Geschichten aus dem Internat von Lyndis (Sidestory zu Liebe Führt) ================================================================================ Kapitel 1: Die letzte Duschszene -------------------------------- Yuriy   Gleichmäßig prasselte das warme Wasser auf den Boden und ließ kleine Dunstwolken entstehen. Erleichterung durchflutete all ihre Körper, während die hohe Luftfeuchtigkeit im Raum, ihre Kleidung an ihrer Haut kleben ließ. "Damit ist es dann wohl vorbei." Die anderen drei nickten einvernehmlich. Leichte, rote Schlieren zogen sich durch das Wasser und versickerten schließlich im Abfluss. Eine kurze Weile sahen sie wie hypnotisiert dabei zu, wie das Blut wegewaschen wurde. Der zusammengesackte Körper, der unter dem Duschkopf lag, wurde keines Blickes mehr gewürdigt. "Jemand sollte das Wasser abstellen.", schlug Ivan vor. Bilder des fliehenden Mannes zuckten gleichzeitig durch ihre Köpfe. Wie ein Film schien sich alles noch einmal zu wiederholen. "Ich habe nur versucht euch zu helfen!", hörten sie ihn schreien, zusammen mit jeder Menge Flüchen und Beleidigungen. Sie hörten den Knall noch einmal. Den Knall der Pistole, der so dröhnend von den Wänden des Bades widerhallte, dass sie nicht hörten, wie der Mann zu Boden fiel. Jetzt starrten seine vor Angst geweiteten Augen zu ihnen empor. Der Terror, den er sonst verbreitet hatte, war vollkommen verschwunden. Es war nichts furchterregendes mehr an dem Mann. Er strahlte keine Autorität mehr aus. Es war alles verschwunden. Sie fragten sich alle, wie sie sich einmal hatten vor ihm fürchten können. Wie sie sein Wort als absolut hatten ansehen können. Gerade schien alles Vergangene nur noch wie ein Traum, eine fade Erinnerung, die schon fast gänzlich verblasst war. Wortlos trat Yuriy vor und stellte das Wasser ab. Die anderen sahen, dass er auf Volkovs reglose Hand trat, konnten aber nicht sagen, ob es Absicht gewesen war. Das gleichmäßige Prasseln stoppte und tödliche Stille legte sich über den Raum. Gerade als Yuriy seinem Team in die Augen sehen wollte, schreckte er aus dem Traum auf und realisierte im nächsten Moment, dass er aufrecht in seinem Bett saß. Sein Puls raste, sein Atem ging schwer und für einen kurzen Augenblick meinte er, noch das Gewicht der Pistole in seiner Hand spüren zu können. "Ist alles in Ordnung?" Kais müde Stimme hallte laut in seinen Ohren wider. Es war ein Geräusch, das nur kurz unangenehm war. Als er über die Antwort auf die Frage nachdachte, legte sich eine wohlige Wärme in seinen Bauch. Ein Gefühl, das er schon so lange nicht mehr gespürt hatte, dass er es vergessen hatte. "Ja, schlaf weiter." Es war nicht gelogen, aber Kai schien ihm nicht zu glauben. Stattdessen stand er auf und kam zu ihm herüber, um sich dann auf die Bettkante zu setzen. "Alptraum? Dir steht noch immer der Schweiß auf der Stirn." Manchmal wunderte Yuriy sich darüber, wie einfühlsam Kai sein konnte. Natürlich war es nicht halb so einfühlsam wie zum Beispiel Rei war, oder irgendein anderer halbwegs normaler Mensch, aber für das was Kai war, konnte er manchmal eben ungewöhnlich weich sein. Ob die Lichtwelt das aus ihm gemacht hatte? "Nein. Wie gesagt, es ist alles gut." Er selbst war nicht so feinfühlig. Oder auch nur daran interessiert es zu sein. "Wovon hast du geträumt?" Yuriy war sich nicht sicher, ob er sich das nur einbildete, aber Kai wirkte lauernd. Hatte er im Schlaf geredet? Seit sie das Internat übernommen hatten, hatte er ein paar merkwürdige neue Verhaltensweisen entwickelt, vielleicht war das eine davon. "Das geht dich wohl kaum etwas an!" Nur, weil er sich veränderte, hieß das noch lange nicht, dass er nachgiebiger wurde. Kai erschreckte das natürlich nicht, er seufzte nur müde. "Yuriy, wir sind Partner. Wir müssen zusammen arbeiten können. Wenn wir uns nicht kennenlernen und es schaffen uns ein wenig zu vertrauen, leidet das Internat darunter." Nicht das schon wieder! Wurde es Kai denn nie müde, darüber zu sprechen? Mal abgesehen davon, dass er ihn nie gefragt hatte, ob er das mit der Partnerschaft überhaupt wollte. Aber gut, wenn er es denn unbedingt wissen wollte: "Ich habe geträumt, dass ich Volkov umgebracht habe. Erschossen, um genau zu sein. Mit den anderen zusammen." "Und das war ein guter Traum?", fragte Kai verwirrt. "Natürlich! Oder traust du mir etwa nicht zu, dass ich so was ohne zu zögern könnte?" Doch Kai seufzte nur, wischte sich durchs Gesicht und stand wieder auf. "Wir haben noch einen langen Weg vor uns.", murmelte er, ehe er sich wieder hinlegte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)