Unerkannt von Pei-Pei ================================================================================ Kapitel 1: Ich habe dich gesucht -------------------------------- Legenden sind Erzählungen. Erzählungen von Begebenheiten, dem Leben und dem Tod. Es gibt unzählige Legenden. Eine davon ist die Legende des Shikon no Tama - Ein Juwel, das seinem Besitzer all seine Wünsche erfüllen kann ~ Vor langer Zeit drohte die Welt in völliger Dunkelheit zu versinken und in die Hände der Yokai zu fallen. Eine mächtige Miko, die den Namen Midoriko trug, stellte sich der Gefahr entgegen und drängte die Yokai mit ihrer Macht zurück. Der Frieden schien nahe. Doch die Yokai akzeptierten ihre Niederlage nicht und sannen auf Rache. So verbündeten sie sich und verschmolzen miteinander. Durch ihren Hass und ihre verunreinigten Seelen erschufen sie einen Dämon, der an Macht und Boshaftigkeit seinesgleichen bei weitem übertraf. Midoriko stellte sich erneut dem Dämon. Ein unerbittlicher Kampf brach aus. Nach sieben Tagen und Nächten ohne Unterbrechung, verließen die Miko ihre Kräfte und ihre Seele drohte von dem Yokai verschlungen zu werden. Die Dunkelheit breitete sich von neuem aus. Midoriko wusste, dass sie die Welt diesem Schicksal nicht überlassen durfte. In ihrer Verzweiflung schickte sie ein Gebet an die Götter. Bat, sie zu erhören, ihr die Macht zu verleihen, um den Feind besiegen zu können. Und die Götter erhörten Midorikos Flehen. Aus den vier Seelen Aramitama (Mut), Nigimitama (Freundschaft), Kushimitama (Weisheit) und Sakimitama (Liebe) erschufen sie ein Juwel; das Shikon no Tama und schickten diesen Midoriko. Mit Hilfe dieses Juwels gelang es Midoriko, den Yokai zu besiegen und seine Seele im Inneren des Shikon zu versiegeln, auf das er niemals wieder zurückkehren konnte. Doch der Sieg forderte einen hohen Preis. Midoriko erlag ihren schweren Verletzungen und mit ihrem letzten Atemzug verschwand auch das Juwel wieder von dieser Welt. ~ Man sagt, in jeder Legende steckt ein Funke Wahrheit. Was, wenn dieser Funke tatsächlich existiert? Dieser Funke jedoch nicht das ist, was er zu sein scheint? Und die Welt, in der du bisher gelebt hast, dadurch vollkommen aus den Fugen gerät. *** Silbernes Haar wog zur Seite. Leise Schritte erklangen, vermischt mit tiefen Atemgeräuschen. Kurz darauf rümpfte er die Nase. Als klar und rein konnte man die Luft selbst soweit hier oben nicht bezeichnen. Das war sie schon lange nicht mehr. Doch daran hatte er sich gewöhnt. So wie an vieles andere in seinem Leben. Für eine Weile begutachtete er schweigend die Umgebung. Selbst seine Gedanken ruhten. Seine Augen glitten über die Dächer der Stadt, über die Hochhäuser, die sich in den Himmel streckten, zum Horizont. Der Lärm der tief untenliegenden Straßen drang nicht bis zu ihm hinauf. Aus diesem Grund liebte er seine Penthousewohnung. Seine Dachterrasse, die hoch über den meisten Häusern von Tokio lag. Er liebte die Stille, die hier oben seine Ohren umschmeichelte. Er neigte seinen Oberkörper etwas weiter nach vorne, legte seine Hände auf das Geländer. Sein Gesicht streckte er der leichten Brise, die soeben aufgekommen war, entgegen. Doch verschaffte diese keine Abkühlung auf seiner Haut, war genauso warm, wie die Luft um ihn herum. Tokio würde von neuem eine schwüle Sommernacht beschert werden. So wie die vielen Nächte zuvor. Obwohl gerade einmal Mai war und von Sommer noch nicht die Rede sein sollte. Ein Seufzen entglitt seiner Kehle, bevor seine goldgelben Augen wieder den Horizont fixierten. Das Licht der Sonne begann immer mehr zu schwinden. Einzelne Sterne säumten bereits den langsam verblassenden Himmel. Bald würde sie gänzlich verschwunden sein und die Nacht hereinbrechen. Sein Blick wanderte hinab, die Häuserschluchten hinunter. Ein Meer aus bunten Farben und Lichtern blitze zu ihm auf. Er wusste, dass viele jetzt erst langsam aus ihrem Dämmerschlaf erwachten. Andere einfach begierig auf die Dunkelheit warteten. Denn dann würde für sie die Zeit der Jagd anbrechen und sie konnten ihren Blutdurst stillen. Reichlich Auswahl gab es. Auch nachts wimmelte Tokio nur so vor Menschen. Das Buffet war reichlich gedeckt. Die Menschen selbst wussten, dass die Nacht gefährlich sein konnte. Es passieren konnte, dass einige nicht den nächsten Sonnenaufgang erleben würden. Doch hielt sie dieser Umstand nicht davon ab, dennoch in die Nacht hinauszugehen. Das Menschen verschwanden war nichts Ungewöhnliches. Jeder konnte einem Verbrechen zum Opfer fallen. Ebenfalls waren sie sich völlig bewusst, dass manche Verbrechen niemals aufgeklärt wurden. Doch trotz dieses Wissens, waren die Menschen der heutigen Zeit unbesorgter geworden, ihre Wachsamkeit hatte nachgelassen, was den Yokai zum Vorteil verhalf. Wenn die Menschheit wüsste, welche Wesen nachts unter ihnen umherstreiften, sie beobachteten, in den Schatten auf sie lauerten, würden diese nichts so gedankenlos durch Ginza flanieren. Doch so war es nicht. Die Menschen der unter ihm liegenden Welt glaubten schon lange nicht mehr an Yokai, Oni oder Hanyo. Für sie existierten solche Wesen nur in alten Legenden und Geschichten. Gruselgeschichten, die sich Kinder untereinander erzählten, um sich Angst einzujagen. Doch er wusste es besser. Schließlich war er selbst Teil dieser verborgenen Welt. Lebte Mitten unter den Menschen, unerkannt. Mächtige Magie behütete das Geheimnis. Verhinderte, dass die Menschen seine wahre Gestalt erkannten und seine Feinde ihm tagsüber nicht auflauern konnten. Nur nachts zeigten sich Shuryoka und die Gejagten in ihrer wahren Gestalt. Er war einer von ihnen. Ein Shuryoka. Ein Behüter, der die Unwissenden schütze. Ein Jäger in einem seit bereits Jahrhunderten andauernden Krieg. Aufgrund der Mordlust und dem Blutdurst einiger Yokai stand die Menschheit Japans vor mehreren Jahrhunderten fast vor der vollständigen Ausrottung. Um dieses Unheil abzuwenden, schlugen sich einige Yokai auf die Seite der Menschen, beschützten diese fort an vor ihresgleichen. Jene die nicht auf die Jagd und den Genuss von Menschenfleisch verzichten wollten. Eine Allianz zwischen Yokai und Menschen wurde geschlossen. Einige wenige Menschenfamilien – die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten - wurden in den Kreis aufgenommen, kämpften Seite an Seite mit mächtigen Yokaifamilien. Sie wurden zu Verbündeten; zum Schutz der Menschheit. Diese Allianz bestanden bis heute. Wachte im Verborgenen, denn der Kampf war noch nicht vorüber. Und er selbst wusste nicht, ob sich daran jemals etwas ändern würde. Aber vielleicht würde sich das Blatt in nächster Zeit zu ihren Gunsten wenden. Heute Nacht würde sich entscheiden, ob er derzeit die richtige Spur verfolgte oder ob diese, wie einige zuvor, wieder im Sand verliefen. Der Hanyo richtete sich auf, wandte sich um. Die Dunkelheit, sein ständiger Begleiter, war endlich hereingebrochen. Die Zeit der Jagd begann von neuem. ~ Leise Schritte erklangen. Sanft strich der Wind durch ihr schwarzes langes Haar, warf dieses auf. Dem Sonnenuntergang, der sich ihren Augen bot, schenkte sie keinerlei Beachtung. Ihre rehbraunen Augen blickten auf das marode Gebäude, das sich vor ihr erhob. Ein trauriges Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sich ein Bild über das baufällige Haus vor ihr legte. Sie dieses in seiner vollen Schönheit vor sich sah. Ein Lachen, von dem sie wusste, dass es nicht Wirklichkeit war, erklang in ihren Ohren. Die Schatten zweier Kinder rannten an ihr vorbei. In der Eingangstür sah sie zwei weitere Silhouetten. Bilder aus vergangener Zeit. Aus ihrer Vergangenheit. Ihre bis jetzt erhärteten Gesichtszüge wichen vollständig. Sehnsucht legte sich in den Blick der jungen Frau. Minuten vergingen, in denen sie einfach nur da stand. Sie dann wirsch ihren Kopf schüttelte. Sie hatte sich in ihren Erinnerungen verloren. Das wollte sie nicht. Umgehend wandte sie dem Gebäude den Rücken zu, setzte sich wieder in Bewegung. Sie war nicht weit gegangen als sie erneut inne hielt. Sachte streckte sie ihre Hand aus, spürte altes Holz, das von weichem Moos überzogen war, unter ihren Fingerkuppen. Die Überreste eines Zauns, der einst das mächtige Wesen, das sich vor ihr erhob, umgab. Ohne weiter darüber nachzudenken, überquerte sie die längst verfallene Absperrung und stand direkt vor dem Stamm des Baumes, bettete ihre Hand auf die Rinde. Gleichzeitig senkten sich ihre Lider. Ihr Kopf neigte sich nach vorne, sodass ihre Augen von ihren Haaren verdeckt wurden. Wind stob auf. Schmiegte sich sanft um ihren Körper, warf ihre Kleidung in Falten. „Ich weiß, es ist lange her.“, flüsterte sie als Antwort. „Ich habe etwas mitgebracht.“ Sie ging auf die Knie. Legte vorsichtig einen Strauß Chrysanthemen nieder. Leicht wogen die Blütenblätter im Wind hin und her. Vorsichtig tippte sie mit ihrem Finger dagegen, bevor sie sich wieder erhob. Ihr Blick richtete sich nach oben in die prachtvolle Krone des Baumes. „Ich bitte dich, wache weiter über sie, Goshinboku.“ Das zarte Rauschen der Blätter drang an ihre Ohren, einem Wispern gleich. Die Schwarzhaarige nickte, wandte sich dann um. Es war Zeit zu gehen. Oberhalb der vielen Stufen stoppte sie nochmals. Ihre Augen schauten auf die belebte Straße hinab, von niemanden bemerkt. Niemand sah zu ihr auf. Niemand nahm das alte Tempelgelände großartig wahr, auf dem sie sich befand. Sie mieden es, so wie sie die Gegenwart jener mied, die sie dort unten erblicken konnte. Sie gehörte nicht in ihre Welt, hatte noch nie dazu gehört. Denn auch wenn sie ihresgleichen war, so unterschieden sich ihre Lebensweisen drastisch voneinander. Keiner der dort unten anwesenden Menschen, würde jemals ihr Alter erreichen. Menschen wurden für gewöhnlich nicht so alt. Schließlich wandelte sie bereits stattliche 183 Jahre auf dieser Welt. Auf Außenstehende wirkte sie jedoch kaum älter als Mitte Zwanzig. Dies verdankte sie einem uralten Pakt mit Izanagi-sama, dem Gott des Lebens, sowie Fukurokujo-sama, dem Gott des langen Lebens, einem der Schichi Fukujin (sieben Glückgötter). Sie verliehen den menschlichen Shuryoka ein genauso langes Leben, wie es einem Yokai von Geburt an zustand. Der letzte rot flammende Streifen am Horizont verblasste. Yoki. Sie spürte es bereits in ihrer Nähe aufflackern. Yokai waren nicht weit. Doch im Moment bestand für sie kein Grund einzugreifen. Hier auf den überfüllten Straßen bestand keine große Gefahr. Die Yokai wussten, dass sie zu viel Aufsehen erregen würden. Aufsehen, das sie nicht gebrauchen konnten. Ebenfalls wusste sie, dass sie nicht alle Übergriffe verhindern konnte. Kein Shuryoka konnte überall gleichzeitig sein. Konnte nicht jeden vor Schaden bewahren. Nicht solange noch Krieg herrschte. Ein Umstand, der jeder Einzelne von ihnen als Last mit sich trug. Ihr Blick huschte noch einmal über ihre Schulter zurück, bevor sie die erste Stufe betrat. Unauffällig trat sie in die Menschenmassen hinein, schloss sich dem Strom eine Weile an, bevor sie in der Nähe einer dunklen Gasse aus dem Getümmel heraustrat. Vorsichtig sah sie sich noch einmal um, vergewisserte sich, dass sie nicht verfolgt wurde, tatsächlich niemandem aufgefallen war. Auch wenn sie seit vielen Jahren nicht mehr in Tokio gewesen war, sie erst vor kurzem in ihre Heimatstadt zurückgekehrt war, musste sie vorsichtig vorgehen. Bis jetzt war sie noch nicht entdeckt worden und so sollte es auch vorerst bleiben. Je länger sie unerkannt blieb, desto leicht war es für sie, sich die Informationen zu beschaffen, die sie benötigte. Schnellen Schrittes trat sie in die Gasse ein, verschwand in der dort herrschenden Schwärze. Die Zeit der Vorbereitung und des Wartens war endgültig vorbei. Heute Nacht würde sie endlich wieder auf die Jagd gehen. ~ Ein Knacken gefolgt von einem genüsslichen Schmatzen erfüllte die sonstige Stille im Raum. Die Zunge des Yokai glitt über seine Lippen, beseitigte damit die letzten Spuren von Blut, die dort hafteten. Seine dumpfen Augen besahen sich noch einmal sein Opfer, das mit Angst verzehrtem Gesicht vor ihm lag. Der Brustkorb der Frau war aufgebrochen. Ihr Herz fehlte. Ein Erzittern überkam Juromaru bei diesem Anblick. Seine Nasenflügel bebten als er den Geruch des noch warmen Blutes zu seinen Füßen, in seine Lungen ein sog – berauschte ihn. Der Geschmack des Fleisches ließ ihm immer noch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Trieb sein Verlangen noch weiter an. Zu seinem großen Bedauern war die Jagd viel schneller vorbei, als er es sich erhoffte. Genaugenommen hatte sie bereits geendet, bevor sie überhaupt begann. Die schrillen Schreie des Weibs kamen ihm noch einmal in den Sinn. Angewidert verzog er seinen Mund. Das war das Einzige gewesen, was dieses Miststück gekonnt hatte; schreien. Anstatt ihm eine amüsante Hetzjagd durch einen Teil des Gebäudes zu bieten, hatte sie nur starr vor Angst vor ihm gestanden, bevor sie lauthals um Hilfe schrie. Ihre Schreie hatten ihr nichts genützt. Ein skurriles Lächeln verzog seine Lippen, als er noch einmal daran zurückdachte, wie die Erkenntnis in die Augen seiner Beute getreten war. Die Erkenntnis, dass niemand hier war, der sie retten würde. Nun ja, zumindest auf dieser Ebene hatte sie ihn kurz erheitert. Aber was konnte man auch von einer solch niederen Kreatur erwarten. Er hoffte, dass wenigstens sein Bruder etwas mehr Spaß fand. ~ Durch die zersplitterte Glasfront trat Kagome lautlos in das Gebäude ein. Ihr Blick wanderte nach links. Der Sicherheitsbeamten, der normalerweise dort saß, war weit und breit nicht zu sehen. Das Flackern des Bildschirms war neben der Notbeleuchtung die einzige Lichtquelle. Ihr ungutes Gefühl nahm zu. Die Schwarzhaarige hob ihre Hand, zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und schritt weiter voran. Sie konnte das Yoki des Dämons spüren, fast greifen. Von überall her strömte es auf sie ein. Achtsam lugte sie um eine Ecke und hielt augenblicklich in ihrer Bewegung inne. Dort, vor ihr, bot sich ein Bild des Grauens. Blut befleckte die Wände und den Boden. Einige Spritzer hatten sogar die hohe Decke erreicht. Schwer hing der süßliche Geruch in der Luft, drehte ihr den Magen um. Sofort hob sie ihren Arm an, bedeckte ihre Nase, bevor sie völlig in den Flur eintrat und ihre Augen sogleich aufrissen. Entsetzt stieß Kagome die Luft aus, trat wieder einen Schritt zurück. Denn erst jetzt erkannte sie das gesamte Ausmaß. Wo sie auch hinsah; überall lagen zerfetzte Körper, Leichenteile und Innereien. Der abgetrennte Kopf eines Mannes sah aus hohlen Augen zu ihr auf. „Kami.“, stieß sie hervor. Selbst für eine erfahrene Shuryoka, wie sie es war, war dieser Anblick erschreckend. Ein Geräusch ließ sie aufhorchen Ein heißeres Kichern erklang. „Sieh an. Was haben wir denn da?“ Etwas huschte durch die Dunkelheit, für ihre Augen zu schnell. „Was für ein hübscher Anblick.“ Erneut folgte eine Bewegung, deren Richtung sie jedoch nur erahnen konnte. Was war das für ein Yokai, verflucht noch mal? „Deine Leber werde ich mir schmecken lassen.“ Kaum, dass die Worte ausgesprochen worden waren, erlosch die Notbeleuchtung und Kagome konnte nur noch etwas silbern aufblitzen sehen, das auf sie zukam. ~ Juromarus ausdruckslosen Augen wanderten durch eins der vielen Fenster hinaus. Das Licht des Mondes nahm bereits ab. Es war Zeit sich auf die Suche nach seinem Bruder zu machen. Seine Augen wanderten hinab zu seiner blutverschmierten Hand, die die Schriftrolle, die sie besorgen sollten, umschloss. Ihr Auftrag war erfüllt. Die Belohnung damit sicher. Langsam, fast träge, wandte er sich von der Leiche ab, als er inne hielt, seinen Kopf anhob. Juromarus Augen formten sich zu Schlitzen. Aufmerksam glitten diese umher. Er hatte den Bannkreis, der um das Haus errichtet worden war, wahrgenommen. Abrupt wirbelte er herum, wollte durch die Tür eilen, als er von neuem stockte, die Silhouette im Türrahmen entdeckte. „Hast du es eilig, Juromaru?“, ertönte es sarkastisch, dunkel. Der angesprochene Yokai trat einen Schritt zurück, fasste sein Gegenüber ins Auge. Sein Mund öffnete sich. Ein unheimliches Ächzen trat über seine Lippen. Der Hanyo ließ während dessen seinen Blick über das Opfer zu Füßen Juromarus gleiten. Die Angst, die die Frau empfunden hatte, bewohnte immer noch diesen Raum, konnte von ihm gespürt werden. Juromarus Grausamkeit zog sich durch das ganze Haus. Die in ihm herrschende Wut wurde dadurch noch mehr angefacht. Er hatte es nicht verhindern können, war erneut zu spät gekommen. Dafür würde Juromaru büßen. Heute Nacht würde er ihm nicht entwischen. Er erkannte die Schriftrolle in der Hand seines Gegners. In dieser Schriftrolle würde er finden, was er suchte. Und die Tatsache, dass Naraku die Schriftrolle ebenfalls begehrte, bestärkte ihn noch darin. Er hob seinen Blick wieder an. „Deine Stimme scheint dir abhandengekommen zu sein.“, stieß er unter einem dunklen Knurren sarkastisch hervor und griff an. ~ Gerade duckte sich Kagome vor einem Angriff ihres Gegners. Dieser kleine Yokai war verdammt schnell; zu schnell für ihren Pfeil. Sie besaß derzeit keine Möglichkeit ihr Ziel anzuvisieren. Das Einzige, was sie derzeit tun konnte war zu parieren, ihn nicht allzu nahe kommen zu lassen, während sie sich überlegte, wie sie den Yokai anderweitig zur Strecke bringen konnte. Ihr Gegner strotzte gerade so vor Energie. Kein Wunder. Seine Kraftreserven waren frisch aufgetankt, was sich bemerkbar machte. Die Shuryoka sprintete die Treppe hinauf, riss ihren Bogen nach oben und holte aus. Der Angreifer änderte die Richtung, gewann wieder Abstand zu ihr. Pure Freude lag in seinem Blick. Wer hätte gedacht, dass dieser Abend noch so amüsant werden würde? Ein helles Licht holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Gerade noch im letzten Moment konnte er ausweichen, tauchte wieder in die Dunkelheit ein. „Mist.“ Schnell sah sich Kagome um. Er war hier. Der Abstand hatte sich jedoch um einiges vergrößert. Verdammt, sie hatte keine Zeit diesem Yokai hinterher zu jagen. Ihr war nicht der Bannkreis entgangen, der über das Gebäude gespannt worden war. Ein weiterer Shuryoka war hier. Das war nicht gut. Sie musste sich beeilen und wenn möglich, verschwinden, bevor sie mit diesem aufeinander traf. Sie musste finden, wonach sie suchte und hoffen, dass sie noch nicht zu spät kam. Sie setzte zum Lauf an, als das Geräusch von zersplitterndem Glas zu ihr heran drang. Kagome riss ihren Kopf zur Seite. Am gegenüberliegenden Treppenaufgang schoss ein Körper durch die Luft, kam kurz vor den Stufen, die wieder ins Erdgeschoss führten, auf dem Boden auf. Sie erkannte einen weiteren Yokai. Ein Knurren legte sich in ihre Ohren. Ein rotes Gewand, was in der Dunkelheit aufzuflammen schien. Silberneres Haar, indem sich das Mondlicht brach. Jäger und Gejagter standen nun vor ihr. Inu Yashas Handknochen knackten. Sein Knurren wurde noch dunkler, als er Juromarus hämisches Grinsen sah. Dieser verdammte Mistkerl schien das hier recht amüsant zu finden. Auch wenn sein Körper, der bereits erhebliche Spuren des Kampfes aufwies, eine andere Sprache sprach. Und Juromaru würde noch früh genug erkennen, dass er ihn keinesfalls als sein kleines Spielzeug betrachten durfte. Doch zum Zeitpunkt der Erkenntnis, würde es für den Yokai bereits zu spät sein. Er würde in dieser Nacht sein Leben verlieren. Denn er war im Besitz dessen, was er brauchte. Außerdem hatte er mit diesem Bastard noch eine offene Rechnung zu begleichen, genauso wie mit seinem Bruder. Aber mit diesem würde er sich später beschäftigen. Jetzt wäre erst einem Juromaru an der Reihe. Kaum gedacht, erhob er auch schon wieder sein Schwert. Er roch den Wind, der sich um die Klinge schmiegte. „Kaze…“ Inu Yasha brach ab, sprang geschickt zur Seite. Seine Augen folgten sofort dem silbernen Schweif, der in einer entlegenen Ecke verschwand. Juromaru nutzte die Gelegenheit, bewegte sich ebenfalls in die Richtung. „Inu Yasha. Was für eine Freude dich heute Abend hier anzutreffen.“ Der stumme Yokai trat aus dem Schatten hinaus in das Licht des Mondes. Auf seiner Schulter saß eine Kreatur, dessen Körper, der einer Schlange glich. Statt Händen zierten silberfarbene Sicheln seine dünnen Arme. Sein Gesicht glich dem von Juromaru wie ein Ei dem anderen. - Inu Yasha! - Kagomes Augen weiteten sich. Ihr Blick haftete auf dem silberhaarigen Hanyo. Ihr Herz schlug zugleich wild gegen ihren Brustkorb. Nach ihm hatte sie gesucht! „Dann spielen wir mal ein kleines Spiel, Bruder.“, erklang Kageromarus dunkle Stimme. Kaum gesprochen, verschwand er auch schon von Juromarus Schulter. Inu Yashas Augen bewegten sich durch den Raum. Seine Sinne sagten ihm eindeutig, dass Kageromaru um ihn herum huschte. Nur war es ihm nicht möglich, seinen Standort auszumachen. Dafür war dieser kleine Bastard einfach zu schnell. Juromaru trat einen kleinen Schritt auf Inu Yasha zu, was sofort die Aufmerksamkeit des Hanyo erregte. „Pass auf.“, entwich es Kagome, die Kageromaru hinter Inu Yasha entdeckte. Zugleich ließ sie die Sehne ihres Bogens los. Der Shuryoka sprang gewarnt zur Seite. Sein Blick wandte sich erstaunt in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war. Erst jetzt bemerkte er die Anwesenheit der jungen Frau. Kagomes Pfeil verfehlte, genau wie sie erwartete, das Ziel. Mit einem Fluch auf den Lippen schulterte sie ihren Bogen und zog ihr Katana. Juromaru unterdessen nutze die Lücke, stürzte blitzschnell auf Inu Yasha zu. Er und sein Bruder würden diese Angelegenheit jetzt ein für allemal beenden. Er holte aus, schlug nach dem Hanyo, doch seine Faust verfehlte. Ein wütendes Fauchen schlug hierauf dem Shuryoka entgegen, der bereits wieder in Angriffsstellung vor dem Yokai stand. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie die ihm Unbekannte den Angriff von Kageromaru mit ihrem Katana parierte. Er wandte sich wieder seinem Kampf zu. Juromaru war im Besitz dessen, worauf er aus war. Ihm ganz alleine galt seine gesamte Aufmerksamkeit. Ohne eine Andeutung griff Inu Yasha an. Juromaru merkte, wie er ein Teil seines Haars verlor, als er zur Seite rollte, dabei die Schriftrolle verlor, dem er jedoch nicht weiter groß Beachtung schenkte. Er hatte derzeit ein anders Ziel. Inu Yasha hob Tessaiga, wehrte einen Überraschungsangriff von Kageromaru ab. Juromaru stieß sich von Boden ab und warf sich mit voller Wucht gegen Inu Yasha. Diese stöhnte auf, als sich die Schulter des Yokai in seinen Magen grub, verlor seinen Halt und ging zu Boden. Juromaru war sofort über ihm. Mit weit aufgerissenem Maul beugte er sich über den Hanyo, im Begriff zuzubeißen. „Das kannst du vergessen.“ Inu Yasha riss seine Faust nach oben, schlug dem Yokai mitten ins Gesicht. Kagome war hochkonzentrierte. Eine zarte Blutspur floss ihr Bein hinab. Kageromaru hatte sie dort erwischt, als sie Inu Yasha zur Hilfe kommen wollte. Das würde er ihr büßen. Immer wieder schlossen sich ihre Augen, folgte der Spur, die Kageromaru durch seine Fortbewegung um sie herum hinterließ, spürte einzig und alleine sein Yoki. Sie kehrte noch weiter in sich. Die Kampfgeräusche hinter ihr verklangen. Ihr Arm hing schlaff an ihr hinab. Ihr Geist tastete sich weiter voran. Der Griff um ihr Katana wurde stärker und mit einer schnellen fließenden Bewegung schnitt sie mit der Klinge durch die Luft. Ein Schmerzensschrei erklang. Als sie ihre Augen öffnete, sah sie die halbe abgetrennte Klinge, die zu ihren Füßen lag. Sie hatte ihn erwischt. Kaum, dass Juromaru den Schrei seines Bruders hörte, zog er ich umgehend von Inu Yasha zurück. Der Hanyo sprang auf seine Füße. Erkannte gerade noch, wie etwas Silbernes im Mund des Yokai verschwand, bevor sich dieser von dem Shuryoka abwandte und wütend fauchend auf Kagome zusprang. „Verschinde da!“, blaffte er. „Kaze no Kizu!“ Juromarus Augen rissen auf, als er die Energie wahrnahm, die auf ihn zuschoss. Den Fehler erkannte, den er aus blinder Wut seinerseits gerade gemacht hatte. Er wusste, es gab kein Entkommen mehr. In der Luft nahm er das Gesicht der jungen Frau wahr, die ihm mit einem wissentlichen Lächeln entgegen sah. Er warf ihr ein hassverzehrtes Fauchen entgegen, bevor die Kaze no Kizu seinen Körper zerriss. Das Licht der Kaze no Kizu war noch nicht gänzlich verblasst, da griff Kagome bereits nach der Schriftrolle zu ihren Füßen, erhob sich wieder. „Was fällt dir ein, dich in meinen Kampf einzumischen?“, keifte Inu Yasha los, trat mit drohenden Schritten an sie heran. Kagome schreckte nicht zurück, was ihn nicht verwunderte. Sie musste eine Shuryoka sein. Genauso wie er einer war. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber warum war sie hier? Shuryoka kamen sich untereinander nichts ins Gehege, jagten alleine. Doch anstatt einem Wort, streckte ihm die Unbekannte stumm die Schriftrolle entgegen. Schnell griff er nach dieser, bevor er sich seine Gegenüber wieder genauer betrachtete. „Ich warte immer noch auf eine Antwort. Was zum Teufel willst du hier?“, kam es ruppig über seine Lippen. Sie schnaubte hörbar auf. „Zunächst einmal könntest du etwas freundlicher zu mir sein, Ito Inu Yasha.“ Seine Ohren begannen zu zucken. Woher kannte sie seinen vollen Namen? Sie bemerkte sofort die Wachsamkeit, die sich in seinen Blick legte, redete aber unbeirrt weiter, nachdem sie ihre Arme überschlagen hatte. „Schließlich habe ich verhindert, dass dir dieser Kageromaru ein hübsches Loch in deinen Bauch gerissen hat. „ „Darum hab ich dich nicht gebeten. Und das beantwortet immer noch nicht meine Frage.“ Seine Stimme war kalt und eine unterschwellige Drohung lag darin, was die Miko jedoch nicht sonderlich beeindruckte. Nicht einmal ein Wimpernschlag war zu sehen, was ihm doch unbewusst imponierte. Souverän überging sie seinen ersten Satz. Nahm sich der Frage an. „Mein Name lautet Higurashi Kagome. Und ich bin hier, weil ich nach dir gesucht habe, Inu Yasha.“ Erstaunen spiegelte sich in seinem Gesicht wieder .Irgendwie wurde diese Sache immer verrückter. Sie war auf der Suche nach ihm? Ebenfalls arbeitete sein Gehirn derzeit auf Hochtouren. Higurashi. Dieser Name sagte ihm etwas. Kagomes Stimme holte ihn wieder aus seiner Gedankenwelt zurück. „Ich bin hier um mit dir auf die Jagd zu gehen.“ Jetzt war es offensichtlich. Eine Verrückte stand vor ihm. Eine andere Erklärung hierfür gab es nicht. „Vergiss es.“ Sein Blick bohrte sich tief in den ihren. „Jäger unterschiedlicher Familien jagen nicht zusammen.“ Jedes einzelne Wort stieß er mit unmissverständlichem Nachdruck aus. „Solltest du eine Shuryoka sein, solltest du das wissen. Du hättest dich mir nicht einmal zu erkennen geben dürfen. Geschweige denn, in meinen Kampf einmischen dürfen.“ Kagome nickte. Sie wusste selbst, dass sie derzeit eine der obersten Regeln brach, die ihnen auferlegt worden waren und doch konnte sie nicht anders. Sie musste ihn unbedingt überzeugen. Egal wie. „Hör mir bitte zu.“ Aus einem Impuls heraus, griff sie nach seinem Arm. Nur Sekunden vergingen, bis ihre Hand grob von Inu Yasha entfernt wurde. „Warum sollte ich?“ Inu Yasha hob seinen Blick. Bald würde die Sonne aufgehen. Ebenfalls würde der Bannkreis bald verschwinden, was zeitgleich bedeutete, dass es Zeit war zu gehen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er Kagome den Rücken zu. „Warte.“ „Das Gespräch ist hiermit beendet und wage es nicht noch einmal, mir in die Quere zu kommen, sonst…...“ Die Drohung ließ der Hanyo offen und war verschwunden. Kagome strich sich durchs Haar, blies die Luft aus, so dass ihr Pony aufwirbelte. Das erste Gespräch war ja super verlaufen. Sie hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Aber das der Hanyo gleich so auf stur schaltete. „Ein harter Brocken“, flüsterte sie zu sich selbst, bevor sich ein Lächeln auf ihre Lippen legte. Aber wenn Inu Yasha dachte, dass sie sich von so einer - in ihren Augen - kleinen Drohung ins Bockshorn jagen ließ, lag er falsch. Leider wusste er noch nicht, wie hartnäckig sie sein konnte. Und so gerne sie sich einfach umdrehen und wieder dieses Land verlassen würde, so konnte sie nicht. Augenblicklich fröstelte es Kagome. Sie musste Inu Yasha so schnell wie möglich überzeugen. Die Miko hatte sich bereits einige Straßen von dem Haus des Geschehens entfernt, als der Bannkreis in sich zusammen fiel. Langsam, fast gemächlich, schlenderte die Miko durch die noch derzeit leblose Straße, in dem Wissen, dass sie einige der wenigen in Tokio war, die sich vor der Dunkelheit nicht fürchten musste. Kapitel 2: „Nenn mich ruhig leichtgläubig, - aber ich denke nicht, dass es Zufall ist, dass ich nach dir suchen sollte.“ – „Wie willst du es dann nennen?“ ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- ~ Dunkel sind die Wege, die das Schicksal geht. ~ ***** Mit müden und noch tapsigen Schritten trat er aus dem Schlafzimmer heraus auf den Licht überfluteten Flur. Brummig kniff er seine Augen zusammen, zwinkerte mehrmals, bevor er sich an die Helligkeit gewöhnte. Sein Körper schrie danach, umzudrehen und sich wieder ins Bett zu legen. Was er auch sofort getan hätte. Doch die Problematik bestand darin, dass er keinen Schlaf finden würde. Die ganze vergangene Nacht über war er nicht in der Lage gewesen zu schlafen. Und Schuld an all dem war dieses verdammte Weib! Wie ein Geist spukte sie in seinen Gedanken. Nach mehrmaligen hin und her werfen und unzähligen Wutausbrüchen war dem Hanyo schließlich eingefallen, woher er ihren Familiennamen kannte. Der Higurashi-Clan. - Eine Familie, die über starke spirituelle Kräfte verfügte. Der Clan war einst ein Teil der Allianz, wurde jedoch vor über 100 Jahren von Yokai ausgelöscht. Soweit er wusste, gab es damals keine Überlebenden. Hatte sie ihm also einen Bären aufbinden wollen? Er knurrte kurz auf, verzog seinen Mund zu einem Gähnen. Für Inu Yasha war es reine Zeitverschwendung weiter über diese Shuryoka zu sinnieren. Schließlich würde er sie niemals in seinem Leben wiedersehen. Also beschloss er, sich wieder mit den wichtigen Dingen des Lebens zu befassen. Der angenehme Geruch von Kaffee stieg ihm in die Nase, je weiter er sich der Küche näherte. Die Flüssigkeit, nach der sich sein Körper bereits sehnte, die er jetzt dringend benötigte, um endlich richtig wach zu werden. Ein lieblicher Duft gesellte sich dazu, umschmiegte ihn. Genüsslich streckte er sich, sog den Duft intensiver ein. Es kam ihm gerade so vor, als würde er inmitten einer Wiese voller Wildblumen stehen, auf die sanft die Sonne hinab…… Moment! Seine Augen rissen auf. Wieso war die Kaffeemaschine an? Schlagartig war die Müdigkeit, die gerade noch in seinen Knochen festsaß, verflogen. Dieser Geruch! Er hatte den gleichen gestern Abend bereits wahrgenommen - an ihr! Das war eindeutig ihr Geruch! Aber was zum Teufel suchte ihr Geruch in seiner Wohnung? Und was noch viel wichtiger war, wie war sie hier überhaupt reingekommen? Seine Stimmung, die sich gerade wieder angehoben hatte, sank rapide ab, je näher er der Küche kam, je stärker der Geruch wurde. An der Tür stoppte er und blickte fassungslos auf die junge Frau, die am Küchentisch saß, vor ihr eine Tasse Kaffee. „Guten Morgen, Inu Yasha!“, flötete Kagome, begann zu lächeln. Die Augen des Angesprochenen verdunkelten sich, schienen seine Gegenüber förmlich durchbohren zu wollen. Kagomes Lächeln wurde breiter. „Kaffee?“ Elegant erhob sie sich, griff nach einer weiteren Kaffeetasse, schenkte den anscheinend immer noch leicht aus der Fassung geratenem Hanyo ein, ließ sich dann wieder auf dem von ihr ausgesuchten Platz nieder. Inu Yasha hatte sich noch keinen einzigen Zentimeter bewegt. So etwas hatte selbst er noch nicht erlebt. Und er konnte mit gutem Gewissen sagen, dass er bereits seit einiger Zeit unter den Menschen lebte. Er war schlichtweg von ihrer Dreistigkeit überrumpelt. „Wenn du dich jetzt nicht bald setzt, wird dein Kaffee kalt.“ Die Augenbraue des Hanyo begann gefährlich zu zucken, was von Kagome mit Amüsement wahrgenommen wurde. Sie war überrascht, dass er derzeit noch so ruhig blieb. Hatte sie ihn vielleicht falsch eingeschätzt? Nachdem sie sich jedoch noch einmal genauer seinen Gesichtsausdruck betrachtete, schien es doch der Überraschungseffekt zu sein, der ihm derzeit zu schaffen machte. Eine weitere Minute verstrich, ehe der Hanyo näher an sie heran trat, wütend von oben auf sie hinab sah. Ein Knacken, was von seinen Handknochen zeugte, erklang, bevor die Stille wieder zurückkehrte, die nur von dem leisen Gurren der Kaffeemaschine unterbrochen wurde. „Anscheinend habe ich mich gestern Abend nicht deutlich genug ausgedrückt.“, knurrte er. „Oh doch, das hast du. Ich habe verstanden, dass ich dir nicht noch einmal in die Quere kommen soll.“ Seine nächste Frage konnte sie aus seinen Augen ablesen, weshalb sie zugleich fortfuhr. „Bedauerlicherweise kann ich dir diese Bitte nicht erfüllen.“ „Ach ja, und wieso nicht?“, kam es gereizt seitens des Hanyo. „Hättest du mir gestern Abend zugehört, wüsstest du es bereits und hättest dir keine schlaflose Nacht um die Ohren hauen müssen.“, antwortete sie keck. Was? Was wollte sie ihm jetzt damit sagen? Sah er so schrecklich aus? Er bemerkte von neuen ihren musternden Blick. Die bis jetzt vor sich her lodernde Wut, glühte auf, sprühte in seine Augen Funken. Denn gerade war ihm aufgefallen, dass er die wichtigste aller Fragen überhaupt noch nicht gestellt hatte, daher: „Woher weist du, wo ich wohne? Und wie kommst du überhaupt hier rein?“ „Shippo-chan ist ein wirklich sehr hilfsbereiter Kitsune und so knuffig.“ Ein vielsagendes Lächeln schlich über ihre Lippen, bevor sie an ihrer Kaffeetasse nippte. Inu Yasha überkam das Gefühl sein Mund würde offenstehen. Gedanklich verfasste er bereits ein Memo an sich selbst, Shippo um die Ecke zu bringen. Was fiel diesem verdammten Kitsunen ein, Hinz und Kunz Zugang zu seiner Wohnung zu verschaffen? Was war der den für ein Wächter? Pah. Ebenso musste er entsetzt feststellen, dass er von dieser Leistung beeindruckt war. Noch niemand hatte sich ohne seine Einwilligung Zugang zu seiner Wohnung verschaffen können. Und vor allem ohne jegliche Gewalt. „Und um auf deine weitere Frage zurückzukommen. Auch wenn du recht medienscheu bist, gehörst du doch zu den begehrtesten Junggesellen in ganz Tokio. Wenn man weiß, wo und wie man suchen muss, ist es ein leichtes, die benötigten Informationen zu bekommen. Ebenfalls solltest du das Internet nicht unterschätzen.“ Gemütlich lehnte sie sich zurück, blickte ihm abwartend entgegen. „Keh.“, war Inu Yashas einziger Kommentar hierauf. Wie er diesen modernen Mist in der derzeitigen Situation verabscheute. Ein Grummeln seinerseits drang leise an Kagomes Ohren, bevor er sich endlich setzte, nach der Kaffeetasse griff. Jetzt völlig ruhig glitten seine Augen von neuem über Kagome. Diese hielt seinem eisigen Blick stand, schwieg, wollte auf den nächsten Schritt seinerseits warten. Inu Yasha hingegen überlegte derzeit was er tun sollte. Kam zu dem Entschluss, sich anzuhören, was sie von ihm wollte. Dies würde weitaus weniger Aufsehen erregen, als wenn er sie jetzt gleich mit roher Gewalt hinauswerfen würde. Beschlich ihn doch zugleich das Gefühl, dass sie sich wahrscheinlich nicht so einfach abfertigen lassen würde. Also wählte er, aus seiner Sicht, das kleinere Übel. Er konnte sie danach immer noch hochkant aus der Wohnung werfen. „Also gut. Dann sag, was du willst.“ Er lehnte sich zurück, ohne sie aus den Augen zu lassen. Kagome nickte, packte fest nach der Tasse, die vor ihr stand. Sie wusste, jetzt musste sie ihn überzeugen. Eine weitere Möglichkeit würde sich nicht ergeben. „Ich weiß, dass du nach dem Shikon no Tama suchst, Inu Yasha.“ Dessen Augen weiteten sich unmerklich, eine Spur von Überraschheit legte sich hinein. Woher wüsste sie davon? Er hatte es bisher geheim gehalten. Nicht einmal Sesshomaru wusste, dass er Hinweise auf das Shikon no Tama gefunden hatte. Woher also wusste sie davon? Kagome wartete einen Moment, beobachtete angespannt das Minenspiel des Hanyo, das in diesem Moment so unergründlich war, wie der tiefe Ozean. Schnell befeuchtete sie sich noch einmal die Lippen. Sie würde ganz am Anfang beginnen. „Während der Verfolgung eines Yokai, dem ich schon seit Wochen auf der Spur war, bin ich zufällig auf das hier gestoßen.“ Zugleich zog sie ein kleines zerfleddertes Buch aus ihrer Tasche, legte es behutsam auf den Tisch. Inu Yasha erkannte sofort, dass dieses Buch mehrere Jahrhunderte alt war, nahm den leicht staubigen Geruch, der von diesem ausging wahr. Die Miko legte ein zweites Buch daneben. Ein Notizbuch, schloss der Hanyo dem Aussehen nach. Allerlei farbige Notizzettel prangten seitlich hinaus, deuteten hier und da auf etwas Wichtiges hin. Er musterte beide Gegenstände kurz, blicke dann wieder zu Kagome hinüber. „Ich wollte ihn nachts endlich festsetzen. Um mir die Warterei auf die Nacht zu verkürzen, beschloss ich, der Altstadt des kleinen italienischen Dorfs, in dem ich mein Lager bezogen hatte, einen Besuch abzustatten, bevor ich nachts wieder auf die Jagd gehen würde. Ich muss sagen, dass mir der kleine Laden, der etwas abgelegen in einer schmalen Gasse lag, überhaupt nicht aufgefallen war. Ich bin einfach aus einem Impuls heraus in die Gasse gelaufen und dabei auf das antike Ladenschild gestoßen, das über der Eingangstür hing. Meine Neugier war geweckt. Ich betrat den Laden, begann zu stöbern und fand auch einige sehr interessante Bücher. Ich war richtig entzückt. Ich war auf eine kleine Goldgrube gestoßen.“ Inu Yasha wollte seinen Mund öffnen, doch Kagome stoppte ihn mit einer Handbewegung. „Ich komme gleich zu dem Punkt.“ Sie räusperte sich kurz. „Als ich die Bücher bezahlen wollte, spürte ich plötzlich einen schwachen Windhauch, weshalb ich mich umsah. Es war merkwürdig, ich war umgeben von hohen Bücherregalen. Türen und Fenster waren verschlossen. Ich konnte es mir daher nicht erklären. Ich drehte und wendete mich in alle Richtungen, doch ich konnte nichts ausmachen. Also griff ich meine vorherige Absicht wieder auf, wandte mich erneut zum Gehen, als ich erneut diesen leichten Windhauch spürte und dieses Mal konnte ich auch die Richtung deuten, aus der er gekommen war. Kaum, dass ich die Richtung einschlug, zog es mich direkt zu einem Stapel alter Bücher, der in der hintersten Ecke des Ladens auf einem Tisch aufgebaut worden war. Ohne zu überlegen habe ich meine Hand ausgestreckt und dieses Buch aus dem Stapel von Büchern ausgesucht. Warum ich das tat, kann ich mir bis heute nicht genau erklären.“ Für einen winzigen Moment tauchte Kagome wieder in diesen Moment ein. Sah, wie sie vorsichtig über den aufwendig gestalteten Ledereinband, tupfte. Wie ihre Augen fast ehrfürchtig über die filigran gearbeiteten Linien gewandert waren. „Ich habe das Buch geöffnet und sah nur leere Seiten, bis sich alles darin begann zu verändern. Japanische Schriftzeichen erschienen, füllten plötzlich jede einzelnen Seite davon. Ich wusste nicht, wie das möglich war. So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Die Begeisterung war ihr deutlich anzusehen. „Als ich den Händler nach dem Buch befragte, meinte er, dass es sehr alt wäre. Er habe es aufgrund des Einbandes damals erstanden, da die Seiten ja leer seien. Ich beschloss es mitzunehmen und dem Vorkommnis auf den Grund zu gehen. Zurück in meinen Hotelzimmer begann ich dann zu lesen….. Oder besser gesagt, habe ich begonnen zu übersetzen, was nicht so einfach war. Denn dieses Buch wurde in dem Miyako-hōgen (Miyako-Dialekt), einer der Dialekte der Ryūkyū-Sprachen geschrieben, die es seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr gibt. Zunächst machte es den Anschein, dass es sich nur um das Tagebuch eines Wandermönchs mit dem Namen Miyatsu handelt, der von den Ryūkyū-Inseln stammte. Nichts Interessantes. Doch dann stieß ich auf die Geschichte des Shikon no Tama.“ „Wie meinst du das?“ Sie wusste, dass sie nunmehr Inu Yashas vollkommene Aufmerksamkeit errungen hatte. Kagome griff nach ihrem Notizbuch, schlug eine Seite auf, und schob es zu Inu Yasha hinüber. „Miyatsu-sama hat aufgeschrieben, was mit dem Shikon nach dem Kampf Midorikos mit dem Yokai geschehen ist. Der Shikon ist damals nicht einfach verschwunden, wie es in der Legende heißt. Er blieb weiterhin auf unserer Welt.“ Kagomes Stimme überschlug sich fast. Inu Yasha überflog die Seite, las ihre Querverweise. Es stimmte also tatsächlich. Schnell sah er wieder auf. Kagome konnte erkennen, dass er Feuer gefangen hatte. „Was hat dieser Hoshi damit zu tun?“ „Er gehörte einem Art Geheimbund an.“ „Geheimbund?“ Sie nickte. „Ja. Sie nannten sich aibo no shinjitsu.“ „Träger der Wahrheit!“, wiederholte der Hanyo leise. Er war diesem Namen bereits begegnet. Der endgültige Beweis. Kagome betrachtete ihr Gegenüber schweigend; fragte sich, was er bereits wusste. Inu Yasha hob leicht seinen Blick, deutete ihr so an, dass sie weitersprechen sollte. „In der Legende heißt es, dass das Juwel demjenigen, der es in den Händen hält, alle Wünsche erfüllt. Doch der Mönch schreibt, dass das Juwel nur Unglück über den Träger und die Welt bringt. Das es....“ „Böse sei.“, beendete Inu Yasha ihren Satz. Kagome bestätigte durch ein Nicken, bevor „Woher weiß du das?“ „Von einem alten Mann.“ Die Miko hob fragend ihre Augenbrauen an. „Ich war auf der Jagd. Du musst wissen, dass in Chūō in letzter Zeit die Yokai-Übergriffe erheblich gestiegen sind. Ich habe schon seit einiger Zeit die Spur von Juromaru und Kageromaru verfolgt. Doch sie waren mir immer einen Schritt voraus. Wie in dieser Nacht. Als ich ankam, war das Haus von Kurahashi Kouhei vollständig verwüstet worden.“ „Kurahashi Kouhei? “ „Du kennst ihn? „Natürlich. Nur, weil ich nicht in Japan lebe, heißt das nicht, dass ich bekannte Persönlichkeiten Japans nicht kenne. Er war einer der bedeutendsten Historiker unserer Zeit. Aber soweit ich gelesen habe, war es ein Überfall.“ „Danach sollte es aussehen. In Wahrheit ist er ermordet worden.“ „Aber aus welchem Grund?“ „Es muss mit dem Shikon no Tama zusammenhängen.“ „Aber wie?“ „Er wusste von dem Juwel, Kagome.“ Erstaunen legte sich in das Gesicht der Shuryoka. „Als ich ihn fand, war er noch am L.“ Inu Yasha kam es augenblicklich so vor, als würde er an diesen Ort zurückkehren. Er hörte Kouheis krächzende Stimme in seinem Ohr. „Als ich mich über ihn beugte, begann er sofort zu sprechen. Er meinte, der Zauber sei gebrochen und es müsse verhindert werden, dass das Shikon in die Hände des Bösen fallen würde, denn dann würde die Bosheit im Juwel endgültig siegen. Dann meinte er noch: "Zu spät - Finde die anderen Träger"; das war das Letzte, was er sagte, bevor er starb.“ Kagomes Augen weiteten sich. „Träger!“, wisperte sie, bevor sie nach ihren Notizen griff, begann darin hektisch zu blättern. Inu Yasha betrachtete diese Reaktion verwundert. „Könnte es das wirklich sein?“, murmelte die Miko, während ihre Augen über eine Seite des Buches flogen. „Kagome?“ „War er tatsächlich einer von ihnen?“, stieß sie hervor. „Was?“ „Kurahashi Kouhei. Er war eventuell einer der Hüter! Ich kann es nicht glauben.“ Ihre Hände zitterten. Schnell umfasste sie das Buch fester. Inu Yasha war bereits dabei seinen Mund zu öffnen, erneut nachzufragen, was sie damit meinte, doch Kagome begann wieder zu sprechen. „Da die Mönche wussten, dass das Juwel böse war, haben sie versucht, es zu vernichten. Aber irgendetwas ist dabei schief gelaufen.“ „Irgendetwas schief gelaufen?“, wiederholte Inu Yasha. Kagome nickte, biss sich auf die Lippen. „Ja, aber was genau, kann ich dir leider auch nicht sagen.“ Ihren Missmut über diesen Umstand, konnte sie nicht verbergen. „Es fehlen an einigen Stellen Seiten. Es sieht ganz so aus, als seien sie herausgerissen worden.“ „Also wollte jemand verhindern, dass der Grund dafür ans Licht kommt.“, schlussfolgerte der Hanyo. „Vermutlich.“, stimmte Kagome zu. „Nur auf einer Seite ergibt sich ein Hinweis darauf. Kagome schlug die Seite auf, die sie sich markiert hatte, gab wieder, was noch auf dem kleinen Überbleibsel zu entziffern gewesen war. „Die Situation ist eskaliert. Wir müssen – Das war es auch schon. Danach fehlen besagte Seiten.“ „Und wie kommst du jetzt darauf, dass der Alte einer von ihnen war?“, wollte Inu Yasha wissen. Er sah keinen Zusammenhang. „Der Versuch das Juwel zu zerstören scheiterte und das Juwel zerbarst in vier Teile. Wieso kann ich dir leider auch nicht sagen.“ „Fehlende Seiten.“ „Ja. Noch mehr fehlende Seiten. Ich konnte mir noch zusammenreimen, dass sie anscheinend fliehen mussten. Das ergibt sich aus den darauffolgenden Seiten. Sie flohen mit den Bruchstücken und versiegelten sie in vier Gegenstände. Vier Mönche erhielten den Auftrag die Gegenstände in ganz Japan zu verstreuen. Durch einen mächtigen Zauber sollten diese niemals wiedergefunden werden. Mit Aussprache des Zaubers wurde jedoch nicht nur die Macht des Shikon versiegelt, sondern es verschwanden zugleich noch alle Aufzeichnung, die es jemals über den Verbleib des Shikon gegeben hat.“ „Die Träger.“, gab Inu Yasha schlussfolgernd von sich. Das war die Antwort. „Und so wurde aus der Wirklichkeit eine Legende.“ Aber wenn das der Wirklichkeit entsprach, dann würde das bedeuten, dass…. „Er im Besitz eines Shikon no Kakera war.“, murmelte der Hanyo unverständlich. Das hatte der alte Mann also mit „zu spät“ gemeint. Sein Blick schweifte wieder zu Kagome. Eine Frage blieb noch offen. Um den Verbleib des Kakera musste er sich keine Gedanken machen. Er wusste bereits, wer diesen nun besaß. “Er sagte noch, dass der Zauber gebrochen sei, aber wodurch wurde der Zauber gebrochen?“ „Das weiß ich leider nicht.“ Die Miko zuckte mit ihren Schultern. „Vielleicht war dieser Zauber nicht für die Ewigkeit?!“, fügte sie ratlos hinzu. Inu Yasha nickte leicht. Vielleicht entsprach diese Vermutung tatsächlich der Wahrheit. Aber was, wenn nicht?! Aus den Informationen, die er bis jetzt erhalten hatte, ging hervor, dass die Mönche nichts mehr fürchteten, als dass das Juwel wieder zusammengefügt wird. Also musste der Zauber mächtig gewesen sein, sehr mächtig sogar, wenn er die ganzen Jahrhunderte über bestand hatte. Aber was für einen anderen Grund konnte es sonst geben? „Was ist mit dem Ladeninhaber? Konnte er dir etwas über den vorherigen Verbleib sagen.“ Kagome schüttelte den Kopf. „Leider nein. Wie bereits gesagt, habe er das Buch wegen des Einbandes gekauft. Er hat es zufällig irgendwann in einer Kisten auf einem Trödelmarkt gefunden.“ „Und was ist mit dem Mönch selbst?“ „Nichts.“ Skepsis legte sich in Inu Yasha Blick. Grübelnd nahm er das Buch in seine Hände, begutachtete es noch einmal. Diese Sache war äußerst merkwürdig. Warum war dieses Buch nicht mehr im Besitz der aibo no shinjitsu? Er persönlich hätte dafür gesorgt, dass solche Informationen niemals in fremde Hände gerieten, trotz des Zaubers. Was war damals geschehen? War es ihnen abhandengekommen? Er stand vor einem Rätsel. Der Hanyo konnte sehen, riechen, dass das Buch alt war. Folglich konnte er daraus schließen, dass es bereits über die Jahrhunderte hinweg mehrere in den Händen hielten. Und nie war irgendetwas geschehen. Nie – bis sie gekommen war. Er sah aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber. Nach Kagome Erzählung wirkte es auf ihn, als hätte das Buch nur auf Kagome gewartet. Das klang völlig absurd. Aber wie sollte er es sich sonst erklären. Lag es vielleicht an ihren spirituellen Fähigkeiten? Weil sie die erste Miko gewesen war, die dieses Buch seit langer Zeit wieder in Händen hielt? Sollte das der Auslöser für den Bruch des Zaubers gewesen sein? Sollte es wirklich so simpel sein? Er blickte ihr direkt ins Gesicht. „Sag mir, Kagome, wann war das?“ Diese sah ihn leicht irritiert an. „Wann hast du dieses Buch gefunden?“ „Das war vor etwa drei Wochen.“ Inu Yasha Blick huschte zu dem Kalender, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Der 20. April. Ein Tag später hatte Kurahashi Kouhei sein Leben verloren. Also konnte er davon ausgehen, dass durch diesen Fund tatsächlich der gesamte Zauber gebrochen worden war. Aber wie konnte es sein, dass eine Miko eine solche Auswirkung auf einen derart mächtigen Zauber haben konnte?! Während er hierüber sinnierte, fiel ihm noch etwas anderes ein. „Gestern Abend hast du gemeint, du warst auf der Suche nach mir.“ Kagomes Augen wichen scheu zu Seite, sie faltete ihre Hände, begann diese zu kneten. „Bitte, halt mich nicht für verrückt.“ Aufgrund dieser Aussage hob Inu Yasha doch etwas erstaunt seine linke Augenbraue an. „Nachdem ich mit der Übersetzung so weit war, habe ich entschieden, noch nach weiteren Hinweisen zu suchen. Ich wollte einfach auf der sicheren Seite sein. Auch wenn ich das Buch in meinen Händen hielt, konnte ich es irgendwie dennoch nicht richtig glauben. Doch schon während der Tage, an denen ich an der Übersetzung saß, überfiel mich eine merkwürdige innere Unruhe. Ich konnte sie mir nicht erklären, versuchte sie zu ignorieren. Aber je mehr ich diese ignorierte, desto stärker wurde sie. Und dann plötzlich spukte dein Namen in meinem Kopf herum. Man konnte sagen, es kam über Nacht.“ Okay, jetzt verstand er ihre Aussage zu Beginn. Das klang wirklich verrückt. Genauso verrückt wie die Aussage mit der gemeinsamen Suche, die sie gestern Nacht ihm gegenüber traf. „Selbst ich habe anfangs gedacht, dass ich überschnappe. Bis ich herausfand, dass es dich wirklich gibt. Dass du ein Shuryoka bist und in Tokio lebst“ Ihre Anspannung war nicht zu übersehen. Ihre Zunge fuhr erneut über ihre Lippen, vertrieb die dort herrschende Trockenheit. „Eigentlich wollte ich nicht nach Japan zurückzukehren. Zumindest noch nicht.“ Irgendetwas in ihrer Stimmlage ließ Inu Yasha aufhorchen. Für Sekunden verlor ihre Stimme an Kraft verloren. Er sagte jedoch nichts, lauschte weiter den Worten. „Doch war ich mir sicher, dass ich nur dadurch weiteres erfahren würde.“ Zum ersten Mal, seitdem sie dieses Thema anschnitt, sah sie wieder zu Inu Yasha, sah in dessen Augen. Und in diesem Moment konnte er sich der Faszination, die sie umspielte, nicht entziehen. Er spürte, wie sich sein Herzschlag minimal beschleunigte. Er drohte den Faden zu verlieren, räusperte sich daher kurz. „Und wie hast du herausgefunden, dass ich ein Shuryoka bin?“ Er musste über seine eigene Fragestellung schmunzeln, was Kagome mitriss. „Sagen wir es mal so; ich habe eine Quelle gefunden, der ich zu 100 Prozent vertrauen kann.“ Mehr würde sie nicht verraten. Inu Yasha nickte. Er war bereit, diese Aussage zunächst einmal so stehenzulassen, schließlich hatte sie wahres Interesse geweckt. Mehr als das. „Nachdem ich all das herausgefunden habe, habe ich mich dazu entschieden hier her zu kommen, da ich glaube….“ Sie unterbrach sich selbst. „Nein – ich der festen Überzeugung bin, dass wir beide gemeinsam nach den Artefakten suchen sollen. Da wir dem Anschein nach die Einzigen sind, die hierauf gestoßen sind.“ „Nicht ganz.“ „Stimmt. Wer ist unser Gegenspieler?“ „Sein Name ist Naraku. Er treibt hier schon eine ganze Weile sein Unwesen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich ihm überhaupt auf die Spur gekommen bin. Der Kerl ist nicht dumm. Vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass er aus einem ganz bestimmen Grund nach Tokio gekommen ist. Dass er auf der Suche ist. Damit konnte ich ganz und gar nichts anfangen. Bis…“ „Bis vor drei Wochen.“, beendete Kagome. „Richtig.“ „Aber wie ist er darauf gestoßen?“ „Genau das gilt es ebenfalls herauszufinden.“ Mit seiner Hand strich er sich durch sein Haar, als er den Gegenstand bemerkte, der hinter Kagome an der Küchenzeile lehnte. „Hattest du vor mich damit zu bedrohen, falls ich dir nicht zugehört hätte?“, gab Inu Yasha belustigt von sich. Kagome verstand zunächst nicht, was er wollte, folgte dann seinem Blick. Ihren Bogen hatte sie bis gerade eben völlig vergessen. Obwohl dieser doch eins der wichtigsten Beweise war, dass das Shikon tatsächlich existierte, kein Wunschdenken war. Sie griff erneut nach ihrem Notizbuch. Hastig flog ihr Blick über die Seiten, bis sie fand, wonach sie suchte. Kaum gefunden, sprang sie auf, lief um den Tisch herum, trat neben Inu Yasha und legte das Buch aufgeschlagen vor den Hanyo. „Hier.“ Die Miko tippte mit ihrem Finger auf eine Stelle, wandte sich dann ab, lief um den Tisch. Kagome sprach weiter, während sie nach ihrem Bogen griff. „In dem Tagebuch des Hoshi wird von vier Artefakten gesprochen. Ein Sensu (Fächer), ein Hoseki (Juwel), ein Shoseki (Buch) und ein Yumi (Bogen)“ Sofort legte sie ihren Bogen auf den Tisch. Inu Yasha wandte seinen Kopf in ihre Richtung. Kagome nickte. „Vor dir liegt eins der vier Artefakte.“ Sachte, fast sanft, strichen seine Fingerkuppen über das kunstvoll gefertigte Holz. Darin sollte sich ein Bruchstück des Shikon no Tama befinden? „Wie kannst du dir sicher sein? „Darum.“ Kagome streckte ihre Hand aus. Ihre Handfläche schwebte wenige Zentimeter über den Bogen. Ihre Lider senkten sich, ihre Atmung wurde flacher. Der Hanyo spürte die spirituelle Energie, die von Kagome ausgesandt wurde. Für Sekunden geschah nichts, bis ein Glimmen seine vollkommene Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Bogen begann zu leuchten, ein lilafarbener Schimmer hüllte sich um das Artefakt, zog sich dann zurück, erlosch. „Nachdem ich das Buch studiert habe, habe ich es auf gut Glück versucht. Der Yumi ist ein Familienerbstück. Seit mehreren Generationen befindet sich dieser in unserem Besitz. Und nach deiner Erzählung kann ich davon ausgehen, dass dieser Naraku jetzt ebenfalls im Besitz eines Kakera ist. Somit verleiben noch zwei.“ Mehr hatte sie nicht mehr zu sagen. Jetzt war er an der Reihe eine Entscheidung zu treffen. Inu Yashas Blick ruhte immer noch auf dem Bogen. Er musste zugeben, dass er durch das Erscheinen dieser Miko nicht nur einen Schritt, sondern bereits mehrere Schritte vorangekommen war. Sie wusste genauso gut wie er, dass eine Zusammenarbeit gegen alle Regeln verstoßen würde. Doch sie hatte sich ihm bereits zu erkennen gegeben, hatte ihr Wissen mit ihm geteilt und sie besaß bereits einen Kakera. Objektiv betrachtet, wäre eine Zusammenarbeit von Vorteil. Sie hatte das ihm fehlenden Hintergrundwissen. Er hatte seit Wochen die Yokai beschattet, war über ihre Aktivitäten informiert. Somit würden sie zu zweit viel schneller vorankommen. Sein Entschluss stand fest, als er sich erhob, ihr entgegen sah. Eine Frage jedoch wollte er ihr noch stellen. „Du sagtest mir, dass dein Familienname Higurashi sei.“ Kagome versteifte sich unweigerlich, wusste sie, was jetzt kommen würde. „Nach meinem Wissen jedoch, wurde der Higurashi-Clan vor über 100 Jahren ausgelöscht.“ „Offiziell wurde der Higurashi-Clan ausgelöscht. Seit dem sind 175 Jahre vergangen.“ Kagome trat an das Fenster heran. Ihre Fingerkuppen tupften gegen das kühle Glas. „Inoffiziell jedoch……. haben mein Bruder und ich überlebt. Sie kamen ohne jegliche Vorzeichen, mitten in der Nacht. Otou-san versteckte meinen kleinen Bruder und mich in einem Zwischenraum, der sich zwischen den Wänden in unserem Schrein befand. Durch einen Bannkreis, den ich in dieser Nacht errichtet habe, konnten sie uns nicht finden.“ Kurze Stille trat ein. Die Shuryoka holt tief Luft. „In dieser Nacht wurde fast meine gesamte Familie ausgelöscht……….“ Ihre Stimme klang schwach, bevor sie kräftiger weiter sprach. „Es wurde beschlossen, dass es für uns in Japan zu gefährlich war. Aufgrund dessen wurden wir außer Landes gebracht, nach Europa, zu meinem Großvater, der dort lebte. Von ihm wurde ich zu einer Shuryoka ausgebildet. Und jetzt bin ich wieder hier.“, hauchte sie, für Inu Yashas Ohren dennoch gut hörbar. Sachte trat er neben sie. „Warum erzählst du mir das?“ Kagome wandte ihm ihr Gesicht zu. Große Rehbraune Augen, so unendlich tief, blickten zu ihm auf. Die Stärke, die sie bis jetzt ausstrahlte, war gänzlich gewichen. Sie wirkte in diesem Moment so zerbrechlich, so verletzlich, das sich etwas in ihm begann zu regen. Etwas, was er niemals zuvor in sich spürte. Deuten konnte er es nicht. Inu Yasha schluckte, versuchte damit den Klos, der sich in seinen Hals gesetzt hatte, los zu werden. „Weil du mich danach gefragt hast!“ Sie wusste aber genau, worauf er eigentlich anspielen wollte. „Außerdem weiß ich bereits so viel über dich. Ist es da nicht fair, wenn du auch einiges über mich weißt? Und - nenn mich ruhig leichtgläubig -, aber ich denke nicht, das es Zufall ist, das ich nach dir suchen sollte.“ „Wie willst du es dann nennen?“ „Fügung des Schicksals.“, sprach sie leise, jedoch mit vollkommener Überzeugung, auch wenn sie den Grund dafür nicht kannte. Aber sie war sich sicher, er würde sich noch offenbaren. Der Hanyo wusste nicht, was er drauf antworten sollte. Innerhalb dieses Morgens hatte er von diesem Wesen – so konnte man diese Miko nur bezeichnen – mehr Facetten kennen gelernt, als er jemals zuvor von irgendwem sonst in einem einzigen Gespräch. Und ihn beschlich das Gefühl, das noch weitere Überraschungen auf ihn warten würden. Doch genau dieser Aspekt machte den Reiz an der Sache aus. „So wie ich sehe, haben wir beide das gleiche Ziel.“ Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht, was Kagome zunächst nicht genau deuten konnte, bevor sich bei ihr ebenfalls ein wissentliches Lächeln abzeichnete. Beide konnten in den Augen des anderen lesen, dass sich jeder seiner Fähigkeiten bestens bewusst war. Warum also ebenbürtige Gegner sein, wenn man sich auch verbünden konnte. „Also gut. Dann sind wir ab jetzt Partner.“ Ein Jubelschrei entfuhr Kagome. Ihre Hand schoss vor ihren Mund und eine leichte Röte legte sich auf ihre Wangen, was Inu Yasha verdutzt dreinblicken ließ. Ja, er war sich sicher, die Zusammenarbeit würde sich äußerst interessant gestalten. Kapitel 3: „Der Abschluss eines schönen Abends!“ ------------------------------------------------ „Der Abschluss eines schönen Abends!“ ~ Nur durch die Hoffnung bleibt alles bereit, immer wieder neu zu beginnen.~ *** Kagome war gegangen und der Hanyou sank erst einmal auf seinem Stuhl zusammen. Eine solche Hartnäckigkeit hatte er in seinem bisherigen Leben noch nicht erlebt. Sie hatte sich nicht einmal durch seine Blicke einschüchtern lassen. Niemand hatte bis jetzt diesen annähernd standgehalten, geschweige denn, noch einmal das Wort erhoben – Sesshoumaru ausgenommen. Diese Eigenschaft lag bei ihm in der Familie und wurde von Generation zu Generation weitervererbt. Doch zum zweiten Mal musste er feststellen, dass diese Eigenschaft ihr gegenüber völlig nutzlos schien. Seine Hand griff nach seiner Tasse. Er setzte bereits an, als er seinen Mund verzog. Kalt! Schnaufend schob er die Tasse von sich weg. Hoffentlich blieb er in nächster Zeit von Aktionen dieser Art verschont. Auf derlei Überraschungseffekte am Morgen konnte er getrost verzichten. Seine goldgelben Augen schweiften aus dem Fenster hinaus. Es war nicht einmal zehn Uhr, doch die Luft flirrte bereits. Auf die schwüle Nacht würde ein siedend heißer Tag folgen. Innerlich dankte er für die Erfindung der Klimaanlage, die seine Wohnung angenehm kühl hielt. Schweigend sah er sich in der Küche um, hielt aufgrund der Tasse, die Kagome benutzt hatte, inne. Er ließ ihr gerade geführtes Gespräch noch einmal Revue passieren. Er sah die Shuryoka ihm noch einmal gegenübersitzen. Der Hanyou musste gestehen, dass er aufgrund der anfänglichen Situation, seiner Wut, zunächst nicht genau auf sie geachtet hatte, aber dann……. Inu Yasha stellte anerkennend fest, dass Kagome hübsch war. Außerordentlich hübsch sogar. In ihren großen braunen Augen lag eine Leidenschaft, der man sich schwer entziehen konnte. Sie……. Stopp! Sie war eine Shuryoka, schallte er sich selbst. Außerdem überhaupt nicht sein Typ. Das musste der Schlafentzug sein. Eindeutig. Träge erhob er sich, tapste in Richtung Schlafzimmer. Er würde für heute alle seine Termine absagen. Aus einen, für ihn unerfindlichen Grund sehnte er sich wieder nach seinem Bett. Die schlagartig verscheuchte Müdigkeit kehrte zurück. Vielleicht würde er aufwachen und all das hier war nur ein Traum, wogegen sein Gefühl sogleich ein Veto einlegte. ~ „Also gut. Dann sind wir ab jetzt Partner.“ Kagome entrang sich ein leises freudiges Auflachen. Sie drückte ihre Tasche an ihre Brust während sie leicht auf und ab sprang, froh darüber, dass sie sich alleine im Aufzug befand. Sie benahm sich gerade total kindisch. Aber diese Tatsache war ihr egal. Die Erleichterung war berauschend. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, stand sie völlig entspannt im Fahrstuhl, ihren Hinterkopf gegen die kühlende Wand gelehnt. Sie hatte Inu Yasha überzeugen können. Glücksgefühle durchströmten ihren gesamten Körper. Sie hatte gehofft, dass das Gespräch diesen Ausgang nehmen würde, aber sicher konnte sie nicht sein. Vor allem nachdem sie in so überrumpelte. Aber ihr blieb keine andere Wahl. Manchmal bewehrte sich der direkte Angriff als die beste Taktik. Ebenfalls konnte sie froh sein, dass Shippou-chan mitgespielte. Das hatte sie gleichermaßen ein großes Stück Überzeugungsarbeit gekostet. Aber es hatte sich gelohnt. Alles war gut gegangen – bisher zumindest. Und genau das schmälerte ihre Abneigung nach Japan zurückgekehrt zu sein. Seit ihrem 8. Lebensjahr war sie nicht mehr in Japan, in Tokio gewesen. Ohne Inu Yasha wäre es für sie wesentlich schwerer, irgendetwas herauszufinden. Schließlich konnte sie sich an niemanden wenden, kannte sich hier nicht mehr aus. So vieles hatte sich verändert. Sie dachte an ihren Besuch des Higurashi-Jinja zurück. Sogleich schmeckte sie einen Hauch von Bitterkeit. Ihre Eltern hatten an diesem Ort, der einst ihr zu Hause war, ihr Leben verloren, weil sie Shuryoka waren, weil sie Sota und sie beschützen wollten. Und doch……. trotz dieses Erlebnisses, dieses Verlustes, konnte sie nicht verleugnen, was sie war - nicht hassen, was sie war. Es war ihr in die Wiege gelegt worden. Sie war eine Shuryoka. Genauso wie er. Ein kleines Lächeln spielte hierbei um ihre Lippen, die Bitterkeit schwand. Die weiblichen Vertreterinnen ihrer Art wussten gar nicht, was sie durch den Zauber, der sein wahres Aussehen verschleierte, verpassten. Goldenen Augen, silbernes Haar und diese Ohren. Für einen kurzen Moment hatte sie doch tatsächlich ein Kribbeln in den Fingern gespürt, verbunden mit dem Wunsch, seine Ohren zu berühren. Kami-sama sei Dank, dass sie sich unter Kontrolle halten konnte. Die Miko war sich ganz sicher, dass sich nach dieser Aktion ihre Chance auf eine Zusammenarbeit unwiderruflich in Luft aufgelöst hätte. Aber was nicht war, konnte ja noch werden. Ein spitzbübisches Aufblitzen erschien in ihren Augen. Die Zeit würde es zeigen. Ein leiser Gong deutete ihr auf, dass sich die Fahrstuhltüren gleich öffneten. Daher kehrte die Schwarzhaarige aus ihren Gedanken zurück in die Realität. Mit sicherem Gang trat sie hinaus in die Eingangshalle, bemerkte, wie einige sich nach ihr umdrehten und eine von diesen Personen sie zugleich auch ansprach. „Kagome.“ „Shippou-chan.“, gab sie freundlich zurück, trat zu dem Kitsunen, der hinter dem Empfang saß, heran. Ein Nebenjob, mit dem er sich etwas zu seinem Studium dazu verdient, wie sie erfuhr. Seine türkisgrünen Augen zuckten schnell nach links und rechts. Seine Hand packte an seinen Kragen, den er etwas löste. Die Luft schien auf einmal etwas stickig zu sein. „Geht es dir gut, Shippou-chan?“ Kagome beäugten den jungen Kerl mit leicht besorgtem Gesicht. „Ja. Es ist nur……..ähm“ Er verschluckte sich, verschlang nervös seine Finger ineinander. „Hat ……. Hat Inu Yasha…… irgendetwas gesagt?“ Kagome zog kaum merklich ihre Augenbrauen nach oben, unterdrückte ein Grinsen. Daher wehte also der Wind. „Was soll er den gesagt haben, Shippou-chan? Du hast doch lediglich einer Dame einen kleinen Dienst erwiesen.“ Ein Zwinkern folgte, was den Kitsunen nicht die Beruhigung schenkte, die er erhoffte.. Kagome lachte auf. „Mach dir keine Gedanken, Shippou-chan. Ich glaub nicht, dass Inu Yasha dich dafür um die Ecke bringt. Und wenn doch, bekommt er es mit mir zu tun.“, damit wandte sie sich schwungvoll ab, verpasste dadurch den kreidebleichen Ausdruck, der auf Shippous Gesicht trat. Als Kagome aus seinem Sichtfeld verschwunden war, seufzte der Kitsune auf. Seine Augen blickten hinauf zur Decke. Gleichzeitig betete er dafür, dass Inu Yasha ihn heute nicht zu Gesicht bekommen würde. ~ Nicht auflegen.“ Hastig griff sie nach einem Handtuch, schlang dieses um ihren Körper, während sie bereits aus dem Bad sprintete in Richtung des Läutens, das das Telefon von sich gab. „Ich komme.“, warf sie dem Klingeln entgegen. Ihre Hand schnellte nach vorne, schnell schossen ihre Worte hervor. „Ja bitte.“ „Stör ich?“ „…………..“ - Woher wusste er, in welchem Hotel sie untergekommen war? Sofort verwarf sie die Frage wieder. Sie hatte unter ihrem richtigen Namen eingecheckt und Inu Yasha verfügte sicherlich über genügend Kontakte, um derlei Informationen zu bekommen. Da war sie sich ganz sicher. „Kagome?“ „Oh! Ja, äh…..nein, ich meine nein. Warum?“ „Ich dachte nur.“ „Ich war gerade unter der Dusche.“, sprudelte unkontrolliert aus ihr heraus. Wieso erzählte sie ihm das? Röte schoss in ihr Gesicht, zugleich zog sie das Handtuch enger um ihren Körper. Schnell sah sie über ihre Schulter zurück, schüttelte dann ihren Kopf. „Ich….. nun……. Deswegen bin ich nicht gleich ans Telefon.“ Himmel, was redete sie denn da für einen Stuss zusammen? Ihre Wangen nahmen dies zum Anlass noch weiter zu erröten. Inu Yasha ging nicht weiter darauf ein. „Ich wollte dich heute Abend durch Chūō führen. Dir die wichtigsten Plätze zeigen. Ist das in Ordnung für dich?“ Kagome hätte eigentlich dankbar sein können, dass er keinerlei Kommentar zu ihrem Gefasel abgegeben hatte, wenn da nicht die unterdrückte Belustigung aus seiner Stimme war, die sie heraushören konnte. „Natürlich“, gab sie daher gleichgültig von sich, presste ihre Zähen aufeinander, um ihrer aufsteigende Wut nicht nachzugeben. „Gut. Sagen wir acht Uhr? Du weißt ja, wo ich wohne.“ Ein Klicken ertönte in der Leitung und Inu Yasha begann zu grinsen. Er wusste, dass er sie verärgert hatte. Befriedigt darüber, legte er das Telefon zur Seite. Er sah es als kleine Revanche für ihren Überfall am Morgen. Kagome funkelte noch wenigen Sekunden wütend den Telefonhörer an. Sie war sauer. Sauer auf sich und sauer auf ihn. Sie hatte ihm am Telefon Rechenschaft abgelegt. Dazu gab es überhaupt keinen Grund. Sollte er doch denken was er wollte. Und wenn sie an die Rechenschaft selbst dachte. Gott. Was war nur in sie gefahren? Sie unterdrückte ein aufkommendes Stöhnen. Dann jedoch änderte sich der Ausdruck in ihren Augen, wandelte sich - von ihr selbst unbemerkt. Fast wie in Trance fixierte sie jetzt das Telefon. Argh! Was tat sie da bloß?! Dieser Hanyou brachte sie ganz aus dem Konzept. Das Rauschen des Wassers drang wieder an ihr Ohr. Kagome sah an sich hinab, sah die leicht dunkle Färbung des Teppichs unter ihren Füßen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es noch zwei Stunden bis zu ihrem Treffen waren. Genug Zeit, sich jetzt genüsslich ihrer Dusche zu widmen. ~ Entschuldige bitte.“ Leicht außer Atem trat sie an den Hanyou heran. „Ich habe zuerst kein Taxi bekommen und als ich es doch geschafft habe, sind wir im Verkehr steckengeblieben. Daher bin ich ausgestiegen und den Rest des Wegs zu Fuß gelaufen.“ „Du meinst wohl eher gerannt.“, korrigierte Inu Yasha, weshalb er sich einen drohenden Blick von Kagome einheimste, der jedoch schwand, durch ein keckes Lächeln ersetzt wurde. „Eine Leistung, die nicht jeder in diesen Schuhen vollführen kann.“ Kagome hob grazil ihr rechtes Bein an, deutete auf ihren Absatz. „Zwölf Zentimeter. Das musst du erst einmal nachmachen.“ Und von neuem dieser herausfordernde Unterton, mit dem sie wie völlig nebensächlich ihre Aussage unterlegte, während sie ihr Haar aufschüttelte. . Inu Yasha verdrehte die Augen. Betrachtete sie jedoch aus dem Augenwinkel genauer. Sie hatte ihr eher sportliches Outfit am Morgen gegen eine dünnes Top und einen Seidenrock getauscht. Sie wirkte darin vollkommen unschuldig und hilflos, fast zu hilflos. Niemals im Leben würde irgendwer vermuten, dass hinter diesem Aussehen eine gut trainierte Shuryoka steckte. „Kannst du mir verraten, wie du unter so etwas eine Waffe verstecken willst?“ „Gefällt es dir?“ Sie nahm den Saum ihres Rocks in die Hand, drehte sich leicht von links nach rechts, bevor sie ihn mit einem verführerischen Augenaufschlag ansah, was Inu Yasha eine leichte Röte ins Gesicht trieb. „Keh. Bilde dir ja nichts ein. Aber auch wenn wir jetzt Partner sind, seh´ ich bestimmt nicht ein, dich beim ersten Angriff gleich zu beschützen, weil du dich nicht verteidigen kannst. Eigentlich hab ich überhaupt nicht vor, dich zu beschützen.“ Zugleich wandte er sich von ihr ab. „Lass das mal meine Sorge sein.“, gab sie ruhig zurück, hackte sich bei ihm ein. „Gehen wir.“ Damit war das Thema für die Miko erledigt. Zwei Stunden waren inzwischen vergangen, als sich die Beiden in der Außenanlage eines kleinen Cafés niederließen. Kagome strich sich einige Strähnen zurück, fächelte sich mit der Getränkekarte Luft zu. Sie musste nicht in den Spiegel sehen um zu wissen, dass ihre Wangen aufgrund der herrschenden Hitze gerötet waren. Selbst ihre dünne Kleidung klebte an ihrem Körper. Nicht einmal die Nacht brachte ein wenig Abkühlung. Inu Yasha beobachtete sie unbemerkt. Sah, wie ihre Augen neugierig hin und her huschten, jedes noch so winzige Detail aufnahmen. „Ich hatte völlig vergessen, wie faszinierend Tokio ist.“, sprach die Miko, sah sich dabei weiter um. „Seit damals warst du kein einziges Mal mehr in Japan?“ Kagome lächelte, froh darüber, dass er es so umschrieb. „Nein. Was hätte ich auch hier gewollt.“ Da hatte sie Recht. Schließlich war fast ihre gesamte Familie ausgelöscht worden. „Wie ist es in Europa?“ Kagome verstand, dass er nicht Europa im Allgemeinen meinte. „Ihr Verhalten ist anders. Ich würde sogar sagen, dass die Youkai in Japan um einiges blutrünstiger sind als die, die wir in Europa zur Strecke gebracht haben.“ „Wir?“ „Souta und ich.“ Natürlich, ihr Bruder! „Warum seid ihr eigentlich nicht zusammen nach Japan gereist?“ Schließlich durften Shuryoka der gleichen Familie gemeinsam auf die Jagd gehen, wenn sie das wollten. Kagome nahm zunächst einen Schluck Wasser, fühlte, wie dieser für einen kleinen Moment Kühlung verschaffte. „Souta ist kein Shuryoka mehr.“ Ein kurzer Moment der Stille trat ein. „Souta war gut. Aber er hat immer nur seine Pflicht getan. Es war nicht sein Leben. Ich wusste das. Und dann kam der Tag, auf den ich immer gewartet habe.“ Inu Yasha sagte nichts, wartete einfach, bis Kagome weitersprach. „Er lernte jemanden kennen. Amelie ist ihr Name. Das war vor fünfzehn Jahren. Er hielt es nicht für richtig, Amelie mit hineinzuziehen. Der Kampf. Das lange Leben. Dämonen und Monster. Er wollte ihr all das ersparen. Also tat er das, was er für richtig hielt. Er legte den Schwur ab.“ Der Schwur, der einem aus der Pflicht eines Shuryoka entbindet. Inu Yashas Augen weiteten sich minimal. Das Liebe so etwas bewirken konnte? - Für ihn unvorstellbar! Er konnte sich ein anderes Leben nicht vorstellen. Auch hatte er nicht vor, sich jemals zu binden. Er war schon immer, genauso wie Sesshoumaru, eher ein Einzelgänger gewesen und hatte nicht vor, daran etwas zu ändern. Ebenfalls wollte er nicht, dass irgendjemand sich Sorgen machte, wenn er auf die Jagd ging. Er dachte an die Ungewissheit in den Augen seiner Mutter zurück, jedes Mal, wenn Sesshoumaru oder er in die Nacht hinausgegangen waren. Die Angst, die sie in sich getragen hatte. Nein, das wollte er niemanden mehr antun. Vor allem nicht erneut eine Person, die er liebte. Er konnte somit Soutas Beweggründe nachvollziehen. Er war eine große Bürde, die man dem Partner damit auferlegte. Durch die vielen Regeln war es für Shuryoka selbstverständlich sich einen Partner zu suchen, der nichts mit dieser Welt zu tun hatte, aus dem normalen Leben kam. Erst nach der Hochzeit wurde diesem offenbart, in welche Welt sie sich nun befanden, ein langes Leben ebenfalls für sie auch galt. Was jedoch auch viele Entbehrungen mit sich brachte. Und er konnte sich gut vorstellen, dass einige darüber nicht allzu großes Glück empfanden. Kagome sprach weiter. „Inzwischen hat er eine kleine Familie. Sie leben in Frankreich. So, wie er es sich immer gewünscht hat; ein friedliches Leben. Die Isolation, die das Leben eines Shuryoka mit sich bringt, wäre nichts für ihn gewesen. Souta wäre daran zu Grunde gegangen. “ „Was hast du getan, als der Tag kam?“ „Er ist mein Bruder. Ich habe ihn natürlich unterstützt. Ich glaube, dass er nur so lange durchgehalten hat, weil ich da war. Nur mir zu liebe. Ojii-chan war zwar darüber überhaupt nicht erfreut, aber was sollte er dagegen tun. Er musste es wohl oder übel akzeptieren. Außerdem bin ich ihm ja noch geblieben.“ Für einen kurzen Moment erinnerte sie sich an das ausgeuferte Streitgespräch zwischen Souta und ihrem Großvater zurück, als dieser ihm seinen Entschluss mitteilte. Es verging einige Zeit, bis sich die Wogen wieder einigermaßen geglättet hatten. „Du musst ihn vermissen.“ Kagome konnte hören, dass es keine Frage, sondern eine Feststellung war, antwortete ihm dennoch. „Anfangs bemerkte ich kaum einen Unterschied. Es war schön. Besonders, als meine beiden Nichten auf die Welt kamen. Aber jetzt…..“ Missmut lag in ihrer Stimme. „Ich hab sie schon lange nicht mehr gesehen. Es ist leider nicht mehr möglich. Während Souta und Amelie in den letzten Jahren gealtert sind, habe ich mich überhaupt nicht mehr verändert. Deshalb sind Souta und ich übereingekommen, dass es das Beste ist, wenn, dann uns alleine zu treffen. Es würde einfach zu viele ungewünschte Fragen aufwerfen. Amelie muss mich für eine grässliche Schwester und Tante halten.“ Sie versuchte mit ihrer heiteren Stimme ihre wahre Stimmung zu verbergen. Doch dem Hanyou entging dies nicht. „Das Schicksal eines Shuryoka!“, gab er emotionslos von sich. Kagome nickte. „Ja, aber Souta lebt dadurch sein Leben. Er hat sich seine Träume erfüllt. Und ich lebe das Leben, gehe den Weg, den ich gehen möchte. Und ich bin ja nicht gänzlich aus seinem Leben verschwunden. Wir telefonieren so oft es geht, treffen uns. So gesehen ist er immer noch mein engster Vertrauter. Er ist auch der Einzige der weiß, dass ich hier bei dir bin.“ Inu Yasha nickte. Er verstand, was sie damit sagen wollte. Also wussten weder ihr Großvater noch die Allianz nicht, dass sie hier war. Eine vernünftige Entscheidung. Niemals hätten sie zugelassen, dass sie sich ihm offenbart. Eine der Regeln der Shuryoka besagte, dass sie sich fremden Shuryoka nicht zeigen durften. Damit sollten die Clans geschützt werden. Eine Garantie für das Überleben. Nur die obersten Mitglieder der Allianz kannten alle Clans. Aber das war jetzt nicht relevant, daher wandte er sich wieder dem derzeitigen Thema zu „Fürchtest du dich nicht manchmal vor der Zukunft?“ „Nein. Auch wenn ich weiß, dass Souta jetzt wieder ein ganz normales Leben führt, ich ihn überlebe, ist es für mich ein Trost zu wissen, dass er glücklich war. Das ist das Einzige, was für mich zählt.“ Diese Mal legte sich ein ungetrübtes Lächeln auf ihre Lippen. Ein Lächeln, das die wahre Liebe zu ihrem Bruder wiedergab. „Was ist mit deiner Familie?“ Kagome sah Inu Yasha an, der ihr verwirrt entgegenblinzelte. „Meine Familie?“ „Ja. Ich habe nur herausgefunden, dass du alleine als Shuryoka hier in Tokio lebst. Was ist mit dem Rest deiner Familie?“ „Tod.“ Kurz und knapp. Kagome zuckte zusammen, was ihm zugleich wieder Leid tat. Er konnte sehen, dass sie den Tod ihrer Eltern akzeptierte, die Traurigkeit über den Verlust aber immer noch ein Teil von ihr war. Das war bei ihm nicht anders. Er jedoch ging anders mit diesem Thema um. Er sprach für gewöhnlich nicht darüber, dachte nicht darüber nach. Inu Yashas Blick huschte, wie diesen Abend schon so oft, über sie. Die ganze Situation brachte ihn erneut in Erstaunen. Eine Eigenschaft, die er für gewöhnlich in derlei Art überhaupt nicht kannte. Es war gerade mal ein Tag vergangen, seitdem er auf Kagome getroffen war und nun saßen sie hier und ihr Gespräch ging bereits weit über gewöhnlichen Small-Talk hinaus. Die Gemeinsamkeit, die sie teilten, rief jedoch eine Vertrautheit hervor, die ihn redselig machte. Außerdem war er es ihr schuldig. Sie hatte sich ihm gegenüber bereitwillig geöffnet. Daher….. Er seufzte kurz auf, was Kagome dazu bewegte mit ihrer Hand nach der seinen zu greifen. „Es….. Ich meine, wenn du nicht….“ Sie biss sich auf die Lippen, senkte ihren Blick. Sie hätte nicht damit anfangen sollen, Inu Yasha wieder von ihrer Geste überrascht. „Nein, schon in Ordnung.“ Kurz erwiderte er den Druck ihrer Hand, was Kagome dazu veranlasste erneut in sein Gesicht zu sehen. Ein kurzes Lächeln begegnete ihr, bevor er begann zu sprechen. „Hahue und Chichiue trafen sich zufällig auf der Straße. Sie sagte mir immer, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Er sprach sie an und sie trafen sich einige Male. Ein halbes Jahr später heirateten sie. Sesshoumaru war zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt.“ „Sesshoumaru ist dein Bruder.“ „Halbbruder.“, korrigierte er prompt. „Er ist ein vollwertiger Inu-Youkai.“ Kagome erhob erstaunt ihre Augenbrauen. Was sollte sie davon halten? Konnten die Brüder sich nicht leiden? Inu Yasha griente sie aufgrund ihrer Reaktion kurz an, sprach dann weiter. „Ein Jahr nach der Hochzeit wurde ich geboren. Hahue erzählte mir, dass sie niemals eine glücklichere Zeit erlebte. Sie war stolz auf ihren Mann und ihre beiden Söhne. Als ich vier war, starb mein Vater.“ Kagome konnte den Kampf in seinen Augen erkennen. Die Gefühle, die er zu verstecken versuchte, versuchten an die Oberfläche zu dringen. „Er war auf der Jagd gewesen, als der Youkai in unser Haus eindrang. Sesshoumaru nahm ihn als Erster wahr. Er stürmte in das Schlafzimmer unserer Eltern und verhinderte, dass es Hahue angriff. Während des Kampfes, den Sesshomaru mehr schlecht als Recht wegsteckte – er war schließlich erst neun Jahre, Youkai hin oder her –, begann es zu brennen. In dem Moment, in dem Sesshoumaru bewusstlos zu Boden ging, kehrte Chichiue zurück. Er befahl Hahue, Sesshoumaru und mich nach draußen zu bringen und dort zu warten. Das war das letzte Mal, dass wir ihn sahen. Hahue sagte, dass sie später erfuhr, dass er in dem Kampf, den er in dieser Nacht zuvor führte, einige schwere Verletzungen erlitt. Es war einfach zu viel gewesen, selbst für einen Dai-Yokai wie ihn.“ Inu Yasha stieß hörbar die Luft aus. Kagome wagte es nicht ihre Stimme zu erheben. „Danach war nichts mehr, wie es war. Hahue sorgte zwar immer noch liebevoll und aufopfernd für uns, aber sie war nicht mehr die Gleiche. Immer wieder habe ich gesehen, wie sie heimlich Tränen vergoss, selbst Jahre nach dem Tod von Chichiue. Und dann, zwei Jahre, nachdem ich volljährig wurde, wurde sie plötzlich immer schwächer und starb drei Wochen später. - Sie schlief friedlich ein. Der Tod von Chichiue hat ihr das Herz zerrissen. Ich glaube, nur Sesshoumaru und ich haben sie am Leben erhalten, haben ihr die Kraft gegeben, weiterzumachen. Und nachdem sie sah, dass wir stark sind, auf eigenen Beinen stehen, hat sie sich endlich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt. Sie kehrte an die Seite von Chichue zurück.“ Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. „Gomen nasai.“ Sie hatte ihn nicht daran erinnern wollen. „Nein. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist in Ordnung, wirklich.“ Sein Lächeln wandelte sich und Kagome erwiderte. Ihr fiel auf, dass sie dies bereits den ganzen Abend über tat. Sie genoss seine Anwesenheit. „Und was ist mit Sesshoumaru?“ Ein kurzes, unverständliches Brummen erklang. Inu Yasha zog seine Augenbrauen tiefer. „Der zieht seit dem sein eigenes Ding durch. Nachdem Hahue gestorben ist, hat er seinen Koffer gepackt und gemeint, dass ich jetzt ohne ihn klar kommen müsste und ihm ja keine Schande machen soll. Er reist jetzt durch die Welt um so viele Youkai wie möglich zu killen. Ab und an schneit er mal rein, oder ich krieg eine Karte mit dem Vermerk „Ich lebe noch.“ – Ich glaube, er ist immer noch auf der Suche nach diesem einen Youkai. Keh, dieser Idiot.“ Kagome horchte verwundert auf. Also hatte sie sich mit ihrer ersten Vermutung geirrt. Inu Yasha vermisste seinen Bruder und dennoch akzeptierte er genauso wie sie bei Souta, dessen Entscheidung. „Eins, zwei Dinge würden mich noch interessieren.“ Er wechselte das Thema. Was für sie in Ordnung war. Kagome stützte ihr Kinn auf ihre Hände, lächelte ihn an – wollte ihm damit zeigen, dass sie wartete. Aber genau diese Geste brachte den Hanyou kurz aus dem Konzept. Bezaubernd!, legte sich über seinen komplette Gedankenwelt, ließ für nichts anderes Platz. Da war nur noch Kagomes liebliches Lächeln, ihre tiefen braunen Augen, die wartend ihm entgegen sahen – nur ihn ansahen. Was zum Teufel?! Nein!, knurrte er sich innerlich selbst an. Ein Räuspern erklang, bevor er sich wieder auf seine Frage besann. „Woher wusstest du, dass Shippou ein Kitsune ist? Selbst für einen Shuryoka ist es nur nachts möglich, Youkai zu erkennen. Es sei denn, der Youkai hat sich ihm freiwillig offenbart.“ „Bei mir verhält sich das anders.“, schoss es hervor. „Ich besitze schon immer die Fähigkeit auch tagsüber Youkai in ihrer wahren Gestalt zu sehen, egal ob sie sich offenbaren oder nicht.“ Inu Yasha war baff. „Du siehst mich also immer so?“ Gleichzeitig deutete er auf sich. „Hei.“ Sie suchte seinen Blick, bemerkte, wie sie in seinen goldgelben Augen versinken wollte, weshalb sie ihre Aufmerksamkeit lieber dem halb vollem Glas vor sich schenkte. Sie musste sich ablenken, denn das, was gerade in ihr passiert war, gefiel ihr ganz und gar nicht. Daher: „Und deine zweite Frage?“ „Uhm….. Wie kam es, dass du mich während einer Jagd finden konntest?“ „Das war purer Zufall.“ Das bestätigte seine Vermutung. „Ich bin während meiner Recherche auf ein kleines Forum von Studenten gestoßen, in dem sie sich eifrig über einen wundersamen Fund ausgetauscht haben. Dass ein Schriftstück gefunden wurde, in dem die Sprache von einem merkwürdigen Juwel ist. Aus diesem Grund beschloss ich, mir die ganze Sache mal anzusehen.“ „Verstehe.“ „Ich würde morgen gerne mal einen Blick auf die Schriftrolle werfen.“ „Kein Problem.“ In Gedanken war sie bereits dabei zu überlegen, was diese alles offenbaren würde, als ihr noch etwas einfiel. „Hast du sie dir denn schon angesehen?“ Freudige Erwartung schwang in ihrer Stimme mit. „Nein.“, gleichzeitig zuckte er mit seinen Schultern. Ihr plötzliches Erscheinen in seiner Küche hatte seinen Tagesablauf vollkommen über den Haufen geworfen. Selbst seine Neugierde auf die Schriftrolle war danach verebbt. Das Einzige worüber er sich noch Gedanken gemacht hatte, war sie und ihr Gespräch. Aber das musste er ihr ja nicht auf die Nase binden. Schnell warf der Hanyou einen Blick auf die Uhr. Und so ungern er dieses Gespräch beendete, so musste er es dennoch tun. „Ich glaube, wir sollten langsam aufbrechen.“ „Müde?“, kicherte Kagome, erhob sich aber. Der Hanyou verzog seinen Mund. „Nein, aber ich habe auch tagsüber ein Leben, das voller Termine ist.“ „Du hast mein aufrichtiges Mitgefühl.“ Je weiter sie sich Inu Yashas Wohnung näherten, desto mehr leerten sich die Straßen. Die Nachtschwärmer hatten sie schon lange hinter sich gelassen. Die Umgebung lag vollkommen ruhig und friedlich dar. Das weiße Licht des Mondes schien auf sie hinab während sie schweigend nebeneinander herliefen. Doch derzeit hatten weder Inu Yasha noch Kagome Zeit, diese Stille auf sich wirken zu lassen. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich ein ernster Ausdruck wieder. Beide achteten auf die dämonischen Auren, die sie seit geraumer Zeit hinter sich spürten. Sie wurden verfolgt. Die Ohren des Hanyou zuckten mehrmals, je lauter die Schritte wurden. Ihre Verfolger wussten nicht, wen sie sich als potenzielle Opfer ausgesucht hatten. Ein Fehler, den sie bereuen würden, da waren sich beide im Bewusstsein einig. Ohne eine Andeutung griff Inu Yasha nach Kagomes Handgelenk, drehte sie so, dass sie gegen die nächste Hauswand lehnte, er direkt vor ihr stand. Überrascht sah die Miko zu ihm auf, als er sich zu ihr hinunterbeugte. „Lass sie ran kommen“, hauchte er ihr ins Ohr, was auf ihre Haut eine Gänsehaut zauberte. Regungslos stand Kagome dar, versuchte sich auf die Schritte zu konzentrieren, die näher kamen. Doch das Klopfen ihres Herzens erschwerte dieses Vorhaben erheblich. Sie wollte ihr Gesicht abwenden, doch konnte sie nicht. – Sie war gefangen in der Situation. Der Hanyou hatte sich keinen Zentimeter mehr bewegt. Sein Mund schwebte immer noch direkt über Kagomes Ohrläppchen. Eine leichte Brise kam auf, wodurch Kagomes seidiges Haar seine Wange streifte. Ohne es richtig wahrzunehmen, senkten sich seine Lider. Tief sog er ihren Duft, der sich wie ein schwerer Vorhang auf ihn herabsenkte, ein. Er konnte ihren wilden Herzschlag hören, der sich dem seinen anpasste. Seine Hand begann zu zittern, als er deren Vorhaben, durch Kagomes Haare zu streichen, unterband. Sein Körper wollte allem Anschein nach gerade ein Eigenleben entwickeln. Beide suchten gleichzeitig den Blick des anderen, bevor sie wenige Sekunden später auseinanderstoben. Die Verwirrtheit der Verfolger war nicht zu übersehen. Inu Yasha ließ seine Handknochen knacken, begutachtete die Gruppe von drei Youkai. Die Miko trat elegant neben ihn, verzog keine Miene als ihre Hand zu ihrem Rock glitt, diesen etwas nach oben schob. Sofort hatte sie die volle Aufmerksamkeit der Youkai inne. Selbst Inu Yasha, der aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber sah, konnte diese Geste nicht einordnen. Eins wusste er jedoch; die lüsternen Blick der Youkai gefielen ihm ganz und gar nicht. Ein Knurren stieg seine Kehle empor, verließ drohend seinen Mund. „Fertig gestarrt?“ Umgehend richtete sich die Miko wieder zur vollen Größe auf, in ihrer Hand ein silberner Dolch. „Na dann können wir ja beginnen.“ Ohne weitere Vorwarnung eilte sie auf ihre Gegenüber zu, die völlig perplex dastanden. Genau das nutzte die Shuryoka zu ihrem Vorteil Nicht schlecht, schoss es Inu Yasha durch den Kopf, holte sie zugleich ein. Ein Hieb mit seinen Klauen und der erste Youkai fiel leblos zu Boden. Kagome duckte sich unterdessen unter einen Angriff hinweg, trat dann nach den Beinen des Youkai. Ihr Angreifer verlor sein Gleichgewicht, begann zu taumeln. Die Miko nutzte die Chance. Ihre Hand schnellte nach oben. Die Klinge berührte die Kehle des Youkai. Ein Gurgeln entwich diesem, bevor er zuckend zusammenbrach. Inu Yasha hatte sich bereits um den dritten und letzten Youkai gekümmert. Dieser lag zu seinen Füßen. Als Kagome sich zu dem Hanyou umwandte, sah sie, wie sich dieser, genauso wie seine Gleichgesinnten, auflöste. Der Wind ihre Reste davon trug, so das Nichts von ihrem Dasein übrig blieb. „Der Abschluss eines schönes Abends!“, seufzte Kagome laut vor sich hin. „Alles in Ordnung?“, wollte Inu Yasha wissen. „Ja. Sie waren nicht der Rede wert.“, gab sie von sich, strich zugleich ihren Rock glatt, bevor sie zu ihm aufsah. Während des Kampfes hatte sie Inu Yasha kurz beobachten können. Seine Schnelligkeit war bewundernswert. Kagome wusste zwar, dass er als Hanyou über weitaus mehr Kraft verfügte, als ein Mensch, aber es war etwas anderes, diese Kraft aus nächster Nähe zu sehen. Bereits beim Kampf gegen die Brüder war sie davon fasziniert gewesen. „Und bei dir?“ „Keh!“ Stolz funkelte in seine Augen. Diese Nachfrage war überflüssig gewesen. Er zog sein Handy aus seiner Hosentasche, wählte. „Was tust du?“ Doch er blieb der Miko eine Antwort schuldig. „Hallo. Ich brauche ein Taxi. Am Nijí-Tower, in zehn Minuten. Danke.“ „Was tust du?“, wiederholte Kagome nochmals ihre Frage angesäuert. Sie hasste es, nicht beachtet zu werden. „Sobald das Taxi da ist, werden wir zu deinem Hotel fahren und du packst deine Sachen.“ „Was?“ Sie stemmte ihre Hände in die Hüften, wappnete sich. Inu Yasha betrachtete diese Geste ohne weiter etwas zu sagen, rechnete er bereits damit. „Du wirst bei mir einziehen.“ Auch wenn es für ihn eine enorme Umstellung bedeutete, die ihm ganz und gar nicht gefiel, hatte er schon den ganzen Abend darüber nachgedacht. Eigentlich hatte er vor gehabt, sich damit noch einige Tage Zeit zu lassen. Doch nach dem Zusammentreffen mit den Youkai hatte er sich endgültig dafür entschieden, was er auch zum Ausdruck brachte, um Kagomes Wut, die dunkel in ihren Augen funkelte, zu beschwichtigen. „Du bist heute schon zu spät gekommen. Was ist wenn du aus irgendeinem bestimmten Grund schnell vor Ort, bei mir sein musst? Wir können uns keine unnötigen Verzögerungen leisten. Genau das könnte für Naraku ein Vorteil sein.“ Kagomes Wut verpuffte. Zugleich begann sie über seine Worte zu grübeln. Sie konnte keins der Argumente, das er vorgebrachte, schwächen. Wie sie so etwas hasste! Ein scharfer und zugleich prüfender Blick fiel auf Inu Yasha. Sie wusste einfach nicht, was sie darüber denken sollte. Auf der einen Seite war sie froh, dass er ihr bereits jetzt schon so viel Vertrauen entgegen brachte. Ansonsten hätte er sich niemals hierzu durchgerungen, da war sie sich absolut sicher. Auf der anderen Seite war da eine Stimme, die ihr sagte, dass sie auf der Hut sein sollte. Sie waren beide Shuryoka. Sie hatten die unsichtbare Grenze, die existierte, bereits überschritten. Und sie fürchtete sich davor, diese noch weiter hinter sich zu lassen, vielleicht nie wieder zurückzufinden. Aber wollte sie das? Dahin zurückkehren? Warum stellte sie sich jetzt diese Frage? Verwirrung breitete sich in ihr aus. Ein innerer Kampf; Verstand gegen ein undefinierbares Gefühl. Inu Yasha stand ruhig da. Wandte seinen Blick nicht von ihr ab. Auch wenn er es ihr gegenüber so ausgedrückte, dass er kein Nein duldete, wartete er auf ihre Entscheidung, ihre Stimme, die zugleich auch erklang. „Na gut.“ Sie trat nah an den Hanyou heran, stellte sich auf die Zehnspitzen. „Aber das wird das erste und letzte Mal sein, dass ich in solch einer Angelegenheit einfach ja sage.“ Inu Yasha konnte aus ihren blitzenden Augen sehen, dass sie es ernst meinte – todernst. Daher nickte er nur. „Gut. Gehen wir. Wir wollen das Taxi doch nicht warten lassen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)