Und vieles mehr von jane-pride ================================================================================ Zweifel und Ängste ------------------ Die junge Verlobte sah sich nicht in der Lage an diesem Tag aufzustehen. Selbst bis zum frühen Nachmittag lag sie noch in ihrem Pyjama im Bett und versuchte eine Ordnung in das Chaos ihrer Emotionen zu schaffen. Allmählich glaubte sie jedoch nicht mehr daran, dass sie es jemals schaffen würde. Nachdem der Doktor Nathalie mitgeteilt hatte, dass sie schwanger war, war ihre erste Reaktion darauf gewesen, langsam und betäubt in ihr Bett zu kriechen. Zumindest fühlte sie sich wie betäubt, denn sie konnte nicht sagen, was sie genau fühlte. Hin und her gerissen von der Erkenntnis, dass in ihrem Bauch in den nächsten Monaten ein Baby heranwachsen würde, wusste sie nicht, ob sie sich darüber freuen oder in Panik ausbrechen sollte. Momentan war es eine Mischung aus beidem, wobei der Schock erstmal überwog. Zwar hatte die junge Frau endlich die Erklärung, warum sie vor einem Kleiderschrank grundlos in Tränen ausgebrochen war und noch wegen diverser anderer Kleinigkeiten, aber sie wäre nie darauf gekommen, dass eine Schwangerschaft die Ursache dafür sein könnte. Es erschien ihr alles so abwegig und irgendwie irrational. Richtig begreifen, konnte Nathalie es nicht. Überhaupt Mutter zu werden, hatte sie bisher noch nie in ihrem Leben in Betracht gezogen, schon gar nicht so früh, mit ihren gerade mal 18 Jahren.   Zweimal hatte ihre Mutter am frühen Morgen und im Laufe des Vormittags nach ihrer Tochter gesehen. Nathalie hatte sich geweigert zu frühstücken. Sogar das Mittagessen hatte sie abgelehnt und Felicitas hatte sich vorgenommen erstmal geduldig mit ihrem kleinen Mädchen umzugehen, die nämlich sehr gut nachvollziehen konnte, wie ihre Kleine sich momentan fühlen musste. Felicitas war nicht viel älter gewesen, als sie mit Elliot schwanger wurde. Doch damals war sie auch schon verheiratet gewesen, mit dem wunderbarsten Ehemann den es auf der Welt geben konnte. Es war für sie und ihren Mann die natürlichste Sache auf der Welt gewesen in dem Jahr nach ihrer Hochzeit ein Kind zu bekommen. Beide hatten sich sehr darauf gefreut. Ihre häusliche und finanzielle Situation haben es auch zugelassen ohne dass sie Einschränkungen zu erwarten hatten. Allerdings war es bei Nathalie ein wenig anders. Mit Mark war sie noch kein Jahr zusammen und ihre Hochzeit sollte erst nächste Woche stattfinden. Für die junge Frau waren es mit der Schwangerschaft, die aus heiterem Himmel aufgetaucht war, zwei sehr bedeutsame Lebensereignisse auf einmal. Felicitas konnte nachempfinden, dass es für ihre Tochter zu viel war und sie sich nicht besser helfen konnte, als in ihr Bett zu kriechen und alles andere um sich herum auszublenden. Eine unbeholfene kindische Reaktion, die eben auch zeigte, dass Nathalie nicht wusste, ob sie diese große Verantwortung, erstens eine gute Ehefrau zu werden und zweitens ein Kind zu erziehen, tragen konnte. Gegenwärtig sah sie sich außerstande, sich den herannahenden Veränderungen zu stellen, weswegen es die einzig naheliegende Lösung war, sich unter der Bettdecke zu verkriechen.   Wenn es nach Nathalie gegangen wäre, wäre sie die nächsten Wochen oder gar Monate nicht mehr unter ihrer Bettdecke hervorgekommen. Jedoch sah es ihre Mutter nicht so wie ihre Tochter. Felicitas hatte ihr Ruhe gegönnt, damit sie die überraschende Nachricht ein wenig verarbeiten konnte, aber dass sich ihre Tochter auf Dauer deswegen Verstecken wollte, dass kam für die fürsorgliche Mutter überhaupt nicht in Frage. Nachdem Felicitas an Nathalies Zimmertür geklopft hatte, trat sie kurz darauf ein und stellte fest, dass ihre Tochter sich keinen Millimeter gerührt hatte. Aufgrund dieses trotzigen und sturen Verhaltens, die so typisch für ihre Tochter war, wollte die Mutter schon genervt mit ihren Augen rollen, wie sie es immer tat, wenn Nathalie ihre Bockphase hatte. Aber in diesem Fall konnte Felicitas ihrer Tochter keinen wirklichen Vorwurf machen. Dafür waren die Umstände ihrer Tochter für sie nachvollziehbar. Trotzdem konnte sich die Mutter ein Lächeln nicht verkneifen, weil ihr dadurch bewusst wurde, dass Nathalie für immer ihr kleines Mädchen bleiben würde, egal wie viele Jahre noch vergehen würden. Entschlossen schritt Felicitas näher ans Bett heran und setzte sich auf die Matratze, um bald darauf über das weiche Haar ihrer Tochter streichen zu können. Einige Minuten vergingen, in denen Felicitas durch ihre Geste ihrer Tochter zu verstehen gab, dass alles gut werden würde und sie auf keinen Fall alleine war.   „Mein kleines Mädchen, es wird allmählich Zeit. Du kannst dich nicht ewig in deinem Bett verkriechen. Außerdem wartet Mark bestimmt schon auf dich. Du weißt doch, dass heute seine Eltern angereist sind.“ Mit behutsamer Stimme redete Felicitas auf ihre Tochter ein. Als sie Marks Eltern erwähnte, hatte Nathalie kurz geblinzelt, aber eine weitere Reaktion folgte nicht. „Nathalie, liebes, du wirst sehen, es wird alles gut werden. Erstmal wirst du nächste Woche einen lieben und wundervollen Mann heiraten, der dich über alles auf der Welt liebt und dich auf Händen tragen wird. Du wirst mit ihm ein glückliches und sehr schönes Leben führen, davon bin ich überzeugt. Zudem wirst du mit deiner zukünftigen Schwägerin unter einem Dach wohnen. Ich bin mir sicher, dass eure Frauenpower, dem guten Mark extrem viele Nerven kosten wird, aber er wird es über sich ergehen lassen, weil ihr die zwei wichtigsten Frauen in seinem Leben seid und er euch beide über die Maßen liebt. Du hast mir doch einmal erzählt, wie gerne du auf der Ranch bist und du dir vorstellen kannst, ein gemeinsames Leben mit Mark zu führen. Und Nathalie, zukünftig werdet ihr noch viele weitere Veränderungen erleben und gemeinsam daran wachsen und eure Liebe wird jeden Tag größer werden. Das ist normal und der Lauf der Dinge und…“ „Aber, ich bin jetzt schwanger.“ Es war das erste Mal, dass Nathalie diese Worte geäußert hatte. Davon erschrocken weiteten sich kurz ihre Augen und schüttelte danach heftig den Kopf. Doch für Felicitas war es ein gutes Zeichen, dass ihre Tochter im Begriff war diesen Gedanken anzunehmen und ihre Schwangerschaft damit zu akzeptieren. Zwar überforderte das Ganze die junge Frau, aber ihre Mutter sah, dass sie auf einem guten Weg war und letztendlich froh darüber sein würde, dass es so geschehen war. „Ja, mein Kind. Das stimmt. Und glaube mir, auch wenn du es dir jetzt noch nicht richtig vorstellen kannst, ein Kind zu bekommen, egal ob es das erste oder zweite Kind ist, ist die schönste und unglaublichste Erfahrung, die du in deinem Leben machen wirst. Es ist… wie ein Wunder. Ein wunder, dass dir zuteilwird und unbedingt genießen sollst. Natürlich wird es gute und schlechte Zeiten geben und von dir wird sehr viel abverlangt werden, aber jede Mühe wird sich bezahlt machen, sobald du dein Kind zum ersten Mal im Arm halten wirst. Dich und deinen Bruder zum ersten Mal gehalten zu haben, waren für mich die schönsten Momente und Augenblicke in meinem ganzen Leben gewesen. Zusammen mit deinem Vater haben wir unsere Wunder betrachtet und waren beide entschlossen euch zu lieben und zu beschützen, und das jeden Tag. So lange wir leben. Dass dein Vater uns so früh verlassen musste, war mit Sicherheit nicht fair gewesen. Dadurch wurde es für uns nicht gerade einfacher, aber ich kann mit Stolz sagen, dass ich unsagbar froh und glücklich bin, dass aus dir und Elliot zwei so wunderbare und pflichtbewusste Menschen geworden sind. Ein größeres Glück kann es für mich nicht geben und es bestätigt mir, dass ich meine Pflicht als Mutter einigermaßen erfüllt habe.“ „Nicht nur einigermaßen, “, Nach den letzten Worten ihrer Mutter rannen Nathalie die Tränen übers Gesicht. „ich finde, dass du es ganz toll gemacht hast. Als Ehefrau, Hausfrau und Mutter.“ „Mein kleines Mädchen.“, erwiderte Felicitas gerührt. Solche Worte wären bis vor kurzem niemals über die Lippen ihrer Tochter gekommen, weswegen Felicitas eine Träne nicht verkneifen konnte und ihre Tochter in eine innige Umarmung zog. „Ich habe wahnsinnige Angst, Mutter.“, schluchzte die junge Frau und verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen. „Ich weiß, meine Kleine. Aber du wirst nicht alleine sein. Mark wird dir beistehen. Gemeinsam werdet ihr das schon schaffen.“ „Aber…es ist zu früh. Ich weiß doch noch gar nicht, ob ich schon bereit bin Mutter zu werden. Ich habe nie gedacht, dass ich mal Mutter werde. Die Vorstellung ist…zu absurd. Diese Rolle passt nicht zu mir. Diese würde zu Julia und Chelsea, viel eher sogar noch zu Lana passen, als zu mir.“ „Du irrst dich, Nathalie. Auch du wirst eine wundervolle Mutter werden mit allem was damit einhergeht. Ich war stets überzeugt davon, dass auch du eines Tages Mutter werden wirst. Natürlich kann ich verstehen, dass das jetzt zu plötzlich und unerwartet kommt, schließlich lernen Mark und du euch noch kennen, aber ihr seid füreinander geschaffen, das hat mir jeder bestätigt mit dem ich mich über euch unterhalten habe. Sogar dein Großvater befürwortet eure Verbindung, und du weißt wie streng er sein kann, wenn ihm etwas nicht gefällt oder er jemanden nicht leiden kann.“ Ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf Nathalies Lippen. „Opa kann eine gewaltige Nervensäge sein.“, stimmte die junge Frau ihrer Mutter zu. „Ja, aber auch er war trotz allem immer an meiner Seite gewesen. Besonders nachdem euer Vater gestorben war, hatte er mir jeden Tag zur Seite gestanden und mir geholfen euch großzuziehen. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Das solltest du auch sein.“ „Und was ist, wenn auch ich…wenn auch ich m-mein Kind alleine erziehen muss?“ „Nathalie, nicht! Schon gut, nicht aufregen.“ Die verzweifelte Frau bebte in den Armen ihrer Mutter und eine Tränenflut rann über ihr Gesicht. „Nathalie, jetzt hör mir ganz genau zu. Solche negativen Gedanken solltest du dir niemals machen. Gewiss, niemand kann sagen, was morgen oder sogar in einer Stunde geschehen wird, doch du darfst niemals vergessen, egal wie schwer es sein wird: es gibt immer einen Weg und du wirst nie alleine sein. Glaub mir das, liebes. Du hast Familie und Freunde, die immer zu dir stehen werden. Das darfst du nie vergessen. Versprich mir das!“   Nathalie nickte, nachdem ihr Zittern aufgehört hatte. Im Grunde wusste die junge Frau, dass ihre Mutter Recht hatte, mit allem was sie sagte. Doch ihre Angst und Ungewissheit vor der Zukunft blieben dennoch und schnürten ihr beinahe die Kehle zu. Felicitas redete noch weiter auf ihre Tochter ein und sprach ihr Mut zu, so gut sie es konnte und hoffte, dass Nathalie in den nächsten Tagen wieder zur Ruhe kommen würde, um ihre baldige Hochzeit mit Mark richtig genießen zu können. Und was das wichtigste war, dass sie sich auf ihr ungeborenes Kind freuen konnte.                                                                                                 ~<>~   Auf dem Weg zur Starry-Sky-Ranch ließ sich Nathalie viel Zeit. Langsam und in ihren irreführenden Gedanken versunken setzte sie einen Fuß vor den anderen. Ihre Gedanken waren irreführend, denn inzwischen hielt sich die Pinkhaarige selber nicht mehr für normal, dass sich eine junge Frau wie sie, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, Gedanken darüber machte, ob sie ihr ungeborenes Kind in ferner oder naher Zukunft - es war ganz gleich - alleine großziehen würde müssen. Allein. Dieses Wort verursachte ihre Angst, weil sie nur zu genau wusste, was es bedeutete allein zu sein. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte Nathalie immer die Nähe zu ihrem Vater gesucht. Sie konnte mit ihm rumalbern, mit ihm Streiche spielen und er hatte ihr etliche aufregende Abenteuergeschichten erzählt, die Nathalie geradezu verschlungen hatte. Ihr Vater hatte sie nicht wie ein Mädchen behandelt und auf ein damenhafteres Benehmen gedrängt, wie ihre Mutter es früher getan hatte. Deswegen war Nathalie sehr oft neidisch auf ihren Bruder gewesen, weil er ein Junge war, und er ungefragt die Sachen tun konnte und durfte, die angeblich nichts für ein Mädchen waren. Sei es mit Holz hantieren oder mit Zahlen umgehen zu können. Zwar änderte sich alles, nachdem ihr Vater nicht mehr bei ihnen war, und Nathalies Mutter hinterher erleichtert war, dass sich ihre Tochter mit der Logistik des Transportwesens so gut aus kannte, was nebenbei bemerkt Elliot bis heute vor große Probleme stellte, aber mit dem Tod ihres Vaters hatte sie einen Verbündeten verloren. Seit dem fühlte sie sich allein. Es wurde mit der Zeit besser, besonders als sie Mark näher gekommen war. Bloß war es ihr Vater gewesen, der ihr alles beigebracht hatte, was sie heute wusste. Mit ihrer Mutter hatte sie es nie geschafft, dasselbe innige Verhältnis aufzubauen und es fiel ihr nach wie vor verdammt schwer, selbst wenn sie sie über alles liebte. Inzwischen vertraute sie ihrem Verlobten und war sich bis vor kurzem sicher gewesen, dass sie mit Mark eine noch viel tiefere Verbundenheit aufbauen konnte, aber kurz vor der Hochzeit schwanger zu werden, ließ viele ihrer früheren Zweifel wieder aufkommen, von denen sie geglaubt hatte, diese besiegt zu haben.   Ihre Mutter hatte ihr angeboten, sie zur Ranch zu begleiten, aber die junge Frau hatte darauf bestanden alleine zu Mark zu gehen und seine Eltern kennen zu lernen. Außerdem konnte sie auf dem Weg dahin ungestört ihren Gedanken nachhängen, was nicht unbedingt förderlich wegen ihrer Zweifel war. Dass sie sich überhaupt noch auf dem Weg gemacht hatte, ging auf die Hartnäckigkeit ihrer Mutter zurück, mit dem entscheidenden Argument, dass Mark sie irgendwann aufgesucht hätte und Nathalie wollte nicht, dass ihr Verlobter sie wie ein Häufchen Elend vorfand. Als sie am Tor der Ranch angelangte, kam wenige Sekunden später Mark auf sie zu gerannt. Denn er hatte am Fenster stehend nach ihr Ausschau gehalten und konnte es kaum noch erwarten seine Verlobte endlich wieder in die Arme schließen zu können und seinen Eltern den Menschen vorzustellen, den er über alles auf der Welt bedingungslos liebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)