Before I die von _Yuna ================================================================================ Kapitel 1: It is what it is --------------------------- Das Leben ist wertvoll. Halte es fest, solange es geht, denn es ist viel schneller vorbei, als man denkt. Hallo liebe Blogger, Mein Name ist Keiko und ich erzähle euch heute eine Geschichte. Im Grunde bin ich eine ganz normale junge Frau – bis auf die blöde Sache mit dem Krebs. Das peppt die Geschichte noch mal ganz schön auf. Ich weiß, etwas sehr zynisch für eine junge Frau von 25 Jahren – und dann auch noch in meiner Lage – doch es ist eine Bekämpfungsstrategie gegen die Biester in meinem Körper, die mich langsam auffressen. Also, gewönt euch dran. Vor 1 ½ Jahren wurde bei mir Leukämie diagnostiziert. Ich hatte mich schon länger ausgelaugt und schlapp gefühlt, doch da ich gerade mein Studium zur Journalistin beendet hatte, schob ich es auf den Stress und beachtete die Symptome vorerst nicht. Bis zum 05.06.2014, als ich mit hohem Fieber im Bett lag und meine Eltern sich entschieden mich ins Krankenhaus zu fahren. Wer hätte ahnen können, dass sich danach mein Leben von Grund auf ändern würde? Ich sicher nicht. Nach fast einem Jahr im Krankenhaus hat man die weißen Wände wirklich mehr als satt. Zeitweilig hatte ich das Gefühl sie kämen mir immer näher und würden mich auf kurz oder lang zerdrücken. Sinnesgemäß taten sie das auch irgendwann. Als die Ärzte mir sagten, dass es leider keine Hoffnung auf Heilung geben würde, entschloss ich mich die restliche Zeit meines Lebens in einem Hospiz zu verbringen. Das klingt jetzt erstmal schrecklich und glaubt mir, in den ersten Tagen wollte ich mir wirklich einen Strick nehmen. Der Altersdurchschnitt in diesem Hospiz liegt deutlich über 70 Jahre und ich bin mit Abstand die Jüngste. Mitleidige Blicke und Gerede hinter meinem Rücken von Seiten der anderen Patienten und dem Personal war das grausamste an der ganzen Geschichte. Doch irgendwann sieht man darüber hinweg und dann ist es nicht mehr so schlimm hier zu sein. Das Hospiz leuchtet in hellen bunten Farben. An den Wänden hängen Bilder von Patienten, die sie in der Malgruppe gemalt haben. Der Park ist riesig und aus jeder Ecke kann man die wunderschönen blühenden Blumen riechen. Und das Essen ist richtig gut. Viel Auswahl und immer frisch zubereitet. In meiner Lage ist es der perfekte Ort. Ich fühle mich hier wohl. Natürlich bringt der Alltag eines Krebserkrankten auch Tage mit sich, die furchtbar sind. Manchmal habe ich starke Bauchschmerzen weil mein Tumor leider auch im Bauchraum liegt. Außerdem habe ich häufiger Fieber. Auch von psychische Symptome wie Depression, Angst und Selbstmordgedanken kann ich mich leider nicht freisprechen. Mit 25 Jahren bin ich viel zu jung zum Sterben. Oft stelle ich mir die Frage, wie mein Leben wohl ohne den Krebs verlaufen wäre. Hätte ich irgendwann geheiratet und Kinder bekommen? Und einen Hund? Wäre ich vielleicht ausgewandert nach Amerika oder Europa und hätte dort ein völlig anderes Leben geführt? Oder wäre ich in ein paar Jahren von einem Auto überfahren worden und wäre sofort tot gewesen? Sogar letzteres wäre mir lieber gewesen, als hier zu sein und auf den Tod zu warten. Doch das Leben ist nicht beeinflussbar und man muss die Dinge nehmen wie sie sind. Lange Rede, kurzer Sinn: Willkommen auf meinem Blog. Keiko hockte auf der breiten Fensterbank mit dem Blick auf den Garten, vor ihr der Laptop. Vor etwa 5 Minuten hatte sie aus Langeweile beschlossen diesen Blog zu gründen. Als gelernte Journalistin hatte sie eine Vorliebe für Wörter, also warum nicht etwas über ihr Leben schreiben, dachte sie sich. Sie streckte sich. Die wärmenden Sonnenstrahlen fielen auf ihren abgemagerten Körper. Auf dem Kopf trug sie ihr Seidentuch, was hinten mit einem Knoten befestigt war, damit man die Folgen der Chemotherapie nicht sehen konnte. Im Grunde war es hier kein Problem ohne Kopfbedeckung zu sein – im Gegenteil, es war sogar Mode hier – doch ihre Kopfhaut empfand sie als etwas sehr privates. Es klopfte an der Tür. Namie, die junge Krankenschwester streckte ihren Kopf durch einen Türspalt. „Hallo Keiko. Unser Ehrenamtlicher mit seinem Hund ist hier. Ich habe vorgeschlagen, dass er dich ja auch mal besuchen könnte. Hast du Interesse?“ Bei dem Wort ´Hund´ leuchteten Keiko´s Augen auf. „Oh wie süß, ein Hund. Ich liebe Hunde! Ja total gerne. Gib mir 5 Minuten, ich muss das gerade zu Ende schreiben.“ Keiko haute wie wild in die Tasten um den Blogeintrag fertig zu schreiben. Dann stellte sie den Laptop beiseite und wartete auf den Besuch. Kapitel 2: Stroke of Fate? -------------------------- Ruki und sein kleiner Chihuahua Koron betraten das Hospiz. Für ihn war es zu einer Normalität geworden sterbende zusammen mit seinem Hund zu besuchen, sie damit zu erfreuen und mit ihnen zu sprechen. Es gab ihm ein gutes Gefühl und ließ ihn intensiver Leben, wenn auch nur ein wenig. Denn das Leben ist schneller vorbei, als man denkt. Und der Tod kommt plötzlich. Das hatte Ruki gelernt, seit er hier tätig war. Seine Eltern hatten schon früh nach der Geburt seines Bruder´s wieder angefangen zu arbeiten. Da war Ruki gerade zehn. Natürlich war er nie alleine mit dem Säugling gewesen, doch er lernte schnell, dass nun auch noch jemand anderes war, um den er sich sorgen musste. Auch Koron genoss die zusätzlichen Streicheleinheiten und die doppelte Zuwendung. Er ging in den Personalraum, wo Namie, eine Krankenschwester saß und eine Krankenakte las. Er klopfe am Türrahmen. „Hallo Ruki, schön, dass du wieder da bist. Oh Koron, komm mal her.“, piepste sie. Koron setzte sich direkt in Bewegung und wedelte mit dem Schwanz während er von Namie liebevoll gestreichelt wurde. „Und, was gibt es heute zu tun?“, fragte Ruki und nahm sich den Stuhl neben Namie. „Yuuri wartet schon sehnsüchtig auf Koron. Sie fragt täglich, wann ihr nochmal zu ihr kommt.“ Yuuri. Eine 80 jährige Frau mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Mittlerweile konnte sie nicht mehr das Bett verlassen aber sie liebte es, wenn Koron auf ihr Bett sprang und sich neben sie legte, während sie ihn ordentlich durchwuschelte. „Das habe ich mir schon gedacht.“ Er grinste. „Wer noch?“ „Wir haben letzte Woche einen Neuzugang bekommen. Keiko, eine junge Frau mit Leukämie.“ Ruki kannte sich etwas mit Tumorerkrankungen aus. Im Hospiz war es unerlässlich, dass man ein Grundwissen erarbeitete. Bei Leukämie war es so, dass man nur Symptome der Schwäche und Gewichtsverlust empfand. Viel zu leicht winkt man diese Anzeichen ab – jeder fühlt sich doch mal schwach – und wenn man merkt, dass sich nichts ändert und die Symptome nicht verschwinden, dann ist es vielleicht schon zu spät. Ruki´s Augen weiteten sich bei dem Wort ´jung´. „Wie alt?“ „25 Jahre alt.“ Er schüttelte den Kopf. „Oh Man, das Leben ist echt unfair.“ „Ich denke, sie fände es gut, wenn du zu ihr gehen würde. Ich frage sie aber vorher und sage dir nochmal bescheid.“ Namie ging aus dem Raum. Ruki hatte in seinen 2 Jahren Arbeit hier noch nie eine so junge Patientin betreut. Für ihn war es unvorstellbar, wie furchtbar es für sie sein mag hier zu sein. Normalerweise war er nicht nervös, wenn er zu einem neuen Patienten ins Zimmer ging, diesmal war es anders. Er wappnete sich, dass er nach dem Besuch ein schlechtes Gefühl haben würde. Immerhin war sie in seinem Alter. „Ruki, sie freut sich auf deinen Besuch.“, hörte er Namie sagen, die plötzlich wieder im Zimmer stand. „Dann werde ich zu ihr zuerst gehen.“ Zimmer 45. Ruki sammelte sich noch einmal, dann klopfte er. „Herein.“, hörte er eine weibliche Stimme sagen. Er griff langsam den Türknauf und drehte ihn, bis sich die Tür bewegte. Auf der Fensterbank saß eine junge Frau in einem Jogginganzug und Seidentuch auf dem Kopf. „Hey, ich bin Ruki und das ist Koron.“, stellte sich Ruki vor. Als Koron seinen Namen hörte spuchtete er los und sprang auf Keiko´s Schoß. Keiko lachte. „Hallo Koron. Du bist aber süß.“ Sie streichelte Koron, während er freundig auf ihrem Schoß hin und her wedelte. „Hallo Ruki.“. Sie wandte sich zu Ruki, der immer noch im Türrahmen stand. „Komm doch rein. Wie geht´s?“ „Wäre es nicht meine Aufgabe dich das zu fragen?“ „Ich werde andauernd nach meinem Befinden gefragt. Manchmal nervt das.“ Sie lächelte. Ruki´s Schultern entspannten sich und er trat näher, nahm sich einen Stuhl und stellte ihn in Keiko´s Nähe, nicht zu nah aber auch nicht zu weit entfernt. Er war entspannter als er merkte, dass Keiko sich scheinbar normal verhielt. Er sah sie einen Moment an. Sie war dünn und knochig, das merkte er sofort an ihrer Kleidung, die schlapprig an ihrem Körper herunterhingen. Und auch ihr Gesicht war ein Spiegel ihrer Krankheit. Die Wangenknochen hoben sich deutlich hervor. Ihr fehlten Augenbrauen und Wimpern. Doch ihr lächeln wirkte echt und ließ sie nur halb so krank aussehen. „Mir geht es gut.“, sagte er lächelnd. „Und Koron scheint deine Streicheleien auch gut zu finden.“ Koron lag entspannt auf Keiko´s Schoß und hatte die Augen geschlossen. „Ja scheint so. Er ist aber auch wirklich süß.“ „Mein ein und alles.“ Ruki lächelte und sah Koron an. „Also, erzähl mir was von dir. Was hat dich dazu bewegt ehrenamtliche Arbeit zu machen?“, wollte Keiko zu Ruki´s Überraschung wissen. Noch nie hatte er es erlebt, dass ein Patient direkt etwas von ihm wissen wollte. Das kam immer erst später. Vorerst sprachen die Patienten immer erst über sich. Doch Keiko übersprang diesen Schritt einfach. Darauf war er nicht vorbereitet. „Ich finde es schön Menschen zu zu hören und sie mit Koron zu erfreuen.“ „Wie alt bist du?“ „28.“ „Ziemlich ungewöhnlich in deinem Alter.“, bemerkte Keiko. „Na ja.“ Er wollte sich nicht damit brüsten, dass er als Ehrenamtlicher arbeitete. „Und du bist seit letzter Woche hier?“ Ruki sah sich um. Überall standen persönliche Gegenstände, Bilder hingen an der Wand. „Ja, frisch aus dem Krankenhaus hier her.“ „Warum?“ „Was warum?“ Sie sah ihn verwirrt an. „Warum hier und nicht zu Hause?“ „Als sterbende hat man gute und schlechte Tage. Meine Eltern sind beide Ärzte, sie hätten mich versorgen können aber sie haben so viel zu tun und ich wollte sie damit nicht belasten. Es ist schon schwer genug.“ Bei dem Wort ´sterbend´ zuckte Ruki kurz zusammen. Ihm war bewusst, dass alle Patienten hier sterben werden aber man sprach es in der Regel nicht aus, schon gar nicht der Patient. Und schon gar nicht bei der ersten Begegnung. Ruki bemerkte direkt, wie sonderbar Keiko war. „Du scheinst so warnsinnig im Reinen damit zu sein.“, bemerkte Ruki verwundert. Keiko zuckte mit den Schultern. „Ich hatte lange Zeit um das zu verarbeiten.“ Sie sprachen weiter über ihre Krankheit und der Weg bis hier hin. Keiko erzählte von der Chemotherapie und den damit verbundenen Symptome. „In dieser Zeit habe ich viel mit Übelkeit und Erbrechen zu tun gehabt. Ich habe gedacht, ich schaffe es nicht.“ Dabei senkte sie den Kopf und sah zu Koron runter, der selig auf ihrem Schoß lag. „Aber du hast es doch geschafft.“ „Aber nur knapp. Mein Zustand reduzierte sich so weit, dass ich auf die Intensivstation musste. Doch die Ärzte und Physiotherapeuten haben alles getan um mich wieder auf zu peppeln.“ „Und wann war der Zeitpunkt, als du merktest, dass du es nicht überleben wirst?“, fragte Ruki vorsichtig. „Fragst du immer so tiefgründig? Ich dachte wir würden über das Wetter reden oder Musik?“, grinste sie, doch ihr Gesichtsaudruck ließ verlauten, dass sie genervt war. Ruki schreckte zurück. Es war nicht zu erahnen, dass sie plötzlich so reagieren würde. Bislang führten sie eine sehr lockere Unterhaltung, dass dieser plötzliche Wandel sehr überraschend kam. Schnell versuchte er die Situation wieder zu entspannen. „Was magst du für Musik?“, fragte er unsicher. „Ich finde Rock gut.“, sagte sie und ihr Gesicht entspannte sich etwas. „Ich habe eine Band, The Gazette. Möchtest du unsere Musik mal hören?“ „Sehr gern.“ Ruki kramte seine MP3-Player aus der Hosentasche und suchte nach einem aufgenommenen Lied seiner Band. Dann reichte er Keiko einen Kopfhörer und nahm den anderen. Sie lauschten beide der Musik. „Du singst?“, fragte Keiko. „Ja.“ „Du bist wirklich gut.“ „Danke.“ Ruki war froh, dass sich die Situation wieder entspannt hatte. Er erkannte, dass er bei Keiko einen anderen Weg einschlagen musste. Sie war keine alte Frau, die ihr Leben gelebt und Abenteuer erlebt hat. Bei Keiko war es etwas anderes. Er fragte sich, wie viel sie im Leben schon erreicht hatte. Sie hörten noch ein paar Lieder. Dann sah Ruki auf die Uhr und bemerkte, dass er schon zwei Stunden bei Keiko war. Er beschloss zu gehen. Koron war nicht begeistert gewesen, als er geweckt wurde. Ein leichtes Knurren war zu entnehmen. „Du bist jederzeit willkommen.“, lächelte Keiko, als Ruki sich verabschiedete. „Ich komme gern wieder.“, sagte Ruki ebenfalls lächelnd. Als Ruki verschwunden war, nahm sie sich wieder ihren Laptop und schrieb über die letzten 2 Stunden. Kapitel 3: Well, that´s reality! -------------------------------- Weitere Tage waren vergangen… „Keiko, du hast geklingelt. Was gibt´s?“, fragte Namie, als sie vor Keiko´s Bett stand. Normalerweise war Keiko immer schon früh auf den Beinen doch heute lag sie eingekauert im Bett und verzog leicht das Gesicht. „Mir ist so schlecht.“, berichtete Keiko schwach. „Das sind die Medikamente. Wahrscheinlich eine Nebenwirkung. Ich werde dir was gegen die Übelkeit holen.“, sprach Namie einfühlsam und verschwand aus dem Zimmer. Keiko drehte sich auf den Rücken und zog ihre Bettdecke etwas höher, bis lediglich der Kopf zu sehen war. Ein schwarzer Tag, sagte sie sich immer wieder. Sie redete es sich quasi ein, damit sie nicht daran denken musste, dass der Zeitpunkt des Sterbens angekommen wäre. Namie kam wieder ins Zimmer und legte ihr eine Infussion an. Danach fragte sie, ob sie noch etwas für sie tuen könne. Keiko verneinte es. Eigentlich wollte sie heute einen Blogeintrag schreiben doch wahrscheinlich würde das nichts werden. Sie drehte sich wieder auf die Seite und schloss die Augen. Bitte, Lieber Gott – wenn es dich gibt – lass mich jetzt noch nicht sterben. ... „Hallo Ruki.“, begrüßte Kiri, ein Pfleger an der Pforte Ruki. „Hallo Kiri, ich wollte mit Koron zu Keiko.“ Er lächelte. „Ich glaube das ist heute keine gute Idee. Ihr geht es nicht gut.“ Schnell erstarb sein Lächeln. „Was hat sie?“ „Übelkeit. Vermutlich eine Nebenwirkung der Medikamente. Sie hat das Bett heute noch nicht verlassen, was sehr untypisch für sie ist.“ „Aber ihr glaubt doch nicht, dass sie schon… stirbt?“ Ruki´s Worte blieben ihm beinahe im Hals stecken. „Ruki, du bist in einem Hospiz.“,erinnerte Kiri, ohne seine Antwort auch nur ansatzweise zu beantworten. Ruki´s Magen fing an zu krampfen. Er hatte häufiger erlebt, dass Patienten an einem Tag noch gut drauf waren und am nächsten Tag schon tot, doch Keiko hatte er gerade erst kennengelernt und Er verstand sich gut mit ihr. „Ach Ruki, Hallo.“ Namie kam vergnügt auf Ruki und Koron zu. „Ruki wollte eigentlich zu Keiko.“, sagte Kiri skeptisch. „Du kannst sie ja mal selbst fragen.“ Ruki quetschte sich ein kurzes „Danke“ heraus und ging mit schnellen Schritten zu ihrem Zimmer. Sein Herz pochte. Sein Magen schmerzte und obwohl er schnell ging, hatte er das Gefühl, sich kaum zu bewegen. Koron kam mit seinen kurzen Beinen fast gar nicht hinterher. Als er ihr Zimmer erreichte, stockte er kurz. Er wusste, dass ihm der Anblick von Keiko Tagelang im Kopf bleiben würde, doch auch das gehörte zu seiner Arbeit. Vorsichtig öffnete er die Tür. Keiko lag auf der Seite, eingekauert und mit dem Gesicht zum Fenster. Sie rührte sich erst, als Ruki an ihr Bett trat. Bei dem Anblick der jungen Frau lief ihm ein Schauer über den Rücken. Ihr Gesicht war blass und sie sah völlig verändert aus. Die fröhliche Erscheinung war nicht mehr zu erkennen. „Ruki.“, begrüßte sie ihn und lächelte gequält. „Ich habe gehört, dass du heute keinen guten Tag hast.“, sagte er unsicher. Er wusste nicht so recht, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte. „Nein.“, erwiderte sie nur. Ihr Blick war auf Ruki gerichtet doch irgendwie machte es den Anschein, als würde sie ihn gar nicht richtig ansehen. Ruki nahm sich einen Stuhl und setzte sich vor ihr Bett. Koron saß neben ihm. Er sah ebenfalls unsicher aus, blieb lieber erstmal auf Abstand. Ruki betrachtete sie mit mulmigen Gefühl. „Was macht deine Band?“, fragte Keiko fast lautlos, während sie ihre Augen nur halb geöffnet hatte. „Wir haben einen neuen Song aufgenommen. Wenn du magst spiel ich ihn dir vor.“ „Das wäre toll.“ Eilig kramte Ruki wieder seinen MP3-Player heraus und reichte ihr einen Kopfhörer. Ihre Finger berührten sich und Ruki merkte, dass sie genauso kalt waren wie sie aussahen. Er sah sie erschrocken an. Sie reagierte nicht darauf. Keiko schloss die Augen und lauschte der Musik. Währenddessen musterte er Keiko genauer. Sie war eine schöne Frau. Ihre Haut war ebenmäßig und ihre Lippen sahen weich aus. Für einen kurzen Moment fragte sich Ruki, ob sie auch wirklich weich waren. Als das Lied zu Ende war lächelte Keiko ohne ihre Augen zu öffnen. „Klingt wirklich schön. Mir gefallen die ruhigen Töne und diese melanchonische Stimmung.“ „Aoi, unser Gitarrist hat es geschrieben.“ „Nicht du?“ Sie öffnete leicht die Augen. „Diesmal nicht. Ich muss den anderen ja auch mal die Chance geben sich einzubringen.“ Er grinste. Auch Namie lächelte, schloss aber dann wieder die Augen. „Soll ich lieber gehen? Du wirkst müde.“ Besorgt sah er sie an. „Wäre vielleicht besser.“ Ruki stellte den Stuhl wieder zurück an seinen ursprünglichen Platz. Dann trat er nochmal an Keiko´s Bett. Sie öffnete nochmal die Augen und sah ihn mit ihren haselnussbraunen Augen an. „Wenn ich heute sterbe, dann möchte ich dir nur sagen, dass es schön war, dich kennenzulernen.“ Ihre Lippen bewegten sich dabei nur sehr langsam und ihre Stimme war leise. Ruki sah sie schockiert an. Er wünschte, Keiko hätte das vorige nicht ausgesprochen, denn er bemerkte, wie Angst in ihm aufstieg. Für einen Moment stand er dort wie festgewachsen. Lediglich seine Augen bewegten sich noch. Der restliche Teil seines Körpers war wie versteift. Dann aber fing er sich wieder und beugte sich etwas zu Keiko runter. „Du stirbst noch nicht.“ Er atmete tief durch. „Wir sehen uns wieder, wenn es dir etwas besser geht.“ Er wollte ihre Hand greifen, die leblos auf der Bettdecke lag. Es war wie ein Zwang. Doch er wehrte sich dagegen. „Das wäre toll.“ Ihre Lippen bildeten ein leichtes Lächeln. Ruki nahm Koron, der immer noch das Geschehen von der Ferne aus betrachtete auf den Arm und ging vor die Tür. Vorsichtig schloss er die Tür und lehnte sich gegen sie. Jetzt nicht die Nerven verlieren, jetzt bitte nicht weinen. Sie ist nur eine Patientin, sie ist nur eine Patienten. Gedanklich redete er energisch auf sich ein. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass es schon lange nicht mehr nur eine Patientin war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)