Veilchen von _Delacroix_ ================================================================================ Veilchen -------- Stöhnend ließ sich Yuri auf das Hotelbett sinken, nur um im nächsten Moment wieder aufzuschrecken. „Verdammtes Mistding“, fauchte er, während er seine Haarbürste unter dem Kissen hervor fischte. Kurz hielt er sie einfach nur in der Hand, dann ließ er sie unzeremoniell vom Bett plumpsen. Sie landete auf einem Stapel Kleidung, den vor Tagen schon ein ganz ähnliches Schicksal ereilt hatte. Hätte Yakov das gesehen, er hätte sicher wieder versucht ihm einen Vortrag zu halten.     „Disziplin beginnt schon vor dem Training. Blah, blah, blah...“   Interessierte doch kein Schwein. Yuri ließ sich zum zweiten Mal in die steril-weißen Kissen sinken. Der Tag war anstrengend gewesen. Er hatte Hände schütteln müssen. Hände von Fans, von Reportern, von Leuten, die vielleicht Fans werden würden ... Ein paar von ihnen hatten sich so angefühlt, als schüttele er gerade einen Fisch. Lasch und feucht hatten ihre Finger in seiner Hand gelegen. Kein Druck. Keine Initiative. Ekelhaft.   Genervt hob er die Hand, um sich damit durch die Haare zu fahren. Sein Kopf brummte. Er brauchte dringend eine Pause. Fingerspitzen tanzten über seine Stirn hinweg, nach oben, in sein Haar und blieben noch im gleichen Augenblick an etwas hängen. Richtig, eine Horde begeisterter Fans hatte ihn vor dem Händeschütteln abgefangen und - Er stöhnte noch einmal. So ganz wusste er nicht, was sie ihm alles in die Haare gesteckt hatten, aber er hatte das ungute Gefühl, dass er es bald würde herausfinden müssen. Entweder das oder – Das Bild von einem Kahlschnitt erschien vor seinem inneren Auge, doch er verbannte die Vorstellung eiligst. Er würde sich sicher nicht wegen diesen Losern den Kopf rasier- „Au!“ Unglücklich zog er die Hand zurück, um seinen Zeigefinger begutachten zu können. Jetzt hatte ihn der lästige Kopfschmuck auch noch gestochen! War das denn zu fassen? Da bemühte man sich um seine Fans, verteidigte sie sogar gegen die dämlichsten Idioten und dann so etwas?! Was fiel denen eigentlich - Es klopfte und Yuris Laune sank endgültig unter den Gefrierpunkt. Er würde heute ganz sicher nicht noch einen Fisch schütteln und das würde er dem Störenfried auch gleich persönlich mitteilen.   Eilig erhob er sich und stapfte zurück zum Eingang. „Verpiss dich!“, fauchte er zwischen Tür und Angel hindurch, nur um im nächsten Augenblick verwundert innezuhalten. Der Fisch sah irgendwie aus wie - „Otabek?“   Einen Moment lang fühlte er sich von ihm angestarrt, dann dämmerte Yuri auch warum. Am liebsten hätte er die Tür einfach wieder zugeknallt, doch obwohl diese Lösung die einfachste zu sein schien, rührte sich sein Körper nicht vom Fleck.   „Sind das Veilchen?“, durchbrach Otabek schließlich die Stille und jedem anderen hätte er an dieser Stelle gezeigt, wie ein echtes Veilchen aussah. Yuri schnaubte. „Meet & greet“, murrte er, während er sich möglichst lässig in den Türrahmen lehnte. Ja, dann hatte er halt Veilchen in den Haaren, viel schlimmer konnte es ja eh nicht mehr werden. „Und Gänseblümchen?“ Vielleicht doch. „Ich will es gar nicht wissen“, unterbrach er die botanischen Anwandlungen seines Freundes. „Der Scheiß piekt.“ Halb erwartete er jetzt ein Lachen zu hören, doch sein Gegenüber hatte sich dafür zu gut im Griff. Stoisch trat er auf ihn zu und streckte die Hand nach seinen Haaren – Nein, eher nach den Blüten darin – aus. Einen Moment lang nestelten Otabeks Finger an ihm herum, dann zogen sie eine Blüte aus seinem Haar. Das weiße Veilchen funkelte im Licht der Flurlampen.   Yuri griff unwirsch danach. Er wollte sicherlich kein Veilchen, auch keines das im Licht der Neonröhren funkelte, aber das Ding war aus seinen Haaren gekommen, da musste er doch – Oder etwa nicht? „Wenn du mich reinlässt, könnte ich dir helfen die Anderen zu entfernen“, schlug Otabek vor. Da lag keine Wertung in seinen Worten. Es war ein Vorschlag. Einer, der eigentlich sogar ganz brauchbar klang. Langsam löste sich Yuri vom Türrahmen, um wieder zurück in sein Zimmer zu treten und das erste Mal, seit er eingecheckt worden war, nahm er den Raum um sich herum richtig wahr. Da waren die Klamotten, die sich wild durcheinander auf dem Boden stapelten, der Koffer, den er irgendwann einfach auf die Ablage geklatscht hatte, die Haarbürste, die ihm aus ihrem Nest aus Schmutzwäsche höhnisch entgegen lachte. Am liebsten hätte er wenigstens die Socke von der Stehlampe gesammelt. Doch jetzt würde er das ganz sicher nicht tun.   Mit einer möglichst beiläufigen Geste winkte er den Anderen herein. Das nächste Mal würde er auf Yakov hören, wenn er etwas zum Thema Ordnung vom Stapel ließ. Vielleicht, eventuell … eher nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)