Der Kurier von Katzensushi ================================================================================ Prolog: Goldgraue Zeiten ------------------------ Ein hohes Pfeifen, für die meisten kaum hörbar und doch ein Vorzeichen einer akuten Gefahr, riss Alec aus dem eh schon viel zu unruhigen Schlaf. In der Zeit eines Wimpernschlages saß er aufrecht in seinem Bett und hatte die Hand unter sein Kissen geschoben um nach seinem Köcher und Bogen zu greifen... doch da stockte er und sah verwirrt auf das Kissen vor sich. Erst jetzt konnte er sich wirklich in der Realität orientieren und sah sich hektisch im Zimmer um. Es war sein Zimmer und kein Zelt oder gar eine Nacht unter freiem Himmel. Er sprang - nur mit einem Nachthemd bekleidet – aus dem Bett, dessen Stroh einen knarzenden Laut von sich gab und polterte über die alten Dielen zu seinen Waffen, die an ihrem angestammten Platz an der Wand hingen. Sein Herz pumpte das Blut mit einer Macht durch seinen Körper, dass er es lauter als alles andere in seinen Ohren rauschen hörte. Wie wollte er so bitte hören, wann ein weiterer Pfeil die Luft durchschnitt? Das machte seine Panik ja hervorragend! Kaum bewaffnet huschte er neben das spärliche Dachfenster und rang sich zu einem Blick in den Hof durch, aus dem das Geräusch vor wenigen Sekunden gekommen war. Innerlich hatte er sich darauf vorbereitet wieder den selben Albtraum wie vor 9 Jahren zu sehen.... oder vor 8, vor 6 und bis vor wenigen Tagen täglich für die letzten 3 Jahre... Krieg, Brände, Leichen, Blut, Verletzte..... doch... nichts der gleichen war draußen zu erblicken. Lediglich ein rauer Morgen, dessen Nebel noch schwer wie eine graue Decke in den Straßen lag und für den kühlen Tau auf den wiesen sorgen würde. Der Stahlgraue Himmel wölbte sich über die graubraunen Häuser, die vom Ruß der Feuern in den Öfen jeden Tag dunkler zu werden schienen. Er drückte das Fenster auf und blinzelte in den Vorhof direkt vor dem Haus am Rand der Hauptstadt. Jace fluchte leise vor sich hin und trottete grade vom einen Ende des Innenhofs zum anderen, an dem ein Ziel aufgestellt war... an dem er allerdings brummelig vorbei trottete um den Pfeil aus der Holzwand des Nachbargebäudes zu ziehen, welches in den letzten paar Tagen einige solcher Löcher erlitten hatte. Aber niemand hatte sich beschwert – bis jetzt. Der Bogen lag lieblos auf den Boden gepfeffert an dem Ende des Hofes von dem aus er geschossen haben musste. Alec wischte sich durch sein Gesicht und schob sich anschließend einige wirre schwarze Strähnen aus seinem Sichtfeld. Sein Herz beruhigte sich und sein verkrampfter Griff – den er bis jetzt nicht einmal wahr genommen hatte - um seine Waffe lockerte sich. In kurzen aufeinander folgenden Stößen presste er einige Male die Luft aus seiner Nase, was im entferntesten als ein Kichern hätte wahr genommen werden können. Jace konnte sich noch immer nicht damit anfreunden, dass das, was ihnen vor gut 2 Wochen allen das Leben gerettet hatte ein perfekt gezielter Schuss mit einem Bogen gewesen war und kein – wie er es gerne sah – ehrenhafter Zweikampf von Mann zu Mann. Seit dem schien Jace auf der einen Seite mit derlei Waffen auf Kriegsfuß zu stehen – immerhin hatte ihm ein Bogen die Show gestohlen – auf der Anderen aber sah man ihn seit er und Alec zurück Zuhause waren regelmäßig in unbeobachteten Momenten mit Pfeil und Bogen üben und zu Alecs Amüsement kläglich daran scheitern. Jace war eben der Nahkämpfer von ihnen, der, der mit hoch erhobenem Schwert und Kampfgeschrei ins Getümmel stürzte und genau da lag auch sein Talent. Alec hingegen war nicht der Mann für das Grobe. Er hielt sich lieber im hinteren Bereich auf, hielt Jace den Rücken frei und tat alles um diesen waghalsigen Idioten – der in seinem 11. Lebensjahr zu seinem Bruder geworden war – nicht auch noch auf die Liste derer schreiben zu müssen, die ihm vom Krieg genommen worden waren. Irgendwie war ihm dieses Unterfangen gelungen und hatte ihn zu einem Kriegshelden werden lassen, der zusammen mit Jace als solcher Zuhause gefeiert wurde während das andere Königreich derzeit von anderen Truppen Stück für Stück eingenommen wurde um bald von ihrem, dann neuen, König mit regiert zu werden. Er drehte seinen Bogen so, dass er eng an seinem Arm anlag und schob erst den Arm aus dem viel zu kleinen Dachfenster und schließlich auch den 2. mit einem Pfeil ausgestatteten. Irgendwie und sehr umständlich wurde auch der Kopf und ein kleiner Teil des Oberkörpers hinaus gezwängt und so zwang sich Alec in eine unbequeme und doch machbare Pose um seinen Adoptivbruder noch weiter auf zu ziehen. Besagter Bruder trottete grade demotiviert mit seinem einen Pfeil in der Hand zurück zu seiner Schusslinie und damit großräumig aus der gefährlichen Zone. Alec wartete in seiner verdrehten Pose so lange, bis er aus dem Augenwinkel sah, wie sich Jace wieder in Richtung der Zielscheibe gedreht hatte und sich zum abermaligen Zielen positionierte, ehe der schwarzhaarige selbst kurz zielte, die Sehne an seinen Mundwinkel zog und seinen Pfeil genau im innersten Kreis der Zielscheibe versenkte. Der ungeübte Schütze im Hof schrak heftig zusammen und Alec war sich recht sicher, dass er den Anderen hatte wenige cm hoch hüpfen sehen als der Pfeil mit mehr als genug Wucht in die Zielscheibe gebohrt wurde. Kaum wieder mit festem Boden unter den Füßen riss Jace den Kopf in den Nacken um zum Ursprung des Geschosses zu suchen, wodurch seine goldenen Strähnen kurz flogen und das seltsam graue Licht des viel zu frühen Morgens, doch beinahe mit einem Hauch mehr Leben versehen, reflektierten. Ein wütender, schneidender Blick aus goldfarbenen Augen traf Alec und ließ ihn innerlich erschaudern. Er kannte diesen Blick nur zu gerne. Er hatte soeben das in Jace los getreten, was dieser mit seinem Schuss davor in dem Beschützerischem der Brüder losgetreten hatte. Blanke Panik gepaart mit dem Soldaten, der die letzten 3 Jahre ihres Lebens ihr eigentliches Ich hatte ersetzen müssen um ihr überleben ein kleines Stückchen wahrscheinlicher zu machen. Es dauerte ein paar Augenblicke ehe Jace kurz blinzelte und auch sein hinterletztes Unterbewusstsein seinen Bruder erkannt und als ungefährlich eingestuft hatte. Der Bogen des untalentierten Schützen sank herab. Alec selbst hatte gar nicht wirklich wahr genommen, dass er auf ihn gerichtet gewesen war. Viel zu sehr hatte ihn dieser bekannte und doch so völlig fremde Ausdruck auf dem Gesicht seines Waffenbruders schockiert, gebannt und zu Stein erstarren lassen. „Was bist du denn schon wach?“, rief der Goldblonde mit einem neckischen Ton zu seinem Waffenbruder hinauf. Dieser kam nicht umhin fest zu stellen, wie müde dessen Stimme trotz des herausfordernden Tons klang. Sie waren in den letzten Jahren alte Männer geworden. Alte Männer im Körper von 19 Jahre alten Burschen - schreckhaft, immer in Verteidigungshaltung, müde und im Herzen einsam. „Das gleiche könnte ich dich fragen. Du wärst doch sonst immer am liebsten erst zum Mittagessen zu uns gestoßen!“, wurde also gekontert, ehe sich der schwarze Schopf umständlich mit samt Waffe wieder durchs Dachfenster fädelte. Entfernt drang noch ein leises: „Zeiten ändern sich eben.“ an Alecs Ohren, welcher einen verächtlichen Stoß an Luft durch seine Nasenlöcher schickte. Ja, Zeiten änderten sich. Viel zu sehr für seinen Geschmack. Egal wie sehr er auch versuchte die Welt an zu halten für die, die ihm lieb und teuer waren. Wie gerne würde er diese Menschen unter eine Glaskuppel schließen, damit nichts und niemand an sie ran kam? Wie oft hatte er sich gewünscht der Krieg wäre an ihnen allen vorbei gezogen? Sicherlich jede Nacht. Vor etwa drei Jahren hatte sich Jace für die Front gemeldet und Alec hatte das getan, was ihm zu diesem Zeitpunkt am sinnigsten erschien: Er war ihm gefolgt. Er konnte diesen waghalsigen Spinner doch nicht ins offene Messer rennen lassen und schützte er nicht gewissermaßen auch seine Eltern und seine Schwester Izzy indem er in der Armee das Land vor weiteren Angriffen wie jenem schützte, indem sein jüngster Bruder Max und Jaces' Eltern ums Leben gekommen waren? Doch das Land hatte sich verändert. Die Stadt hatte sich verändert – sogar ihr Zuhause schien nicht mehr das selbe zu sein. Über allem hing ein toter, grauer Schleier. Es wirkte beinahe so, als habe etwas alles beschmutzt, was dem ältesten Lightwood einst heilig gewesen war. Alle Farben um ihn herum hatten sich mit einem alles verschlingenden Schlamm vermischt. „Komm gefälligst runter und hol deinen vermaledeiten Pfeil hier weg!“, hörte man schließlich den jungen Mann im Hof hoch brüllen. „Ich schieß' ihn dir sonst noch kaputt!“. Ein gewisser Schalk stahl sich zurück in die Augen Alecs, der grade seinen Köcher zurück an die Wand hing. „Triffst du doch eh nicht!“, grölte er also zurück, stellte sein linkes Bein in den Bogen, hakte dessen äußerste Windung an seinem rechten Schienenbein ein und löste am oberen Ende die Sehne seines Bogens um auch diesen anschließend weg zu hängen – die Sehne fein säuberlich ohne Spannung daran befestigt. „Ist das eine Herausforderung?“, schallte abermals Jaces' Stimme durch den Hof. Alec trat zurück zum Fenster und warf seinem Bruder einen Blick zu, der im entferntesten als schelmisch hätte gewertet werden können ehe er gelassen: „Nimm es als solche, wenn es dir hilft nicht mehr zu zielen wie ein betrunkener Esel“, herunter rief, kurz darauf „Ich mach mich jetzt fertig. Die Esse und der Ofen befeuern sich nicht von alleine.“, anhing und den Kopf wieder ins Haus zog. Alles in allem schien es ein Tag wie jeder andere zu werden. In der Schmiede der Lightwoods ging man dem Tagesgeschäft nach. Izzy versuchte man, bald auch der letzten Hoffnung beraubt, das Kochen zu lehren, wobei diese sich nur immer wieder in die Finger schnitt und sicherlich wieder einige Zutaten ungenießbar werden ließ. Früher hatte der Älteste Spross der Lightwoods gerne „Gebt es auf! Aus ihr wird nie eine passable Ehefrau!“ in die Küche gerufen wenn er dieses Bild gesehen hatte und Izzy hatte mit diesem Blick geantwortet, der Empörung vortäuschen sollte und doch dieses gewisse mitschwingen von einem 'danke' hatte. Heute warf er ihr nur noch einen mitleidigen Blick zu. Seine Schwester hatte sich schon immer mehr für Jungensachen interessiert und war tobend mit ihren Brüdern im Matsch gerollt. Letztendlich war sie allerdings auch immer die Einzige, die am Ende dafür gescholten worden war. Doch Heute fühlte er sich ihr irgendwie nicht mehr nah genug um sie gleichzeitig mit auf den Arm zu nehmen während er sie eigentlich in Schutz nahm. Seine eigene Familie war ihm irgendwie fremd geworden. Sie hatten sich verändert. Oder war es er selbst, der sich in den 3 Jahren verändert hatte während alle um ihn herum geblieben sind wer sie waren? Jace hatte sich als guter Nachfolger für Robert Lightwood erwiesen und bekam von diesem die Schmiedekunst beigebracht. Waffen, Rüstung, andere Alltagsgegenstände und gelegentlich auch Schmuck gehörten in das Repertoire – auch wenn letzteres eher eine Geschicklichkeitsübung für den neuen Lehrling war. Alec hatte genug Waffen und Rüstungen gesehen. Er war sogar der Meinung: Es war genug für den Rest seines Lebens. Er kümmerte sich um die gröberen Arbeiten im und ums Haus. Schleppte und hackte Holz, Entzündete Feuer, reparierte wo es nötig wurde, holte Wasser und kümmerte sich um Botengänge und Handelsgeschäfte aller Art seit sie zurück gekehrt waren. Jede Gelegenheit das Haus zu verlassen war ihm recht. Nur weg von dem Lärm und den Menschen, die ihn mit diesem seltsamen Blick musterten als wüssten sie alles über ihn, als hätten sie tiefes Mitgefühl mit ihm, sahen ihn als schwach und zerbrechlich und als würden sie doch viel zu große Forderungen an ihn stellen. Früher hatte auch er eine gewisse Begeisterung für das Schmieden geteilt aber nun ließ ihn jeder Schlag mit dem Hammer zusammenfahren. Das Geräusch von Metall auf Metall stellte seine Nackenhaare auf und der Anblick von verbeulten Rüstungen, die repariert werden sollten erzählten ihm ihre Geschichten, die er gar nicht erst hatte hören wollen. Er wusste, wie ein Helm aussah, der von fallenden Steinen oder einem Pfeilhagel getroffen worden war. Er kannte die Spuren eines Streithammers auf Brustplatten und wusste, wie es sich darin anfühlte. Er kannte die Löcher in Kettenhemden, die gewisse Pfeilspitzen hinterließen, die extra dafür geschmiedet wurden, die Ringe auf zu biegen um den Mann darin verletzlich zu machen. Alec kam grade von einem Botengang zurück. Er hatte einer befreundeten Familie die ausgebeulte Rüstung des Vaters zurück gebracht und die Bezahlung für diesen Dienst entgegen genommen. Und schloss grade das niedrige, schmiedeeiserne Tor zum Grundstück seiner Familie als er das unverkennbare Getrappel von Hufen auf Kopfsteinpflaster vernahm und den Kopf neugierig wieder hob. Soweit er wusste stand grade keine schwerere Lieferung an, die einen Wagen benötigte. Alec sollte Recht behalten. Die Straße herab kam keineswegs ein Pferdewagen. Lediglich ein einzelner Reiter auf einem geschmückten Ross. Die Kleidung des Reiters zeugte von einem hohen Stand und beinhaltete viele farbenfrohe Details. Alleine die Farben zeigten bereits wie wohlhabend der Herr sein musste. Wer leistete sich schon so viele teure Pigmente? Generell fragte sich der junge Mann mit seinem pechschwarzen Haar und den dunklen blauen Augen das immer wenn er derart aufwendig gefärbte Kleidung sah. Ihm würden hunderte weit sinnvollere Varianten einfallen sein Geld unter die Leute zu bringen. Der Schnösel brachte unter dem misstrauischen Blick des ehemaligen Soldaten sein Pferd vor dem Tor zum stehen, ließ sich aber nicht dazu herab ab zu steigen und sich somit auf Augenhöhe mit dem Sohn des Schmieds zu begeben. Er wedelte lediglich mit einer Schriftrolle vor der Nase des jungen Mannes herum, die von einem indigoblauen, breiten Band umschlungen war welches mit schwarzem Wachs versiegelt worden war. Alec sog scharf die Luft ein, schloss für einen Moment die Augen und ließ die Luft langsam wieder aus seinen Lungen entweichen. Oh, wieso würde es nicht das letzte Mal sein, dass er je atmete? Konnte er nicht einfach tot umfallen? Jetzt? Auf der Stelle? Er wusste zu genau. Schriftstücke wie dieses da vor ihm waren wie der Befehl sich selbst die Kehle durch zu schneiden. Er kannte dieses Aussehen zu genau. Diese Farbe hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt wie Salpetersäure sich in seine Lungen fressen würde. Indigo. Die Farbe ihres Königs. Ein Befehl seiner Hoheit. Das Letzte mal, dass er eine Schriftrolle mit einem Band dieser Farbe entgegen genommen hatte war es der Marschbefehl für Jace gewesen. Vor wenigen Tagen war ihnen doch erst versichert worden, dass sie damit ihre Pflichten erfüllt hatten. Er hoffte inständig, die Rolle wäre einfach verschwunden wenn er die Augen wieder öffnete aber der Mann vor ihm hielt sie noch immer in der Hand. Wenn er diese auch mittlerweile in seinem Schoß abgelegt hatte und mit der anderen die Zügel lose hielt. „Ist das hier das Anwesen der Lightwoods?“, herrschte ihn der Mann auf dem Pferd an und malmte dabei ungeduldig seine Kiefer auf einander. „Ein Anwesen mag ich hier zwar nicht sehen, aber ein Lightwood steht vor Ihnen.“, knirschte Alec dem fremden Schnösel nicht freundlicher entgegen als dieser sich ihm gegenüber gab. „Ich habe eine Nachricht an Jonathan Christopher und Alexander Lightwood, sei so gut und rufe sie raus.“, säuselte der Typ mit einer viel zu nasalen Stimme und hob die Nase glatt noch etwas weiter in die Höhe um noch weiter auf den jungen Mann herab sehen zu können als dieser ihm angriffslustig ein „Es heißt Wayland.“, entgegen knurrte, welches auf das ratlose zusammenziehen der brauen nur mit einem: „Jonathan Christopher Wayland.“ ergänzte. „Wir haben ihn aufgenommen. Aber es obliegt ihm selbst ob er auch unseren Familiennamen annimmt.“ Der Adelige zuckte nur kurz und desinteressiert die Schultern. „Was kümmert es mich? Holst du die beiden nun oder muss ich dir erst Beine machen?“, zischte er nur als Antwort und Alec selbst zuckte nur kurz die Schultern, schob die Daumen oben in seinen ledernen Gürtel und machte trollend auf der Ferse kehrt in Richtung Haus, Ställe und Schmiede. Extra langsam und schlendernd bewegte er sich zur Haustür, öffnete diese als hätte er alle Zeit der Welt und öffnete sie um sich durch einen schmalen Spalt hinein zu schieben. Was sollte ihm dieser Schnösel auch entgegen bringen? Wenn er – wie Alec vermutete - einen weiteren Einberufungsbefehl für sie beide hatte würde er sie so wie so in den Tod schicken. Da machte es nichts ihn weiter zu reizen wenn er es nicht für nötig hielt den Empfängern seiner, ach so wichtigen, Nachricht auch nur einen Hauch von Höflichkeit entgegen zu bringen. Er betrat den Raum, den man entfernt als Küche hätte bezeichnen können. Eigentlich war es nur ein großer Raum, der die Feuerstelle, einen großen, schweren Holzesstisch mit Stühlen und einige bequemere andere Sitzgelegenheiten beinhaltete. Aber in besagter Feuerstelle wurde eben gekocht und generell verbrachte man die gesellige Zeit letztlich hier. So saßen hier auch heute Maryse und Isabelle zusammen am großen Tisch. Izzy selbst wirkte zu Tode gelangweilt als sie eher missgelaunt auf einem weißen Stück Leinen stickte und dabei eingehend von ihrer perfektionistischen Mutter beobachtet wurde. „Mutter? Izzy? Kann bitte eine von euch Jace aus der Schmiede holen? Da draußen steht ein hochnäsiger Idiot und will irgendwas von uns.“, erstattete er Bericht und hatte sofort einen anklagenden Blick seiner Mutter auf sich ruhen, über den er nur die Schultern zuckte. Er machte sich nicht einmal die Mühe ein 'schuldbewusstes' Lächeln vor zu täuschen. Er hatte genau das gemeint was er gesagt hatte. Etwas, dass er von Jace übernommen hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Nur hatte er es am Ende im Gegensatz zu Jace immer zurück genommen oder zumindest so getan als täte es ihm Leid seine ehrlichsten Gedanken aus zu sprechen, auch wenn sie nicht immer freundlich gesinnt waren. Heute hatte er erkannt, dass die Heuchelei hinterher nur ein verschleudern von wertvoller Energie war. Izzy nahm diese Chance vom Sticken weg zu kommen augenblicklich an, knallte den Holzrahmen etwas zu schwungvoll auf den Holztisch und verschwand so schnell sie konnte durch die Seitentür in Richtung Schmiede, wobei ihr ein „Bin schon dabei!“ aus dem Mund sprudelte. Ein müder Blick folgte der großen und schlanken jungen Frau mit ihrem wallenden schwarzen Haar, dass über ihre Schultern Floss wie pure Fäden aus Seide. Es wunderte ihn bis heute, wie es sein konnte, dass sie zwar längst im heiratsfähigem Alter war aber es scheinbar nicht einen Freier gab, der ihr auch nur im entferntesten mehr zu gesagt hatte als ein kurzes flirten nur um ihn dann aufs härteste auflaufen zu lassen. Maryse erhob sich und trat zu ihrem ältesten Sohn heran, dem sie eine Hand auf die Wange legte um ihn eingehend zu mustern. „Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“, wisperte sie beinahe besorgt. Ein Tonfall, den Alec selbst eher selten von ihr hörte. „Sowas in der Art...“, die Antwort war kaum mehr als ein Hauchen „...draußen steht ein Gesandter des Königs mit einer Nachricht an Jace und mich. Ich kann mir nur einen Grund vorstellen aus dem so jemand mit Manieren wie ein Esel wild mit einer Schriftrolle mit königlichem Siegel in der Luft herumstochert.“ - „Vielleicht will euch unser Majestät auch nur seinen Dank aussprechen? Vielleicht werdet ihr ja zu Rittern gesch...“ - „Mom.... Nein... Alles.... nur DAS nicht.“ Maryse strich ihrem Spross eine verirrte Strähne aus dem Gesicht als sie mit Stolz funkelnden Augen den Blick ihres Sohnes suchte, der sein Gesicht von ihr weg drehte. „Das wäre so eine große Ehre für unsere Familie, Alexander. Findest du nicht, dass es großartig wäre?“ - „Nein, Mutter. Selbst wenn man uns nicht direkt wieder an die Front holt. Schlägt man uns zum Ritter wird die Front früher oder später wieder unser Ziel.“ Maryse Augen weiteten sich empört bei den Worten ihres Sohnes. Ihre mütterliche Hand verschwand von der Wange ihres Sohnes und sie wich beinahe erschrocken einen Schritt zurück. „Du wirst nicht ablehnen!“, knurrte sie mit Nachdruck. „Die Ehre kommt durch die Tat! Vergiss das nicht!“ Alecs Blick fiel zu Boden, als er seine plötzlich viel zu trockenen Lippen befeuchtete indem er beim denken die Lippen schürzte. Er sog kurz scharf und ein wenig zittrig die Luft zwischen seinen Zähnen hindurch in seine Lungen ehe er den Blick wieder hob und sich dem unbeirrten Blick seiner Mutter stellte. „Wenn man eines da draußen lernt dann das: Diese Tat bringt einem keine Ehre. Zumindest keine, die Wert besitzt.“. Für ihn zählte nur das eine dabei: Jace war noch am Leben. Trotz Einberufung. Marys Hand wandere an ihre Brust als wolle sie untermalen, dass ihr für den Bruchteil einer Sekunde das Herz stehen geblieben war. Aber da wurde die Unterhaltung auch jäh von Jace und Izzy unterbrochen, die zurück kehrten. „Bin da! Man will uns sehen?“, fragte Jace recht energiegeladen, strich sich eine der verschwitzten Strähnen nach hinten und hakte anschließend die Daumen unter seine Lederschürze, die er so nach vorne zog. Alec musste tatsächlich kurz schmunzeln. „So eine stolz geschwellte Brust habe ich ja noch nie gesehen.“, witzelte er über die Haltung und der Blick des blonden Familienmitglieds wanderte an sich herab um dann selbst bei der Erkenntnis zu lachen. „Nicht wahr? Ich bin eben doch bei allem die Nummer 1!“ „Auch beim Brustumfang offensichtlich.“, stieg Izzy kichernd mit ein, wurde aber von einem vorwurfsvollen Räuspern ausgebremst. „Ihr werdet erwartet“, brachte die Dame des Hauses ihre Sprösslinge zurück zum eigentlichen Thema. Kaum traten die beiden jungen Männer vor den Mann auf dem Pferd, welches mittlerweile begonnen hatte ungeduldig mit den Hufen zu scharren verfinsterte sich dessen Blick und er ließ diesen mit einer beinahe steinernen Miene auf Alec treffen. „Ich habe dich darum gebeten diese ominösen zwei Herren heran zu schaffen, die die Schlacht um Idris herum gerissen haben... und nicht darum zwei wichtigtuerische Halbstarke vorgesetzt zu bekommen.“ Jace warf einen flüchtigen und zweifelnden Blick zu seinem Bruder herüber und erschrak beinahe über den Menschen, den er neben sich vor fand. Die Kiefer des Latino angehauchten jungen Mannes pressten so fest auf einander, dass die Muskeln deutlich sichtbar hervor traten, der Blick durchbohrte den Mann vor ihnen wie ein Eiszapfen und die Fäuste zitterten mit weiß hervorgetretenen Knöcheln in etwa in Höhe seiner Hüfte. Der gesamte Körper neben ihm stand unter einer Spannung, die diesen beinahe zu zerreißen drohte. Er legte eine Hand auf die Schulter seines bebenden Bruders und versuchte schließlich die Situation mit Charme zu übergehen. Er hatte lernen müssen wie locker Alec mittlerweile sein Schwert, seine Faust oder auch sein Bogen saßen. Er war leicht reizbar geworden. „Also wenn Euch Schmiedssöhne dafür nicht genehm sind sollten Ihr wohl Eures Weges reiten ohne Eure Angelegenheit erledigt zu haben. Wie Ihr das allerdings Ihrer Majestät erklären wollt... der Antwort muss ich Euch leider schuldig bleiben. Vor Euch steht wen Ihr verlangt habt.“, gab ihm Jace Konter. Er hatte noch nie wirklich viel auf dieses 'besser als andere' Attitüde der oberen Klasse gehalten aber ernsthaft Streit mit einem Boten des Königs anfangen – das war sogar dem Hitzkopf bewusst – wäre ein dummes Unterfangen. Der Edelmann rümpfte pikiert die Nase über diese forsche Antwort, zuckte kurz beleidigt mit der Nase gen Himmel und streckte die Hand samt Schriftrolle in Richtung der zwei Jünglinge aus. „Wie dem auch sei. Sorgt dafür, dass die Nachricht an die richtigen Hände kommt.“ Offensichtlich glaubte er ihnen noch immer kein Wort. „Tut mir Leid, mein Herr... wir sind einfache Leute. Wir können nicht lesen.“, ergänzte Alec mit einem Ton, der wohl vom fremden als reuend wahr genommen werden konnte. Jace jedoch hörte diesen Funken Hohn in der Stimme und als er verwirrt zu seinem Bruder sah erkannte er diesen Funken auch in dessen Augen, auch wenn dieser die Lieder scheinbar schuldbewusst gesenkt hatte, bis seine Wimpern aus dem Winkel des Reiters seine blauen Iriden beinahe vollständig verdeckten. Ein abfälliges Schnalzen folgte und der Edelmann zog den Arm mit dem Schriftstück zurück. Die Abscheu stand ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen, aber dass er dafür den Schreiberling für Bauerntölpel spielen musste, darüber hatte ihn niemand informiert. „Ich wüsste nicht warum das mein Problem sein sollte. Lasst es euch doch beim nächsten Schreiber vorlesen. Was geht das mich an?“, versuchte er sich offensichtlich aus der Affäre zu ziehen aber der schwarzhaarige Bursche ließ nicht locker. „Ich glaube kaum, dass unsere Majestät erfreut darüber wäre auf eine Antwort zu warten, bis wir genug Geld zusammen gespart haben um uns diesen Dienst zu erkaufen. Wer weiß? Vielleicht denkt unser König bis dahin bereits, Ihr wärt Eurer Aufgabe nicht nach gekommen?“ Der Reiter beugte sich ein Stück tiefer herunter und musterte seinen Diskussionspartner mit einem schneidenden Blick aus grauen, kalten Augen. „Wie du meinst. Dann breche ich mit eurer Erlaubnis das Siegel.“, zischte er wie eine gereizte Schlange, richtete sich wieder auf und brach das schwarze Wachs auf dem indigoblauen Band. Bei der Bewegung kam Alec nicht umhin zu bemerken, dass das Wachs mit einigen feinen Metallpartikeln versehen war, dass es glitzerte wenn das Licht darauf fiel. Der Bote räusperte sich einmal laut, entrollte das Schriftstück und begann den Inhalt angenervt und lustlos vor zu tragen. Mit einer scheinbar nachdenklichen Geste, bei der sich Alec über den Nasenrücken und den Mund wischte versuchte er sein triumphierendes Grinsen zu vertuschen. Wann bekam man schon einen eingebildeten, blaublütigen Schnösel dazu einem etwas vor zu lesen? Wie selten kam man in den Genuss nicht herum geschubst zu werden sondern am längeren Hebel zu sitzen und einen Höhergestellten befehligen zu können? Ariuch würde bei ihm seit einigen Jahren wirklich viel zu schreiben haben um seine schlechten Taten im Buch seines Lebens fest zu halten. Schon während der Bote die Nachricht seines Königs vortrug hatte sich Jace zu Alec gewandt und diesen mit ungläubig geöffneten Lippen angestarrt. Eine Audienz... zu ihren Ehren... für ihre Taten... Sie wurden vom König persönlich eingeladen! Der Schwarzhaarige sah nun auch zu seinem Bruder und schürzte kurz unsicher die Lippen. Er musste an die Worte seiner Mutter denken: 'Vielleicht werdet ihr ja sogar zu Rittern geschlagen'. Es schüttelte den Älteren der beiden jungen Männer alleine bei dem Gedanken. Aber für ihre Familie wäre das eine so große Ehre, dass ein Ablehnen einem Hochverrat gleich käme. Der Bote musterte die beiden und Zog misstrauisch eine Augenbraue hoch: „Nun denn? Eure Majestät erwartet eine Antwort mit einem Datum.“, näselte er daher wobei er das Schriftstück wieder aufrollte um es anschließend wieder den 2 Männern hin zu halten. Alec griff danach und steckte die Schriftrolle in seinen Gürtel. Als er grade ansetzten wollte mit einem: „Ich denke wir werden einen Moment brauchen um uns Euer Angebot zu Gemüte zu führen“ fiel Jace ihm aber bereits ins Wort und rief euphorisch: „In 2 Tagen! In 2 Tagen würde es uns entgegen kommen!“. So schnell wie der Bote daraufhin genickt hatte, seine Zügel nahm und ohne eine Verabschiedung davon trabte hatte Alec schon nichts gegenteiliges mehr erwidern können. Wahrscheinlich war das genau der Grund des schnellen Rückzugs des Reiters gewesen, dachte der Latino. Räudiger Hund! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)