Kaffee oder Tee? von Ginnybread (... oder vielleicht Blut?) ================================================================================ Kapitel 1: Grumpy Cook *Jared* ------------------------------ „Was… ist das?“ Collin beäugte das Essen auf seinem Teller, höchst skeptisch. „Das ist Lasagne… Nichts gesundes, keine Sorge.“, antwortete ich spöttisch und fing an, mich über meine Portion herzumachen. „Also die Lasagne die ich kenne, sieht anders aus.“, nörgelte mein Gegenüber und schob sich langsam einen ersten Bissen in den Mund. „Wahrscheinlich bestand sie zum Großteil aus Natriumglutamat, hatte drei Paar Augen und kam aus einer Mikrowelle. Das hier ist frische Lasagne.“, erklärte ich und versuchte nicht gekränkt zu sein, über das Gesicht, das er nach dem Probieren zog. Collin war nicht mehr zu helfen. Er war ganz eindeutig abhängig von Fastfood, Filterkaffe und Fertiggerichte. Die drei Horror Fs, mit denen man mich einmal um den Block jagen konnte. Und offenbar waren seine Geschmacksnerven total überfordert, mit hochwertigen Lebensmitteln. Nicht einmal mit Lasagne wurden sie fertig. Er legte die Gabel weg und schaute mich schuldbewusst an. „Stört es dich, wenn ich mir eine Pizza warm mache?“ „Tu dir keinen Zwang an.“, murmelte ich und schaute ihm resigniert nach, wie er in der Küche verschwand. Vielleicht sollte man fairer Weise erwähnen, dass der Gute einen ziemlich anstrengenden Job hatte, in dem er sich mit seiner Koffeinsucht, nicht sehr von seinem Umfeld abhob. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich hatte Zeit zum Kochen. Und ich konnte es einfach nicht lassen, ihn mit selbstgekochten Abendessen zu quälen. „War es so schlimm heute?“, fragte ich ihn, als er wieder im Wohnzimmer auftauchte. Im Hintergrund hörte man schon den Ofen vorheizen. Collin verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob heute ein verdammt guter oder ein verdammt schlechter Tag war.“ „Aha.“, machte ich, wohlwissend, dass er auch weiterreden würde, ohne, dass ich genauer nachfragen musste. „Wir haben offenbar einen Vampir in der Stadt und alle sind ganz aus dem Häuschen, deswegen. Er hält sich noch versteckt, aber die Gerüchte kamen jetzt schon aus so vielen verschiedenen Quellen, dass es wohl zu stimmen scheint.“ Verblüfft schaute ich zu ihm hoch. Ich hatte wieder mit einer super langweiligen Tirade über seinen Chef oder den kaputten Wasserkocher gerechnet. „Und… freut dich das nicht?“, fragte ich zögerlich. „Doch, na klar. Uns alle. Außer Rob. Und wenn Rob sagt, wir sollen dem nicht nachgehen, dann sind wir draußen. Und er hat es gesagt… mehrmals. Sehr laut.“ Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Wenn ich Rob wäre, hätte ich auch nicht ausgerechnet Collin und seine Chaoten-Abteilung auf diese Story angesetzt. „Ich gehe mal stark davon aus, du hast nicht vor, dich von der Suche abhalten zu lassen, oder?“, fragte ich und aß den letzten Bissen meiner (wohlgemerkt, sehr vorzüglich schmeckenden) Lasagne. Collin schnaubte verächtlich und lehnte sich an die Wand. „Natürlich nicht. Wenn dieser aufgeblasene Wichtigtuer meint, dass wir es uns leisten können, diese Story zu verlieren… meinetwegen! Aber ich lasse mir nicht verbieten, in meiner Freizeit auf die Suche zu gehen. Und die anderen auch nicht!“ Im Hintergrund piepte der Backofen auffordernd nach der Pizza und Collin verschwand wieder, gerade als ich fragen wollte, was er denn für eine Freizeit meinte. Man konnte über ihn sagen, was man wollte. Aber das Koffein, zeigte bei ihm immer eine sehr erschreckende Wirkung. Müßiggang, war ein Fremdwort für ihn und er war absolut unfähig sich einfach mal fünf Minuten ruhig und entspannt zurück zu lehnen. Und so verbrachte er auch seine freien Minuten mit Recherchearbeiten oder Telefonaten mit seinen Kollegen. Sie alle schienen mit dem gleichen Arbeitsvirus infiziert und rannten wie Ameisen von ihren Laptops zum Kopieren, zum Drucker, zum Telefon und natürlich in die Kaffeeküche. Immer, wenn ich ihn in die Redaktion begleitete, saß ich schweigend in einer Ecke und betrachtete sie fasziniert, während der nie abbrechende Redeschwall, der dort immer herrschte, zu einem Hintergrundsummen verschwamm. Ich war natürlich nicht ganz untätig. Aber mein Aushilfsjob beschränkte sich zum Glück auf banale Sachen, wie Briefmarken aufkleben, Flyer falten, gelegentlich ans Telefon gehen und dafür sorgen, dass es nie jemandem an Koffein mangelte. Keine Frage, ich liebte es wirklich, ihn in die Redaktion zu begleiten. Auch, wenn mich dann jedes Mal die Wehmut ergriff. Das ich nicht so sein konnte, wie sie. Obwohl ich dabei war und mich alle, als absolut ebenbürtig wahrnahmen. Ich fühlte mich nicht so. Collin kam ein paar Minuten später mit seiner dampfenden Pizza Hawaii zurück und ich bemerkte, dass ich die ganze Zeit stumm auf meinen leeren Teller gestarrt hatte. „Man, du hast ja noch eine ganze Auflaufform voller Lasagne in der Küche… Tut mir leid, aber du kennst mich ja.“, sagte er entschuldigend und hantierte mit dem Pizzaschneider, bis er sein Abendessen in vier, mehr oder weniger, gleich große Stücker zerteilt hatte. „Ja, weil deine Geschmacksnerven hoffnungslos verloren sind, kann ich jetzt die ganze Woche lang, das selbe essen. Du ziehst mich langsam aber sicher auf dein Niveau.“, murrte ich und er grinste. „Soll ich dir zum Nachtisch einen Kaffee machen? Als Wiedergutmachung, dafür, dass ich mal wieder dein Essen verschmäht habe?“ „Wag es ja nicht… Du kannst mir Teewasser aufsetzten, wenn du auf meine Gnade spekulierst.“, erwiderte ich in dem Moment, als Collins Handy losging. Der Arme hatte gerade erst einmal in seine Pizza gebissen und schien sich ziemlich fies an dem heißen Teig verbrannt zu haben. Fluchen hastete er in seiner Hosentasche nach seinem Handy, während er mit der anderen seine Pizza balancierte. „Ma? Cmollin mier, mas schibts?“, nuschelte er in den Hörer und wäre beim Versuch, von seinem Stuhl aufzustehen, fast noch damit umgekippt. Manchmal war es mir ein echtes Rätsel, wie er es geschafft hatte, dreiundzwanzig Jahre alt zu werden. Der Typ war eine ständige Gefährdung für sich und alle umstehenden. Besonders, wenn er hintern dem Steuer irgendeines Fahrzeuges saß. Mit Sicherheit hatte sich meine Lebenserwartung halbiert, mit dem Tag, an dem ich bei ihm eingezogen war. „Ally.“, stöhnte er genervt und biss erneut in seine Pizza, ungeachtet der Tatsache, dass sie noch immer, offenfrisch, vor sich hin qualmte. Kein Wunder, dass der nichts mehr schmeckte. Collin fing an, sich mit Ally zu streiten und ich sah ein, dass ich mir mein Teewasser, wohl oder übel, selbst würde aufsetzten müssen. Mit einem Seufzen erhob ich mich und schlurfte in die Küche, nur um dort fest zu stellen, dass Collin mir tatsächlich schon Teewasser aufgesetzt hatte. Offenbar hatte ihn doch das schlechte Gewissen gepackt, als er den Berg an Essen gesehen hatte, den ich für uns gekocht hatte. Na immerhin. Ich suchte mir mein Einmachglas mit den Pfefferminzblättern aus dem Schrank und beschloss, mich im Gegenzug für sein offenbar aufrichtiges schlechtes Gewissen, später noch einmal für seine Arbeit zu interessieren. Kaum hatte ich mir den Tee aufgegossen, steckte Collin seinen Kopf in die Küche. Noch immer kauend und mittlerweile mit roten Flecken auf den Wangen. „Jared, ich bin gleich wieder weg. Ich hole Ally ab und dann zeihen wir noch mal los.“ Aufgeregt biss er in sein Pizzastück und redete unbekümmert weiter. „Der Neue hat Infos darüber, dass er sich hier irgendwo im Viertel aufhalten könnte. Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen! Man ich kanns immer noch nicht glauben…“ Ich hob die Augenbrauen. „Ich das wirklich euer Ernst? Ist das nicht… irgendwie gefährlich? Und wer ist eigentlich der Neue?“ Collin hielt in seiner Kaubewegung inne und schaute mich fast ein bisschen enttäuscht an. „Sag mal bekommst du überhaupt irgendwas von dem mit, was um die herum gesagt und getan wird?“ Ach ja. Hatte ich schon erwähnt, dass ich furchtbar gut darin war, in alle nur erdenklichen Fettnäpfchen zu treten. Und Collin konnte eine echte Dramaqueen werden, wenn es um seine Arbeit und die Vampire ging. „Sorry. Ich weiß, ihr seid der Auffassung, sie sind nicht gefährlicher, als jeder Mensch auch, aber- “ „Nichts aber. Alles was nach diesem aber kommt, zeugt von Kleinkariertheit, unbegründeter Angst und Kontrollsucht. Es gibt kaum registrierte Übergriffe, von Vampiren auf Menschen. In dieser Stadt ist noch nie so ein Fall vorgekommen und das ist die Gelegenheit, endlich einen Vampir in die Öffentlichkeit treten zu lassen. Ihm ein Gesicht zu geben und den Leuten die Angst zu nehmen!“ „…Du weißt aber, wie 'Interview mit einem Vampir' ausgegangen ist, oder Collin?“, fragte ich sicherheitshalber nach und er antwortete nur mit einem empörten Schnauben, bevor er sich aus der Küche zurückzog. Ich verdrehte die Augen und machte es mir mit meinem Tee vor dem Fernsehen bequem. Collin verschlang seine Pizza, zog sich zeitgleich um und war schon wieder am Telefonieren. „Bis später, Jared!“ Verblüfft darüber, dass er offenbar schon vergessen hatte, dass er enttäuscht über meine kleinkarierte Sorge um ihn war, hob ich den Kopf. Aber da war die Haustür schon zugefallen und ich konnte hören, wie er die Treppe ins Erdgeschoss hinunterstürmte. „Tschüss.“, murmelte ich und wandte mich wieder dem Fernsehprogramm zu. Es kam nichts, was mich auch nur annähernd interessiert und so hatte ich ihn recht bald wieder ausgeschaltet. Als ich meinen Tee getrunken hatte stellte ich fest, dass es eindeutig zu früh war, um ins Bett zu gehen. Es war Freitagabend und Viertel vor acht. Zwar war ich lange kein so schlimmer Stubenhocker, wie Collin immer behauptete, aber ich war wirklich lange nicht mehr auf gut Glück durch die Stadt gezogen. Alleine machte es auch wirklich wenig Spaß. Wenn Collin und seine Arbeitskollegen dabei waren, konnte ich mich ein weinig von ihrer guten Laune anstecken lassen. Aber ich hatte mir gewisse Vorsätze festgelegt. Netter sein. Mehr wie die anderen sein. Nicht so viel Trübsal blasen und endlich einen festen Job finden, weg von zehn verschiedenen Mini-Jobs. Also stand ich vom Sofa auf und betrat das Gästezimmer, dass ich vor mehr als einem Jahr bezogen hatte. Damals sollte es für ein bis zwei Wochen sein. Und die Umzugskarton standen auch immer noch in einer Ecke und mahnten mich jedes Mal, netter zu Collin zu sein. Ich kannte ihn gut. Und ich wusste, dass er niemals auch nur im Traum daran denken würde, mich vor die Tür zu setzen. Er stellte dieses Konstrukt, in dem wir zusammenlebten, auch überhaupt nicht in Frage. Es störte ihn weder, dass er seine Wohnung teilen musste und ständig mit meiner Anwesenheit, meinem Essen und meiner Aufräumerei konfrontiert war, noch, dass ihn mittlerweile sämtliche Bewohner des Hauses (und sicher auch einige seiner Arbeitskollegen) für schwul hielten. Er hatte ja auch überhaupt keine Zeit, um sich daran zu stören oder sich vor Augen zu halten, wie verrückt die Tatsache war, dass wir zusammenlebten. Mein guter Vorsatz, drohte schon zu scheitern, noch bevor ich die Wohnung überhaupt verlassen hatte. Ich war so verzweifelt darüber, dass ich mich in einer Situation befand, in der ich überlegen musste, was ich anziehen sollte, dass ich beschloss, diesen Punkt einfach zu überspringen. Ich würde mich nicht umziehen, ich war ja kein dreizehnjähriges Mädchen, dass sich Lipgloss bis zu den Ohren schmieren musste, wenn es das Haus verließ. Ich wusste ja nicht einmal, wohin ich überhaupt wollte, also schwer sich für einen bestimmten Anlass zu kleiden. Trotzdem warf ich noch einen kurzen Blick in den Spiegel, bevor ich die Wohnung verließ. Zum Glück, wie sich herausstellte. Denn ich hatte mir, in bester Collin-Manier, Hackfleischsoße auf meinen Pullover geschmiert. Also doch umziehen. Ich griff das nächste Oberteil, dass auf dem Stapel, mit der sauberen Wäsche lag und streifte ihn mir über. Ansonsten sagte mir mein Spiegelbild bloß, dass ich vielleicht mal wieder zum Frisör musste. Die schwarzen Haare, vielen mir gefühlt, einen Zentimeter zu weit in die Stirn. Als ich schließlich im Halbdunkeln, auf der Straße, vor der Wohnung stand, wurde mir endgültig klar, wie nervös ich war. „Verdammt, Jared… Komm endlich mit deinem Leben klar.“, murmelte ich und fröstelte. Es war doch kälter, als gedacht. Und ich hatte keine Ahnung wohin ich gehen sollte. Ich kannte zwei Bars, die ich irgendwann mal mit den Leuten aus der Redaktion besucht hatte, aber ich wollte wirklich nicht alleine dort aufkreuzen. Ich beschloss, dass ich es erst einmal langsam angehen würde. Wer sagte denn, dass ich direkt die Bars im Alleingang erobern musste? Ich würde erst einmal eine Runde an er frischen Luft drehen, vielleicht in ein Viertel gehen, dass ich noch nicht so gut kannte. Also grub ich die Hände in meine Taschen und schlenderte los. Meine Finger tippten gegen die Zigarettenschachtel, die mich durch ihre bloße Anwesenheit schon beruhigte. Es störte mich ziemlich, dass ich so aufgekratzt war und ich merkte, dass es immer schlimmer wurde, desto näher ich den belebteren Vierteln kam. Verschiedene Menschengruppen standen auf den Bürgersteigen. Rauchende Mitvierziger, vor den Kneipen. Tuschelnde Mädchen, die sich untern den Laternen versammelten und auf ihren Handys herumtippten und laute Teenager, die in der Nähe des Stadtbrunnens herumturnten. Ab und zu kam mir ein händchenhaltendes Paar entgegen oder man entdeckte einen Obdachlosen, der sich in einen der verschlossenen Ladeneingänge schlafen gelegt hatte. Jedes Mal, wenn ich spürte, dass mich jemand mit seinem Blick streifte, hätte ich mich am liebsten auf dem Absatz umgedreht und wäre wieder zurückgegangen. Aber die klare Nachtluft tat mir gut. Hier in der Gegend waren kaum Autos unterwegs und der Park konnte jetzt gar nicht mehr so weit weg sein. Zwar war mir bewusst, dass es kein besonders guter Ort war, um eine Resozialisierung durchzuführen, besonders um diese Uhrzeit, aber die Junkies, würden mich wenigstens nicht anstarren, oder mir mit ihrem lauten Lachen unter die Nase reiben, was für ein perfektes Leben sie führten. Hier standen die Laternen nicht so dicht, es war dunkler, leiser und gefühlt noch ein bisschen kälter. Aber die nie sterbenden Geräusche der Stadt, versicherten einem, dass man sich noch in der Zivilisation befand. Ich hatte den Stadtteich, im Zentrum noch nicht einmal erreicht, als ich schon den ersten zu gedröhnten Mann auf dem Boden liegen sah. Vor einer Parkbank, leise vor sich hinbrabbelnd. Ich kam mir wirklich schäbig vor, dass ich mir sowas anschauen musste, um mir vor Augen zu halten, dass es mich weitaus schlimmer hätte treffen können und dass ich keinen Grund hatte, mich so schlecht zu fühlen, wie ich es seit über einem Jahr tat. Durchatmen, weitergehen. Ich würde es schaffen. Auch um Collin zu zeigen, dass er mich nicht umsonst, so lange ausgehalten hatte. Dann würde ich auch irgendwann in der Lage sein, ihm alles zurück zu geben, was er für mich getan hatte. Probeweise, versuchte ich mich sogar darin, ein Lied zu summen. Irgendein nichtssagendes Ohrwurmlied, dass sie momentan im Radio hoch und runter spielten und das Collin zu allem Überfluss auch noch als Klingelton missbrauchte. Meine Laune war gefühlt um ein paar Grad gestiegen, als ich schon den nächsten Junkie in der Nähe einer Zierhecke ausmachen konnte. Er war vornübergebeugt, wahrscheinlich hatte er sich gerade übergeben. Ich wollte mich schon angewidert abwenden, als ich sah, dass er sich über etwas drüber gebeugt hatte. Einen anderen Körper. Ich stand da und starrte das Bild an und kam mir selbst ein bisschen zugedröhnt vor. Denn der Mann, den ich als erstes entdeckt hatte, schaute mich jetzt an. „Oh scheiße.“ Im ersten Moment war ich bloß überrascht gewesen, wie jung er aussah, aber dann wurde ich ein bisschen abgelenkt, von seinen Gesichtszügen, immerhin waren sein Mund und sein Kinn komplett mit Blut verschmiert. Es tropfte langsam auf sein Opfer zurück, während wir uns anstarrten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)