Die Wölfe 4 ~Die Rache des Paten~ von Enrico (Teil IV) ================================================================================ Kapitel 25: ~Noch eine Krankheit~ --------------------------------- Der neue Tag ist unbarmherzig und fällt mit grausamen Kopfschmerzen über Antonio her. Mit einer Tasse Kaffee hat er sich an den Küchentisch gesetzt und stützt seine Stirn mit der Hand. Mehr als eine Unterhose, hat er sich bisher nicht angezogen und schon dabei wäre ihm fast der Schädel geplatzt. Noch immer rätselt er darüber, wieso er überhaupt nackt gewesen ist. Während er einen Schluck aus der Tasse nimmt, fährt er sich durchs Gesicht. Seine Hand streift Wange und Lippe, ein jeher Schmerz durchflutet seine Sinne. Er tastet beides noch einmal ab. Die Wange ist geschwollen und an seiner Lippe klebt getrocknetes Blut. Ein neues Rätsel beschäftigt seinen hämmernden Kopf. Das Schloss der Haustür klickt, viel laute Stimmen brechen herein, als sie sich öffnet: „Glaubst du wirklich, dass es der Ehemann war, der die Frau so zugerichtet hat? Er macht einen so ruhigen und freundlichen Eindruck auf mich“, sagt Lui. „Sind es nicht meistens die Ruhigen, von denen man es am wenigsten erwartet?“ „Und wie willst du das beweisen?“ „Keine Ahnung. So lange seine Frau schweigt, ist ihr nicht zu helfen.“ „Ja, das alte Spiel.“ Die beiden Asiaten kommen ohne Umwege in die Küche und werden immer lauter. Der zerreißende Druck in Antonios Kopf wird unerträglich, er hält sich beide Ohren zu, doch Jans Stimme ist immer noch zu laut: „Na, wieder von den Toten auferstanden?“ „Ist noch Kaffee da?“, will Lui wissen. Antonio stöhnt und bittet inständig: „Könnt ihr nicht leiser sein? Mir platzt gleich der Schädel.“ Lui gießt sich und Jan eine Tasse ein und kommt damit zum Tisch zurück. Eine reicht er Jan, die andere stellt er auf dem Küchentisch ab. Der Klang des Porzellans auf dem Holz, lässt Antonio zusammen zucken. „Das sieht nach nem mächtigen Kater aus“, stellt Jan fest, „Warum hast du überhaupt so viel gesoffen?“ „Enrico treibt mich in den Wahnsinn. Da brauchte ich Ablenkung.“ „Etwas zu viel Ablenkung, was?“, mischt sich Lui ein. „Und warum hast du nackt auf unserem Sofa gepennt?“, versucht Jan in Erfahrung zu bringen, während er einen Schluck aus seiner Tasse trinkt. „Wenn ich das nur wüsste.“ Lui greift über den Tisch und Antonio an die verletzte Lippe. „Und wo hast du dir das geholt?“ Antonio zuckt mit den Schultern. „Das hat er von mir!“, mischt sich Enrico in das Gespräch. Er kommt zu ihnen in die Küche und sieht finster auf Antonio herab. Als er zu ihnen kommt, knurrt er: „Arschloch!“ Antonio sieht seinen Freund verstört an. Von allen Anwesenden wird er stumm gemustert. „Fahrt ihr noch mal in die Stadt?“, richtet Enrico sich an Lui und Jan. „Ja, wir sind nur für die Mittagspause her gekommen. Wieso?“ „Nehmt ihr mich bitte mit? Ich will wieder arbeiten.“ „Fühlst du dich denn fit genug?“ Lui betrachtet Enrico besorgt. „Ja, außerdem will ich nicht mehr allein mit dem Kerl hier bleiben.“ Enricos Blick richtet sich wieder unheilvoll auf Antonio. Fieberhaft überlegt der, was in der vergangen Nacht vorgefallen ist, doch es will ihm kein Streit einfallen. Seufzend wendet er sich von allen ab und trinkt einen Schluck seines Kaffees. „Was hat er denn ausgefressen?“, will Jan mit einem schadenfrohen Lächeln im Gesicht wissen. „Das geht euch nichts an!“ „Aha!“, belustigt sieht Jan zwischen ihnen hin und her, „So schlimm also? Ehrlich, dass mit euch Beiden, könnte ich mir den ganzen Tag anschauen.“ „Jan!“, tadelt Lui. „Was denn?“ Lui schüttelt mit dem Kopf und zieht Jan am Arm aus der Küche. „Lass die Beiden das unter sich ausmachen.“ „Du gönnst mir auch gar keinen Spaß!“ Als Jan und Lui die Küche verlassen haben, will Antonio wissen: „Enrico, was hab ich ausgefressen?“ „Spielt keine Rolle mehr. Für dich bin ich doch sowieso nur ein Bücher verschlingender Krüppel, der zu viel rumflennt.“ Enrico kommt ganz nah an ihm vorbei. Neben ihm beugt er sich herab und flüstert ihm zu: „Wenn du mir noch mal so auf die Pelle rückst, kannst du die nächsten drei Monate auf der Straße pennen!“ „Enrico, ich ...“ Enrico hebt abwehrend die Hand und lässt ihn stehen. „Und zieh dir gefälligst was an!“, kommt lediglich noch aus dem Flur von ihm. Antonio bettet den Kopf wieder in den Händen. ...~*~... „Jetzt sag schon, was hat er gemacht?“, fragt mich Jan zum hundertsten Mal. Ich schaue aus dem Fenster und sehe der vorbeifahrenden Landschaft zu. Die ganze Nacht schon, bekomme ich diese Bilder nicht aus meinem Kopf. Auch jetzt sehe ich diesen verdammten Kerl noch über mir, mit diesem blöden Grinsen im Gesicht und seinen gierigen Augen. „Das geht dich nichts an!“, maule ich wieder. „Das muss ja schon was heftiges gewesen sein, wenn du nicht mehr mit ihm allein bleiben willst“, nervt Lui. „Ja, ich dachte er ist so harmlos?“, fügt Jan grinsend an. Ich rolle mit den Augen „Ist er auch“, sage ich und klinge nicht besonders überzeugend. Immer wieder spult sich in meinem Kopf, die selbe Situation ab. Hätte Toni es drauf ankommen lassen, ich hätte ihm nichts entgegen zu setzen gehabt. Schon bei dem Gedanken schlägt mir das Herz wieder bis zum Hals. Was er wohl getan hätte, wenn ich ihn nicht mit meinem Gejammer gestoppt hätte? Unweigerlich zwingen sich mir die Dinge ins Gedächtnis, die ich in dieser Situation gesehen habe. Wilde Küsse, gieriges Kleider vom Leib reißen und harte Stöße ... Ich atme tief durch und versuche mich vergeblich mit der vorbeiziehenden Landschaft abzulenken. Es gelingt mir nicht. Was musste sein viel zu großer Schwanz auch auf meinem Bauch reiben? Dieser verdammte Mistkerl. Hat ihn denn allein schon die Vorstellung, mich flachzulegen, so geil gemacht, oder ist das nur der Alkohol gewesen? „Enrico! Ich rede mit dir!“, dringt die Stimme Jans in meinen unruhigen Geist. „Was denn?“, maule ich und sehe stur aus dem Fenster. „Komm schon! Ich platze fast vor Neugier!“ „Ach, geh sterben!“ Jan verstumm, dafür wird es in meinem Kopf wieder lauter. Haben wir früher wirklich miteinander geschlafen, so richtig? Bisher konnte ich mir das nicht mal vorstellen und nun habe ich den ganzen Kopf voll mit Bildern davon. In den Arsch, ehrlich? Das muss doch weh tun. Ich seufze und lehne den Kopf gegen die Scheibe. Ich habe so gehofft, dass es für alles eine vernünftige Erklärung gibt. Habe es mir immer und immer wieder eingeredet. Ich will nicht so sein, wie Lui und Jan. Mir gefallen doch große, runde Brüste und ich habe mich in Robin doch auch wohl gefühlt. Ich bin verheiratet. Auch wenn ich es nicht mit Robin bin, sonder mit ihrer Schwester. Wie kann ich gleichzeitig das eine mögen und trotzdem was mit Toni gehabt haben? Hat mir denn da keiner ins Gewissen geredet? Ich habe Menschen getötet, ich habe mit nem Mann gepennt, gibt es eigentlich noch irgendwelche Katastrophen, von denen ich nichts weiß? Kein Wunder das die Drei nie darüber reden wollten. Jan hatte recht, es wäre besser gewesen, wenn ich mich nicht erinnert hätte. Die ganze Zeit war ich normal und damit auch mehr als zufrieden und jetzt muss ich ständig an diesen verdammten Kerl denken. Immer düsterer wird meine Stimmung. Was für ein abartiger Mensch muss ich damals gewesen sein? Kein Wunder, dass sich neben Lui, Jan und Robin, hier nie jemand gemeldet hat. Wer will schon was mit so jemanden wie mir zu tun haben? Wenn das im Dorf die Runde macht, kann ich mich nirgends mehr blicken lassen. Eros wird mich hochkant aus der Werkstatt schmeißen und die Menschen werden auf der Straße mit Fingern auf mich zeigen. Robins Familie wird mich verstoßen. Dann kann ich mich den Rest meines Lebens in diesem verdammten Sommerhaus begraben. Ich raufe mir durch die Haare und atme gegen die Scheibe. Ich muss das los werden. Gibt es denn kein Medikament gegen diese Krankheit? Hilfesuchend sehe ich zu Lui und Jan. „Sagt mal, habt ihr eigentlich je versucht nicht auf Männer zu stehen?“ Jan mustert mich fragend im Rückspiegel, während Lui über den Sitz hinweg zu mir schaut. „Wie kommst du jetzt darauf?“, fragt Lui. Ich gehe gar nicht erst auf seine Frage ein und will weiter wissen: „Es muss doch irgend ein Mittel geben, dass abzustellen. Das ist doch ne Krankheit, gibt’s da kein Medikament oder ne Behandlungsmethode?“ „Klar, du kannst gern in ne Irrenheilanstalt gehen und dich mit Elektroschocks foltern und in ne Zwangsjacke stecken lassen“, meint Jan abschätzig. „Würde das denn helfen?“ Ich bin fast so weit es darauf ankommen zu lassen, wenn diese Gedanken nur verschwinden. „Dein Ernst?“, murrt Jan. „Ich will nur dass das aufhört. Ich bin nicht wie ihr. Und ich will auch nicht so werden.“ Jan fährt rechts ran und stoppt den Wagen. Als er sich nach mir umdreht, ist sein Blick ernst und voller Leid. „Jetzt hör mir mal zu, du Vollidiot! Es gibt kein Heilmittel, du wirst das nicht los.“ „Woher willst du das wissen? Du hast es doch nie probiert!“, halte ich dagegen. Er lebt es mit Lui doch in vollen Zügen aus und versucht noch nicht mal etwas dagegen zu tun. Jans Blick wird noch verbissener. Wütend schnauzt er: „Ich habe diesen ganzen Scheiß hinter mir. Als mein Vater mich mit meinem ersten Freund erwischt hat, hat er mich sofort einweisen lassen. Er hat Sam bei der erst besten Gelegenheit über den Haufen geschossen und den Ärzten Anweisung gegeben, alles nötige zu tun, um diesen Dämon aus mir zu vertreiben. Und glaub mir, unter Drogen gesetzt und gefoltert zu werden, ändert überhaupt nichts, außer dass du kaputter dort raus kommst, als du rein gegangen bist. Ich habe Monate gebraucht, die Ärzte davon zu überzeugen, dass ich geheilt bin, um dieser Hölle zu entkommen. Aber wenn du unbedingt dort hin willst. Ich fahr dich sofort hin!“ Ich schlucke schwer und weiche Jans Blick aus. Das ist das erste Mal, dass er so viel von sich preis gibt. Selbst Lui sieht ihn erschüttert an. „Davon hast du nie was erzählt“, meint er. „Das binde ich ja auch sonst keinem auf die Nase“, entgegnet Jan, sein Blick verliert sich in der Ferne. Ich schweige lange und wage nur zögernd zu fragen: „Also kann man gar nichts dagegen machen?“ Jan seufzt schwer. An seiner Stelle antwortet Lui: „Ab und an kommt mal ein Arzt und meint er hätte das ultimative Heilmittel gefunden. Aber ich habe bisher noch von keinem Patienten gehört, wo das wirklich geholfen hat.“ „Wie haltet ihr das aus?“ Lui und Jan schweigen und sehen sich gegenseitig an, Schließlich ist es wieder Lui der antwortet: „Es ist nicht mehr so schwer, wenn man sich einfach damit abfindet und das beste daraus macht.“ „Ist das eurer einziger Rat. Ich soll es hinnehmen?“ „Robin ist der Meinung, dass man einfach so geboren wird und das nichts dabei ist. Ihre Partys liefen immer unter dem Motto: Alles ist erlaubt, solange es allen beteiligten gefällt.“ „Das hilft mir auch nicht wirklich weiter!“ „Was willst du denn hören?“, fordert Jan lautstark zu wissen. „Das es wie ne Grippe wieder weggeht?“ Jan und Lui rollen beide mit den Augen. „Das kannst du vergessen mein Freund!“, mault Jan harsch. Ich atme schnell und kann die Wut und Traurigkeit in mir nicht mehr kontrollieren. „Reicht es denn nicht, dass meine Beine kaputt sind und ich mich an mein halbes Leben nicht mehr erinnern kann? Muss ich diesen Mist auch noch haben?“, fluche ich unter Tränen und richte mich an Lui, „Warum hast du diesen Kerl überhaupt hier her gebracht? Wenn er nicht gekommen wäre, wüsste ich das alles nicht. Dann könnte ich in Frieden weiterleben!“ „Tut mir leid. Ich hab's gut gemeint. Du wolltest dich so unbedingt erinnern und ich wusste, dass es dir mit Antonio gelingen könnte“, erwidert Lui zerknirscht. „Ich will das alles nicht! Diese verdammten Bilder verfolgen mich schon die ganze Nacht. Das soll aufhören!“, schluchze ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen. „Was hat der Kerl denn bitte mit dir gemacht?“, will Jan wieder wissen. Dieses Mal fehlt der Spot in seiner Stimme. „Ich wollte doch nur, dass er die nassen Sachen auszieht, damit er nicht krank wird. Es war doch keine Einladung“, schluchze ich weiter und spüre die besorgten Blicke meiner Freunde auf mir. „Enrico! Was hat der Schweißkerl gemacht?“ „Er wollte mich auch ausziehen.“ „Okay, wir drehen um und ich hau ihm auf's Maul!“, entscheidet Jan und startet den Wagen. Erschrocken schaue ich auf. „Jan, nein!“ Ich will nicht, dass sich die Beiden schon wieder kloppen. „Er hat ja aufgehört, als ich ihn darum gebeten habe“, hoffe ich die Situation entschärfen zu können. „Trotzdem! Das er das überhaupt probiert hat“, flucht Jan und fährt los. Ich lege ihm meine Hand auf die Schulter und bitte ihn inständig: „Bitte, lass ihn zufrieden!“ „Warum nimmst du ihn noch immer in Schutz?“ „Weil das eine Sache zwischen ihm und mir ist, okay? Wenn wir wirklich mal zusammen waren, kann er doch auch nichts dafür.“ „Und ob er was dafür kann. Er weiß genau, dass du dich nicht erinnern kannst und rückt dir trotzdem auf die Pelle.“ „Aber dafür kann ich mich jetzt ja erinnern und er war total besoffen. Nüchtern hätte er sicher nie was versucht“, halte ich dagegen. „Na und!“ „Jan, bitte! Lass uns einfach in die Stadt fahren. Ich will weg von dem ganzen Mist. Ich will arbeiten und mich ablenken. Außerdem hab ich ihm schon dafür eine verpasst. Ich glaube nicht das er noch mal irgendwas versucht.“ „Hör doch endlich mal auf ihn in Schutz zu nehmen! Er ist ein verdammter Arsch.“ „Das weiß ich! Aber ich mag ihn trotzdem. Bitte, dreh wieder um.“ Jan seufzt ergeben und schlägt auf das Lenkrad, schließlich drosselt er die Geschwindigkeit des Wagens und wendet ihn. „Danke!“ Ich lege Jan meine Arme um den Oberkörper und drücke ihn fest in den Sitz. Er streicht mir mit der Hand über den Unterarm. „Kommt er dir noch mal zu nah, halt ich mich nicht mehr zurück.“ „Okay!“ Lui sieht uns schweigend an, dann kommt ihm ein Seufzer über die Lippen. Seinen Blick wendet er ab und aus dem Fenster. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)