Kaffee oder Tee? von Ginnybread (... oder vielleicht Blut?) ================================================================================ Kapitel 7: Schlimmer geht immer *Ian* ------------------------------------- Ich war völlig fertig. So etwas zu fühlen würde aber vermutlich jeden überfordern. Ich fühlte mich körperlich gedopt, als könnte ich auf Anhieb einen Marathon laufen. Vielleicht sogar zwei. Meine Sinne waren geschärft, ich war aufgekratzt und fühlte mich einfach… unbesiegbar? Kombinierte man dazu das wahrscheinlich schlechteste Gewissen, das je einen Vampir geplagt hatte und eine gesunde Portion Selbstverachtung, dann konnte man vielleicht verstehen, weshalb ich jetzt seit einem halben Tag auf dem Rücken lag und gelähmt vor Schock, an die Decke starrte. Immer und immer wieder durchlebte ich den Moment, in dem sich mein Hirn einfach von mir verabschiedet hatte und einem so intensiven Blutdurst Platz gemacht hatte, dass ich innerlich panisch geschrien hatte. Es war, als wäre ich gefangen, in meinem eigenen Körper, ganz genau wissend, dass ich jede Sekunde die Kontrolle über mich verlieren würde. Und dann tauchte Jareds Gesicht vor meinen Augen auf. Wie die bernsteinfarbenen Augen erst verwirrt und dann entsetzt geschaut hatten. Ausgerechnet Jared, der mir am Tag davor schon so sehr entgegen gekommen war… Und es war schlimm gewesen. Immer und immer wieder hatten sich meine Zähne in die verletzliche Haut geschlagen. Er musste aussehen, als wäre neben ihm eine Granate hochgegangen. „Oh Fuck.“ Ich drehte mich auf die Seite und zog die Beine an. Langsam wurde es mir doch ein wenig frisch. Hieß das, die Wirkung lies nach? Mir blieb nicht mehr viel Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Was jetzt? Auf jeden Fall musste ich mir Tierblut beschaffen, bevor ich auch nur annähernd so aushungern würde, dass ich einen Menschen angriff. Das war definitiv Punkt eins auf der List. Und dann spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken, mich irgendwo zu melden. Ich hatte nicht nur ein unglaublich schlechtes Gewissen, gegenüber Jared und Collin, sondern ich wollte so auf keinen Fall weiterleben. Nicht einen Tag. Ich würde versuchen Henry aufzuspüren… er war der Einzige, der mir vielleicht helfen konnte. Aber wenn ich ihn nicht fand, würde ich mich der Polizei melden. Wahrscheinlich suchten sie schon nach mir. Collin hatte mit Sicherheit Anzeige erstattet. Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken warf ich einen Blick über die Schulter. Ich befand mich in einem unterirdischen Keller, der nach dem Krieg zugesperrt worden war. Durch die Kanalisation kam man aber recht problemlos hier her. Trotzdem war die Wahrscheinlichkeit hier zufällig gefunden zu werden, quasi nicht existent. Also wer auch immer sich näherte, er musst wegen mir gekommen sein. Ich rappelte mich auf und wich ein paar Schritte vor der vermoderten Holztür zurück. Ein altes Regal, mit eingestaubten Konserven und muffigen Bildbänden, gab mir ein wenig Deckung. Ich hielt die Luft an und betete, dass es kein Mensch sein würde. Nicht einmal unbedingt, weil ich nicht weggesperrt werden wollte, sondern weil ich befürchtete, wieder die Kontrolle zu verlieren. Es graute mir so sehr davor, dass sich meine Nackenhaaren aufstellten. Die Schritte näherten sich und ich konnte hören, dass es sogar zwei Personen waren. Jemand stemmt sich von außen gegen die widerspenstige Tür und ich höre, wie sie beim Öffnen über den steinigen Boden schart. „Ian? Ich weiß, dass du hier bist, Volltrottel.“ Diese Stimme war mir nur allzu vertraut. Verwundert trat ich hinter dem Regal hervor, blieb aber abrupt stehen, als ich hinter Henry auch noch Collin erkennen konnte. Er hustete und nahm sich gerade die Brille von der Nase. „Man, ganz schön staubig hier unten.“ Ich machte ein krächzendes Geräusch und ballte die Hände zu Fäusten. Gott, es tat mir einfach so schrecklich leid, ich wusste einfach nicht, wie ich mich jemals bei ihm entschuldigen sollte. Und bei Jared erst. „Jetzt komm mal da aus der Ecke raus.“, kommandierte Henry, wie gewohnt ruhig und energisch. Mein Blick haftete allerdings immer noch an Collin. Dieser bemerkte meinen verdatterten Gesichtsausdruck und lachte. „Glaub mir, ich komme mir auch ziemlich dämlich vor, mit einem Vampir in die Kanalisation zu klettern.“ „Collin…“, wisperte ich und meine Augen brannten. Ob ebenfalls vor Staub, oder aus Verzweiflung, wusste ich nicht so genau. „So, mein Freund.“ Henrys schnarrende Stimme ließ mich zusammenzucken. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hob eine Augenbraue. „Jetzt bin ich mal gespannt auf deine Version der Geschichte.“ Verstand ich das gerade richtig? Collin und Henry hatten sich zusammengesetzt, als wären sie unsere Väter und hatten über den Vorfall gesprochen? Bei einem Kaffee? Oder hatte er mit Jared gesprochen? „Wollen wir nicht erst mal wieder hier raus klettern? Ihr merkt es vielleicht nicht, aber wir atmen hier literweise Schimmelsporen ein und es ist immer noch ziemlich kalt. Außerdem sieht Ian noch ein bisschen… geschockt aus.“ Henry zuckte mit den Schultern, aber ich verkrampfte meine Hand in einen Regalboden und wich zurück, als Collin näher kam. War der denn total von der Rolle? Ich hatte gerade seinen Mitbewohner zerfleischt! „Mach, dir keine Sorgen. Jared, geht’s gut.“ Perplex schaute ich ihn, zwischen zwei Einmachgläsern mit Stielgemüse hindurch, an. „Echt…?“ „Ja, etwas zu gut, für meinen Geschmack. Er war noch über Nacht im Krankenhaus und wird heute Nachmittag entlassen. Und jetzt komm da endlich raus.“ Wenige Minuten später saßen wir in einem Café, nicht weit von Collins Wohnung weg. Und ich konnte förmlich sehen, wie der Kellner die Luft anhielt, als er unsere Bestellung aufnahm. Wir rochen alle drei vermutlich nach alten Mottenkugeln. Bestenfalls. „Zweimal Kaffee und einen schwarzen Tee.“, bestellte Henry und der Kellner brachte nur ein kurzes Nicken zustande. „Und jetzt sag es bitte noch mal… langsam.“, murmelte ich und hoffte, dass ich Collin einfach nur falsch verstanden hatte. Er seufzte und schaute mich fast mitleidig an. „Du hast dich auf Jareds Blut geprägt. Es besteht also keine Gefahr für irgendwelche anderen Menschen und es gibt keinen Grund, weshalb du dich in einem Kanal verbarrikadieren musst.“ „Das kann man jetzt so oder so sehen.“, warf Henry ein und warf mir zum wiederholten Mal einen kritischen Blick zu. Ich rutschte immer tiefer in mein Sitzpolster. „Was ist die einzige Regel, Ian?“ „Kein Menschenblut trinken?“, gab ich von mir und hätte mich am liebsten aufgelöst, vor lauter schlechtem Gewissen. „Und jetzt haben wir den Salat…“, antwortete Henry und seufzte. „Weißt du, wie man eine solche Prägung brechen kann?“, wollte Collin wissen, während ich auf meine Schuhspitzen schaute. „Nein, leider nicht. Sonst hätte ich mich nicht an dich gewandt… Wir müssen jetzt erst einmal dafür sorgen, dass Ians Nahrungsaufnahme geregelt wird, damit es nicht noch einmal so eskaliert. Dann haben wir alle Zeit der Welt, eine Lösung zu finden.“, gab Henry sachlich von sich und ich konnte förmlich zusehen, wie sich Collins Gesichtsausdruck verfinsterte. „ Seine Nahrungsaufnahme? Ich lasse sicher nicht zu, dass er Jared noch einmal aussaugt. Und was heißt alle Zeit der Welt? Der Junge kann nicht mit fünfzehn Bisswunden am Hals auf der Arbeit erscheinen.“ Der Kellner servierte unsere Bestellung und machte sich dann postwendend wieder aus dem Staub. Als ich an meinem Kaffee nippte, um mich nicht an dem Gespräch beteiligen zu müssen, bemerkte ich es. Ich war hungrig. „Natürlich nicht, das ist eine sehr große Last für Jared.“, sagte Henry beschwichtigend und schlürfte an seinem Tee. „Wir können sein Blut abfüllen. In Flaschen, vielleicht.“, fügte er hinzu und Collin wurde blass. „Das… sollte er auf jeden Fall selbst entscheiden.“ „Eine andere Wahl wird er nicht haben. Und ich fürchte, eine allzu lange Verschnaufpause können wir ihm nicht mehr gönnen.“, antwortete Henry, mit Blick auf mich. Collin sah mich ungläubig an. „Ist das wahr, du bist schon wieder hungrig?“ „Ein bisschen.“, gab ich kleinlaut zu und schaute gequält zu Henry. „Kann ich es nicht mit Tierblut versuchen…?“ „Das wird dir nicht die geringste helfen. Es wird deinen Hunger etwa so gut stillen, wie dieser Kaffee.“ Also gar nicht. Ich ballte die Hand unter der Tischplatte zur Faust. „Wieso hast du mir nie erzählt, dass so etwas passieren kann?“ Henry presste die Lippen zu einem schmalen Strich und schaute mich so vernichtend an, dass ich fast vom Stuhl kippte. „Weil ich dachte, du würdest mir gehorchen.“ Da nahm jemand meinen Ausbruch ganz schön persönlich. Apropos… Ich tippte an meine eigen Bisswunde, die schon fast ganz verheilt war. „Ich bin wohl nicht der Einzige, der sich nicht an deine Regeln gehalten hat.“ „Ich kümmere mich schon darum.“, bekam ich als Antwort hingeworfen, dann herrschte eisiges Schweigen. „Ähm, also ich muss dann auch in fünf Minuten los, Jared abholen. Ich denke ein zwei Stunden, können wir ihm noch geben, oder?“ Collins Blick lag auf mir und ich nickte hektisch. „So viel, wie er braucht…“ Mal von Jared ganz abgesehen, wusste ich nicht mal, ob ich selbst schon in der Lage war, ihm gegenüber zu treten. Denn neben dem riesigen Batzen an Schuldgefühlen, war mir die ganze Sache ausgesprochen… peinlich. So bescheuert das auch klang, so war es. Und als wäre es nicht schlimm genug, dass ich über einen Kerl hergefallen war, wussten auch noch alle davon und redeten und planten darüber. „Also ich bringe Ian dann in ein paar Stunden wieder bei dir vorbei. Solange kannst du mit Jared ausmachen, wie ihr sein Blut am besten abfüllt. Ich hole Ian dann später wieder ab.“, erklärte Henry bestimmend und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ich wollte schon zum protestieren ansetzen (…ich wollte nicht, dass er mich wieder unbeaufsichtigt auf die Menschheit losließ), aber sein Blick ließ mich schweigen. Henry verdiente einen Oscar für den bösesten Blick. Collin zeigte sie unbeeindruckt. „Alles klar. Hast du eine Handynummer?“ Ein bisschen sprachlos schaute ich dabei zu, wie die beiden ihre Nummern tauschten. „Ich sag dir Bescheid, wenn wir mit der Raubtierfütterung fertig sind.“, grinste er zu Henry, schob sich die Brille gerade und verabschiedete sich von uns. „Menschen sind immer so anstrengend…“, befand Henry und trank den letzten Schluck Tee. „Und dabei ist Collin doch wirklich ein pflegeleichtes Exemplar.“, antwortete ich. „Ich hoffe, wir finden bald eine Lösung, damit wir diese Leute wieder loswerden.“, meinte er und klang dabei so versnobt, dass ich mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen konnte. „Dir wird das Lachen noch vergehen, fürchte ich…“, meinte Henry finster. Lachen fasste er ebenfalls häufig als persönliche Beleidigung auf, man vermied es besser in seiner Gegenwart. „Kannst du nicht in der Nähe bleiben, falls was passiert…“ Ich hatte die leise Hoffnung gehegt, dass ich mich beruhigen würde, oder dass ein Anruf von Collin, die ganze Sache abblasen würde. Aber es war natürlich nichts von beidem eingetreten. „Ian, reiß dich mal zusammen, du bist doch kein kleines Kind mehr. Außerdem hab ich noch andere Sachen zu tun. Immerhin hat Lucas…“ Henry verstummte und schüttelte den Kopf. Ach stimmt. Das war ja noch was. Mir schwirrte der Kopf, als wir vor Collins Wohnung ankamen. Ich hielt unwillkürlich die Luft an, als ich mir einbildete, schon etwas von dem Blut zu riechen, dass mich so berauscht hatte. Aber der Hunger in mir hatte noch nicht die Oberhand. Mein schlechtes Gewissen und die Scham, waren im Moment um einiges größer. „Gott, jetzt zieh nicht so ein Gesicht, das ist ja nicht zum Aushalten.“, brummte Henry und schob mich unsanft in den Flur hinein. Grimassen mochte er auch nicht. Um ihn milde zu stimmen, schaute man am besten vollkommen ausdruckslos. Und das war etwas, das ich nicht besonders gut konnte. Entsprechend viele Ellenbogenhiebe erntete ich in seiner Gegenwart. Henry zeigte keine Gnade und klopfte entschlossen an die Tür. Ich schloss die Augen und wagte es noch immer nicht Luft zu holen. „Wir haben auch eine Klingel.“, bemerkte Jared trocken, als er die Tür geöffnet hatte. Collin verdrehte im Hintergrund die Augen und bedeutet uns, einzutreten. Henry rührte sich nicht vom Fleck und bedeutet mir mit einem Blick, dass ich jetzt auf mich alleine gestellt war. „Ist der immer so?“, wollte Collin wissen, als die Tür ins Schloss gefallen war und ich fieberhaft versuchte, nicht zu Jared zu gucken. „Er ist ein grantiger, alter Vampir. Was hast du erwartet?“ „Er sieht gar nicht so alt aus… Eher klischeehaft.“ „Er ist ein wandelndes Klischee. Kein Übertritt über Türschwellen, ohne ausdrückliche Einladung, keine Kleidung die heller ist als schwarz und es wird immer angeklopft, nicht geklingelt.“ Collin hörte mir interessiert zu und er war so unangespannt, dass ich mich tatsächlich ein bisschen beruhigt hatte. „Also sucht er nachts die Schlafzimmer von armen, Mädchen in weißen Nachthemden auf?“, wollte Collin wissen und ich musste grinsen. „Kann schon sein… Aber ist ein Gentleman und trinkt ja sowieso kein Menschenblut.“ Ich stockte im Satz. Aus dem Augenwinkel konnte ich Jared sehen, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. „Einen Kaffee, Ian?“, wollte Collin wissen. Ich nickte stumm und bereute es sofort, als mir klar wurde, dass ich jetzt alleine mit Jared im Flur stand. „Du bist also kein Gentleman Vampir?“ Überrascht stellte ich fest, dass Jared breit grinste, anstatt mich hasserfüllt und vorwurfsvoll anzusehen. „Ähm, nein… Offenbar nicht. Aber du bist ja auch kein armes Mädchen, im weißen Nachthemd.“ … Gut, das war vielleicht nicht meine schlagfertigste Antwort gewesen. „Heißt das, du hättest Gnade walten lassen, wenn ich ein weißes Nachthemd angehabt hätte?“ Nicht zu fassen, er grinste noch immer. „Sehr lustig… Das hätte dir vermutlich auch nicht mehr geholfen. Immerhin hast du mich auf dein Blut geprägt anstatt mich einfach KO zu hauen.“ „Tut mir leid, dass ich kein hübsches Mädchen bin.“, antwortete er sachlich und ich wurde augenblicklich rot. Innerlich zumindest, ich hoffte, dass ich gefasster dreinschaute, als ich mich fühlte. „Als ob das einen Unterschied machen würde…“, murmelte ich. „Es tut mir auf jeden Fall sehr leid, wirklich…“ Ich traute mich kaum, ihn länger anzusehen, die ganzen Pflaster und Nähte, schürten meine Selbstverachtung. „Mir geht’s gut.“, antwortete er schlicht und schien mich zu mustern. „Geht es jetzt…?“, fragte er dann und ich schaute nun doch hoch. „Was meinst du?“ „Der Durst… Geht es?“, fragte er weiter, während im Hintergrund das Geräusch der Kaffeemaschine erklang. Ich dachte einen Moment über seine Frage nach und stellte überrascht fest… „Ja, es geht… Eigentlich komisch.“ „Wieso meinst du?“ „Müsste es nicht schlimmer werden…? Einem Alkoholiker geht es doch auch nicht besser, wenn du ihm den Whisky vor die Nase stellst.“ Jared grinste nun wieder. „Ich bin dein Whisky?“ Schon wieder durchströmte mich eine Woge peinlicher Berührung. „Na offenbar nicht! Mir geht’s besser, als es mir gehen sollte.“, gab ich zurück. „Na dann seid ihr ja schon zu Zweit.“, meinte Collin, der mit einer dampfenden Kaffeetasse um die Ecke schaute. „Wollt ihr da stehen bleiben, oder vielleicht mal reinkommen?“ Kurz darauf saßen wir an Collins Esstisch, auf dem die Reste einer chinesischen Fastfood Mahlzeit in Styroporschachtel lagerte, der Jared ab und zu einen missmutigen Blick zuwarf. „Ähm, also…“, setzte ich an, als mir das Schweigen zu unangenehm wurde. Collin hielt sich mit Mühe im Hintergrund und schaute erwartungsvoll zu Jared. „Wie machen wir das denn jetzt?“, beendete ich den Satz und schaute fragend in Jareds hellbraune Augen. „Weiß ich nicht. Collin und ich sind uns nicht einig geworden.“, antwortete Jared knapp und Collin holte sofort tief Luft. „Sag es nicht so, als hätte ich versucht, dich zu irgendetwas zu zwingen.“ Jared verdrehte die Augen. „Ich fülle mein Blut doch nicht in leere Milchtüten ab, kranker geht’s ja nicht mehr!“ „Darin könnten wir es unauffällig transportieren… In einer Glasflasche wäre es etwas auffällig.“ „Es gibt auch dunkelgrüne Glasflaschen.“, warf ich ein und jetzt erntete ich einen düsteren Blick von Jared. „Nein.“, war die Antwort. „Wenn ich mir wirklich Blut abzapfen lassen muss, dann aber nicht in solchen Mengen. Sonst kann ich ja den ganzen Tag nichts mehr machen…“ „Egal in welchen Mengen wir dein Blut abfüllen, wir brauchen auf jeden Fall Infusionsbesteck und Kanülen, oder zumindest sowas ähnliches, um es hygienisch zu entnehmen.“, meinte Collin und Jared verzog das Gesicht. „Gott dieses Gespräch ist so… abgefahren.“, murmelte ich. „Und ich kann dann mit hunderten von Nadelstichen in den Armen zu Arbeit… Na super.“ Collin blinzelte ihn ungläubig an. „Na das ist immer noch besser, als mit fünf Bisswunden und einer zwanzig Zentimeter langen Naht am Hals, oder?“ „Die Bisswunden sind schon verheilt.“, erklärte Jared und erntete verblüfftes Schweigen von Collin und mir. „…Im Ernst?“, machte sein Mitbewohner irgendwann. Jared nickte und löste eines der Pflaster, knapp unter seinem Kiefer. Außer den gräulichen Klebrändern und einer leichten Rötung war darunter nichts mehr zu sehen. „Glaub mir… Ich finde das auch ziemlich gruselig.“, versicherte Jared Collin, der aussah, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. „Mit anderen Worten… Du willst dich von ihm beißen lassen?“ Collin deutet unwirsch in meine Richtung. „Hallo? Was heißt denn hier wollen? Ich will das generell nicht! Ich habe ja nur angemerkt, dass ich dem Tod nicht so nah war, wir du die ganze Zeit behauptest.“ „Das kommt überhaupt nicht in Frage.“, antwortete Collin. „Ganz genau.“, krächzte ich. „Ich will dir nicht noch mal… wehtun, echt nicht.“ „Jetzt tut mal nicht so, als hätte ich vorgeschlagen, mich beißen zu lassen.“, protestierte Jared und ich meinte ein leichte Röte auf seinen Wangen zu erkennen. Wenigstens war ich nicht der Einzige, dem das alles peinlich war. „Also brauchen wir dunkelgrüne Glasflaschen.“, murmelte Collin und kritzelte auf einem Zettel herum. „Und Wunddesinfektionsmittel.“ „Wie machen wir es heute Abend…?“, fragte Jared und wich meinem Blick aus. Untypisch für ihn. „Ich brauche nicht unbedingt was. Wie gesagt, ich fühle mich nicht besonders durstig.“ Eigentlich seltsam. Im Café hatte ich schon Hunger verspürt, wo der jetzt hinverpufft war, war mir zwar ein Rätsel, kam mir aber gerade recht. Collin hob kritisch die Augenbrauen. „Ich erinnere mich, dass du das schon einmal zu mir gesagt hast…“ „Da hatte ich schon bedeutend mehr Hunger gehabt wirklich… Und Henry meinte, ich würde sowieso keinen anderen anfallen.“ „Beruhigend.“, antwortete Collin und griff nach seinem Handy. „Also gut, dann rufe ich mal bei Henry an und erstatte Bericht. Vielleicht kann er ja direkt was mitbringen…“ Collin tippte auf dem Display und verließ den Loft in Richtung Flur. „Es geht nicht.“, keuchte ich und krallte mich am Treppengeländer fest. Henry seufzte genervt. Es war jetzt der dritte Versuch, mich aus dem Gebäude zu bekommen, nachdem ich darauf beharrt hatte, dass ich keinen Hunger hatte. „Kannst du mir dieses Theater mal erklären?“, wollte Henry wissen und ich war einfach zu wütend auf diese ganze Situation, um ihm gemäßigt zu antworten. „Glaub mir, ich hab doch selbst keine Ahnung, was los ist! Es überkommt mich einfach und es tut verdammt weh…“ Ich griff mir an den Bauch, in dem ich ein immer stärker werdendes Ziehen verspürte, desto mehr Stufen wir hinabgingen. Und mein Kopf fühlte sich so unsagbar schwer an… „Aber es ist kein Hunger…“ „Okay, das hat so keinen Zweck.“ Henry packte mich am Ärmel und begann mich die Stufen wieder hinauf zu schleifen. Ich wehrte mich und wäre fast noch rückwärts ein Stockwerk tiefer gefallen. „Was wird das denn?!“, protestierte ich. „Offenbar beschränkt sich sie Prägung nicht nur auf sein Blut. Es hat wohl auch etwas mit seiner Nähe zu tun.“, erklärte Henry sachlich und schleifte mich unerbittlich weiter hinauf. „Was?! Nein, lass es uns noch mal probieren, vielleicht-“ „Ian, du hast schon Nasenbluten. Ich bezweifle, dass du es überhaupt bis runter auf die Straße schaffst. Geschwiege denn zurück in unser Versteck… Jetzt komm schon, du machst einen Heidenlärm und blutest alles voll.“ Tatsächlich tropfte mir Blut aus der Nase, von dort zu meinem Kinn und auf den Boden. „Oh, verdammt…“ Das durfte alles nicht wahr sein. Henry gab nicht nach, bis wir wieder vor Collins Wohnungstür standen. „Merkst du was?“, wollte er wissen. Ich fasste mir noch einmal an den Bauch und bemerkte tatsächlich, dass das Ziehen verschwunden war. Und auch von meinem dröhnenden Kopfschmerzen war nur ein leichter Druck in den Schläfen geblieben. Fassungslos starrte ich gegen die Wand, dann schloss ich die Augen. „Das kann doch alles nicht wahr sein… Wie schlimm wird das noch Henry?“ „Ich habe keine Ahnung.“, antwortete er und klopfte lautstark an die Tür. Aber ich veranstaltete einen Heidenlärm, klar… Es war diesmal Collin, der uns aufmachte. Überrascht schaute er von Henry zu mir. „… Hast du ihm auf die Nase geschlagen?“, fragte er dann ungläubig. „Nein. Das kommt vermutlich davon, dass Ian versucht hat, sich von dem Objekt seiner Prägung zu entfernen. Offenbar ist diese ganze Geschichte umfassender, als befürchtet.“ „Dem Objekt seiner Prägung…?“, fragte Collin und schien langsam zu begreifen. „Heißt das… Er muss hier bleiben?“ „Ja, er muss bei Jared bleiben. Ich überlege mir was. Morgen Mittag, bin ich wieder da.“ „Was?! Ist das dein Ernst?“, protestierte ich. „Er ist noch keine achtzehn, ich lasse ihn sicher nicht in Jareds Zimmer schlafen… Du kannst die Couch haben.“ „Oh Gott, Collin… mach es nicht noch peinlicher, als es schon ist.“, stöhnte ich und Collin brachte es tatsächlich fertig darüber zu lachen und mir freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. Und mal von der Tatsache ganz abgesehen, dass ich auf keinen Fall in Jareds Zimmer nächtigen wollte, war ich sehr wohl schon achtzehn! „Also, dann komm mal wieder rein… Dein Kaffee war sowieso noch nicht ausgetrunken.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)