A Sky full of Stars von Mondlichtkrieger ================================================================================ Kapitel 16: 16 -------------- Seit Sebastian gegangen war, wusste Elena nichts mehr mit sich anzufangen. Sie hatte die gesamte Scheune aufgeräumt und ausgefegt. Danach hatte sie ihren Laptop auf ein provisorisches Regal gestellt und sich ein paar Filme angesehen. Gegen halb 2 Uhr nachts wurde sie wach und bemerkte, dass Sebastian immer noch nicht wieder da gewesen war. Ihr Magen knurrte wie verrückt, aber sie bezweifelte, dass sie um diese Uhrzeit noch etwas zu Essen auftreiben konnte, also stand sie aus ihrem provisorischen Bett auf und schnappte sich die angefangenen Cracker aus ihrem Koffer. Der Morgen stellte für Elena eine noch größere Herausforderung dar. In der Scheune gab es zwar fließend Wasser, aber leider kein warmes. Sie wusch sich die Haare und putzte sich die Zähne, bevor sie sich auf den Weg zur Schule machte. Sie nahm sich fest vor, Sebastian darauf anzusprechen, warum er sie in der Nacht zuvor versetzt hatte. Lächelnd dachte sie an den Kuss in der Bibliothek. Vielleicht hatte er es sich ja anders überlegt. Vielleicht wollte er sie gar nicht mehr. Nervös sah sie sich auf dem Parkplatz ihrer Schule um. Nirgends war das schwarze Motorrad ihres besten Freundes zu sehen. Schnell stieg sie aus dem Auto ihrer Mutter und lief in das Gebäude. Ohne auf die Mitschüler zu achten, die ihr teilweise den Weg versperrten, ging sie in ihre Klasse. Auch hier war nichts von Sebastian zu sehen. Enttäuscht ließ Elena sich auf ihren Stuhl fallen. Aus dem Augenwinkel sah sie jemanden auf sich zukommen. Erst dachte sie, es könnte sich womöglich um Jake handeln, aber als sie aufsah, war es Sarah, die neben ihr stand und sie fragend ansah. Mit besorgter Miene sah sie auf Elena hinunter. „Du siehst wirklich scheiße aus. Was ist denn los?“, fragte sie und ging neben Elenas Tisch in die Knie. Elena seufzte leise. Sie hatte keine große Lust, Sarah alles zu erklären, aber Sebastian war ja nicht zu erreichen. „Deine Mutter hat gestern alle fünf Minuten bei uns angerufen. Auch nachdem sie zehnmal die selbe Antwort bekommen hatte, ließ sie nicht locker. Wo warst du denn?“, fragte sie ruhig. „Ich war mit Sebastian unterwegs. Meine Mutter hat sich gestern mal wieder total daneben benommen und ich brauchte einfach Abstand.“ Elena wollte ihr nicht mehr anvertrauen als unbedingt nötig. Sie wusste ohnehin schon nicht mehr, wem sie vertrauen konnte und wem nicht. Sarah war ohne ein weiteres Wort wieder auf ihren Platz gegangen und Elena wusste nicht ganz, was sie davon halten sollte. Ihr Blick flog durchs Klassenzimmer, auf der Suche nach dem blonden Idioten, dem sie nur zu gern eine Standpauke gehalten hätte. Aber auch Jake war nirgends zu sehen. Der Rest des Tages verging wie im Flug. In Ermangelung einer besseren Beschäftigung fuhr sie nach der Schule direkt zu Sebastian, um zu sehen, ob es ihm gut ging. Sein Motorrad stand nicht in der Einfahrt und eine kleine Stimme in ihrem Kopf fragte sich, ob er womöglich schon in der Scheune auf sie wartete. Sie gab sich einen Ruck und stieg aus. Mit schnellen Schritten überwand sie die wenigen Meter bis zur Haustür und klingelte einmal. Nach ein paar Minuten öffnete sich knarrend die Tür. Sebastians Vater stand in Trägerhemd und Jogginghose dahinter. Sein Blick war glasig und Elena konnte den Geruch von Wodka schon von Weitem riechen. „Ähm, Hey Mr. Hawkins. Ist Sebastian da? Er war heute nicht in der Schule und ich dachte...“ Elena kam gar nicht dazu den Satz zu beenden, denn Mr. Hawkins schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Er ist krank! Und jetzt verschwinde!“, fauchte er und knallte die Tür wieder zu. Entgeistert blieb Elena vor dem Haus stehen und sah zu Sebastians Fenster hinauf. Eine Sekunde hätte sie schwören können, ihn hinter der Gardine stehen zu sehen, aber als sie blinzelte, war er wieder weg. Sebastian hatte am späten Vormittag seine Augen geöffnet und festgestellt, dass eines von ihnen ziemlich dick angeschwollen war. Er wollte gerade aus dem Haus gehen, als sein Vater ihn aufhielt und ihn an eine Wand drückte. „Du wirst nicht gehen“, hatte er ihm an den Kopf geworfen. Seine Hand hatte sich um seinen Hals gelegt und ihn am Sprechen gehindert, ebenso daran genug Luft zu bekommen, um weiter zu atmen. „N-Ni-Nicht...“, brachte Sebastian mühsam hervor und versuchte sich gegen den kräftigen Griff zu wehren. „Du wirst dieses Haus nicht verlassen, ansonsten wirst du den nächsten Morgen nicht mehr erleben!“ Er wusste, dass sein Vater schlecht drauf sein konnte, wenn er getrunken hatte, aber er wusste nicht, ob er seine Worte vielleicht auch in Taten umsetzen würde. Nachdem er sich von ihm befreit hatte, ließ er sich an der Wand auf den Boden sinken und griff instinktiv nach seinem Hals, um zu fühlen, ob er irgendwelche Schmerzen empfand. Doch dem war nicht so und so atmete Sebastian erleichtert aus. Er wollte nach seinem Handy greifen, was er immer in der Hosentasche trug, aber er fand es nicht an seinem ursprünglichen Platz vor. Wahrscheinlich hatte sein Vater ihm das Mobiltelefon weggenommen und versteckt, so dass er es nicht mehr wiederfand. „Arschloch...“, entwich es Sebastian flüsternd, als sein Vater wieder den Platz vor dem Fernseher eingenommen hatte. In ihm wuchs der Hass auf seinen Erzeuger und, wenn er es sich eingestand, so würde er ihn auch nicht mehr als Vater ansehen. „Ich hätte mit meiner Mutter mitgehen sollen“, nuschelte er undeutlich vor sich her, als er wieder aufstand und in die Küche ging, um sich aus dem Gefrierschrank etwas zum Kühlen zu holen. „Hätte ich es doch nur getan.“ Doch in diesem Moment drehte er sich um und sah den dunklen Augen seines Erzeugers entgegen, die ihn finster anfunkelten. „Ich bin zwar alt, aber ich habe noch sehr gute Ohren!“ Seine Stimme war ebenso eisig wie der Blick, der auf Sebastian gerichtet war. Und im nächsten Moment fand sich dieser auf dem Boden wieder, da dem Älteren die Hand erneut ausgerutscht war. Allerdings nicht aus Versehen, sondern mit voller Absicht. „Arschloch“, kam es erneut über Sebastians Lippen, als er vom Boden aus seinen Vater ansah. „Ich weiß jetzt, wieso Mutter dich verlassen hat!“ „Du weißt nichts!“, antwortete der Mann und konnte seine Aggressionen nicht mehr unter Kontrolle behalten. Sein Fuß schnellte nach vorne und traf die Mitte von Sebastians Brustkorb. Er hörte ein deutliches Knacken und Sebastian krümmte sich vor Schmerz zusammen. Eine oder mehrere Rippen waren mit Sicherheit gebrochen. Das Atmen fiel ihm schwer und er hatte Probleme, sich aufzurichten. Nicht nur, weil er Schmerzen hatte, sondern auch, weil sein Vater ihn gewaltsam auf den Boden drückte. „Du hast keine Ahnung, Junge!“, knurrte er. Als es an der Tür klingelte, nutzte Sebastian seine Chance und rettete sich in sein Zimmer. Dort schloss er sich ein und hoffte, dass sein Vater ihn nicht bis hierher verfolgen würde. Er sah aus dem Fenster und wollte sehen, wer die Person war, die geklingelt hatte, auch wenn er es sich denken konnte. Aber es traf ihn wie ein weiterer Schlag seines Vaters, als er feststellte, dass Elena vor der Tür stand. „Was?!“, entwich es ihm leise und als sie nach oben sah, versteckte er sich schnell. Er wollte nicht mit ihr reden. Wie sollte er seinen schmerzenden Brustkorb, sein geschwollenes Auge und die Tatsache erklären, dass er letzten Abend nicht noch einmal zur Scheune gekommen war? Doch der Schmerz übermannte ihn und er fiel auf die Knie. Er hielt sich den Brustkorb und er dachte, dass ihm jeden Moment die Luft zum Atmen fehlen würde. Mit jedem Atemzug und mit jeder Bewegung, die er machte, wurden die Empfindungen größer und deutlich schlimmer. Er war zwar oft in Prügeleien geraten, aber solche Schmerzen hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Doch, als er sich auf die Seite fallen ließ und zum Fenster sah, entwich ihm ein stumpfes Lachen. Denn die dunkelhaarige Frau, die eben eine Abfuhr von seinem Erzeuger erhalten hatte, stieg in diesem Moment durch das Fenster in sein Zimmer. „E-Elena...“, murmelte Sebastian und ließ sich schwach auf den Rücken fallen. „Was ist passiert?“, hörte er deutliche Sorge aus ihrer Stimme heraus. „Egal...“ Mehr brachte er nicht hervor. Mehr wollte er auch nicht sagen. „Geh...“, meinte er nach einigen Momenten, in denen alles still war. „D-Du darfst n-nicht hier sein... Er wird dich hören...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)