Ehrenpreis von Rebellin ================================================================================ Kapitel 1: Veronica officinalis - der gemeine Ehrenpreis -------------------------------------------------------- »Bei schwacher Bebauung und Appetitlofi…lofigkeit empfiehlt f…fich ein Tee von Kalmuswurzel, früh nüchtern und vor dem Zubettgehen eine…eine Taffe«. Deutliche Verwirrung zeichnete sich im Gesicht der Schülerin ab, als sie den Blick hob und somit preisgab, dass sie die soeben vorgelesene Textpassage nicht im Mindesten verstanden hatte. Doch schon nach wenigen Augenblicken des Zögerns fuhr wieder Bewegung in ihre Glieder. »Bitte verraten Sie mich nicht, Sakura-sensei. Wenn Tsunade-sama erfährt, dass ich immer noch nicht fähig bin diesen Wisch zu entziffern, steckt sie meinen Kopf in den nächstbesten Sakebecher« Eigentlich hätte Sakura das junge Mädchen für die vorlaute Aussage rügen sollen, doch die angstbesetzte Prophezeiung der Dinge, die die alte Sannin ihr antun könnte, brachte sie dazu ihre Lippen zu einem milden Lächeln zu verziehen. Zu gut konnte sie sich an ihre eigene Ausbildung zurückerinnern – an die Angst – Tsunades Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Obwohl sie selbst gerade über ihrem Papierkram brütete, stand sie auf und ging um den Tisch herum, um einen Blick über die Schulter ihres Schützlings zu werfen. »Dafür weiß Tsunade einen guten Tropfen zu sehr zu schätzen«, die Jüngere wirkte jetzt ein wenig entspannter, wohl auch, weil Sakura ihr dabei half den Satz zu entziffern. »Sieh mal, das was aussieht wie ein f ist eigentlich ein s. Bei schwacher Verdauung und Appetitlosigkeit empfiehlt sich ein Tee von Kalmuswurzel, früh nüchtern und vor dem Zubettgehen – « »Eine Tasse!« »Genau. Na siehst du. Wenn du noch ein bisschen übst, hast du das in Null-Komma-Nichts drauf«, lobte Sakura in ihrer gewohnt überschwänglichen Art und erreichte damit, dass die Vierzehnjährige motiviert nickte. Ihre, noch kindlichen, Gesichtszüge zeugten jedoch von Müdigkeit, was keine Überraschung war, hatten sie doch den ganzen Nachmittag damit zugebracht Papierkram zu erledigen. Ihr Anblick erinnerte Sakura an ihre eigene Tochter, die gleich eintreffen würde, wie sie mit einem Seitenblick auf die Uhr feststellte. Wie hatte es nur schon wieder so spät werden können. Dass für heute Schluss war, ließ sich die Schülerin nicht zwei Mal sagen. Mit einer Schnelligkeit, die selbst den ehrwürdigen Gelben Blitz von Konoha wie eine lahme Schnecke aussehen ließ, packte sie ihre Sachen zusammen und war auch schon mit einem kurzen Gruß auf den Lippen aus dem Raum entschwunden. Doch viel Zeit zum Ausruhen blieb der Ärztin nicht. Gerade als sie ihre Akten sortiert und die wichtigsten Dokumente in ihre Tasche gepackt hatte, öffnete sich die Tür zu ihrem Büro und die Empfangsdame steckte den Kopf hinein. »Ihre Mutter und ihre Tochter sind hier«, informierte sie pflichtbewusst, doch Sakura entging das selige Lächeln auf dem Gesicht ihrer Kollegin nicht. Es war ein Gesichtsausdruck, den Sakura zur Genüge kannte, denn schon im zarten Alter von zwei Jahren war es Saradas Königsdiziplin Jeden, der ihr begegnete um den Finger zu wickeln. Dabei machte sie das nicht mal mit Absicht. Ein zufriedenes Glucksen aus ihrem Mund ließ sogar ihren Vater, diesen eiskalten Hund, dahinschmelzen. Wenn er denn mal die Gelegenheit hatte sie zu sehen. Eilig schüttelte Sakura den Gedanken an Sasuke ab, der schon wieder seit fast zwei Monaten überfällig war. Momentan war sie wirklich nicht gut auf ihn zu sprechen, aber das war ein anderes Thema. »Schicken Sie sie ruhig rein, ich bin hier soweit fertig« Ein paar Augenblicke später erschien ihre Mutter in der Tür, Sarada auf dem Arm und die Tasche mit ihren Sachen in der freien Hand. Als sie ihre Mutter erkannte, begann das kleine Mädchen zu zappeln und streckte schließlich die kurzen Arme fordernd nach dieser aus. Ein warmes Lächeln legte sich auf die Lippen von Mebuki Haruno, als Sakura ihre Tochter ohne zu zögern an sich nahm und sich die sorgenvolle Miene in ein Abbild tiefer, mütterlicher Liebe verwandelte. »Hallo, mein Spatz« Während Sakura Sarada leicht hin und her wiegte, stellte Mebuki die Tasche auf dem Tisch ab und betrachtete missbilligend die prallgefüllte Arbeitsmappe ihrer Tochter. Doch Sakura kannte die Botschaft hinter diesem Blick schon. Ihre Mutter sagte ihr zur Genüge, dass sie zu viel Arbeit mit nach Hause nähme und die Zeit lieber mit ihrer Tochter verbringen sollte. Bevor sie mit einer gutgemeinten Predigt anfangen konnte, schlug Sakura einen taktischen Weg ein. »Danke, dass du sie her gebracht hast. Wie war sie heute?« Die Rechnung ging auf, denn Mebuki sah erst einmal von einer Zurechtweisung ab, um in Kurzfassung von Saradas Tag zu berichten. Anders als Sakura es als Kind gewesen war, entwickelte Sarada die Tendenz ein eher zurückhaltendes und stilles Kleinkind zu werden. Anders als andere Kinder in ihrem Alter brabbelte sie nicht viel, schien eher ihre Umwelt ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Wann immer Sakura ihrer großen dunklen Augen ansichtig wurde, hatte sie das Gefühl dieses kleine Wesen sauge die gesamte Weisheit der Welt in sich auf. Und, Himmel, konnte sie streng gucken. Sie hatte ihren eigenen Weg gefunden, ihre Missbilligung auszudrücken. Vielmehr waren ihre zusammen gezogenen Augenbrauen und der unnachgiebige Blick eine akkurate Kopie der Miene ihres Vaters. Wie alle Mütter war Sakura der Meinung, ihr Kind sei mit Abstand das süßeste von allen. Nur hatte sie, im Gegensatz zu diesen anderen, verblendeten Frauen natürlich Recht. Immerhin war Sasuke der gleichen Ansicht. So langsam hatte er sich wirklich genug in der Welt herumgetrieben. Soweit Sakura seine Entscheidungen bezüglich seiner ständigen Abwesenheit auch akzeptierte, so sehr wünschte sie sich im Moment, dass er sehen könnte wie stoisch seine Tochter das Wachsen der eigenen Zähne hinnahm, obwohl man an ihrem geröteten Gesicht ablesen konnte, wie sehr diese Prozedur schmerzte. »Sie hat wenig geschlafen. Essen wollte sie auch nicht, aber sie hält sich tapfer«, bestätigte Mebuki die Gedanken ihrer Tochter. »Ist ihm eigentlich bewusst, wie überfordert du momentan bist?«. Natürlich, es war ja nur eine Frage der Zeit bis ihre Mutter wieder auf das heikle Thema zu sprechen kam. Doch es lag nicht in Sakuras Ermessen diese Diskussion ausufern zu lassen. »Ich bin nicht überfordert!«, stellte sie energisch klar, doch ihr fahler Gesichtsausdruck und die leichten Ringe unter ihren Augen sprachen ihre eigene Sprache. Mebuki war jedoch klug genug diese offensichtlichen Zeichen der Erschöpfung nicht anzusprechen. »Ich meine ja nur, dass es vielleicht Zeit wäre, dass er dich unterstützt, anstatt – « , versuchte sie es erneut, wurde aber wiederum von Sakura unterbrochen. »Sasuke tut das, was er tun muss, um für die Sicherheit des Dorfes zu sorgen. Um für unsere Sicherheit zu sorgen. Du kannst ihm das nicht immer noch vorhalten!« Obwohl Sakura im Grunde ihres Herzens die Meinung ihrer Mutter teilte, verteidigte sie nach außen hin stets seine Abwesenheit. Immer, wenn jemand vorsichtig seinen Zweifel an Sasukes Qualitäten als Vater und Ehemann äußerte, hatte Sakura das Bedürfnis dem mit Nachdruck zu widersprechen. Trotz seiner Angewohnheit nicht viele Worte zu verlieren, war er, besonders wenn sie unter sich waren, ein sehr liebevoller und ambitionierter Vater. Dass er diese Fähigkeiten vorbildlich vor anderen zu verstecken wusste, machte es ihr nicht gerade einfach, es anderen glaubhaft zu machen. »Ich möchte nur nicht, dass das alles zu viel für dich wird. Die Arbeit, Sarada, deine Schülerin und schließlich noch die Instandhaltung des Hauses« »Ich weiß wo meine Prioritäten liegen«, erwiderte Sakura und drückte ihre Tochter an sich. »Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber ich kriege das schon hin. Sobald Tsunade von ihrer Weiterbildung zurück ist, kümmert sie sich wieder um Yaras Ausbildung. Momentan hilft sie mir ohnehin bei den Abschriften«, versuchte sie die Sorge ihrer Mutter zu schmälern und ließ dabei wohlbedacht außen vor, dass die Hilfe eigentlich mehr Arbeit bedeutete als wirklichen Nutzen brachte. Zwar schien Mebuki nicht wirklich überzeugt zu sein, doch blieb ihr nichts anderes übrig als die Waffen vor der altbekannten Engstirnigkeit ihres eigen Fleisch und Blutes zu strecken. Sie tauschten noch einige belanglose Neuigkeiten des Tages aus und dann machte sich die Ältere auf den Nach Hause Weg. Trotz des herzlichen Abschieds, ahnte Sakura, dass das letzte Wort noch nicht gefallen war. Nun aber lag die Priorität darin, mit Sarada nach Hause zu gehen und den Rest des Nachmittags mit ihr zu verbringen. Routiniert packte Sakura einhändig die restlichen Sachen zusammen, warf sich die Taschen über die Schulter und verließ ihr Büro. »Der erste Termin morgen hat sich von sieben Uhr auf halb acht verschoben«, informierte die Empfangsdame lächelnd, als sie den Empfangsraum durchquerte, doch die halbe Stunde war für Sakura nur ein kleiner Trost. »Dann können wir morgen endlich mal ausschlafen«, kommentierte Sakura trocken, ehe sie ihrer Kollegin einen schönen Abend wünschte. »Bis Morgen, Uchiha-hakase« Die höfliche Verabschiedung aufgrund, ihres Doktortitels, hörte Sakura schon nicht mehr, denn die gläserne Tür war bereits hinter ihr und Sarada ins Schloss gefallen. Obwohl Mutter und Tochter das Nebengebäude des Krankenhauses bereits um fünf Uhr nachmittags verlassen hatten, erreichten sie erst gegen sechs das Uchiha-Anwesen. In der Zwischenzeit hatte Sakura den Einkauf erledigt, frische Blumen von Ino geholt und einen außerterminlichen Kontrollbesuch bei einer Patientin hinter sich gebracht. Der lange Tag machte sich bemerkbar, als sie die Einkäufe in der Küche abstellte und ihrer Tochter half die Sachen auszuziehen. Sarada schien ebenso wenig munter zu sein wie sie selbst. Dass sie langsam begann zu quengeln, sagte Sakura, dass es wirklich ein schwerer Tag für sie gewesen sein musste. Sie verweigerte sogar das Essen, dass Sakura aufbereitete. Irgendwann gab sie resigniert auf und machte ihre Tochter bettfertig. Nachdem Sarada gebadet und in eine Windel für die Nacht gewickelt war, versuchte sie sie zum Schlafen zu bewegen, doch die Schmerzen hielten ihre Tochter wach. Erst ein frischer Kamillentee und die anhaltende Liebkosung ihrer Mutter verschaffte ein wenig Linderung. Die Uhr schlug bereits kurz nach Neun, als Sarada endlich eingeschlafen war. Für andere Mütter bedeutete das im Normalfall Entspannung für den Rest des Abends. Sakura hatte zwar ihren Nachnamen abgelegt, allerdings weder ihren Ehrgeiz noch die fast schon blinde Arbeitswut, die sie dazu antrieb, ihre Papiere auf dem Küchentisch auszubreiten. Auch die Tatsache, dass die eine Hälfte des Ehebettes wohl auch in dieser Nacht unbenutzt bleiben würde, trug dazu bei, dass Sakura sich vornahm noch bis in die Nachtstunden zu arbeiten. Vor einem Jahr hatte sie damit begonnen alte Schriften zu studieren, in denen es um die Nutzung von Heilpflanzen ging. Neben ihrer Arbeit hatte Sakura angefangen regional wachsende Pflanzen auf ihre Wirkungsweise zu überprüfen und sie schließlich niederzuschreiben. Das Extrahieren der Stoffe hatte weit weniger Arbeit gemacht als der Papierkram drum herum. Mittlerweile zählte ihre Sammlung schon fast 300 Seiten und doch war Sakura immer noch nicht zufrieden damit. Es fehlten noch ein paar wichtige Pflanzen, die aber nicht im näheren Umkreis wuchsen und somit deren Wirkungsweise nicht bekannt war. Aber um an diese heranzukommen, fehlte ihr die Zeit. Sasuke hatte ihren Ehrgeiz diesbezüglich stets mit stillem Gleichmut hingenommen, was seine Vor- aber auch seine Nachteile mit sich brachte. »Artemisia Absinthium«, murmelte Sakura, vertieft darin ihre Erkenntnisse über die Wirksamkeit des gemeinen Wermuts zu Papier zu bringen. Dabei wäre ihr fast das Geräusch einer sich schließenden Tür entgangen, aber eben nur fast. Augenblicklich verharrten ihre Finger nach dem zuletzt geschriebenen Wort, die Augen konzentriert auf die losen Aufzeichnungen gerichtet. Sie spürte vertrautes Chakra im Flur. Sein Chakra. Er schien sich Zeit damit zu lassen sich seiner Schuhe zu entledigen oder war es nur Taktik einer vermeintlichen Diskussion zu entgehen? Wenn er nicht auf dem Fußboden im Flur schlafen wollte, blieb ihrem mustergültigen Ehemann ja nichts anderes übrig, als das Wohnzimmer zu betreten. Stur blieb Sakura auf ihrem Platz sitzen und tat als würde sie zu beschäftigt sein, um seine Anwesenheit zu bemerken. Sein Gesicht zeigte, wie erwartet, kein Anzeichen von Schuldbewusstsein, als er gemächlich in die offene Küche schritt. Das Einzige, das ansatzweise von einer gewissen Unsicherheit zeugte, war die Tatsache, dass er einen gewissen Sicherheitsabstand zu Sakura hielt. Seine ausgesucht ausdruckslose Miene verriet Sakura, dass er gerade versuchte den Grad ihres Ärgers auszuloten. Eine Fehleinschätzung dessen konnte schnell mal die ein oder andere Vase kosten, oder eine Beule am Kopf. »Du bist wütend auf mich«, stellte er trocken fest. Eigentlich hatte Sakura, seit dem er durch die Haustür getreten war, das Bedürfnis gehabt ihm um den Hals zu fallen. Sasuke zu sagen, wie sehr sie ihn vermisst hatte und wie glücklich sie über seine Rückkehr war. Seine lausige Begrüßung und ihr eigener verletzter Stolz aber, erzielten das Ergebnis, dass ihr Ärger sich Bahn brach und ihre Zuneigung ihm gegenüber überdeckte. »Wie es aussieht hast du deine präzise Auffassungsgabe im Gegensatz zu deinem Rückgrat nicht auf dem Weg des Lebens verloren« Dass sein Blick sich daraufhin verfinsterte, zeugte von einem miserablen Beginn des Wiedersehens und es sollte nicht besser werden. Einen Augenblick lang verharrte jeder der Beiden in seiner Position. Sakura hatte sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt und die Arme vor ihrer Brust verschränkt. Sasuke schien drauf und dran, sich gar nicht erst auszuziehen und gleich wieder zu verschwinden. Die erste wirkliche Reaktion zeigte Sasuke, indem er schnaubte, sich aber weiterhin zu keiner Antwort hinreißen ließ. Als er sich umwandte, um seine Jacke abzulegen, hielt Sakura ihn mit ihren Worten auf. »Du hättest schreiben können, dass sich deine Reise verzögert« Er fing ihren Blick auf, als er sich wieder umdrehte. »Dazu war keine Gelegenheit« Keine Gelegenheit? Verärgert mahlte Sakura mit dem Kiefer. Er schien nicht einmal mit dem Gedanken zu spielen seine Abwesenheit in irgendeiner Form zu erklären. Als er im Begriff war ins Badezimmer zu gehen, stand Sakura auf und folgte ihm bis ins Wohnzimmer. Mittlerweile hatten sich alle negativen Gefühle des Tages in ihr angestaut. Die Einsamkeit, die Enttäuschung und die Sorge, dass sich Sasukes Gefühle ihr und Sarada gegenüber auf seiner Reise geschmälert hätten, trugen noch dazu bei, dass sie ihrem Ärger Luft machte. »Ich hoffe du konntest nach dieser Reise deine Prioritäten neu ordnen, denn hier gibt es auch Angelegenheiten, die deiner Anwesenheit bedürfen« »Diese Reise war keine Kaffeefahrt, sondern eine Mission, Sakura. Wenn du schon mitten in der Nacht streiten willst, dann klar und deutlich und ohne Umschweife« Jetzt verrieten auch seine blitzenden Augen von der Spannung, unter der er stand. Deutlich zu werden fiel Sakura in diesem Moment nicht schwer, weshalb sie seiner Forderung nachkam. »Du bist jetzt Vater, Sasuke. Du kannst nicht mehr so einfach so lange wegbleiben. Sie braucht dich« Ich brauche dich. »Hn« Da war sie wieder. Diese einsilbige Art, die sie so oft zur Weißglut brachte. Eigentlich hatte Sakura geglaubt sich längst daran gewöhnt zu haben, doch in solchen Momenten wünschte sie sich oft, er würde seine Gefühle ein wenig mehr zum Ausdruck bringen. »Lass mich raten, du hattest mal wieder ein Gespräch mit deiner Mutter« »Sei nicht albern!«, fuhr Sakura ihn an, gereizt darüber, dass er mal wieder ins Schwarze getroffen hatte. Sasuke enthielt sich der Aussage, wen er hier für albern hielt. Erst ein leises, dann immer lauter werdendes Greinen stoppte die Auseinandersetzung des noch jungen Ehepaares. Sakura warf Sasuke einen gereizten Blick zu, ehe sie besorgt ins Kinderzimmer eilte um nach ihrer Tochter zu sehen. Der Dunkelhaarige sah ihr einen Augenblick nach und rieb sich dann mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Schade, dass sich die Anspannung nicht so einfach abwerfen ließ wie der Mantel. Nachts wurden Saradas Schmerzen besonders schlimm. Seit vier Nächten plagte sie sich nun schon mit den wachsenden Backenzähnen herum. Sakura blieb nichts anderes übrig, als sie auf den Arm zu nehmen und sie sanft hin und her zu wiegen. »Mein armes Spätzchen«, murmelte sie leise und versuchte sie mit leisem Sing Sang zu beruhigen. Doch das Wimmern wollte einfach nicht versiegen. Sie entschied es nochmal mit Kamillentee zu versuchen. Als sie mit ihrer Tochter auf dem Arm ins Wohnzimmer trat, heftete sich Sasukes Blick erst auf sie, dann auf Sarada. »Was ist mit ihr?« Sie sah Besorgnis in seinen Augen aufglimmen. Sarada selbst war zu sehr mit den Zahnschmerzen beschäftigt, als dass sie erkannte, dass ihr Vater wieder da war. Die Furche über seiner Nasenwurzel wurde tiefer, als er die fiebrig glänzenden Wangen seiner Tochter sah. Sakura beobachtete jede einzelne Regung in seinem Gesicht und spürte, wie ihr Ärger über ihn sich langsam verabschiedete. »Sie zahnt nur, Sasuke. Ihr fehlt nichts. Zähne zu bekommen ist nur keine schöne Angelegenheit für kleine Kinder«, und zum ersten Mal an diesem Abend schenkte sie ihm ein beruhigendes Lächeln. Langsam bewegte sich Sasuke auf die Beiden zu, bis er nah bei ihnen zum Stehen kam. »Ich werde ihr einen Kamillentee machen. Der hemmt die Entzündung und senkt das Fieber«, erklärte sie mit einer Ruhe, die Sasuke nicht nachvollziehen konnte. »Gib sie mir!« Verwirrt wandte Sakura den Blick von ihrer wimmernden Tochter ab, um ihn auf Sasuke zu richten. »Gib sie mir!«, bat er leise und streckte die Hand nach Sarada aus. In dem Moment, als Sasuke das Mädchen in seinen Arm schloss, hatte sich Sakuras gesamte Wut in Luft aufgelöst. Berührt beobachtete sie, wie Saradas Wimmern einen Moment leiser wurde, als sie ihren Vater erkannte. Obwohl die beiden sich selten sahen, spürte man eine starke Verbindung zwischen ihnen. Schniefend krallten sich ihre kleinen Hände in seinen Pullover, aber das Wimmern ließ langsam nach. Ganz offensichtlich war der Fachmann wieder am Werk. Doch Sakura ahnte, wie Sarada sich in diesem Moment fühlte. Von ihrem Ehe-Anhängsel in den Arm genommen zu werden, war das Tröstlichste, was einem passieren konnte. Da sie aber gerade von der Möglichkeit dieser Umarmung meilenweit entfernt war, überließ sie die Beiden sich selbst und ging in die Küche, um den Tee aufzukochen. Als sie die Aufmerksamkeit wieder ins Wohnzimmer lenkte, als der Tee fertig war, ging Sasuke langsamen Schrittes zum Sofa und ließ sich dort, mit Sarada an seiner Brust, nieder. Hätte sie sich nicht schon lange zuvor in Sasuke Uchiha verliebt, wäre sie ihm spätestens jetzt verfallen. Seinen gesunden Arm um seine Tochter geschlungen, ließ er sich zurücksinken und strich mit der Nase leicht über ihre pechschwarzen Haare. Sakuras Herz zerfloss in ihrer Brust, als sie sah wie er die Augen schloss und mit den Lippen ihre warme Stirn berührte. »Jeder Schmerz geht irgendwann vorbei, Sarada«, als Sakura näher kam, öffneten sich seine Augen wieder und seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. »Das mit der überfüllten Tränendrüse hast du von deiner Mutter geerbt« »Baka!«, schniefte Sakura und wischte sich die verräterisch glänzenden Spuren von der Wange. In ihrem Inneren breitete sich wohltuende Wärme aus, als Sasuke ihr Gesicht musterte. Obwohl sie anfangs wirklich sauer gewesen war, war sie unbeschreiblich froh, dass er wieder da war. Unwichtig für wie lange. Sie reichte ihm die Schnabeltasse und stellte erleichtert fest, dass Sarada das lauwarme Getränk Schluck für Schluck zu sich nahm. In einvernehmlichem Schweigen betrachteten Beide ihren Nachwuchs eine Weile. Die Nähe ihres Vaters schien das wirkungsvollste Mittel gegen die Zahnschmerzen zu sein. »Sie sabbert wie ein leckender Wasserhahn«, kommentierte Sasuke die immer größer werdenden Flecken auf seinem Pulli. Es schien ihn nicht zu stören. »Der prozentuale Anteil des Speichelflusses steigert sich fast zu einem Drittel, wenn die Zähne durchbrechen. Das dient der Schmerzensregulation«, Sakuras fachmännische Erklärung ließ Sasuke eine Augenbraue heben. »Hn«, die Antwort auf alles. »Seitentasche meines Rucksacks« Irritiert von der ungewöhnlich zusammenhangslosen Aussage, wartete Sakura auf eine weitere Erklärung. Als er sich jedoch nicht dazu hinreißen ließ, ihr weitere Hinweise zu geben, wandte sie sich augenrollend seinem Rucksack zu. »Rechts«, murmelte er, als sie sich an der linken Seite zu schaffen machen wollte. Was auch immer Sakura glaubte zu finden, ein zusammengewickeltes Stück Stoff hatte sie nicht erwartet. Als sie ihn fragend ansah, machte er eine Geste, dass sie es auspacken sollte. »Versuch nicht so grobmotorisch zu sein« Auf seinen spitzen Kommentar reagierte Sakura mit einem Schnauben. »…sprach der Feinfühligste von allen« Da sie ihm ihren Rücken zugedreht hatte, konnte sie nicht sehen wie sich Amüsement auf seinem Gesicht zeigte. Vorsichtig wickelte sie den Stoff auseinander und bekam etwas Gläsernes zu fassen. Als sie das Tuch ein wenig mehr zurück schlug, zog sie eine Phiole hervor. War das seine eigenwillige Art ihr Blumen zu überreichen? Die Phiole war von einer Art Siegel umgeben und schien, das was sich im Inneren befand frisch zu halten. Als Sakura genauer hinsah, erkannte sie eine Pflanze mit blauen Blüten. Jede Knospe hatte vier Blütenblätter und sah alles in allem nicht besonders spektakulär aus. Doch als ehrgeizige Medizinerin und Heilkundlerin erkannte Sakura allmählich was sie da vor sich hatte. Eilig schritt sie zum Küchentisch um einen Blick in eines der alten Bücher zu werfen. Sie nahm es an sich und setzte sich damit auf den Fußboden im Wohnzimmer. Aus den Augenwinkeln beobachtete Sasuke wie ihr Blick zwischen Pflanze und Buch hin und her huschte. Als sich ihre grünen Augen auf ihn richteten, sah er Unglauben in ihren Iriden schimmern. »Woher hast du das?« Er zuckte mit den Schultern. »Hab sie gefunden« Ungläubig suchte sie in seinem Gesicht Anzeichen, die ihr verrieten, woher er an eine Pflanze kam, die nicht zu den heimatlichen Bodengewächsen gehörte. »Wie, du hast es gefunden? Sie wächst fast 1000 Kilometer weit weg von hier« »Manchmal macht man eben Umwege auf dem Weg des Lebens«, erklärte Sasuke gelassen und griff damit ihre spitze Bemerkung von vorhin auf. Doch Sakura ging nicht auf seinen Scherz ein. »Wie…du hast…wie kannst du wissen – « »Das war nicht schwer. Deine Bettlektüre ist seit Jahren recht einseitig«, seine unverfrorenen Worte riefen eine unerwartete Reaktion in der Rosahaarigen hervor. Nach Worten ringend schlug sie nun das Tuch vollständig auf und fand fast zwanzig Phiolen vor. Jede mit einem anderen Inhalt. »In Anbetracht des häuslichen- und vor allem meines persönlichen Friedens liegt es sowohl in deinem als auch in meinem Interesse, dass du dieses Buch so schnell wie möglich fertig bekommst«, es war der längste Satz, den er seit seiner Rückkehr gesprochen hatte und er löste etwas in Sakura aus, das wohl keiner von ihnen erwartet hätte. »Du bist für mich wochenlang durch die Gegend gerannt um diese Pflanzen für mich zu finden?«, fragte sie, schon wieder den Tränen nah. Dass es exakt zwei Monate und drei Tage waren, die der Uchiha damit zugebracht hatte sprichwörtlich auf der Erde herumzukriechen, erwähnte er nicht. »Hn« Er drehte seinen Kopf zu Sarada, beobachtete aus den Augenwinkeln jedoch genau die Reaktion seiner Frau. Einen Moment lang befürchtete er sie würde erneut zu weinen anfangen. Doch stattdessen stand sie schweigend auf um das Mitbringsel vorsorglich zu verstauen. Die alte Papiersammlung nahm sie mit sich, ebenso wie Papier, einen Stift und die Phiole, die sie als Erstes ausgepackt hatte. Sie besah sich die Pflanze einen Moment genauer und begann dann zu schreiben. »Veronica officinalis. Der Ehrenpreis –« »…scheint eingeschlafen zu sein« Sasukes Worte entsprachen den Tatsachen. Saradas Atmung war gleichmäßig geworden und ihre Augen entspannt geschlossen. »Sasuke-kun?«, bat Sakura leise um seine Aufmerksamkeit. »Hm?« »Ich hab vergessen dir was zu sagen«, sie klang schuldbewusst. Er schwieg, wartete aber auf ihre Antwort. »Willkommen zu Hause. Ich habe dich vermisst. Ich bin froh, dass du wieder da bist« Sein warmes Lächeln war Antwort genug und wurde mit einem Kuss auf seine Stirn belohnt. »Komm her!«, das ließ sich Sakura nicht zwei Mal sagen und kuschelte sich an ihn. Auf dem Rücken ihrer Tochter verhakten sich ihre Hände, während seine Lippen für einen Augenblick die seiner Frau berührten. Diese Art von Willkommensgruß war schon mehr nach seinem Geschmack. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)