Haifischherz von Vidora ================================================================================ Sharks will often give warning signs before they attack, by arching their backs, raising their heads, and pointing their pectoral fins down. * Rin atmete ein. Ein kurzer Abriss der Geräusche, die über der Wasseroberfläche durch die Halle huschten, schwappte in seine Ohren, aber nicht ganz bis in sein Bewusstsein. Das Wasser umfloss ihn. Seine Arme gruben sich wieder hinein, schlugen Furchen, zogen ihn weiter voran. Eine Welle lief durch seine Muskeln, ließ ihn den Oberkörper senken und wieder anheben, wie eine sich windende Schlange. Dann folgten die Beinschläge, so kraftvoll, dass das Wasser sich fast schneidend anfühlte und als würde es unter seinem Tritt aufkreischen. Er liebte es, das Tempo zu spüren. Schmetterling klang wirklich zu träge dafür, auch wenn es rein optisch passte. Er fühlte sich nicht wie ein Schmetterling, wenn er schwamm. »Gute Zeit!«, rief Ai ihm vom Beckenrand aus zu, als er sich das Wasser von der Stirn wischte und die Brille hoch schob. Er warf ihm ein kurzes Grinsen zu, ehe er den Kopf wandte und seinen Blick über die anderen Bahnen gleiten ließ. Seit der Schwimmclub der Iwatobi High School regelmäßig mit ihnen trainierte, war hier ganz schön was los. Ein paar Sekunden haftete seine Aufmerksamkeit an Haru, der wie ein Torpedo durchs Wasser schoss. Und am Ende des Beckens wartete schon jemand auf ihn… Makoto. Haru erreichte sein Ziel, schlug mit der Hand an und schnappte Luft. Makotos Lippen bewegten sich und selbst von hier konnte Rin erkennen, dass er das für ihn so typische Lächeln lächelte, als er Haruka die Hand anbot, um ihm herauszuhelfen. Rin wandte sich ab und kletterte aus dem Becken. Jemand hielt ihm ein Handtuch hin. »Danke«, murmelte er und legte er sich um den Nacken. In fünf Minuten war das Training für heute vorbei. Rin seufzte leise und spürte bewusst die wohlige Erschöpfung und Schwere in seinen Muskeln. Ein gutes Gefühl. Er zog sich die Kappe vom Kopf und schüttelte seine Haare. Jetzt eine Dusche und dann nach Hause. Vielleicht konnte er- »Matsuoka!« Das war Seijuros Stimme. Rin hob den Blick und erspähte den Captain am Rand der Halle. Wahrscheinlich wollte er noch irgendetwas organisatorisches klären. Solche Aufgaben übertrug er ihm in letzter Zeit immer öfter. Oder er wollte mal wieder etwas über Gou wissen… hoffentlich gab es einen anderen Grund. »Nanase, Tachibana, Hazuki!« »Hm?« Mit einem Stirnrunzeln kam er näher und schaute kurz über die Schulter. Tatsächlich trabten auch die drei anderen tropfend zu ihnen herüber. Es gab doch jetzt nicht etwa nochmal Anschiss wegen der Staffel? Das war inzwischen doch wohl schon zur Genüge ausdiskutiert worden. »Was gibt es?«, gab er seiner Ungeduld nach, aber Seijuro warf ihm nur einen kurzen Blick zu und wartete mit der Antwort, bis auch die anderen in Hörweite waren. »Tut mir leid, ich wollte den Reifen nicht kaputtmachen!«, sagte Nagisa und neigte den Oberkörper. »Entschuldigung!« Seijuro schnaufte. »Ist gut, darum geht’s nicht. Ich hab euch was von höherer Stelle auszurichten. Ihr geht euch jetzt umziehen und kommt dann ins Besprechungszimmer, alles klar?« In drei von vier Gesichtern stand Verwunderung. Rin wusste, dass es bei der Ansage keinen Sinn machte, den Captain nach mehr Details zu fragen, also ließ er es sein, auch wenn er sich darauf echt keinen Reim machen konnte. Warum sie vier? Hatte man sich nachträglich irgendeine Strafarbeit ausgedacht? »Okay, verstanden!« Makoto lächelte und nahm die anderen beiden mit Richtung Umkleide. Rin wollte hinterhergehen, aber Seijuro hielt ihn auf. »Sag mal, was ist eigentlich Gous Lieblingsfarbe?« Rin verzog das Gesicht. Das war jetzt doch nicht sein Ernst. »Ich… keine Ahnung. Frag sie am besten selbst.« Kopfschüttelnd zog er von dannen. Ein dünner Nebel aus Wasserdampf umhüllte die Silhouetten der nackten Männerkörper, die in den weiß gekachelten Nischen standen und sich das Chlorwasser abwuschen. Rin blickte stur geradeaus und verbot es sich so gut wie möglich, genauer hinzusehen, während er selbst nach einer freien Dusche suchte. Erleichtert ließ er die Schultern sinken, als er eine fand, die letzte im Gang. Er hängte das Handtuch an den Haken, trat hinein und stellte das Wasser an. Heiß prasselte es auf seine Schulterblätter. Einen Moment lang genoss er einfach nur die Hitze und wie es sich anfühlte, als würde sie seine Muskeln aufweichen. Dann bückte er sich und pellte sich die Badehose von den Hüften. Irgendwo ein Stück entfernt hörte er Nagisas helle Stimme, aber das monotone Rauschen des Wassers ließ es nicht zu, dass er die Worte verstand. Es war nicht so, als hätten ihn die Weisheiten des kleinen Energiebündels besonders interessiert… es ging eher darum, mit wem er redete und was derjenige antwortete. Aber Haruka redete ohnehin nie besonders viel und Makoto… Makoto. Rin wusch sich mit fahrigen Handgriffen die Haare und neigte dann den Kopf, um den Schaum auszuspülen. »Rin?« Er drehte das Wasser ab und trat auf den Gang. Schnell griff er nach dem Handtuch, bevor er zu Makoto blickte, der bereits angezogen war und ein paar Meter entfernt von ihm stand. »Wir warten vor dem Besprechungszimmer auf dich, okay?«, fragte er. Rin spürte, wie sich seine Mundwinkel ganz automatisch hoben, als Makotos Lächeln ihm galt. Dabei waren die Worte so unheimlich belanglos. Es war ihm völlig egal, ob der Trupp auf ihn wartete, oder schon hinein ging. Er war kein kleines Kind, das an die Hand genommen werden musste. »Alles klar… bin gleich so weit«, erwiderte er und begann dann, seine Haare trocken zu rubbeln. Drei Minuten später, die Sporttasche lässig über die Schulter geworfen, stieß er zu den drei Iwatobis, die tatsächlich artig vor der Tür warteten. Oder sich nicht trauten. »Lasst uns reingehen, ich will’s hinter mich bringen«, murmelte er. »Hast du eine Idee, wieso man uns hierher bestellt, Rin-chan?« Er schoss ihm einen abschätzigen Blick zu. »Es kann nur um die Staffel gehen…« »Dabei haben wir uns doch schon an allen Stellen dafür entschuldigt.« Haruka seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir noch mehr Ärger bekommen. Vielleicht geht es um etwas ganz anderes.« Makoto hatte die Arme um seine beiden Mitschüler gelegt und schob sie langsam Richtung Tür. Rin grinste, drehte den Türknauf und trat als erster ein. Drinnen saß eine Frau um die Dreißig, in einem schicken grauen Kostüm, die Rin noch nie gesehen hatte. Irgendwie hatte er mit jemandem von der Schulleitung gerechnet oder vielleicht mit dem Captain eines anderen Schwimmteams. Er blieb vor dem langen Besprechungstisch stehen und ließ sich erst zu einem ‘Guten Tag’ hinreißen, als die anderen sie grüßten. »Setzt euch doch, Jungs.« Sie lächelte freundlich. Zögerlich ließ er sich neben Makoto auf die Bank sinken. In der Mimik dieser jungen Frau lag etwas, das ihn irritierte. Eine Art… viel zu gute Laune und Feierlichkeit. Das passte nicht zu dem, was er erwartete. Augenblicklich schien der ganze Raum voll dampfender Anspannung zu sein, die aufgrund fehlender Fenster nicht entweichen konnte. »Ich bin Sayuri Katsura, Vize-Präsidentin des Japanischen Schwimmsportverbandes.« Rin schluckte. Was zum…? Aus dem Augenwinkel schaute er zu Makoto, der ähnlich überrascht aussah, wie er. »Eure Staffel diesen Sommer beim Regionalwettbewerb hat mich sehr beeindruckt. Nicht nur wegen eurer Zeit, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass ihr eure Teams entgegen der Regeln vermischt habt und wie… ja, wie sehr euer Enthusiasmus für den gemeinsamen Sport aus euch gestrahlt hat. Ich habe daraufhin ein bisschen nachgeforscht und mit mehreren Leuten geredet, bis ich herausgefunden habe, dass ihr schon von Kindesbeinen an zusammen geschwommen seid. Eine wirklich süße Geschichte.« Sie lächelte und Rin verzog das Gesicht. Wohin führte diese Besprechung? »Ich habe meinen Kollegen vom US-Verband davon erzählt und ihnen die Aufzeichnung gezeigt. Und jetzt… bin ich hier um euch zu sagen, dass ihr vier als Team eingeladen worden seid, um am Swimmer’s Passion Event in Kalifornien teilzunehmen.« Rins Kiefer klappte ein paar Millimeter herunter. Am SPE nahmen normalerweise nur echte Größen teil, Ausnahmetalente und bekannte Namen. Es gab zwar keine Medaillen, aber alleine wegen des Austauschs mit Profis aus aller Welt, war das eine Riesensache. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Ihre popelige kleine Staffel hatte deren Aufmerksamkeit erregt? »Swimmer’s Passion…«, wiederholte Haruka leise, aber es klang nicht wie eine Frage. Nagisa hielt es nicht an seinem Platz. Er sprang jubelnd auf. »Das ist ja der Wahnsinn! Ist das wirklich wahr? Wir schwimmen in den Vereinigten Staaten?« Frau Katsura lächelte und entblößte perfekt weiße Zähne. »Ja, so ist es. Wenn ihr die Einladung annehmt.« »Natürlich nehmen wir die an!«, rief Nagisa, stockte dann aber und wandte sich ihnen zu. »Tun wir doch, oder?« »Wann findet das statt?«, fragte Makoto. »Es beginnt in zwei Wochen. Eure Flüge und Hotelzimmer sind bereits reserviert. Mit euren Schulleitern habe ich vorab schon gesprochen. Es liegt ganz an euch, aber ich hoffe doch, ihr sagt ja und zeigt allen, was der Kern des gemeinsamen Sports ist.« »Ich würde sehr gern teilnehmen«, sagte Makoto. Man hörte ihm die Freude zwar an, aber auf eine viel ruhigere Art, als bei Nagisa. Haru wirkte immer noch ein bisschen erstarrt, bis Nagisa ihn in die Seite stieß. »Haru-chan, wir schwimmen unsere Staffel in Kalifornien! Hörst du?« Schließlich nickte er und alle Köpfe drehten sich Rin zu. Die ganze Situation wirkte immer noch verdammt skurril und die aufkeimende Freude war damit beschäftigt, sich durch eine zähe Masse aus Verwunderung und Unglaube zu kämpfen. Erst Makotos Hand, die sich warm und sanft auf seine Schulter legte und der fröhliche Blick aus den grünen Augen, ließen ihn die einzig angemessenen Worte finden. »Klar, ich bin dabei.« * Rin blickte aus dem Fenster. Seine Augenlider fühlten sich träge an. Der Schlaf im Flugzeug war nicht der Beste. Draußen hellte ein feuriges Orange Stück für Stück das Blauschwarz des Nachthimmels auf. Noch zwei Stunden bis zur Landung. Er gähnte so herzhaft, dass sein Kiefer leise knackte, dann streckte er die Arme über den Kopf und die Beine und Füße so gut es eben ging, weckte seine Gelenke auf. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass er sich von Gou verabschiedet hatte. Sie war bis zuletzt ein bisschen zickig darüber gewesen, dass sie als Coach nicht mitkommen konnte. Er hatte versprochen, ein paar Bizeps für sie zu fotografieren, aber es hatte nicht viel geholfen. Haru neben ihm schlief noch. Oder wieder. In der Reihe vor ihnen saßen Makoto und Nagisa und spielten irgendein Kartenspiel. Rins Augen folgten dem leichten Wippen der Haarsträhnen, als Mako sich vorbeugte um einen Zug zu machen, dann glitt sein Blick über die Linie seines Kiefers, bis zum Kinn, hinauf zu den Lippen, die wie fast immer zu einem Lächeln verzogen waren. Früher war ihm das gar nicht so aufgefallen, aber Makotos Lächeln nutzte sich irgendwie überhaupt nicht ab. Im Gegenteil. Er konnte sich daran nicht satt sehen. Und da war es sogar egal, ob er ihn so wie jetzt einfach nur dämlich anstarrte. »Rin? Alles klar?« Er musste zweimal blinzeln, bevor sein Hirn sich wieder einschaltete und seinem Gesicht die Anweisung gab, auf der Stelle mehr Coolness auszustrahlen. »Nur etwas müde… die Sitze sind verdammt unbequem.« Makoto nickte verständnisvoll. »Ich bin auch noch nie so lange geflogen. Aber wir sind bald im Hotel.« »Erst mal kommt noch die Landung«, meldete Nagisa sich und sein Gesicht tauchte in der Spalte zwischen den beiden Rückenlehnen auf. »Da kann ziemlich viel schief gehen. Wir könnten abstürzen. Habt ihr keine Angst?« Rin schnaubte. Der Humor des Blondschopfs nahm manchmal seltsame Züge an. Bei Makoto schienen die Worte aber tatsächlich ein Unwohlsein heraufzubeschwören. »Blödsinn, wir landen. Es wird rein gar nichts schiefgehen. Fliegen ist viel ungefährlicher als Autofahren.« Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich lässig zurück. Haruka neben ihm gab ein mürrisches Brummen von sich. »Sind wir bald da?« »Bald. Kannst ruhig nochmal die Augen zumachen«, grummelte er und drehte die Lautstärke seines iPods auf. Makoto hatte sich wieder Nagisa zugewandt. Sobald sie im Hotel ankamen, würde das gleiche Spielchen stattfinden, wie zu Beginn des Fluges bei den Sitzplätzen. Alle rissen sich um Makoto. Genervt drehte er die Augen zur Seite. Es gab zwei Doppelzimmer. Wenn er mit ihm aufs Zimmer wollte, musste er auf jeden Fall irgendwie eingreifen, und durfte nicht warten, dass sie es unter sich ausmachten. Er war noch nicht wieder ganz in dieser Clique angekommen. Vielleicht würde er es auch nicht mehr. Trotzdem… Er hob die Lider leicht an und schielte zu Haru herüber. * Die Sonne schien von einem makellos blauen Himmel auf die kleine Truppe herab, als sie ihr Gepäck in den Kofferraum des Taxis hievten. Die Türen knallten, dann startete der Motor. Rin stützte den Ellenbogen lässig auf den Rand des halb heruntergelassenen Fensters. Der aufkommende Fahrtwind strich ihm durchs Haar und trug den lebensnotwendigen Sauerstoff ins Auto, in dem schon nach wenigen Minuten alle vor sich hin brutzelten. »Wollen wir gleich zum Strand, wenn wir eingecheckt haben?«, fragte Nagisa von vorn, wandte sich aber nicht zu ihnen um. Die Augen des jungen Mannes klebten förmlich an der Scheibe. Die Häuser der Großstadt wuchsen vor ihren Augen in die Höhe und verdichteten sich zu einem grauen Dschungel aus Beton, Glas und Metall. »Es kann nicht schaden, sich gleich ein bisschen umzusehen. Dann treffen wir vielleicht auch schon ein paar von den anderen Schwimmern«, erwiderte Makoto, der in der Mitte zwischen Rin und Haru saß. Rin brummte nur zustimmend und ein wenig geistesabwesend. Ihm gefiel es viel zu gut, wie ihre Beine sich ganz zufällig durch den fehlenden Freiraum auf der Rückbank berührten. Bei jedem anderen hätte ihn das alles genervt… die engen Kurven, bei denen man halb aufeinander hockte, der Geruch des fremden Shampoos in der Nase, wenn man sich dadurch kurz näher kam,… aber jetzt gerade war es völlig in Ordnung. Kurz zog er gar in Erwägung, die Fliehkraft als Ausrede dafür zu benutzen, um die Hand auf sein Knie zu legen, oder auf seinen Oberschenkel, nur ganz kurz… aber er ließ den Gedanken wieder los und widmete sich lieber der Sache mit der Zimmerverteilung. Betont beiläufig lehnte er sich zu Makoto herüber und sprach etwas leiser an seinem Ohr. »Ich hab gehört, du hast eine ziemlich gute Nackenmassage drauf.« Das stimmte zumindest so mehr oder weniger. Rin hatte vor ein paar Tagen gesehen, wie er Ai ein bisschen die Schultern massiert hatte. Aber das reichte als Aufhänger. Mako wandte ihm das Gesicht zu und hob ein wenig überrascht die markanten Augenbrauen, lächelte dann wieder. »Ich tue mein Bestes. Warum fragst du?« Rin rieb sich etwas umständlich den Nacken und verzog überzeugend das Gesicht. »Ich glaube, ich habe mich beim Schlafen im Flieger irgendwie blöd verspannt. Vielleicht könntest du da nachher mal Hand anlegen?« Makoto verzog einen Moment lang mitleidig den Mund und nickte dann. Eine Gelegenheit, jemandem zu helfen, konnte er einfach nicht ausschlagen. Makoto war ein guter Samariter und gleichzeitig hatte er definitiv was von einem Labrador, der selbst noch dem Einbrecher beim Taschentragen half. »Sicher.« Rin grinste. »Perfekt.« Während Nagisa immer wieder Vorschläge machte, wie sie die nächsten Tage verbringen würden, Harus Nachfragen über die anderen Schwimmer beantwortete wie ein wandelndes Lexikon und in holprigem Englisch versuchte, dem Fahrer ein paar Sightseeing-Infos zu entlocken, lehnte Rin sich wieder zurück, lauschte halbherzig und ließ seine Gedanken kreisen. Egal wo sie begannen, egal was ihn zum Nachdenken brachte - ein Straßenschild, auffällig gekleidete Menschen auf der Straße, ein Filmplakat - alles führte irgendwann zu dem jungen Mann neben ihm. Das ging jetzt schon über einen Monat so und es war… anstrengend. So anstrengend, dass es ihn während des Trainings ablenkte. Statt voranzukommen, weil er sich von Haru angespornt fühlte, machte er Rückschritte seit die vier Jungs bei ihnen trainierten. Und das lag an Makoto. Nein, eigentlich lag es an ihm. Er drehte irgendwie durch. Zuerst hatte er versucht, sich gedanklich auf die Finger zu hauen, wann immer er zu weit abdriftete, aber das hatte schlichtweg nicht funktioniert obwohl Disziplin sonst nie sein Problem war. Abgesehen davon… er wollte nicht wieder anfangen, Verdrängen und Weglaufen als Lösung für Probleme zu akzeptieren. Und das ließ nur noch den Weg nach vorn zu, den Weg auf ihn zu. Dieser Ausflug war perfekt dafür, ein bisschen Zeit mit Makoto allein zu verbringen, mit ihm zu reden, und sich selber klar zu werden, was er eigentlich von ihm wollte. Und was er bekommen konnte. * Das Taxi hielt und die weiße Hotelfassade leuchtete hinter riesigen Sträuchern und Palmen hervor. Rin beeilte sich mit dem Aussteigen und zerrte als Erster sein Gepäck aus dem Kofferraum des Taxis, damit er vorangehen konnte. Ein kurzer weißer Steinpfad führte zum Eingang des Hotels und Rin tat sein Bestes, um beim Tragen seiner Koffer ein wenig angeschlagen auszusehen: Den Rücken hatte er leicht gekrümmt, aber so dass es so aussehen musste, als würde er angestrengt zu verbergen versuchen, dass ihm die Muskeln wehtaten. Grinsend warf er einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass die anderen ihm in kurzem Abstand folgten und dass Makoto nicht von irgendetwas abgelenkt war. Wenn er schon diese Show für ihn abzog… Der Weg zum Check-In führte durch ein kleines aber edles Foyer. Dunkelblaue Teppiche bildeten Inseln auf einem See aus hellem Marmor und hinter den riesigen Fenstern sah man wieder den Dschungel, der das ganze Gebäude einzurahmen schien. Aber Rin gönnte dem Genuss dieses Anblicks nur wenige Sekunden. Er musste sich auf sein Schauspiel konzentrieren. An der Theke angekommen, schwang er den Arm, mit dem er den Koffern lässig auf dem Rücken hängend getragen hatte, nach vorne und gönnte sich dabei ein kleines Zusammenzucken. Hoffentlich hatte Makoto das gesehen. Um die Sache nicht zu verkomplizieren, übernahm er die Kommunikation. Die Reservierung war schnell gefunden und die junge Frau schob zwei Magnetkarten über das blanke Holz des Tresens. Hastig griff Rin sich beide und warf einen davon Nagisa zu. »Auf geht’s, zweiter Stock«, teilte er den anderen mit und fasste nach dem Handgriff seines Koffers. Seine Finger schlossen sich um den Kunststoff, dann wollte er den Oberkörper aufrichten, stockte aber in der Bewegung. Ein scharfes Schnauben ausstoßend verengte er die Augen. Die Schultern wurden einmal nach hinten gerollt. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Makoto zu ihm schaute. Es konnte ja nur noch eine Sekunde dauern bis… »Rin?« Angebissen. Ohne von seinem vermeintlichen Versuch, den Koffer anheben zu wollen, abzulassen, rollte Rin die Augen nach oben um Makotos Blick zu treffen. »Alles okay«, sagte er. Ein erneuter Ruck. Dieses Mal gelang es ihm natürlich, das Gepäckstück zu heben. Er grinste seinem Gegenüber dabei lässig ins Gesicht und wollte sich den Koffer wieder mit einem genau berechneten Schwung auf den Rücken werfen, sodass er an seiner Hand über die Schulter baumeln würde wie vorhin. Doch Makotos Hand hielt ihn ab. Aus dem Augenwinkel sah Rin zu den anderen beiden und versuchte zu ignorieren, dass die Berührung der fremden Finger sein Handgelenk glühen ließ. »Geht schon mal vor, wir kommen gleich nach«, rief Makoto den Jungs zu und aus dem freundlichen Lächeln wurde ein verständnisvolles. »Gönn dir die kleine Schwäche. Ich verrate dich nicht.« So wie sein Herz gerade sprintete, war die Schwäche wohl größer, als er selber geahnt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)