das werden wir noch sehen! Ich MUSS mit ihm reden!“ Wütend über die gesamte Situation betätigte Akira mehrfach die Klingel zu Takanoris Wohnung, was ihm ein Augenrollen von seinem Kumpel einbrachte. „Klar, wenn du Sturm klingelst, macht er dir ganz sicher auf!“, kommentierte er Akiras Tun mit sarkastischen Worten. „Du nervst!“, keifte ihn Akira an. Aber er sah auch ein, dass das nichts brachte, daher machte er auf dem Absatz kehrt. „Häh? Wo willst du denn jetzt schon wieder hin?“, fragte das Model, da der andere wie eine V1 an ihm vorbeischoss. Eine Antwort blieb er ihm schuldig. „Das ist doch alles nicht wahr!“, resignierte der großgewachsene Japaner und folgte seinem Freund, der augenscheinlich die nächste Schnapsidee im Sinn hatte. „Nicht dein Ernst!“, kam der nächste Kommentar als Kou mitbekam, was Akira nun tat. Dieser stiefelte der Feuerleiter nach oben. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Du bist total wahnsinnig! Nun komm schon wieder runter! Das ist Hausfriedensbruch! Du wohnst hier gar nicht und ein Notfall liegt auch nicht vor!“, versuchte es Kouyou noch einmal, aber vergeblich. Sein Ziel vor Augen marschierte Akira weiter der Treppe nach oben. „Manchmal hasse ich dich, Suzuki!“, nuschelte Kou und setzte sich widerwillig auch in Bewegung. Über diesen Typen konnte man ernsthaft nur noch den Kopf schütteln. Oben angekommen fand er Akira vor, der wie wild gegen Takanoris Wohnungstür hämmerte. „Oh ja, wenn jemand so vor meiner Tür stehen würde, würd ich auch sofort öffnen!“, sagte Kou sarkastisch. „Taka, mach‘ schon auf! Wir müssen reden!“, ließ sich Akira nicht von seiner Mission abbringen. Wieder ertönten die dumpfen Schläge seiner Faust, als er vor die Tür hämmerte. „Als würde ein Mörder vor der Tür stehen, ey!“ Kouyou verschränkte seine Arme vor der Brust. Er nahm nicht an, dass Takanori öffnen würde. Immerhin wusste er, wie stur der andere sein konnte. „Ich bin alles, aber ganz sicher kein Mörder. Was willst du überhaupt hier? Nur blöde Kommentare ablassen? Die kannst du dir in den Arsch stecken!“, fauchte Akira sichtlich gereizt. Darunter musste auch gleich die Tür wieder leiden. „Taka! Bitte! Mach auf!“ „Unverbesserlich“, seufzte das Model resignierend und lehnte sich gegen die Wand neben der Tür. Das Klopfen und Hämmern von Akira sowie seine Rufe schallten durch den gesamten Flur. Und schließlich öffnete sich eine Tür. Allerdings nicht die von dem Apartment, in das sie gerade wollten. „Entschuldigen Sie, meine Herren, aber Sie sind sehr laut“, erklärte eine andere Mitbewohnerin des Hauses, die nun von den beiden Störenfrieden mit großen Augen angesehen wurde. „Entschuldigen Sie bitte!“, übernahm Kouyou zumindest den Anstandspart und verbeugte sich vor der Dame. „Ich glaube auch, dass Matsumoto-san gar nicht zu Hause ist. Er hat heute Morgen das Haus verlassen, als ich wiedergekommen bin, nachdem ich meinen Sohn weggebracht habe“, gab die Dame eine Information preis. „Wann war das?“, platzte es sofort aus Akira heraus, sodass die Frau etwas zurückschreckte aufgrund der burschikosen Art, die der junge Mann an den Tag legte. „Steckt Matsumoto-san denn in Schwierigkeiten?“, vergewisserte die Dame sich vorerst. Diese beiden Männer machten nicht gerade einen vertrauenswürdigen Eindruck. Vor allem der eine machte einen sehr aggressiven Eindruck auf sie. „Was?“, fragte Akira gleich wieder, als hätte er die Anspielung nicht verstanden. „Nein, nein!“, sprang Kouyou daher wieder ein und setzte sein schönstes Werbelächeln auf. „Das nicht. Taka-chan hat nur etwas, das uns gehört. Und das hätten wir gern wieder.“ Die Frau schien kurz bei dieser Antwort zu überlegen, wollte aber jeden Ärger aus dem Weg gehen. „So gegen 9 Uhr. Vielleicht auch etwas früher. So genau kann ich das gar nicht sagen.“ „Und wo er hin wollte?“, hakte Akira augenblicklich nach. „So nah stehen wir uns nicht. Vielleicht ist er zur Arbeit gegangen? Aber für gewöhnlich verlässt er das Haus dann früher“, dachte die Frau laut nach. Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen!“, entwand sie sich aus der weiteren Schuld. „Schon in Ordnung. Sie haben uns sehr weitergeholfen. Wir werden jetzt gehen!“, übernahm Kouyou die Führung. Nicht gerade nachsichtig schubste er Akira in Richtung des Fahrstuhles. Doch der wollte sich nur sehr ungern hier wegbewegen, was die Dame wieder sehr skeptisch dreinblicken ließ. „Nochmal vielen Dank. Und einen schönen Tag für Sie!“, sagte Kouyou noch einmal und deutete eine leichte Verbeugungen an, während er Akira etwas gewaltsamer zum Aufzug beförderte. Man merkte, wie bockig Akira wurde. So ein sturer Esel! „Dein Ernst? Er hat etwas, das wir zurückwollen?“, keifte er daher Kou gleich wieder an, als sie darauf warteten, dass der Fahrstuhl in ihrem Stockwerk ankam. „Na, was hätte ich denn sonst sagen sollen?“, fragte das Model. „Keine Ahnung. Aber doch nicht so ‘nen Schund! Jetzt denkt sie sicherlich, dass wir Kriminelle sind, die Geld zurückhaben wollen.“ „Was siehst du auch aus wie so ein Gangster?“ „Seh‘ ich gar nicht!“, verteidigte sich Akira und stieg missmutig in den Fahrstuhl. Noch ehe der andere hinzu gestiegen war, drückte er den Knopf für das Erdgeschoss. „Und wie nun weiter?“, fragte Kouyou nach, da er nicht gewillt war, sich auf weitere sinnfreie Diskussionen einzulassen. Akira war heute sowieso schon mit dem falschen Fuß aufgestanden. „Na was wohl? Auf zu Takas Arbeit!“, verkündete er seinen unausgegorenen Masterplan. „Klar! Ziehen wir die gleiche Nummer dort nochmal durch. Dann denkt bald jeder, dass Taka irgendwelchen Dreck am Stecken hat.“ „Zwingt dich keiner, mitzukommen!“ „Zwingen nicht! Aber irgendwer muss dich aufhalten und dich wieder zur Vernunft bringen! Das ist gerade wirklich ein aussichtsloses Unterfangen, das du da anleierst. Takanori wird dir nicht zuhören. Weder jetzt, noch morgen, noch sonst irgendwann! Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, aber ich halte es nach wie vor für besser, wenn wir unsere Sachen packen und einfach wieder nach Amerika zurückkehren!“ Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich und Akira nickte dem anderen zu. „Vielleicht hast du recht“, begann Akira. „Hab ich?“, fragte Kouyou nach und seine Augen weiteren sich vor Erstaunen. Woher kam die Einsicht? Wieder nickte der Kleinere ihm zu. „Du solltest deine Sachen packen und wieder verschwinden!“, sagte Akira. Im selben Moment schubste er Kouyou gegen die Rückwand des Fahrstuhls, sodass er ins Straucheln kam. Akira hingegen nahm die Beine in die Hand und drückte im Vorbeirennen noch den Knopf, der die Türen sich wieder schließen ließ. Er schlüpfte durch die Lücke, konnte Kou noch wettern und rufen hören, aber seine Stimme wurde dumpfer. Akira verlor keine Zeit und stürmte nach draußen. Er lief der Straße lang, gleich in die erste Seitengasse. Von dort aus schlug er Haken, damit Kouyou ihn nicht so schnell einholen konnte. Im Laufen war der andere ihm nämlich einiges voraus. Aber nicht, wenn er gar nicht wusste, wohin er denn rennen sollte. Kouyou glaubte auch, dass er Bock hatte sein Gezeter den gesamten Tag zu ertragen. So nicht! Allerdings konnte er jetzt auch nicht einfach bei Takanori auf Arbeit aufschlagen. Dort würde dieses Spatzenhirn ihn wohl am ehesten Suchen, um ihn weiter den Kopf zu waschen. ******* Zeit war relativ. Das war die Weisheit, die Takanori aus dem heutigen Tag zog. Manchmal verging sie wie im Flug, aber heute zog sie sich wie Kaugummi. Jede Minute fühlte sich an wie eine Stunde oder sogar mehr. Alles gefüllt von diesen miesen Gedanken, die ihn begleiteten. Auch der Abstecher beim Doc dauerte nicht so lange, wie er es sich erhofft hatte. Die Unterlagen erhielt er wie ihm zugesagt sehr unkompliziert an der Rezeption. Einen Teil trug er schließlich zu einer Apotheke, um sie gegen eine Packung kleiner Glücklichmacher zu tauschen und den anderen Teil brachte er auf seiner Arbeit vorbei, warf sie direkt in einen dafür vorgesehenen Briefkasten. Und damit war sein Pflichtteil für heute und die nächsten Tage erfüllt. Freier fühlte er sich trotzdem nicht. Die Gedanken quälten ihn weiter, schürten den Wunsch in ihm, nicht mehr er selbst zu sein. Er verstand nicht, was da gerade passierte, verstand auch nicht, wie er an diesem Punkt angelangt war. Aber irgendwas sagte ihm, dass er den Fehler nicht bei sich suchen sollte. Generell war es besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen. An ihr konnte man nichts mehr ändern. Nun galt es, einen Ausweg zu finden. Wer auch immer ihn manipulierte – Akira oder Kouyou oder sonst wer im Hintergrund – diese Person kannte ihn. Daher war es an der Zeit etwas zu tun, was so gar nicht Takanori-like war. Aber irgendwie musste er aus dieser Abwärtsspirale ausbrechen, um nicht komplett von ihr verschlungen zu werden. ******* Die Klingel schrillte in seinen Ohren und er starrte die weiße Tür ihm gegenüber an. Hier war er nun also. An einem Ort, an dem er nie wieder sein wollte. Und doch befand er sich hier. Und das zusammen mit seinem Reisekoffer, seiner Laptoptasche und seinem Hund an der Leine, der nervös auf und ab tippelte. Das würde er wohl auch tun, würde ihm sein Stolz dies nicht verbieten. Er hörte Schritte und dann öffnete sich die Tür vor ihm. Sofort schlug ihm Erstaunen entgegen. „Taka-chan? Du? Hier?“, fragte Takeru voller Unglauben nach. Dabei rutschte ihm auch seine modische, runde Sonnenbrille in rot bis vor zur Nasenspitze. Noch ein Stück weiter und sie wäre wohl gefallen. Mehr oder minder elegant schob Takeru sie wieder nach oben, musterte aber genau das Bild, welches sich vor seiner Tür abspielte. „Darf ich hereinkommen?“, fragte Takanori direkt nach. „Ehm, ja, klar!“ Hektisch trat der Designer zur Seite und ließ seinen Gast eintreten. „Na, was bist du denn für ein Hübscher?“, fragte Takeru und hockte sich auf den Boden, als er den kleinen Hund sah, der zusammen mit seinem alten Freund die Wohnung enterte. Doch Koron tat nicht dergleichen und setzte sich neben Takanoris Bein. „Wusste gar nicht, dass du einen Hund hast?“, versuchte sich Takeru in Smalltalk, während Takanori seinen Blick durch den vorderen Teil des Apartments schweifen ließ. Viel hatte sich hier nicht verändert. An der großen Wand prangte noch immer das rote Chamäleon, welches zu Takerus Markenzeichen geworden war. „Ist noch recht neu“, tat Takanori es ab. Viel mehr interessierte es ihm, zu wem die anderen Schuhpaare gehörten, die hier im Eingangsbereich herumstanden. Teils teure Schuhe, aber definitiv alle von Männern. „Du bist nicht allein?“, fragte er daraufhin nach. Aber wie konnte er auch in dem Glauben gewesen sein? Es ging in Richtung Abend und Takeru war doch eigentlich nie allein, wenn er sich die Vergangenheit wieder vor Augen führte. „Hm… ein paar Leute vom ‚inner circle‘ sind da. Yuhma, Kaie und so“, erklärte der Besitzer des riesigen Apartments und musterte seinen Gast weiter. Ob Takanori blieb? Oder war er nur auf Durchreise? Bei ihrer letzten Begegnung war doch eine recht merkwürdige Stimmung aufgekommen, die er nicht hatte zuordnen können. Aber jetzt war Taka-chan hier. Mit dieser Wendung hätte er nie im Leben gerechnet. „Die beiden habe ich Ewigkeiten nicht gesehen!“, ging Takanori darauf ein. „Eh… ja. Sie freuen sich aber bestimmt, dich wiederzusehen.“ Ganz koscher kam ihm das Verhalten des Kleineren nicht vor, dennoch räumte Takeru die Sachen des anderen zur Seite. „Bist du auf der Durchreise?“, wollte der Größere schließlich wissen, aber Takanori schüttelte seinen Kopf. „Nein, viel mehr auf Besuch. Aber… das können wir auch später klären. Gehen wir erstmal zu den anderen!“, schlug er vor und nahm Koron auf seinen Arm. Einige Fragezeichen erschienen zwar im Gesicht von Takeru, aber er nahm diesen Umstand dann wohl erst einmal so hin. „Was möchtest du trinken?“, erkundigte er sich, während sich Taka durch das Apartment bewegte, als wäre er nie von hier weg gewesen. Alles war noch genau in dem Zustand von damals, als er sich geschworen hatte, diesen Ort nie wieder zu betreten. Und doch war er nun hier. „Orangina, bitte. Vorausgesetzt das hast du da.“ „Ja, klar! Nachdem du San damit angesteckt hast, ist das hier nicht mehr wegzudenken! Ich geh‘ dir eine Flasche holen!“ „Super, danke!“, erwiderte Takanori und ließ seinen Blick über das Regal an der Wand schweifen. Da waren mehr Auszeichnungen dazu gekommen. Es war also doch nicht alles beim Alten. Takeru hatte noch mehr an Fame gewonnen, wurde für seine Arbeit geschätzt und scheffelte Millionen. Und er selbst war nach wie vor ein Nichts. Taka atmete tief durch und besann sich wieder. Es war nicht die Zeit, in Selbstmitleid zu zerfließen. Das konnte er tun, wann immer er allein war. Also setzte er seinen Weg fort in den hinteren Bereich. Dort hatte Takeru ein großes Zimmer zum Chillen und Entspannen hergerichtet. Natürlich roch man schon vor der Tür gewisse Substanzen, die der Grund waren, warum die Anwesenden sich wohl der Natur sehr verbunden fühlten. Trotzdem musste Takanori sich eingestehen, dass er diesen Ort etwas vermisst hatte. Wie ein Kind, das Zuflucht in seiner selbstgebauten Räuberhöhle suchte und der Meinung war, dass ihm dort nichts Schlimmes widerfahren konnte. Als er die sanften Klänge der Musik wahrnahm, fühlte er sich merkwürdig melancholisch. Eigentlich hatte er vermutet, dass er viel mehr negative Gefühle hiermit verband. Doch jetzt, wo er hier war, fühlte es sich vertraut an. Fast so, als würde man nach Hause kommen. „Hey, Jungs!“, begrüßte er die anderen. Sie waren zu dritt. Auf der linken Seite saß Yuhma. Er hielt einen Joint in der rechten Hand, an dem er gerade zog. Das würde entsprechend den Geruch erklären, der in der Luft lag und schon vorab ankündigte, was hier los war. Tja, was sollte er über Yuhma sagen? Er hatte sein Gesicht noch nie leiden können. Er war zwar hübsch und auch die hellblond gebleichten Haare standen ihm, aber irgendwas an seinem Gesicht störte Taka. Es war aalglatt und bot nichts Besonderes. Er hätte ebenso gut in einem Hostclub sein Geld verdienen können. Es hätte nichts geändert. Für Takanori jedenfalls nicht. Viele Berührungspunkte hatten sie ohnehin nicht. Eigentlich nur den einen: Takeru. Yuhma war wohl nach wie vor Takerus persönlicher Assistent und Mädchen für alles. Würde er seine Aufgabe schlecht machen, wäre er wohl auch nicht mehr hier. Also erübrigte sich alles Weitere. Aus Businesssachen hatte er sich eh weitestgehend herausgehalten. Aufgaben empfangen, Aufgaben erledigen und nichts hinterfragen. Das war die Devise. Auf der anderen Seite der King-Size-Couch, die in edlen, schwarzen Leder gehalten war und einmal die längste Seite des Raumes ausfüllte, saßen San und Kaie. Neu war, dass sie oder besser ihre Zungen eng miteinander verschlungen waren. Zumindest, bis er die Anwesenden angesprochen hatte. Kaie war eigentlich eher ein Rebell. Diese Art von Typ, die andere als Rowdy bezeichneten. Im Grunde war er immer auf der Suche nach Streit, was nicht selten in einer Prügelei geendet hatte. Sein burschikoses Auftreten wurde von seinen rot gefärbten Haaren untermalt. Die rot gefärbten Haare, die zusammen mit Sans azurblauen Haaren einen sehr hübschen Kalt-Warm-Kontrast bildeten. Okay, die Haarfarbe war definitiv neu! San kannte er nur mit schwarzen Haaren, was aber nicht hieß, dass er nicht hübsch war. Wenn Taka es sich recht überlegte, war San viel zu hübsch. Er hatte dieses typische, unschuldige Gesicht mit Teddybärknopfaugen in Mandelform. Man konnte ihm nicht böse sein, egal um was es ging. Er verkörperte den perfekten Schuljungen, der kein Wässerchen trüben konnte. Vielleicht war er das auch mal gewesen, bis diese Typen ihn verdorben hatten. Doch dass die beiden, die sich sonst immer in der Wolle hatten, nun so ‚gut‘ verstanden, war definitiv eine neue Information. „Fuck! Taka! Scheiße! Du bist das ja wirklich!“, war Yuhma der Erste, der seine Sprache wiedergefunden hatte. „Taka-chan! Wir haben uns Ewigkeiten nicht mehr gesehen! Los, setz dich!“, setzte auch San ein und patschte auf das Leder auf der freien Seite neben sich. Takanori nickte. „Hm, ja, da bin ich wieder“, antwortete er und ging der Aufforderung des wohl Harmlosesten aus der Gruppe nach. Er setzte sich zusammen mit Koron auf dem Arm, auf die Couch und machte seinem neuen Schützling erst einmal die Leine ab. „Das ist voll cool! Kommst du jetzt wieder öfters?“, plapperte San weiter. Unmittelbar in diesem Augenblick fiel Taka auch wieder ein, was er an dem anderen weniger hatte leiden können. Dieses ständige Reden und Plappern ging einem irgendwann gehörig auf den Geist. Doch für den Augenblick war es ok. „Ich weiß noch nicht. Mal sehen, was sich ergibt!“ „Ich fand es jedenfalls blöd, dass du auf einmal weg warst. Takeru fand das auch doof!“ Natürlich. Und zu der Aussage schmollte San auch noch. „Was sollte sich denn ergeben? Willst Takeru zurück? Ich dachte, die Trennung ist durch?“, war es Yuhma, der sich recht argwöhnisch äußerte. Man musste kein Genie sein, um zu bemerken, dass es ihm nicht sonderlich recht war, dass er hier war. Doch in dem Moment stieß Takeru zu ihnen. Im Vorbeigehen donnerte er Yuhma die Flasche Orangina gegen den Hinterkopf und grinste spitzbübisch. „Ich hab mich nie von Taka-chan getrennt. Du halluzinierst. Vielleicht solltest du weniger kiffen, Yuh-chan!“, kommentierte Takeru seine Handlung. Schwungvoll ließ er sich neben Taka auf die Couch fallen und reichte ihm die gekühlte Flasche mit dem Erfrischungsgetränk. „Du bist herzlich willkommen. Und das weißt du auch!“, betonte der Gastgeber noch einmal und San nickte eifrig. Seine Aufmerksamkeit galt aber dem Chihuahua, der es sich nun zur Aufgabe gemacht hatte, die Couch zu erkunden. „Danke“, sagte Takanori und behielt die Flasche in der Hand. Er blickte kurz in die Runde. Es war nicht zu übersehen, dass Yuhma grummelte, sich aber dafür entschied, die Klappe zu halten, da Takeru ein Machtwort gesprochen hatte. „Nun“, begann Taka, „was gibt es denn bei euch so Neues zu berichten?“, versuchte er auf die Art wieder Anschluss zu finden. „Wir haben jetzt unsere eigene Homepage!“, rückte Kaie mit der Sprache heraus. Er hatte sich bisher, ganz wider seiner Natur, sehr zurückgehalten. Doch sofort wurde er von San auf den Oberschenkel gehauen. „Du musst schon alles erzählen! Also, Kaie und ich haben zusammen ein Label gegründet: ‚Are Zan‘!“ „Ist sein Label, ich hab nur Geld beigesteuert!“, korrigierte Kaie die Aussage des anderen. „Ja, ja. Bla, bla! Jedenfalls… Label gegründet und die Sachen werden über eine Homepage vertrieben. Alles ganz ohne physischen Shop und doofe Mieten. Die Sachen kann man bestellen und das Zwischenlager ist in Yokohama. Läuft gut. Wir haben sogar schon Sachen nach Amerika geschickt“, berichtete der Blauhaarige freudig von ihrem kleinen Unternehmen. „Das ist echt cool. Was macht ihr denn so?“, fragte Taka nach. „ALLES“, kam sofort die gegackerte Antwort. „Also wir haben Shirts, Jogger, auch Jacken und Caps. Ich bin gerade an Sportswear dran. Aber da bin ich mit dem Material noch nicht zufrieden. Wir lassen nämlich in China produzieren. Ist billiger. Aber ja, die Muster, die wir bekommen haben, nun ja, fühlt sich halt nicht gut auf der Haut an.“ „Bei San muss sich alles gut auf der Haut anfühlen. Sonst wird er quengelig!“, kommentierte Kaie und grinste breit. Das war der Grund, warum er sich einen erneuten Schlag auf den Oberschenkel einfing. „Halt die Klappe, oder bei dir wird sich bald gar nichts mehr gut anfühlen!“, drohte der Blauhaarige. „Oh, oh, dann bin ich lieber still. Hatte doch noch Hoffnung auf ein paar gute Gefühle später am Abend!“, machte Kaie seine Absichten klar. San aber rollte mit den Augen. „Ja! Das ist jedenfalls bei uns neu!“, kam San wieder auf das Thema zurück, das sie gerade besprochen hatten. „Takeru hat in Hongkong einen Modepreis verliehen bekommen. Als Auszeichnung für die Kollektion von letztem Jahr! Gab auch eine schöne Stange Preisgeld“, meldete sich anschließend Yuhma zu Wort und schwenkte sein Glas mit augenscheinlich alkoholischem Inhalt. „Oh! Davon hast du ja noch gar nichts erzählt! Glückwunsch!“, sagte Takanori. Alle Infos, die seinen Ex anbelangten, hatte er gründlich aus seinem Leben gestrichen gehabt. Daher war wohl auch das an ihm vorbeigegangen. Sehr freundlich von Yuhma ihm das unter die Nase zu reiben. „Wir hatten auch noch nicht die Gelegenheit uns etwas persönlicher zu unterhalten“, äußerte sich Takeru zu dieser Sache und lehnte sich entspannt zurück. „Aber ich denke, das können wir im Laufe des Abends sicherlich noch nachholen.“ „Mir fallen noch ein paar Neuigkeiten ein! Wir haben jetzt unsere eigene Band!“, warf Yuhma ein. Das Lächeln, welches sich auf seinen Lippen abzeichnete, konnte alles und auch nichts bedeuten. Trotzdem sah Takanori, was für einen scharfen Blick Takeru seinem Assistenten zuwarf. Sie hatten also darüber geredet. Über… Kloe und ‚die Band‘. Was wussten sie wohl? Yuhma traute er alles zu, auch, dass er extra noch Salz in offene Wunden streuen würde, wenn sich die Gelegenheit dafür ergab. Ob Kloe geplaudert hatte, dass sie sich kannten? „Was denn? Wenn Taka-chan nun öfters kommt, wird er sie doch sicherlich auch kennenlernen. Oder möchtest du nicht teilen, Takeru-chan?“, fragte Yuhma direkt nach. „Du weißt doch: Auge um Auge, Schwanz um Schwanz!“, fügte er an. „So heißt das Sprichwort aber nicht, Yuh-chan!“, warf San ein. Yuhma aber schnaubte und erhob sich. „Ich geh pissen!“, äußerte er sich vulgär und stellte sein mittlerweile leeres Glas mit einem lauten Knall auf dem Glastisch, der mittig vor der Couch platziert war, ab. Dann verließ er den Raum. Takanori sah fragend zu Takeru. Da war doch was im Busch. Das sah ein Blinder mit Krückstock. „Was?“, sagte Takeru, lachte dann aber. „Ich hab mit seinem Spielzeug gespielt. Fand Yuh-chan nicht so geil. Seitdem ist er auf dem Trip mir das immer wieder unter die Nase reiben zu müssen. Hat ihn sonst auch nie gestört, wenn ich Jungs klargemacht habe, aber er hat anscheinend einen Narren an dem Sänger der Band gefressen. Eigentlich ist es nämlich er, der nicht teilen kann und will!“, folgte die Erklärung von Takeru. Wie immer machte er sich die Welt so, wie sie ihm gefiel. Es hatte sich wohl doch nicht so viel geändert. Trotzdem blieb die Frage, ob Kloe geredet hatte oder nicht. Vielleicht wussten die anderen gar nichts von der Verbindung, die Takanori zu ihm gehabt hatte. Kapitel 33: ------------ Undone Kapitel 33 „Wie sieht es aus, Jungs? Sushi?“, warf Takeru ein, als der Abend bereits vorangeschritten war. Auch die Softdrinks waren mittlerweile nach und nach durch Alkoholische ersetzt worden. Takeru sah bei seiner Frage ganz besonders Taka an. „Au ja!“, warf San als Erster ein. „Wo bestellen wir?“, wollte er sofort wissen und zückte sein Smartphone. Auch, wenn er sich dafür von Kaie lösen musste. Es war offensichtlich, dass mittlerweile zwischen den beiden mehr lief als nur die üblichen Spielchen, die der ‚inner circle‘ trieb. „Da, wo wir immer bestellen“, tat es der Designer mit einer Selbstverständlichkeit ab, die regelrecht zum Kotzen war. Takeru strotzte vor Selbstsicherheit. Wie schon immer. Er war eben der Leitwolf und alle anderen folgten ihm. Das zeigte auch sein Arm, der locker auf der Lehne hinter Taka lag. Besitzansprüche oder was auch immer er damit verdeutlichen wollte. „Magst du Lachs-Sushi immer noch so gern?“, fragte er und Takerus Finger suchten nach seinen Haaren im Nacken, fast so, als wollte er Takas Aufmerksamkeit erhaschen. „Ja“, antwortete er einsilbig, da er den scharfen Blick sah, den ihn Yuhma zuwarf, als er in Takerus Richtung sah. Da blieben ihm jegliche weiteren Worte im Hals stecken. „Wir sollten mehr bestellen. Wir kriegen noch Besuch!“, äußerte sich der Assistent neutral und hielt sein Smartphone, auf dem er bis eben irgendwelche Spiele gespielt hatte, in Richtung des Designers. Der überflog die Nachricht und nickte. Dann legte sich ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. „San, plan‘ zwei Personen mehr ein!“, gab er weitere Anweisungen. „Wer kommt denn?“, wollte nun auch Kaie wissen, der anschließend wieder an seiner Dose Strong Zero nippte, da sich seine bisherige Beschäftigung gerade ihrer Bestellung widmete. „Guck‘ doch Yuh-chan an, dann weißt du, wer kommt!“, stichelte San und füllte den Warenkorb auf seinem Smartphone mit ein paar der gemischten Menüs. Lachs durfte dabei nicht zu kurz kommen. „Verstehe. Aber hatten die nicht heute ‘nen Gig?“, wollte der Rothaarige wissen. „Taiban in Ike!“, kommentierte Yuhma. „Sie waren aber bereits als dritte Band dran. Hab‘ gesagt, sie können ruhig noch vorbeikommen.“ „Müssen die nicht bis zum Schluss bleiben?“, wollte Kaie weiter wissen. „Nee. Die haben da eh keinen Platz Backstage. Ist wie so ‘nen Schuhkarton. Und die anderen haben morgen Termine und Arbeit.“ „Was steht bei uns morgen eigentlich an?“, warf Takeru ein. „Wir wollten ins Atelier fahren und uns die Muster ansehen, die heute geliefert worden sind“, erwiderte Yuhma wie selbstverständlich. Immerhin war er nicht umsonst der Assistent des Meisters. „Stimmt. Cool!“, kommentierte der Designer und blickte wieder zu seinem Nebenmann. „Willst morgen mit dahin kommen?“, fragte er Taka, der seinen Blick unsicher erwiderte. „Ich halte das für keine gute Idee einem Außenstehenden Details über die neue Kollektion preiszugeben!“, äußerte Yuhma sofort seine Bedenken. „Hab‘ ich dich gefragt?“, knurrte Takeru und atmete tief durch. Natürlich konnte er es keineswegs leiden, wenn seine Entscheidungen infrage gestellt wurden. „Du kommst einfach mit. Ich denke nicht, dass du direkt zur Konkurrenz rennst, um denen zu sagen, was für heißen Scheiß wir entworfen haben!“ „Ich bin keine Petze!“, sagte Takanori. Dieser Kommentar galt eher Yuhma als seinem Ex. „Nein, natürlich bist du das nicht.“ „Außerdem ist Taka-chan doch gar nicht mehr in dem Gewerbe tätig, oder?“, warf San ein. Auch, wenn er die Bestellung nebenbei tätigte, lauschte er den Gesprächen, die hier geführt wurden. Eigentlich wünschte sich Taka, dass jetzt jemand die Initiative ergreifen und für ihn reden würde, aber da war niemand und er selbst war sich über diese Sache total unsicher. Er entschied sich für die halbe Wahrheit. „Jein. Also, ich arbeite noch in einem Team mit Designern, aber da geht es eher um Mode von der Stange. Nichts Aufregendes“, fasste er alles zusammen. „NG!“, warf Yuhma ein, was Taka aufblicken ließ. Anscheinend wusste Yuhma mehr über ihn, als ihm lieb war. „Ja. Dort“, gab er kleinlaut zu. Er wusste ja selbst, dass seine Anstellung in dieser Firma von ‚ideal‘ weit entfernt war. Nicht ohne Grund hatte er sich nach etwas anderem umgesehen, aber das konnte er wohl abhaken. Aus der Traum und die Seifenblase war wieder geplatzt. „Hab‘ gehört, da ist neulich wieder jemand gegangen worden, weil einiges schiefgelaufen ist.“ Taka lächelte. „Ich bin nur ein kleines Licht. Was in den anderen Abteilungen passiert, kommt bei mir gar nicht an.“ Und das war keine Lüge. Natürlich gab es Tratsch, aber man wusste nie, was wirklich dahinter steckte. „Ich finde eh, dass du dein Talent total vergeudest. Du kannst so viel mehr!“, äußerte sich Takeru zu der Sache und nahm den Arm wieder von der Lehne, um zu seinem Getränk zu greifen. „Mal sehen, was sich in nächster Zeit noch so ergibt.“ Seine Situation wollte Taka keinesfalls vor all den Anwesenden ausbreiten. Besonders nicht vor Yuhma. Selbst, wenn es ihm schleierhaft war, was vorgefallen war, wurde er das Gefühl nicht los, dass der andere einen Groll gegen ihn hegte. „Denken wir heute nicht an Morgen! San, Bestellung ist raus?“, sprach Takeru ein Machtwort und stand auf, da er mittlerweile seine Dose mit einem großen Zug geleert hatte. „Klar. Halbe Stunde ist angezeigt worden.“ „Perfekt. Will jemand noch was zu Trinken? Ich hole Nachschub!“ Fragend sah Takeru in die Runde. Aber so, wie es aussah, bestand wohl bei allen Bedarf. Das bemerkte auch Taka und stand auf. „Ich komm‘ mit und helf‘ tragen!“ Manchmal brauchte er einfach eine kleine Auszeit von der Gesellschaft der anderen. Also folgte er Takeru in dessen geräumige Küche und blieb an der Theke stehen, während der andere den Kühlschrank öffnete und sich einen Überblick darüber verschaffte, was er noch da hatte. Sah langsam sehr leer aus. Aber soweit Takanori das überblicken konnte, hatte sich hier nicht viel geändert. Die Küche wurde selten genutzt, der Herd blitzte und blinkte, es stand und lag kaum etwas herum. „Ich glaube, wir machen noch schnell einen Abstecher nach draußen. Die ollen Suffköppe plündern wöchentlich meine Vorräte!“, sagte Takeru amüsiert. „Ok. Kein Thema. Dann nehm‘ ich Koron gleich mit und geh‘ eine Runde mit ihm um den Block. Nicht, dass er hier noch deinen Teppich ruiniert.“ „Wäre nicht so geil. Aber klar, dann nehmen wir den Kleinen mit. Sagst den anderen Bescheid?“ Takanori nickte. Nun bekam er also eine längere Auszeit. Das war okay. Vielleicht konnte er Takeru dann ausfragen, wer noch herkam. Gut, Leute aus ‚ihrer Band‘, aber um wen es sich genau handelte, wusste er nicht. Ehrlicherweise hatte Takanori heute keinen Bock und erst recht keine Nerven, sich mit Kloe auseinanderzusetzen. ******* Es war bemerkenswert wie leer und friedlich die Straßen in diesem Teil Tokios bei Nacht waren. Das lag sicherlich daran, dass es hier vorwiegend Bürogebäude gab. Zusammen mit Koron wartete er vor dem Konbini, in dem Takeru Stammgast war. Der andere erledigte gerade ihre Einkäufe. Er hingegen hatte sich vor dem Laden auf einen der Steine gesetzt, die als Begrenzung der Parkplätze dienten. Koron wuselte wieder schnuppernd über den Boden und fand keine Ruhe. Wenigstens hatte er sein Geschäft schon erledigt und der Kontakt mit den anderen schien ihm nichts ausgemacht zu haben. Immerhin grabschte San die ganze Zeit an ihm herum und streichelte seinen Schützling. „Wenn wir zurück sind, bekommst du Futter“, versicherte Taka seinem Hund, als wäre dies der Grund für seine Rastlosigkeit. So recht konnte er es noch nicht glauben, dass er wieder bei Takeru gelandet war. Andererseits waren die letzten Stunden bis auf kleine Abstriche ganz angenehm gewesen. Damit hatte er nicht gerechnet. Schräg hinter ihm ging die automatische Tür des Konbinis mit einem Rauschen auf und er hörte das Klappern der Blechdosen in den Plastiktüten nah an seinem Ohr. Neugierig sah er nach oben. „Alles bekommen?“, erkundigte er sich bei Takeru. Der stellte die drei Tüten neben ihm ab und ließ sich ebenso auf den Stein nieder. „Ja. Ich hoffe, dass der Vorrat reicht. Wir haben sicherlich einen Moment zum Rauchen“, gab Takeru seinen weiteren Plan kund. Sofort zog er Schachtel und auch Feuerzeug sowie seinen tragbaren Aschenbecher aus seiner Bodybag. „Nur zu. Die anderen kommen sicherlich ohne uns klar.“ „Garantiert. Nehm nicht an, dass von denen auch nur einer heute nach Hause verschwindet.“ „Wie immer also?“ „Ja, kann man so sagen. Sie hängen öfters bei mir ab, als dass sie zu Hause sind.“ Genüsslich blies Takeru den Rauch aus, nachdem er seine Zigarette angezündet hatte und hielt Taka die Kippe hin. Der sah erst kurz auf diese, nahm sie dann aber doch entgegen. Er führte sie an seine Lippen und zog an ihr. Selbst der kurze Moment der Ruhe, der dadurch entstand, war nicht unangenehm. Taka erinnerte es fast an früher. Früher, als zwischen Takeru und ihm noch alles in Ordnung war. „Du hast es halt geschafft. Fame, riesige Wohnung, Unabhängigkeit. Kein Wunder, dass sie so gern bei dir abhängen.“ Er war da keine Ausnahme. Auch er hatte sich oftmals gewünscht, dass etwas davon auf ihn abfärben würde. Das war wohl der Grund, warum er nie gesehen hatte, wie er in diese Abwärtsspirale hineingeraten war, die ihn stetig weiter in die Tiefe riss. Takanori reichte die Zigarette an ihren Eigentümer zurück, der direkt den nächsten Zug nahm. „An manchen Tagen wünscht man sich aber etwas mehr Ruhe.“ „Schmeiß‘ sie raus!“ Okay, das sagte sich so leicht. „Das klingt zu drastisch. Ich mag sie ja gern um mich herum, aber die Zeiten, dass ich jeden Tag eine Party brauche, sind Geschichte. Mittlerweile stehe ich eher auf Qualität als auf Quantität.“ „Sehen das die anderen genau so?“, wollte Takanori wissen. Takeru lachte. „Auch ich kann ihnen nur vor den Kopf und nicht in ihren Kopf gucken. Sie machen ihr Ding. Es hat sich einiges geändert, seitdem du weggegangen bist. Es ist ruhiger geworden. Yuhma hatte eine Freundin angeschleppt und sich teilweise zurückgezogen. Und dann kam er mit der Band zurück. Kam gerade passend, weil ihn seine Alte abserviert hatte.“ Takeru redete wie immer abwertend über die Beziehungen der anderen. Vielleicht gehörte das aber einfach zu seinem Image dazu. Er war halt der Boss. Er hatte alles, bekam alles, stand über allem. „Und… wie sind die… eh… Neuen so?“, wollte Taka unsicher wissen. Vielleicht war jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem er Takeru etwas ausfragen konnte. Auf seinen Lippen jedenfalls spiegelte sich dieses diabolische Lächeln wider. Dieses Lächeln, das Takanori noch nie hatte leiden können. Es war so überheblich, dass man ihn einfach nur dieses dämliche Grinsen aus dem Gesicht wischen wollte. Unterschwellig sagte es ‚Ich bin alles, du bist nichts‘. Takeru bekam eben immer, was er wollte. „Kloe besorge ich es jede Woche. Der braucht das. Und wie gierig er ist. Manchmal glaub ich, dass er ‘ne kleine Schlampe ist. An mich hat er sich jedenfalls wie ein kleines Flittchen ran geworfen und direkt am ersten Abend meinen Schwanz gelutscht. Er wirkt jedenfalls so, als hat er es bitter nötig. Und du kennst mich ja: Ich kann sehr hilfsbereit sein!“ Wieder führte Takeru seine Kippe an seine Lippen, fast so, als wog er ab, was er ihm weiter erzählen konnte. Das änderte aber gar nichts daran, dass Takanori Kopfkino hatte. Nur zu gut konnte er es sich vorstellen, wie seine beiden Ex-Freunde es miteinander trieben. Er kannte beide. Er kannte die Vorlieben von beiden. Und ja, verdammt, die beiden ergänzten sich gut. Zu gut für seinen Geschmack. Aber kein Wunder, dass er da raus war. Taka konnte nichts dagegen tun, dass die Minderwertigkeitskomplexe wieder zuschlugen. Wobei er Takeru von sich aus verlassen hatte. Darum war er nicht in der Position, jammern zu dürfen. „Ryu… Na ja… Der muss in Stimmung sein. Sonst läuft da wenig. Der konzentriert sich meistens lieber auf seine Groupies. Aber Yuh-chan steht voll auf ihn. Soweit ich weiß, hat der schon ‘nen paar Mal ‘nen Dreier mit ihm und einen von Ryus Fans geschoben. Muss man halt drauf stehen.“ Takeru zuckte gleichgültig mit deinen Schultern. „Und die anderen sind nicht zwingend mein Fall. Also vom Körper her okay, attraktiv und sexy sind sie zwar schon, aber sonst passt das eher weniger. Außerdem muss ich den anderen auch etwas Frischfleisch übrig lassen!“, sagte der Designer amüsiert. „Und was geht bei dir so? Alles wieder gut bei dir und… dieser Sache?“ Ganz dezent deutete Takeru mit seinem Zeigefinger nach unten auf Takas Schritt. Der checkte erst gar nicht, was der andere meinte und blickte suchend nach unten, bis es dann doch Klick machte. „Uhm, ja. Ist ok. Alles wieder gut!“, murmelte er überstürzt. Taka und seine unausgegorenen Lügengeschichten. Wenigstens sollte er sich seine Lügen dann auch merken. Würde er ertappt werden, wurde es definitiv peinlich für ihn enden. Gerade hätte er sich wieder selbst ohrfeigen können. „Haste von diesem Suzuki? Der von der Party?“, hakte Takeru nach und zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, ehe er sie auf dem Asphalt ausdrückte und den Stummel in seinen Aschenbecher stopfte. Takanori versuchte sich bloß nichts anmerken zu lassen, selbst, wenn die Erwähnung von Akiras Namen einen Orkan in ihm auslöste. Taka überlegte. Er musste schnell abwägen, was er sagte. Nicht, dass er sich unbedacht in Lügengeschichten verstrickte. „Eh, nein. Nicht von Suzuki. Das war… so eine unverbindliche Sache. Hab‘ nur leider nicht aufgepasst.“ „Aber mit diesem Suzuki haste was am Laufen, oder?“, wollte Takeru weiter wissen. Sein Blick lag auf dem Kleineren neben sich, als könne er von dessen Reaktion die Situation ableiten. Und Taka wusste nicht, was er erwidern sollte. Lüge? Wahrheit? Okay, keine Wahrheit! Die war eh viel zu kompliziert. Aber lügen? Takeru würde ihn doch direkt durchschauen. Das war alles so absurd! „Aha! Es ist also kompliziert?!“ Takeru lachte los. Takas Zögern verriet einiges, vor allem, da er in sich zusammenzusinken schien. Es war ihm also unangenehm, diese Frage zu beantworten und irgendwie war Taka froh, dass der andere ihm eine Antwort abnahm. Er war noch nicht so weit, dass er über dieses Fiasko sprechen konnte. Er verstand das alles ja selbst nicht einmal und war vorerst zufrieden damit, nicht gleich wieder anzufangen zu heulen. Selbstbeherrschung lautete das Zauberwort. Ein bisschen stolz war er auf sich, dass er sich bisher einigermaßen im Griff hatte. „Viel komplizierter, als du es dir vielleicht vorstellen kannst. Aber das ist nun vorbei. Abgehakt.“ „Besser so. Der Typ war mir auf der Party schon irgendwie suspekt. Hat mir direkt ‘ne Ansage gemacht. Irgendwas an ihm gefällt mir nicht. Der riecht nach Ärger.“ Takanori konnte es neben sich rascheln hören. Als er zur Seite blickte, sah er, wie Takeru seine Sachen wieder in seiner Tasche verstaute. Anscheinend war es nun Zeit zu gehen. „Hat er?“, fragte Taka etwas verspätet nach. „Hm, irgendwie schon. Der kam mir jedenfalls ziemlich blöd. Hat sich bissel aufgespielt wie dein Bodyguard.“ Takeru klang genervt und erhob sich. Taka jedoch blieb sitzen. Er musste an die Party denken und wie sie mit Takeru geredet hatten. Takeru. Und dann Kloe, der ihm als neues Spielzeug vorgestellt worden war. Und eben an das danach. Schlecht gelaunt war er abgedampft. Wegen Takeru und Kloe. Dann hatte Akira ihn geküsst. So herrisch und besitzergreifend. Takas Magen krampfte sich zusammen und er drückte seine flache Hand auf seinen Magen, als könne er damit etwas bewirken. Da waren sie wieder, diese beschissenen Schmetterlinge und das Kribbeln in seinem gesamten Körper. Dicht gefolgt von der Übelkeit. Aber genau das wollte er nicht und es schnürte ihm die Kehle zu, ohne dass er etwas gegen dieses Gefühlschaos unternehmen konnte. Dieser elende Bastard! Was dachte er sich nur dabei? „Darf ich heute bei dir im Bett schlafen, Ru-chan?“, fragte Takanori und erhob sich vom Boden. „Oho! Jetzt, wo du wieder einsatzbereit bist, willst du wohl was nachholen?“, zog Takeru den anderen auf, da der sogar seinen Spitznamen benutzt hatte, und reichte ihm eine der Tüten aus dem Konbini. Taka hielt sich bedeckt, nahm die Tüte entgegen und zuppelte leicht an der Leine, damit Koron zu ihm kam. „Mal sehen“, lautete seine unschlüssige Antwort. Er wollte sich noch auf nichts festlegen. Vor allem, weil er wusste, wie ausschweifend die Abende bei dieser Gruppe werden konnten. Hauptsächlich brauchte er eine Bleibe für die Nacht. Da spielte es keine große Rolle, wo er schlief. Er wollte nur an einem Ort sein, der nicht von Akira verseucht worden war. Und wenn dieser Ort bei Takeru war, dann sei es drum! Hauptsache er konnte heut Nacht ruhig schlafen - ganz ohne an Akira denken zu müssen. Dafür war Takerus Wohnung die beste Wahl, die er hätte treffen können. ******* Akira hatte gerade erst den Schlüssel in das Schloss gesteckt, als die Tür vor ihm aufgerissen wurde. „Da bist du ja endlich!“ Kouyou klang besorgt und erleichtert zugleich, aber Akira hatte nur ein Brummen für ihn übrig. „Wo warst du den ganzen Tag?“, plapperte er weiter auf ihn ein und schloss die Tür hinter seinem Kumpel, nachdem er eingetreten war. „Du klingst wie meine Mutter!“, gab der Kleinere abschätzig von sich. Aber leider hatte seine Mutter diesen Kommentar auch vernommen. Sie stand mit verschränkten Armen in der Tür zur Küche und musterte ihren Jungen. „Deine Mutter interessiert das aber auch, Akira!“, bekräftigte sie die Frage des Models. Akira atmete genervt aus. Das konnte er leiden. Beide stürzten sich gleich wie die Hyänen auf ihn. Trotzdem streifte er sich zunächst seine Jacke von den Armen. Diesen Tag hatte er sich echt anders vorgestellt. Auf ein Kreuzverhör jedenfalls hatte er wenig Lust. „Taka gesucht“, antwortete er kurz und knapp. „Und nicht gefunden! Bevor ihr weiterfragt! Danach war ich noch beim Frisör!“, teilte er voller Zynismus mit und zog sich das Cappy von seinem Kopf. Zum Vorschein kamen seine frisch blondierten, verwuschelten Haare. Sie waren auch kürzer als noch am Morgen. „Heilige Mutter Gottes!“, entkam es Akiras Mutter und er guckte sie wohl ebenso entsetzt an, wie Kouyou ihn ansah. „Mum! Du bist nicht gläubig!“, warf er ein und schüttelte seinen Kopf. Er wurde aufgehalten, als Kouyou an seinen Haaren zupfte. „Du bist wieder ‘ne Blondine!“, stellte das Model fest. „Ne richtig krass helle Blondine!“, korrigierte er seine Aussage. Akira schob seine Hand entnervt von sich. Er konnte es ohnehin nicht sonderlich leiden, wenn man ihn einfach so anfasste. An den Haaren Zupfen war noch eine Spur nerviger. „Ja, Mann! Ich wollte halt!“, gab er murrend zurück. „Back to basic oder sowas!“ „Du siehst um Jahre jünger aus. Das ist wieder mein Aki-chan!“, freute sich die ältere Dame. Nun kam sie auch noch auf ihn zugerannt und umarmte ihn herzlich. „Mum, hör auf! Das ist voll peinlich!“ „Nein, mein Hübscher! Du siehst wundervoll damit aus.“ Sie tätschelte seine Wange und betrachtete ihn nochmal von Nahem. Unweigerlich fühlte er sich wie ein kleines Kind. „Ich wollte es dir zwar nicht sagen, aber die dunklen Haare machen dich so alt und jetzt siehst du wieder aus wie mein Akira! Du bist so ein hübscher Mann geworden. Unglaublich!“ Neben den Lobeshymnen tatschte seine Mutter ihm natürlich noch weiter im Gesicht herum. Es war regelrecht peinlich, wie stolz und zufrieden sie ihn ansah. Unangenehm! Akira versuchte sich wegzudrehen. Das ertrug er nicht. „Können wir damit jetzt aufhören?“, bat er. Bei so viel Zuspruch fiel es ihm gleich schwer, seine miese Laune aufrechtzuhalten. Das alles half aber nicht über diesen ernüchternden Tag hinweg. Immerhin hatte er nicht mit Taka sprechen können, hatte ihn nicht einmal finden können. Wie vom Erdboden verschluckt. „Natürlich.“ Das stolze Lächeln verschwand auch, nachdem sich seine Mutter von ihm gelöst hatte, nicht. „Wie sieht es aus? Ich habe uns heute zum Abendessen Ramen gemacht. Wir haben vorhin schon gegessen. Ich mach‘ dir noch eine Portion. Du hast sicherlich Hunger und wie ich dich kenne, hast du unterwegs nichts gegessen!“, verfiel Akiras Mutter gleich wieder ins Bemuttern. Manchmal konnte sie wirklich echt ätzend fürsorglich sein. Aber er wusste, dass sie es nur gut mit ihm meinte. „Hm… nein, hab ich nicht.“ Akira sah ertappt drein, war sogar kleinlaut. „Aber ja, okay, Ramen“, murmelte er vor sich hin und kam endlich dazu, seine Schuhe auszuziehen. Bisher hatten ihn die anderen erfolgreich davon abgehalten. Jetzt, da seine Mutter in der Küche verschwunden war, spürte er wieder diesen prüfenden Blick. Der konnte nur von Kouyou kommen. Wie könnte es auch anders sein? „Wieso bist du abgehauen?“, fragte ihn Kouyou schließlich. Keine Füllwörter, gleich direkt raus. Damit konnte er arbeiten. Oder auch nicht, denn er war nach wie vor stinkig auf seinen sogenannten ‚Freund‘. „Wieso bist du noch hier? Wolltest doch einen Rückflug nach Amerika buchen!“ „Mensch, Aki! Ich meine das ernst! Was soll das? Du benimmst dich wie ein Kleinkind!“ „Ach so? Tu ich das?“, fragte Akira nach und sein stechender Blick traf den seines langjährigen Freundes. „Irgendwie schon. Das mit Takanori. Ja, ist doof gelaufen, aber retten kannst du da auch nichts mehr. Wir sollten beide zurück nach Amerika gehen und weitermachen mit unserem normalen Leben!“, lautete der Vorschlag des Models. Selbst in seinen Gesichtszügen lag die Bitte, die er an Akira hatte. Er schien es also ernst zu meinen. „Das, was du als ‚normal‘ bezeichnest, ist für mich nur ein Ersatz von dem Leben, das ich nicht haben durfte. Und das hole ich mir jetzt zurück!“, machte Akira eine klare Ansage. Kouyou hingegen schüttelte wieder seinen Kopf. „Das redest du dir doch nur ein.“ Er seufzte hörbar und atmete tief durch. Man sah, dass er seine übriggebliebene Geduld zusammenkratzen musste. „Taka ist nicht dein Leben und dein Leben dreht sich nicht ausschließlich um ihn. Er hat ohne dich weitergemacht. Wieso kannst du das nicht? Meinst du, mit dir an seiner Seite wäre es ihm besser ergangen? Glaub nicht, du seist Superman!“ „Wenn schon, dann Batman! Aber darum geht es nicht. Ich habe ihn im Stich gelassen und nur deswegen hat er gelitten. Du hast überhaupt keine Ahnung was los war, weil du dich nur für deinen Arsch und deine Jobs und deine Kohle interessiert hast! Was mit ihm oder mit mir war, war dir egal! Also spiel‘ dich jetzt nicht so auf, Takashima! Du bestimmst hier nicht, wer was macht und was nicht!“ Die letzten Worte knurrte Akira nur noch. Es kam ihm recht, dass seine Mutter anscheinend das Essen fertig hatte. So folgte er dem Ruf seiner Mutter, der aus der Küche an sein Ohr drang und ließ Kouyou eiskalt im Flur stehen. Schwungvoll setzte er sich auf einen der freien Stühle und bekam ein Lächeln von seiner Mutter geschenkt. „Wo ist Vater eigentlich?“, wollte er wissen. „Der geht seinen Geschäften nach. Du weißt doch, einige Dinge ändern sich nie. Übermorgen kommt eine neue Lieferung und er klärt gerade die Termine mit den Abnehmern.“ Akira nickte, seine Mundwinkel aber sanken gen Boden. Batman konnte eben nicht die gesamte Welt retten. Es gab nach wie vor so viele Dinge, die ihm gegen den Strich gingen, aber das war nicht seine Baustelle. Er musste sich erst einmal um Takanori kümmern. Da sah es nur gerade ganz nach einem Baustopp aus, wenn er es metaphorisch ausdrücken wollte. „Streitet ihr zwei euch wieder?“, gab seine Mutter einen Kommentar zurück und auch Kouyou hatte sich mittlerweile in die Küche getraut und sich an den Platz gesetzt, den er noch vor ein paar Minuten innehatte. Schließlich hatte er sich nicht anders zu helfen gewusst, als hier auf Akira zu warten. In seinem Gesicht aber bildeten sich einige Sorgenfalten. „Wir streiten nicht. Wir sind uns nur bei dieser Sache uneinig.“ Der Blonde versuchte es hübsch zu umschreiben, aber das nachsichtige Lächeln seiner Mutter bedeutete, dass sie recht hatte. Sie stritten sich. „Worum geht es denn diesmal?“, fragte sie nach, als sie die Schüssel mit den Ramen vor ihren Sohn stellte und ihm ebenso ein paar Stäbchen dazulegte. Als würde ihn das vor einer Antwort schützen, nahm Akira die Stäbchen und begann zu essen. Allerdings war Kouyou noch da und in Sachen Sturheit hatten sie sich schon immer das Wasser reichen können. „Es geht mal wieder um Matsumoto-kun.“ Das Augenrollen des Models konnte Akira dennoch wahrnehmen, auch wenn er die köstliche Suppe in sich hinein schaufelte. Wenn er ihn so nervte, warum war er dann noch hier? Das verstand Akira nicht. „Oh, wie immer! Manche Dinge ändern sich wohl nie. Wenn ich daran zurückdenke, dann war es zu 95 % immer dieser Grund, wenn ihr beide euch zerstritten habt.“ Akiras Mutter klang nachsichtig, ihre Worte aber waren mahnend. Das kam sogar bei ihm an. Aber sie war sowieso ein friedliebender Mensch und glaubte, dass Unstimmigkeiten durch Gespräche aus der Welt geschafft werden konnten. Bei dieser Sache hatte Akira aber so langsam wirklich große Lust, Kouyou die Fresse zu polieren. Der Typ wollte ihn einfach nicht verstehen und checkte nicht, wie wichtig die Sache für ihn war. Außerdem musste er seine Nase gar nicht in diese Angelegenheit stecken. Das ging nur Taka und ihm etwas an. Kouyou sollte sich um seinen eigenen Scheiß kümmern und sich verpissen. „Ein altes Sprichwort besagt, dass eine Kombination von drei nie zu einem glücklichen Ende führen kann. Vielleicht solltet ihr euch das mal durch den Kopf gehen lassen!“, kam ein gut gemeinter Ratschlag von der älteren Dame. „Ich bin nicht abergläubisch! Außerdem ist das hier etwas anderes. Ich will Taka helfen, Kou will es nicht! Punkt. Ich bin der gute Cop, er der Böse! Im Gegensatz zu ihm lasse ich meine Freunde nämlich nicht hängen oder stelle irrsinnige Forderungen, um das zu bekommen, was mir den Arsch rettet!“ Gut, dass Akira gerade den Batzen Nudeln geschluckt hatte, um seine Vorwürfe Kouyou um die Ohren zu hauen. Er hatte sich sowieso vorgenommen, dass er sich ihm gegenüber nicht mehr zurückhalten würde. Was hatte er denn jetzt noch gegen ihn in der Hand? Nichts! Taka wusste, dass er noch lebte. Die Umstände seien mal so dahingestellt. „Du bist so nachtragend, Akira! Außerdem kannst du Äpfel nicht mit Birnen vergleichen!“ „Lasst mich mit euren Sprichwörtern in Ruhe! Ich werde ganz sicher nichts mehr schön reden, nur, damit ihr euch besser fühlt. Ich will mich mit Taka aussprechen und da ist es mir egal, ob ihr dafür oder dagegen seid!“ Der Blonde setzte die Schüssel mit seiner Suppe an seine Lippen und schlürfte lautstark die Brühe. „Taka scheint nur absolut keinen Bock auf dich zu haben!“ Nun schnitt Kou wieder den Klugscheißerton an. Das konnte Akira gerade leiden. Mit einem lauten, dumpfen Schlag, stellte er seine Schüssel wieder auf dem Tisch vor sich ab. „Wessen Schuld ist das wohl? Wir wollen ja niemanden angucken!“, strotzten die Worte des Blonden nur so vor Ironie, als er Kouyou anstarrte. Und auch seine Mutter sah zu dem Model, als sei er der Störenfried in dieser Konstellation. „Ich habe Takanori besucht. Mehrfach! Er hat einen Job, eine Wohnung, ihm geht es gut und er hat davon geredet, mich mal in Amerika zu besuchen. Er war organisiert und stabil, bis du auf einmal auf der Bildfläche aufgetaucht bist und alles durcheinander gebracht hast! Na, wessen Schuld ist es nun?“, spielte Kouyou den imaginären Ball zurück an Akira und seine Mutter sah daraufhin fragend zu ihm, da sie sich nur grob vorstellen konnte, was ihr Sohn in letzter Zeit so getrieben hatte, als er von Morgens bis Abends, teilweise sogar Nachts in Tokio unterwegs gewesen war. „Ich hatte alles im Griff, bis du aufgetaucht bist und mich gezwungen hast, ihm reinen Wein einzuschenken. Dann ist alles eskaliert! Deine Schuld!“ „Du hast ihm vorgespielt tot zu sein und tauchst nun wieder auf! Also ganz sicher nicht meine Schuld!“ „Jungs! Nun beruhigt euch erstmal!“, versuchte Akiras Mutter die sich hochschaukelnden Emotionen der beiden jungen Erwachsenen wieder abzuflachen. Sie stand auf und ging zum Kühlschrank, um den beiden Grünschnäbeln jeweils eine Dose Bier herauszuholen. „Es bringt absolut nichts, jemanden die Schuld zuzuweisen. Ihr könnt die Vergangenheit nicht ändern. Das hat die Vergangenheit so an sich. Ihr müsst damit arbeiten, was ihr jetzt habt und daraus das Beste machen. Also wird sich nichts ändern, wenn ihr euch anschreit oder die Köpfe einschlagt! Trinkt erstmal etwas. Das wird eure Gemüter wieder beruhigen.“ Akira und Kouyou warfen sich weiterhin bösartige Blicke zu, trotzdem erklang zweimal das metallische Geräusch einer Blechdose, die geöffnet wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)