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Verborgen in Stille Teil II

von

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Schlaflose Nacht

Wir verließen den Gerichtssaal. Ich fühlte mich wie betäubt! Ich war sprachlos, von dem was geschehen war. Ich folgte einfach meinem Anwalt und spürte Jack in meinem Rücken. „Wie lange warten wir jetzt“, fragte ich leise den Anwalt und er meinte: „Die Geschworenen haben nun zwei Stunden Zeit, reichen die Stunden nicht aus, werden wir zur Urteilsverkündung an einem anderen Tag eingeladen… vielleicht sind sie auch eher fertig.“ Ich war mir unsicher und hatte ein ungutes Gefühl.

Wir verließen das Gebäude und ich stieß erleichtert die restliche Luft aus meinen Lungen aus und atmete die frische Luft ein. Nur wenige Augenblickte später erstarrte ich von neuem. Dort standen sie alle! Jason, John, mein Dad und etwas abseits, meine Mutter. Ich wollte gerade an meiner Mutter und meinen Brüdern vorbei gehen, mein Vater sprach noch kurz mit seinem Anwalt, als meine Mutter mich ansprach. „Jazzy…“, begann sie leise, fast schon übervorsichtig, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. Die Person, die mir so in den Rücken gefallen war! „Sprich mich nie wieder an“, fuhr ich sie gereizt an und kalt waren meine Augen. Mit Verachtung in den Augen betrachtete ich sie. Etwas, was ich mir vor wenigen Stunden nie in dem Maße hätte vorstellen können. Wenn noch etwas wie Liebe für diese Frau in mir war, war es gerade erloschen. Ja, sie wird immer meine Mutter bleiben, so wie mein Vater immer mein Vater sein wird, doch ich wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Ich ging an ihr vorbei. Als sie erneut nach mir griff und mich mit einem „Aber Jazzy“, aufhalten wollte, griff Jack nach ihrer Hand.

Schmerzvoll und erschrocken keuchte meine Mutter auf. „Fass ihn nie wieder an“, raunte er leise und tödlich ruhig. Immer noch wirkte er, als ringe er nach Selbstkontrolle. Etwas, was man sicher so selten bei ihm sah. „Und komm nie wieder in unsere Nähe!“ Nie hatte ich Jack so gesehen. Ihn nie so unkontrolliert gesehen. Weiße blendende Wut war in sein Auge geschrieben und meine Mutter wimmerte ängstlich. Trotzdem war ich erstaunt, wie ruhig er dennoch bleiben konnte. Doch die Frage war, wie lange noch. Die Antwort bekam ich schon im nächsten Moment.

„Jazzy, du kannst doch nicht wieder den-“, doch weiter kam sie nicht, denn Jack tat etwas, womit ich niemals gerechnet hätte. Mit einer schnellen und fließenden Bewegung langte er nach meiner Mutter und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Er zog durch, allerdings hatte er nicht mit voller Wucht zugeschlagen. Ich vermutete, dass sie sonst auf den Boden zu seinen Füßen liegen würde. „Hör auf zu jammern! Was bist du nur für eine Mutter“, spuckte er ihr wütend entgegen. Ich rührte mich nicht. Erst als Jack erneut ausholen wollte, hielt ich ihn auf. John und Jason traten ihr zur Seite und erst das laute brüllen des Sicherheitspersonals ließ mich klarer werden. „Was fällt dir dreckigen Schwuchtel ein meine Mutter zu schlagen“, fuhr Jason Jack wütend an. Wutentbrannt sah Jack ihn an, ließ die Fingerknochen knacken und ich verstand, warum er es tat. Es war die Wut, mir im Gerichtssaal nicht helfen zu können, die er nun herausließ. „Lass uns hinten auf den Parkplatz gehen, Dickerchen. Da sind keine Kameras… dann können wir ja sehen, was für eine große Fresse du noch hast, nachdem dir von einer Schwuchtel sämtliche Knochen gebrochen wurden!“ Er trat auf Jason zu und als John mich ansah, mich spöttisch musterte und herablassend zu mir sagte: „So sieht es also aus. Nein Jason, der hier ist die Schwuchtel. Der versteckt sich ja wie ein Mädchen hinter dem Typen, der ihn fickt. Aber gut, dass der den Kerl hat. Nachher geht der noch an Kinder ran!“

Erneut blendete mich meine Wut. Lichterloh und dieses Mal hielt mich Jack nicht auf! Ich trat zu John und mit der Faust ausholend schlug ich ihm gegen den Kiefer! Die Schmerzen in meiner Hand blendete ich vollkommen aus! Erneut hatte er nicht damit gerechnet und qualvoll stöhnte er auf. Kräftige Hände packten mich und zogen mich eisern weg von meinem Bruder. Als ich mich umsah stellte ich fest, dass es nicht Jack war, der mich zurückhielt. Es war einer der Sicherheitsleute vom Gericht. Was er mir entgegenbrüllte, verstand ich nicht und es war mir auch egal!

Ich riss mich wütend los und als erneut noch einmal meine Mutter auf mich zutrat, platze Jack der Kragen und es war das erste Mal, dass er wirklich laut wurde. „Lass ihn in Ruhe“, brüllte er sie an und sie zuckte ängstlich zusammen, „du hattest die Chance ihm eine gute Mutter zu sein und hast dich dagegen entschieden! Jetzt verschwinde, ehe ich mich vergesse!“ Ich zerrte Jack weg von ihr und nur widerwillig ließ er es geschehen.

„Jazzy! Du kannst doch nicht bei dem bleiben! Der hat mich geschlagen“, rief meine Mutter empört und hielt sich die gerötete Wange. Noch bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich Jack grollend sagen: „Hör auf zu jammern. Du kennst das doch schon! Also stell dich nicht so an, hast du damals auch nicht!“ Eisig und abweisend sah ich sie an. Jack hatte Recht und ich war so wütend. Der Verrat von ihr hatte mich in meinem Inneren so erschüttert, dass es mir nicht leid tat, was geschehen war.

Wir gingen etwas und nach einigen Metern ließ ich mich fast schon erschöpft auf eine Bank nieder. Ich vergrub mein Gesicht kurz in meinen Händen, bevor ich mir durch die Haare strich. Jack ließ sich neben mir nieder und legte nach einigen stillschweigenden Augenblicken eine Hand auf meine Schulte. Ich sah ihn nicht an, sondern blickte auf meine schwarzen Schuhe. Wir hatten uns beide vergessen. Man konnte sicher sagen, dass so ein Verhalten von Jack mehr wie untypisch war, doch war es das wirklich? Er war auch nur ein Mensch. Ein Mann mit allen Gefühlen. Wie würde ich mich Verhalten, wenn ihm jemand so in den Rücken fiel? Um sich nur wenige Momente später zu entschuldigen? Ich wäre auch außer mir gewesen. Dies hier war persönlich, auch für Jack und bei persönlichen Problemen kochten die Gefühle schnell über.

„Ich hab ein schlechtes Gefühl“, begann ich nach einem Moment und ließ mir die Situation gerade immer wieder durch den Kopf gehen… Jack schwieg, schien wie ich in Gedanken.

„Komisch, dass du so die Kontrolle verlierst… das kenne ich gar nicht von dir“, murmelte ich leise und sah hinauf in Jacks Gesicht. Ich sah nur die Seite mit der Augenklappe und es verfälschte den Ausdruck. Genau entschlüsseln, was in ihm vorging, dass konnte ich so nicht. „Da geht es auch nie… um dich“, nuschelte er leise und ich war erstaunt, dass er nach meiner Hand griff. „Es tut mir leid, dass ich nicht mehr tun konnte“, sagte er ehrlich und leise. Er blickte mir nicht ins Gesicht. Es war, als schäme er sich fast. „Du kannst da nichts zu“, murmelte ich und spürte, wie schwer es mir fiel. Ich akzeptierte, dass es so besser war. Für uns war es besser, dass Jack schwieg. Jacks Hände begannen zu zittern und es wirkte so, als verstärkte er den Druck um meine Hand. Hielt sich fast schon an mir fest.

„Jack, was genau hast du damals mit meinem Vater getan, dass der heute noch Angst vor dir hat“, fragte ich ihn und blickte fragend zu ihm. Als er nachdachte, schien das Zittern seiner Hände nachzulassen.

Ich bemerkte, wie er mit sich am Hadern war, doch als ich ihn erneut energisch aufforderte, begann er leise zu berichten: „Nachdem du im Krankenhaus warst, hab ich ihn in einer Kneipe ausfindig machen können… Es kann sein, dass ich ihm das Handgelenk gebrochen habe… und ihn auch verprügelt habe… Ich hab ihn… festgehalten und darauf gewartet, bis du wach wirst. Ich wollte erst genau erfahren, was geschehen war. Als du nicht Antworten konntest, habe ich erstmal ihn…“befragt“…“ Fragend sah ich ihn an und schluckte. Verteidigend sagte Jack sofort: „Befragung ist keine Folter! Also brauchst du dir keine Sorgen zu machen! Ich habe deinen Vater mit Adam allein gelassen, nachdem du sagtest, du könntest nicht mit mir zusammen sein, wenn ich deinen Vater foltere…“ Stirnrunzelnd sah ich ihn an und fragte: „Und dann, was habt ihr getan? Water Bording…?“ Unwirsch winkte Jack ab und sah mir ernst in die Augen. Er lenkte ab. „Keine Ahnung… Ich sagte deinem Vater, bevor ich ihn mit Adam allein ließ, dass der einzige Grund, warum er noch am Leben sei der ist, dass du mich darum gebeten hast. Und dass, sollte er je wieder Kontakt zu dir suchen, ob negativ oder positiv, ich dort ansetze, wo es ihm weh tut. Was genau Adam getan hat, weiß ich nicht. Ich war es nicht, also brauchst du dir keine Sorgen zu machen…“ Ich grinste schräg. „Ist nicht derjenige, der einen Krieg anzettelt genauso Schuld daran wie diejenigen, die die Befehle ausführen?“

„Nein, oder hast du schon oft davon gehört, dass die Schlipsträger groß zur Verantwortung gezogen werden?“ Unschlüssig schüttelte ich den Kopf, doch ich wollte nicht auf ein anderes Thema zu sprechen kommen. „Was ist denn dann für dich Befragung, wenn nicht Folter“, fragte ich stirnrunzelnd und ernst. Er antwortete nicht. Sah weg und ich konnte sein Gesicht nicht lesen. Schwer seufzend entschied ich mich zu fragen: „Wenn mich jemand so…befragen würde, wie du Dad befragt hast, was würdest du mit der Person machen?“

Verwirrt blinzelnd sah er mich an. Es dauerte, bis er sich zu einer Antwort herabließ: „Vermutlich würde ich mit ihm dann das Selbe machen…“

„Du wirst es nie wirklich sagen, oder“, begann ich traurig grinsend, „was du damals mit ihm gemacht hast?“ Ernst blickend drehte sich Jack zu mir um. „Jasper, möchtest du die Antwort wirklich haben? Willst du das wirklich wissen? Warum?“

Sprachlos sah ich ihn kurz an. Ja, warum wollte ich es eigentlich wissen? War Unwissenheit nicht manchmal ganz gut? Was hatte ich davon, wenn ich es erfahre? Ich würde Jack vermutlich mit anderen Augen sehen. Wollte ich das? Nein, das wollte ich nicht. Würde mir das Wissen meinen Vater wieder geben? Auch das würde es nicht können. Also warum so nachbohren, wenn man wusste, dass man es besser nicht wissen sollte? Unwirsch zuckte ich mit den Schultern und schwieg einige Momente.

Jack sagte nicht weiter und ich hörte auf nachzufragen. Wir besorgten uns einen Kaffee und aßen jeder eine Kleinigkeit, obwohl ich eigentlich keinen Hunger hatte. So kam es, dass wir nach einiger Zeit wieder auf derselben Bank saßen. „Ich frage mich, wie sie sich einig werden“, nuschelte ich und sah auf mein Handy.

„Ach“, winkte Jack ab und er zog mich zu sich, „wenn dir das Urteil nicht passt, kannst du immer noch in Revision gehen…“ Ja, kurz kam mir der Gedanke, doch ich schüttelte gleich den Kopf. „Nein, ich will endlich einen Abschluss…“, murmelte ich und kniff kurz die Augen zusammen. Ein Abschluss, ja, das war dass, was ich wollte. Damit ich endlich Ruhe hatte. Wenn meine Familie mich nur noch als Verräter sah, war es traurig. Allerdings ließ es sich auch nicht ändern... Wenn meine Mutter meinte, ich würde mich von Jack beeinflussen lassen, naja. Was sollte ich dazu sagen? Sie hatte es bei mir auch versucht und geschafft. Es war ihre Meinung und diese konnte ich auch nicht ändern.

Wir schwiegen, hingen Beide unseren Gedanken nach und ich war froh darüber. Freundlich und mitfühlend strich mir Jack über den Rücken. Ob ihn meine Einstellung passte, wusste ich nicht. Währe Jack nicht wieder gekommen, dann hätte ich diesen Tag heute vollkommen alleine bewältigen müssen. Etwas, was ich nun, da ich wusste wie es gelaufen war, vermutlich nicht einfach geschafft hätte.

„Was ist“, begann Jack nach einem Moment, „wenn er nicht seine gerechte Strafe erhält. Ich weiß, dass du nicht in Revision gehen willst…. Aber willst du, dass ich…“

Ich schüttelte den Kopf. Drehte ihn zu ihm und sah ihn ernst an. „Nein Jack, keine Folter, keine… komischen Sachen mehr. Ich will den Abschluss und das war es. Kannst du damit leben?“ Er sah weg, blickte fast schon mürrisch drein, doch dann nickte er. „Wenn du es kannst, dann ja“, meinte er leise und dankbar nickte ich ihm leicht zu.

Wieder schwiegen wir und das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. „Der Anwalt“, meinte ich leise und als ich ranging teilte er mir gleich mit, dass die Jury zu einem Urteil gekommen sei. Wir machten uns gleich auf den Weg und waren noch vor meiner Familie da. Wir schwiegen, keiner sagte etwas zu dem Anderen. Erneut nahm jeder seinen Platz ein und alle sahen gespannt zur Jury.

Vater, als auch ich waren angespannt. Wir erhoben uns und ich schluckte, als eine Frau mit strenger Frisur nach vorne trat. Sie hatte eine sehr kräftige, ich hatte fast schon tiefe Stimme gesagt: „Wir, die Jury, sprechen den Angeklagten John Hale Senior, von dem Tatvorwurf der schweren Körperverletzung ersten Grades frei.“ Erleichterung war in den Augen meiner Familie zu sehen, nur bei meiner Mutter nicht. War sie traurig? Sie schien meinen Blick zu suchen, doch ich wich ihm aus! Jetzt brauchte ich die Reue auch nicht mehr! Als ich mich wütend wegdrehen wollte war ich erstaunt, als ich erneut die Stimme der Frau vernahm und sämtliche Augen richteten sich wieder auf sie. „Wir befindet jedoch, dass der Angeklagte schuldig ist eine schwere Körperverletzung zweiten Grades begangen zu haben. Da der Treppensturz nicht beabsichtig schien. Es war für uns, als Jury, nach der Beweisaufnahme nicht ersichtlich, ob Mr. Jasper Hale sich eindeutig alle Verletzungen durch seinen Vater zugezogen hat. In diesem Sinne sprechen wir John Hale schuldig, eine Körperverletzung zweiten Grades begangen zu haben. Wir empfehlen den Angeklagten zu zwei Jahren auf Bewährung zu verurteilt.“ Das erleichterte Grinsen in den Augen meines Vaters verschwand und fassungslos sah er die Jury an.

Der Richter nickte und ließ sich von einem Gerichtsdiener den Zettel übergeben, auf dem die Entscheidung der Jury stand. Nachdem er diesen kontrolliert hatte, machte er sich ein paar Notizen und verkündete anschließend das Urteil.

„Das Gericht schließt sich der Empfehlung der Jury an. Mr. John Hale Senior wird wegen schwerer Körperverletzung zweiten Grades zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahren. Des Weiteren soll der Angeklagte ein Anti-Aggressionstraining absolvieren. Zudem wird er verpflichtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 30 000 $ an seinen Sohn Jasper Hale zu zahlen. Des Weiteren, werden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt.“
 

Mein Vater war vorbestraft, durfte nun nie wieder als Polizist arbeiten und nun auch noch das Schmerzensgeld... Ja, sowas konnte auch weh tun. Doch zufrieden war ich nicht. Gemeinsam mit meinem Anwalt verließ ich den Gerichtssaal. Was genau er alles sagte, verstand ich nicht. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.

Doch verstand ich, dass Mr. Shepard zufrieden war, wie das Blatt sich gewendet hatte. Es hätte anders ausfallen können, doch für mich war es eine Niederlage. Irgendwie war dieses Urteil nichts Halbes und nichts Ganzes.

Der dickliche Anwalt meines Vaters ließ ihn stehen und tatsächlich begegneten sich kurz unsere Blicke. Ich fragte mich, wie er das konnte. Wie konnte er mich so ansehen, wenn er genau wusste was geschehen war! Wenn er wusste, dass ich der einzige Grund war, warum er noch lebte! Es war ein seltsamer Blick, mit dem er mich betrachtete. Ja, ich hatte Angst vor ihm, doch ich wollte und musste mich ihr heute stellen! Sonst würde ich nie wieder die Gelegenheit bekommen dafür. Es war mir gerade gleich, dass meine Brüder hinter ihm standen.

Jack hielt mich nicht auf, doch ich spürte seinen wachsamen Blick im Nacken. Es wirkte fast, als sei mein Vater erstaunt von meiner Courage, woher ich diese nahm war mir selbst schleierhaft. Jetzt, wo ich ihm gegenüberstand sah ich, dass die Jahre ihn auch verändert hatten. Sein Gesicht schien eingefallen, die Falten zeichneten sein Gesicht und es war etwas mehr Grau in den Haaren als vorher. Vielleicht war ich auch etwas größer wie er. Verwirrt sah er mich an, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Ich straffte die Schultern, ehe ich begann zu sprechen: „Dad, vermutlich werden wir uns hier, das letzte Mal sehen… Willst du mir vielleicht noch irgendetwas sagen?“ Worauf ich hoffte, dass wusste ich selber nicht. Ein Blick glitt an mir herab, sah meine breite Statur, meinen Bart, den trainierte Körper. Ja, aus mir war eigentlich der junge Mann geworden, den er immer haben wollte. Nur ein kleines Detail passte dort nicht hinein und dieses stand grimmig schauend hinter mir. Er sah mir ins Gesicht und ich bemerkte, wie er leicht schluckte. Hatte er erwartet, dass ich mich gänzlich ändern würde? Dass ich mich schminken, oder sonst irgendeinen Scheiß machen würde?

Ich wusste, dass ich ihn nach diesem Tag vermutlich nie wieder sehen würde. Er sah über meine Schulter und ich wusste, dass er Jack kurz betrachtete. Dachte er daran, dass ich der Grund war, weswegen er noch am Leben war? Wieder sah er mir in die Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Ich hab dir nichts mehr zu sagen“, meinte er distanziert und ging an mir wortlos vorbei. Gemeinsam mit Jason und John verließ er das Gericht. War ich sprachlos? Ja, so konnte man es nennen. Auf was ich gehofft hatte, wusste ich selber nicht. Ohne ein Wort zu meiner Mutter zu sagen drehte ich mich weg. Unergründlich war der Blick, den Jack mir entgegenwarf. Ich wollte nicht sprechen und war froh darüber, dass Jack mich schweigen ließ. Es war das, was ich gerade brauchte.
 

Ich konnte in dieser Nacht wieder nicht schlafen. Das Gefühl ungerecht behandelt worden zu sein raubte mir den letzten nervt. Es hatte auch nichts geholfen, dass Jack sich an mich herangekuschelt hatte. Fahrig stand ich auf und lehnte meinen Kopf an die Scheibe des Fensters. Ich schloss die Augen und spürte die angenehme Kälte der Scheibe auf meiner Stirn. Ich hielt die Augen weiter geschlossen und lauschte den Geräuschen des Zimmers. Doch eigentlich vernahm ich nur das gleichmäßige Atmen von Jack. Sonst war alles still.

Mein Atem beschlug die Scheibe und als ich hinunterblickte, war die Stadt im gelben Schein der Laternen gehüllt. Ich musste hier weg! Ich musste raus aus Texas. Ich wollte so viele Meilen wie möglich zwischen mich und diese Stadt bringen. Es war vorbei, doch ich wusste, dass keiner mit diesem Urteil zufrieden sein würde. Vater war sauer, da er nun vorbestraft war und ich war enttäuscht über die Milde des Urteils. Doch war es wirklich das? Ich konnte Jennys Stimme schon in meinen Gedanken hören. „Dass es alles so ungerecht gewesen sei. Dad gehöre in den Knast. Das ich in Revision gehen solle. Gemeinsam würden wir das schaffen, Jazz“… Gemeinsam…

Ja, ich war nicht alleine! Das wusste ich sehr genau, doch vergaßen die Leute trotzdem, dass ich den Kampf alleine führte. Ich stand an der Front, dort konnten sie nicht stehen, weder Jenny, noch Emily, Eric und auch nicht Jack. Es ging einfach nicht. Vorne in der ersten Reihe war ich alleine zum Kämpfen. Ich war enttäuscht von dem Urteil und doch wiederrum erleichtert, denn es war ein Abschluss. Eine komische Ambivalenz. Nicht der Abschluss, den sich die Anderen erhofft hatten, doch es war einer. Ich wusste auch nicht, worüber ich mehr enttäuscht war. Darüber, wie die Verhandlung gelaufen war, oder wie sie ausging? Der Hass in den Augen meiner „Familie“, wenn man sie denn noch so nennen wollte, war fast schon erschreckend. Wie engstirnig diese Personen doch waren. Wieso urteilten sie eigentlich über meine Art zu leben? Wieso gab es Menschen, die vor Homosexuellen Angst hatten? Nur, weil ich Männer attraktiv fand, lief ich nicht durch die Gegend und überfiel sie. Das machte doch auch kein heterosexueller Mann einfach so bei Frauen… Oder weil ich auf Männer stand, würde ich Kindern etwas antun! Diese Behauptung meines Bruder war hirnlos! Wieso urteilten andere so? Wieso kamen andere darauf, dass ich mich gleich an jeden Typen schmeiße, nur weil ich auf Männer stehe? Das machten Heteros ja auch nicht. Wenn doch beide in der Beziehung, oder auch Liebschaft, zufrieden waren und niemandem Leid zufügten, konnte es denen doch allen egal sein, mit wem man sein Leben verbrachte, oder nicht?! Ich war unschlüssig über meine Gedanken! Früher, als ich jünger war, hatte ich solche ethischen Fragen zumeist mit Jack besprochen.
 

Ich ließ die Schultern hängen und ich konnte wahrlich für mich sagen, dass ich des Kämpfens für meine Gerechtigkeit einfach nur müde war. Dann war Dad eben mit einem blauen Auge davon gekommen. Dann war er eben nur wegen schwerer Körperverletzung zweiten Grades verurteilt worden, aber ich konnte endlich dieses Kapitel in meinem Leben schließen. Vielleicht war dies auch viel wichtiger, als meinen Vater im Gefängnis zu wissen. Würde sich mein Leben ändern, wenn er im Gefängnis saß? Nein, würde es nicht. Es würde weiterlaufen wie bisher…

Ich wollte einfach nicht mehr weglaufen. Ich lief seit ich achtzehn war weg. Seit ich achtzehn war trug ich Masken, versteckte meine Gefühle. Mein Blick huschte zum Bett und ich sah Jack dort liegen. Die breite kräftige Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte. Er lief noch länger weg wie ich, konnte noch besser sein Ich verbergen.

Ich war in den letzten Tagen von einem Höhenflug in den nächsten gedrängt worden, war da doch die große Sorge gewesen wegen der Verhandlung, dann die unsagbare Freude, dass Jack wieder da war. Dieser Rausch, den ich immer wieder mit einem Drogenrausch gleichsetzte und nun diese harte Landung hier in Texas, die mir deutlich zeigte, dass die Welt hart und grausam sein kann. Diese harte Landung hatte mir, wenn man es denn so nennen wollte, die rosarote Brille von der Nase geschlagen! Ja, Jack war da. Er hatte mir erklärt, warum er damals gegangen war. Ja, es waren nachvollziehbare Gründe. Ja, ich konnte ihn verstehen, jedenfalls konnte es mein Kopf. Kopf und Herz wollten einfach nicht immer im Einklang sein. So sehr ich diesen Mann auch liebte, fühlte ich doch trotzdem, dass wir uns verändert hatten. Tatsächlich würde ich Jack ohne zu Zögern sofort mein Leben anvertrauen! Doch irgendwie hatte er mich so sehr verletzt, dass ich es nicht schaffte ihm anzuvertrauen, wie verletzt ich letztlich war. Immer noch hatte ich Angst, dass er am nächsten Morgen wieder weg war.

Was waren Jack und ich letztlich eigentlich? Wir hatten wieder eine sehr körperliche Beziehung. Auch hatte ich das Gefühl, dass ihn die Trennung weit weniger erschüttert hatte als mich. War ihm eigentlich bewusst, wie verletzt ich war? Ehrlich sagte meine innere Stimme, nein. Nie kam ich dazu ihm zu sagen, wie das Koma letztlich für mich gewesen war. Was ich alles gesehen hatte. Er hatte keine Ahnung von meinen Gedanken, in denen ich mich immer selbst ermahnte, mich selbst sogar häufiger in Frage stellte. Er sah das, was ich nach außen hin trug. Einen jungen Studenten, mit frechen Sprüchen, der viel Sport trieb, der wegen der Gerichtsverhandlung und der Trennung ein wenig daran zu knabbern hatte, mehr zeigte ich ihm auch gar nicht!

Wollte ich, dass es so wie damals wird, musste ich mit ihm sprechen, ihm endlich reinen Wein einschenken. Mir war klar, dass meine Worte Jack verletzten würden, doch ich wollte und musste endlich dieses Gespräch führen, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht wusste, dass es nötig war.

Ich ging unsicher einige Schritte durch das Zimmer, als ich vom Bett her Geräusche hörte. Ich sah, wie Jacks Hand über meine leere Bettseite tastete und fast schon im nächsten Augenblick setzte er sich verschlafen auf. Er schien mich zu suchen. „Ich kann nur nicht schlafen“, sagte ich leise und war mit zwei großen Schritten wieder an meiner Bettseite. Sein Auge suchte mich und es schien, als entspannte er sich, als er mich sah. Ich ließ mich auf dem Bett nieder und sah, wie Jack mich mit gerunzelter Stirn betrachtete. Erneut sah ich, wie seine Hände stark begannen zu zittern, doch schon kurz darauf verschwand es. Skeptisch kratze er sich an der Stirn und fragte vorsichtig: „Warum nicht?“

Zögerlich knipste ich die Nachttischlampe an und der Raum erleuchtete im schwachen Licht. Eben jenes Licht ließ Jacks Gesichtszüge erstaunlich sanft erscheinen. Ich betrachtete das Gesicht, seine schmalen Lippen, den Bart. Zögerlich hob ich die Hand und streichelte sanft über seine Wange. Verwirrt sah Jack mich an und auf seiner Stirn bildeten sich nachdenkliche Falten.

„Jack, wir müssen reden“, meinte ich leise und fast schon ängstlich wurde Jacks Blick, konnte ich es ihm doch nicht verübeln. Wachsam wurde er und seine ganze Körperhaltung änderte sich. Angespannt sah er aus, die Müdigkeit war von jetzt auf gleich gewichen.

„Worüber?“, fragte Jack mit zögerlicher Stimme.

„Über… na ja, über mich und auch über uns“, antwortete ich leise und betrachtete kurz meine Hände. Jack schwieg, ich kannte es zur Genüge, er überließ mir die Führung des Gespräches.

Ich räusperte mich kurz und blickte ihm ins Gesicht, ehe ich begann zu sprechen. „Jack… ich…ich bin ziemlich kaputt“, begann ich und ich merkte, dass Jack sich etwas zu entspannen schien, ehe er begann mich aufmerksam zu beobachten. Wieder sprach er nicht, nickte leicht und betrachtete mich mit einem unergründlichen Blick.

„Glaubst du, du schaffst es alleine, dass du wieder ganz wirst“, fragte Jack mich ruhig und bedacht. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie fest, aber liebevoll. Ich streichelte mit meinem Daumen über seinen Handrücken und betrachtete diesen, als könne er mir die Antwort preisgeben. Ehrlich wäre ‚nein‘ gewesen, doch ich zuckte nur unschlüssig mit den Schultern.

„Außerdem“, begann ich zögernd, „na ja… es fällt mir schwer… dir zu vertrauen.“ Ich wusste, dass der verletzte und auch unverständliche Gesichtsausdruck kam und war nicht überrascht. Doch es tat weh ihn so zu sehen. Eigentlich war es nicht meine Absicht gewesen ihn zu verletzten, aber es war schließlich auch die Wahrheit. Und wenn ich eins wusste, dann das die Wahrheit sehr wehtun konnte!

„Du weißt nicht“, sagte er sehr zögerlich, „ob du mir noch vertrauen kannst?“ Ich nickte leicht und ich sah, wie Jack mit verletztem Gesichtsausdruck weg sah, meinem Blick auswich und ich erkannte den Stich, den ich ihm gerade verpasste genau. „Bitte Jack“, begann ich zögernd, „lass es mich erklären…“ Ich wartete, bis er mich ansah. Erneut legte ich meine Hand auf seine Wange, streichelte über den kratzigen Bart und ein trauriges Lächeln erschien auf meinen Lippen.

Ich atmete durch, denn es war einfach nicht leicht Ängste zu verraten! Leise, aber mir klarer und ehrlicher Stimme versuchte ich ihm zu erklären: „Jack, ich würde dir blindlings mein Leben anvertrauen! Wenn du sagst renn, dann würde ich rennen, aber als du damals gegangen bist… Du hast keine Ahnung, wie kaputt ich damals war. Ich kam einfach nie dazu… darüber mit dir zu sprechen…“

Er nickte nur und lauschte mir aufmerksam. Es gab mir den Mut einfach weiterzureden. „Ich hab immer noch Angst wach zu werden und du bist nicht da“, sagte ich leise, aber sehr ehrlich, während ich die Narbe auf Jacks Handrücken betrachtete. Ich spürte seine Hand unter meinem Kinn und sanft zwang er mich ihn anzusehen. Wenn man bedachte, wie sanft und liebevoll er jetzt war und wie aggressiv vor wenigen Stunden bei meiner Familie, war es erstaunlich, dass es ein und dieselbe Person war. „Jasper, es tut mir wirklich leid. Was kann ich machen, dass du diese Angst nicht mehr hast?“ Die Reue in seiner Stimme verwunderte mich und ließ mich traurig lächeln. Auch meine Stimme war sehr sanft, als ich antwortete: „Na ja- ich glaub dafür muss du nur oft genug… neben mir wach werde. Ich will auch nicht, dass du eine Antwort darauf hast. Ich will nur, dass du weißt wie… na ja, dass du weißt wie ich mich fühle…“ Jack nickte, schien über meine Worte nachzudenken. Aber nein, einfach so einen Schalter umlegen und diese Angst war weg, dass gab es nicht.

Es war erstaunlich wie schlimm und gleichzeitig gut es sich anfühlte endlich so ehrlich zu Jack zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass Gift aus einer Wunde gezogen wurde.

„Damals im Koma“, murmelte ich weiter, „hatte ich immer wieder das Gefühl, dass ich verfolgt werde. Dass ein Monster hinter mir her sei…“ Unergründlich war Jacks Blick, mit dem er mich musterte und mit erstaunlich vorsichtiger Stimme fragte er: „Dein… Vater?“ Ich wog leicht meinen Kopf und sprach weiter: „Nein, nicht… nicht direkt. Ich nenne es immer ein Monster… vielleicht eine Abwandlung meines Vaters… Dieses… dieses Monster hat mich, während ich im Koma lag, die ganze Zeit verfolgt, auf mich gewartet- außer du… du warst da. Immer und immer wieder sagte es die letzten Worte, die mein Vater mir sagte… Ich sei eine Schwuchtel und… und kein richtiger Mann deswegen…“

Mir versagte die Stimme und ich schaffte es nicht sofort weiter zu sprechen. Zu schlimm war es gerade für mich. Fragend und auch vorsichtig sah Jack mich an. „Und du kannst mir weswegen nicht vertrauen“, fragte er und es war seine warme, raue Hand, die über meine Wange streichelte. Meine braunen Augen bohrten sich in sein blaues. „Weil du gegangen bist, als ich dich gebraucht habe. Ich weiß, du konntest nicht wissen, wie kaputt ich war, wie sehr ich unter dem, was passiert war, gelitten habe. Ich… ich habe einfach das Gefühl, dass ich für Beziehungen viel zu kaputt bin. Ich weiß, deine Absichten zu gehen waren gut, ich weiß, dass du mich schützen wolltest. Auch, dass es vermutlich richtig war. Aber Kopf und Herz laufen halt nicht- na ja Hand in Hand zusammen, oder so.“ Ich glaubte, dass Jack langsam verstand. Ja Konformität zwischen den beiden Parteien war leider nicht immer gegeben.

„Du wirst wieder Jazz. Ich bleibe bei dir, außer-…“, doch ich unterbrach Jack. Hatte ich ihn so sehr verletzt, dass er wieder gehen wollte?! „Willst du wieder gehen“, fiel ich ihm ins Wort. Er schüttelte leicht den Kopf und betrachtete mich kurz. Ich war mir nicht sicher, aber vielleicht begann er zu verstehen, wenn ich sagte, dass ich kaputt sei.

Liebevoll, aber bestimmt zog er mich in seine Arme. „Nein“, hauchte er mir seiner so tiefen und rauchigen Stimme, „das will ich nicht. Ich will dich wieder haben. Ich liebe dich, Jasper. Das habe ich immer.“ Ich lehnte meinem Kopf an seinen Hals und spürte eine Wärme in meinem Inneren und zögernd legte ich die Arme um seinen so kräftigen Torso.

„Ich dich doch auch und trotzdem habe ich immer so Angst…so zu wirken wie mein Vater es mir vorgeworfen hat“, nuschelte ich leise und roch seinem herben männlichen Geruch. Ich hatte das Gefühl, das Jack mich nicht verstand und als er mich bat, ihm zu erklären was ich meinte, wusste ich, dass ich Recht hatte.

„Ich habe Angst… na ja unmännlich rüber zu kommen…“, es war so schwer so verdammt ehrlich zu sein und es schmerzte. Jack schwieg, ich vermutete, dass ihm mein Jammern auf die Nerven ging und als er mich von sich wegschob blickte ich ihn überrascht und verletzt an. Er drückte mich weg vom Bett und ich stand zögerlich auf. Auch er erhob sich. Zum Spiegel drängend blieb er stehen und drehte mich zu dem mannshohen Spiegel herum. Ich wurde von Jack gedreht und sah mich und ihn im Spiegel.

„Wo bist du unmännlich“, fragte Jack und stellte sich neben mich. Beide trugen wir nichts als eine Boxershorts und ich betrachtete uns. Ich wusste, er hatte Recht. Ich sah zwei durchtrainierte Männer und ich zuckte mit den Schultern. „Ich… ich weiß, dass es albern ist“, meinte ich und wollte mich wegdrehen doch eisern hielt mich Jack fest. „Ich sehe einen kräftigen, sportlichen jungen Mann“, sagte Jack, doch ich fiel ihm gleich ins Wort. „Du hast mehr Muskeln und…“

„Du bist größer als ich und du hast mehr Körperbehaarung.“

„Du bist Soldat, das ist schon…“

„Mir wäre neu, dass Architekten mit dem Problem konfrontiert werden unmännlich zu wirken. Jasper, werde jetzt nicht albern. Du bist genauso männlich wie ich. Und ja, es gibt sicher Schwule die in Klischees leben. Wo einer immer „der Kleine“ ist und der andere immer der große starke Macker… Wir sind eben nicht so. Ich will keinen Mann, der sich mir ständig unterordnet. Wenn ich mit einem Kerl zusammen sein will, dann soll es auch ein Kerl sein. Ja, ich bin trainierter und kann kämpfen… na und? Das kommt doch nur von meinem Job.“

Als ich erneut den Mund aufmachte war ich verblüfft, dass Jack mich erneut unterbrach. „Jasper, wirklich… Hab nie Angst davor. Sehe dich nicht selbst so. Keiner deiner Freunde ist Soldat. Keiner deiner Freunde ist so trainiert wie ich und hast du bei denen das Gefühl, sie seien deswegen weniger männlich?“ Ich dachte kurz nach, dachte an Ethan und Eric und schüttelte leicht den Kopf. Nein, das hatte ich tatsächlich nicht. „Dann bist du genau so wenig unmännlich wie sie oder ich.“

Erneut verließ ein Seufzer meine Lippen und ich sagte: „Ich steh darauf, dass kleine Löffelchen zu sein…“ Ein Schmunzeln glitt über dieses strenge Gesicht. Jack lehnte seinen Kopf an meinen und erwiderte: „Und ich stehe total darauf, nach dem Sex mit dir zu kuscheln…“ Er drückte seine Lippen auf die Meinen und sagte leise, nachdem wir uns voneinander trennten: „Jazz, wirklich, du wirkst nicht unmännlich… dein Vater hat damit kein bisschen Recht… Deine Brüder haben damit nicht Recht.“

Ich nickte leicht und tatsächlich nahm ich ihn in den Arm. Leise murmelte ich: „Danke, Jack…"

Ich grinste leicht schräg und war erleichtert, wie das Gespräch gelaufen war. Ich konnte mir einen leichten Seitenhieb auf meine eigene Person nicht nehmen, als ich sagte: „Aber dieses Jammern von mir wirkt trotzdem ein wenig- na ja, oder?“ Ich grinste leicht und als Jack mein Grinsen sah, schien er sich zu entspannen. Mit leichtem Schalk in der Stimme nickte er spieleirisch und ich wusste, dass er es nicht ernst meinte.

Wir schwiegen kurz und Jack betrachtete mich taxierend, als versuchte er alles, was ich gesagt hatte, wie ich mich dabei gegeben hatte, zu reflektieren. Vermutlich versuchte er mich genau

zu analysieren. Ich war mir nicht sicher, ob es ihm gelang. Nach einem kurzen Moment fragte er mich: „Glaubst du, du kannst jetzt schlafen?“ Ich überlegte, ehe ich wirklich antwortete. Ich wusste es nicht, wäre vermutlich das ehrlichste gewesen. Immer noch rasten meine Gedanken und ich wollte so schnell wie möglich weg. Schwer ausatmend erklärte ich: „Ich weiß es nicht. Die Gedanken und alles halten mich wach. Eigentlich will ich hier auch so schnell wie möglich weg und mich ablenken…“ Ich war erstaunt, dass es nun an Jack war zu schweigen. Schwer seufzend fragte er mich, ob ich weg wollen möchte und unschlüssig nickte ich.

Ich war verblüfft, als er nach seinem Handy griff und als wer abnahm wusste ich auch, wen er anrief. „Hey Rica“, raunte er tief und grollend in den Hörer, „mach das Flugzeug startklar… Basis.“ Damit legte er auf, stand aus dem Bett auf und begann sich einfach anzuziehen. Perplex sah ich ihm nach bis ich verstand, was es bedeutet! Er nahm mich mit zu sich! Dorthin wo er wohnt, wo er arbeitet! Jack drehte sich zu mir und meinte: „Pack die Sachen. Ich wette ein Freund von mir kann es kaum erwarten dich zu sehen.“



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Von:  Pitchermaus
2017-03-29T12:57:29+00:00 29.03.2017 14:57
Oh ha, ich weiß gar nicht was ich sagen soll, hier ist ja super viel passiert. Was für ein Gefühlschaos.
Also Jazz unbehagen, als er auf das Urteil warten muss kann ich verstehen. Gerade nachdem, was seine Mutter da abgezogen hat. Dass sie dann auch noch so dreist ist und mit Jazz reden möchte... wahrscheinlich hätte sie auch noch versucht ihm zu erklären, dass er für sie Verständnis haben müsse. Also dir Frau... da feheln mir die Worte. Ich kann Jack da echt gut verstehen, dass er so ausgerastet ist. Die gute Frau sollte froh sein, dass er sich doch irgendwie noch im Griff hatte, die Faust im Gesicht hätte sicher längerfristige Spuren hinterlassen. Aber das war Jack dann auch mal von einer ganz anderen Seite. Und so wie er da seine Haltung verloren hat glaube ich auch, dass er ohne zu zögern für Jazz töten würde. Und es ist schon irgendwie süß (gerade wenn man Jacks sonstiges Verhalten und Auftreten vor Augen hat), wie er Jazz gesteht, dass es wegen ihm ist. Da würde ich fast meinen, dass er nicht mal so reagieren würde, wenn es um ihn geht. Die Behauptung der Mutter, dass Jack Jazz beeinflusst hätte ist sicherlich irgendwie richtig. Jazz war zu dem Zeitpunkt ihres Kennenlernen noch sehr jung und unerfahren, vor allem im Vergleich zu Jack. Aber die Beeinflussung war definitiv positiv. Ich kann mir gut vorstellen, dass Jazz ohne Jack, sich nicht so ohneweiteres eingestehen hätte können schwul zu sein und weiter versucht hätte eine Freundin zu finden. Was für seine Psyche wiederum nicht gut gewesen wäre. Und bei seinen Eltern oder Geschwistern (Jenny lassen wir jetzt mal außen vor) hätte er auch keine Hilfe bekommen. Im Endeffekt hat Jack nur geholfen, dass Jazz zu sich selbst steht und ihm die Möglichkeit gegeben mit Jemanden darüber zu sprechen und Halt zu bekommen.
Dass Jazz Jack aber dann doch mal auf die Tage anspricht, die Jack Jazz Vater in Gewahrsam hatte, kann ich nachvollziehen. Und ich glaube auch, dass es für Jazz wichtig war, auch wenn er nicht wirklich eine konkrete Antwort erhält. Bei Jacks Ausflüchten, dass er nicht wirklich Hand angelegt hat, musste ich kurzt schmunzeln, weil passiert ist das ganze ja schon auf seine Veranlassung hin.
Das Urteil war dann nicht das, was Jazz erwartet hat. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch gehofft, dass die Jury etwas kompetenter ist. Aber es ist so wohl etwas realistischer, als wenn Jazz Vater wegen Körperfeletzung verurteilt worden wäre. Dafür hätte die Mutter mehr Courage haben müssen und Jacks Aussage wäre wohl auch sehr hilfreich gewesen. Tja leider kann auch Jack nicht alles. Was ihn wohl auch sehr zu ärgern scheint. Das Gefühl der Niederlage nach der Urteilsverkündung kann ich verstehen und ist wohl auch normal. Jazz Vater ist zwar bestraft worden, aber der ganze Vorfall ist doch irgendwie verhamlost worden mit diesem Rechtsspruch. Dennoch sollte Jazz auch bedenken, dass sein Vater in gewisser weise durch Jack eine Strafe bekommen hat. Jack nennt das zwar keine Folter und hat sich aktiv nicht all zu sehr beteiligt, aber wer weiß was Adam gemacht hat... Es scheint jedenfalls nachhaltig genug gewesen zu sein, dass Jazz Vater Angst vor Jack hat.
Tja und nun das Gespräch mitten in der Nacht im Hotelzimmer. Also da hatte ich dann doch mal kurz die Panik, dass Jazz da jetzt nen Schlussstich zieht und dann war es das mit Happy End, Jack und Jazz lebeten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage. Also, wenn ich an das Ende des ersten Teils denke (was mir nicht gefallen hat, aber okay, es gibt ja hier noch den zweiten Teil, der alles retten kann) setze ich hier ganz stark meine Hoffnung, dass es ein schönes Ende gibt mit Jack und Jazz zusammen. Ja, aber Jazz hat sich ja zum Glück wieder gefangen und sich dazu entschieden Jack in sein Inneres sehen zu lassen. Allerdings war es schon irgendwie merkwürdig zu lesen, ich hatte das Gefühl die Rollen sind vertauscht. Als die Beiden zusammen in Arlington waren, da hatte Jack ja so eine Art Seelenstripteas und jetzt Jazz. Irgendwie kann ich Jazz Ängste und Zweifel auch nachvollziehen. Sicherlich hat er auch recht, dass die Angst, Jack ist am nächsten Tag nicht mehr da, immer kleiner wird mit der Zeit und je öfters die Beiden nebeneinander aufwachen. Aber gerade die Reaktion von Jack vor dem Geichtssaal gegenüber der Mutter, sollte Jazz zeigen, was er Jack bedeutet. Immerhin war das sehr weit weg von dem normalen Verhalten von Jack. Allein schon, dass Jack bereit gewesen wäre vor Gericht auszusagen, wenn Jazz das gewollt hätte zeigt ja, wie viel er Jack bedeutet. Und das Leben an Jacks Seite war schon in Texas nicht ganz leicht und einfach. Also da sollte Jazz dringend seine Zweifel zurückschrauben. Ich glaube, er kann Jack voll und ganz vertrauen. Das zeigt dann ja schon wieder, wie er mit Jazz vor dem Spiegel steht. Das war schon irgendwie süß.
Ich hoffe jedenfalls, dass Jazz jetzt mit seinem Vater abschließen und nach vorneblicken kann. Es wird zwar immer mal wieder weh tun, aber es wird wohl weniger. Und dann hoffe ich natürlich auch, dass er Jack wieder vertraut. Jacks Handeln sprechen jedenfalls dafür, dass er es wert ist (und sonst wird das ja nix mit meinem Happy End). Nun bin ich jedenfalls gespannt, wie es auf Jacks Basis so aussehen wird. Zum Glück hat Jazz noch Urlaub. Und es wird ein Wiedersehen mit Didi geben, da freue ich mich schon drauf. Ob er Jazz überhaupt noch erkennt? Die Nächte bzw. das Aufwachen mit nem Hund im Bett werden sicherlich noch lustig. Da wird Jazz sich wohl ein paar Erziehungsmethoden ausdenken müssen und in dem Fall wohl für Hund und Herrchen. Aber ich bin auch gespannt, was der Rest von Jacks Team dazu sagen wird, dass er Jazz so einfach mitbringt. Ein Teil davon kennt Jazz zwar schon, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es doch sehr ungewöhnlich für Jack ist jemanden mit zu bringen. Und wahrscheinlich hat noch niemand Jack so erlebt, wie es Jazz an dem Tag der Verhandlung hat (jedenfalls nicht in so einer menschlichen Situation, Kriegssituationen lassen wir da mal außen vor). Ich freue mich schon darauf weiterzulesen :)


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