Arbitrium von Istyar ================================================================================ Kapitel 1: Heimkehr ------------------- Ein gleißendes Licht, das Gefühl, zu fallen, und dann war Midna zurück. Ungewohnt heftig entließ der Spiegel sie in die Welt, die in Hyrule 'Schattenwelt' genannt wurde, und sie stolperte ein paar Schritte, ehe sie ihr Gleichgewicht wiederfand. Eilig drehte sie sich um. Eine grelle Lichtsäule stieg vom Spiegel in den Himmel auf, durch den Spiegel selbst zogen sich mehrere leuchtende Risse, die sich rasend schnell ausbreiteten, bis er schließlich explodierte. Der Knall, den sie erwartet hatte, blieb aus, lautlos fiehl die Lichtsäule in sich zusammen. Schwarz und schwer hingen die Wolken am Himmel, der in mildem orange glühte. Hinter Midna hob sich die Silhouette eines Schlosses wie ein Scherenschnitt gegen den Himmel ab. Verstohlen wischte Midna sich eine Träne aus dem Gesicht. Der Gedanke, Link, und auch Zelda nie wieder sehen zu können, schmerzte, und einen Moment lang bereute sie ihre Entscheidung, den Spiegel zu zerstören, so heftig, dass es beinahe schmerzte. Aber es musste sein. Zantos Handlungen hatten einmal mehr bewiesen, dass Licht und Schatten nicht in der selben Welt existieren konnten. Sie waren wie zwei Seiten einer Medaille. Dennoch vermisste sie Zelda und vor allem Link bereits jetzt schon. "Majestät!" Erschrocken fuhr Midna herrum, wieder zum Schloss. Ein großgewachsener Mann mit langen, silbernen Haaren in einer schwarzen Rüstung kam auf sie zugelaufen. "Euer Majestät! Ist alles in Ordnung? Wir haben vom Schloss aus das Licht gesehen." Midna nickte. "Ja... ja, es ist alles in Ordnung." Dem Soldaten schien ihr Zögern aufgefallen zu sein. Besorgt sah er sie an. "Seid Ihr sicher?" Wieder nickte Midna, diesmal ungeduldig. "Ja, natürlich. Und jetzt lass dieses höfliche Gequatsche, Benjen. Du weißt, dass ich das nicht mag." Benjen grinnste schief. "Sicher, Majestät." In seiner Stimme schwang gutmütiger Spott mit, jedoch wurde er schnell wieder ernst. "Ich fürchte, Euch erwartet jede Menge Arbeit. Wir wissen nicht, was das Volk weiß, genau genommen wissen wir selbst nicht genau, was los war. Und einige Eurer Generäle drängen auf eine Erklärung." Midna seufzte leise, aber nicht leise genug, dass es Benjen entgehen würde. Verstohlen griff er nach ihrer Hand und drückte sie kurz. "So schlimm ist der Generalsstab auch nicht. Ihr schafft das." Dankbar lächelte sie ihn an, doch er sah mit unbewegten Gesichtsausdruck in Richtung Schloss. Midna kannte das bereits von ihm. In den Jahren, die für sie arbeitete, hatten sie sich immer besser kennen gelernt und waren vertrauter miteinander geworden. Sie wusste, dass sie sich immer auf Benjen verlassen konnte. "Also dann. Sehen wir zu, dass wir die Generäle zufrieden stellen." Trotz ihrer Worte hätte Midna das Treffen mit den Generälen lieber noch etwas hinaus gezögert, doch Benjen hatte darauf gedrängt, so schnell wie möglich eine Versammlung einzuberufen. "Ich verstehe nicht, warum das nicht warten kann!" beschwerte sie sich, wärend sie mit Benjen durch verlassene Gänge zum Ratssaal eilte. "Sie sind ein Haufen alter Männer, die sich selbst zu wichtig nehmen! Warum können sie nicht bis Morgen warten?" Sacht schüttelte Benjen den Kopf. "Majestät, der... der Rat der Drei hat sich ebenfalls angekündigt." Laut stöhnte Midna auf. "Was wollen die denn hier?" Der Rat der Drei bestand aus drei Männern mit unaussprechlichen Namen, die sich für die auserwählten Vertreter der Göttinnen hielten. Einmal, als sie noch klein war, hatte Midna ihren Vater gefragt, warum die drei Männer so unaussprechliche Namen hatten, und ob das eine Voraussetzung sei, um den Göttinnen zu dienen. Ihr Vater hatte gelacht und erklärt, dass die Männer sich die Namen einfach ausgedacht hatten. Der, der sich Æsťřeğğřjå nannte, und vermutlich selbst nicht wusste, wie dieser Name ausgesprochen wurde, so ihr Vater, hieß eigentlich Tom, doch er hatte wohl befunden, dass dieser Name nicht mysteriös genug klang. Daraufhin hatten die Männer für Midna auch den Rest ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt. Midna seufzte. "Und wann wollen die überhaupt hier sein? Und wer hat diese Kasper eingeladen?" Unbehaglich hob Benjen die Schultern. "Also, um ehrlich zu sein... sie sind schon hier." Midna schnappte nach Luft. "Irgendwie haben sie mitbekomme, dass Ihr nicht hier seid und niemand wusste, wo Ihr wart. Und die Drei haben sich in den Kopf gesetzt, hier für Euch irgend einen religiösen Schnickschnack zu veranstalten. Ich entschuldige mich, sie hier hinein gelassen zu haben, aber da wir offiziell nicht wussten, wo Ihr wart, konnten wir ihr... Hilfsangebot nicht ablehnen." "Dafür, dass sie mich eigentlich nicht auf dem Thron haben wollten, sind sie aber ziehmlich besorgt." bemerkte Midna spitz. Benjen zuckte mit den Schultern. "Ihr wisst ja, wie sie sind. Rückgratlose alte Männer, die ihr Fänchen nach dem Wind hängen, sich bei allem, was sie tun, auf die Göttinnen berufen und in jeder Teetasse den Weltuntergang sehen." Kurz sah er sie von der Seite an. "Ich habe mir ebenfalls Sorgen um Euch gemacht." Unwillkürlich lächelte Midna. "Das..." wäre nicht nötig gewesen, hatte sie sagen wollen, aber mit einem Mal erschien es ihr unpassend. Benjens Sorge war berechtigt gewesen, und es rührte sie. Denn sie war sich sicher, dass er sich um sie, Midna, nicht nur um seine Königin gesorgt hatte. Benjen überging ihren angefangenen Satz, bevor die Stille zwischen ihnen die Chance hatte, unangenehm zu werden. "Als die Generäle benachrichtigt wurden, lies es sich nicht vermeiden, dass der Rat Wind von der Sache bekam, aber ich hoffe, dass wir sie aus der Versammlung herraus halten können." "Hoffentlich." bemerkte Midna. "Die Genräle sind schon schlimm genug." Dann hielt sie an, als sie am Ende des Ganges ankamen. Zwei bewaffnete Wachen verbeugten sich kurz, dann öffneten sie die große, mit Eisen beschlagene Doppeltür zum Ratssaal. Sacht spürte sie Benjens Hand in ihrem Rücken. "Die Generäle erwarten Euch schon." Kaum das Midna den Raum betreten hatte, bestürmten die Generäle sie mit Fragen. Lautes Stimmengewirr erfüllte die Luft, bis Midna die Hand hob. In der enstandenen Stille hallte der dumpfe Knall durch den Saal, mit dem Benjen die Tür schloss. "Meine Herren!" Hell und klar klang Midnas Stimme in dem großem Raum. "Ich weiß, dass viele von Ihnen erfahren wollen, was in den letzten Monaten geschehen ist, doch zuerst muss ich wissen, was hier wärend meiner Abwesenheit passiert ist." Benjen stand neben der Tür und bewunderte sie, wärend sie zu ihrem Platz am Kopf des langen Tisches ging und Platz nahm. Sie wirkte elegant und gleichzeitig stark und stolz wie eine richtige Königin, auch wenn sie diesen Titel offiziell erst führen durfte, wenn sie verheiratet war. Scheinbar geduldig lauschte sie den Generälen, die sich gegenseitig ins Wort fiehlen, um in möglichst blumigen Umschreibungen zu berichten, dass eigentlich nichts passiert war, dass aber gerade sie großen Anteil daran hatten, ja eigentlich allein dafür verantwortlich waren, dass die einfachen Leute nicht über einander hergefallen waren. Viele der Generäle schielten immer wieder missbilligend in seine Richtung. Zwar stand Benjen noch immer neben der Tür und hatte noch kein Wort gesagt, doch eigentlich stand es ihm nicht zu, bei dieser Versammlung anwesend zu sein. Der Grund, dass er sich darüber hinweg gesetzt hatte, war schlicht der, dass er Midna nicht mit diesen Männern allein lassen wollte, den im wesentlichen hatte sie Recht: Der Generalsstab war ein Haufen alter Männer, davon überzeugt, dass nur sie allein die Welt zusammen hielten, und zänkisch obendrein. Und mit diesem Haufen, der abwechselnd um Midnas Gunst buhlte oder sich selbst einen Vorteil verschaffen wollte, wollte er sie nicht allein lassen. Benjen wollte in der Lage sein, Midna zu unterstützen, sollte sie ihn brauchen. Die Generäle hatten schon zur Zeit von Midnas Vater ihre Position gehabt, doch mittlerweile hatte das Alter die Männer eingeholt und sie hatten den Blick für das Wesentliche verloren. Doch Midna hatte bis jetzt weder die Entschlossenheit noch die passenden Männer gefunden, um die Generalsposten neu zu besetzen. "In Ordnung.", unterbrach Midna die Generäle. "Wir sind also glücklicherweise nicht in der Lage, dem Volk etwas erklären zu müssen, wie es scheint, haben sie nichts mitbekommen." "Was ist mit dem Rat der Drei?" rief einer der Männer vom anderen Ende des Tisches. Benjen meinte sich zu erinnern, dass er Calan hieß, eine dürre, sehnige Gestalt. "Was soll mit ihnen sein?" Midna klang bereits jetzt erschöpft, als ahnte sie, dass nun eine ermüdende Diskussion folgen würde. Ein weiterer mischte sich ein, dick und mit dichtem Backenbart. An seinen Namen konnte Benjen sich nicht erinnern. "Diese Fanatiker schleichen schon seit Tagen hier herrum! Schnüffeln! Wollen alles wissen!" Die dröhnende Stimme des Mannes hallte im Saal wider. "Was sollen wir ihnen sagen?" meldete sich Calan wieder zu Wort. "Was ist überhaupt passiert?" rief jemand, doch niemand achtete auf ihn. Der dicke schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. "Ich sage, wir schaffen sie aus dem Weg! Diese drei Geier haben nicht das Recht, hier zu sein, haben das Recht auf gar nichts! Genau wie dieser..." Er beendete den Satz nicht, doch seine Augen funkelten wütend in Benjens Richtung. "Ihr wisst, dass das nicht geht, Olcher." Ein Mann, der an ein Wiesel erinnerte, war aufgestanden. "Die Menschen in den Bergen sind eigen, und die Drei sind unsere einzig zuverlässige Verbindung zu ihnen." "Pha. Zuverlässig. Dass sagt Ihr doch nur, weil sie Euch mit Gold bestechen." Der Wieselartige schnappte nach Luft, hinderte Olcher aber nicht am weitersprechen. "Ich sage Euch, Prinzessin, wir hätten schon früher engere Kontakte mit den Bergregionen knüpfen müssen, so wie Euer Vater es getan hat." Als einziger bemerkte Benjen den Schmerz, der kurz über Midnas Gesicht huschte. "Dann hätten wir jetzt das Problem mit diesem sogenannten 'Rat' nicht." Midna hob beschwichtigend die Hand, doch unter dem Tisch zuckte ihr Fuß ungeduldig. "Darüber haben wir doch schon oft genug diskutiert, und wir waren uns einig, dass wir nicht mehr auf diese Spinner angewiesen sein dürfen. Und dass wir bei Zeiten etwas unternehmen. Gibt es denn jetzt nichts wichtigeres?" Die Generäle holten zugleich entsetzt Luft, dann fingen sie alle auf einmal an zu reden, hilfesuchend blickte Midna in Benjens Richtung. Langsam löste er sich von seinem Platz und ging gemessen zum Tisch und nahm hinter Midnas Stuhl Aufstellung. Eine Hand ruhte auf ihrer Lehne. "Meine Herren." Er sprach leise, so dass ihn kaum jemand hörte. Einige verstummten dennoch. "Meine Herren!" Dieses mal donnerte seine Stimme durch den Saal, und mit einem Schlag verstummten die Generäle, doch er sah Zorn und Abneigung, bei einigen sogar Hass in den Gesichtern. "Ihre Hoheit ist erschöpft." fuhr er fort, nun wieder leiser. "Die vergangenen Ereignisse und die Reise hierher haben sie angestrengt. Dennoch ist sie sofort hierher gekommen, um mit Euch zu reden. Sicher werdet Ihr verstehen, dass ihre Hoheit sich gerne zurück ziehen würde." Die Männer murrten, aber keiner wagte es, Einspruch zu erheben, als Midna aufstand und mit Benjen den Raum verließ. "Ich verstehe das nicht." klagte Midna, als sie durch die Gänge zu ihren Räumem gingen. "Die waren doch nicht immer so... so kleinkariert. Ich hab schon das Gefühl, dass ich mich vor ihnen rechtfertigen muss. Ich! Dabei sollte dieser versoffene Haufen eigentlich mich unterstützen." Müde fuhr sie sich mit der Hand durch das Gesicht, dann öffnete sie die Tür zu dem Palastflügel, der nur von ihr bewohnt wurde. "Komm ruhig noch mit." bemerkte sie, als Benjen vor der Tür zögerte. "Ich brauche noch jemanden, der halbwegs normal ist." Also folgte Benjen ihr und setzte sich auf ein Sofa, dass an der Wand stand. Mit einem leisen Seufzer lies Midna sich neben ihn sinken. "Danke, dass du mich da rausgehauen hast. Verrückt, oder? Eigentlich sollten sie mir dienen, aber ich bring nicht den Mum auf, zu sagen,  dass ich keinen Bock auf diese Versamlung hab und gehen will. Dabei ist es ja nicht mal so, als wäre ich jetzt extrem schüchtern." Benjen zögerte, zu antworten. "Vielleicht ist es besser so." sagte er vorsichtig. "Ihr seid in einigen Punkten auf diese Männer angewiesen, Ihr solltet es Euch nicht mit ihnen verscherzen." Midna lies sich gegen ihn sinken und legte den Kopf auf seine Schulter. Überrascht sah er sie an, aber Midna achtete nicht darauf. " Ich glaube, es liegt daran, dass ich eine Frau bin. Die Männlichen Thronerben dürfen sich ja auch sofort König nennen, wenn... ihr Vorgänger gestorben ist. Wenn ich nicht dauernd um die Anerkennung dieser verklemmten Speichellecker kämpfen müsste, wäre alles viel einfacher." Vorsichtig, zögernd legte Benjen einen Arm um sie, bereit, ihn sofort zurück zu ziehen. Doch sie beschwerte sich nicht. "Frauen haben es schwerer, dass mag stimmen. Eure Ahnen waren große Männer. Vielleicht... warten sie darauf, dass Ihr Euch in einer Krise bewährt." Midna schnaupte. "Pha. Man sollte meinen, dass, was ich in Hyrle geleistet hab, sollte reichen, um sie zu überzeugen." "Aber noch weiß niemand, wass dort passiert ist." Auch ich nicht. Aber dass sagte er nicht, es stand ihm nicht zu, Midna zu kritisieren. Sie würde es ihm schon noch sagen, wenn sie wollte. Midna hatte ihm einmal erzählt, dass noch eine weitere Welt neben ihrer exierte, aber mehr wusste er nicht über dieses Hyrule. Midna schien seinen Einwand gar nicht gehört zu haben. "Aber wenn sie mal aufhören, über Kleinigkeiten zu streiten, und sich mal einer Meinung sind, nerfen sie mich, weil sie glauben, ich solle heiraten!" Sie lachte bitter auf. "Weißt du, ich hab mal überlegt, ob ich einfach dich heiraten soll. Dann müssen diese Tattergreise Ruhe geben, ich wäre offiziell Königin und auf niemanden mehr angewiesen." Benjens Herz schien einen Schlag auszusetzen, um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu hämmern. Was hatte sie gesagt? Ihn heiraten? Er spürte, wie er rot wurde. "E-Euer... Euer Majestät, i-ich..." Midna kicherte. "Krieg dich wieder ein. Ich werde dich schon nicht zwangsverheiraten." Dann gähnte sie und kuschelte sich dichter an ihn. "Bevor ich irgendwen verheirate, muss ich erstmal schlafen." Kapitel 2: Das Fest ------------------- Die Sonne ging gerade erst auf, der Morgennebel hing noch über den blassgrünen Wiesen. Doch von einem eingezäuntem Sandplatz etwas abseits des Schlosses hallten schon barsche Rufe und das Klirren von Waffen, die aufeinander trafen. Wärend der Himmel sich langsam Orange färbte, trainierten dort Männer der Kaiserlichen Armee. Keuchend schwang auch Benjen das Schwert gegen seinem Übungspartner, als ihn ein barscher Ruf von Ark aus der Konzentration riss. "Hey, du hast auch noch nen Linken Arm! Da hängt n Schild dran! Denkste, der is nur Deko?" Missmutig sah Benjen zu dem Ausbilder hinüber. Seine Haare waren von der Sonne ausgebleicht, die blaue Haut deutlich dunkler als gewöhnlich. Doch hinter ihm stand am Zaum stand eine schmale Frauengestalt, die ihn so irritiete, dass er zwei Treffer kassieren musste, bevor er sich wieder fing. Was tat sie hier? Gleich nachdem Ark die Soldaten entlassen hatte, lief er zu ihr. "Majestät, was tut Ihr hier? Gibt es Probleme?" Grinsend schüttelte Midna den Kopf. "Dir auch einen guten Morgen. Ich hab nur über dass machgedacht, was du gesagt hast. Und beim Thema beweisen dachte ich, ich könnte doch kämpfen lernen." Entgeistert starrte Benjen sie an. "Aber Majestät! I-ich meine, warum? Ihr beherrscht Magie, und..." Midna sah ihn scharf an. "Und du meinst, als Frau sollte ich nicht kämpfen?" Dann lachte sie. "Eigentlich wollte ich mich bloß vor den Generälen verstecken. Ich bin noch nicht richtig aufgestanden, aber schon liegen die mir mit der Organisation von diesem blöden Fest in den Ohren." Auf Benjens fragenden Blick fügte sie hinzu: "Sonnenwendenfest? Du erinnerst dich?" Benjen grinste schief. "Das steht schon an? Irgendwie hatte ich in letzter Zeit anderes um die Ohren. Ihr..." "Ich war weg, ich weiß. Und kaum bin ich wieder da, müssen die weiter ihre Party planen. Natürlich ist nicht einmal die Frage laut geworden, was wir mit dem Rat der drei machen sollen oder was ich in Hyrule anhestellt hab." Nachdenklich legte er den Kopf schief und wollte antworten, wurde jedoch von Ark unterbrochen. "Ey, Grünschnabel! Nur weile der Liebling der Prinzessin bist, kannste dir noch lange net alles erlauben. Räum gefälligst dein Zeugs auf! Flirten kannste später!" Benjen warf Midna einen entschuldigenden Blick zu und drehte sich dann mit vor Scham brennenden Gesicht um, um die Ausrüstung vom Übungskampf aufzuräumen. Benjen stand an einer der Türen zum Festsaal und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Der Himmel hinter den hohen Fenstern war nachtschwarz, nur vereinzelt blinkten Sterne. Der Saal dagegen war mit vielen Kerzen erhellt, die ein goldenes, warmes Licht verbreiteten. Im Hintergrund spielte leise ein kleines Streichorchester. Die Adeligen, die zu diesem Fest zahlreich angereist waren, gekleidet in die besten Kleider, die für Geld zu haben waren, standen in Grüppchen herrum. Die Veranstaltung war zwar dem Namen nach ein Fest, diente jedoch zum Großteil auch dem politischen Austausch. Er selbst war nur hier, weil er Wachdienst hatte. Plötzlich bemerkte Benjen, wie Midna auf ihn zukam. Sie ging an der Wand des Saales entlang, ganz so, als wolle sie möglichst vielen aus dem Weg gehen. Dennoch wurde sie in zwei kurze Gespräche verwickelt, ehe sie bei ihm ankam. "Benjen." Ihr Gesicht hatte sich leicht gerötet, sie wirkte aufgebracht. "Ich halte das nicht mehr aus! Bestimmt schon Zwanzig dieser Fatzken, die sich Lords nennen, haben meine Hand geknutscht, jede zweite Frau hat mich auf irgend ein lächerliches Ding angesprochen, und der dahinten", sie wieß mit dem Daumen auf einen derjenigen, die sie gerade aufgehalten hatten, "ist der dritte, der mir seinen Sohn zum heiraten anbietet, wie ein Stück Mastfieh." Sie legte eine kurze Pause ein. "Und ich kann in diesem Kleid nicht atmen." Nachdenklich musterte Benjen sie. Einige Stränen hatte sich aus Midnas kunstvoller Hochsteckfrisur gelöst, und ihr Kleid, überwiegend in schwarz gehalten, was ihre hellblaue Haut hervorragend zur Geltung brachte, lag eng am Oberkörper an. "Nun..." Verlegen räusperte er sich. "Was kann ich für Euch tun, Majestät?" Sie zog ein missmutiges Gesicht. "Was weiß ich. Eigentlich müsstest du doch... Ich hab's!" Eine Idee blitzte in ihren Augen auf. "Komm, wir hauen einfach ab!" Und damit griff sie nach seiner Hand und zog ihn zur nächstgelegenen Tür. "M-Majestät." gab Benjen überrumpelt von sich. Midna kicherte. "Stell dich nicht so an, Morgen früh sind wir lange wieder zurück." Kurz musste Benjen daran denken, was Ark mit ihm anstellen würde, wenn er herraus fand, dass er nichg auf seinem Posten geblieben war. Doch dann wischte er den Gedanken beisete. Das, was für ihn zählte, war, das Midna etwas von ihm wollte. Und wenn sie wünschte, dass er ihr folgte, würde er das tun - was immer sie wieder vor hatte. Zuerst hatte Benjen gedacht, dass Midna direkt zum Schlosstor gehen würde, aber sie zog ihn zu ihren Räumen. Breit grinsend schloss sie die Tür hinter ihnen, ihre Wangen leuchteten vor Aufregung. "Wir hätten sowas schon viel früher machen sollen! Kannst du mir bitte mal helfen?" Damit drehte sie ihm den Rücken zu. Verwirrt starrte Benjen sie an. "Ich... ich verstehe nicht..." "Ich kann mit dem Kleid unmöglich raus gehen, außerdem krieg ich keine Luft. Könntest du... da sind Häkchen, die krieg ich alleine nicht auf. Und wenn die Zofen mitbekommen, was ich vor hab, wissen das bald alle. Also... könntest du bitte..." Plötzlich hatte ihre Stimme einen verlegenen Beiklang. Benjen nickte, löste langsam und vorsichtig die Häkchen. Seine Finger zitterten ganz sacht, und er konnte sich nicht erklären, warum sein Herz auf einmal bis zum Hals schlug. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, nur das leise Klicken der Haken war noch zu hören. Als er fertig war, räusperte Midna sich, drehte sich jedoch nicht zu ihm um. "Danke. Vielleicht... wenn du mitkommst... solltest du dir was unauffälligeres als die Wachuniform des Palastes anziehen. Es muss ja nicht jeder sehen, dass du deinen Posten verlassen hast. Wir treffen uns in einer Viertelstunde am Stall." Dann, zögerlich, als hätte sie auf einmal Angst vor der Antwort: "Du... kommst doch mit, oder?" Benjen musste nicht lange überlegen. "Es wäre mir eine Ehre." Unruhig stand Benjen am Stalltor, als Midna endlich aus der Dunkelheit auftauchte. Sie hatte das aufwändige Kleid gegen etwas viel einfacheres getauscht, nur ihre Haare waren hinten noch hochgesteckt. "Also dann." Ihr Gesicht leuchtete förmlich vor Aufregung. "Wohin soll es gehen?" Überrascht sah Benjen sie an, irgendwie hatte er damit gerechnet, dass Midna wusste, wo sie hin wollte. Sie schien seine Gedanken erraten zu haben. "Schau nicht so. Ich wollte bloß weg. Egal, wohin." Er nickte, dachte fieberhaft nach. "Wir... könnten in die Stadt gehen. Ich weiß nicht, ob sie dort noch genau so feiern wie vor drei Jahren, aber..." Midna klatschte in die Hände. "Okay, dann hohl dir ein Pferd, nur vielleicht keines von den  Gästen." Sie grinste schief. Nur wenig später saßen Benjen und Midna auf den Pferden und ritten Richtung Stadt. Sie hatte auf einen Sattel verzichtet, und um sie nicht aufzuhalten, hatte Benjen es ihr gleich getan. Wie sie nun in der sommerwarmen Nachtluft die Straße entlang galoppierten, durchflutete ihn mit einem Mal ein ungeahntes Gefühl der Freiheit. Midna schien es ähnlich zu gehen, lachend breitete sie die Arme aus, während der Wind ihre Frisur auflöste. Auf einem Hügel kurz vor den Stadtmauern hielten sie schließlich an. Staunend betrachtete Midna die Stadt. In den Straßen waren Lampions aufgehangen worden, von oben sah es aus, als wären die Sterne selbst vom Himmel gefallen. Leise hallte Musik herrüber. Benjen stieg ab und band sein Pferf an einen Baum. Er drehte sich um, um Midna zu helfen, doch sie kletterte schon alleine vom Pferd. Doch dann stolperte sie, taumelte, in dem Versuch, das Gleichgewicht zu halten, und fiehl gegen Benjen. Instinktiv hielt er sie fest. Einen atemlosen Moment sah Midna zu ihm auf, wieder schien sein Herz einen Schlag auszusetzen. Plötzlich nahm er Midna mit einer Klarheit war, die eigentlich nicht möglich war. Bis Midna kicherte und sich losmachte. "Tut mir Leid, wenn ich dir auf die Füße getreten bin." Benjen schüttelte nur stumm den Kopf, da griff sie auch schon nach seiner Hand und zog ihn in Richtung Stadt. "Gut, dann komm!" Die folgenden Stunden blieben Benjen nur schemenhaft in Erinnerung. Alles war vom goldenen Licht der Lampions erhellt, überall waren Musiker, Gaukler und tanzende Menschen. An den Rändern der Straßen standen Buden, die Getränke und Süßes verkauften. Die Stunden bis zum Morgengrauen vergingen wie im Rausch. Midna, die im Palast alles hatte, was sie sich wünschen konnte, strahlte vor Begeisterung und zog Benjen durch die Straßen. Niemand schien Midna zu erkennen, und so konnten sie sich ungehindert bewegen. Einmal, als sie einem Jongleur zusahen, zog Midna Benjens Kopf zu sich, um sich durch die Musik verständlich zu machen. "Warum haben wir solche Leute nicht im Schloss? Stell dir mal vor, diese hier" sie ziegte auf die Gruppe der Schausteller, die hinter dem Jongleur stand, "anstelle der Generäle!" Ein andermal, als sie gerade an einer Gruppe Musiker vorbei kamen, hielt Midna an. "Benjen!" Sie zeigte auf die Musiker. "Wie tanzt man dazu?" Perplex sah er Midna an. "Nun... ähnlich wie Walzer, aber schneller." Lachend griff sie mach seinen Händen. "Zeigs mir!" Zu erst stolperte Midna über ihre eigenen Füße, aber schnell fand sie sich zurecht. Erst als die Dämmerung den Himmel grau färbte, traten sie langsam den Weg zurück zum Schloss an. Kapitel 3: Ein dunkler Schatten ------------------------------- Besorgt sah Enya zum Himmel. Seit dem Mittag war er immer dunkler geworden, dunkelgrau und schwer hingen die Wolken am Himmel. Und nun zog auch die Dämmerung herauf. Enya sah sich um. Zurück zum Dorf würde sie Stunden brauchen, doch hier gab es nur Felsen und ein paar verkrüppelte Bäume, nichts, dass ihr Schutz bieten würde, sollte tatsächlich ein Unwetter losbrechen. Seufzend wickelte sie ihren Umhang fester um sich, doch der aufkommende Wind fuhr ihr unter die Kleider. Langsam begann es zu regnen, feiner, dünner Sprühregen, der sie zusätzlich durchnässte. In der Ferne grollte plötzlich Donner. Es schien, als bliebe Enya nichts anderes übrig, als zum Dorf zurück zu kehren, wollte sie dem Unwetter nicht hier draußen ausgesetzt sein. Doch mit jeder Minute, mit jedem Schritt, den sie näher zum Dorf ging, wurde es schlimmer. Der Wind wuchs zu einem regelrechten Sturm, wütend zerrte er an ihren Haaren und ihrer Kleidung, wehte tote Blätter über den Weg. Der Sprühregen war einem Platzregen gewichen, der wirkte, als wolle er die Welt selbst ertränken. Mühsam stapfte Enya vorwärts, auch wenn sie kaum drei Meter weit sehen konnte. Es war immer dunkler geworden, schwer und schwarz hingen die Wolken am Himmel. Der Donner war näher gekommen, in unregelmäßigen Abständen erhellten Blitze den Himmel. Plötzlich stolperte sie, verlor das Gleichgewicht und schlug hart auf dem felsigen Boden auf. Brennender Schmerz fuhr durch ihre Hände und stieß bis hinauf in ihre Schultern, Blut sickerte aus ihren aufgerissenen Handballen. Ein leiser Schrei entwich ihren Lippen. Einen Moment blieb sie liegen, sammelte sich. Dann hob sie den Kopf und keuchte erschrocken auf. Vor ihren Augen bildete sich auf dem Boden ein winziger Tornado. Doch er wuchs blitzschnell, die wirbelnden Luftströme kreiselten immer schneller. Hektisch richtete sich Enya erst auf Hände und Knie auf, stand dann auf und taumelte rückwärts, bis sie gegen einen dürren Baumstamm stieß. Der Tornado wuchs immer weiter in die Höhe, stieß wie ein spindeldürrer Finger in den Himmel. Enya wollte sich umdrehen, weglaufen, sich in Sicherheit bringen, doch sie konnte nicht. Irgend etwas hielt sie fest, lähmte sie. Dunkelheit schien in den Tornado gesaugt zu werden, stoffliche, beinahe greifbare Dunkelheit, die in Schwaden zwischen den wenigen Bäumen hervor kam. Doch deshalb wurde die Umgebung nicht heller, das Gegenteil war der Fall. Die Dunkelheit legte sich über ihre Augen, panisch schrie sie, schlug um sich, doch die Schwaden erstickten unbarmherzig ihr Sehvermögen. Sie hörte ein Brausen, das langsam vom Rauschen ihres eigenen Blutes übertönt wurde. Als sich die Dunkelheit verzog und sie wieder sehen konnte, war der Tornado verschwunden. Die Wolken waren wieder grau, nicht schwarz, auch der Regen war nun wieder ein feiner Sprühregen. Nur der Wind pfiff mit unverminderter Schärfe über den felsigen Boden. Doch einige Schritte entfernt, dort, wo eben noch der Tornado aus dem Boden gewachsen war, lag jemand. Eilig stolperte Enya zu dem Körper und hielt dann verwundert inne. Vor ihr lag ein Junge, nackt, schmächtig, der nicht älter als Acht oder Neun sein konnte. Seine Haut schien in dem Zwielicht zu schimmern, denn sie war nicht blau, sondern schneeweiß, sein Haar hob sich in leuchtendem Orange dagegen ab. Vorsichtig berührte Enya ihn am Arm. Der Junge stöhnte, seine Lider flatterten, aber er wachte nicht auf. Aber Enya konnte ihn nicht hier liegen lassen. Also zog sie sich den Umhang von den Schultern, kniete sich hin und wickelte ihn vorsichtig darin ein. Eisig und scharf schnitt der Wind in ihre bloßen Arme. Noch einmal atmete sie tief durch, dann schob sie ihre Arme unter den Jungen und stemmte sich in die Höhe. Zuerst schwankte sie unter dem Gewicht, dann fing sie sich und wagte die ersten Schritte. Auf dem Weg zurück zum Dorf schossen ihr unzählige Fragen durch den Kopf. Was war das für ein merkwürdiger Vorfall gewesen, den sie erlebt hatte? Wie war der Junge dorthin gekommen, wo sie ihn gefunden hatte? Wer war er? Noch nie hatte sie jemanden wie ihn gesehen. Ihre Ausbildung zur Priesterin der Göttinnen war fast abgeschlossen, doch sie war nicht sicher, ob der Junge nicht von den Göttinnen geschickt worden sein konnte. Wer sonst konnte solche Magie beherrschen? Sie selbst war in der Lage, Magie zu beherrschen, aber so etwas könnte sie nicht vollbringen, da war sie sich sicher. Also kam er von den Göttinnen? Oder von jemand anderem, unvorstellbar mächtigem? Dieser Gedanke machte ihr ein wenig Angst. Aber die Grübelei lenkte sie wenigstens von den Schmerzen ab, die langsam in ihre Arme und Beine krochen, da sie durch das Gewicht des Jungen ermüdete. Als sie endlich in ihrem Dorf ankam wankte sie vor Erschöpfung und schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen. Mittlerweile war die Nacht herein gebrochen, doch noch immer waren erstaunlich viele Menschen unterwegs. Plötzlich hallte ein Ruf zwischen den Häusern hervor. "Die Priestern ist zurück!" Und gleich darauf kamen die ersten erstaunten Ausrufe, als die Menschen den Jungen sahen. Wie Laubrascheln erhob sich Geflüster. Enya meinte heraus zu hören, dass viele von einem Boten der Göttinnen sprachen. Kein Wunder bei dem Aussehen des Jungen, doch Enya war zu erschöpft, um darauf einzugehen. Stattdessen wankte sie zu einer kleinen Hütte etwas abseits, wo sie mit ihrer Lehrmeisterin wohnte. Die alte Frau stand schon abwartend in der Tür. Sie war eine zerknitterte Erscheinung, voller Falten und etwa halb so groß wie Enya. Mit einem missmutigem trat sie aus dem Türrahmen zurück in die Hütte um Enya durch zu lassen. "Wo hast du den komischen Kauz aufgegabelt?" Enya schüttelte den Kopf und wankt in ihr Zimmer, ihre Arme brannten. Erst später, als der Junge in ihrem Bett lag und sie auf der Bettkante saß, erzählte sie ihrer Meisterin, wie sie den Jungen gefunden hatte. "Meinst du, er könnte derjenige aus der Prophezeiung sein?" fragte sie, als sie geendet hatte. Nachdenklich wiegte die alte Frau den Kopf. "Ich verstehe, dass du es dir wünschst, Kind. Es wäre schön, wenn endlich die helle Person kommt und uns in ein besseres Leben führt. Aber nur, weil der Junge weiße Haut hat, muss er nicht von den Göttinnen kommen." Verwirrt sah Enya ihre Meisterin an. "Woher sollte er denn sonst kommen?" Aber die alte Frau blieb ihr die Antwort schuldig. "Es... gibt viele Wege für das Schicksal." antwortete sie nur vage, dann verließ sie den Raum. Enya schüttelte den Kopf und sah zu dem Jungen. Und schrak zusammen. Stechende gelbe Augen sahen sie an, starrten mit einer Kälte aus dem Kindergesicht, die keinem Achtjährigem zu eigen sein sollte. Er schien schon eine Weile wach zu sein, es war keine Spur von Trübe oder Müdigkeit darin zu erkennen. "D-du bist wach." Einen Moment lang versuchte Enya vergeblich, ihre Fassung wieder zu gewinnen. "Wie fühlst du dich?" Der Junge sah ihr direkt in die Augen, es fühlte sich an, als würde er ihre Seele bloß legen. Sie wollte schon wegsehen, aber dann nickte er. "Ich lebe noch, das wird für den Moment reichen." Es war verwirrend, diese Worte kalt und nüchtern ausgesprochen wahrzunehmen, aber gleichzeitig die helle Kinderstimme zu hören. Aber bevor sie in die Verlegenheit kam, antworten zu müssen, klopfte es an der Tür und ihre Meisterin kam herein, gefolgt von Jenny, einer Frau aus dem Dorf, die ein Bündel trug. "Ha-hallo." Jennys Stimme klang dünn, so wie sie immer klang, seit ihr Sohn bei einem Unfall gestorben war. "Ich hab... ich hab etwas Kleidung mitgebracht, sie... sie müsste ihm passen." Schüchtern legte sie das Bündel auf das Bett, der Junge setzte sich auf. "Sie... gehörte meinem Jungen, er... er braucht sie nicht mehr." Er hob das dunkle Oberteil vom Haufen, faltete es auseinander und betrachtete es gründlich. "Es wird gehen." Enya sah, wie Jenny die Tränen in die Augen stiegen und war dankbar, als ihre Meisterin sie am Arm nahm und hinaus führte. Verlegen sah Enya den Jungen an. "Ehm... Entschuldigung, aber... wie heißt du?" Er sah zu ihr auf, wirkte überrascht. "Wie ich heiße? Hm... ich bin geschickt worden, also... nenn mich doch Tenebris." Aus irgend einem Grund schien ihn das zu amüsieren, leise gluckste er. Verwirrt starrte Enya ihn an. "Ja gut, dann... ich..." sie zeigte auf die Tür. Dieser merkwürdige Junge wirkte, als würde sie nicht mit einem Menschen reden, wenn sie mit ihm sprach. "Wenn du mich brauchst, dann... dann ruf einfach oder so." Tenebris grinste. "In Ordnung. Gute Nacht." Enya nickte. "Gute Nacht." Dann verließ sie eilig den Raum. Warmes, oranges Licht kitzelte ihre Nase. Verschlafen öffnete Enya die Augen und räkelte sich. Einen Moment lang fragte sie sich, warum sie so verkrampft war, warum sie auf der Bank lag, doch dann fiel es ihr wieder ein. Eilig setzte sie sich auf, stieß sich fast den Kopf am Tisch, und fragte sich, warum ihre Meisterin sie noch nicht geweckt hatte. Noch leicht schlaftrunken tapste sie zum Fenster und sah, dass es noch später war, als sie zuerst angenommen hatte. Allmählich begann sie, sich Sorgen zu machen. Leise ging sie zu dem Zimmer ihrer Meisterin und klopfte. Doch es kam keine Antwort. Zum ersten mal fiel ihr auf, dass die Hütte, selbst wenn alles still war, Geräusche machte. Ein leises Knarzen im Gebälk, der Wind pfiff um die Hausecken. Irgendwo draußen lachte ein Kind. Enya versuchte, sich zu beruhigen. Es war albern, wie sie sich selbst nervös machte, sicher war nichts. Was sollte schon passiert sein? Trotzdem klopfte ihr Herz bis zum Hals, als sie die Tür langsam öffnete. Die Tür knarrte. Enya räusperte sich. "Hallo?" Gleich darauf ärgerte sie sich über sich selbst. Warum benahm sie sich so albern? Sie wohnte hier. Wie um sich selbst zu beweisen, dass sie sich nicht völlig lächerlich benahm, trat sie mit vorgetäuschter Entschlossenheit in den Raum. Enya runzelte die Stirn. Jemand lag im Bett ihrer Meisterin, eine kleine Gestalt. Wer konnte das sein? Ihre Meisterin war doch sicher schon aufgestanden. Doch als sie näher trat, erkannte Enya, dass sie sich getäuscht hatte. Zerbrechlich lag sie da, das alte Gesicht eingefallen wirkte sie unendlich erschöpft. Enya wusste schon bevor sie nach dem dem Handgelenk griff, dass die Frau, bei der sie so lange gelebt hatte, die ihr so lange eine Lehrerin gewesen war, nicht mehr lebte. Kälte brach in einer riesigen Welle über Enya herein, betäubte sie. Langsam wankte sie rückwärts und sackte gegen die Wand. Alles schien zu erstarren. Plötzlich hörte sie eine Kinderstimme und wandte den Kopf. Tenebris stand in der Tür, dank der dunklen Kleider schienen seine Haare und Augen noch leuchtender, die Haut beinahe weiß wie Papier. Sein Blick wirkte irgendwie abwesend. "Guten Morgen. Es sieht aus, als seihest du nun erste Priesterin. Mir wurde aufgetragen, dir etwas zu sagen. Es geht um das bessere Leben von dir und deinen Leuten. Und den Betrug der Königsfamilie." Kapitel 4: Midnas Idee ---------------------- Eine kräftige Hand packte Benjen am Kragen und presste ihn gegen die Mauer. "Was bildest du dir ein?!" Im Halbdunkel der Waffenkammer erkannte er Arks Gesicht, wutverzerrt und keine Armeslänge von seinem entfernt. "Wie kommst du dazu, einfach deinen Posten zu verlassen?! Deinen Kameraden deinen Teil der Arbeit aufzuhalsen?! Ich habe euch allen klar gemacht, wie wichtig dieses Treffen ist, wie viele wichtige Menschen versammelt sind, hast du nicht zugehört? Was, wenn etwas passiert wäre?! Und wofür?! Ein nettest Stelldichein gehabt?!" Benjen rang nach Luft. "I... Ihre Majestät... Midna..." Ark schnaubte. "Natürlich, deine hündische Ergebenheit für ihre Hoheit entschuldigt natürlich alles." Aber er lies Benjen los. "Ist dir klar, dass, falls es einen Angriff gegeben hätte, es deine Schuld wäre, wenn deine Kameraden getötet worden wären,  weil du gefehlt hast?" Benjen fragte sich zwar, wer bitte angreifen sollte, aber er hielt es für klüger, das Ark gegenüber nicht zu erwähnen. Stattdessen sah er betreten zu Boden. "Es... es tut mir Leid. Es wird nicht wieder vorkommen." Ark drehte ihm den Rücken zu. "Natürlich tut es dir Leid. Das sollte es auch." Er ging zur Tür, doch im Rahmen hielt er inne, ein Scherenschnitt gegen die aufgehende Sonne. "Du bist nicht blöd, und bis jetzt hast du dir kaum etwas zu Schulden kommen lassen. Ich würde es vorziehen, wenn es dabei bleibt. Dieses Mal kommst du mit einem blauen Auge davon." Damit verschwand er durch die Tür. "Ich erwarte dich beim Training.", war das letzte, was Benjen von ihm hörte. Benjens Arme brannten, Schweiß lief ihm in die Augen. Keuchend wischte er sich durch das Gesicht, Schwert und Schild hingen wie Blei an seinen Händen. Irgendwo vor sich hörte er Ark etwas rufen, er hatte ihn schon den ganzen Morgen auf dem Kieker. Benjen vermutete, dass Ark ihn trotz seiner Worte auf diese Weise dafür bestrafen wollte, dass er am Vorabend seinen Posten verlassen hatte. Wieder rief Ark etwas zu ihm hinüber, und diesmal drang es zu ihm durch. Über seinen eigenen, keuchenden Atem verstand er die Worte kaum, doch Ark schien endlich genug davon zu haben, ihn zu foltern. „Benjen, das reicht für heute.“ Erleichtert lies Benjen das Schwert sinken. Seine Kameraden hatten das Training längst beendet, nur er war noch hier, da Ark ihn nicht hatte gehen lassen. Doch nun war auch er entlassen, unwillkürlich seufzte er auf, als das Schwert seinen Fingern entglitt. Was Ark einen erbosten Ausruf entlockte. „Hey! Geh wenigstens vernünftig mit deiner Ausrüstung um, wenn du schon deine Pflichten nicht erfüllen kannst!“ Eine undeutliche Entschuldigung murmelnd bückte Benjen sich, und hob das Schwert auf. Eine tadelnde, aber auch amüsierte Stimme lies ihn herum wirbeln. „Tse, Benjen, wie gehst du nur mit Waffen um...“ Er spürte, wie ihm die Röte in das Gesicht schoss. Am Rand des Übungsplatzes stand Midna, die ihn frech angrinste. Betreten senkte er den Kopf. „Bitte verzeiht, Euer Majestät.“ Aber Midna achtete nicht mehr auf ihn. Mit festen Schritten ging sie auf Ark zu, in ihrer Stimme schwang nun Zorn anstelle von Heiterkeit mit. „Ark, ich hatte dir gesagt, dass er gute Gründe hatte, seinen Posten zu verlassen! Und dass du ihn nicht bestrafen sollst!“ Abwehrend hob Ark die Hände. „Ich habe ihn nicht-“ „Ach nein?“ unterbrach Midna ihn und zeigte auf Benjen. „So gehst du also mit deinen Adepten um, ja? Was soll das? Er kann ja kaum noch stehen!“ Benjen fühlte sich, als würde sein Gesicht brennen. „Euer Majestät, bitte… so schlimm ist es nicht...“ Er verstummte, als er merkte, das Midna ihm nicht zuhörte, sondern mit immer lauter werdender Stimme auf Ark einschrie, der sich davon jedoch wenig beeindruckt zeigte. Erst wollte Benjen einfach still gehen, da ihm die Situation mit jedem Wort von Midna unangenehmer wurde, doch dann blieb er. Irgendwie kam es ihm so vor, als sei er Midna schuldig, zu warten, bis sie fertig war, außerdem konnte es sein, dass sie noch etwas von ihm wollte. Oder sollte sie etwa nur gekommen sein, um Ark zu beaufsichtigen? Die Tatsache, dass sie dafür verantwortlich war, dass Ark ihn nicht normal bestraft hatte, war ihm unangenehm. Er sollte sie schützen, nicht anders herum. Es waren kaum zwei Minuten, in denen Midna sich in Rage redete, aber Benjen kam es vor wie eine Ewigkeit. Als sie endlich fertig war, Ark zusammen zu schreien, drehte dieser sich kommentarlos um und stapfte Richtung Waffenkammer. Unter anderen Umständen hätte Benjen sich geärgert, dass Ark sich Midna gegenüber so respektlos benahm, doch jetzt war einfach froh, dass er sich nicht mehr anhören musste, wie Midna ihn verteidigte. Diese drehte sich jetzt zu ihm, das Gesicht erhitzt, und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Einige dünne Haarsträhnen lösten sich aus ihrer Frisur. „Tut mir Leid, wegen Ark. Es ist ja meine Schuld, dass du deinen Posten verlassen musstest, da habe ich gar nicht dran gedacht.“ Benjen hob die Hand. Er wollte nicht hören, wie sie sich bei ihm entschuldigte. „Majestät, bitte. Das... das war doch selbstverständlich. Das… ich Euch begleite.“ Entschuldigend und mit einem schiefen Lächeln zuckte Midna mit den Schultern. „Vielleicht hätte ich Ark sagen sollen, das du mit mir unterwegs warst. Aber ich fand, dass es ihn nichts angeht.“ Einen Moment herrschte Stille, bis Midna wieder das Wort ergriff. „Ich hab nach dir gesucht, weil ich deine Meinung hören wollte. Deine ehrliche Meinung“ Fragend sah er sie an. „Ich hab die Idee schon, seit wir heute früh zurück gekommen sind. Ich… ich habe gemerkt, dass ich kaum etwas über die Leute weiß, über die ich regiere. Und gestern hat einer von den Alten“, es dauerte einen Augenblick, bis ihm aufging, dass sie die Generäle meinte, „dass auch mein Vater engeren Kontakt zu den Menschen in den Bergen hatte als ich, und na ja… Sie hatten ja Recht, ich habe diese Menschen vernachlässigt. Außerdem“, Sie grinste schief, „Hab ich diesen bekloppten Rat der Drei heute früh aus dem Schloss geworfen.“ Benjen unterdrückte mit Mühe ein überraschtes Aufkeuchen. Eigentlich war es typisch für Midna, dass sie jemanden aus dem Schloss warf, nur weil er ihr auf die Nerven ging. Ab und zu wunderte es ihn, dass die Generäle noch alle hier waren. „Und… Eure Idee?“ fragte er vorsichtig nach. Überrascht sah Midna ihn an. „Ist das nicht klar? Ich hab gedacht, es wäre doch am Besten, sie zu besuchen. Eine Art Inspektion, und damit sie wissen, dass ich sie nicht vergessen hab.“ Nachdenklich nickte Benjen. Es machte Sinn, was sie sagte, aber außerhalb der Mauern der Hauptstadt, ja schon außerhalb des Schlosses brachte sie sich in Gefahr, war ein zu einfaches Ziel. "Majestät, das..." Midna grinste breit. "Wie wär's, du machst kurz Pause, erfrischt dich, und in einer Stunde treffen wir uns im Kartensaal, in Ordnung?" Benjen nickte nur wortlos, ihm wurde bewusst, dass er verdreckt und völlig verschwitzt vor seiner Königin stand. Midna grinste, als wüsste sie, was er dachte, und drehte sich um. Erst klopfte Benjen leise an die hohe, schmale Tür zum Kartensaal, dann, als keine Antwort kam, lauter. Gedämpft durch das Holz der Tür drang Midnas Stimme. "Ja? Benjen, bist du das? Komm rein." Langsam öffnete er die Tür. Der Kartensaal überwältigte ihn jedes mal auf neue, auch, wenn er nicht wirklich beeindruckend war. Vielleicht lag es an dem Wissen, das hier gelagert war. Der Raum war weniger ein Saal, als ein hoher, schmaler, laggezogener Korridor voller Regale, gefüllt mit Pergamentrollen, Karten hingen an den Wänden und lagen auf den Tischen, zu viele für diesen Raum. An einem davon stand Midna, über eine der Karten gebeugt. Jetzt winkte sie ihn zu sich. "Komm her, ich will dir was zeigen." Vorsichtig bewegte Benjen sich zwischen den Tischen auf sie zu, bemüht, nichts umzustoßen. Ungeduldig winkte sie ihn näher. "Guck, hier." Sie zeigte auf einen Punkt auf der Karte, an dem sich das Schloss befand und fuhr eine schmale Linie mit dem Finger entlang, die nach Norden führte. "Das ist eine Straße, die wir kaum benutzen. Die könnten wir nehmen, damit kommen wir bis zu den ersten zwei Dörfern," sie zeigte auf zwei winzige Punkte, die Benjen ohne ihren Hinweis übersehen hätte, "und von da aus werden wir den Rest schon finden. Wir gehen bis hier", ein Punkt, der auf der Karte kaum drei Finger breit von den ersten Dörfern entfernt lag und für Benjen keinerlei Besonderheiten aufwies, "und von da aus aus den Bergen raus und über die Ebenen zurück zur Hauptstadt." Lächelnd sah sie zu ihm, Begeisterung und Eifer glitzerten in ihren Augen. "Nun..." Benjen legte nachdenklich den Kopf schief. "Es liegt mir fern, Eure Reiseplanung zu kritisieren, aber... denkt Ihr, es ist klug, Euch so weit außerhalb der Hauptstadt irgendwo in den Bergen herrum zu treiben?" Midna lachte. "Was soll den passieren? Falls tatsächlich irgendein verirrter Bandit auftauchen sollte, kann ich mich schon wehren. Außerdem werde ich ja nicht allein gehen." Fragend sah Benjen sie an. "Nun, denkst du, die Generäle werden mich ohne eine Hundertschaft Soldaten vor die Tür lassen? Natürlich nehm ich nicht so viele mit. Aber du wirst dabei sein." Ihre Stimme war voller Vertrauen, als würde seine Anwesenheit eine Hundertschaft Soldaten aufwiegen. Verlegen senkte er den Kopf. "Majestät, ich... ich danke Euch." Sie grinste. "Wofür? Das ich dich durch Matsch, Schlamm und schlechtes Wetter schleifen werde? Dabei ist das noch nicht alles." Benjen hob den Kopf. "Wie kann ich Euch noch helfen?" Midna zuckte die Schultern. "Reisevorbereitungen. Ich will nicht als Prinzessin reisen, sondern... normal." Benjen nickte. "Ich... glaube, ich kann Euch verstehen. Ich werde sehen, was ich tun kann." Midna lächelte, wirkte seltsam erleichtert. "Danke. Dann will ich dich nicht noch länger aufhalten. Nicht, dass Ark dich doch noch zu Hackfleisch verarbeitet." Unwillkürlich grinste Ark. "Ach ja!" rief sie ihm hinterher, als er ging. "Ich will dich zu meinem Schatten ernennen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)