Wie sag ich es ihm bloß? von Purple_Moon ================================================================================ Kapitel 1: Lügengespinste ------------------------- Da gingen sie: Yami und seine Neue. Wer war es diesmal? Yugi sah sie nur von hinten, außerdem war er zu weit weg, aber er fand es schon noch heraus. Schnell huschte er an den Fensterfronten vorbei und versteckte sich in der nächsten Seitenstraße. Von dort linste er hinter einem Geschäft hervor. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. „Ey, Alter, was machst du da?“ „Waaah!“ Yugi fuhr herum.. „Joey! Mann, schleich dich doch nicht so an!“ „Hab ich gar nicht, aber du warst völlig konzentriert. Ich habe dich gar nicht erkannt und mich gewundert, ob du vielleicht jemand bist, der irgendwas ausheckt,“ verteidigte der Blonde sich. „Was soll die blöde Mütze? Und die Sonnenbrille? Ey, es sieht nach Regen aus!“ „Ääääh…“ Yugi suchte nach einer Ausrede. „Ach, ich habe mir nur die Auslagen angesehen und nach, uhm, einem Geschenk für jemanden gesucht, aber es ist… etwas Peinliches.“ Joey blickte vielsagend an der Fassade des Ladens hoch, vor dem sie gerade standen. Im Schaufenster standen Waschmaschinen, Toaster, Fernseher und andere Elektrogeräte. „Ein peinliches Geschenk. Bei Elektro-Takeda. Ja klar. Dildos haben die nicht, oder?“ „Psssst! Bist du verrückt?“ Au weia, schon bekam er die Rechnung für seine Lüge. „Ist es schon für Weihnachten?“ erkundigte Joey sich. „Gute Idee, wir haben zwar erst Ende Mai, aber dem Shoppingfieber kann man nicht früh genug entgehen.“ Er stieß Yugi augenzwinkernd mit dem Ellenbogen an und grinste breit. „Dann ist ja auch bald schon wieder Valentinstag. Man sollte…“ „Au weia!“ rief Yugi aus. „Jetzt habe ich sie verloren!“ Er rannte um die Häuserecke und hielt nach Yami Ausschau. Aber der bunte Haarschopf war nirgends mehr zu sehen. Yugi hastete zu der Stelle, wo er ihn zuletzt gesehen hatte. Doch es gab zu viele Möglichkeiten. Yami und seine Begleiterin konnten in ein Geschäft gegangen sein, oder weiter geradeaus, wahrscheinlich aber waren sie irgendwo abgebogen. Überall schlenderten Leute herum und genossen den Sommertag, obgleich der Himmel verhangen war. „Warte doch!“ Joey kam hinter ihm her gerannt. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“ Yugi seufzte. „Ach, was soll's… ich verfolge Yami, weil ich sehen will, mit wem er ausgeht. Ich dachte, es wäre Aiko aus unserer Klasse, aber das ist wohl schon wieder vorbei.“ „Oh… hehe…“ Joey kratzte sich verlegen lachend am Kopf. „Nein, es ist Serenity. Ich war gerade hinter ihr her, um aufzupassen, dass sie auch gut behandelt wird. Sie hat mir zwar erzählt, dass sie mit Yami verabredet ist, aber ich dachte, das hätte sie nur gesagt, damit ich mir keine Sorgen mache. In letzter Zeit war sie ja an diesem Idioten Takashi interessiert. Ich habe versucht, es ihr auszureden.“ Yugi runzelte die Stirn. „Ähm… kenn ich nicht.“ „Naja, jedenfalls wollten sie in den neuen Godzillafilm und dann zu MacRonald’s.“ Der Kleinere blinzelte überrascht. „Echt jetzt?“ Joey nickte bedeutungsvoll. „Dann nichts wie hinterher! Auf zum Kino!“ Yugi marschierte los, wobei Joey ihm dicht auf den Fersen blieb. Zum Glück war es noch früher Nachmittag. Yugi ging ungern in die Spätvorstellung, weil sich dort immer Pärchen fanden, die ihre Hormone nicht unter Kontrolle halten konnten. Etwas ungünstig, wenn man den Film mitverfolgen wollte… nun ja, vermutlich sprach aus ihm nur der Neid. Lange mussten sie nicht gehen, vielleicht fünf Minuten. Schon von weitem sahen sie die Schlange am Eingang. Verstohlen stellten sie sich hinten an und reckten die Hälse, um Yami oder Serenity zu entdecken. Yugi steckte seine Sonnenbrille weg, überprüfte aber noch einmal den Sitz seiner Schirmmütze. Immerhin fiel seine Frisur in jeder Situation auf. Das gleiche galt eigentlich auch für Yami, aber seine bunten Zacken waren nicht in Sicht. Er und Serenity mussten schon drin sein. „Eigentlich wollte ich den Film mit Yami ansehen,“ murmelte Yugi. „Aber ich habe ihn noch nicht gefragt. Naja, auch egal.“ „Bestimmt hat der dieses Händchenhalten-Potential, schließlich kommt ein riesiges Monster vor,“ meinte Joey, was Yugis Laune nicht besserte. Sie warteten fast zehn Minuten, bis sie endlich drankamen. Zu diesem Zeitpunkt lief wahrscheinlich schon die Werbung. „Godzilla? Der ist fast ausgebucht...“ sagte die Kartenverkäuferin. „Moment, da hab ich noch was, aber nur noch eine Kuschelbank...“ Yugi und Joey verzogen synchron das Gesicht. Kuschelbänke gab es extra für Pärchen, die besonders eng zusammen sitzen wollten, es waren praktisch Doppelplätze. „Äh, naja, wenn es gar nicht anders geht...“ murmelte Yugi verlegen. „Entschuldigen Sie...“ Die Jungs fuhren herum. Hinter ihnen stand eine junge Frau, deren Begleiter einen Arm auf ihre Schulter gelegt hatte. Ihr blaues T-Shirt war mit einem großen, roten Seestern bedruckt. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht... würden Sie uns diese Plätze überlassen? Mein Freund hat sich extra frei genommen, um mit mir in den Film zu gehen, aber dann hatten wir eine Autopanne und kamen zu spät...“ sagte sie. „Uh... na gut,“ entschied Yugi für Joey mit. Sein Kumpel protestierte allerdings auch nicht, und so entfernten sie sich unverrichteter Dinge. Zumindest hatten sie eine gute Tat vollbracht, denn das Pärchen konnte nun auf der Kuschelbank turteln. „Was jetzt?“ grummelte der Blonde. „Sie wollen anschließend ja noch was essen gehen, sollen wir bei McRonald's warten?“ „Bleibt uns wohl nichts anderes übrig,“ nickte Yugi. „Ähm... meinst du, das ist ernst mit den beiden?“ Joey zuckte mit den Schultern. „Wer weiß. Offenbar hat Yami Serenity gefragt, ob sie mit ihm ausgeht, also vielleicht hat sie nur zugestimmt, weil sie Takashi eifersüchtig machen will oder so.“ „Ach was, deine Schwester ist nicht so, oder?“ widersprach Yugi. „Serenity ist doch so mitfühlend, sie ist einfach nicht der Typ, der jemanden ausnutzt. Aber vielleicht sind sie ja auch nur Freunde...“ Nur fragte er sich dann, warum Yami nicht mit ihm in diesen Film ging, immerhin waren sie doch auch Freunde, oder nicht? Besonders gute, sollte man meinen, schließlich hatten sie schon viel zusammen durchgemacht. Dachte Yami etwa, Godzilla sei zu gruselig für Yugi? Ach was... neee. Aber diese Fragen nagten dennoch an ihm. Bei McRonald's stand diesen Monat alles unter dem Motto Schokoladenrausch. Joey und Yami starrten eine Weile auf das Werbeplakat, welches alle Produkte mit Schokolade zu einem reduzierten Preis anbot und auch einige spezielle Sachen anpries, die es nicht im regulären Sortiment gab. Verschiedene Kuchensorten, halbflüssig gefüllte Muffins, Kekse mit Schokoladenstückchen oder Schokoladenüberzug und natürlich das unvermeidliche Eis in heller oder dunkler Schokovariante. „Wie wäre es mit Hamburger,“ schlug Joey vor. „Und Pommes.“ „Hamburger und Pommes,“ bestätigte Yugi. Auf das süße Zeug hatte er jetzt keine Lust. Sie fanden eine Kasse mit einer relativ kurzen Schlange und bestellten das Essen zum Verzehr im Geschäft. Um diese Zeit wurde noch Mittag gegessen, daher waren die meisten Tische voll, aber sie entdeckten einen Zweiertisch in der Nähe der Toiletten, von dem sich gerade zwei Schüler erhoben und es natürlich nicht nötig hatten, ihren Müll wegzubringen. Joey schnappte sich die Jungen jeweils am Kragen und zwang sie, hinter sich aufzuräumen, während Yugi in jeder Hand ein Tablett hielt. Leider befanden sie sich hier nicht gerade bei den Fenstern, aber der Film lief ja noch eine Weile, da konnten sie sich später vielleicht woanders hinsetzen. Andererseits hatten sie die Kassen ganz gut im Blick, was auch nicht zu verachten war, schließlich mussten Yami und Serenity ja dorthin, wenn sie hier etwas essen wollten. Vielleicht saßen sie auch gerade auf so einer Kuschelbank... Yugi schüttelte schnell den Kopf, bevor sich das Bild vor seinem inneren Auge vollständig manifestieren konnte. Plötzlich sprang Joey auf. „Ooy! Serenity! Was machst du denn hier, wolltest du nicht mit Yami ins Kino?“ Yugi hatte die junge Frau gar nicht bemerkt. Er drehte sich um und stellte fest, dass sie anscheinend auf die Toilette wollte. „Oh... Joey, hallo, ähem...“ stammelte Serenity. „Ich erklär dir gleich alles, ja? Erstmal muss ich wo hin!“ Sie verschwand in der Tür mit der Aufschrift WC. „Ob Yami auch hier irgendwo ist?“ wunderte Yugi sich. „Haben wir den etwa übersehen, als wir rein kamen?“ Sie warteten, bis Serenity wieder zurück kam. Sie wirkte erleichtert. Irgendwie, dachte Yugi, gehen Leute, die vom Klo kommen, immer langsamer als Leute, die hin wollen. „Wir sitzen da drüben,“ sagte Serenity und deutete zu einem Tisch direkt am Eingang. „Wollt ihr mit hinkommen? Da saßen vorhin noch zwei Mädchen, die sind aber inzwischen gegangen.“ „Ja, gut.“ Joey stand auf und schnappte sich sein Tablett. Yugi tat es ihm gleich. Als sie den besagten Tisch erreichten, hätte er sich mit der flachen Hand vor den Kopf schlagen können, wenn er kein Tablett getragen hätte. Sie waren wahrscheinlich direkt dort vorbei gekommen, aber draußen klebte eines dieser Schokoladenplakate genau an der Stelle, wo Yami saß, und hinter ihm befand sich eine Trennwand, um die Kunden von der Zugluft des Eingangs abzuschirmen. Zugleich verdeckte sie natürlich die Sicht auf die Leute, die dort saßen. Wenn vorhin noch zwei Mädchen da gesessen hatten, waren sie vielleicht auch im Weg gewesen und hatten den Blick auf Yami versperrt. Und Serenity fiel ja nicht ganz so sehr auf, nach ihr hatte Yugi auch gar nicht Ausschau gehalten. Er dachte darüber nach, ob die beiden vielleicht doch erst später gekommen waren, aber auf dem Tisch befanden sich mehrere leer gegessene Packungen, auch die Gläser waren schon fast ausgetrunken. Nein, das konnte nicht erst in den letzten paar Minuten passiert sein. Yugi setzte sich neben Serenity und Joey neben Yami, und für einige Minuten konzentrierten sich alle auf ihr Essen. „Also,“ begann Joey und kaute fertig, „Warum seid ihr nicht im Kino? Da wolltet ihr doch hin, oder? In Godzilla.“ Er schaute seine Schwester an. Yami stoppte mit dem Schokohörnchen auf halbem Weg zum Mund, als wolle er antworten, aber Serenity kam ihm zuvor. „Wir waren auch da, aber die Vorstellung war schon ausverkauft,“ sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Wir hätten Karten reservieren sollen, der Film ist eben noch neu.“ „Da hättet ihr doch in einen anderen gehen können,“ meinte Yugi. „Zu der Zeit lief nur noch diese hoffnungslos kitschige Familienkomödie, darauf hatte ich keine Lust,“ warf Yami ein. „Also sind wir halt zuerst was essen gegangen.“ Yugi und Joey tauschten einen Blick aus. Godzilla war ausverkauft gewesen? Aber sie verständigten sich stumm darauf, nicht nachzufragen. Vielleicht hatten die beiden sich ja gestritten, oder sie standen sich doch nicht nahe genug für eine Kuschelbank, die ja sicherlich noch frei gewesen war. „Und was macht ihr hier?“ fragte Yami seinerseits. „Coole Mütze übrigens, Yugi.“ „Äh...“ Yugi widerstand dem Drang, sie sich vom Kopf zu reißen. „Die hat Großvater jetzt neu im Laden, hast du die noch gar nicht gesehen? Gibt es auch mit dem Weißen Drachen drauf, aber ich mag natürlich die mit dem Schwarzen Magier lieber...“ „Da muss ich unbedingt mal nachschauen,“ nickte Yami. „Wir wollten mal nachsehen, ob es Ironman 3 schon auf Blueray gibt, nicht wahr, Yugi?“ behauptete Joey, ohne rot zu werden. „Aber als wir hier vorbei kamen, fiel mir auf, dass ich mal wieder kein Mittag gegessen hatte.“ „Was haltet ihr denn von der neuen Aktion? Die mit der Schokolade?“ fragte Yugi, um das Thema in sichere Bahnen zu lenken. Er hielt sich für einen schlechten Lügner, erst recht, wenn er sich die Geschichte spontan ausdenken musste. Zu leicht konnte man sich da verzetteln. „Die Hörnchen und die Muffins sind lecker,“ gab Yami bereitwillig Auskunft. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich über dem Tisch aus wie eine schwere Decke. Zumindest Yugi kam es so vor. Niemand schien zu etwas zu sagen zu wissen, daher vertieften sie sich wieder in ihr Essen. „Wir müssen dann auch gleich wieder los,“ sagte Yami schließlich. „Doch mal sehen, ob es nicht noch eine spätere Vorstellung gibt. Wollt ihr mit?“ Bloß das nicht! Yugi konnte sich echt Besseres vorstellen, als die beiden auf ihrem Date zu begleiten. Davon abgesehen wollte Serenity sicher auch nicht Joey dabei haben. Als er sah, dass sein Kumpel Luft holte, um womöglich noch zuzustimmen, schritt er schnell ein: „Wir wollen euch nicht stören. Außerdem wollten wir ja noch irgendwo hin, wo es Bluerays gibt.“ „Wollte ich gerade sagen!“ grinste Joey. „Viel Spaß dann noch!“ Die beiden blieben noch sitzen, während Yami und Serenity sich verabschiedeten. Sie gingen noch die Tabletts wegbringen. Beide Jungen warteten angespannt, bis das Pärchen draußen zu sehen war. „Was soll das denn, dass die Vorstellung ausverkauft war?“ sprudelte Yugi dann los. „Wir waren doch später da und hätten noch eine Kuschelbank gekriegt!“ „Ich frag mich echt, ob Serenity vielleicht doch heimlich Takashi treffen wollte,“ murmelte Joey. „Muss sie das denn heimlich machen?“ hakte Yugi nach. „Aber sag mal, du bist ja auch nicht besser. Ironman 3! Den hab ich doch schon auf DVD!“ „Aber nicht auf Blueray, und hätte ich etwa sagen sollen, dass wir uns zufällig trafen, als wir ihnen hinterher spionierten?“ „Äh... nein. Was machen wir denn jetzt? Wir können ihnen ja nicht schon wieder nachlaufen!“ „Jedenfalls gibt es jetzt gerade keine andere Vorstellung von dem Film, die haben alle etwa zur gleichen Zeit angefangen. Hätten sie auch wissen können.“ Joey stopfte den Rest seines Hamburgers in sich hinein. „Das die nicht ins Kino wollten, dürfte klar sein,“ schloss Yugi. „Vielleicht... hat ja Serenity Angst gekriegt.“ Das klang allerdings etwas unwahrscheinlich. Joeys Schwester war ein zartes Geschöpf, aber nicht so zart, dass sie vor einem animierten Monster Angst hatte, immerhin hatte sie mal um ihr Leben Duel Monsters gespielt. „Lass uns mal nach Bluerays gucken, ist ja jetzt egal,“ schlug Joey vor. „Dann stimmt es hinterher wenigstens.“ „Hm, ja... kann wohl nicht schaden.“ Immer noch besser, als alleine zu Hause zu hocken und zu grübeln. „Sag mal, Joey... was würdest du machen, wenn...“ Yugi stockte und biss sich auf die Lippe. Joey blickte ihn erwartungsvoll an, den Mund voller Pommes. „Wafhm?“ „Äh... oh, nicht so wichtig...“ Er brachte es nicht fertig, seinen besten Freund um Rat in dieser einen Sache zu fragen, die ihn beschäftigte. Mist. Kapitel 2: Heimlichtuerei ------------------------- Yami zog sich sein Kopfkissen über die Ohren, aber das störende Geräusch hörte nicht auf. „Yuuuugi! Geh doch mal an dein Handy!“ Das tat er nicht und Yami begriff, dass der andere schon unter der Dusche stand, denn er hörte das Wasser rauschen. Mist. Der Anrufer war aber auch hartnäckig. Yami wartete, bis die Mailbox ranging oder die Person aufgab, aber kurz danach versuchte derjenige es anscheinend nochmal. Yami fluchte und stieg aus dem Bett, schließlich wollte er sich noch ein Stündchen Schlaf gönnen. Joey wurde auf dem Display des Geräts angezeigt. Yami wischte den virtuellen Hörer zur Seite und stellte das Gerät auf Lautsprecher, denn er verstellte oft irgendetwas auf seinem Smartphone, wenn er telefonierte und mit der Wange drauf kam. Niemand begriff, wie er das anstellte. Jedenfalls wollte er es bei Yugis Gerät vermeiden. „Hallo Joey... Yugi duscht, schreib ihm ne Nachricht.“ „Oh, hallo Yami,“ rief Joey unverschämt ausgeschlafen in den Hörer. Was war da denn los? War ja gar nicht seine Art. „Sag ihm doch bitte, dass...“ „Nein, Joey,“ unterbrach Yami. „Ich will schlafen. Ist gestern spät geworden mit Serenity. Wir haben uns noch so eine Liebesschnulze angesehen, weil Godzilla erst später wieder lief. Dann hat ihre Mutter uns zum Essen eingeladen. Äh, ich meinte, eure Mutter.“ „Hm, ja... OK, ich rufe später wieder an,“ murmelte Joey, offenbar ernüchtert. „Nein, schreib gefälligst über Whatsapp oder so, ich stell das Teil auf lautlos!“ motzte Yami. Er legte auf, warf das Smartphone auf Yugis Bett und kroch wieder in seins. Zum Glück hatte Yami die Gabe, innerhalb von Sekunden einzuschlafen. Wie Dornröschen, nachdem sie sich in den Finger gestochen hatte, weshalb Yugi ihn manchmal mit diesem Spitznamen aufzog. Eigentlich störte ihn sowas, aber nicht bei Yugi. Er konnte ihn seinetwegen Schatzipupsi nennen. Oder Herr und Gebieter. Ja, das war gut. Yami schlief grinsend wieder ein. Er bekam nicht mit, wie Yugi sich anzog und wegging. Sein Wecker piepte erst eine gute Stunde später. Unwillig schälte er sich aus den Laken und versuchte sich zu erinnern, was Yugi heute vor hatte. Ah ja... er ging mit Joey und Großvater zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung und erklärte da den Kindern, wie man Duel Monsters spielte. In Yamis Augen eine super Gelegenheit für seine eigenen Pläne. Unter anderem deshalb war er auch nicht aufgestanden. Nachher hätte Yugi ihn doch noch zum Mitmachen überredet. Yami war mit Serenity verabredet, was auch niemanden wunderte. Sie waren nicht offiziell ein Paar, hatten sich aber keine Mühe gegeben, das abzustreiten. So hatten beide erst einmal ihre Ruhe, Yami vor den Mädchen an seiner Schule und Serenity vor ihrer Mutter, die immerzu Bekannte mit ihren Söhnen nach Hause einlud. Warum wurde überhaupt von einem Jugendlichen erwartet, dass er oder sie in einer Beziehung war? In Yamis Klasse gab es mehrere unglückliche Schüler, mit denen die Freundin Schluss gemacht hatte, manchmal wegen eines anderen Kerls. Er kannte außerdem einen Jungen aus der Parallelklasse, der seinerseits Schluss gemacht hatte, weil sie viel zu eifersüchtig war, und nun wurde er von seiner Ex gestalkt und fand daher nur schwer eine neue Freundin. Nee, auf sowas konnte er verzichten. Er suchte Kleidung zusammen, die nicht aus Leder und Nieten bestand oder schwarz war. Wem machte er hier eigentlich etwas vor? Er gab sich derzeit schließlich alle Mühe, eine Beziehung aufzubauen. Nur wusste die andere Person das noch nicht. Eine halbe Stunde später verließ Yami das Haus, bekleidet mit seiner Schuluinform. Er fuhr mit dem Fahrrad ein paar Häuserblocks weit zum Haus von Aiko Akizuki, einer Mitschülerin, von der aus irgendwelchen Gründen alle dachten, er wäre in sie verknallt gewesen. Nun ja, wenn er so darüber nachdachte, mochte es tatsächlich so ausgesehen haben, zumal ihre Freundinnen entdeckt hatten, dass seine Nummer in ihrem Handy abgespeichert war. Yami hatte es schlauer angestellt und sie als „Tante Aki“ gespeichert, aber er ließ auch sein Handy nicht auf der Schulbank offen liegen. Als er in die Straße einbog, wo Aiko wohnte, sah er Genzo Takashi mit seinem Mofa in die Einfahrt einbiegen. Hervorragend. Alles lief nach Plan. Yami arbeitete in diesem Fall absichtlich weder mit Thea, noch mit Joey oder Tristan zusammen, weil die drei normalerweise Yugi gegenüber ihre Klappe nicht halten konnten, gute Freunde eben. Vermutlich spekulierte die Truppe schon wild herum, was mit ihm los war, weil er sich so abkanzelte, aber vielleicht dachten sie auch einfach, dass er Hals über Kopf in Serenity verknallt und daher nicht klar bei Verstand war. Genzo wartete, bis Yami sein Fahrrad abgestellt hatte, dann klingelten beide bei Aiko. Für einen Japaner war Genzo recht groß, denn seine Mutter stammte aus Europa. Ansonsten sah man es ihm aber kaum an. Nur in Animes waren halb-Europäer immer blond mit blauen Augen, was genetisch völliger Unsinn war. Serenity öffnete ihnen die Tür, offenbar war sie schon länger da. Sie trug eine Latzschürze mit Blümchenmuster und ein Kopftuch, so dass ihr keine Haare ins Gesicht fielen. „Ah, hallo Jungs, da seid ihr ja beide! Wir haben schonmal alles vorbereitet!“ Yami war ein bisschen nervös. Jetzt wurde es ernst! Sie gingen direkt in die Küche, wo bereits weitere Schürzen bereitlagen. Die Neuankömmlinge nahmen sich jeder eine. Auf Genzos stand „Grillmeister“ über dem Bild von einigen Würstchen und Yamis war mit Klecksen bedruckt und mit den Worten „Master of Chaos“. Wie passend. Mit dem, was er vorhatte, kannte er sich nämlich kein bisschen aus. Vielleicht war es keine gute Idee, aber er wollte keinen Rückzieher machen. Aiko holte gerade eine Packung tiefgekühlter Himbeeren aus dem Tiefkühlfach, wischte sich dann aber schnell die kalten Finger an ihrer Herzchenschürze ab, um Genzo kurz zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Yami und Serenity standen etwas unschlüssig dabei. Zugegeben, Aiko war ein schönes Mädchen mit dunkelbraunen Augen und tiefschwarzen Haaren, die sie im Moment zu einem langen Zopf geflochten hatte, damit sie sie nicht bei der Arbeit störten. Ihre Oberweite war sehr beachtlich und sie hielt sich auch stets gerade, was sie selbstbewusst und etwas unnahbar wirken ließ, so dass viele Jungen ihr nachstarrten, sie aber nicht anzusprechen wagten. Genzo ging auf Serenitys Schule. Yami hatte nie gefragt, wie Aiko und er sich getroffen hatten, das spielte für ihn auch keine Rolle. Vielleicht gingen sie in denselben Schwimmverein oder so. Es interessierte ihn auch nicht so wirklich, woher Serenity wusste, dass die Takashis eine Konditorei betrieben. Wichtig war nur, dass sie es hingekriegt hatten, dieses Treffen heute zu organisieren. „So, du willst also lernen, wie man eine Geburtstagstorte macht,“ stellte der ältere Junge fest. „Willst du den Tortenboden auch selber backen oder einen fertigen kaufen?“ „Äh...“ Yami wusste schon an dieser Stelle nicht, wovon er sprach. „Wir haben einen fertigen besorgt, das geht schneller und außerdem riecht es in seinem Haus dann nicht nach Gebäck,“ sagte Aiko. Genzo nickte bedächtig und Yami hatte den leisen Verdacht, dass das etwas gegen seine Ehre als Konditorensohn ging, aber es kam kein Kommentar diesbezüglich. „Nimm dir einen Mixer und eine Schüssel, damit du Sahne aufschlagen kannst,“ befahl Genzo statt dessen. Und damit ging die Tortur los. Yami wollte sich eine relativ kleine Schüssel nehmen, in die der Liter Schlagsahne, den Aiko vorher kaltgestellt hatte, gut hinein passte, aber statt dessen bekam er eine wesentlich größere ausgehändigt. Genzo erklärte ihm, dass Sahne ihr Volumen stark vergrößerte, wenn sie steifgeschlagen wurde. Kurz darauf lernte Yami, dass Schlagsahne zu Butter wurde, wenn man sie zu lange schlug. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich aufhören soll?“ beschwerte Yami sich. „Ey, als ich zuletzt hingesehen habe, war noch alles in Ordnung!“ gab Genzo zurück. „Jungs, wir stellen die Butter einfach in den Kühlschrank und fangen nochmal an, ja?“ schlug Serenity vor. „Wir haben ja vorsichtshalber etwas mehr Sahne gekauft.“ „Wie wäre es, wenn du es mir einmal zeigst, damit ich es am Ende des Tages mal gesehen habe?“ schlug Yami leicht genervt vor. Er mahnte sich selbst zur Geduld. „Na gut, wie du willst.“ Genzo machte sich fachmännisch ans Werk. Vermutlich hatten ihn seine Eltern von klein auf geschult, damit er später das Geschäft übernehmen konnte. Er weichte Gelatine ein, schlug die Sahne auf, erhitzte die Gelatine, mischte das dann flüssige Bindemittel unter die Sahne, zusammen mit den zerkleinerten und noch halb gefrorenen Himbeeren, und baute dann mit dem gekauften Tortenboden, den er zackig mit einem großen Messer in drei Scheiben schnitt, eine Torte daraus. Das alles ging nach Yamis Empfinden irre schnell. Er konnte ein Stück weit folgen, aber als er zusah, wie Genzo die Sahne außen herum glatt strich, bis es vernünftig aussah – eine Sache von einer Minute vielleicht -, und dann noch kunstvoll Kringelchen oben drauf sprühte, schaltete sein Hirn auf Error. „Das kriege ich nie hin,“ musste er zugeben. „Jedenfalls nicht bis nächsten Sonntag.“ Genzo stellte die Torte in den Kühlschrank, damit die Gelatine fest werden konnte. „Wenn die Himbeeren nicht gefroren sind, kann auch die Sahne zu weich werden, dann musst du wieder anders vorgehen... ist echt besser, du machst was anderes.“ Yami musste sich eingestehen, dass er sich das mit der Torte einfacher vorgestellt hatte. Und Yugis Geburtstag, ebenso wie sein eigener, war schon in einer Woche! Nun ja, er hatte schon etwas für ihn, wollte aber gerne noch etwas ganz Persönliches hinzufügen. Eben etwas Selbstgemachtes. Das hätte er sich vielleicht mal früher überlegen sollen. „Wie wäre es mit einem anderen Geschmack... Nuss zum Beispiel,“ überlegte Aiko. „Da braucht man glaube ich keine Gelatine.“ „Aber ich wollte gerne... naja... Himbeeren eben.“ Oder irgendetwas anderes, was romantisch aussah. Yami fand es jedoch zu peinlich, das so zu sagen. „Du könntest doch auch einfach was backen,“ meinte Serenity. „Kekse. Oder einen Rührkuchen.“ „Das merkt er doch, weil dann das ganze Haus danach riecht, und außerdem macht Großvater das eh,“ lehnte Yami ab. Er wollte etwas Spezielleres. Etwas, das nicht jeder andere auch machen konnte, sonst war es ja nicht originell. „Ich hab mir sowas schon gedacht,“ grinste Genzo. „Kleinen Moment...“ Er holte seinen Rucksack, den er in der Gepäckbox seines Mofas gelassen hatte, und entnahm ihm einen Klumpen einer gelblichen Masse, der in Klarsichtfolie eingepackt war. Dann reichte er Yami ein Buch im Format A4, das sehr nach einem konditorlichen Fachbuch aussah. Serenity untersuchte den Klumpen. „Was ist das?“ Genzo legte mit stolzgeschwellter Brust eine Hand darauf. „Marzipanrohmasse!“ *** Die Kinder rückten Joey und Großvater ziemlich auf die Pelle, während die beiden sich ein Duel Monsters Duell auf dem Tisch lieferten. Yugi stand dabei und erklärte die Züge. Er war ein Profi, der König der Spiele und Aushilfs-Spieleverkäufer. So konnte er so tun, als hätte er Spaß. Er lächelte für das Publikum und fand für jeden noch ein nettes Wort. Tatsächlich jedoch war es nicht dasselbe, wenn Yami nicht dabei war. Der war heute wieder mit Serenity aus, vielleicht holten sie den Godzilla-Film nach. Sehr ungewöhnlich eigentlich, mit einem Mädchen in so einen Film zu gehen, daran musste Yugi immer wieder denken. Aber vielleicht hatte Serenity Vorlieben, die man ihr eben nicht ansah. An der Stelle schlugen seine Gedanken in eine ganz falsche Richtung ein. Wenn sie Monsterfilme mochte, vielleicht stand sie dann auch auf Fesselspielchen! Vielleicht gefielen ihr Yamis Lederoutfits mit den Halsbändern! Yugi kniff die Augen zu und ermahnte sich, dass ihn das nichts anging. Wahrscheinlich hatte er einen erotischen Liebesroman zu viel gelesen in dem Versuch, auf andere Ideen zu kommen. So kitschige Titel wie Küsse unter dem roten Vollmond oder Mein Meister, der Vampir waren da noch harmlose Beispiele. Kontraproduktiv offenbar. Er rieb sich die Schläfen. Hatte er die E-Books eigentlich wieder von seinem Handy gelöscht? Nicht dass Yami sie noch da fand. „Hey, alles klar?“ sprach Joey ihn an, wobei er sein Spiel unterbrach. „Geht schon,“ murmelte Yugi. „Aber ich geh wohl besser mal und hole mir was zu trinken...“ „Du brauchst genug Flüssigkeit, das vergisst man schnell,“ nickte Großvater bedeutsam. Yugi entfernte sich vom Duelltisch, nahm sich eine Wasserflasche von einem bereitstehenden Kistenstapel und trank sie in einem Zug zu einem Drittel aus. Daraufhin musste er sich kurz den Bauch halten, der ihm das übel nahm. Dann trat er vor den Stand der Kaiba Corporation, an dem er heute ehrenamtlich tätig war, und sah sich um. Es gab jede Menge Futterbuden, Geschicklichkeitsspiele, Karussels... alles für einen guten Zweck. Das hätte er gerne mit Yami zusammen erkundet, aber der schien gar keine Augen mehr für ihn zu haben. Seit einer Woche hatten sie kaum miteinander geredet, und davor auch schon nicht so oft wie früher. Vielleicht lebte man sich einfach irgendwann auseinander, wenn man älter wurde. Ah, wieder so ein Stichwort. In einer Woche, am nächsten Sonntag, hatten sie Geburtstag und sie hatten noch nichts geplant! Naja, Yami jedenfalls nicht. Er beteiligte sich einfach nicht an den Vorbereitungen, sondern nickte einfach immer alles ab, was Yugi vorschlug. Noch vor drei, vier Monaten hatte Yugi überlegt, eine Überraschungsparty für ihn zu schmeißen, obwohl das etwas schwierig war, wenn man selbst an diesem Tag Geburtstag hatte. Da gab es schließlich immer Leute, die ihn daran erinnerten, also konnte er nicht so tun, als würde er nicht dran denken. Doch nun... Er besprach lieber alles mit Yami, damit er ihn dann nicht bei irgendwelchen eigenen Plänen störte. Etwa essen gehen mit seiner Freundin. Zusammen essen gehen hatte Yugi zuvor auch in Erwägung gezogen, aber das konnte er ja nun vergessen. Also sollte es eine große Feier werden mit all ihren Freunden. Wie auf Stichwort kam Duke Devlin vom Industrial Illusions Stand herüber. „Hey, Kumpel. Danke für die Einladung, ich kann wahrscheinlich kommen, wenn Maximilian dann nicht schon wieder in Amerika sein will. Was dagegen, wenn ich ihn mitbringe? „Äh...“ Das stellte sich Yugi sehr strange vor, zumal sich das Gerücht hielt, dass Duke mit seinem Sponsor etwas, hm, näher befreundet war. Genau das hätte ihm dann an dieser Geburtstagsfeier gerade noch gefehlt. Duke deutete sein Schweigen offenbar als Zustimmung. „Cool, dann können wir die Abreise sicher verschieben bis zum fünften oder so!“ Er winkte kurz und wandte sich einem Kunden zu, der sich für Dungeon Dice Monsters interessierte. Yugi zog in Erwägung, die Party einfach sausen zu lassen. Allerdings hatten schon einige Gäste zugesagt und planten das extra mit ein, da wäre es unfair gewesen, und auch Yami gegenüber, der ja nun wirklich nichts dafür konnte, dass Yugi sich nicht auch eine Freundin suchte. Naja... fast nichts. Yugi hatte ganz konkrete Vorstellungen von der romantischen Beziehung seiner Träume, doch scheiterte die Umsetzung daran, dass der Gegenpart da wohl nicht mitspielte. Andererseits konnte er das nicht wissen, wenn er weiterhin schwieg, also musste es raus, doch das war natürlich eher schwierig. Und mit subtilen Andeutungen kam er im Moment auch nicht weiter, weil derjenige, für den sie gedacht waren, durch Abwesenheit glänzte. Es sah ganz so aus, als hätte er zu lange gezögert und den richtigen Zeitpunkt verpasst. Aber Yugi hatte nun einmal so lange dafür gebraucht, sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden und diese dann auch zu akzeptieren, immerhin galt es ja auch zu bedenken, dass sein Umfeld vielleicht nicht ganz erfreut reagierte. Was würde zum Beispiel Joey sagen? Hörte da die Freundschaft auf? Und Großvater? Das spielte aber alles keine Rolle, solange er nicht wusste, wie Yami dazu stand. Und der hatte ne Freundin. So ein Mist aber auch. Andererseits war das vielleicht nichts Festes... „Träum weiter,“ murmelte Yugi deprimiert. „Wie bitte?“ sagte ein Passant, der sich angesprochen fühlte, aber weiterging, als er keine Antwort erhielt. Yugi lagerte schon seit Wochen zu Hause ein ganz spezielles Geschenk... aber er fragte sich inzwischen, ob es noch schlau war, das zu benutzen. Er hielt sich nicht für einen Feigling, hatte aber auch keine Lust, sich zum Idioten zu machen. Der Tag verging quälend langsam, bis gegen fünf Uhr nachmittags Seto und Mokuba Kaiba an den Stand kamen und verkündeten, dass jetzt Schluss mit der Veranstaltung sei. Beide hatten sich wegen organisatorischer Aufgaben die ganze Zeit kaum blicken lassen, doch das hatte Yugi fast erwartet. Trotzdem gefiel es ihm nicht. Joey reagierte etwas direkter. „Hey, wie wäre es mit ner passenden Aufwandsentschädigung?“ „Das war für einen guten Zweck, Wheeler, und du kamst freiwillig,“ entgegnete Seto, nicht ohne ein angedeutetes, fieses Grinsen. Er wandte sich von dem Blonden ab und Yugi zu. „Wir kommen zu deiner Geburtstagsfeier, können aber vielleicht nicht lange bleiben.“ „Okay...“ meinte Yugi nur, und da waren die beiden auch schon weitergegangen. Großvater streckte seine alten Knochen. „Na kommt, Kinder, hauen wir ab.“ „Der Geizkragen hätte uns wenigstens Essensgutscheine oder sowas schenken können,“ fand Joey. „Hey, Yugi, was ist los?“ „Ach... ich bin nur so in Gedanken wegen der Geburtstagsfeier.“ „Das wird bestimmt das krasseste Ereignis seit Battle City! Macht ihr das Essen alles selber?“ „Ich weiß nicht... Yami äußert sich ja nicht dazu und ich hab jetzt auch keinen Bock. Kommt, sonst fährt uns noch der Bus weg.“ Je mehr Yugi an das Thema dachte, umso mehr wünschte er sich eigentlich, dass die Feier ausfallen musste, weil niemand kam, aber das schien mittlerweile sehr unwahrscheinlich. Als sie zu Hause eintrafen, kam Joey noch kurz mit rein und half dabei, die Sachen wegzupacken, die sie bei der Veranstaltung dabei gehabt hatten, dann verabschiedete er sich zu Fuß. Yami traf kurz danach mit seinem Fahrrad ein. Er trug einen Rucksack bei sich, den Yugi noch nie gesehen hatte, vielleicht ja ein Geschenk von Serenity... der Tag wurde echt immer besser. „Hey, wie war die Veranstaltung?“ fragte Yami ihn ganz nebenbei, während er sich die Schuhe auszog. Yugi schluckte einen bösen Kommentar herunter. „Es hätte mehr Spaß gemacht, wenn du auch da gewesen wärst,“ ließ er den anderen wissen. „So war es eher... öde. Lauter kleine Kinder.“ Yami lachte. „Naja, wir waren auch mal so... du jedenfalls... ich meine...“ Er wirkte etwas verlegen, wie jemand, der glaubte, in ein Fettnäpfchen getreten zu sein. Irgendwie roch er nach Gebäck. „Hat Serenity was gebacken?“ fragte Yugi. „Du riechst wie nach dem Hauswirtschaftsunterricht, und wieso hast du überhaupt deine Schuluniform an? Ist das nicht eher uncool?“ Yugi wollte ihn eigentlich gar nicht so ausfragen, er wunderte sich nur. Yami trug sonst nie am Wochenende seine Schuluniform. „Ja, wir haben gebacken,“ gab Yami offen zu. „Serenity möchte zu unserer Party nächste Woche einen Kuchen mitbringen und wollte das Rezept vorher mal ausprobieren. Yugi spürte, wie sein Herz ganz tief in seinen Bauch rutschte und dort bewusstlos liegenblieb. „Ah... dann kommt sie also auch.“ „Ja, sicher! Oder galt die Einladung für all unsere Freunde nicht für sie?“ Falls Yami merkte, wie unangenehm Yugi das Thema war, ließ er es sich nicht anmerken. „Willst du ein Stück vom Kuchen probieren?“ fragte er. Yugi hob überrascht die Augenbrauen. „Du hast was mitgebracht?“ „Na sicher, es ist ja schließlich auch deine Feier und ich will nicht, dass du den Kuchen nicht magst.“ Yami kramte in dem geheimnisvollen Rucksack und holte eine Brotdose heraus, in der sich das Gebäck befand. Er öffnete den Deckel und brach ein Stück des Kuchens ab, das er Yugi hinhielt. Yugi ließ sich den Bissen in den Mund stecken. Diese Situation hätte so romantisch sein können, so aber war sie nur... freundschaftlich? Es war einfacher Marmorkuchen, aber er schmeckte sehr lecker und saftig. Er musste zugeben, dass es sich lohnen würde, Serenity solch einen Kuchen mitbringen zu lassen. Wenn nur sie selbst wegbliebe... Kapitel 3: Mitternacht ---------------------- Yami wollte noch vor Sonnenaufgang aufstehen, um in der Küche noch etwas arbeiten zu können, ohne dass Yugi es bemerkte. Doch als sein Smartphone unter seinem Kopfkissen vibrierte, stellte er fest, dass auch Yugi nicht schlief, denn das Bett gegenüber war leer. Hoffentlich hielt er sich nicht unten auf! Aber nein, als er am Badezimmer vorbei kam, sah er einen Lichtschimmer unter der Tür. Vermutlich musste Yugi einfach mal. Yami schlich vorbei und nach unten. Er hatte kaum an einem anderen Tag Zeit gefunden, denn natürlich hatten sie immer Schule gehabt und gestern auch noch einen Test geschrieben. Deshalb erledigte er das jetzt am Samstag. Der Sonntag wurde bestimmt zu hektisch, man konnte nie wissen, ob nicht spontan in den Geburtstag reingefeiert wurde. Die Option in der Nacht zum Sonntag arbeiten wollte er sich daher für den Notfall aufheben. Die Marzipanmasse hatte er schon zuvor in der Küche versteckt und auch schon in kleine Portionen aufgeteilt, alles in Folie gewickelt und in einer Box verpackt, damit es nicht eintrocknete. Er besaß auch schon ein paar fertige Marzipanfiguren, hergestellt am letzten Sonntag unter Genzos fachkundiger Anleitung. Von ihm hatte er sich auch ein paar kleine Werkzeuge geliehen, ähnlich denen, die Leute benutzten, die Ton bearbeiteten. Der Unterschied war offenbar nicht so groß. Yami wollte nämlich noch alleine einige Teile aus Marzipan formen, weil es ihn ein bisschen verlegen gemacht hätte, dabei Zuschauer zu haben. Das Buch zum Thema befand sich in seiner Schultasche, die er am Abend rein zufällig im Wohnzimmer vergessen hatte. Er holte es auf leisen Sohlen, stieß sich aber den kleinen Zeh an einem Sessel. War ja klar! Innerlich fluchend saß er einige Minuten am Boden und hielt sich krampfhaft den ganzen Fuß, während er mühsam die Zähne zusammenbiss, bis der Schmerz nachließ. Er hätte wohl doch Hausschuhe anziehen sollen, aber in Strümpfen war er leiser. Schließlich schaffte er es unbeschadet zurück in die Küche. Er blätterte das Buch durch und fand außer verschiedenen einzelnen Tieren auch einige Tierpaare, bei denen sich knuffige Kätzchen, Mäuse oder Hündchen umarmten. Letztere hatten dabei auch diesen typischen Hundeblick drauf, den Yami irgendwie eher abstoßend fand. Vielleicht lag das daran, dass er aus Ägypten stammte, wo man eher Katzen anbetete. Allerdings fand er in diesem Fall, dass auch die anderen Tiere alle treudoof guckten, als wären sie betrunken. Es gab zwei Tauben, die deutlich miteinander turtelten. Wie in allen Fällen war auch hier die Herstellung mit vielen Fotos von den einzelnen Schritten erklärt. Hm. Das sah aber ziemlich kompliziert aus. Vielleicht einfach... Herzchen? Nein. Zu kitschig. Während Yami noch grübelte, ging plötzlich die Küchentür auf, denn er hatte nicht darauf geachtet in seiner Konzentration. „Ach, hier bist du,“ stellte Yugi fest. „Hab mich schon gewundert.“ „Äh... ich hatte ein bisschen Hunger,“ behauptete Yami, wobei er sich bemühte, das Buch nicht sofort zu verstecken. Glücklicherweise war ein neutraler Papierumschlag von der Buchhandlung darum, der schon einige Fettflecken aus Genzos Küche hatte. „Ah ja, und was hast du gegessen? Oder hast du statt dessen ein Buch verschlungen?“ grinste Yugi. „Es hat in der Tat etwas länger gedauert als gedacht,“ wich Yami der Frage aus. „Hast du nach mir gesucht?“ „Naja... schon.“ Yugi nahm sich Milch aus dem Kühlschrank und machte sich eine Schale Cornflakes fertig. „Jetzt kann ich aber auch gleich aufstehen.“ Verdammt, das ruinierte Yamis Bastelpläne vollkommen. Vielleicht wäre es besser gewesen, einfach eine Torte mit Sonderverzierung bei Genzos Eltern zu bestellen. Aber Moment... vielleicht war es dafür ja noch nicht zu spät. Schließlich hatte er Genzo als Whatsapp Kontakt gespeichert. „Wollen wir uns nicht noch etwas hinlegen?“ fragte er scheinheilig. Yugi verdrehte die Augen und seufzte. „Ich muss später noch die Fenster putzen, den Boden wischen, Staub saugen und die Küche aufräumen, das Bad schrubben, außerdem einen Klapptisch aus dem Lager holen, damit morgen alle genug Platz haben, und von überall Stühle zusammensuchen. Ich muss mir was einfallen lassen, wo das Buffet aufgebaut werden kann, und auf die Getränkelieferung und den Bäcker warten. Alles außer dem Buffet hab ich für heute Nachmittag bestellt, damit morgen nicht so ein Stress ist und weil Lieferung am Sonntag extra kostet. Das haben wir aber alles besprochen!“ „Echt?“ Yami erinnerte sich grob, dass Yugi das Thema mal angeschnitten hatte und er ihm einfach freie Hand gegeben hatte. „Also haben wir eigentlich schon genug Kuchen...“ „Ja, aber Serenitys habe ich bei der Bestellung berücksichtigt,“ winkte Yugi ab. „Der ist ja schon lecker, der Marmorkuchen... nur muss sie ihn jetzt bitte auch wirklich mitbringen, sonst haben wir nachher zu wenig.“ „Jaja, keine Sorge.“ Den Marmorkuchen hatten sie eigentlich am Sonntag noch gebacken, um eine Erklärung dafür zu haben, falls Yami nach Küche roch oder sonst irgendwelche Fragen auftraten. Aber Serenity hatte auch vorgeschlagen, einen zur Party mitzubringen, das war nicht gelogen. Jedenfalls bestand wohl keine Notwendigkeit, noch weiteren Kuchen zu bestellen. Also fiel die Option mit Genzo wohl auch flach. Da kam Yami eine andere Idee! „Ähm, wie wäre es, wenn ich die Küche mache und, ähm... den Boden wische und Staub sauge. Das Buffet könnte doch hier aufgebaut werden. Ich räume einfach alles von der Arbeitsplatte in eine Kiste, die wir erstmal unter den Tisch stellen oder so.“ Yugi wirkte überrascht. „Oh! Mit dieser Art von Unterstützung habe ich ja jetzt gar nicht mehr gerechnet, ich dachte schon, du hättest heute noch schnell ein Date mit Serenity vor der Feier morgen. Immerhin habt ihr euch außer Dienstag die ganze Woche nicht gesehen.“ Yami bemerkte einen leichten Anflug von Sarkasmus in Yugis Worten, beschloss aber, nicht darauf einzugehen. „Serenity hat Donnerstag eine Klausur in Mathe geschrieben, ich hab ihr am Dienstag geholfen, dafür zu lernen, und dann haben wir noch zusammen gegessen, aber ganz normal bei ihr zu Hause.“ Yugi zuckte mit den Schultern. „Dafür musst du dich doch nicht rechtfertigen.“ Vielleicht hatte er es mit der Geheimniskrämerei etwas übertrieben, denn Yugi schien zu denken, dass er gegen Serenity verloren hatte... aber zumindest wirkte er nicht so, als wünschte er den beiden einfach nur viel Glück. Eher machte er einen etwas angefressenen Eindruck. Das betrachtete Yami jetzt mal als gutes Zeichen, ebenso wie die Tatsache, dass Yugi noch keine eigene Freundin – oder einen Freund – hatte. Andererseits... vielleicht war Yugi auch einfach nur sauer, weil Yami sich bisher nicht sonderlich für die Planung der Feier eingesetzt hatte. Nun ja... morgen würde er es erfahren. Und sich eventuell komplett blamieren, dann suchte er sich besser gleich eine eigene Wohnung. „Die Putzmittel sind unter der Spüle,“ sagte Yugi. „Ich nehme mir was mit für das Bad, dann treten wir uns nicht dauernd auf die Füße. Ach ja und Fensterreiniger.“ Er schnappte sich auch noch mehrere Geschirrhandtücher und Putzschwämme und machte sich so beladen davon. Alibimäßig beschäftigte Yami sich ein bisschen mit Aufräumen und schloss dann die Tür. Schnell packte er sein Marzipan und das Werkzeug auf den Tisch. Zum Glück hatte Yugi wohl bei dem Buch nicht genauer hingeguckt, sondern den neutralen Umschlag akzeptiert als Zeichen, dass der Leser nicht unbedingt zeigen wollte, was er hatte. Dafür dienten diese Umschläge nämlich auch, abgesehen vom Schutz des Buches. Yami hielt ein Handtuch bereit, das er zur Not über seine heimliche Arbeit decken konnte, wenn jemand herein kam. Vor die Tür stellte er einen Stuhl, an den er einen Besen lehnte, so dass ein Eindringling erst einmal lange genug abgeschreckt wurde, wenn der Besen umfiel. So versuchte er, etwas zu schaffen und gleichzeitig mit dem Putzen voran zu kommen. Aber unter Druck lief er ja eigentlich immer zu Höchstform auf. Am Abend schließlich waren sie mit den Vorbereitungen für die Party am nächsten Tag einigermaßen fertig. Yami hatte die Küche blitzblank geputzt, aber dafür ziemlich lange gebraucht, wie Yugi ihm bescheinigte. Jedoch wussten ja alle, dass Putzen nicht zu Yamis großen Talenten gehörte, daher sahen Großvater und Yugi es ihm nach und lobten seine Bemühungen. Natürlich hatte er sich in Wahrheit sehr schnell bewegt beim Putzen und nebenbei Marzipan geformt. Das Ergebnis war ganz passabel, wie er fand... für seinen ersten Versuch ohne Hilfe. Zwei Torten standen im Kühlschrank und weiterer Kuchen in großen Mengen auf der Arbeitsplatte, die im Moment noch nicht gebraucht wurde. Morgen musste alles auf den Kaffeetisch, dann war wieder Platz, um den Partyservice in der Küche das Buffet aufbauen zu lassen. Boden wischen und Staub saugen war relativ schnell gegangen, da man nebenbei kein Marzipan kneten konnte. Dann hatte Yami auch noch geholfen, die restlichen Fenster zu putzen und Stühle zu suchen. Den ganzen Tag hatten Yugi, Großvater und er sich kaum eine Auszeit gegönnt, höchstens mal eine ganz kurze, um schnell etwas zu essen. Am Abend bestellten die drei sich Pizza, um die Küche nicht wieder schmutzig zu machen. Sie saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer, sahen fern und unterhielten sich über die letzten Vorbereitungen, die am Sonntag anfielen. „Ich beantrage, eine Putzfrau einzustellen,“ stöhnte Yami, da die Arbeit ja scheinbar kein Ende nahm, dabei sollte es doch eine Party werden. „Deinem Antrag wird stattgegeben, wenn du sie bezahlst,“ murmelte Großvater mit etwas Pizza im Mund. Er streckte sich, dass seine Gelenke knackten. „Kinder, ich gehe nach dem Film gleich ins Bett, damit ich morgen fit bin.“ Yami dankte ihm heimlich dafür. Er und Yugi hatten nicht gesagt, dass sie in den Geburtstag reinfeiern wollten, aber er spekulierte darauf, dass sie sich beschäftigen konnten, bis Mitternacht war. Zu diesem Zweck schlug er vor, später im gemeinsamen Zimmer die Duel Monsters Karten zu sortieren, etwas, wofür Yugi immer zu haben war. Das funktionierte auch diesmal, denn Yugi nickte eifrig. „Aber vorher geh ich nochmal ins Bad... ich glaube, die Pizza haut bei mir voll durch, bis gleich, Yami...“ „Hey, du verpasst das Ende!“ „Nichts zu machen! Die Natur ruft!“ Yugi war schon auf dem Weg die Treppen hoch. „Gute Nacht, Großvater, falls wir uns nicht mehr sehen.“ Also sahen sich Yami und Großvater noch den Film zu Ende an, doch Yami bekam eigentlich kaum etwas mit, denn er machte sich Gedanken, wie er sein Geschenk für Yugi am besten nach oben schmuggeln konnte. Naja, eigentlich war ein Teil schon dort. Als er schließlich das gemeinsame Zimmer betrat, breitete Yugi gerade die Spielkarten auf dem Boden aus, wo sie mehr Platz hatten als auf dem Schreibtisch. Yami schielte immer wieder zur Schreibtischuhr, während sie sich über Strategien unterhielten, die man mal ausprobieren konnte. Es kostete ihn alle Mühe, sich auf das Thema zu konzentrieren, allerdings schien das Yugi nicht aufzufallen, im Gegenteil... auch er wirkte unkonzentriert. Vermutlich ging er im Kopf die Gästeliste durch und überlegte, ob sie genug Getränke hatten, etwas, das Yami ziemlich egal war. Kurz vor Mitternacht ging er in die Küche unter dem Vorwand, etwas zu trinken holen zu wollen. Das Teblett mit den Figürchen, bedeckt mit einem Geschirrhandtuch, stand schon bereit, und so klemmte er sich eine Wasserflasche unter den Arm, trug in der Hand eine zweite und das Tablett in der anderen Hand. Yugi war schon wieder im Bad, als er alles auf den Schreibtisch stellte, Yami konnte die Klospülung hören und bekam kurz Gelegenheit, eine weitere Kleinigkeit unter dem Bett hervor zu holen. „Oh, hast du auch was zu Essen mitgebracht?“ fragte Yugi, der gerade im Bademantel das Zimmer betrat. „Wolltest du jetzt noch duschen?“ fragte Yami überrascht. Yugi sah zur Seite und errötete niedlich. „Um... nein... also, es ist schon Mitternacht, nicht wahr? Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ „Ähm, ja...“ Die Situation hatte etwas Seltsames an sich. „Dir auch... herzlichen Glückwunsch,“ entgegnete Yami. Es entstand ein kurzes, erwartungsvolles Schweigen. Dann holten beide gleichzeitig Luft, wollten anfangen zu reden und unterbrachen sich wieder. „Du zuerst,“ sagte Yugi eilig. Nun gut. Yami fühlte sich ohnehin verpflichtet, einige Missverständnisse aufzuklären. „Okay... also, ich wollte dir was Selbstgemachtes schenken, aber, ehehe, ich bin nicht so gut darin...“ Er hob das Tuch an. War er vorher noch stolz auf sein Werk gewesen, so fand er es jetzt doch eher peinlich und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Oh... ist das Schokolade? Nein, warte... Marzipan?“ fragte Yugi. Yami nickte nur. Auf einem runden Tablett hatte er eine kleine Szene aufgebaut. Ein Godzilla aus Marzipan, der dementsprechend süß aussah, riss sein Maul auf und trat auf ein kleines Marzipanauto, von denen insgesamt zwei oder drei herumstanden. Zwei Menschen aus Marzipan sahen ihm dabei zu. Genau genommen saßen sie auf einer Bank, die allerdings eher wie ein unförmiges Sitzkissen ohne Lehne aussah, weil das mit Marzipan einfacher ging. Sie lehnten sich aneinander und hatten jeder einen Arm um den anderen gelegt. Die Figuren hatten keine richtigen Hände oder Füße, sondern nur Stummel, aber bei dieser geringen Größe war das wohl legitim. „Sind das wir?“ staunte Yugi. „Naja... man kann es wohl nur an den Haaren erkennen,“ murmelte Yami verlegen. „Und irgendwie sehen wir aus, als wären wir nackig, weil ich keine bessere Kleidung hingekriegt habe, deshalb sind es nur so einfache Männchen, also nicht, dass du das falsch verstehst, äh... die Striche und Punkte da sollen Gürtel und Hemdknöpfe sein...“ „Und was halten wir da in der Hand?“ fragte Yugi. „Das ist Popcorn.“ Yami hielt den Zeitpunkt für günstig, solange Yugi noch darüber nachdachte, was das wohl zu bedeuten hatte, und gab ihm eine flache, in Geschenkpapier eingewickelte Schachtel von der ungefähren Größe einer Displaybox Duel Monsters Karten. „Das gehört dazu.“ „Oh...“ Yugi hatte vergessen, weiter errötet zu sein, während er das Geschenk öffnete. Die Schachtel zeigte das Logo des Kinos und trug einen Godzilla-Aufkleber. Yami beobachtete mit Freude, wie sich Yugis Augen weiteten. „Ist das... eins von diesen Geschenksets mit Popcorngutscheinen und sowas?“ „Oh ja,“ bestätigte Yami. „Und es ist ein limitiertes T-Shirt dabei. Eventuell ist es etwas zu groß.“ Yugi fummelte aufgeregt den Tesafilm von der Schachtel und bestaunte kurz darauf den Inhalt. „Boah, mit Godzilla drauf und mit Glanzeffekt! Und die Karten sind für den neuen Film! Aber ich dachte...“ Yami grinste. „Serenity war mir sehr behilflich in den letzten paar Wochen. Sie hat mir das Kino gezeigt, wo es diese Gutscheinboxen gibt, und wir haben so getan, als wollten wir in den Film. Naja, eigentlich war das gar nicht eingeplant, aber Serenity hat das Joey gegenüber gesagt, weil er sie immerzu mit Fragen über ihren Beziehungsstatus genervt hat.“ „Dann... wart ihr letzten Samstag da, um das hier zu kaufen?“ hakte Yugi nach. Yami nickte. „Ja, aber sie hatten keine mehr vorrätig von der Special Godzilla Edition mit dem T-Shirt, deshalb hab ich eine vorbestellt und Serenity hat sie für mich abgeholt und mir am Dienstag gegeben. Nachhilfe in Mathe hat sie eigentlich nicht nötig.“ „Oh... und was war letzten Sonntag?“ wollte Yugi wissen. Yami lächelte schief. „Ich wollte lernen, wie man eine supertolle Torte herstellt, und eine mit romatischen Farben und sowas machen, aber dafür war ich zu blöd, also schlug Genzo das hier vor. Er hat mit mir zusammen den Godzilla und die Autos gemacht, mir Marzipan mitgegeben und mir ein Buch ausgeliehen.“ „Oh! Das war in dem Rucksack!“ bemerkte Yugi. „Ja, das war seiner,“ bestätigte Yami. „Der Marmorkuchen war nur ein Alibi. Übrigens war ich auch nie an Aiko interessiert und Serenity nicht an Genzo, obwohl das wohl viele dachten, aber in Wahrheit sind die beiden zusammen.“ Yugis Augen wurden immer größer. Dann starrte er auf die beiden Figuren, die ihn und Yami darstellten und immer noch kuschelten. „Und, ähm, wie ernst ist das mit dir und Serenity?“ Da musste Yami lachen, riss sich aber schnell zusammen. „Das ist gar nichts. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, um dein Geburtstagsgeschenk zu planen. Ich hatte erst noch andere Ideen, die aber alle nicht geklappt haben. Als dann spekuliert wurde, dass wir zusammen gehen, haben wir einfach nicht widersprochen.“ „Ojeeee...“ Yugi presste sich die Hände auf den Mund und sah aus, als wollte er im Erdboden versinken. Gleichzeitig grinste er aber breit. „Ähm... ich interessiere mich eigentlich gar nicht für Mädchen,“ gab Yami dann zu, und sein Blick richtete sich kurz auf die Marzipanfiguren, dann auf sein Gegenüber. Er gab sich jetzt ganz cool wie bei einem Kartenduell, denn eigentlich hatte er Panik, dass Yugi empört reagierte oder ihn vielleicht gar nicht verstand. „Ich hab die ganze Zeit gedacht, sie hätte sich dich geangelt!“ platzte es schließlich aus Yugi heraus. „Das war so... blöd... ich wollte nämlich heute, also... Seit Wochen hatte ich vor, dir heute was zu sagen, nämlich, dass... ich auch nicht auf Mädchen stehe. Aber ich kam mir inzwischen dumm vor...“ Er rannte plötzlich zu seinem Bett und deutete auf die Decke. „Dein Geschenk ist da drunter.“ Yami hob die Augenbrauen, ihm war gar nicht aufgefallen, dass da etwas Dickes unter der Decke war, so sehr war er mit sich selbst beschäftigt gewesen. Er schnappte sich einen Zipfel und zog die Decke weg. „Oh! Ein Dakimakura!“ stellte er fest. „Oh, das ist ja... hehehe... herzallerliebst!“ Das fast lebensgroße, längliche Kissen zeigte auf einer Seite ihn und auf der anderen Seite Yugi als Zeichnung in schlafender Pose, und zwar waren sie beide kaum bekleidet, wie man es bei dieser Art von Fanartikeln oft sah. Eigentlich lag jeweils nur eine Decke über dem Unterleib. „Ich hab die Bilder von einem Künstler im Internet malen lassen,“ erklärte Yugi errötend. „Naja und man kann heute ja alles bedrucken lassen...“ Damit ließ er den Bademantel fallen und offenbarte, dass er zu seiner kurzen Pyjamahose ein Tank-Top trug, auf dem eben jene Bilder zu sehen ware, nur mit beiden Jungs zugleich drauf, die dicht beieinander schliefen. Yami war entzückt. „Oh... das sieht aber hübsch aus so.“ „Schön, dass es dir gefällt... ich hab für dich nämlich auch noch eins. Wir könnten... sie in der Schule tragen, unter dem Hemd, so ganz heimlich...“ Yami grinste. „Ja... oder im Kino.“ Er zog Yugi an sich und drückte ihn ganz fest. Oder, dachte er, bei der Geburtstagsfeier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)