Naruto Kurzgeschichten von Chi_desu (Sammlung meiner oneshots) ================================================================================ Kapitel 19: Regen ----------------- Frustriert warf Sakura ihr Buch durch das Zimmer. Ein Blick auf die Uhr bewies ihr, dass es erst drei Uhr Nachmittags war. Wie sollte sie diesen endlos langweiligen Tag bloß jemals überstehen? Missmutig hob sie ihre Tasche auf das Bett und packte die Badesachen wieder aus. Langsam musste sie wohl doch einsehen, dass aus dem geplanten Sommernachmittag am See nichts werden würde. Seit sie und das Team wieder mit Kakashi trainierten, hatte sie ohnehin so wenig Freizeit und nun hatte sie ausgerechnet heute freibekommen. Sie warf einen Blick nach draußen, wo es in Strömen regnete. Nein, bei dem Wetter irgendwelche langweiligen Trainingseinheiten zu absolvieren wäre wahrscheinlich auch nicht sehr erfreulich gewesen. Sakura räumte ihre Badesachen weg und stellte dann fest, dass es immer noch kurz nach drei war. Ihre Eltern waren mal wieder nicht zu Hause und bei dem Sauwetter zog es keinen nach draußen. Naruto hatte sich wahrscheinlich gemütlich in seiner Lieblings-Ramen-Bar eingenistet und irgendeinen armen Teufel dazu überredet, ihn einzuladen. Sai zog sich an freien Tagen in seine Wohnung zurück und Sasuke... Sasuke ließ sich in seiner Freizeit nie blicken. Und selbst wenn hätte sie mit ihm nichts unternehmen können, sie wusste ja nur zu gut, dass er ihr aus dem Weg ging. Seit seiner Rückkehr ins Dorf war er noch verschlossener geworden. Er tauchte nur zum Training auf, aber das war auch kein Wunder. Die Dorfbewohner waren nicht gut auf ihn zu sprechen, selbst die Nachricht, dass er Orochimaru getötet hatte, hatte an dem Misstrauen das sie ihm entgegenbrachten nichts mehr ändern können. Er hatte mit zwölf das Dorf verlassen und sie damit alle verraten. Jetzt, fünf Jahre später, war die Ablehnung der Dorfbewohner immer noch deutlich spürbar, was vielleicht auch mit Itachi zusammenhing. Hinter vorgehaltener Hand verglich man Sasuke mit seinem Bruder und spottete, dass die Mitglieder der Uchiha Familie wohl eine Affinität zum Bösen hätten. Sasuke war seit beinahe einem halben Jahr wieder im Dorf aber außerhalb des Trainings und der Missionen hatte er so gut wie kein Wort mit ihr gewechselt. Kopfschüttelnd vertrieb sie den Gedanken. Sie durfte nicht darüber nachdenken, Liebeskummer war das einzige, das noch schlimmer war als diese Langeweile. Mit einem leisen Seufzen öffnete sie das Fenster und atmete die warme Sommerluft ein, die in den Raum strömte. Gegen Mittag als der Regen eingesetzt hatte, war es noch brütend heiß gewesen, und selbst der Regenschauer hatte die Luft kaum abkühlen können. Sie streckte den Arm aus dem Fenster. Der Regen war warm. Der Himmel sah düster aus und zeigte keine Aussichten auf Besserung. Im Gegenteil, wahrscheinlich würde es bald ein Gewitter geben. Missmutig setzte Sakura sich ans Fenster und stützte ihren Kopf mit einer Hand ab. "Ich hasse Regen", maulte sie und spielte unbewusst mit einer Haarsträhne, während sie nach draußen starrte und auf eine Abwechslung hoffte. Die Abwechslung kam schneller als gedacht. Zufällig fiel ihr Blick unten auf die Straße, wo ihr etwas Dunkles ins Auge gestochen war. Erstaunt stand sie auf, als sie erkannte, dass es das Schwarz von Sasukes Hemd war. Sasuke stand auf dem Platz vor ihrem Fenster, ohne Schirm und – was sie vielleicht sogar noch mehr verwunderte – unbewaffnet. Bisher hatte sie angenommen, dass er an freien Nachmittagen irgendwo allein trainierte. Neugierig geworden beobachtete sie ihn und zwang sich, nicht ins Schwärmen zu geraten. Er sah schon sehr gut aus, selbst jetzt, wo der Regen sein Haar nass und schwer an seiner Stirn kleben ließ. Siebzehn zu sein stand ihm gut zu Gesicht, in den Jahren seiner Abwesenheit war er von einem hübschen Kind zu einem so gutaussehenden jungen Mann geworden, dass ihr immer noch die Knie weich wurden. Sie schaute zu, wie er bis in die Mitte des Platzes ging und dort kurz innehielt. Was hatte er vor? Warum stand er bei dem Wetter ganz allein da draußen auf der Straße? Sasuke schloss die Augen und hob den Kopf dann hoch zum Himmel. Verwirrt runzelte Sakura die Stirn. Es sah fast so aus, als würde er... dieses Wetter genießen? Sie hatte gewusst, dass Sasuke anders war, aber das war schon etwas merkwürdig, wie er da mutterseelenallein und klatschnass im Regen stand. Sie beobachtete ihn noch ein paar Momente lang, dann hielt sie es nicht mehr aus. Das hier war eine Gelegenheit, Sasuke allein zu treffen, ohne die neugierigen Blicke von Sai oder den lauten Naruto. Sie schnappte sich einen Schirm und verließ das Haus. Als erstes fegte ihr ein Windstoß ins Gesicht und ihr wurde klar, dass der Schirm ihr nicht viel nützen würde. Achtlos warf sie ihn vor die Tür und stapfte durch den Regen auf Sasuke zu. Sie war bereits klatschnass, bevor sie bei ihm ankam. Bevor sie seinen Namen sagen und sich so bemerkbar machen konnte, öffnete er die Augen und sah sie an. Er sah irgendwie befremdlich aus mit seinen nassen Haaren und den Wassertropfen, die über sein blasses Gesicht liefen. Auf einmal wusste sie nicht mehr, was sie sagen wollte. Weil er sie erwartungsvoll anstarrte, murmelte sie verlegen: "Ich hab dich vom Fenster aus gesehen, Sasuke-kun... was tust du hier?" Er warf ihr einen verwunderten Blick zu und sie begriff, dass er nicht gewusst hatte, dass sie hier wohnte. So viel zu ihrer heimlichen Hoffnung, er würde eines Tages vor ihrem Fenster stehen und ihr seine Liebe gestehen. Sakura schüttelte den Gedanken ab. Das war nicht der richtige Ort für ihre kindischen Träumereien. Sasuke schaute in den Himmel. "Ich wollte mich nur abkühlen. In Konoha regnet es so selten." "Zum Glück!", platzte es aus Sakura heraus und als sie merkte, dass sie wieder mal das falsche gesagt hatte, war es zu spät, um es noch zurückzunehmen. Unsicher fügte sie hinzu: "Ich mag es nicht, wenn es regnet. Es ist so ungemütlich und man kann nichts unternehmen." Sasuke antwortete nicht aber man sah ihm an, dass er anderer Meinung war. Ein Windstoß erfasste sie und Sakura schauderte. Langsam wurde es doch etwas kühl. "Sasuke-kun? Möchtest du nicht mit reinkommen?" Als er ihr einen undeutbaren Blick zu warf, spürte sie, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss und sie fügte schnell hinzu: "Nicht so, wie du denkst. I-Ich finde nur es wird kalt und ich möchte nicht, dass du dich erkältest." Er schaute sie durchdringend an und sie war sich sicher, dass er ablehnen würde. Stattdessen sagte er tonlos: "In Ordnung." Sie blinzelte und starrte ihn ungläubig an. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie sich diese Antwort doch nur eingebildet hatte. Aber er schaute so erwartungsvoll und unsicher setzte sie sich in Bewegung. "Komm... es ist gleich hier." Sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder einfach nur nervös sein sollte, als er ihr ins Haus folgte. Sie zog sich die Schuhe aus und huschte dann triefend ins Badezimmer. Sasuke folgte ihr zögernd. Sie holte sich ein Handtuch aus dem Schrank und gab Sasuke auch eins. Dann hielt sie inne und begriff, dass sie ihre Einladung wohl nicht so wirklich überdacht hatte. Sasuke war klatschnass und so konnte er ja nicht weiter rumlaufen. Sie überlegte angestrengt und murmelte schließlich: "Du solltest die nassen Sachen ausziehen. Ich könnte dir... eine Hose von meinem Vater raussuchen, wenn du möchtest." Sasuke nickte und antwortete: "Okay." Erleichtert verließ Sakura das Bad um im Schlafzimmer ihrer Eltern nach etwas passendem zu suchen. Sie hatte sich oft ausgemalt, wie es wohl wäre, Sasuke bei sich im Haus zu haben, aber jetzt, wo es soweit war, fühlte sie sich einfach nur unsicher. Er war so anders als sonst. Gut, seit seiner Rückkehr hatte er sowieso kaum mit ihr geredet, aber es hatte schon nicht zu ihm gepasst, ihre Einladung anzunehmen. Sie wühlte im Kleiderschrank und fand schließlich eine Trainingshose, die wohl noch aus früheren Tagen stammen musste, denn erstens hatte sie ihren Vater noch nie darin gesehen und zweitens bezweifelte sie, dass diese Hose ihm noch passte. Während sie wieder zurück ins Bad ging, hörte sie, wie es draußen grollte. Das erwartete Gewitter kündigte sich an. Sie brachte Sasuke die Hose und murmelte: "Ich zieh mich in meinem Zimmer um. Keine Sorge, es ist sonst niemand im Haus." Bevor er antworten konnte, floh sie regelrecht in ihr Zimmer, wo sie sich aus den nassen Sachen schälte und sich gründlich abtrocknete. Dann warf sie einen Blick in den Kleiderschrank und überlegte lange, was sie anziehen sollte. In Sasukes Gegenwart zog sie sich immer figurbetont an, aber heute fühlte sie sich auf einmal so unsicher. Sie hatte sowieso nicht die beste Figur und im Gegensatz zu Ino fühlte sie sich unterentwickelt. Auf einmal kam es ihr ziemlich albern vor, sich für Sasuke in Schale zu werfen, deshalb entschied sie sich für ein T-shirt und eine bequeme Hose. Nachdem sie sicherheitshalber noch ein paar Minuten gewartet hatte, wagte sie sich wieder ins Bad. "Sasuke-kun? Bist du fertig?", fragte sie durch die geschlossene Tür. Die Tür ging auf und der Anblick von Sasuke nur in der viel zu weiten und viel zu langen Trainingshose raubte ihr einen Moment lang den Atem. Darauf war sie nicht gefasst gewesen. Nur um irgendwas zu sagen und ihn nicht länger blöde anzustarren murmelte sie: "Die Hose ist wohl doch etwas groß, was?" Er senkte den Blick auf seine nackten Zehen, die nur ein bisschen unter der langen Hose hervorlugten, und meinte schlicht: "Ja." Ihr Vater war doch noch ein Stück größer als er und auf jeden Fall… breiter. Wasser tropfte auf den Boden und Sakura stellte fest, dass er seine Haare noch nicht abgetrocknet hatte. Sofort kam ihre fürsorgliche Seite durch und sie sagte mit einem Lächeln: "Deine Haare sind ja noch ganz nass." "Oh, ich..." Ganz selbstverständlich holte sie noch ein Handtuch und sagte: "Setz dich mal kurz hin." Widerstandslos setzte er sich auf den Wannenrand und sie warf ihm das Handtuch über den Kopf. Er stützte die Hände auf die Knie und machte keinen Mucks als sie ihm die Haare trocken rubbelte. Nachdem sie fertig war und das Handtuch von seinem Kopf zog, konnte sie einen verzückten Laut nicht unterdrücken. Mit diesen ungekämmten, strubbeligen Haaren sah er richtig süß aus. Er quittierte ihre Verzückung mit einem finsteren Blick und sie fuhr ihm liebevoll durch sein schwarzes, feuchtes Haar. "Entschuldige. Das sah einfach zu niedlich aus." Sie hatte eigentlich mit einem weiteren, finsteren Blick gerechnet, aber stattdessen blickten seine dunklen Augen sie erstaunt an. Sakura merkte, wie sie wieder rot wurde und wandte sich rasch ab. Was war bloß in sie gefahren? Ein angehender Anbu ließ sich sicher nicht so gerne ‚niedlich’ nennen. "Ähm... sehen wir mal nach wie es draußen aussieht, ja?", murmelte sie verlegen. Er folgte ihr in ihr Zimmer und gemeinsam warfen sie einen Blick nach draußen. Der Himmel hatte sich noch mehr verdüstert und in der Ferne sah man schon die ersten Blitze durch die Wolkendecke brechen. Mit einem schüchternen Blick drehte Sakura sich zu Sasuke um. "Setz dich doch", bot sie ihm an und er setzte sich auf ihre Bettkante. "Möchtest du etwas trinken? Tee vielleicht?" "Nein, danke", antwortete er höflich. Beide verfielen in Schweigen. Unsicher ließ Sakura sich auf ihren Schreibtischstuhl sinken. Sasuke ließ sich nicht anmerken, was er dachte. Genau das machte Sakura von Minute zu Minute unsicherer. Wahrscheinlich langweilte er sich zu Tode. Oder er fühlte sich unwohl und überlegte grade, wie er am schnellsten aus diesem Haus raus kam. Fieberhaft versuchte sie, ein Gesprächsthema zu finden, aber sie begriff sehr schnell, dass sie fast nichts über Sasuke wusste. Die einzigen Gemeinsamkeiten waren das Training und Naruto, und Sakura wollte weder über das eine noch das andere reden. Ihr war zum heulen zumute, als ihr bewusst wurde, dass es nichts gab, über das sie sprechen konnten und Sasuke offenbar auch kein Interesse an einer Konversation hatte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Wie oft hatte sie genau hiervon geträumt, davon, dass Sasuke hier in ihrem Zimmer bei ihr saß, und nun hatten sie nicht einmal etwas, worüber sie reden konnten. Die ganze Situation war einfach nur unangenehm. Und zu wissen, dass sie so eine Gelegenheit wahrscheinlich nie wieder haben würde, machte es auch nicht unbedingt einfacher. Jetzt streng dich endlich an!!!, keifte die innere Sakura, Rede mit ihm! Das ist deine Chance! Sag etwas, IRGENDWAS! "Was.... was hast du da draußen eigentlich gemacht?", murmelte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel. Er zuckte die Schultern. "Ich mag es, wenn es regnet." "Tatsächlich?" Er schaute durch das Fenster. "Ja." Wieder drohte die Stille sich auszubreiten und Sakura begriff mit einem Anflug von Panik, dass sie niemals genug Gesprächsstoff für die Dauer dieses Gewitters finden würde. Unsicher sagte sie: "Es wird ein Gewitter geben. Das hasse ich am Sommer. Wenn es so laut donnert draußen, macht es mir Angst." Ganz so war es nicht. Sie war kein kleines Kind mehr, das sich vor einem harmlosen Gewitter fürchtete. Sie mochte bloß den Donner nicht, weil sie ohne es zu wollen erschrak, wenn es draußen knallte. "Zumindest wenn ich allein bin", fügte sie zögernd hinzu. "Ich kann ja hierbleiben, bis das Gewitter vorbei ist." Zum zweiten Mal heute starrte sie ihn sprachlos an. "Das wäre... das... würde mich sehr freuen, Sasuke-kun." Draußen wurde das noch weit entfernte Donnern am Himmel etwas lauter. Ihr fiel nichts mehr ein, was sie hätte sagen können, deshalb fragte sie: "Wollen wir ein bisschen fernsehen?" "Okay." Keine zwei Minuten später saßen sie im Wohnzimmer auf der Couch und Sakura durchstöberte ungeduldig das Fernsehprogramm. Sasuke saß direkt neben ihr, gerade so, dass sie einander nicht berührten. Zum tausendsten Mal fragte sie sich, warum sie sich ausgerechnet jemand wie ihn hatte aussuchen müssen. Jemand, der still und in sich gekehrt war, der nie seine Gefühle durchblicken ließ und kaum mehr Unterhaltung als eine Hauswand bot. Wäre Naruto an seiner Stelle hier gewesen, wäre alles so viel einfacher gewesen. Naruto hatte immer irgendwas zu sagen. Irgendwann gab Sakura es auf und ließ irgendeine Komödie laufen. Sie beide starrten auf den Fernseher und lachten nicht ein einziges Mal. Nach ein paar Minuten holte Sakura sich eine Decke, weil es doch merklich kühler wurde. Sie merkte, wie sie langsam müde wurde und auch wenn sie dagegen ankämpfte, fielen ihr nach einer Weile die Augen zu. Als ihr Kopf schon schwer auf der Rückenlehne lag und sie die Augen geschlossen hatte, hörte sie Sasuke leise fragen: "Bin ich so langweilig?" Sie blinzelte und hob den Kopf. "Was?" "Bin ich wirklich so langweilig, Sakura?" Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr fehlten die Worte. Hatte sie ihn verletzt? Das war doch gar nicht so gemeint gewesen. Bevor sie sich eine Antwort überlegen konnte, sagte er: "Ich verstehe nicht, warum du immer mit mir ausgehen willst. Wir haben uns nichts zu sagen. In meiner Gesellschaft schläfst du höchstens ein, wie man sieht." "Nein, so ist das nicht, Sasuke-kun", rief Sakura verzweifelt. "Ich fühle mich sehr wohl in deiner Nähe, sonst würde ich nicht einschlafen können. Es stimmt, dass wir... nicht sehr viel Gesprächsstoff haben, aber das kommt nur daher, dass wir noch nicht sehr viel übereinander wissen." "Über mich gibt es nichts zu wissen. Wenn du denkst, dass es bei mir noch irgendwas zu entdecken gibst, dann irrst du dich. Ich bin wie ich bin. Ich lebe nur noch für meine Rache." Ohne auf ihre Unsicherheit zu hören, rückte Sakura ein Stück näher an ihn heran und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Es war fast ein Wunder, dass er es zuließ. "Das stimmt doch nicht. Es gibt vieles an dir was Besonders ist. Alles, was du tust, tust du aus vollem Herzen. Du kämpfst nur mit deinem ganzen Herzen, und du hasst Itachi aus ganzem Herzen. Deswegen denke ich, dass es etwas ganz Besonderes sein muss, wenn du jemanden gern hast. Weil du ganz sicher auch nur aus vollem Herzen liebst." Sie schloss die Augen. Ihm so nah zu sein war wunderschön. Die Unsicherheit war auf einmal verflogen und sie entspannte sich. "Es wäre sehr schön gewesen, wenn ich diejenige hätte sein können... diejenige, die du aus ganzem Herzen liebst... Sasuke-kun..." Sasuke sagte nichts mehr. Warum musste es so kompliziert sein? So hatte sie es sich nicht vorgestellt. So sollte das nicht laufen. Sasuke war hier bei ihr, draußen regnete es, alles hätte so wunderbar romantisch sein können. Und es war bloß verkrampft und die Stille war unerträglich laut. Er hatte es selbst gesagt, er lebte bloß für seine Rache. Sie hatte in seinem Herzen doch gar keinen Platz, jedenfalls nicht, solange Itachi noch lebte. In diesem Moment fand sie es fast peinlich, dass sie mit ihren siebzehn Jahren es immer noch nicht geschafft hatte, diese dämliche Schwärmerei für ihn aufzugeben. Vielleicht war das hier genau richtig um endlich loslassen zu können. Sie brauchte vielleicht diese Erkenntnis, dass sie einander nichts zu sagen hatten. Sakura schloss die Augen und sein stetiges ein- und ausatmen entspannte sie etwas. Sie fühlte sich wohl bei ihm, so wohl, dass sie doch noch einnickte. Sie wurde von einem lauten Donnerschlag wieder geweckt und als sie die Augen öffnete, lag sie mit dem Kopf in Sasukes Schoß. Seine Finger spielten abwesend mit ihrem Haar und sie fragte sich, ob das bloß ein schöner Traum war. Aber es war zu real für einen Traum. Sie drehte sich auf den Rücken um Sasuke ansehen zu können und flüsterte: "Entschuldige, dass ich doch eingeschlafen bin." "Schon gut." Sie setzte sich widerwillig auf. "Wie lang habe ich geschlafen?" "Nur ein paar Minuten." Sie hörte es draußen stürmen und stand auf. "Wie sieht es draußen aus?" In ihre Decke gehüllt ging sie rüber zum Fenster und schaute nach draußen, wo die Bäume von Konoha sich im Sturmwind bogen. In dem Moment zuckte ein gewaltiger Blitz über den Himmel und im nächsten Moment krachte es laut. Erschrocken wich Sakura vom Fenster zurück und prallte gegen Sasuke, von dem sie gar nicht gemerkt hatte, dass er hinter ihr gestanden war. Die Decke fiel ihr von den Schultern und sie wäre wahrscheinlich gleich mit auf den Boden gefallen, wenn Sasuke sie nicht bei den Oberarmen gepackt und festgehalten hätte. Es wurde still im Raum, bis Sakura mit gesenktem Kopf murmelte: "Tut mir leid, ich hab mich erschrocken." Zuerst sagte er gar nichts und sie drehte sich langsam wieder um, um nach draußen sehen zu können. Zu ihrer Überraschung fragte er: "Warum magst du kein Gewitter?" Im Brustton der Überzeugung erwiderte sie: "Es ist laut und kalt und ungemütlich. Ich hatte schon als Kind Angst." Sie wusste nicht genau warum, aber gerade jetzt kamen Erinnerungen an ihre Kindheit hoch. "Ich bin damals immer zu meinen Eltern ins Bett gekrochen und habe mich trösten lassen." Sie erschauderte, weil ihr ohne die Decke zu kalt war. Sie wollte sich bücken und sie aufheben, aber als hätte Sasuke ihre Gedanken erraten, hob er die Decke auf und legte sie ihr um die Schultern. Dabei legte er seine Arme um sie und als sie begriff, dass er sie nicht mehr loslassen würde, lag sein Kinn schwer auf ihrer Schulter. Sakura öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie hatte Angst, diesen Moment zu zerstören. Nie zuvor war sie ihm so nah gewesen. Und er hatte ihre Nähe aus eigenem Antrieb gesucht. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wollte auch gar nicht darüber nachdenken. Ihre Gesichter berührten sich ganz leicht und sein schwarzes Haar kitzelte sie. Er duftete so gut, und als er sprach, spürte sie das Vibrieren seines Brustkorbs im Rücken. "Ich hatte auch Angst. Als ich noch ganz klein war. Ich bin immer in meinem Zimmer geblieben, aber ich wusste, wenn ich in Gefahr wäre, würde mein Vater kommen und mich schützen." Er machte eine kurze Pause und sah angestrengt nach draußen. "Irgendwann konnte er mich nicht mehr beschützen. Er konnte ja nicht einmal sich selbst retten." Ohne es zu wollen legte Sakura ihre Hand auf seinen Arm und hielt sich an ihm fest. Sie kannte die tragische Geschichte seiner Familie, aber er hatte noch nie zuvor darüber gesprochen. Sie hätte so gerne etwas Tröstliches gesagt, aber sie fand keine Worte. Der Gedanke, die Eltern auf so eine Art zu verlieren, schnürte ihr die Kehle zu. Itachi hatte Sasuke ganz allein zurückgelassen, ohne Verwandte oder irgendwen, der ihn hätte trösten können. Sie wollte es nicht, aber ihr kamen die Tränen. Traurig sagte sie: "Wäre... wäre ich an deiner Stelle gewesen, ich hätte es nicht überlebt. Du musst so einsam gewesen sein..." Eigentlich erwartete sie, dass er sie zornig darauf hinweisen würde, dass er ihr Mitleid nicht brauchte. Aber wieder überraschte er sie. Seine Arme drückten sie enger an ihn und er antwortete: "Ich habe nur noch meine Rache. Alles andere hat er mir schon genommen." Die ersten Tränen liefen ihr über das Gesicht, als sie sagte: "Das stimmt doch nicht. Du hast uns, Naruto und mich. Wir sind... wir sind jetzt deine Familie." Verzweifelt sagte er: "Ich wünschte... ich... wünschte, ich könnte..." Er drückte jetzt so fest zu, dass es fast schon wehtat. Aber kein Laut kam über ihre Lippen. Sie stellte erschrocken fest, dass er zitterte. "Ich bringe allen, die ich gern habe, nur Unglück. Ich hätte Naruto fast getötet und dich… dich auch." Er meinte die kurze Begegnung bei Orochimarus Versteck, als er kaltblütig auf sie losgegangen war. "Wir haben dir verziehen", antwortete sie. "Du bist wieder bei uns, mehr wollten wir nicht." "Ihr solltet mich hassen." "Das könnte ich nie." Sie wusste selbst nicht, warum sie plötzlich so traurig war. Eigentlich war es schön, dass er sich ihr so unerwartet öffnete. Es waren sehr ehrliche Worte, mit denen er endlich zeigte, dass Naruto und sie ihm nicht egal waren. Aber irgendwie klang er so verzweifelt, das alles fühlte sich so verdammt bedrückend an. "Wirst du das Dorf wieder verlassen? Wegen Itachi?", fragte sie. Sein Schweigen war auch eine Antwort. Sie schniefte. Es war fünf Jahre her, aber sie konnte sich noch sehr gut an den Schmerz erinnern, den sie an jenem Abend empfunden hatte, als er gegangen war. Und daran, wie sehr sie sich in seiner Abwesenheit um ihn gesorgt und ihn vermisst hatte. Schon bei seiner Rückkehr hatte sie gewusst, dass er wieder fortgehen würde. Er hatte es versucht, aber es war ihm nicht gelungen, Itachi zu töten. Er war im Grunde nicht wirklich heimgekehrt. Konoha war nur ein Zwischenstopp auf seinem Weg. Diese bittere Erkenntnis und die Erinnerung an das letzte Mal reichten, um sie endgültig in Tränen ausbrechen zu lassen. Sie weinte und schniefte und seine Umarmung wurde noch fester. "Entschuldige", flüsterte er. "Entschuldige." Sie hatte nicht gewusst, dass ihn sein Fortgehen ebenso quälte wie sie. Sie hatte es nicht einmal geahnt. Sie atmete tief ein, weil sie Angst hatte, ihre Stimme würde versagen. "Ich warte. Ist mir egal, wie lange es dauert. Ich warte, bis du zurückkommst und was immer du auch tust, ich werde dir verzeihen." "Danke…" Sakura schniefte und starrte aus dem Fenster, starrte einen Punkt an der gegenüberliegenden Hauswand an, ohne ihn wirklich zu sehen. "Ich habe gelogen. Es stimmt nicht, dass ich dich nie hassen könnte." Sie merkte, wie er die Luft anhielt. "Wenn du losziehst, um gegen Itachi anzutreten, und dabei umkommst, werde ich dir das nie verzeihen." "Ich komme zurück." "Versprich es." "Ich verspreche es." "Sasuke-kun!", schluchzte sie, drehte sich in seinen Armen zu ihm um und fiel ihm um den Hals. Er hielt sie ganz fest und sie merkte nicht mehr, wie draußen der Sturm tobte. So wie als Kind, als sie mit unerschütterlicher Sicherheit gewusst hatte, dass sie bei ihren Eltern sicher war, wusste sie in diesem Moment, dass sie keine Angst zu haben brauchte, wenn er bei ihr war. Die Luft hatte merklich abgekühlt, als Sakura und Sasuke das Haus verließen. Es regnete immer noch etwas, aber der Sturm war vorbeigezogen. Sie merkte erst, dass sie immer noch seine Hand hielt, als er einen Schritt von ihr weg machte und sie dabei losließ. Sein Gesicht war wieder ausdruckslos geworden, seine Augen so leer wie sonst auch. Morgen würde er sie wieder ignorieren, so wie immer. Und irgendwann würde er einfach nicht mehr zum Training kommen, weil er dann längst auf dem Weg zu Itachi sein würde. Er warf ihr einen Blick zu, der alles und nichts bedeuten konnte, dann schob er die Hände in die Hosentaschen, drehte sich wortlos um und ging. Sakura schaute ihm nach und wusste nicht einmal, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Es war einfach zu viel auf einmal gewesen. Jemand kam näher, während sie zusah, wie Sasuke hinter einer Straßenecke verschwand. Ein blonder Haarschopf tauchte in ihrem Blickfeld auf und neugierig fragte Ino: "War das eben Sasuke?" Sakura nickte und Eifersucht blitzte in den blauen Augen auf. "War er bei dir zu Hause? Was wollte er?" Sakura hatte das Gefühl, schon wieder weinen zu müssen. Sie schaute in den Himmel, von wo unablässig die Regentropfen auf sie runter prasselten. "Er hat mir erzählt, dass er es mag, wenn es regnet." "Tatsächlich?" Ino klang etwas erstaunt. "Jetzt verstehe ich auch, warum." Sakura blickte ihre Freundin an. "Im Regen sieht es keiner, wenn du weinst." *** Keine Ahnung mehr, warum ich das geschrieben habe... es ist irgendwie ziemlich seltsam, aber ich fand die Vorstellung einfach schön, dass Sakura Sasuke in einem sentimentalen Moment erwischt... keine Ahnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)