Und vieles mehr von jane-pride ================================================================================ Verrücktes Leben ---------------- Vaughns Gedanken wollten an diesem Abend nicht zur Ruhe kommen. Zwei Tage waren seit Julias und Elliots Wiedersehensfeier vergangen. Intensiv hatte er über Chelseas Worte nachgedacht. Konnte es wirklich sein, dass er so unentbehrlich für seine Tante und den Laden geworden war, wie seine Freundin behauptete? Oder sogar für das gesamte Inselleben? War er ein wichtiger Teil der kleinen Gemeinschaft geworden ohne es bemerkt zu haben? Aufgrund dieser wirren und unklaren Gedanken hatte Vaughn seinem Kumpel bisher nicht geantwortet. Zudem lenkte ihn eine zweite Sache von dieser Angelegenheit ab: am nächsten Tag würde er Chelseas Eltern kennen lernen. Wie lernte man die Eltern seiner Freundin kennen? Bisher hatte es der junge Mann noch nie erlebt und sonderlich erpicht darauf war er ebenso wenig. Dieses zukünftige Treffen machte ihm Angst, und Vaughn hasste es Angst zu haben.   „Vaughn?“ Chelseas sanfte Stimme holte ihn aus seinen sorgenvollen Gedanken. Wahrscheinlich war es für beide der letzte gemeinsame Abend, den sie ungestört verbringen können bevor Chelseas Eltern auftauchen und die folgende Hochzeit von Nathalie und Mark vorbei sein würden. Und was machte Vaughn? Anstatt seiner Freundin Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, verschanzte er sich in seinem Kopf und versuchte Dinge zu begreifen, die so oder so auf ihn zukommen würden, ganz gleich was er auch tat.   „Entschuldige Chelsea.“ Langsam richtete sich Vaughn auf dem Sofa in seiner Wohnung auf und hielt der Braunhaarigen einladend seine Hand entgegen. Augenblicklich folgte sie dieser Aufforderung und legte sich mit dem Rücken zu ihm gewandt an ihn. Vaughn schlang seinen rechten Arm um Chelsea und beide verschränkten ihre Hände ineinander. „Machst du dir Sorgen wegen morgen, weil du meine Eltern kennen lernen wirst?“, sprach Chelsea sofort das heikle Thema an. Unwillkürlich seufzte Vaughn. „Ja.“, gestand er und vergrub sein Gesicht in ihre dichten Haare, die an diesem Abend nach Pfirsich dufteten. „Ich bin nervös, Chelsea. Muss ich irgendetwas Bestimmtes machen oder sagen?“ „Nein, mein Lieber. Sei einfach du selbst. Meine Eltern werden dir schon nicht den Kopf abreißen.“ „Und wenn doch?“ „Haha, das wird garantiert nicht passieren. In erster Linie werden sie wegen Mark kommen. Immerhin heiratet mein Bruder in einer Woche, weswegen er im Mittelpunkt von unseren Eltern stehen wird mit Nathalie zusammen.“ „Stimmt…hatte ich verdrängt.“ „Verdrängt? Du weißt schon, dass du Marks Trauzeuge bist, oder?“ „Verflixt.“, entfuhr es Vaughn lauter als beabsichtigt, weswegen Chelsea vor Schreck zusammenfuhr.   „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Langsam richtete sich die junge Frau auf und betrachtete still ihren Freund. Er sieht müde und abgekämpft aus, dachte sie. Als wäre er nicht richtig da. „Vaughn? Bedrückt dich noch etwas, außer die Ankunft meiner Eltern?“ „Wie?“, verwirrt, aber auch für einen kurzen Moment ertappt, sah er seine Freundin an. Dieser kurze Augenblick blieb Chelsea nicht verborgen. „Es ist nichts, Chelsea. Zumindest nichts worüber du dir Sorgen machen musst.“ „Vielleicht will ich mir aber Sorgen machen.“, erwiderte die Angesprochene und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme einen leicht gereizten und gekränkten Ton annahm. „Chelsea, ich…“ Ein zweites Mal seufzte Vaughn an diesem Abend, dabei war dieser Abend eigentlich nicht zum Streiten gedacht. „Bitte, glaube mir. Es ist nichts weiter, außer…Wie soll ich das erklären?“ Nervös fuhr sich Vaughn mit beiden Händen über sein Gesicht. Einem plötzlichen aufkommenden Drang nach sich zu bewegen, stand er auf und ging in die Küche. Nach wenigen Sekunden kehrte er wieder ins Wohnzimmer zurück und trat ans Fenster. Die Sonne war inzwischen fast komplett untergegangen. Das tiefe rot-orange beleuchtete den gesamten wolkenlosen Himmel. Es war ein herrlicher Anblick. Der junge Mann bemerkte erst, dass Chelsea neben ihn getreten war, als er ihre Hand auf seiner linken spürte und sie sich wie gewohnt an ihn lehnte. Für einige Minuten standen sie so schweigend da und beobachteten, wie die Sonne vollständig vom Himmel verschwand. Das Zimmer wurde in Dunkelheit getaucht, da keiner von beiden den anderen loslassen wollte, sei es auch nur für wenige Augenblicke, um den Lichtschalter umzulegen.   „Ich bin mir momentan nicht so sicher, ob ich hierher gehöre.“, offenbarte Vaughn der jungen Frau neben sich, die langsam ihren Blick zu ihm hob. „Eigentlich war meine Aushilfe im Laden meiner Tante nur vorübergehend gedacht. Inzwischen ist fast ein ganzes Jahr vergangen…indem viel passiert ist. Unerwartetes. Verrücktes, aber auch Schönes. Das Schönste davon bist du.“ Nach diesen letzten Worten neigte er seinen Kopf ein wenig und hauchte Chelsea einen Kuss auf ihren Scheitel. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich bin durcheinander, Chelsea. Mit dem, was ich hier auf der Insel dauerhaft machen soll oder will oder…ob es nicht besser wäre wieder aufs Festl-….“ „NEIN!“, rief die Braunhaarige aus und umfasste Vaughns Hand mit einem so starken Griff, dass diese schmerzte. „Sag das nicht! Sprich es nicht laut aus, bitte!“ „Chelsea.“ Beruhigend küsste er sie und zog sie tröstend in seine Arme, damit Chelsea ihr aufkommendes Schluchzen an seiner Brust dämpfen konnte. „Wein doch nicht.“ „Ich weine nicht. Aber ich will nicht, dass du diesen Gedanken auch nur in Erwägung ziehst von mir zu gehen.“ „Ich würde dich niemals verlassen, Chelsea. Wir bleiben zusammen, komme, was da wolle.“, beteuerte er ihr und streichelte ihren Rücken. „Und warum redest du dann vom Weggehen?“ „Sollte ich jemals wieder von dieser Insel verschwinden, werde ich dich selbstverständlich mitnehmen. Hast du denn selber nie daran gedacht, anstatt hier, drüben auf dem Festland zu leben?“ „Nein. Als Mark und ich hierher kamen, war uns beiden auf der Stelle klar, dass das hier unser zu Hause ist. Daran wird sich nichts ändern.“ „Obwohl du und dein Bruder das Stadtleben kennt, zieht ihr dieses…Eiland vor?“ „Ja.“, beharrte Chelsea und musste grinsen. „Wenn ich dich so ansehe Vaughn, bist auch du richtig hier. Ist dir denn gar nicht aufgefallen, dass du eben das poetische Wort für Insel benutzt hast? Zumindest kannst du nicht leugnen, dass das Leben dir hier nicht gefällt. Du bist bloß zu stur und verbohrt, um zu erkennen, was du hier alles hast…und bekommen hast. Das du mich hast.“ Die letzten Worte hatte Chelsea bloß noch geflüstert. Langsam fuhr sie mit ihren Händen über seine Brust und reckte ihr Kinn, um seinen Hals zärtlich küssen zu können. „Wir haben hier doch alles. Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, ob du hier richtig bist oder nicht. Denn du bist es, Vaughn. Absolut.“   Besitzergreifend schlang Chelsea ihre Arme um Vaughns Nacken und nahm ihn in einem wilden Kuss gefangen. Zunächst hielt sich Vaughn noch zurück, doch dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und gab sich mit derselben Intensität ihren gemeinsamen Kuss hin. Wahrscheinlich hatte Chelsea Recht und Vaughn dachte zu viel nach. Nur in ihren Armen vergaß er all seine Zweifel und inneren Unruhen, denn sie holte ihn stets aufs Neue ins Hier und Jetzt zurück und zeigte ihm deutlich, was für ihn zählte und auch wichtig war. Sie war sein zu Hause. Wo auch immer Chelsea leben wollte, da würde auch er leben. Ohne Wenn und Aber.                                                                                   ~<>~   Im Haus des Bürgermeisters Taro saßen seine Tochter Felicitas und sein Enkel Elliot am späten Abend in der Küche und rührten beide gedankenverloren in ihren Teetassen rum. Bis auf das Klirren der Löffel, die gelegentlich an den Tassenrand stießen, war kein Geräusch im Haus zu vernehmen. Taro lag bereits im Bett und Nathalie hatte sich den gesamten Tag in ihrem Zimmer verkrochen, um ihrer Mutter und Bruder aus dem Weg zu gehen. Die besorgte Mutter hatte Chelseas Worte an jenem Abend, als ihr Sohn und seine Freundin heil und gesund von ihrer Reise zurückgekehrt waren, ernst genommen und am darauffolgenden Tag versucht mit ihrer Tochter ein einfühlsames Gespräch zu führen. Es war schwer gewesen ihrer Tochter auch nur einen einzigen sorgenvollen Gedanken zu entlocken, weil jeder wusste wie stur und hartnäckig Nathalie sein konnte, wenn sie partout nicht über ihre Gefühle reden wollte. Jedoch, irgendwann war ihre Abwehr überwunden worden und sie sprudelte wie ein Wasserfall all ihre Sorgen und Ängste gegenüber ihrer Mutter aus. Für die Mutter war es ein Schock gewesen, ihre geliebte Tochter so verzweifelt zu sehen, obwohl sie keine Sekunde daran gezweifelt hatte, dass Nathalies Gefühle für Mark echt waren und sie auch gewillt war ihn zu heiraten. Es stellte sich heraus, dass der Pinkhaarigen die bevorstehende Lebensveränderung ängstigte, beziehungsweise überforderte. Zwar wohnte Nathalie bereits seit mehreren Monaten quasi auf der Ranch und mit ihrem zukünftigen Ehemann und Schwägerin unter einem Dach, bisher hatte es die junge Frau auch nicht geängstigt, aber schon sehr bald sollte es offiziell und amtlich gemacht werden, dann würde es kein Zurück mehr geben. Natürlich wollte Nathalie auch diesen Schritt gehen, und sie würde es in einer Woche auch tun, dass einzige, was sie wollte, war ihre negativen Gefühle in dieser Angelegenheit über Bord zu werfen und jeden Morgen fröhlich beschwingt in den Tag stürmen. Bloß fühlte sie sich seit einiger Zeit so komisch. Nicht nur, dass sie hin und wieder Zweifel überrollten, zusätzlich fühlte sie sich oft unwohl und ihr war leicht schwindelig. Diese Symptome konnte sie sich bisher nicht erklären, weswegen ihre Panik vor der Hochzeit dummerweise wuchs.   Aber, seit heute Vormittag hatte Nathalie die Antwort auf all ihre Beschwerden. Ihre Mutter sah sich in ihrem Verdacht bestätigt, nachdem sie alles aus ihrer Tochter herausgekitzelt hatte. „Nun,“, durchbrach Elliot nach einer halben Ewigkeit die Stille. „ändern können wir es nicht mehr, und eigentlich ist es doch eine sehr freudige Nachricht.“ Der junge Mann hatte an diesem Abend von Nathalies Zustand erfahren. „Wie hat Mark es aufgenommen?“ „Mark weiß es noch gar nicht. Nachdem der Doktor wieder gegangen war, habe ich Nathalie angeboten, die komplette Woche bis zur Hochzeit hier bei uns zu wohnen, damit vor allem ich ihr besser helfen kann. Außerdem muss das Hochzeitskleid noch angepasst werden und andere Dinge stehen noch an, die organisiert werden müssen.“ „Aber Mark muss es doch erfahren.“ „Das wird er auch. Mach dir keine Sorgen, Elliot. Und ich stimme dir zu, es ist eine freudige Nachricht. Momentan sind wir alle nur überfordert, weil man mit sowas so plötzlich nicht gerechnet hat.“, lächelte die Mutter ihrem Sohn zu. „Meine kleine Schwester.“, seufzte Elliot, hatte aber ebenfalls ein Lächeln im Gesicht. „Schon verrückt, wie das Leben manchmal so spielt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)