Wenn das Eismeer ruft von Ur (Keith x Lance) ================================================================================ Kapitel 1: ...dann ruft es "Ho, ho, ho!" ---------------------------------------- Es ist definitiv alles Lance‘ Schuld. Wie immer. Aber vielleicht ist es auch ein bisschen Pidges Schuld. Und ganz eventuell könnte es auch ein winzig kleines bisschen Keiths eigene Schuld sein, weil er verdammt noch mal einfach nicht nein sagen kann, wenn Lance ihn mit seinem bekloppten herausfordernden Grinsen anschaut und mit beiden Daumen auf sich zeigt und sagt »Hast wohl Schiss gegen mich zu verlieren, was?«. Wenn Lance wüsste, dass Keith Probleme hat, »Nein« zu ihm zu sagen, würde er sich bestimmt totlachen. Es ist gut, dass Lance das nicht weiß und noch nie einen seiner bescheuerten Anmachsprüche bei Keith ausprobiert hat, denn Keith weiß – und es hat sehr lange gedauert, bis er das vor sich selbst eingestehen konnte – dass er auch dann nicht »Nein« sagen könnte. Dieser Umstand hat nun also dazu geführt, dass er lediglich in Boxershorts bekleidet am Ufer eines absolut eisig und tödlich aussehenden, gräulich zerzausten Meeres steht und in der Kälte bibbert, die jeden Winter an Temperaturen unterbietet, den Keith je erlebt hat. Aber Pidge hat große Augen gemacht. Und Keith hat sich entschieden, dass schelmische Funkeln in diesen großen Augen zu ignorieren. Und jetzt darf er dabei zusehen, wie Pidge mit erstaunlich wenig Zurückhaltung und einem Badeanzug bekleidet ins eisigkalte Wasser watet, als wäre es nichts. Keith könnte schwören, dass weiter hinten auf den sanften Wellen ein paar Eisschollen schwimmen. Lance steht keinen halben Meter von Keith entfernt und versucht sehr heldenhaft und überaus offensichtlich zu verbergen, dass er klappert wie ein Fensterladen während eines Orkans. Keith hört sogar seine Zähne klappern. Auch Lance trägt nichts weiter als Boxershorts, die kaum überraschend für irgendjemanden Ananasmuster haben, während die von Keith einfach nur dunkelblau sind. »Wir haben das immer zu Neujahr gemacht, Leute! Kommt schon, ich hab auch Heimweh!« Das waren Pidges Worte, nachdem sie ihnen erklärt hatte, was genau ein Polar Bear Plunge war und wie »ganz viele Leute das zu Hause gemacht haben! Für wohltätige Zwecke!«. Anscheinend war Pidge immer mit ihrer Familie dorthin gegangen und hatte erst seit zwei Jahren selbst ebenfalls ins Wasser gehen dürfen. Keith fragt sich, warum Pidges Familie es für eine gute Idee hält, sich zum neuen Jahr direkt Frostbeulen und eine Lungenentzündung zuzuziehen, aber vielleicht ist das für gebürtige Kanadier normal. Keith weiß nicht viel über Kanadier. Hunk hat sich schlichtweg geweigert seine drei Pullover, seinen zwei Meter langen Schal, seine Mütze, Winterstiefel und Thermohose abzulegen und steht in all seiner winterlichen Aufmachung neben Lance, dessen Haut bereits einen bläulichen Unterton angenommen hat. Vielleicht bildet Keith sich das auch nur ein. Vielleicht sollte er einfach nicht so genau auf Lance‘ Haut starren. »Weihnachten sollte nicht mit mörderischen Neujahrstraditionen verbracht werden, sondern mit Kekse backen und Geschenke auspacken!«, sagt Hunk entschieden und verschränkt die Arme vor der Brust. Er schiebt sogar ein wenig die Unterlippe vor, als er das sagt. Keith lächelt matt. Er wünscht sich, dass Lance ihn nicht dauernd zu irgendwelchem Mist herausfordern würde. Diese dämliche Rivalitätssache ist lediglich ein Hirngespinst von Lance und Keith will seine Wahnvorstellungen eigentlich nicht schüren, aber dann grinst Lance ihn an und seine Augen glitzern auf so eine beknackte Art und Weise und Keith spürt so ein Ziehen in der Magengegend, über das er lieber nicht nachdenken möchte und bevor er es sich versieht, hat er auch schon zugestimmt. Meistens wischt er den Boden mit Lance, egal worum es geht. Allura steht neben Hunk und trägt einen Badeanzug, der Lance bereits die Herzchen in die Augen getrieben hat. Sie scheint kein bisschen zu frieren, hat die Hände in die Hüften gestemmt und sieht alles in allem bestens gelaunt aus. Immerhin Coran hat den Anstand dreinzublicken, als wäre Pidge nicht ganz richtig im Kopf. Shiro und Pidge waten zuerst ins Wasser, werden allerdings auf halber Strecke von Allura überholt, die Anlauf nimmt und schließlich mit einem ausgesprochen eleganten Kopfsprung unter die Wellen taucht. Als wäre das Wasser angenehme fünfundzwanzig Grad warm. Keith versucht sich nichts daraus zu machen, dass Lance Alluras Rücken angestarrt hat, als hätte er ein Wunder gesehen, oder dass er ein leises Geräusch der Bewunderung von sich gibt, als Allura in die hereinschwappende Welle eintaucht. Nein, Keith macht sich überhaupt nichts daraus. Lance ist ihm egal. Lance und seine dämliche Angewohnheit, alles in siebenundreißig Galaxien anzubaggern, außer Keith. Und ok, außer Coran, Hunk, Pidge und Shiro. Aber abgesehen davon baggert Keith jedes vorbeifliegende Alien an, das ihm unter die Augen kommt. Geschlecht, Körperform und generelles Interesse an Lance scheinen ihm dabei vollkommen egal zu sein, eine Tatsache, die Keith schon mehrmals den Schlaf geraubt hat. Nicht, dass er generell viel schlafen würde. Aber wenn er zu sehr darüber nachdenkt, dass Lance auch Jungs gut findet, dann bekommt er eine Krise und liegt die ganze Nacht wach. Es ist zum Mäusemelken. »Wer zuerst ganz untergetaucht ist, hat gewonnen! Oder nein, wer am längsten drin bleibt!« Keith betrachtet kurz Lance‘ Rücken, während er entschlossen Richtung Wasser stapft und seufzt. Er könnte sich immer noch um entscheiden und Lance seine selbsternannte Herausforderung gewinnen lassen. Vielleicht würde dann endlich Ruhe geben? Aber die Wahrheit ist, dass Keith nicht will, dass Lance Ruhe gibt. Wenn er diese ganze Rivalitätsschiene nicht mehr fahren würde, dann würde Lance ihn vielleicht mit dem Hintern nicht mehr ansehen, und das… möchte Keith auf keinen Fall. Also sprintet er los und überholt Lance. Er ist der erste im Wasser und spürt, wie seine Muskeln ihn anschreien, dass er es auf keinen Fall wagen soll, weiterzugehen. Aber Keith geht. Er watet ins Wasser und ignoriert den beißenden Schmerz und das heftige Zittern seines Körpers. Pidge ist schon längst ganz untergetaucht und lacht ausgelassen und mit blauen Lippen. Vollkommen wahnsinnig, beschließt Keith. Aber er hatte ja schon von Anfang an gewusst, dass Pidge das gefährlichste Gruppenmitglied von allen ist. Als sein Bauch unter Wasser taucht, gibt er beinahe auf. Aber dann wobbelt Lance ausgesprochen unelegant an ihm vorbei und ehe Keith es sich versieht, ist Lance komplett im Wasser, scheinbar fest entschlossen, es Keith diesmal so richtig zu zeigen. Keith hat Lance schon schwimmen sehen und Lance ist definitiv der bessere Schwimmer von ihnen beiden. Wie es sich allerdings herausstellt, ist dies nicht der Tag, an dem Lance gegen Keith gewinnt. Denn Lance gibt nach seinem Auftauchen ein Japsen von sich, das ziemlich ungut klingt und dann ist er auch schon wieder verschwunden. Keith flucht. Allura und Pidge sind bereits zu weit hinaus geschwommen, um allen zu zeigen, wie beeindruckend sie sind. Keith möchte wirklich nicht mit dem Kopf unter Wasser. Aber noch weniger möchte er, dass Lance ertrinkt. Also holt er tief Luft, wappnet sich und wirft sich der nächsten Welle entgegen. Lance‘ im Wasser heftig strampelnder Gestalt nach zu schließen – er greift sich definitiv an die Wade – hat er einen Muskelkrampf bekommen. Die Runde dann geht dann wohl an Keith. Nicht, dass er besonders triumphierend darüber wäre, denn momentan ist sein Gehirn eindeutig eingefroren, jeder Muskel in seinem Körper schreit vor Empörung und Anstrengung wegen der eisigen Kälte und er schlingt einen Arm um Lance‘ Taille und zieht ihn Richtung Oberfläche. Als Lance‘ Kopf die Wasseroberfläche durchbricht, atmet er so heftig und schnappend ein, als hätte er noch nie in seinem Leben richtig geatmet und Keith kann sich kaum auf die heftige Kälte konzentrieren, weil Lance‘ nackte Haut unter seinen Fingern ist und Lance‘ Gesicht ist eindeutig viel zu nah an seinem dran. Keith widersteht dem Wunsch, eine nasse Haarsträhne aus Lance‘ Gesicht zu streichen. Das immer noch schmerzverzerrt ist. Seine gekrümmte Haltung in Keiths Griff lässt vermuten, dass seine Muskeln in den Beinen immer noch krampfen, also stößt Keith einen leisen Fluch aus und zieht Lance mühselig Richtung Strand. Lance ist offensichtlich ausnahmsweise einmal zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um zu reden und Keith ist dankbar dafür, weil er sich wirklich sehr darauf konzentrieren muss, nicht zu ertrinken. Oder zu erfrieren. Verflucht sei Pidge und ihre bekloppten Weihnachtswünsche. Gott sei Dank stehen Hunk und Coran mit Decken bereit und Hunk breitet seine Arme mit einer kuscheligen Decke aus und Keith hat eigentlich vor, Lance vorzuschieben und sich dann seine eigene Decke zu nehmen, aber Hunk hat definitiv andere Pläne. Er wickelt die riesige flauschige Decke einfach um Keith und Lance. Keith. Und Lance. Zusammen. In einer flauschigen Decke. Nur mit Boxershorts an. Keith muss sich sehr bemühen, nicht auf Lance‘ blaue Lippen zu starren. Oder zu sehr in Panik zu verfallen, weil Lance‘ nackte Haut an der von Keith ist. Hunk wickelt noch eine zweite Decke um sie beide und fängt dann an, mit einem Handtuch ihre nassen Haare zu trocknen. Keith ist so schlecht mit sozialen Interaktionen, er weiß nicht, was er sagen soll. Lance hustet immer noch ab und an. Aber anscheinend ist der Krampf vorbei, denn er umklammert nicht mehr sein Bein. Stattdessen ist er beunruhigend still in ihrem gemeinsamen Deckennest. Aber dann dreht Lance sich zu Keith um und sieht ihn mit einem schiefen Grinsen an. »Und? Bist du öfter hier?«, sagt er. Keith blinzelt. Lance ist wahnsinnig geworden. Er lacht matt über sich selbst und seinen schlechten Anmachspruch. Der natürlich nur zum Spaß gemeint war. Keith hat keine Ahnung, wie er darauf reagieren soll. Und überhaupt ist Lance‘ Haut viel zu weich. Aber irgendwie ist Keith auch froh, zusammen mit Lance in dieser Decke zu stecken, denn es wird angenehm schnell wieder warm in seinen Gliedern. »Wurde dir der Sauerstoff zu lange abgedrückt?«, will Keith wissen. Er meint das ernst. Es könnte ja sein, dass Lance ein bisschen im Delirium ist. Und deswegen solche komischen Sachen sagt. Er hat Keith nämlich noch nie angebaggert, ob nun zum Spaß oder ernst gemeint. Keith wurde noch nie in seinem Leben von irgendwem angebaggert. »Wow, du elender Romantiker. Und das nach alles nach einer dramatischen Lebensrettungsaktion. So kriegst du bestimmt alle Mädels sofort rum, was?« Keith ist so verwirrt und unterkühlt und überfordert mit dem Gefühl von nackter Haut auf nackter Haut, dass er nicht nachdenkt, bevor er redet. »Ich steh überhaupt nicht auf Mädchen.« Lance blinzelt. Seine Augen weiten sich ein bisschen und es sieht fast komisch aus. Fast. Wenn Keith nicht plötzlich sehr panisch werden würde, weil er das überhaupt laut gesagt hat, denn Keith hat das noch niemandem erzählt. Nicht mal Shiro. Und Shiro ist quasi der große Bruder, den Keith nie hatte. Dann zuckt Lance mit den Schultern und grinst. »Cool«, sagt er. Keith könnte schwören, dass er noch ein bisschen näher rutscht. »Cool?«, wiederholt er. Lance mustert ihn. »Naja, keine Ahnung, man. Was sagt man sonst dazu? Gut für dich? Yay? Ich find Jungs auch gut? Herzlichen Glückwunsch? Du hast ganz schön hohe Ansprüche, Keith. Ich bin gerade fast ertrunken, ok? Mein Charme und meine Intelligenz sind noch nicht wieder auf hundert Prozent!« Keiths Gehirn verhakt sich bei dem Satz »Ich finde Jungs auch gut«, obwohl er das ja eigentlich schon weiß. Aber das Lance es so einfach rauspustet, macht seltsame Dinge mit seiner Magengegend. »Du hast ziemlich weiche Haut«, platzt es plötzlich aus Keith heraus und er würde sich gerne die Zunge abbeißen, denn was um Himmels Willen soll das bitte? Lance schnaubt und lacht und Keith spürt seinen ganzen Körper in ihrem Deckenzelt beben. Allura und Pidge sind mittlerweile aus dem Wasser und Allura sieht besorgt aus, aber Pidge grinst nur schelmisch und mit blauen Lippen und zwinkert Keith zu. Er hat keine Ahnung, was das bedeutet, aber ihm wird sehr heiß und er hat plötzlich das dringende Bedürfnis, wieder ins Wasser zu gehen, um sich abzukühlen. »Aloe Vera, mein Freund. Aloe Vera«, sagt Lance. Während Hunk Lance zwanzig Fragen zu seiner Befindlichkeit stellt und Pidge Lance auslacht und Coran ihnen einen Vortrag über Wetterphänomene auf dem Planeten, auf dem sie sich befinden, hält, spürt Keith das überwältigende Bedürfnis, nach Lance‘ Hand zu greifen. »Nächstes Jahr machen wir das nicht noch mal«, grollt er in Richtung Pidge. Sie streckt ihm die Zunge heraus. »Ich weiß gar nicht, worüber du dich beschwerst«, meint sie scheinheilig. »Lance ist ein Trottel und wäre fast ertrunken!«, blökt Keith und er spürt, wie seine Wangen rot werden. Lance protestiert. »Gott sei Dank hatte er seinen Ritter in strahlender Rüstung«, flötet Pidge bestens gelaunt und wenn Keith nicht wüsste, dass es für Pidge unmöglich ist, einen Wadenkrampf in einem anderen Menschen mit der schieren Kraft ihrer Gedanken auszulösen, dann hätte er ihr pure Berechnung vorgeworfen. »Nächstes Mal dann vielleicht auch mit Mund-zu-Mund-Beatmung«, sagt Hunk mit sehr ernster Miene und tätschelt Lance‘ Kopf. Keith könnte schwören, dass Lance‘ Ohren sehr rot werden, aber es könnte auch an der Kälte liegen. Lance dreht sich zu ihm um und mustert Keith einen viel zu langen Moment. »Ich hab gewonnen«, sagt er dann. »Bitte?«, gibt Keith zurück. Er zieht die Augenbrauen hoch. »Du bist fast ersoffen.« »Ich war als erstes ganz im Wasser und ich war länger unter Wasser als du«, beharrt Lance starrköpfig. »Ich hab dich definitiv fertig gemacht!« Keith starrt. Und starrt. Er weiß nicht, was er dazu noch sagen soll. »Nächstes Mal lass ich dich ersaufen«, brummt er schließlich. Lance lacht und ein Arm schlängelt sich um seine nackten Schultern und Keith kriegt gleich einen Herzinfarkt. Das Wasser hat ihn nicht umgebracht, aber Lance wird es schaffen. Ganz bestimmt. »Dir wäre doch langweilig ohne mich. Jeder braucht einen so herausragenden Rivalen wie mich…« Keith seufzt. Soll Lance seinen Sieg behalten, wenn er unbedingt darauf besteht. Keith beschließt still und heimlich, dass eigentlich er gewonnen hat und auch wenn diese ganze Aktion sinnlos und bekloppt und unnötig war, würde er es nächstes Jahr vermutlich doch wieder machen. »Frohe Weihnachten, Lance«, murmelt er, ohne auf das selbstgefällige Geplapper von Lance einzugehen. Lance boxt Keith mit seiner freien Hand gegen die nackte Schulter. »Frohe Weihnachten, Keith. Vielleicht darfst du dir später was wünschen. Weil du mich gerettet hast«, meint Lance schelmisch. Keith ist der Ohnmacht nahe. »Als nächstes sollten wir uns einen Tannenbaum suchen!«, ruft Pidge irgendwo weiter hinten bestens gelaunt und Keith lächelt kaum merklich. Vielleicht hat er nach ein paar Gläsern Eierlikör ja den Mut, sich etwas von Lance zu wünschen. Es ist immerhin ihr erstes Weihnachten im Weltall. Wer weiß, was noch passiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)