Ein Jahr 12 Geschichten von SarahSunshine ================================================================================ Kapitel 12: Der letzte Tag im Jahr ---------------------------------- Ungeduldig tippte Ino Yamanaka mit der Stiefelspitze ihres Schuhs auf den Boden und warf bestimmt alle zehn Sekunden einen Blick auf ihre Handyuhr. Der Bus war mal wieder zu spät dran, wie immer wenn die Temperaturen unter Null fielen und die Autofahrer nur noch Schritttempo fuhren. An einem Tag wie diesem, nämlich dem letzten des Jahres, war es noch ein bisschen nerviger als sonst. Die Geschäfte in der Stadt hatten lediglich halbtags geöffnet und die Menschheit musste sich mal wieder mit Lebensmitteln eindecken, weil sie dann erstmal für wenige Tage nicht einkaufen konnten – jedes Jahr das gleiche Spiel. Dementsprechend waren ziemlich viele Leute unterwegs und verstopften die Straßen. Als die junge Frau aufseufzte, kondensierte ihre Atem zu einer kleinen weißen Nebelwolke. Sie schob das Handy samt ihrer kalten Hände in die Taschen ihres Wintermantels und vergrub ihr Gesicht in ihrem flauschigen schwarz-weiß-karierten Schal. Der Bus bog an der großen Kreuzung in die Straße ein und steuerte die Haltestelle an. Ino zeigte ihren Fahrausweis und stellte sich an einen freien Platz im Bus. Sie musste glücklicherweise nur wenige Stationen fahren, bis sie den Knotenpunkt der Innenstadt erreichte. Von dort aus spazierte sie gemütlich zu ihrem Ziel: Ein kleines Schmuckgeschäft in der Fußgängerzone. Eigentlich war Ino Studentin, die sich mit ihrem Nebenjob ein kleines Taschengeld dazu verdiente. Über Weihnachten war die junge Frau bei ihrer Familie auf dem Dorf gewesen, weshalb sie die Schicht an Silvester zugeteilt bekommen hatte. Sie nahm allerdings nicht an, dass am letzten Tag des Jahres noch viel los sein würde. Die paar Stunden würde sie schon rum bekommen. Ihre Finger waren immer noch ganz kalt, als sie die Tür aufschloss. Sie huschte schnell in den Laden und schaltete als erstes die warme Lüftung an. Routiniert bereitete sie alles zur Öffnung des Geschäfts vor. Sie kehrte noch einmal den Boden und öffnete die Kasse, um Punkt Zehn Uhr die Tür aufzuschließen. Wie sie vermutet hatte, war es recht ruhig in der ersten halben Stunde. Die meisten Leute kauften wahrscheinlich in erster Linie Lebensmittel oder Raketen für den Jahreswechsel. Ino summte die Musik, die im Laden lief mit und räumte hier und da ein paar Schmuckstücke auf. Als sie am Eingang stand, warf sie einen Blick auf die Fußgängerzone. Viel Durchlauf war derzeit nicht, einige Menschen hetzten an ihr vorbei, andere schienen tatsächlich auch jetzt noch ein wenig zu bummeln. Sie erblickte eine blonde Grinsebacke, die mit einem Karton auf der Schulter zu ihr gelaufen kam und ihr mit der freien Hand zuwinkte. „Morgen, Ino!“, grüßte er sie wie immer gut gelaunt. „Guten Morgen, Naruto“, trällerte sie zurück und spazierte mit ihm zusammen zur Kasse, wo er ihre Lieferung abstellte. Obwohl es echt kalt draußen war, lief Naruto immer noch mit kurzen Hosen rum. Das würde sie wohl nie verstehen. „Und? Hast du Pläne für heute Abend?“, fragte er beiläufig, während er ihren Namen in sein Lesegerät eintippte. „Joa, ich treff‘ mich mit meinen Mädels und dann entscheiden wir spontan, wo wir hingehen“, erzählte sie, „Und du?“ Ino nahm den Stift entgegen, um ihre Unterschrift zu setzen. „Ich bin mit ein paar Kumpels im Irish Pub. Also, falls ihr Bockt habt, kommt doch auch rum.“ So war Naruto, immer offen, neue Leute kennenzulernen. „Ich werde es mal vorschlagen“, erwiderte Ino leise lachend. Sie kannte zwar die Freunde von ihrem Lieferanten nicht, aber wenn sie genauso drauf waren wie er, könnte es sogar ganz lustig werden. „Okay, dann sehen wir uns“, verabschiedete Naruto sich, schließlich musste er noch seine restlichen Lieferungen erledigen. „Ja. Aber falls doch nicht, dann guten Rutsch!“, reif die junge Frau dem Paketboden noch nach. Die folgenden Stunden gingen recht schnell vorbei. Ino verräumte Ware, bediente Kunden und verkaufte tüchtig. Eine viertel Stunde vor Ladenschluss war sie bereits dabei ein bisschen Ordnung zu machen. Ihr fiel dabei ein junger Mann auf, der vor der Silberwand stand und diese nachdenklich musterte. Ein paar Schneeflocken glitzerten in seinem rabenschwarzen Haar. Er trug einen grauen Wintermantel und einen dunkelblauen Schal um den Hals. Der Kerl sah verboten gut aus. Wenn er allerdings hier etwas suchte, schien er möglicherweise schon vergeben zu sein. Innerlich seufzend, äußerlich lächelnd trat Ino auf ihn zu – er war schließlich auch ihr Kunde. „Hallo“, grüßte sie ihn, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, „Wie kann ich dir helfen?“ Er sah sie einen Moment mit einem undurchdringlichen Blick an. Seine dunklen Augen waren faszinierend. „Ich suche ein Geschenk“, antwortete er, lieferte dabei allerdings kaum Zusatzinformationen. „Mhm. Silber eignet sich immer ziemlich gut als Geschenk. Gibt es einen bestimmten Anlass?“, hakte die Verkäuferin nach. „Hn…“, machte ihr Gegenüber, womit die Studentin allerdings nicht viel anfangen konnte. „Für wen soll das Geschenk denn sein? Deine Schwester oder deine Freundin?“ Ino bemerkte, wie der junge Mann sie aus dem Augenwinkel ansah. „Es ist … für eine Freundin.“ Also war er wohl noch nicht so ganz vergeben. „Verstehe“, antwortete Ino grinsend. „Dann würde ich dir schon mal von einem Ring abraten“, gab sie ihre ehrliche Meinung kund. „Ohrringen sind vermutlich auch eher unspektakulär.“ „Sie trägt keine Ohrringe“, fiel er ihren lauten Gedanken ins Wort. Das ließ das Grinsen der Studentin noch breiter werden. Er schien von der aufmerksamen Sorte zu sein. „Dann fallen sie erst recht weg“, schlussfolgerte sie. „Also dann bleiben dir noch ein Armband oder eine Kette.“ Das schien ihm die Entscheidung allerdings nicht zu erleichtern. Er hielt seinen Finger vor die Lippen, schien zu überlegen, was besser passte. „Eine Kette ist vielleicht ein bisschen klischeehaft, allerdings könnte man ein Armband schneller verlieren, was ziemlich schade wäre“, dachte die Verkäuferin weiterhin laut. Der junge Mann betrachtete noch immer angestrengt die Schmuckstücke. „Vielleicht entscheidest du das nach dem Anhänger? Schon eine Vorstellung, wie der aussehen soll? Ein Herz vielleicht?“ Er gab ein kurzes Grunzen von sich, das Ino als ein Nein interpretierte. Vielleicht war ihm ein Herz ja zu kindisch? Er wirkte jedenfalls deutlich älter als sechzehn. „Kein Problem. Wir haben auch noch andere Sachen. Einen Engelsflügel zum Beispiel oder ein Blatt oder einen Traumfänger oder ganz klassisch ein Steinchen?“, zählte Ino nur ein paar weitere mögliche Anhänger auf. Sie überprüfte selbst noch einmal, welche Muster sie ihrem Kunden noch anbieten konnte. Als seine Hand an ihrem Gesicht vorbei ging, um sich eine Kette zu greifen, stoppte sie in ihrer Bewegung. Das Modell schien ihn zu interessieren. „Ich nehme diese hier.“ Mit einem freundlichen Lächeln nickte Ino und deutete mit ihrer Hand in die Richtung der Kasse, zu der sie gemeinsam gingen. „Soll die Kette noch verpackt werden?“, fragte die Verkäuferin und begegnete dem intensiven Blick dieser dunklen Augen ihres Gegenübers. „Wenn das schlicht geht“, antwortete der junge Mann. Ino kam ihrer Aufgabe nach und legte die Kette behutsam um ein dunkelblaues Samtkissen, welches sie anschließend in einer schwarzen Box mit weißer Schleife verstaute. Vorher hatte sie noch einen kurzen Blick auf den Anhänger geworfen, den er ausgesucht hatte. Ein Mond, vereint mit einem kleinen Stern, eine recht ungewöhnliche Wahl wie sie fand. Ino kassierte den jungen Mann ab und schob ihm die Schachtel über den weißen Tresen. „Ich hoffe natürlich, dass die Kette gefällt“, leitete sie ihre Verabschiedung ein. Es kam ein „Hn“ zurück. Dieser Typ war echt merkwürdig. „Und einen guten Rutsch für dich“, sagte sie noch, als er dabei war, sich umzudrehen. „Auch so“, gab er zurück und schob das eben gekaufte Geschenk in seine Jackentasche. Dann zog er von Dannen. Als die junge Frau einen Blick auf die Uhr warf, bemerkte sie, dass ihr Feierabend bevorstand. Sie räumte das Geschäft noch ein wenig auf, ehe sie die Türen schloss und die Kasse abrechnete. Eingepackt in ihren dicken Wintermantel verließ sie den Laden und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Während sie durch die Straße lief, tippte sie auf ihrem Handy eine Nachricht an ihre Freundinnen, mit denen sie am Abend ausgehen wolle. Sie sollten sich bitte schon mal eine Lokalität überlegen, in die sie gehen wollten. Mehr schrieb sie nicht, denn ihr Bus kam an und sie beschleunige ihren Schritt, um ihn zu erreichen. Kurz nachdem sie sich auf einem der Plätze niedergelassen hatte, schob sie ihre Kopfhörer unter dem flauschigen Stirnband in ihre Ohren. Dann startete sie ihre Musik und blendete den Rest der Welt für ein paar Minuten aus. Die restlichen Stunden des Tages verbrachte Ino mit einer Serie und einem Teller der besten Spagetti Bolognese, die sie jemals gekocht hatte. Dann sprang sie unter die Dusche, um sich ausgehbereit zu machen. Pünktlich als es an der Tür läutete, stand die Studentin in einem engen schwarzen Kleid ohne Träger und dazu passenden Highheels vor ihrem Spiegel. Ihr hellblondes, ewig langes Haar fiel in einer fließenden Bewegung über ihren Rücken. Ihre rot geschminkten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sie war mehr als zufrieden. Ihre Freundinnen begrüße sie mit einem Küsschen rechts und links, ehe sie in ihre Wohnung kamen. Tenten trug ihr Haar ebenfalls ausnahmsweise mal offen und hatte eine braune Korkenzieherlockenmähne. Ihr brombeerfarbenes Kleid mit Spagettiträgern und goldenen Stickereien an der Brust ließ sie wie eine mysteriöse Tänzerin wirken – eine vollkommen neue Seite an ihrer sportlichen Freundin. Sakura trug ein hoch geschnittenes dunkelblaues Kleid mit durchlässiger Spitze als Träger und über dem Rock. Ihre kurzen rosa Haare waren sanft gelockt und ihren Pony hatte sie mit einer Haarspange zur Seite gesteckt. „Ihr seht großartig aus!“, stellte Ino fest. Das gleiche bekam sie von den beiden ebenfalls zurück. „Und? Habt ihr schon Vorschläge, wohin wir heute gehen?“, wollte die junge Frau wissen als sie ihre Clutch mit den nötigsten Sachen befüllte. Tenten seufzte daraufhin leicht genervt auf. „Ich hab im Enchiladas angerufen, aber die sind komplett ausgebucht.“ „Oh man, verstehe. Und du, Sakura?“, fragte Ino weiter und betrachtete ihre Freundin, die einen kurzen Blick auf ihr Handy warf. „Uhm … kennt ihr den Irish Pub?“, warf sie in die Runde und ließ Ino kurz in die Hände klatschen. „Genau das wollte ich auch vorschlagen. Ich kenn sogar jemanden, der heute auch da ist. Das wird bestimmt super lustig!“ Damit war es beschlossene Sache, wo sie die letzten Stunden vor Beginn des neuen Jahres verbringen würden. Zu dritt verließen die Mädels die Wohnung von Ino, um in die frische Nacht heraus zu treten. Bis in die Innenstadt brauchten sie etwa eine viertel Stunde. In der Bar angekommen, wurden sie von bereits verbrauchter Luft, lauter Musik und dem Grölen der Besucher begrüßt. Eine Stimme in dem Gemurmel konnte Ino klar und deutlich erkennen. „Dort hinten!“, rief sie ihren Freundinnen zu und deutete ihnen an, ihr zu folgen. In einer Sitzecke saß tatsächlich Naruto mit ein paar anderen jungen Männern, die alle ein Bier vor der Nase hatten und amüsierten und lachten. Kaum hatte er sie ebenfalls entdeckt, rief er lauthals ihren Namen. „Hey, Ino! Echt cool, dass ihr hier seid! Los setzt euch dazu!“ Naruto stellte die Herren aus seiner Runde vor. Es handelte sich dabei um Kiba, Lee, Choji und Shikamaru. Sie waren eine alte „Clique“ aus Schulzeiten und verbrachten immer noch alle paar Wochen Zeit miteinander. Einer schien wohl noch zu fehlen, aber er wollte noch kommen. Im Gegenzug stellte Ino ihre beiden Freundinnen vor und holte die erste Runde an Cocktails für sie. Sie plauschten und lachten, sangen zu der Musik, die gespielt wurde mit und wagten sich sogar hin und wieder zum Tanzen von ihren Plätzen. An diesem Abend stellte sich heraus, dass Shikamarus Vater und der von Ino in der gleichen Firma arbeitete und dass die beiden sich vor langer Zeit schon einmal gesehen hatten. Lee betrieb genauso wie Tenten Karate und Naruto meinte wohl, dass er den Namen von Sakura schon mal irgendwo gehört hatte, aber sie konnten sich beide nicht so recht erklären wo. Es war knappe drei Minuten vor Mitternacht, als Ino bemerkte, dass ihre beste Freundin erwartungsvoll auf ihr Handy starrte, bis es blinkte und sie blitzschnell aufsprang. „H-hey, Sakura!“, rief sie ihr noch nach, doch das ging bei den ganzen Umwelteinflüssen einfach unter. Zudem kam Naruto mit einem Tablett voller Getränke wieder, die er auf dem Tisch abstellte und verteilte. Er nahm sein Bier in die Hand und ließ noch eine kleine Ansprache verlauten. „Meine Freunde, es war ein großartiges Jahr! Auf ein weiteres tolles Jahr mit euch! Und Mädels, es ist super, mit euch ins neue Jahr zu rutschen!“ Die gesamten Besucher der Bar zählten gemeinsam die Sekunden nach unten, bis die Uhr Mitternacht schlug und alle begannen anzustoßen, zu feiern und sich in die Arme zu nehmen. Glitzerndes Konfetti flog durch die Luft und durch das Fenster konnte man bereits das Leuchten der Raketen erkennen. „Wo ist denn Sakura?!“, fragte Tenten bei all dem Getöse. Ino zuckte mit den Schultern. „Ich glaube sie ist raus gegangen, sie hat auf jeden Fall ihre Jacke mitgenommen!“ Die jungen Frauen verkündeten den Männern am Tisch, dass sie sich draußen das Feuerwerk ansehen würden und verschwanden samt ihrer Wintermäntel aus der Bar. Tatsächlich stand Sakura draußen auf dem Marktplatz vor der Bar und betrachtete den bunten Himmel voller Lichter. „Hey, Sakura!“, rief Ino ihr zu, woraufhin sie sich umdrehte. Sie umarmten sich erstmal zum Beginn des neuen Jahres. „Wieso bist du so eilig raus gelaufen?“, wollte ihre Freundin wissen und betrachtete ihr Gesicht. Ihre Augen hatten so ein merkwürdiges Funkeln inne und ihre Wangen waren ganz rot. Als sie an ihr herunter blickte, erkannte sie ein kleines aber feines Detail, das sie vor Mitternacht nicht an ihr gesehen hatte. Eine silberne Kette baumelte an ihrem Hals, der Anhänger ein Mond mit einem kleinen Stern vereint. Es dauerte nicht einmal zwei Sekunden, da musste Ino sofort an ihren letzten Kunden denken, den sie noch vor einigen Stunden beraten hatte. Unwillkürlich begann sie breit zu grinsen und legte ihren Arm sowohl um Sakuras als auch um Tentens Schultern. „Wie Naruto schon so schön gesagt hat! Auf ein gemeinsames, tolles, neues Jahr!“, verkündete sie und sah gemeinsam mit ihren besten Freundinnen in den Himmel. Dann lehnte sie sich allerdings zu Sakuras Ohr. „Das erste, was du mir erzählen musst, wenn wir wieder bei mir sind, ist, wer dein geheimer Liebhaber ist, der dir diese Kette geschenkt hat.“ Als hätte sie sie ertappt, starrte Sakura ihre beste Freundin erstmal entgeistert an, doch ihr Grinsen blieb bestehen. Das war ein spannender Start in ein neues Jahr! ~ FIN ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)