Haifischherz von Vidora ================================================================================ Shark skin is incredibly tough, which is important because they must bite their partner’s back, flanks and fins to get into the proper mating position. * »Du hast Nagisa mit deiner Idee richtig in Brand gesetzt.« Makoto lachte während er langsam durchs Zimmer in Richtung Bad wankte und sich dabei umständlich das T-Shirt vom Leib pellte. Klatschnass landete der Stoff auf dem Fliesenboden. Rin lachte ebenfalls. Nach seiner Aktion hatten sie alle darauf getrunken, dass Oaks zugestimmt hatte und ihnen nun ein Wettkampf gegen einen Weltstar bevorstand. Ihm war heiß und der Alkohol ließ seine Sicht ein bisschen flirren,… es war, wie in eine Flamme zu sehen. Und Makoto schien nicht besser dran zu sein. »Warte… willst du zuerst?« »Wenn du jetzt Mutter Theresa spielst und mich vorlässt, hast du morgen eine fette Erkältung, Makoto.« Mit einem schiefen Grinsen zog Rin sich ebenfalls aus. Das Hemd klatschte neben Makotos T-Shirt auf den Boden und seine Hände machten einfach bei der Jeans weiter. »Wir teilen uns die heiße Dusche. Sollte doch kein Problem sein, oder?« »Ich hätte auch warten können«, beharrte sein Freund und zögerte noch mit der Hose. »Und ich sage dir, du kommst mit. Wenn einer von uns am Samstag nicht in Topform ist, können wir es gleich vergessen. Los jetzt, raus aus der nassen Hose.« Rin hatte sich die Jeans gleich mitsamt seinen Shorts von den Hüften geschoben und legte die Hände nun forsch an Makotos Bund, um ihm zu helfen. »Ist gut, ist ja gut!« Makoto lachte wieder und wich ein kleines Stück zurück. Das Rot auf seinen Wangen war noch intensiver geworden. Die kräftigen Hände öffneten den Verschluss der Jeans und schoben sie langsam über die Haut. Schwarze Shorts mit der weißen Silhouette eines Orcas kamen zum Vorschein. Irgendwie war das süß. Rin schmunzelte. Er machte einen Schritt an Makoto vorbei und stieg in die Dusche um das Wasser schon mal anzustellen. Die klamme Kälte des plötzlichen Wolkenbruchs kroch ihm bereits unter die Haut, die gleichzeitig auf eine unterschwellige Weise zu glühen schien. Der Regen prasselte auf seine Schultern. »Das tut echt gut…«, seufzte er und schloss für einen Moment die Augen. Dann hörte er, wie die Tür der Duschkabine geschlossen wurde. Makoto stand dicht neben ihm. Die Dusche war groß genug, dass zwei Leute relativ bequem miteinander duschen konnten, ohne dass man sich gegenseitig mit dem Ellenbogen K.O. schlug. Dennoch fühlte sie sich gerade wahnsinnig klein an. Das Wasser regnete auf Makotos Haare, lief in kleinen Perlen über seine Kieferlinie, den Hals entlang und über seine perfekten Brustmuskeln. »Wird dir schon wärmer?« »Mir ist ein bisschen schwindelig…« Rin lachte leise. »Das ist der Alkohol. Du bist nichts gewöhnt. Bleib einfach ruhig stehen, nicht dass du mir hier ausrutschst. Ich kümmere mich um den Rest, okay?« Oh ja, was für ein selbstloses Angebot. Er bückte sich nach dem Duschgel. Die Bewegung kam ihm vor, als liefe sie in Zeitlupe ab. Seine Augen achteten nicht darauf, was seine Hände taten, sondern folgten den kleinen nassen Spuren der Tropfen, die sich an Makotos Körper hinabschlängelten. Er war seinem so ähnlich und dennoch fand er ihn wahnsinnig spannend und viel schöner, als gut für ihn war. Die Konturen seiner Muskeln… wie bei einer dieser griechischen Statuen, aber viel lebendiger als kalter Marmor. Er wollte ihn anfassen. Rin griff das Duschgel und richtete sich wieder auf. Ihm war selber ein bisschen schwindelig, aber ob vom Alkohol oder von der Hitze, die er selber in sich heraufbeschworen hatte, war nicht sicher. Kurz stützte er sich an der Wand ab und stieß einen Schwall heißer Luft aus. »Ist alles okay, Rin?« Wieder diese besorgte Stimme. »Besser als okay. Ich habe uns immerhin ein echtes Rennen organisiert.« Der Verschluss knackte laut, als Rin ihn öffnete und sich etwas von der gelartigen Flüssigkeit in die Handfläche laufen ließ. Seine Augen streiften die von Makoto. Er sah angespannt aus, starrte auf die Hand, mit der er ihm näher kam, aber er wich ihm nicht aus. Makotos Haut war warm und weich unter seinen Fingern. Sanft reibend verteilte er das Duschgel auf seiner Schulter, ließ seine Hand langsam tiefer gleiten und seinen Oberkörper einreiben. Eine Spur aus Schaum folgte seinen Bewegungen, wie versprengte Wolken, die sich auf stillem Wasser spiegelten. »Ich bin schlecht im massieren, aber waschen kann ich gut.« Er verbarg das Herzklopfen und das Prickeln, das von seinen Fingern aus direkt in seine Brust und seinen Magen schoss, hinter einem Grinsen und einer gespielten Selbstsicherheit. Es fühlte sich wie ein kleiner Sieg an, dass er hier mit ihm stehen konnte, dass er ihn anfassen konnte, zum ersten Mal… aber er spürte auch, dass er sich an einer Grenze entlangtastete, die er nicht zu weit überschreiten durfte. »Glaubst du, wir haben eine reelle Chance?« Rin bedeutete ihm mit einer kleinen Geste, dass er sich umdrehen sollte, damit er ihm den Rücken waschen konnte. »Er ist zwar ein Spitzenschwimmer, aber vier Bahnen nacheinander auf Hochleistung… da kann er nicht die ganze Zeit sein Niveau halten.« Er schäumte mit beiden Händen Makotos Nacken ein, spürte ganz bewusst die Linien seiner Schulterblätter. Der fruchtige Geruch des Duschgels schmiegte sich in seine Nase. »Er hat den Vorteil, dass er keine Zeit durch verzögerte Wechsel verliert, aber wir starten alle mit voller Kraft, während er bei jedem neuen Stil umschalten und auf seine Reserven zurückgreifen muss.« »Du hast dir das gut überlegt, hm? Einfach nur so zu schwimmen, wäre zu wenig für jemanden, wie dich.« »Ich will besser werden. Von ‘einfach nur so’ wird man das nicht. Man muss sich Herausforderungen suchen und sich ihnen stellen.« Makoto brummte leise und schien über seine Worte nachzudenken. »Solche Herausforderungen wie Haru?« Rin stockte kurz in seinen Bewegungen. »Ja…« Als er aus Australien zurückgekommen war, hatte er nur an ihn denken können. Nicht an Makoto, nicht an die großartige Zeit im Iwatobi Schwimmclub. Er hatte sich mit ihm messen und gewinnen wollen. Die erste Begegnung nach so langer Zeit und dann… »Makoto…« »Hm?« »Als ich damals an eure Schule kam, warst du mein erster richtiger Freund.« Er sah sich vor der Klasse stehen, hört seine eigene Kinderstimme, die ihn mit seinem mädchenhaften Namen allen vorstellte. Es war nicht so gewesen, als hätte er Schwierigkeiten gehabt, Anschluss zu finden. Aber er hatte sich gar nicht bemühen müssen, denn er war mit einem offenen Lächeln empfangen worden. Er hatte Freunde gefunden, Jungs die ihm ähnlich waren und mit denen er seine Liebe zum Wasser teilen konnte. Mehr als das. Jungs, die ihm seinen Traum zeigten. Haru war immer so still gewesen und ohne Makoto als Bindeglied hätte er vielleicht nie diese Verbindung zu ihm aufbauen können, die ihn so motiviert hatte, sein Ziel zu verfolgen. Aber als er dann so frustriert heimgekehrt war, hatte er das alles vergessen. »Und als ich aus Australien zurückkam, hab ich dich links liegen gelassen.« Er hatte ihm das nie vorgeworfen. Wieso nicht? Er musste daran denken, was Makoto beim Joggen am Strand zu ihm gesagt hatte. Er hatte ihn immer vor Augen gehabt und war ihm hinterhergerannt, manchmal vielleicht auch nur einem Schatten oder einer Erinnerung. Dass sie heute noch Freunde waren, war Makotos Verdienst. Nicht seiner. Er ließ die Hände sinken und blickte nachdenklich zur Seite. War es jetzt immer noch so? Hatte er sich zu sehr in etwas verbissen, in die Herausforderung, in sein Ziel? Wollte er so dringend diesem Drang nachgeben, Makoto nahezukommen, ihn für sich zu haben, dass er ihn als Freund ignorierte? »Ich… das mit der Verspannung nach dem Flug…«, setzte er an, als Makoto sich gerade wieder zu ihm umdrehte. »War gar nicht so schlimm… ich wollte nur, dass du mit mir das Zimmer teilst.« Es war eine alberne Lüge gewesen. Ein Spiel für Grundschüler. Rin atmete durch und sah ihn wieder an, wie er da im Regen der Duschbrause stand und lächelte. Immer noch wie früher. Makoto hatte für alles Verständnis und Nachsicht. Selbst dafür, dass man seine Gutgläubigkeit und seine Hilfsbereitschaft benutzte. »Sorry.« Kräftige Arme schlossen sich um ihn, zogen ihn näher heran. Rins Augen weiteten sich für einen Moment, ehe die Lider langsam zusanken. Es war ein seltsames Gefühl. Feuchte Umarmungen hatte er ja schon einige erlebt, aber noch nie unter der Dusche. Nie so innig. Ihre Körper schmiegten sich warm und nass aneinander, sein Herz klopfte hitzig und laut und gleichzeitig unendlich erleichtert. * Die Halle war erfüllt von zahlreichen Stimmen. Die Schwimmer standen in kleinen Grüppchen am Beckenrand und unterhielten sich. Dazwischen mischten sich ein paar Journalisten mit Kameras und geschäftig kritzelnden Kugelschreibern. Wohin Rin auch blickte, sah er fröhliche Gesichter. Jeder hier wusste, was er konnte und warum er hier war. Niemand wirkte besonders nervös. Niemand bis auf seine Kumpels. Nagisa stand zwei Schritte entfernt von ihm und gab ein Interview vor laufender Kamera. Er erzählte die ganze Geschichte vom Sandkasten bis zum aktuellen Zeitpunkt. Rin suchte mit den Augen nach Oaks. Er wollte sehen, ob der Kerl es ernst nahm, ob er wenigstens einen kleinen Funken Anspannung zeigte, oder ob er glaubte, sie mit halbem Einsatz schlagen zu können. Aber er konnte ihn nicht entdecken. »Da seid ihr ja!« Die Stimme kam ihm bekannt vor. Rin wandte den Kopf. Es war Frau Katsura vom Japanischen Schwimmverband. Sie kam zu ihnen und legte je eine Hand auf seine und Makotos Schulter. Stolz lächelnd wie eine Mutter stand sie zwischen ihnen und blickte in die Kamera. Mehr als ein mechanisches Grinsen brachte Rin nicht zustande. »Die Veranstaltung erschien euch wohl zu langweilig?«, fragte sie amüsiert und schaute zwischen ihnen hin und her. »Dass Samuel Oaks da überhaupt zugestimmt hat, wundert mich. Es ist schon schwierig, ihn zu einem Interview zu bekommen oder ihn auf so ein Event zu schaffen… aber dass er dann auch noch gegen unsere Nachwuchs-Staffel schwimmt… Ihr müsst ihn beeindruckt haben. Als er gebeten wurde, bei einem Trainingscamp für Nachwuchssportler mitzuwirken, hat er gesagt, dass es der Jugend an Biss fehlt.« Makoto warf ihm einen Blick zu. »Das war Rins Verdienst.« »Du bist vermutlich der bissigste hier, was?« Rin grinste schief und blickte hilfesuchend zu der großen Uhr an der Hallenwand. Zum Glück würde es demnächst losgehen. »Haben Sie Oaks heute schon gesehen?«, fragte er. »Da drüben.« Er folgte dem Fingerzeig. Oaks stand bei den Bänken und machte einige Dehnübungen. Rins Grinsen wurde aufrichtiger. Der Reporter der bis eben noch von Nagisa zugequatscht worden war, wandte sich an Frau Katsura, sodass sie sie beide entließ und sich auf ihre Arbeit konzentrierte, während Rin und Makoto sich unauffällig aus dem Bild stahlen. »Seid ihr bereit?« * Rin ließ das Gummiband seiner Schwimmbrille schnepsen. Er hockte vor dem Beckenrand, wo Makoto sich gerade in Startposition brachte. »Lasst euch nicht davon einschüchtern, dass er in der ersten Hälfte Vorsprung aufbaut… eins gegen eins kann ihm keiner von uns das Wasser reichen. Erst wenn Haru und ich dran kommen, wird er erschöpft genug sein, dass wir aufholen können.« »Team Haifisch wird das Rennen machen«, kommentierte Nagisa. »Wieso heißen wir jetzt Team Haifisch?« Nagisa hob sein Smartphone hoch und tippte auf das Display. Reis Stimme ertönte. »Haie verfügen über mehrere Zahnreihen und ein schnelles Wachstum selbiger. Das macht sie zweifellos zu den Schwimmern mit dem meisten und ausdauerndsten Biss.« Rin schnaubte belustigt. Von den Veranstaltern kam das Signal. »Gebt euer Bestes!«, rief Frau Katsura. Die Jungs brachten sich in Position. Rin blickte zu Oaks. Ihre Augen trafen sich nur für das Hundertstel einer Sekunde, dann ertönte der Pfiff. Makoto stieß sich kraftvoll ab. Angespannt zog Rin Luft in seine Lungen und hielt sie dort fest, während sein Blick den Bewegungen von Makotos gestreckten Armen folgte. Rin war sich nicht sicher, ob er sich das in der Hitze des Wettbewerbs nur einbildete, aber die Schulterrotation schien ihm etwas besser zu gelingen, als noch im Training in der Samezuka Halle. Sein Herz klopfte schnell und schien Makoto mit diesem Takt anfeuern zu wollen. »Wie schnell er ist…«, hörte er Haru neben sich murmeln und er wusste, dass Oaks gemeint war. Rin presste die Kiefer stärker aufeinander, aber dann brach es aus ihm heraus. »Los Makoto!«, schallte sein Anfeuerungsruf durch die Halle. Für ein paar Minuten lagen alle Augen auf ihnen. Auf den vier Jungs, die verrückt genug waren, gegen einen Weltrang-Schwimmer anzutreten. Und zur Hölle, ja, er glaubte, dass sie gewinnen konnten! Oaks kam wieder bei ihnen an und drehte sich elegant in die nächste Lage. Als Makoto den Block anschlug und Nagisa in den Pool hechtete, hatte er schon die halbe Bahn hinter sich gebracht. Rin riss sich für eine Sekunde von dem Wettstreit los, um seinen Kumpel anzusehen, der flach atmend aus dem Becken geklettert war. »Tut mir leid… das wird hart für euch…« Makoto rieb sich den Nacken und wandte den Kopf zu Oaks. »Erst ist schneller als Nagisa.« »Aber er lässt nach, wenn ich dran bin, holen wir den Abstand auf«, knurrte er und kniff die Augen ein wenig zusammen, als könnte er Oaks damit beschwören. »Vergiss nicht, weswegen wir hier sind.« Rin ließ die Luft hörbar entweichen und schloss meditativ die Augen. Er hatte Recht… »Um ihnen zu zeigen, wie Freunde schwimmen…«, sagte er leise. »Freunde mit Biss.« Nur weil sie keine olympischen Medaillen besaßen, sondern schwammen, weil sie es liebten, hieß das nicht, dass sie sich von jemandem wie Oaks einfach in die Tasche stecken ließen. Spaß an seinem Traum zu haben hieß nicht, dass man ihn nicht ernst nahm. Rin stieg auf den Block. Direkt in seinem Herzen pulsierte mit jedem Schlag nicht nur das Blut, sondern auch der Siegeswille und die Entschlossenheit. Als Nagisa anschlug, sprang er ab, jeden Muskel in der Bereitschaft gespannt, alle Kraft zu mobilisieren, die er aufbieten konnte. Das kühle Wasser umarmte ihn, aber Rin verharrte nicht, ließ sich nicht sanft davon streicheln, sondern schlug seine Arme in die Oberfläche und peitschte mit den Beinen. Er war der Haifisch in diesem Team. Prickelnde Hitze schoss durch seine Venen und ließ ihn seinen Körper und die Bewegungen, die er machte, ganz anders spüren als sonst. Der Puls klopfte in seiner Kehle und in den Ohren, aber das einzig wirklich laute Geräusch, das immer wieder in seinen Ohren hallte, war das seiner eigenen Atemzüge. Tropfen flogen, wann immer er sich über die Wasseroberfläche erhob. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet und die Umgebung um ihn herum versickerte in vom Wasser verwischten Farben. Nur seinen Rivalen konnte er klar in diesem Bild erkennen. Und der Abstand wurde nicht mehr größer. Er holte auf. Die Erkenntnis zuckte wie ein elektrischer Impuls durch seinen Leib und setzte die letzten Reserven frei. Die Rufe seiner Freunde drangen fetzenhaft zerrissen an seine Ohren, ertränkt im Platschen und Rauschen des Wassers und dem lauten Sprint seines Herzens. »Haru!« Wie in Zeitlupe flog Haruka über ihn hinweg. Perfektes Timing. Schwer atmend hielt Rin sich am Rand fest und sah ihm nach. Er tauchte in das Wasser ein, als wäre er die ganze Zeit über schon ein Teil des Beckens gewesen, ein menschgewordener Tropfen. Es war immer ein bisschen… Ja, magisch war ein bescheuertes Wort, aber ihm fiel bei dem Pochen in seinem Kopf kein besserer Begriff ein. Er war unheimlich schnell und es sah unfassbar leicht aus, als würde das Wasser sich ihm nicht entgegenwerfen, sondern ihn von sich aus voranbringen, ihn auf nassen Händen tragen. Bei Oaks schienen die Bewegungen nicht weniger natürlich und präzise aber dennoch wirkte er neben Haru eben wie ein schwimmender Mensch im Vergleich zu einem Fisch… Eilig kletterte Rin aus dem Becken und stand dann Seite an Seite mit Nagisa und Makoto am Rand. Fast gleichzeitig erreichten Oaks und Haru die gegenüberliegende Beckenwand und gingen in den Endspurt. Makoto und Nagisa feuerten ihn mit immer schriller klingenden Stimmen an, während Rin merkte, dass seine Lippen gar nicht mehr in der Lage waren, die Silben zu formen. Wie hypnotisiert starrte er die beiden Schwimmer an, die auf den letzten Metern um Sieg oder Niederlage kämpften. Der Pfiff durchschnitt die Rufe, die inzwischen nicht mehr nur von seinen Teamkameraden kamen. Die ganze Halle hatte zu toben begonnen, ohne dass Rin hätte sagen können, wann genau das eingesetzt hatte. »Die Nachwuchs-Staffel hat gewonnen!«, verkündete einer der Männer und hielt seine Stoppuhr hoch. »Vier hundertstel. Ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen!« »Ein Hundertstel für jeden von uns«, lachte Makoto, dann folgte die zweite sehr nasse Umarmung in dieser Woche und Rin breitete seine Arme weit aus, um seine Freunde in selbige zu schließen und sich mit ihnen zu freuen wie ein Kind. * An Schlafen war nicht zu denken. Trotz ausgiebigen Feierns im Kreis der anderen Schwimmer, trotz verrückter Herumtanzerei und Cocktails und einer Uhrzeit längst jenseits der Geisterstunde, blinkte das Display seines Smartphones alle paar Sekunden auf. Rei und Nagisa spammten die Chatgruppe des Teams mit Haifisch-Fakten zu, schickten Fotos hin und her, dazwischen fanden sich Fotos von den letzten Tagen und der erste kleine Bericht, den man im Internet zu ihrer Staffel finden konnte. »Das Herz eines Makrelenhais hält eine Bluttemperatur von fünf Grad aus, ohne stehenzubleiben«, las Rin leise murmelnd vor. »Hmm… Makrele…« Erschien prompt unter dem Text. Er hörte Makoto leise lachen. »Fünf Grad ist ganz schön eisig«, sagte Rin und legte das Handy auf den Nachtschrank. »Sollten wir im Winter Eisbaden gehen, damit du testen kannst, wie viel Hai in dir steckt?« Rin grinste. »Herausforderung angenommen.« Sportlich war die zurückliegende Woche ein großer Erfolg gewesen. Technisch hatte er zwar nicht viel mitnehmen können, aber es fühlte sich dennoch so an, als wäre er irgendwie weitergekommen. Er wandte den Kopf und schaute zu Makoto, dessen Gesicht vom Licht des Handydisplays beschienen wurde. Er lächelte. Rin gestattete es sich, sich einen Moment in diesem Anblick zu verlieren. Er hatte Makoto gern. Verdammt gern. »…Makoto?« Die Hand, die das Telefon hielt, sank und fröhliche aber langsam doch müde wirkende Augen richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihn. »Hast du was dagegen, wenn ich… zu dir rüber komme?« Sein Herz schlug laut. Lauter als bei fünf Grad Wassertemperatur. Aber er wusste, es würde nicht einfach stehen bleiben, selbst bei einer Abfuhr. Und wenn er sich die Zähne an ihm ausschlug, dann würden neue nachwachsen. Aber wenn er ihn auf ewig nur umkreiste, würde er ihn nicht bekommen. Die Stille war beinahe unterträglich und dass das gewohnte, versichernde Lächeln sich nicht blicken ließ, bereitete ihm eine kalte Gänsehaut auf den Schultern. Schließlich aber legte Makoto das Handy ebenfalls weg und rutschte auf der Matratze etwas zur Seite, schlug die Decke zurück. Rin stand auf und ging zu ihm herüber. Der eine Schritt von Bett zu Bett fühlte sich an, als wäre da gar kein Boden unter ihm. Er setzte sich neben Makoto ins Bett, schlüpfte mit unter die Decke und drehte sich auf die Seite. Schweigend sahen sie einander in die Augen. Zögern lag in der Bewegung, als Makoto die Hand nach ihm ausstreckte. Warme Fingerkuppen strichen über seine Schulter, dann seinen Hals hinauf. Es kribbelte heftig auf der Haut und Rin schloss für kurze Zeit die Augen, um zu genießen, wie sich das Gefühl ausbreitete. Als er sie wieder öffnete, zeichnete sich ein schüchternes Lächeln auf Makotos Gesicht ab und Rin erwiderte es. Die warme Hand verharrte an seiner Wange. »Ich beiße nicht zu, keine Angst«, hörte er sich keck flüstern. Und zum ersten Mal sah er das Lächeln nicht nur von fern, sondern spürte es direkt auf den eigenen Lippen, als Makoto ihn küsste, warm und vertraut und jede bange Sekunde wert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)