Schall von Gezeitenfeuer ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Zwerge waren ein Grauen. Zwergenkultur war ein Grauen. Ihre Philosophie IST ein Grauen und ihre Sturheit sollte nicht als legendär bewundert werden. Aber anscheinend hatte er dahingehend keinerlei Mitspracherecht. Vielleicht hätte er sich vorher auch besser vorbereiten sollen oder nicht gleich komplett auf seinem Status pochen? Doch das käme einem Schuldeingeständnisses gleich und Magier HATTEN einfach keinerlei Schuld. Er schon einmal gar nicht. Es war wirklich keine Glanzleistung und Zwerge so unglaublich unkooperativ, egal wie vernünftig man ihren Handelssinn beschrie. Oder er hatte in den letzten MONATEN einfach Lenikis Segen auf sich Liegen gehabt und natürlich nur die Gesellschaft jener Zwerge genossen, deren Sturheitsanteil ihren Geschäftssinn bei Weitem überwog. Ein Husten. Trocken und unproduktiv. Seit Wochen plagte ihn dieser staubtrockene Reizhusten und wollte partout nicht weichen. Nun, wäre das sein einziges Problem, wäre seine Erwähnung alleine einfach nur lächerlich zu nennen. Die Biester waren natürlich auch...nun...biestig. Seit einiger Zeit bereits. Das war sicherlich der Grund, warum sie sich so ignorant gaben. Auch für sie waren dies lange Monate und für einen kleinen, kurzen Moment kam so etwas wie Empathie aus seinem Innersten hervor, der die engen Käfige als suboptimal für eine Spezies bezeichnen wollte und konnte, deren Hauptbewegungsart auf Gleiten und Klettern zu begrenzen war. Dann verschwand auch dieser Gedanke und das Hier und jetzt trat wieder deutlich hervor. Er hatte erwähnt, wie grauenhaft Zwerge waren? Dieses ganze hinterwäldlerische Kaff war hinterwäldlerisch, aber hier war untergründige Hinterwäldlerei. Wobei hier der Neid sprach. Die Architektur war effizient, bahnbrechend und imposant. Die technischen Entwicklungen waren bemerkenswert und überaus interessant – ihre Sitten dagegen. Man hatte ihm einen wuchtigen, auf Hochglanz polierten Kerzenständer für seine Räumlichkeiten bereit gestellt gehabt. Einen Kerzenständer. Nachdem er durch mehrere Gänge und Räumlichkeiten geführt worden war, die entweder durch Feuerschalen, oder Fackeln erhellt wurden. Man sah teilweise noch Mörtel- und Staubspuren, wo in der Hast Halterungen für besagte Fackeln in die Wand geschlagen worden waren. Er erwähnte nicht, dass er bereits das berüchtigte unmagische Licht gesehen hatte, auch wenn man ihm keine Möglichkeit gegeben hatte sie näher erkunden zu können oder was auch immer sie sonst hier versuchten zu vertuschen. Er versuchte ebenfalls nicht ganz so frustriert zu fluchen, als man ihm auch im Hargtal davon abhielt die "Landschaft" zu genießen. Oh, er hatte eine Führung bekommen. Und sehr detaillierte Berichte über Schmiedekunst, Gesteinstransport und die genaue Herstellung von Weingläsern. Und er war sich sehr sicher, dass Begriffe verwendet worden waren, die gar nicht existierten, keinen Sinn ergaben und sein Führer eine morbide Befriedigung daraus zog, dass er bereits nach einer Viertelstunde rasende Kopfschmerzen gehabt hatte. Die einzige Genugtuung: Die Führung wurde beendet, bevor er sie hätte abbrechen müssen. Eine Schmach weniger und er hatte beileibe genügend einstecken müssen. Alleine die Unkosten! Keiner, wirklich KEINER hatte auch nur in Erwägung gezogen mit ihm in der gängigen Landessprache zu sprechen und er war sich sehr, sehr sicher einige dieser Zwerge dabei gesehen zu haben. Aber nein, der Herr Magier konnte ja in miesen Gegenden herumstochern, um einen Zwerg zu finden, der ihn für blanke Münze Zwergisch beibrachte und natürlich hatte es insgesamt drei verschiedener "Lehrer" bedurft um sich abzusichern keinen Nonsens aufgetischt bekommen zu haben. Er hoffte inständig, wirklich bitterlich, dass es die Mühen wert sein würde. Man trat einer Loge nicht ohne weiteres bei und sein Gönner hatte sehr deutlich gemacht, dass er schon herausragende Leistungen zeigen müsse und Kreativität. Er war sich wirklich nicht mehr sicher, ob die zugeloste Aufgabe nicht ein besonders böswilliger Streich darstellen sollte. Nun, es hätte schlimmer kommen können? Sein Kollege hatte eine Aufgabe zugeteilt bekommen, die Naga involvierte. Wenn er so darüber nachdachte, hatte er auch wirklich lange keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Es war während der Führung, als er sie zuerst gesehen hatte. Ein flüchtiges Hinschauen und Hindurchstarren seinerseits, ohne wirklich zu realisieren. In Rückansicht hätte es ihn vielleicht wundern können, was ein wild gestikulierendes Kind an einer Esse zu suchen hatte und versuchte einen genaueren Blick darauf zu werfen, was der dort tätige Zwerg tunlichst mit seinem Körper abzublocken versuchte. Wo er sie allerdings mitbekam: Er rempelte sie an. Von Absicht konnte hier keine Rede sein, denn Zwerge waren so schon wirklich anstrengende Gesprächspartner, wenn keine Stühle involviert waren um den Nacken wenigstens etwas entspannen zu können. Doch diese winzige Göre? Ja, er war wirklich groß. Groß und dürr, und sie hatte sich einfach außerhalb seiner Peripherie bewegt gehabt. Er lief quasi in sie hinein und war vollkommen irritiert, dass dort ein Widerstand war, wo zuvor keiner gewesen war. Sein Schnauben und unartikuliertes Grummeln mochte nicht nett und die adäquate Reaktion gewesen sein und somit kam er wirklich nicht dazu sich herablassend höflich zu entschuldigen, aber er konnte nun wirklich nichts dafür wie einer seiner "Begleitung" und "Ehrengarde" das Mädchen etwas unsanft an der Schulter hochzog, sie kurz nach rechts und links drehte, zufrieden nickte und sie barsch nach Hause schickte und sollte er sie hier noch einmal erwischen, bringe er sie persönlich bis zur Türschwelle. Mit einem Schubsen in die richtige Richtung war das Kind verschwunden. Bei der nächsten Begegnung konnte man ihm nun wirklich nicht vorhalten keine Verknüpfung gezogen zu haben. Ja, die rote Mähne war sehr auffällig und die Sommersprossen und die wirklich kleine Größe – aber hier lief jeder dritte Zwerg in mehr oder weniger gefärbter rötlichen Haarpracht herum. Außerdem war sie staubig und dreckig gewesen, die Kleider etwas zerrieben, als sie hingefallen war. Woher sollte er also wissen, das es dasselbe Zwergenkind war, dass dort schräg ihm gegenüber saß und zwischen offenem Interesse starrte und leichtem Unbehagen den Blick ständig hastig abwandte. Er bekam leider nicht den Luxus wenigstens seine Mahlzeiten in Ruhe einnehmen zu können. Nun musste er auch noch höflicherweise in Gesellschaft essen, obwohl ihm so gar nicht der Sinn nach Nahrung stand. Und der Wein war grässlich schwer, rauchig und bitter. Nach seinem ersten Besuch einer Zwergenstadt hatte er sich geschworen Schnaps und Bier so weit aus dem Weg zu gehen, wie nur irgendwie möglich – und Zwerge waren definitiv NICHT für ihre Weine bekannt. Er konnte wirklich nicht abwägen, was eine größere Katastrophe war: Seine vehemente Ablehnung von irgendetwas anderem als Wein, oder die Folgen die der Konsum stärkerer Getränke mit sich führen würde. So gesehen war die Konversation so seicht und freundlich, wie er es nur erwarten konnte: Familie Kupferschlag war die Ausgeburt eines Granits. Die resolute Dame hatte ihn mit einem Blick taxiert, der ihn für einen Moment ins Bewusstsein rief, dass es wirklich eine Ehre war ihn für die Mahlzeiten herumzureichen und ihn erduldete und er sich auch geehrt zu fühlen HATTE. Es war auch ausgerechnet sie, die das Zepter in der Hand zu haben schien, denn ihr eisernes Schweigen und die tödlichen, abwertenden Blicke erstickten sämtliche Konversation in seine Richtung. Er hatte...wage...eventuell gehört, wie hoch die Meinung...einiger...Zwerge bezüglich Magier und Magie verhielt. Aber es war das erste offensichtliche Anzeichen, wie ungebeten er wirklich war, oder eher: Er FÜHLTE sich zum ersten Mal wirklich unerwünscht. Das war...neu und das Essen dementsprechend eine Qual. Jetzt hätte er eine Verknüpfung ziehen können, denn er lief wieder in das Mädchen hinein. Scheinbar hatte sie so schnell ihren Platz verlassen gehabt, um hinter dem Torbogen zu stehen, als er dort abbog und über sie stolperte. Und ja, das Grunzen seinerseits wiederholte sich. Nein, es war kein überraschtes Quietschen gewesen. Und er hatte definitiv nicht simultan mit dem jungen Kind zusammengezuckt, als hinter ihnen Lubra Kupferschlag sich geräuspert hatte und ihre Tochter in schneidend höflichem Ton bat mit ihr zu kommen. Auch hier kam wieder ein Funken Mitgefühl auf. Nur kurz, es wurde überlagert von der irrationalen Erleichterung, dass man nicht IHN "gebeten" hatte. Danach wurde es selbst für ihn deutlich sichtbar und er begann Verknüpfungen zu erstellen. Nun, nein, das war eine Lüge. Er regte sich darüber auf wie viele nervtötende Kinder dieser Steinklotz eigentlich beherbergte. Die Beschaffung von passenden Nahrungsmitteln war bisher immer eine Qual gewesen, egal in welchem unterirdischen Kasten er nun jetzt wieder war. Die Variation an Weigerungen reichte von: "Sollen'se halt Magie fressen." über "Gibt nichts anderes." zu "Unsere Händler stehen euch sicher mit Rat und Tat zur Seite." Was ihn nun jedes Mal in die Verlegenheit brachte passendes Futter zu beschaffen zu Wucherpreisen. Laut seinem geführten Buch bevorzugten die Kreaturen eine Diät aus mehreren Sachen in unterschiedlichen Zugaben und mit Abwechslung. Bisher war es ihm nicht gelungen herauszufinden, ob sie einfach nur verwöhnt waren, oder wirklich darauf angewiesen waren die teilweise extreme einseitigen Materialien ständig wechseln zu müssen. Er hatte nur definitiv nicht genügend Exemplare, um es darauf ankommen zu lassen. Also kaufte er ein. Poröse Würmer, blinde Käfer und Insekten, verschiedene Moose und auch einige Mineralien. Und wie immer wurde er schräg dabei angeschaut. Bisher hatte er in den Monaten auch nur einen einzigen Zwerg erlebt, der ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass das leuchtende Moos bei Kontakt feine Schleimhautreizende Sporen abgibt. Was für freundliche Gesellen! Ja, und auch jetzt gab es nur skeptische Blicke, keine Warnungen. Die Stimmung war so erheitert und entspannt, dass man zwischen den verstimmten Blicken von Händlern und Handelnden und seiner "Schutzgarde" schneiden konnte – oder verbrennen unter den glühenden Blicken und unausgesprochenen Machtkämpfen, die hier ausgefochten wurden. An und für sich konnte man der Situation ja auch etwas Humor abgewinnen. Er selbst stakste wie ein Storch durch eine Welt voller Stockenten, die sich bekeiften und wichtig taten. Vielleicht war es auch dieser Galgenhumor, der ihn aufschauen ließ, oder wieder einmal der Wunsch die Wirbelsäule zu entlasten, denn es war mit der Zeit WIRKLICH anstrengend dauerhaft seinen Blick nach unten wenden zu müssen. Er blinzelte, einmal, zweimal, aber das Bild blieb dasselbe: Da stand eine rothaarige Zwergin auf einem soliden Karren, winkte, fror ein, als sie seine Aufmerksamkeit hatte und fuchtelte abermals etwas langsam mit den Armen. Das war solch ein unerwarteter Anblick, dass er wirklich innehielt und seiner Wache die Gelegenheit gab aufzuhören seine Umwelt mit Blicken nieder zumachen und seinem Blick zu folgen. Er bewahrte Fassung! Ja, das tat er! Er zuckte erst zusammen, als der Zwerg, neben sehr leisen unsittlichen Flüchen (Und ja, er kannte sie. Man hatte versucht sie ihm unter anderem Kontext unterzujubeln), anfing quer über den Platz zu brüllen, dass das arme Kind vor Schreck hinterrücks hinunter plumpste. Für einen Moment verlor er eine Wache, die sich über den Platz pflückte und mit schlechtgelaunter Miene und weiteren Flüchen zurück trat. Und ja, er fragte sich wirklich, was diese Zwerge hier bitte mit ihren jungen Leuten hatten. Er wusste zum Glück nicht, was sein unfreiwilliger Bewunderer bereits getan hatte. An diesem Tag hatten sehr viele Zwerge sich einer kleinen Naturgewalt gegenüber gesehen, und mussten Rede und Antwort stehen, getrieben von einer Idee und der Neugier. Die Vorführung war dieses Mal ein volles Desaster. Es fing damit an, dass er seinen Gästen, wie immer und als braver Magier, anbot ihre Sichtweisen anzupassen. Natürlich nahm man das falsch auf, auch wenn er immer noch nicht wusste WARUM. Die Halle war in beinahe Dunkelheit mit sehr schwachen Lichtverhältnissen und das wusste der Kupferschlag-Clan bestens – immerhin war es ihre Halle. Was nutzte es, wenn sie blind wie die Maulwürfe da stünden und einfach absolut nichts mitbekommen konnten? Wo lag da der Nutzen für irgendwen? Also ja! Er bot an nachzuhelfen...und wurde mit einem sturen Blick belohnt und einem Handzeichen, woraufhin sämtliche Anwesende fein gearbeitete, dunkel glasige Brillen aufsetzte. So viel dazu. Das nächste Desaster war das Einfangen der Biester. Zu Vorführungszwecken brauchte er mindestens eine der Kreaturen, doch zu ihrem eigenen Schutz musste er sie präparieren und sie waren heute besonders unkooperativ. Er zog sich mehrere Bisswunden an den Händen zu, trotz Handschuhe, und einen tiefen Kratzer im Gesicht. Erst mit der Fixierung eines festen, blickdichten Tuches über den Kopf der Wesenheit kam er zurück zu der Gesellschaft und begann seinen Vortrag. Moment...seine Steinformation war etwas verrutscht. Die äußerst seltenen Materialien waren definitiv nicht so angelegt gewesen, wie er sie nun vorfand. Also versuchte er mit einer Hand den Körper des Wesens an sich zu drücken, mit der anderen seine Anreihung wieder zu sortieren. Ein weiterer Kratzer, der ihm einige Löcher in einer Robe bescherte, das Herunterfallen eines der Steine und dazwischen: Stoische Blicke und absolutes Nicht-Rühren der Zuschauer. Die bittere Erkenntnis, wie man ihn still belächelte und vorführte. Ein Moment Unaufmerksamkeit und die Wesenheit löste sich aus seinem Griff und verschwand schneller an der Wand, als er überhaupt realisieren konnte was passiert war. Und bevor er die Exponate ordentlich aufstellen konnte, fingen sie an in unterschiedlicher Stärke und unregelmäßig abwechselnd zu leuchten. Dort glühte ein Stein in tiefen Rot auf, da flackerte es bräunlich, auf der anderen Seite kam ein kurzes Zucken in hellem Blau. Die Kopfschmerzen, die er zuvor bereits gehabt hatte, wurden nun rasend, die Tragweite seines Versagens so greifbar, dass er seine Konzentration verlor. Stolpernd kniete er nun auf dem Boden, tastete nach seinen Steinen und schürfte sich nicht nur Knie, sondern auch Handflächen auf. Er hörte sogar das leise, sehr feine Scharren und ahnte welcher Stein als nächstes Aufleuchten müsste. Wenigstens schienen sie die Türen wirklich geschlossen gehalten zu haben. Er versuchte sich zusammenzureißen, versuchte seinen Vortrag herunterzuleiern, zu unflexibel um auf die neue Situation einzugehen und einfach während des erneuten Aufbaues das Gesehene aufzuarbeiten. So war er noch bei der physischen Erscheinung des Ichos, obwohl nicht ein einziger einen hatte sehen können, als mit einem "Wir haben genug gesehen" die Veranstaltung einem frühzeitigen Ende bereitet wurde. Es reichte noch, dass er ein "Licht auslassen" knurren konnte und damit war auch seine Chance im Hargtal verspielt. Es nutzte nichts, er tastete weiter, suchte Steine zusammen, stolperte umher. Sie vertrugen kein übermäßiges Licht und hatten halbstarre Lider, die ihnen keinerlei Schutz boten vor Helligkeitseinfall. Zwar besaßen sie eine Nickhaut, die durchaus Schutz vor Staub und Geröll bot – mit ihrer beinahe Durchsichtigkeit half sie keinen Deut bei ihrer Lichtempfindlichkeit. Nun, er überlegte wirklich, ob er Licht hereinbrachte um es zu paralysieren, doch noch hoffte er auf einen einfacheren Weg. Sollte er es ausgerechnet an der Decke damit paralysiert haben, und diese Halle war verdammt groß, würde er sie auch erst einfangen können, wenn er sie gefunden hatte, eine Leiter bekam oder die Starre abfiel und er Köder verwendete. Den dafür vorgesehenen Käfig hereinzubringen war eine Qual, ihn richtig aufzuspannen, war noch eine deutlich größere Qual, ihn zu bestücken, ohne mit der eigenen Hand stecken zu bleiben, war unmöglich. Es waren jetzt seine eigenen Flüche in seiner Heimatsprache, die er ausstieß und die in ein wirklich erschrockenes Kreischen gipfelten, als er am Handgelenk gepackt wurde und mit wenigen Handgriffen der Käfig fachgerecht geöffnet worden war. Er sah natürlich immer noch nichts, doch das gemurmelte und hastige und sehr oft wiederholte "Entschuldigung!" war weiblich, zwergisch und jung. Statt eines Namens fing die ominöse Gestalt an zu fragen, warum der Käfig so grob und ineffizient sei, dass er verbogen, die Materialien schwach seien, ob es was mit den Wesenheiten zu tun hätte, ob sie genau diese Bearbeitung brauchte und wie sie denn genau aussähen. Und stimmte es, dass sie für das Leuchten verantwortlich wären. Was sagten die unterschiedlichen Farben aus, was für Mineralien waren das, wie kommt es das....das war dann auch der Punkt wo seine eigenes Gehirn sich wieder anschalte, zwar immer noch nicht wirklich beisammen, aber er hob abwehrend die Hände. Er stand auf, klopfte seine Kleidung behelfsmäßig ab, starrte in die Richtung, in der er ganz schwach einen Schemen ausmachen konnte und gab in seinem freundlichsten herablassenden Ton kund, dass er einen Vortrag zu halten gedachte und man diese Sachen dort hätte erfahren können. Ein enttäuschter Laut drang an seine Ohren und er sah wirklich deutlich, wie die Gestalt etwas zusammenschrumpfte. Vielleicht war es der Enthusiasmus, der in den Fragen stand, oder der aufrichtige Ton in diesem kleinen Laut. Er lenkte ein. Sie hatten da immerhin ein Höhlenkreatur einzufangen. Während sie also den Käfig ordentlich aufspannten und bestückten, fing er an nun wirklich seinen Vortrag zu halten. In dieser Geschichte blieb unerwähnt woher diese Wesen kamen, im Gegenteil. Er dichtete sie einem Kontinent an, wo definitiv keine Zwerge angesiedelt waren, die es hätten bestätigen können. Wenn man es genau nahm war es nicht einmal eine große Lüge. Sie KAMEN von dort, sie waren nur nicht heimisch oder natürlichen Ursprungs. Die kleinen, flachen, bepelzten Wesen waren die erfolgreichen Nebenprodukte einer nicht ganz so erfolgreichen Experimentgruppe geworden. Nein, auch das war eigentlich nur eine Beschönigung. Aber das erfuhr sein eifriger Zuschauer so oder so nicht. Auch nicht, wie man regelmäßig die öde Wildnis durchforstete, um zu schauen, was Phylia in Kombination mit ungewöhnlichen Umwelteinflüssen hervorbrachte und wie gut es sich nutzen ließ. Sein Zuschauer erfuhr stattdessen, was seine Eigenschaften waren. Der fragile flauschige Fledermausähnliche Bau mit eine überproportionalem großem Kopf, riesigen Augen und großen Ohren. Lange Gliedmaßen, die mit bepelzter Hautfalte überspannt waren und die Kreatur zu einem begnadetem Kletterer machte, und einem Gleitflieger auf kurze Distanzen. Die Lichtempfindlichkeit, die seltsame Diät, die Fähigkeit sich ihrem Untergrund halbwegs anpassen zu können, so wie ihr strähnig wirkendes Fell in grobe Muster legen zu können, um ihnen im Notfall die Strukturillusion von groben Stein geben zu können. Die Tatsache, dass sie sich nicht artikulieren können und aus den Mäulern mit den spitzen Zähnen keinerlei selbsterzeugter Laut drang. Wie sie erstarrten beim Aufleuchten von warmen Licht und in eine Paralyse fielen. Mittlerweile hatten sie die Halle verlassen und sich in einen Nebenraum bewegt, wo Mobiliar mit Gepäck bedeckt war. Hier, nachdem er seine Türe fest verschloss und eingestehen konnte, wie praktisch zwergische Architektur war, die WIRKLICH keinen Lichthauch hinausließ, wenn man das nicht wollte. - Hier, hier redete er weiter und sah übrigens auch, wer sein Gast eigentlich war. Natürlich war es die Zwergin, in die er bereits den ganzen Tag ständig hineingelaufen war. Doch wo sie ihn nun mit so großen Augen anschaute und beinahe selbst paralysiert seiner nasalen Stimme lauschte, konnte er ihr nicht einmal böse sein oder pikiert. Die erstaunlichste Eigenart war etwas vollkommen anderes: Ihre Fähigkeit Schall zu erzeugen, wie es ihre natürlicheren Vettern taten. Doch anders als diese war ihre Frequenz solcherlei gestaltet, dass sie auf bestimmte Mineralien reagieren konnte. Da war auch der Moment, wo sein Gast vom Stuhl fiel und aufsprang und lossprudelte. Genau das hätte sie bereits geahnt auf Grund der aufgeschnappten Gerüchte und das die neue Anordnung sehr viel deutlicher zu sehen sein müsste, wie sie anhand der Größe der Steine, ihre Ausrichtung und ihren eigentlichen Eigenschaften ausgegangen war. Auch hier kam zwischen den Worten Entschuldigungen und Erklärungsversuche, denn es war natürlich nicht nett gewesen sie einfach flink zu verändern, ohne zu fragen und ihre Mutter war nicht begeistert gewesen. Sie fragte Fragen, deren Sinn sich ihm nicht einmal erschlossen, neben dem offensichtlichen, woher sie wusste, was für Eigenschaften die Mineralien hatten. (Gut, es waren Zwerge, wahrscheinlich rochen sie es einfach?). Vorrechnen der Größe des Raumes und ob er bewusst die Steine so ausgerichtet hatte und welchen Nutzen es hatte. Welche Frequenzbereiche und ihre Versuche die Wesen zu orten. Und natürlich war ihr bis zu diesem Moment nicht klar gewesen, welche Eigenschaften sie gehabt hatten, ihre Größe und Volumen. Irgendwann zwischendurch wurde ihm bewusst, was dieser blasse Geist eines Zwerges getan hatte. Wollte sie ihm weiß machen, dass sie, ohne zu wissen, was und wie die Ichos agierten, ohne zu wissen worauf die Mineralien reagierten, berechnet hatte wo die Kreatur sich während der Dunkelheit aufgehalten hatte, und gleichzeitig wie sie die Lagerplätze besagter Steine verbessern konnte? Seine verdutzte Miene animierte sie zu einem Exkurs in Bahnberechnungen, Schwingungen, Ausbreitung von Schall und Licht und wie man mit wenigen Zahlen das komplette Konzept umsetzen konnte. Die Kopfschmerzen steigerten sich, bis sie einfach nicht mehr existierten. Es dauerte wirklich einige Momente, wo er sich zu sammeln hatte, nachdenken und seine Gedankengänge zusammenzukleben hatte, damit so etwas wie eine Argumentationsreihe daraus entstand. Das Mädchen machte es natürlich auch nicht besser, indem sie sein Schweigen ständig unterbrach um noch einen Einwand hineinzupacken. Als er sich gefangen hatte: Er setzte seinen Vortrag an der Stelle fort, wo sie ihn unterbrochen gehabt hatte. Wie die Tiere in kleinen Verbänden lebten und gemeinsam Stollen erkundeten, wie sie von besonderen Mineralien und Stoffen angelockt wurden und sie mit Schall orteten. Zwar waren sie Lichtempfindlich, aber normalerweise war die Konzentration der gebrauchten Materialien so gering, dass man höchstens ein leichte Glitzern bemerken konnte. Doch es ging weiter. Er erzählte, wie genau sie Stollen vor dem Betreten erkundeten und abwägen, ob er ihnen gefährlich werden könnte. Und er holte weit aus, um die Vorzüge dessen zu erläutern. Ihm selbst waren nur zwei Abrichtungsversuche gelungen. Und diese waren bereits, laut seiner Meinung, bahnbrechend genug. Immerhin konnte man, in der Theorie, und mit genug Feingefühl diese Wesen sicher auf bestimmte Erzvorkommnisse und Mineralien abrichten. Die Frequenz ging immer ein Stück in den Stein hinein und die Wesen waren in der Lage die Resonanz zu bestimmen – denn so wussten sie auch wie stabil ein Stollen war und ob er Nahrung bot. Natürlich konnte man diese flinken Geschöpfe auch dazu nutzen, dass Höhlen und Tiefen auf Gefahr prüften, oder ob und welche Größe an Wesenheiten sich in ihnen befand. Oder man tat das, was er hatte demonstrieren wollen: Man las sie einfach, indem man mehrere Exponate hatte, die Wesenheit losschickte und aus den zurückgeworfenen Schallwellen und daraus resultierendem Leuchten interpretierte, was sie "sah". Er erwähnte natürlich nicht, wie viele Probleme er mit ihnen hatte, wie unsagbar stur diese Biester waren (Nein, er wollte nicht einsehen, dass er einfach kein Händchen für sie hatte) und das ihre Rückkehrrate überraschend niedrig war. Sie bauten keine Loyalität auf und kehrten nur zurück, wenn die Nahrung einfacher und exquisiter war als das, was sie da eventuell in dem unbekannten Stollen gefunden hatten. Genauso wenig erwähnte er, dass wirkliche Zuchtversuche bisher eher mäßig vonstattengingen. Man konnte sie quasi einsammeln, wenn man sie fand, und versuchen abzurichten. Zur Nachzucht hatte man sie bisher noch gar nicht bringen können. Aber wer wollte schon von diesen wenigen, unwichtigen Nebensächlichkeiten wissen? Irgendwie hatten die großen staunenden Augen es hinbekommen, dass er ihr die anderen Wesen zeigte, wie sie in ihrem Käfig einem Knäuel glichen und kaum auseinander zuhalten waren. Er ließ sich sogar so sehr in ihren Vermutungen (= "Berechnungen, es ist einfache Mathematik. Genau so, wie es sehr einfach zu berechnen war, welche Händler ihr aufsuchen würdet im Anbetracht wer ungewöhnliche Sachen anbot") verstricken, dass er mit ihr diskutierte und sich darauf einließ wiederum ihre mitgebrachten Steine und Materialien anzusehen und zu untersuchen. Es waren Teile dabei, die nach Holz aussahen, fein gearbeitete Messgeräte, die sie aus ihren Taschen zog und verschiedenste Zusammensetzung an legierten und geschmolzenen Verhältnissen unterschiedlichster Materialien. Selbst unterschiedliche Stoffe und Leder brachte sie mit und kleine Phiolen von fluoreszierender Pilzen und Moosen. Woher sie das alles nahm und woher sie das alles überhaupt hatte? - ihm war es absolut schleierhaft. Es gipfelte darinnen, dass sie die Materialien testeten. Ihm wurde regelrecht schwindelig, wie sie felsenfest davon überzeugt war, wo genau einige der Sachen zu liegen haben. Wie ein Wiesel sprang sie ständig auf, schob und setzte die Materialien umher, während er sie prüfte und ihre Eigenschaften herausfand. Und am Ende. Ganz am Ende ließen sie alle raus: Alle zwei Dutzend Ichos und sie saßen, ohne Brillen und Hilfsmittel, im Schneidersitz in der Mitte der Halle und schauten zu. So groß der wissenschaftliche Ansatz war, so groß die Neugier auch gewesen war – hier blieb nur das Staunen. Ein stockdüsterer Raum, eine riesige Halle und überall waren Gesteine, Edelsteine und Materialien verteilt, nicht sichtbar, unscheinbar und lauernd. Und als alle Wesen den Käfig verlassen hatten, als sie alle lautlos an den Wänden verschwanden, und als sie anfingen zu kommunizieren: Es war die tiefe Dunkelheit mit Tupfen. Helles Flackern in Kooperation mit zischendem Pulsieren, flache, seichte Farben und helle, pulsierende Farbschläge. Reihen und Muster, Farbschemen und Sterne viele Meter im Gewölbe der Welt. Ein kleines Wunder. Doch auch Wunder haben ihre Wirkungszeit und in dem Fall verlor es sich schnell, als sein Gast leicht zitternd aufstand und sich bedankte. Natürlich kam abermals eine Entschuldigung, immerhin hatte sie doch nicht so viel beigetragen, wie sie erhofft hatte. (Nein, überhaupt nicht, nur mindestens sieben verschiedene Ansätze geliefert, wie er seine eigenen Berechnungsmöglichkeiten überdenken könnte – von den neu gelieferten Materialien mal abgesehen). Sie bedankte sich abermals und zwischen dem Wortschwall, der halb in eine neue Diskussion drifte, noch so einige Male, ehe sie dann wirklich ging, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und er, er blieb da zurück, hockend auf dem kalten Boden und sich fragend, was Zwerge bitte für absolut seltsame Geschöpfe waren. Der höfliche Rausschmiss ging ungewohnt zügig vonstatten. Man bat ihn bereits am nächsten Tag seine magische Höflichkeit woanders magisch sein zu lassen. Immerhin war ihm die Abreise am liebsten. Seine Gastgeber waren meist besonders großzügig um ihn so effizient und schnell wie möglich loszuwerden. Somit genoss er ein wenig Luxus und immerhin sehr solide Verpackung seiner lebenden und unlebendigen Fracht. Ganz in Tradition verabschiedete man ihn mit gebührlichen Prunk (Er fragte sich nach wie vor, wie so kleine Wesen so gefährlich aussehen konnten, wenn sie sich in Rüstungen quetschten, die so schwer wie ihr Körpergewicht schien), und keiner erwähnte eine Rückeinladung zum höflichen Plausch, oder einem baldigen Wiedersehen, oder wie erfolgreich und nett der Besuch gewesen sei. Und alle Parteien waren froh den jeweils anderen los zu sein. Es war immer gut einer Meinung zu sein. Ja, das konnte man durchaus als Erfolg verbuchen! An einen bestimmten, sommersprossigen Rotschopf wurde ein kleiner Zettel gereicht. Schlichter Umschlag, schlichtes Papier, kein langer Text, nur drei Worte: "Es fehlen Zwei." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)